Der Duft von Hyazinth von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 4: Im Reich des Südens ------------------------------ Rin hatte irgendwann das Zeitgefühl verloren. Einer der Yōkai trug sie und die Bäume rauschten in einer Übelkeit erregenden Geschwindigkeit an ihr vorbei. Es erinnerte sie an die ganz seltenen Momente, da Sesshōmaru-sama ihr gestattet hatte in seiner Yōkaiform auf seinem Rücken platz zu nehmen, oder wenn er sie getragen hatte, in dem Glauben, sie schliefe. Sie bemerkte den Unterschied schon in der Luft. Es war ein wenig feuchter, das Klima wärmer. Und es gab viele Insekten – ehe sie am Südschloss eintrafen hatte sie gefühlt schon ein halbes Tausend Mücken erschlagen. Der Yōkai, der sie getragen hatte, ließ sie herunter und Rin sah sich, ihrer prekären Lage zum Trotz neugierig um. Es war dem Westschloss gar nicht so unähnlich, stellte sie fest. Das Konstrukt des Schlosses war ähnlich, allerdings dominierten hier eher prächtige Farben, Ziegelrot, Sattgold, Türkis, während im Schloss des Westens Weiß, Silbern und hin- und wieder ganz zartes Gold vorherrschten. „Bewegt Euch“, raunte der Yōkai der sie getragen hatte und drückte sanft gegen ihre Schulter, sodass sie sich aus ihrer Starre lösen musste. Und dann gingen ihr die Augen über als sie einen Blick auf die Gärten werfen konnte – wildwachsende Blumen, eine etwas vernachlässigte Teichanlage und unzählige Libellen und Schmetterlinge – darüber hinaus vergaß sie beinahe, dass sie als Geisel hier war. Wie gerne wäre sie etwas durch diese wunderschöne Gartenanlage gestreunt. Es fröstelte sie als sie wenig später das Schloss betraten. Man warf ihnen neugierige Blicke zu. Hatte Rin allerdings damit gerechnet, man würde sie in irgendein Verlies stecken, wo sie niemals wieder das Tageslicht zu Gesicht bekam, wurde sie eines Besseren belehrt. Man brachte sie in ein Zimmer von für Adelsverhältnisse mittlerer Größe, in welchem zwei ältliche wirkende, kleine Dienerinnen mit ledrig brauner Haut knieten und auf ihren fragenden Blick hin meinte der Yōkai: „Ihr dürft das Zimmer nicht verlassen. Die beiden sind angewiesen, sich um Euer Wohl während Eures Aufenthaltes zu kümmern. Der Daiyōkai des Südens wird später an diesem Tage persönlich zu Euch kommen – ein gut gemeinter Rat; Haltet Eure Zunge im Zaum, er ist nicht sonderlich begeistert von Aufmüpfigkeit.“ Die Stimme hatte ein wenig belustigt geklungen. Dann schloss sich die Tür hinter Rin – ein Riegel war zwar nicht zu hören, jedoch war es unmissverständlich, dass sich vor der Tür zwei Yōkai zur Wache aufstellten; Ob es dieselben waren, wie die, die sie hergebracht hatten, wusste sie nicht, da es ein paar kurzer Wortwechsel auf dem Gang gab und sie durch die dicke Türe nicht ausmachen konnte, wie viele Stimmen es waren. Rin seufzte und wandte sich von der Türe ab, um sich umzusehen. Sie hatte Sesshōmaru hin- und wieder im Westschloss besucht, aber selbst da hatte sie es abgelehnt, Dienerinnen für ihren Aufenthalt zu haben, da es ihr befremdlich war, die einfachsten Dinge nicht selbst erledigen zu können. Die beiden Dienerinnen sahen sie mit unverhohlener Neugier an – jedoch nicht auf eine unhöfliche Weise, ehe eine von ihnen das Wort erhob. „Wir haben ein Bad und Kleidung vorbereitet, kleine Dame. Sicherlich seid Ihr erschöpft von Eurer Reise und möchtet Euch etwas angemessener kleiden.