Die mit den Tierwesen tanzt von Calafinwe ================================================================================ Kapitel 5: Ein neuer Freund --------------------------- Ich gähnte und starrte an die Decke. Mein Wecker hatte schon vor Stunden geklingelt. Um fünf Uhr morgens, wenn ich genau sein wollte. Weil ich gestern Abend zu müde war, ihn auf eine spätere Uhrzeit umzustellen. ‚Oder vor ein paar Stunden ...‘ Realistischerweise war ich ja erst um halb fünf Uhr morgens ins Bett gekommen. Und der Wecker hatte eine halbe Stunde später geklingelt. Ich hatte es schlicht nicht gehört. Jetzt war es 11 Uhr und ich fühlte mich immer noch schlapp. Ich hatte vielleicht sechs Stunden Schlaf bekommen, definitiv zu wenig, um den vorherigen Tag auszugleichen. Und ich verspürte wenig Lust, jetzt schon aufzustehen und mich wieder an die Arbeit zu machen. ‚Chronischer Fachkräftemangel oder nicht, wenn die Ministeriumsmitarbeiter alle solche Schichten haben, ist es kein Wunder, dass kaum jemand für arbeiten will‘, dachte ich. Ich rollte mich herum, kuschelte mich in meine Bettdecke samt Wolldecke und schloss die Augen wieder. Inzwischen fiel es mir schwer, die Augen geschlossen zu halten. Ich wollte sie dringend noch etwas entspannen, aber ohne meine Schlafmaske fiel mir das nicht leicht. Meine Schultern taten mir weh, was ich darauf schob, am Vortag die ganze Zeit den Rucksack geschultert zu haben. Wenigstens hatte ich ein Einzelzimmer, der wahre Luxus, wenn ich so darüber nachdachte.  Ich hatte es bisher nicht einmal fertig gebracht, mich nach dem Rucksack zu bücken, der neben meinem Bett lag und in dem der Niffler immer noch schwer atmete.  Ich riss die Augen auf. Den kleinen Kerl hatte ich vollkommen vergessen. Ich kletterte aus meinem Bett und humpelte zum Lichtschalter. Danach ging ich zum Bett zurück. „Wehe, du hast mir in den Rucksack gemacht ...“, drohte ich. Ich griff nach dem Rucksack. Der Niffler saß immer noch so drin, wie ich ihn reingestopft hatte. Ihm fiel es irgendwie bedeutend leichter, seine Pupillen auf mich zu richten und ich vermutete, es lag daran, dass er ein magisches Tierwesen war. Ich holte den kleinen Kerl aus dem Rucksack und wendete ihn in meinen Händen. Er war steif wie ein Stück Holz. Zum Test nahm ich ihn an seinen Hinterläufer, hielt ihn kopfüber und schüttelte ihn, aber nichts geschah. War wohl doch besser, wenn ich mit ihm zu Dr. Müller ging und er den Zauber aufhob. „Aber erst Mittagessen“, entschied ich. Ich holte neue, frische Klamotten aus meinem Schrank und zog sie an. Die Wäsche vom Vortag, in der ich auch geschlafen hatte, häufte ich auch mein Bett. Den Niffler schob ich in meinen Rucksack zurück und schulterte ihn. Sicher war sicher. Danach griff ich nach meinem Zauberstab, der auf dem Tisch lag. „Huh?“ Ich fischte einen gefalteten Zettel von der Tischplatte. „Kommen Sie bitte umgehend zu mir“, stand dort. Unterzeichnet war die Nachricht von Dr. Müller. „Ja. Aber erst Essen“, meinte ich. Ich steckte Zauberstab und Zettel ein, verließ mein Zimmer und fuhr ins zweite Untergeschoss hoch. Die Kantine war um diese Zeit brechend voll. Ergeben stellte ich mich in eine der Schlangen bei den Tabletts. „Huh? Unterbesetzt ist ja mal eine maßlose Übertreibung.“ Ich wunderte mich, woher auf einmal die ganzen Ministeriumsmitarbeiter herkamen, aber verscheuchte den Gedanken auf später. Ich gönnte mir eine echte Berliner Currywurst nebst Fritten und Limo. Frustnahrung sozusagen, irgendwie schade, dass ich das Frühstück verpasst hatte. Ich quetschte mich an einen freien Platz mitten unter den Tischen und verputzte mein Mittagessen. Die Soße war schärfer als erwartet, aber ich mochte scharf und haute ordentlich rein. Die Geräuschkulisse um mich herum war zu groß, als dass ich mich auf eines der Gespräche neben mir hätte konzentrieren können. Ich hatte den Eindruck, dass es weniger um die Arbeit der anderen Ministeriumsmitarbeiter ging, sondern mehr um Privates. Welcher Zauberer seiner Gattin mit welcher Ministeriumshexe fremdgegangen war, interessierte mich nun wirklich nicht. Schließlich brachte ich mein Tablett zurück und fuhr in meine Abteilung. Dr. Müller saß an seinem Platz, als ich in sein Büro kam. Sein Jobberknoll sprang auf seinem Schreibtisch herum und spielte mit einem kurzen Bleistift. „Mahlzeit“, begrüßte ich ihn. „Moin Frau Schuster. Ich hatte Sie ja schon eher erwartet.“ „Sir, ich war am frühen Morgen bei Ihnen, aber da haben Sie auf Ihrem Schreibtisch gelegen und geschlafen“, erklärte ich schüchtern. „Und ich hatte auch einen langen Tag hinter mir, wenn ich ehrlich sein darf.“ „Ja ja, hab schon gehört, was Sie alles angestellt haben. Und dass Sie erfolgreich waren. Wo ist der kleine Kerl jetzt?“ Ich setzte meinen Rucksack auf einem der Besucherstühle ab und holte den Niffler hervor. „Tada!“, meinte ich triumphierend. Ich reichte ihn über den Tisch hinweg zu Dr. Müller, der den Niffler fasziniert entgegennahm. Er betrachtete ihn von allen Seiten, während das Tier weiterhin schwer schnaufte. „Nun gut, dass wir ihn haben. So ein kleiner Dieb hätte noch bei weitem mehr Chaos stiften können“, meinte Dr. Müller und legte den Niffler dann vor sich auf den Tisch. Ich nickte selbstbewusst. „Aber ich muss Sie wegen Ihrer ...“ „Unkonventionell?“, schlug ich vor. „Ja ... wegen Ihrer unkonventionellen Methoden rügen. Oben war man über das Chaos, das Sie angerichtet haben, nicht besonders begeistert.“ War ja klar. Da brachte man erfolgreich einen Dieb zur Strecke, noch dazu einen, der nicht gerade einfach zu fangen gewesen war, und dann wurde man dafür noch angekekst. Ich starrte Dr. Müller einen kurzen Augenblick durchdringend an, nahm meinen Rucksack vom Stuhl und setzte mich. „Wieso haben Sie die Angestellten nicht obliviert, als Sie die Gelegenheit dazu hatten?“, fragte er. „Weil ich diesen Zauber nicht beherrsche, Dr. Müller. Ich bin schon froh, den kleinen Ganoven mit Petrificus Totalus erwischt zu haben. Für eine unausgebildete Hexe wie mich ist das alles andere als leicht“, gab ich zurück. „Das können Sie Ihren Leuten da oben ruhig auch mal unter die Nase reiben.“ Dr. Müller seufzte und sank in seinem Stuhl zusammen. „Sie haben ja Recht. Ach, es ist wirklich ärgerlich, dass wir Ihre Akte damals verschlampt haben.“ Ich legte den Kopf schief. „Na ja, wäre ich damals nach Arenberg gegangen, würde ich jetzt vielleicht einer anderen Berufung nachgehen. Aber Sie können nicht von mir erwarten, perfekte Leistungen abzuliefern. So unausgebildet, wie ich leider bin. Ich bin schon froh, dass ich niemanden ernsthaft verletzt habe, wenn man von dem Sturz der Dame einmal absieht.“ „Na schön, ich schau mal, was sich da machen lässt. Was hatten Sie für heute geplant?“ „Öh, bisher nichts, wenn ich ehrlich sein soll. Ich versuche morgens immer, mittels der Bücher etwas zu lernen, aber da ich zwei anstrengende Tage hinter mir habe, brauchte ich heute einfach den Schlaf. Und ich muss noch einige private Dinge klären.“ Dr. Müller richtete sich wieder in seinem Sitz auf. „Private Dinge? Was für private Dinge, wenn ich fragen darf?“ Ich druckste etwas auf meinem Stuhl herum. „Na ja, ich habe kurzfristig Familie und Freunde zurückgelassen. Die werden sich vielleicht fragen, warum ich nicht mehr zu Hause bin. Oder sich bei mir auf dem Handy melden. Und ich bin ja arbeitslos, also wissen Sie ...“ Er legte den Kopf schief. „Nee, woher auch“, murmelte ich. „Sie müssen schon lauter sprechen, wenn ich Ihnen helfen soll.“ „Also in der MaKa-Welt muss man sich eigentlich arbeitslos melden, sobald man seinen Job verliert. Ich weiß nicht, ob ich das machen soll oder nicht.“ „Äh, damit kenne ich mich leider nicht aus. Sie bekommen am Ende des Monats Gehalt vom Ministerium und arbeiten für uns. Warum sollten Sie sich da dann in der MaKa-Welt arbeitslos melden?“ „Hm, stimmt auch wieder, da hab ich nicht drüber nachgedacht. Ich dachte, es sei nur sinnvoll wegen meiner späteren Rentenbezüge und so ...“ „ Äh ... und was haben Sie noch auf dem Herzen?“ „Äh, ich hab zuhause auch einen Briefkasten. Wenn der nicht regelmäßig geleert wird, denkt vielleicht jemand, ich sei im Urlaub und bricht bei mir zu Hause ein.“ „Schon erledigt. Eine Eule bringt Ihre tägliche Post nach Berlin.“ „Äh, eine Eule?“ Dr. Müller nickte und verschränkte schmunzelnd die Arme vor seinem Bauch. „Schafft die es denn in einem Tag von Berlin nach München und wieder zurück?“ „Nun, eine Eule braucht natürlich etwas länger, sie muss zwischendurch ja auch mal Pause machen und was fressen. Ihre Post kommt mit einigem zeitlichen Versatz an, aber das sollte nicht so schlimm sein.“ Ich sah ihn fasziniert an. „Wie viele Eulen sind denn für solche Dienste im Einsatz?“, fragte ich neugierig. „Kaum welche, wie Sie sich denken können. Sie sind ja sozusagen ein Sonderfall. Alle anderen Ministeriumsmitarbeiter haben ganz normale Wohnungen, an die auch die MaKa-Post gesendet wird.“ „Gut, dann wird das wohl so sein. Äh ... Dr. Müller, gibt es im Ministerium eine Möglichkeit, wo ich meine Wäsche waschen kann?“ „Tut mir leid, sowas bieten wir leider nicht. Wir sind ja kein Hotel. Ich fürchte, dafür werden Sie einen Waschsalon in der Stadt aufsuchen müssen. Fragen Sie einfach oben an der Rezeption nach, die können Ihnen da helfen. Drückt sonst noch wo der Schuh?“ Ich nickte leicht beschämt. „Entschuldigen Sie, meine Ankunft hier war wirklich ungeplant. Ich weiß leider so gut wie nichts über die deutsche Zauberergesellschaft. Wie läuft das mit meinem Gehalt? Auf welchem Konto wird das bitte eingezahlt?“ „Auf Ihrem ganz normalen Konto.“ „Auf meinem ganz normalen Konto? Versteh ich nicht, meine Hausbank wird das doch nicht verstehen, wenn plötzlich eine Transaktion in einer ihr völlig unbekannten Währung ankommt.“ Dr. Müller legte amüsiert den Kopf schief. „Ich kann mich nur noch mal dafür entschuldigen, dass wir Sie so mir nichts dir nichts entführt haben, wenn man es so sagen will. Anders als andere Zaubereigesellschaften nutzt die Deutsche den Euro als Währung. Der Absender des Geldes ist natürlich ein Pseudonym, damit wir keinen Verdacht erregen.“ „Äh, Euros? Versteh ich nicht.“ „Na ja, mit der von Theo Waigel und Konsorten angestoßenen Währungsreform dachten wir uns, dass das für uns auch ein guter Zeitpunkt wäre, unsere Magische Mark hinter uns zu lassen und neue Wege zu gehen.“ „Äh, aber warum denn gerade der Euro?“ „Eigentlich ist es ja nachvollziehbar. So laufen wir nicht Gefahr, aus Versehen eine andere Währung irgendwo liegen zu lassen, die nur die Magierschaft auf diesem Planeten kennt. Aber es war seinerzeit nicht einfach, die Sache durchzubekommen ...“ „Warum?“ Der Alte schüttelte vergnügt den Kopf. „Na na, Frau Schuster, das muss mit der Geschichtsstunde jetzt erst einmal reichen. Lesen Sie bei Interesse einfach die entsprechenden Quellen in Ihrer Bibliothek.“ Ich schüttelte den Kopf, nickte dann. „Also? Wo ist denn das ganze Diebesgut?“ „Steckt noch im Niffler“, erzählte ich. „Ich habe probiert, es aus ihm raus zu bekommen, aber ich glaube, solange er noch unter dem Petrificus Totalus steht, wird das nichts.“ „Haben Sie den Gegenspruch nicht gelernt?“, fragte Dr. Müller. „Doch, natürlich. Aber ich hatte Angst, ihn freizulassen. Hernach entwischt er mir und das ganze Chaos war umsonst.“ „Ja, gut, das ist natürlich nachvollziehbar. Wollen Sie’s probieren? Dann pass ich auf, dass er nicht durch die Tür abhaut.“ Ohne meine Antwort abzuwarten, sprang Dr. Müller von seinem Platz auf und postierte sich mit seinem Zauberstab an der Hand in der Tür. Sein Jobberknoll flog zu ihm und setzte sich auf seine Schulter. Ich stand ebenfalls auf, holte meinen Zauberstab hervor und nahm den Niffler ins Visier. „Denken Sie an die richtige Betonung ...“, flüsterte Dr. Müller. Ich seufzte innerlich. Genau die hatte ich beim Aussprechen besonders geübt. Ob ich es richtig gemacht hatte und auch die Zauberstabbewegung beherrschte, würde sich jetzt zeigen. Ich räusperte mich einmal theatralisch und richtete meinen Zauberstab auf den Niffler. „RennerVAte!“, sprach ich laut und deutlich. Umgehend erschlaffte der kleine Körper. Der Niffler keuchte schwer und fing dann an, auf dem Bauch zu schwimmen. Ich trat an den Schreibtisch heran, legte meinen Zauberstab auf den Tisch und schnappte mir den kleinen Kerl. „Zeit, die Beute herzugeben“, meinte ich. Der Niffler warf mir einen verängstigten Blick zu, aber ich ließ mich davon nicht beeindrucken. Stattdessen stürzte ich ihn vorsichtig kopfüber und schüttelte ihn. Umgehend fielen zahlreiche Gegenstände aus seinem Bauch heraus. „Das hätte ich nun nicht geglaubt!