“ Rin musste sich ein Grinsen verkneifen. Meine Reise, dachte sie. Und ich dachte schon, ich wäre entführt worden. Allerdings brachte sie es nicht übers Herz, diesen Gedanken auszusprechen, da die alte Dämonin sie so treuherzig und offen freundlich anschaute. Also nickte sie nur und ließ sich schließlich zum Badezuber führen. Heißes Wasser. Das hatte es auch nur auf dem Schloss gegeben oder zu besonderen Anlässen im Dorf. „Wie… ist der Daiyōkai des Südens denn so?“, wollte sie dann arglos wissen, während man ihr das Haar wusch. „Es steht uns nicht zu über Seine Hoheit zu sprechen“, sagte die eine Dienerin, während die andere, ältere mit einem Schnauben meinte: „Jähzornig ist der, das habt Ihr noch nicht erlebt. Gegenüber jungen Damen und dem ein oder anderen Jüngling munkelt man, kann er jedoch äußerst hinreißend sein, Ihr solltet Euch also in Acht nehmen. Wobei ich kaum glaube, dass er Euch was antut in Anbetracht dessen dass Ihr die Tochter des Daiyōkai des Westens seid…“ „Ziehtochter…“, korrigierte Rin mit dünner Stimme. „Das macht keinen Unterschied. Eure Entführung ist eine inoffizielle Kriegserklärung, wie auch immer das hier nun ausgeht…“ „Aber wir sind nur zwei arglose Dienerinnen, Ihr solltet gar nicht darauf achten, was wir sagen.“ In Rins Kehle bildete sich ein Kloß vor Wut. Krieg. Sie kannte den Krieg. Bei den Menschen hatte es immer Krieg gegeben. Krieg und Krankheit hatten ihr die Eltern genommen. Krieg hatte ganze Dörfer ausgelöscht. Und jetzt war sie hier und fühlte sich schuldig, obwohl sie im Grunde wusste, dass sie zu einer Spielfigur geworden war. Man hatte sie in einen mehrlagigen Kimono gekleidet und ihre Frisur war aufwändig als beginge sie demnächst ihre Hochzeit – zumindest kam ihr das so vor. Als wäre es eine Beleidigung, dem Fürsten des Südens in ihren einfachen Bauernmädchenkleidern gegenüber zu treten. Aber gut, es blieb ihr nichts anderes übrig, als mitzuspielen. Und jetzt saß sie hier und wartete. Und wartete. Und wartete. Die Sonne draußen neigte sich bereits wieder dem Abend zu und sie merkte, dass sie das Zeitgefühl verloren hatte. Sie waren weitaus länger als zwei Tage unterwegs gewesen, aber sie musste zwischendurch irgendwann geschlafen haben, weil sie sich nicht an jede Einzelheit der Reise erinnern konnte. Sie seufzte und ihr Gedanke galt Kohaku, den sie verletzt hatten zurück lassen müssen und auch Sesshōmaru, der wie sie ihn kannte, sicherlich halb wahnsinnig war vor Sorge, auch wenn er sich das nie anmerken ließ. Sie selbst hatte nur, da sie so lange an seiner Seite gewesen war, irgendwann gelernt, wie er zu lesen war. Der Südfürst, wie sie wenig später feststellte, war ein furchteinflößender, grausam wirkender Mann und sie musste alle Selbstbeherrschung aufbringen, um nicht einzuknicken. Vergiss nicht, dachte sie bei sich, du bist hier nicht als Bauernmädchen, sondern als Tochter eines Fürsten, du hast es nicht nötig, auf dem Boden zu kriechen. Und schon gar nicht, nachdem man sie entführt hatte. „Ich muss mich für die Unannehmlichkeiten Eurer Reise entschuldigen“, begann er zu sprechen und Rin könnte schwören, dass in seinen Augen ein gewisser Spott aufleuchtete, „Leider war es mir nicht anders möglich, die Wichtigkeit meines Anliegens Eurem Ziehvater gegenüber deutlich zu machen.“ Rin presste die Lippen aufeinander. Sie mochte den Kerl nicht. Diese Art, sich einfach rücksichtslos zu nehmen, was einem beliebte. Takaitayo schnipste in die Finger und ein Diener brachte Tee. Rin starrte das Schälchen einen Moment an und beschloss ihn nicht anzurühren. „Darüber steht mir kein Urteil zu“, sagte sie dann leise , obwohl sie ihm am liebsten ein paar wüste Beschimpfungen an den Kopf geknallt hätte. Doch von Sesshōmaru hatte sie gelernt, dass es manchmal klüger war, abzuwarten. Und sich eine Taktik zu überlegen. Eine Taktik mit der sie vielleicht hier heraus kam, ohne, dass Sesshōmaru sich wegen ihr in Feindesland begeben musste.   ~*~ Sesshōmaru wirkte angespannt, das bemerkte sogar Inu Yasha, als sie stillschweigend nebeneinander die Lande durchquerten. Selbst Shippo auf seinem Rücken schwieg und nervte ihn nicht mit seinem ständigen Gequatsche. Inu Yasha riskierte einen unauffälligen Blick zu Sesshōmaru. Er konnte sich nicht helfen, aber er wirkte immer noch mitgenommen und er fragte sich, ob das wirklich nur an Rins Entführung lag, oder ob diese Abtreibung ihn mehr in Mitleidenschaft gezogen hatte, als er zugeben wollte. Kaede hatte ihm mal erzählt, dass manche Frauen, die ein Kind verloren, in Schwermut verfielen, aber Sesshōmaru? Dem merkte man doch nie irgendwelche Gefühlsregungen an. „Hör auf damit“, ereilte ihn plötzlich seines Bruders Stimme und er wandte den Kopf zur Seite um mit einem verwirrten „Was?“ zu antworten. „Über mich nachzudenken.“ Inu Yasha zuckte ertappt zusammen und ein Hauch von verlegener Röte flammte über seine Wangen. Er ließ sich nur zu einem abfälligen „Keh!“ hinreißen, „Wenn du halt nie irgendwas sagst, kann man ja nur spekulieren.“ Sesshōmaru ließ seinen Ausspruch unkommentiert und Inu Yasha gab es auf. Tatsächlich hatte Inu Yasha mit seiner Vermutung gar nicht so Unrecht. Sesshōmaru war angespannt und das nicht wenig. Er ahnte schon, dass Takaitayo ihm übel zürnte wegen des Welpen. Und er wusste wie hinterhältig und rachsüchtig der Südfürst sein konnte. Wie grausam. Die Entführung seiner Ziehtochter sah ihm ähnlich und Sesshōmaru war verärgert über die eigene Unfähigkeit dahingehend vorausschauende Gedanken zu treffen. Du bist eben nicht dein Vater!, zischte eine boshafte Stimme in seinem Kopf und er schüttelte denselbigen leicht, wie um eine lästige Fliege zu verscheuchen. Und er zweifelte daran, dass die Idee, die sein Halbbruder da gehabt hatte, wirklich funktionierte, aber aus Ermangelung an Alternativen, hatte er dem wohl oder übel zustimmen müssen. Und ohne Bakusaiga... nun, er wäre dem Südfürsten sicherlich immer noch überlegen, allerdings würde es vermutlich nicht mehr ganz so einfach, wie er sich das gewünscht hatte. Er hasste es, sich die Hände schmutzig zu machen. Zu schwitzen. Sesshōmaru verengte die Augen. Takaitayo wollte einen Krieg heraufbeschwören. Er ließ ihm ja gar keine Wahl als irgendwie zu reagieren.   ~*~ „Herr, Sesshōmaru-dono ist hier.“ Ein Lächeln umspielte die schmalen Lippen. Das war schnell gegangen. Etwas anderes hatte er auch nicht von Sesshōmaru erwartet. „Ist er allein?“ „Ja, Herr.“ „Gut.“ Der Herr des Südens erhob sich und setzte sich behäbig in Bewegung. Sesshōmaru wartete draußen bei einem Pavillon, bei welchem Takaitayo besondere Gäste zu begrüßen pflegte. Der junge Fürst des Westens verzog keine Miene als Takaitayo vor ihn hintrat. „Ich freue mich, dass Ihr meiner Einladung gefolgt seid.“ „Wenn Ihr eine Kriegserklärung Einladung nennen wollt“, erwiderte Sesshōmaru abschätzig, „Wo ist sie?“ „Es geht Ihr gut.“ Der Südfürst machte eine Bewegung als wolle er eine lästige Fliege verscheuchen. „Bringt sie her.“ „Nicht so hastig. Ich glaube nicht, dass Ihr aktuell in der Position seid, Forderungen zu stellen.