“, meinte Dr. Müller fasziniert. Er war ebenfalls herangetreten und sah mir dabei zu, wie ich den Bauch des Nifflers sozusagen entleerte. Die verschiedensten Wertgegenstände ergossen sich dabei über seinen Arbeitsplatz. Der Jobberknoll schwirrte aufgeregt um uns herum. Ich hatte den Niffler ganze fünf Minuten schütteln müssen, bis sein Bauch leer war. Jetzt hing er schlaff an meinen Händen und ich beschloss, ihn aus der Position zu retten. Vorsichtig griff ich ihn am Bauch und drehte ihn wieder aufrecht hin. Instinktiv kraulte ich ihn, als wär er eine Katze, aber er kratzte mich umgehend. „Autsch! Du kleines Ungeheuer!“, schimpfte ich mit ihm. Dr. Müller hatte sich derweil über die Wertgegenstände hergemacht. Hauptsächlich Münzen und verschiedene Schmuckstücke lagen auf seinem Schreibtisch und auf dem Boden davor verteilt. Mir fiel auf, dass keinerlei Perlenschmuck dabei war. Ob das am persönlichen Geschmack des Nifflers lag oder ob er sich das Material einfach nicht einverleiben konnte, wusste ich nicht. Müller fischte sogar einen goldenen Füllfederhalter aus dem Haufen. Ich grummelte. „Stimmt was nicht?“, fragte mich der Alte. „Nein. Der kleine Kerl hatte doch in der Nacht zuvor zwei Banken ausgeraubt und dort das ganze Münzgeld mitgehen lassen.“ Ich bückte mich nun ebenfalls zu Boden und strich durch ein Häufchen Geld. „Ich seh hier nur Euro, Dollar und Pfund. Von den Rubel und den Yen, von der die eine Bankangestellte gesprochen hat, fehlt jede Spur.“ „Oh, das ist natürlich ärgerlich“, kommentierte Dr. Müller. Ihn schien das weniger zu stören. Oder ihm war einfach nur nicht klar, worauf ich hinaus wollte. „Das Biest muss die Beute von der Nacht davor in seinem Bau versteckt haben. Anders kann ich mir nicht erklären, warum wir hier für mehr als zehn Geschäfte doch vergleichsweise wenig Zeug liegen haben.“ „Äh, Frau Schuster, meinen Sie, es fehlt ein Teil?“ „Ich ... AUTSCH!“ Ich ließ den Niffler fallen. Das Biest hatte mich in meine Hand gebissen und machte sich jetzt aus dem Staub, ohne sich auch nur einmal nach dem ganzen Schmuck und dem Geld umzudrehen. „Verdammt, schnappen Sie ihn!“, schrie ich, doch Dr. Müller war etwas schwer von Begriff. Er schien noch gar nicht richtig realisiert zu haben, dass mir der Niffler entkommen war und sich anschickte, durch das Büro der Abteilung für magische Landwirtschaft zu krabbeln. Lahm kam er auf die Füße, während ich schon nach meinem Zauberstab griff und aus seinem Büro hetzte. Das kleine Monster hüpfte unter den Schreibtischen hindurch und ich verlor es immer wieder aus den Augen. Dr. Müller brauchte etwas länger, um die Verfolgung aufzunehmen. Ich hechtete um einen Schreibtisch herum und warf einen Petrificus Totalus nach dem Niffler. Der Zauber schlug einen satten Meter neben dem Biest in den Boden ein. Aufgeschreckt schlug es einen Haken und krabbelte zur Wand hinüber. „Scheiße!“ Ich hetzte hinterher und rempelte dabei einen Bürostuhl um. Blieb dann zwei Meter vor der Wand stehen. Fluchte saftig. Der Niffler war weg. „Haben Sie ihn erwischt?“, fragte Dr. Müller hinter mir. Ich schüttelte nur den Kopf. Ließ die Schultern hängen. Drehte mich zu dem Alten um. „Oh, na ja, nehmen Sie es nicht so schwer. Sie werden den kleinen Kerl schon wieder einfangen.“ Ich musste hart kämpfen, um meine Tränen hinunter zu schlucken. Das konnte doch wohl nicht sein Ernst sein, oder? Aber andererseits war es auch nicht verwunderlich, dass er es jetzt mir aufbrummte, das Biest wieder zu suchen. Schließlich hatte ich es auch entkommen lassen. Ich hätte mir vorher denken können, dass es mich beißt oder kratzt und dann von der Hand springt. Scheiß Niffler, warum mussten das auch solche Biester sein? „Na na na, kein Grund zum Heulen. Sie haben ihn doch schon mal gefangen, es wird Ihnen auch ein zweites Mal gelingen.“ „Wenn Sie das sagen ...“, meinte ich niedergeschlagen. „Wie haben Sie es denn beim ersten Mal gemacht?“ Ich erzählte ihm die Geschichte. „Ist doch gar nicht mal so schlecht. Immerhin haben wir hier ja genügend Zeug, womit Sie ihn ein zweites Mal so anlocken können.“ Dr. Müller führte mich in sein Büro zurück und wir sahen auf die Beute hinab. „Glauben Sie wirklich, der Niffler ist dumm genug, noch einmal auf denselben Trick hereinzufallen?“, fragte ich. „Wenn Sie’s nicht versuchen, werden Sie’s nicht wissen. Und überhaupt ist das dann auch eine gute Möglichkeit, sich mehr mit dem kleinen Gesellen zu befassen. Ihn zu studieren, seine Merkmale herauszufinden. Verhaltensweisen und so weiter.“ „Äh ... ich soll mich um ihn kümmern?“ „Aber ja! Wir können ihn ja nicht einfach so herumstreunen lassen, weder in Berlin, noch hier im Ministerium. Und Sie scheinen ein Händchen für ihn zu haben.“ ‚Ja, ein Händchen, in das man gut reinbeißen kann‘, dachte ich. „Äh, Dr. Müller. Versteh ich da vielleicht was falsch? Ich dachte, ich sollte ihn nur einfangen und abgeben. Und er wird dann in einer Auffangstation für magische Tierwesen oder so betreut.“ Dr. Müller grinste in einer Art und Weise, die mir Angst machte. Ich ahnte Schlimmes. „Bisher verfügt das deutsche Zaubereiministerium noch nicht über eine solche Einrichtung. Aber wir hoffen, eine solche mit Ihrer Unterstützung aufbauen zu können.“ Ich schluckte. Musste mich dann an seinem Arbeitstisch abstützen und um das Möbel herum gehen, um den Weg zu einem der Gästesessel zu finden. Schwer ließ ich mich darauf fallen. „Sie sehen nicht besonders gut aus“, merkte Dr. Müller an. „Es ist ... also Dr. Müller, das ist alles ein bisschen viel auf einmal, wissen Sie? Ich bin jetzt ... den vierten Tag hier. Drei eigentlich, weil ich ja erst mitten in der Nacht angekommen bin. Und ich glaube, ich habe es schon oft genug gesagt, aber ich bin keine ausgebildete Hexe.“ „Na na! Natürlich werden Sie die Einrichtung nicht alleine betreuen. Ich werde das ganze beaufsichtigen, Sie werden unter meiner Anleitung arbeiten, soweit dies möglich ist. ... Oh, Sie sehen aber nicht gut aus ... Wollen Sie einen Schnaps zur Beruhigung?“ „Ja, wär‘ wohl das beste“, meinte ich lahm. Dr. Müller ging zu einem Sekretär. Er öffnete das oberste Fach, und zum Vorschein kam eine Kristallkaraffe und dazu passende Gläser. Er schenkte sich selbst auch eines ein, schloss das Möbelstück wieder und drückte mir ein Glas in meine Hand. Ohne groß darüber nachzudenken, stürzte ich den Inhalt hinunter. Und bekam einen fürchterlichen Hustenanfall. Ich hätte es mir dreimal überlegen sollen. Warum griff ich auch zum Alkohol, den ich sonst nie trank? „Nehmen Sie’s nicht so wild. Eine Alkoholikerleber muss man sich auch erst erarbeiten.“ „Ich h-hoffe, dass ... es bei mir nicht so-weit kommt“, hustete ich ihm zu. „Gott, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.“ „Gehen Sie systematisch vor. Wo würde sich der kleine Kerl am ehesten verkriechen?“ „Im Ministerium? Um diese Uhrzeit? Überall da, wo nicht allzu viele Leute unterwegs sind und es gute Versteckmöglichkeiten gibt. Oder eventuell einen Weg, um aus der Anlage hinaus zu kommen.“ Dr. Müller nickte und überlegte. Ich hatte keinen blassen Schimmer, wo ich meine neuerliche Suche beginnen sollte. Ich hoffte nur, dass der kleine Scheißer nicht den Weg in das Trainingsgelände fand. Das völlig allein nach einem maulwurfartigen Wesen durchkämen zu müssen, war ein Ding der Unmöglichkeit. Und dass er magisch veränderte Räumlichkeiten ohne Probleme betreten konnte, wusste ich ja von Newts Koffer. ‚Wieso nur hab ich nicht aufgepasst‘, ärgerte ich mich. „Nun, vielleicht schauen Sie mal im Büro des Zaubereiministers vorbei. Der Minister ist dienstlich unterwegs, soweit ich weiß, aber sein Personal hilft Ihnen bestimmt weiter. Ansonsten gibt es im achten Untergeschoss jede Menge Möglichkeiten für so einen kleinen Kerl, sich zu verstecken. Oh, und wenn er nicht über den Hauptausgang versucht, rauszukommen, ist seine einzige Möglichkeit die Eulerei.“ „Also, Büro des Zaubereiministers, achtes Untergeschoss und Eulerei. Dann mache ich mich besser auf den Weg, sonst ist er über alle Berge“, erklärte ich und stand auf. Aus dem Beutehaufen suchte ich mir ein besonders ansprechendes Stück und steckte es in meine Hosentasche. „Was haben Sie damit vor?“, fragte Dr. Müller misstrauisch. „Na den Niffler anlocken. Wenn er sich noch mal darauf einlässt, versteht sich.“ „Gut, aber bringen Sie das Stück wieder zurück, wenn Sie fertig sind. Wir sind verpflichtet, die geraubten Gegenstände so schnell wie möglich an die Geschädigten zurückzugeben.“ „Natürlich, Sir.“ Ich griff nach meinem Rucksack und verabschiedete mich von Dr. Müller. ‚Also, Zaubereiminister, achtes Untergeschoss und die Eulen‘, wiederholte ich noch mal im Geiste. Das achte Untergeschoss kam mir vertraut vor, aber ich konnte mich nicht erinnern, in welchem Zusammenhang. Doch anstatt sofort zu beginnen, brachte ich zunächst meinen Rucksack zurück in mein Zimmer. Es hatte schließlich keinen Sinn, ihn im Ministerium die ganze Zeit mitzuschleppen. Ich beschloss, ihn am Abend einmal auszuräumen und zu schauen, was ich wirklich ständig bei mir haben wollte. Gewichte Schleppen durch unnötiges Gepäck auf den Schultern machte auch keinen Spaß. Danach inspizierte ich die Anzeige an dem Aufzugsschacht. Der Zaubereiminister war ganz unten, die Eulerei ganz oben im Eingangsbereich und das achte Stockwerk verständlicherweise irgendwo dazwischen. ‚Ach stimmt ja, Zoll, Polizei und Justizwesen, da müsste Jost sitzen in der Etage.‘ Ich beschloss, mir als erstes einmal das Büro des Zaubereiministers anzuschauen. Irgendwie hatte ich so meine Zweifel, dass der Niffler in den tiefsten Keller krabbelt, um sich dort zu verstecken. Wie weit mochte die Anlage hinab reichen? Ging ich von großzügigen drei Metern pro Etage aus, ging es mindestens 30 Meter runter. Ich schätzte eher mehr, da vor allem der Eingangsbereich eine sehr hohe Decke hatte. ‚Und wie tief gräbt ein Maulwurf?‘ Darauf hatte ich keine Antwort, aber ich schätzte, dass es nicht sehr tief sein würde. Die Gänge wollten ja über die Maulwurfhügel auch noch belüftet werden und je tiefer sie waren, desto schwieriger war ein Austausch. Ich drückte den Aufzugknopf. „Andererseits haben Kobolde Niffler eingesetzt, um sie nach Schätzen graben zu lassen.“ Wenn die tief unter der Erde lagen, konnte es sein, dass die magischen Verwandten der Maulwürfe tiefer gruben. Der Aufzugwärter kam mit der Kabine angerauscht und ich betrat sie. „Büro des Zaubereiministers, bitte.“ „Der Mann musterte mich von oben nach unten.  „Haben Sie überhaupt die nötige Freigabe, um da runter zu fahren?“ „Ja, von Dr. Müller persönlich. Könnten Sie sich bitte beeilen?“, bat ich. Die Fahrt nach unten dauerte eine gefühlte Ewigkeit. Bei jedem zweiten Stockwerk mussten wir anhalten, damit jemand zu- oder aussteigen konnte. Vor allem beim achten Untergeschoss ging es geschäftig zu, aber da würde ich nachher noch ausreichend Gelegenheit bekommen, das Warum zu erfragen. Endlich kamen wir im Keller an und ich schlüpfte aus der Aufzugskabine. Das Areal wirkte nahezu verlassen und seltsamerweise war es hier unten wesentlich kühler als oben. Ich hatte erwartet, dass die unteren Etagen entsprechend temperiert waren, hatte mich aber getäuscht. Geschmackvolle Laternen an den Wänden sorgten für eine wohlige Atmosphäre. Es gab nur einen Gang, den ich nehmen konnte. Die Laternen wechselten sich mit Gemälden von Persönlichkeiten ab, die auf irgendeine Weise wichtig sein mussten. Ich vermutete, dass es die bisherigen Zaubereiminister waren, aber keiner von ihnen gab sich damit ab, sich mit mir zu befassen. Manche Gemälde enthielten nur einen leeren Stuhl, andere ein verwaistes Bücherregal. Wenn mal eine der Personen in ihrem Gemälde saß, schlief sie oder hatte mir sogar den Rücken zugewandt. „Ganz anders als in Hogwarts“, murmelte ich. „RUHE!“, brüllte mich einer der Gemäldeinsassen an. Dabei hatte ich nicht einmal laut gesprochen. Erschrocken sah ich zu ihm hin und beeilte mich, weiterzugehen. Einige Flächen waren leer, obwohl danach noch mal ein paar Gemälde kamen. ‚Hm, vermutlich zur Zeit des Dritten Reichs?‘, überlegte ich. Endlich kam ich in einem größeren Raum an, in dem von vier Arbeitstischen drei besetzt waren. Die Dame an dem mir nächsten Tisch sah auf. „Kann ich Ihnen helfen?“, fragte sie. „Ja. Dr. Müller schickt mich“, erzählte ich. „Es ist ein magisches Tierwesen in unserer Abteilung entkommen. Haben Sie zufällig ein Tier gesehen, das aussieht, wie ein Maulwurf?“ Anstatt zu antworten, drehte sich die Dame zu ihren Kollegen um. „Habt ihr einen Maulwurf gesehen?“, fragte sie sie barsch. „Nee“, meinte der eine, ohne aufzusehen. Die andere Person schüttelte nur den Kopf. „Nee, nichts“, meinte die Dame dann wieder zu mir. „Äh, sind Sie sicher? Das Tier kann sich problemlos durch metallische Materialien drücken. Vielleicht hat es sich im Zimmer des Ministers versteckt?