“ Takaitayo bereitete es eine diebische Freude zu beobachten, wie Sesshōmaru um Fassung bemüht war, um ihm nicht irgendeine wüste Spitzfindigkeit entgegen zu schleudern. Doch die Miene des jungen Dämons blieb letztendlich unbewegt. „Dann sagt mir, was Ihr wollt“, forderte Sesshōmaru, doch es klang mehr wie ein Befehl als ein Einlenken. „Nun...“, begann der Südfürst gedehnt und ließ seine Worte vorschnellen, wie einen Pfeil von der Sehne, „zuerst vielleicht möchte ich wissen, warum Ihr meinen Welpen ermordet habt.“ Stille senkte sich zwischen ihnen herab und Takaitayo bemerkte mit äußerster Befriedigung , welch wunden Punkt er getroffen hatte. Zum ersten Mal wirkte Sesshōmaru nicht mehr ganz so unnahbar. Wie auch. Nicht einmal Sesshōmaru war gefeit gegen das Gefühl, einen Teil von sich ausgelöscht zu haben. Ein Gefühl, dass er bis zum jetzigen Moment erfolgreich verdrängt hatte. „Das wisst Ihr ganz genau“, presste Sesshōmaru hervor und Takaitayo hätte schwören können, der junge Fürst wirkte eine Spur blasser. Mochte es etwa sein, dass er sich von den Folgen noch nicht ganz erholt hatte? „Ländereien gegen ein ungeborenes Leben? Was seid Ihr doch kalt.“ Aus den Worten triefte der blanke Hohn. „Ihr wisst, dass es um mehr als das geht“, presste Sesshōmaru hervor und spürte plötzlich eine unerklärliche Schuld auf sich lasten. Er hatte nicht bemerkt, wie Takaitayo näher an ihn heran getreten war. Eine Spur zu nahe. Er streckte die Hand aus und griff nach einer der schweren, seidigen, weißen Haarsträhnen, die er nach vorne zog. Er küsste sie und drückte dann die Nase hinein um den Duft zu inhalieren. Sesshōmaru ließ das mit versteinerter Miene über sich ergehen. „Euer Geruch...“, sagte Takaitayo gefährlich leise, „ist so erregend... auch außerhalb Eurer Läufigkeit... Ihr werdet mir einen Nachkommen gebären... ich kann diesen Mord nicht akzeptieren.“ „Ihr nehmt Euch Einiges heraus“, erwiderte Sesshōmaru kühl. „Nun, Ihr hängt doch sehr an der kleinen Rin. Es wäre doch jammerschade, wenn einer meiner Soldaten in einem unbeobachteten Moment...“ „Das wagt Ihr nicht...“ Aus Sesshōmarus Worten war kalte Wut herauszuhören. Na holla, dachte Takaitayo, als er das Yoki anschwellen spürte, so geladen auf einmal? Das passt nicht zu Euch. Aber es gefiel ihm, Sesshōmaru die Fassung verlieren zu sehen. Es erregte ihn, so etwas aus dem unterkühlten, jungen Fürsten herauskitzeln zu können. Er dachte daran, wie er sich unter ihm gewunden und geschrien hatte vor Lust und Erregung schoss in seine Lenden. „Natürlich würde so eine Gräueltat gebührlich bestraft werden. Doch was einst geschehen ist, lässt sich nicht rückgängig machen, denkt daran...“ „Ihr widert mich an!“ Blitzschnell stieß Sesshōmarus Giftklaue hervor, doch Takaitayo war ebensoschnell – mühelos und brutal legte sich die kräftige Pranke um Sesshōmarus Unterarm, wobei die Klauen sich in die blasse Haut bohrten und mit einem Ruck zog der Südfürst den wesentlich jüngeren Yōkai zu sich. Die andere Hand, die aus dem Nichts hervorschnellte wurde ebenso mühelos abgefangen. „Ach, Sesshōmaru, das hatten wir doch alles schon“, höhnte der Südfürst, wobei er seinen Atem gegen Sesshōmarus Lippen blies. „Wieso erspart Ihr uns das nicht und tut einfach brav das was ich von Euch will, hm? Ts... wie kalt ihr jetzt seid... wo Ihr vor Kurzem doch nichts sehnlicher wolltet, als ordentlich zugeritten zu werden!“ Ein dröhnendes Lachen und Sesshōmaru hätte ihm am liebsten ins Gesicht gespuckt, lediglich seine gute Erziehung hielt ihn davon noch ab. Und der Gedanke daran, dass Inu Yasha und Shippo gerade im Schloss waren und Rin finden mussten bevor man darauf aufmerksam wurde, dass Sesshōmaru gar nicht allein gekommen war, wie man es verlangt hatte... so lange Rin in Sicherheit war, war alles andere daneben unbedeutend. Und so lange er das Zeichen nicht spürte, ein ganz kurzes Aufflammen von Yoki, würde er Rins Unbescholtenheit nicht aufs Spiel setzen.   ~*~ Inu Yasha musste gerade alle Beherrschung aufbringen um nicht überhastet durchs Schloss zu eilen. Shippo hatte eine Art Tarnzauber über sie beide gelegt, was so viel hieß wie, dass sie den Geruch der Südhunde angenommen hatten. Der zweite Zauber war ein Verhüllungszauber, der Inu Yasha äußerlich an die Südhunde anglich. Es hatte ein wenig gedauert, aber er hatte Rins Geruch schließlich unter den vielen fremden Gerüchen ganz schwach herausfiltern können. „Da vorne!“, wisperte Shippo und Inu Yasha sah auf. Ein Zimmer, streng bewacht, das musste es sein. Er schnüffelte in die Luft – außer den Wachen und wenigen Dienern war gerade keiner hier in der Nähe. Das war gut. Als Inu Yasha hinspürte, bemerkte er, dass die Wachen nicht über überdurchschnittliche Kräfte verfügten. Es würde also kein größeres Aufstehen erregen, sie zu überwältigen. Rin hörte in ihrem Zimmer lediglich ein Rumpeln und Geräusche, die sich wie Schläge anhörten, ehe die Türe hastig aufgestoßen wurde, was die alte Dienerin neben ihr gehörig erschreckte. „Inu Yasha!“, rief sie verblüfft und freudig aus, wobei sie aufsprang und ihrem Onkel stürmisch um den Hals fiel. „He, geht’s dir gut?“ Rin nickte bekräftigend. „Mir hat keiner weh getan. Nur einen gehörigen Schrecken hatte ich, als... ist Sesshōmaru-sama auch hier?“, fügte sie dann hinzu und wirkte reichlich besorgt dabei. „Er ist bei Takaitayo und lässt ihn in dem Glauben, dass er alleine gekommen ist – komm, wir müssen zusehen, dass wir hier verschwinden!“, schob er rasch hinterher und drängte Rin zur Eile. Doch ihre Sorge war ihm nicht verborgen geblieben. „Rin, du weißt wie stark er ist. Ihm wird schon nichts passieren...“ Rin nickte und schwieg, aber sogar Inu Yasha spürte, dass sie nicht so ganz überzeugt war. Darum konnte er sich jetzt aber nicht kümmern. Er musste die Kinder schleunigst hier rausbringen, ehe man sie doch noch entdeckte und erst als er mit einem großen Satz über die Wachen hinwegsprang, die am Hoftor positioniert waren, fiel die Anspannung von ihm ab. Er ließ sein Yoki ansteigen, so wie sie es abgesprochen hatten. Sie hatten abgemacht, dass er mit den Kindern vorging und Sesshōmaru sie später einholte, doch irgendetwas ließ Inu Yasha plötzlich inne halten. Irgendein ungutes Gefühl. Hastig leckte er sich über die Lippen und wandte sich dann zu Shippo. „Bring Rin zu dem Versteck, das wir vorbereitet haben, ich werd mal nach dem Rechten sehen.“ Shippo lag ein Protest auf der Zunge aber als er Inu Yashas steinerne Miene sah, schluckte er den herunter und nahm Rin bei der Hand. „Los, komm!“ Kaum waren Shippo und Rin zwischen den Bäumen verschwunden, spürte Inu Yasha einen jähen Anstieg zweier Yokis und er wirbelte herum, nur um im nächsten Moment zwei riesenhafte Hunde – einer weiß, einer schwarzbraun am Himmel über sich hinwegspringen zu sehen. Das Knurren, das beide dabei ausstießen, war ohrenbetäubend und wütend. „Verdammt!“, fluchte Inu Yasha, „Und da heißt es, ich würde immer alles eskalieren lassen!!!