“ „Äh ...“ „‘Tschuldigung, bin noch ziemlich neu in dem Beruf und kenne die Gepflogenheiten daher nicht.“ Auch sie musterte mich nun von oben nach unten. „Sie können sich bestimmt vorstellen, dass das Büro des Ministers noch einmal besonders gesichert ist.“ „Äh, ja ... natürlich ...“ „Daher kann sich darin auch nichts verschanzen. Vor allem nicht, ohne dass es uns entgeht.“ Ich ließ die Schultern hängen. Das einzige, was mir übrig blieb, war, die anderen möglichen Orte aufzusuchen, die Dr. Müller vorgeschlagen hatte. Hier kam ich leider nicht weiter. „Schönen Tag noch“, wünschte ich der Dame und verschwand wieder. Der Aufzugswärter zog nur die Augenbrauen hoch, als er mich wieder abholte und ins achte Untergeschoss hochfuhr. In dieser Abteilung ging es zu wie in einem Taubenschlag. Die Angestellten wuselten wild durcheinander und ich ließ mich von ihnen in den Gang nach links treiben. Beinahe hätten sie mich an der Theke vorbeigeschoben, aber ich schaffte es noch rechtzeitig, mich heraus zu kämpfen. „Lizzy?“ Ich zuckte zusammen und fuhr herum. Jost wurde in dem Menschenstrom vorbei gespült, strandete einige Meter weiter aber am Rand des Gangs. Ich schloss zu ihm auf. „Sag mal, was ist eigentlich hier los?“, fragte ich ihn. „Jemand hat sich einen Scherz erlaubt und einen Gegenstand, den wir kürzlich konfisziert haben, mit einem Illusionszauber versehen ...“ „Äh ...“ „Frag nicht. Jedenfalls wirkt es jetzt so, als befänden wir uns auf dem Weg ins Oly-Stadion zu einem Spiel zwischen Hertha und Union.“ Ich sah ihn zweifelnd an. „Okay, das war jetzt vermutlich übertrieben. Aber so stelle ich mir zumindest ein Lokalderby vor.“ „Könnt ihr das nicht beheben?“ „Noch haben wir nicht rausbekommen, wie der Gegenstand funktioniert. Aber jetzt mal zu dir, was verschlägt dich hier her?“ Ich schilderte ihm mein Problem. Jost brach in schallendes Gelächter aus, woraufhin sich der Mitarbeiter am Anmeldetresen zu uns umdrehte. „Das ist gar nicht witzig.“ „Doch.“ Eingeschnappt sah ich ihn an. „Jedenfalls, ein Maulwurf wär mir aufgefallen. Oder einem Kollegen. Wir sind eine ziemlich aufmerksame Truppe, musst du wissen. Hast du sonst noch eine Idee, wo dein Niffler sein könnte?“ „Dr. Müller hat gemeint, er könnte noch in der Eulerei sein. Neben dem Haupteingang sei das wohl die einzige Möglichkeit für ihn, aus der Anlage zu kommen.“ „Gut. Warte hier kurz. Ich muss nur schnell was holen und dann schauen wir, ob wir ihn kriegen.“ „Äh, du willst mir helfen?“ „Natürlich. Du hast dich ja lange genug mit ihm herum geschlagen, da wird ein bisschen Hilfe wohl nicht schaden“, schmunzelte er. Mein Gesicht hellte sich auf. „Vielen Dank! Dafür hast du was bei mir gut!“, beteuerte ich. „Nicht dafür. Solange ich hier rauskomme und mich nicht mehr mit der Illusion herumschlagen muss, ist mir alles Recht.“ Ich lachte, und Jost verschwand in den Untiefen der Zollabteilung. Als er wieder kam, hatte er eine Jacke angezogen. „Bernd, bin mal kurz in der Eulerei, falls was ist!“, rief er dem Mann an der Theke zu. „Drückst dich wohl mal wieder, was?“, gab dieser zurück. Jost schob mich weiter und zum Aufzug zurück. Es war gar nicht so leicht, gegen den Strom der Illusionsmenschen anzukommen, doch schließlich schafften wir es. Dieses Mal brauchte der Aufzug etwas länger, bis er bei uns ankam. Ich schätzte, dass er sogar einmal auf dem Weg nach unten an uns vorbei fuhr. „Könnt ihr nicht einfach den Zauberer fragen, dem ihr das Gerät abgenommen hat, wie man den Fluch abstellt?“ „Nein, leider nicht. Das Problem ist, dass wir es keinem Zauberer abgenommen haben, sondern einem MaKa.“ Ich zog überrascht eine Augenbraue hoch. „Guck nicht so, auch das kommt vor. Der Gute hatte keine Ahnung, was er da in seinem Handgepäck mitschleppte.“ „Äh, was war es denn?“ „Ein mit Onyx besetztes Medaillon aus der Zeit der Hexenverfolgungen“, erklärte er. „Der MaKa gab an, dass er es im Zuge eines Bazars im mittleren Osten erworben habe.“ „Äh ...“ „Wir haben es ihm mit der Begründung abgenommen, dass es sich dabei um Diebesgut handelte.“ „Oh, Diebesgut. Damit hab ich mich in letzter Zeit auch viel rumgeschlagen“, meinte ich lapidar. Endlich kam der Aufzug an und wir fuhren nach oben. Diesmal unterließ der Wärter jegliche Reaktion auf meine Person. Ich vermutete, dass es an Jost lag. „Du musst mir mal zeigen, wie das mit dem Niffler funktioniert.“ „Vielleicht, falls wir ihn schnappen. Mich würde es nicht wundern, wenn er sich auf dem Weg nach draußen wieder irgendwas einverleibt hat.“ Wir traten aus der Aufzugskabine und standen in der großzügigen Lobby. Jost führte mich am Empfang vorbei zu einer steinernen Treppe. „Wo führt die denn hin?“, fragte ich irritiert. Genau genommen befanden wir uns jetzt eine Etage unterhalb des Erdgeschosses. Eine Treppe nach oben bedeutete, dass wir gleich an der Oberfläche sein würden. „Die Eulerei ist der einzige Ort, der sich über der Erdoberfläche befindet.“ „Mhm, magisch gesichert?“ „Natürlich. Sonst würde jeder die Eulen ein- und ausfliegen sehen.“ Ich folgte ihm die Stufen hinauf. Die Eulerei war größer, als ich sie mir vorgestellt hatte. Ähnlich wie jene in Hogwarts, hatte diese sehr viele Nischen, in denen die Tiere sitzen und schlafen konnten, doch waren gerade nur sehr wenige Vögel da. Manche inspizierten uns mit fast geschlossenen Augen. Plötzlich zuckten einige Tiere, als Jost lachte. „Du solltest vielleicht eher den Boden erkunden“, meinte er vergnügt. „Entschuldige, es ist nur ... Ich hab Eulen noch nie aus nächster Nähe gesehen.“ „Ach, vergiss sie besser gleich wieder. Eigentlich sind sie ziemlich lästig.“ „Lästig? Wen nennst du hier lästig?“, ereiferte ich mich. „Ständig muss man ihren Dreck wegputzen, dann noch die Unmengen an Ratten und Mäusen, die sie fressen. Oder einfach so zum Spaß anschleppen und auf den Balkon legen.“ „Das trifft auf jede normale Hauskatze mit Freigang auch zu, das weißt du.“ „Ja, mag sein. Ich war einfach nur nie ein Haustiertyp. Also lass uns mal schauen.“ „Okay, wo können die Viecher denn rausfliegen?“ „Insgesamt haben sie drei Zugänge. Hier, da drüben und dort.“ Wir nahmen die drei Fenster in Augenschein. Doch anstatt dass ich mich auf den Boden direkt davor konzentrierte, schaute ich lieber hinaus. Mein Fenster zeigte auf die Straße des 17. Juni hinaus bis zum Brandenburger Tor. Auch heute regnete es und so wandte ich mich doch wieder ab. Zwischen dem Vogeldreck konnte ich leider keine Spuren von einem Niffler ausmachen und so wandte ich mich dem zweiten Fenster zu. „Nichts gefunden?“, fragte Jost hinter mir. „Nee, leider nicht. Ich bezweifle ehrlich gesagt auch, dass er mitten durch die Häufchen krabbeln würde“, antwortete ich. „Wer würde das schon freiwillig tun?“ Ich grummelte, weil mir langsam die Ideen ausgingen. Doch anstatt noch weiter darüber nachzudenken, was ich jetzt tun könnte, bekamen wir Gesellschaft. Ein Mitarbeiter des Ministeriums kam mit einer Eule auf dem Arm in die Eulerei. Jost schien ihn auch nicht zu kennen. Der Mann seinerseits erschrak sichtlich, als er uns sah. „Huch?!“ Die Eule flatterte aufgescheucht von seinem Arm weg und durch eines der Fenster. „Mist! So viel Pech auf einmal aber auch“, fluchte er dann. „Entschuldigung. Was ist denn passiert?“ „Erst macht meine Frau mit mir Schluss ...“ Ich begann, verlegen zu lächeln. „... dann erfahr ich, dass meine Geliebte schwanger ist ...“ Jost schob seine Mundwinkel nach oben. „... und dann klaut mir so ein Maulwurf die goldene Taschenuhr meines Vaters, ein Erbstück!“, ereiferte er sich. „Und jetzt die Eule!“ Mir wurde zugleich heiß und kalt. Ich stürzte auf ihn zu und packte ihn bei den Schultern. „He!“, beschwerte ich ihn. „Wann wurde Ihnen die Uhr geklaut.“ „Hm, lassen Sie mich mal nachdenken“, fing er an. „WANN?“, brüllte Jost. Der Mann zuckte zusammen. „Äh, vor sieben Minuten vielleicht. Ganz sicher bin ich mir nicht, Hildegard hatte gerade an meinem Kinn geknabbert, und ...“ „WO?“ „Auf dem Weg hier rauf. Was sind Sie eigentlich so unfreundlich ...“ Wir ließen ihn stehen, wo er war. Jost und ich rempelten unsanft zusammen, als wir beide gleichzeitig die Treppe nach unten nehmen wollten. Ich ließ ihm keuchend den Vortritt. Mit seinen langen Beinen würde er schneller unten ankommen, als ich. Doch es zeigte sich, dass wir wieder zu spät kamen. „Mist. Dann sind wir zu früh in die Eulerei gekommen und haben ihn verscheucht“, überlegte ich. Jost brummte nur. Dann hellte sich sein Gesicht auf. „Hör zu, ich hab‘ eine Idee.“ Ich spitzte meine Ohren. „Ich hab dir doch von unserer Asservatenkammer erzählt.“ Ich nickte. „Da wo ich meinen Zauberstab her hab.“ „Ja. Also pass auf. Wir haben da natürlich nicht nur Zauberstäbe, sondern auch allerlei Wertvolles, was deinen Niffler vielleicht anzieht, wie Licht die Schmetterlinge.“ „Mücken“, murmelte ich. „Huh?“ „Nichts. Also Asservatenkammer. Wo ist die?“ „Unten. Komm mit.“ Dieses Mal liefen wir zum Aufzug, aber er ließ wieder ewig auf sich warten. Wenn das so weiterging, würde uns der Niffler wohl doch wieder entwischen. Als die Kabine endlich kam, schob Jost die Türen sogar auf und wir zwängten uns rein. „Na na na!“, schimpfte der Wärter. „Wir sind grad mitten in Ermittlungen, also schnell ins Achte runter!“, fauchte Jost. Der Mann drückte nur auf den entsprechenden Knopf und wir fuhren wieder hinab. An jedem Stockwerk, an dem wir notgedrungen hielten, drückte Jost dreisterweise auf den Knopf für das achte Untergeschoss und scheuchte die Leute weg. Der Aufzugswärter sah ihn wütend an. Letztendlich kamen wir an. „Lassen Sie sich bloß nicht noch mal blicken heute“, fuhr uns der Mann an und verschwand wieder mit der Kabine. Jost ignorierte ihn, packte mich am Oberarm und schleifte mich mit. Der Illusionszauber war immer noch aktiv und Jost hatte ziemlich zu kämpfen, uns durch den Schwall der Fakemenschen hindurch in den richtigen Gang zu bugsieren.  Schließlich kamen wir bei der Asservatenkammer an. Der Bereich war durch ein metallenes Gitter komplett vom Rest der Abteilung getrennt. Es gab eine Tür in dem Gitter und ein Fenster, hinter dem ein Mitarbeiter saß. „Da!“, raunte ich zu Jost. Der Niffler schob sich gerade durch das Metallgitter hindurch. Der Mann, der hinter dem Gitter saß und seinen Dienst verrichtete, zuckte zusammen, als er mich hörte. „Moin, Jost, was gibt‘s?“ „Siggi, ist dir nicht aufgefallen, dass jemand gerade unbefugt die Asservatenkammer betreten hat?“ Der Mann zuckte noch mal zusammen und fing an, sich umzusehen. „Du verarschst mich doch!“ „Nein. Sperrst du bitte auf? Wir müssen den Dieb fangen, ehe er sich wieder aus dem Staub macht.“ Siggi betrachtete mich interessiert. „Du weißt, dass ich nur Leute mit entsprechender Genehmigung reinlassen kann.“ „Ja, weiß ich. Lizzy wird hier draußen Schmiere stehen und wir suchen unseren kleinen Gast in der Kammer?“ „Wir? Wer ist wir?“, wollte Siggi wissen. „Na, du und ich natürlich.“ „Was, ich auch? Wie kommst du auf die Idee, dass ich dir helfe?“ „Damit’s schneller geht“, meinte Jost. „Und weil du dann was bei mir gut hättest. Und ich nicht sagen müsste, dass während deiner Schicht jemand in die Kammer eingebrochen ist.“ Siggi brummte verstimmt, schloss aber artig die Tür auf. Jost trat hindurch und Siggi schloss die Tür wieder zu. „Lizzy, du bewachst die Tür hier draußen. Wenn er sich durchschiebt, sollte es ja kein Problem für dich sein, ihn zu schnappen.“ Ich nickte. „Gibt es keine anderen Möglichkeiten aus der Kammer hinaus?“ „Nein. Die Kammer ist zwar hermetisch mit dem Gitter versehen, aber durch das Beton sollte er nicht hindurch kommen, oder?“ „Nein, ich glaube nicht“, bestätigte ich. „Gut, dann Weidmannsheil uns allen!“ Ich sah den beiden Männern zu, wie sie in der Kammer verschwanden. Eigentlich war ich ziemlich froh, dass ich keine Berechtigung hatte, sie zu betreten. Von meiner Position aus konnte ich sehen, dass hinter Siggis Sitzplatz zahlreiche Regale nach hinten führten. Und ich schätzte, dass es sich dabei nur um einen sehr kleinen Teil der Asservatenkammer handelte. Bestimmt gab es hier auch einen Bereich, der mit einem Raumausdehnungszauber vergrößert worden war. Ich sah mich in dem kleinen Vorzimmer um, aber hier gab es nicht einmal eine Sitzecke. Grummelnd hockte ich mich im Schneidersitz auf den Boden und holte dann das Schmuckstück aus meiner Hosentasche, das ich aus Dr. Müllers Büro mitgenommen hatte. Es war ein mit Diamanten besetztes Armkettchen und ich schätzte seinen Wert auf mehrere tausend Euro. Sorgsam platzierte ich es vor mir auf dem Boden, nicht zu weit weg, damit ich es noch mit der Hand greifen konnte. Dann zuckte ich zusammen. Aus den Tiefen der Asservatenkammer konnte ich ein Scheppern hören, gerade so, als hätten die Männer ein Regal umgestoßen. „Vermutlich haben sie das auch.“ Ich konnte jemanden saftig fluchen hören und tippte, dass es Siggi war. Ich schaute noch eine Weile zu der Kammer, konnte von meiner Position aus aber nicht viel sehen. Die beiden entbrannten in ein kurzes Wortgefecht, dann blitzte etwas und es klirrte erneut. Einer von ihnen muss wohl gezaubert haben. Jegliches Freudengeschrei blieb aus. ‚Schön zu wissen, dass nicht nur meine Zauber daneben gehen‘, dachte ich mir. Irgendwie bekam ich ein schlechtes Gewissen. Was, wenn der Niffler von einem herabstürzenden Gegenstand erschlagen worden war? So viel Ärger er mir bisher bereitet hatte, so wenig wollte ich auf der anderen Seite, dass er verletzt wurde. Doch meine Sorge war unbegründet. Der kleine Dieb kam gerade wieder durch das Gitter gekrochen. Scheinbar hatten die Männer ihn doch soweit aufgeschreckt und ihn wieder zur Flucht bewegt. Als er mitten im Gitter hing, wurde er auf mich aufmerksam und verharrte reglos. Fing an, schwer zu schnaufen. „Na? Hat’s Spaß gemacht?“, fragte ich ihn so beiläufig wie möglich. Er beobachtete, wie ich mich langsam nach vorne beugte und das Diamantarmband nahm. Ließ es nicht mehr aus den Augen. „Möchtest du das haben?“ Der Niffler schob sich nun vollends durch die Tür und reckte seine Nase nach oben, als würde er eine Witterung aufnehmen. ‚Interessant. Scheinbar scheint er seine Beute erschnüffeln zu können.‘ Aus irgendeinem Grund lärmte es wieder in der Asservatenkammer und der Niffler und ich zuckten beide zusammen. Erschrocken sah der Kleine hinter sich und beschloss, etwas Abstand zu dem Gitter zu gewinnen. Dann wurde er wieder auf mich aufmerksam und blieb sitzen, wo er war. „Na komm“, lockte ich ihn mit dem Armkettchen. In Schlangenlinien kam er einige winzig anmutende Nifflerschritte auf mich zu. Obwohl ich meinen Zauberstab nicht hervorgeholt hatte, schien er mir nicht über den Weg zu trauen. Ich konnte es ihm nicht verübeln. Ich an seiner Stelle wäre auch vorsichtig gewesen. Er schnüffelte wieder, sah mich dann fast abschätzig an. „Wenn du lieb bist, darfst du es vielleicht behalten“, meinte ich. Der Niffler konnte schließlich nicht wissen, dass es eine glatte Lüge war. Aber irgendwas musste ich ihm schließlich bieten, damit er sich benahm. Vor allem, wenn ich mich in Zukunft eh um ihn kümmern sollte. Von den Fantastic Beasts Filmen wusste ich ja, dass zumindest Newts erwachsener Niffler eine Höhle mit allerlei Glitzergegenständen hatte, die er nach Lust und Laune sortieren konnte. Das war eines der ersten Dinge, um die ich mich kümmern musste. ‚Oder viel mehr Dr. Müller.‘ Der Niffler schnüffelte jetzt an dem Armkettchen, griff mit einer Pfote danach. „Na?“ Ich zog es etwas zu mir her und der Kleine sah mich eingeschnappt an. Er wollte nicht mehr locker lassen, aber ich war leider viel zu stark für ihn, und so trottete er dem Armkettchen hinterher, als ich es näher zu mir zog. Schließlich musste er auf meinen Schoß hüpfen, wenn er es erreichen wollte. Ich ließ etwas locker. Umgehend begann der Niffler, sich seine Hälfte des Armkettchens in den Bauch zu schieben. Anscheinend hatte er vergessen, dass ich ihn schon mehr als einmal ans Leder gegangen war. Ich gab noch etwas nach und es rummste wieder in der Asservatenkammer. Was Jost und Siggi so lange da drin trieben, war mir schleierhaft. Der Niffler seinerseits zuckte erschrocken zusammen und sah sich wieder um. Ich nutzte den Moment, ließ das Armkettchen los und griff sanft nach dem Kleinen. Er realisierte es erst, als ich ihn hochhob. Doch anstatt sich zu befreien, schob er das Diamantkettchen nun vollständig in sich hinein. „Willst du jetzt brav sein?“, fragte ich ihn. Ich nahm den Niffler wie eine Katze auf den Arm und kraulte ihn am Hinterkopf. Natürlich schnurrte er nicht. Andererseits machte er auch keine Anstalten, mich erneut zu beißen. Vorsichtig stand ich mit dem Kleinen auf und wir harrten der Dinge, die sich gerade in der Asservatenkammer abspielten. Ich wollte die beiden nicht einfach so da stehen und sich abmühen lassen, einen Niffler zu suchen, der längst nicht mehr in der Kammer war. Die Männer schienen es mittlerweile auch begriffen zuhaben. Sie kamen beide wieder hervor, wobei Jost die Führung übernommen hatte. Seine große Statur würde ich mittlerweile überall wiedererkennen. Er hatte eine Beule auf der Stirn, die schnell größer wurde. „Oh!“, meinte er. Ich grinste ihm verschmitzt zu und drückte den Niffler leicht an mich.  „Mit weniger Radau ist es einfacher, ihn zu fangen.“ „Das seh ich!“ Jost stemmte die Hände in seine Hüften und schüttelte grinsend den Kopf. „Immerhin hast du ihn jetzt, pass auf, dass er nicht wieder entwischt.“ „Keine Sorge. Er scheint es mittlerweile selbst geschnallt zu haben.“ Siggi schob sich hinter Jost hervor. „Ah, da ist ja der kleine Kerl. Sieht ja tatsächlich wie ein Maulwurf aus.“ „Was habt ihr da drinnen eigentlich getrieben? Es klang fast so, als hättet ihr euch duelliert.“ „Nee, das nicht. Jost meinte nur, einen Schatten gesehen zu haben und erschrak sich dabei so sehr, dass er gegen ein Regal gerempelt ist“, erzählte Siggi. „Sei still!“, fauchte Jost ihn an. Ich lachte nur. „Was haben Sie jetzt mit dem Kleinen vor?“, fragte Siggi. Er schloss die Gittertür auf und Jost verließ die Kammer wieder. „Dr. Müller hat mir aufgetragen, ihn zu pflegen und zu studieren. Die Abteilung für magische Landwirtschaft will eine neue Einrichtung hochziehen, die sich um die Erforschung und Pflege von magischen Tierwesen kümmert.“ „Und Sie sollen das machen?“, fragte Siggi. „Ja, sie soll das machen.“ Der Mann schüttelte nur den Kopf. „Chronische Unterbesetzung“, murmelte er. Ich trat an das Gitter heran, damit Siggi sich den Niffler etwas genauer anschauen konnte. „Äh, darf ich Sie was fragen?“ Siggi setzte sich wieder auf seinen Platz. „Nur zu, junge Dame. Was wollen Sie wissen?“ „Äh, verschiedene Dinge. Ich brauch für den Kleinen ein paar Glitzergegenstände für sein Zuhause. Sonst läuft er wieder weg, wenn er nichts zum Sortieren hat. Und ich brauche es natürlich für meine Forschung. Wenn ich also diesbezüglich etwas aus der Asservatenkammer benötige, brauche ich bestimmt eine Genehmigung, oder?“ „Ja. Müller ist Ihr Vorgesetzter?“ Ich nickte. „Dann muss er sich eine Genehmigung bei meinem Chef holen und mit der können Sie dann zu mir kommen. Vorher darf ich Ihnen leider nichts aushändigen.“ Ich nickte erneut. „Und Ihre zweite Frage?“ „Äh, ich glaub, die kann auch noch warten.“ Zu gern hätte ich Siggi nach der Herkunft meines Zauberstabs gefragt, wollte dies aber nicht vor Jost tun. Außerdem hatte der Niffler angefangen, auf meinem Arm zu zappeln. „Gut, dann halt nicht“, meinte Siggi nur. „Vielen Dank für Ihre Unterstützung“, bedankte ich mich bei dem Mann. Er lachte. „Nicht dafür. Es gehört schließlich zu den Pflichten der Ministeriumsmitarbeiter, abteilungsübergreifend zusammen zu arbeiten.“ „Weil wir chronisch unterbesetzt sind“, fügte ich hinzu. „Ja, das auch. Sie können mich ja mal auf einen Kaffee einladen.“ Nach einigen Sekunden nickte ich. Jost seinerseits schüttelte den Kopf. Wir verabschiedeten uns von Siggi und Jost brachte mich zum Aufzug zurück. Seine Kollegen schienen den Illusionszauber mittlerweile aufgehoben zu haben. „Dass du mir ja nichts mit Siggi anfängst.“ „Huh? Wie kommst du denn da drauf?“ „Nur so.“ „Er scheint ganz nett zu sein.“ Jost brummte. „Siggi ist ... also ...“ Ich fuhr zu ihm herum. „Wieso wirst du jetzt so rot?“, fragte ich ihn. „Äh, nichts. Vergiss es.“ Ich legte den Kopf schief, aber Jost führte das Thema nicht weiter aus.  „Ist er ein Vampir?“, riet ich. „Himmel, nein!“ „Was denn dann?“ Er grummelte resigniert. „Wirst du selbst noch früh genug herausfinden.“ Nun war es an mir, ihn anzugrummeln. Erst erwähnte er etwas, erzählte nur die Hälfte und ließ das Thema dann auf sich beruhen. „Wart ihr Mal zusammen?“ Er fuhr zu mir herum und funkelte mich an. Mir entging nicht, wie er dabei puterrot anlief. „Willst du das Thema wechseln“, schlug ich vor. „Ja ... Was hast du jetzt mit dem Kleinen vor?“ „Ihn auf mein Zimmer bringen. Danach gehe ich am besten noch mal zu Müller. Schließlich muss ich das Diamantkettchen wieder zurückbringen, das er in seinem Bauch hat. Und die Taschenuhr von dem Mann aus der Eulerei.“ „Wie kriegt man die Dinge aus seinem Bauch?“, fragte Jost. „Indem man ihn an den Hinterpfoten festhält und ihn kopfüber schüttelt.“ „Wie ein Kissen? Wie grausam.“ „Tja, so ist das Leben für kleine Niffler.“ Jost sah mich erwartungsvoll an. „Ich werde das jetzt nicht vorführen, falls du darauf wartest.“ „Schade.“ Endlich kam der Aufzug an und er wurde zum Glück nicht mehr von dem Spießer von vorhin bedient. Eine junge Frau grüßte mich höflich, als ich in die Kabine trat. „Vielen Dank noch mal, dass du mir geholfen hast. Ich glaube, ohne dich hätte ich den Kleinen nicht gefangen.“ „Kannst ja mal mit mir Essen gehen.“ Ich legte den Kopf schief und lächelte Jost an, während sich die Fahrstuhltüren wieder schlossen. „Viertes Untergeschoss, bitte.“ Der Aufzug setzte sich in Bewegung. Mein Grinsen verging mir, sobald wir das achte Untergeschoss verlassen hatten. Was Jost mir wohl über Siggi hatte sagen wollen? Mir kam die Sache höchst merkwürdig vor und ich überlegte, was mit dem Mann aus der Asservatenkammer sein konnte, als dass er solch merkwürdigen Hinweise verdiente. Jost würde mir doch mitteilen, wenn etwas nicht stimmte, oder? Wenn Siggi gefährlich war. ‚Aber dann würde er bestimmt nicht für das Ministerium arbeiten, oder?‘ Ich grübelte immer noch vor mich hin, als ich endlich in mein Zimmer stolperte. Der Niffler sah sich in dem Zimmer um und ich hob ihn hoch, um ihm in seine Knopfaugen schauen zu können. „Wenn du mir noch einmal abhaust, lass ich dich zu einer Handtasche verarbeiten“, drohte ich ihm. Der Kleine begann wieder schwer zu schnaufen. „Haben wir uns verstanden?“ Ich sah ihm noch einmal streng in seine Augen, seufzte und setzte ihn schließlich auf dem Boden ab. Er begann umgehend, etwas Abstand zu mir zu gewinnen, und machte sich daran, mein Zimmer in Augenschein zu nehmen. Es sollte ihm unmöglich sein, aus dem Zimmer zu entkommen, wenn ich die Tür nicht offen stehen ließ. Die Wände waren auch hier aus Beton und die Tür aus Holz. Nirgends Metall, durch das er sich durchschieben konnte. Der Niffler krabbelte unters Bett, bliebt dort eine Weile und kam dann wieder hervor. „Du kleines Schweinchen“, meinte ich zu ihm. Er war über und über mit Wollmäusen und Flusen bedeckt. Ich sammelte den Kleinen vom Boden auf und strich über sein schwarzes Fell, um ihn von dem Dreck zu befreien. Dieses Mal schnüffelte der Niffler nach mir. „Hmpf, du brauchst einen Namen“, überlegte ich. „Wie wär’s mit Rufus?“ Der Niffler ächzte. Ob es ein Laut der Zustimmung war oder er den Namen eher nicht so toll fand, wusste ich nicht. Ich nahm ihn wieder auf den Arm und kraulte ihn, doch er fing an, herumzuzappeln. „Willst wohl wieder auf den Boden?“ Ich setzte Rufus wieder ab und er krabbelte zu dem Tisch hinüber. Flink wie ein Wiesel kletterte er auf den einzigen Stuhl, und von dort auf die Tischplatte selbst. „Huch?“ Erst jetzt fiel mir auf, dass etwas auf dem Tisch lag. Rufus untersuchte es neugierig mit seinen Pfoten. Ich nahm ihm den Gegenstand weg, ehe er ihn sich einverleiben konnte. Eingeschnappt sah er zu mir hoch und betatschte mich dann an meinen Händen. „Du bekommst es ja gleich wieder“, sagte ich ihm. Rufus stand auf einem Zettel und ich zog das Stück Papier unter ihm hervor. „Du kleiner Gauner“, meinte ich zu ihm. Laut der Nachricht hielt ich ein Stück Beute von Rufus in der Hand, welches nicht zugeordnet werden konnte. Es handelte sich um einen roten Stein, der komplett oval geschliffen war. Ohne jegliche Facette.  „Wo hast du das geklaut?“, fragte ich Rufus, aber natürlich gab er mir keine Antwort. Ich schüttelte nur einmal den Kopf ob seiner Beharrlichkeit, an den Stein zu kommen. Schließlich packte ich das Juwel in meine Faust und setzte mich auf mein Bett. Rufus kletterte sofort vom Tisch herunter, kam ans Bett und kraxelte dort auf einem der Beine wieder hoch. Über die Bettdecke hinweg sprang er zu mir und an die Faust, die den Stein hielt. „Willst du das haben?“ Ich ließ mich noch etwas bitten, ehe ich meine Hand wieder öffnete. Der Klunker war in Nullkommanichts in Rufus‘ Bauch verschwunden. Danach krabbelte er auf meinen Schoß und rollte sich dort zusammen. „Bist ja doch ein bisschen wie eine Katze“, meinte ich und fing an, ihn zu streicheln. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)