“ Dann setzte er sich in Bewegung um den beiden zu folgen, was gar nicht so einfach war – und selbst wenn er dann wieder einen herablassenden Kommentar von Sesshōmaru kassierte, er hatte einfach kein gutes Gefühl, den Älteren alleine mit diesem dubiosen Südfürsten zu lassen. Der Südfürst, unter dem er gelegen hatte, sich windend, stöhnend, die sonst so kühlen blassen Wangen überzogen von Luströte und... Inu Yasha spürte sein Gesicht heiß werden und sah sich hastig um, wie als hätte jemand, der neben ihm stand, seine Gedanken erraten können. Besser, er dachte über solche Sachen nicht nach. Denn der Gedanke erfüllte ihn nicht nur mit Scham, er machte ihn aus irgendeinem Grund auch sehr wütend. Ein schmerzerfülltes Aufjaulen riss ihn jäh aus seinen Gedanken und als er wenig später zwischen den Bäumen auf eine Lichtung hervorbrach, sah er gerade noch, wie die zwei ineinander verkeilten Hunde zur Erde stürzten und beim Aufprall eine Menge Staub aufwirbelten. Er roch Blut und sah kurz darauf die dunkelroten Flecken, die das weiße Fell bereits verklebten, die Fänge, die sich tief in das weiche Fleisch gebohrt hatten an der Stelle zwischen Hals und Schulterblatt – und Inu Yasha erkannte, dass Sesshōmaru sich nicht würde befreien können, ohne sich selbst die Halsschlagader aufzureißen – nicht bei diesem Eisengebiss. „Scheiß auf deinen Stolz“, knurrte er wütend und gab sich dann zu erkennen. „Hey!“, schrie er, während er sein Schwert „Takaitayo! Weg von ihm, oder Tessaigas Klinge wird nur zu gerne an dir lecken! Und glaub mir, ich kann gut genug damit zielen um ihn nicht zu verletzen!“ Die Köpfe beider Dämonenhunde ruckten in Inu Yashas Richtung und Sesshōmaru gab einen warnenden Knurrlaut von sich, doch Takaitayo war schneller – er ließ Sesshōmaru los und machte einen gewaltigen Satz auf Inu Yasha zu, welcher die Augen verengte. „Glaub mir, ich hab schon ganz andere als dich platt gemacht!“, knurrte der Hanyō und ein überhebliches Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit. „Kaze no Kizu!“, brüllte er gereizt als er den Hund auf sich zuspringen sah und ließ im nächsten Moment die Energie der Attacke frei, spürte das anregende Kribbeln, als sie seine Hand verließ und – Takaitayo wich ihr einfach aus – lediglich ein paar schwarze Fellspitzen rieselten zu Boden. „Was – wie...!?“, entfuhr es dem Hanyō verblüfft und er konnte gerade noch so dem riesenhaften Hundemaul ausweichen, das wie eine Bärenfalle zusammenschnappte und an seiner statt einen aus dem Boden ragenden Felsen zerbersten ließ – aus dem Augenwinkel bemerkte Inu Yasha, wie der Geifer, der von den Lefzen troff die Reste des Felsens einfach auflöste und einen flüchtigen Moment sah er sich an Sesshōmarus Giftklaue erinnert, die ihm einst vorübergehend das Augenlicht genommen hatte. Der Südfürst war schnell – sehr schnell und Inu Yasha hatte seine liebe Not damit, auszuweichen und genug Raum zwischen ihnen beiden zu schaffen, um eine erneute Attacke Tessaigas einzusetzen und plötzlich... plötzlich sah er dem weit geöffneten Maul entgegen und es war zu spät auf diese kurze Distanz Kaze no Kizu einzusetzen – Inu Yasha ließ Tessaiga ins Gras fallen, wo es sich in das alte schartige Schwert zurückverwandelte, das es nach außen hin war und stemmte beide Arme je einmal gegen die Eckzähne des Ober- und Unterkiefers. Eine gewaltige Kraft wirkte auf ihn ein und Inu Yasha ächzte angestrengt, während ihm die Muskeln zitterten und zum ersten Mal wünschte er sich die kraft eines Yōkai zu besitzen, denn lange, so ahnte er, würde er das hier nicht durchhalten. Seine Muskeln brannten wie Feuer und der Schweiß rann ihm in Strömen und als er schon dachte, gleich im Magensaft eines Dämonenhundes zu baden, erschlaffte der Hundekörper plötzlich und wurde von ihm weggeschleudert, sodass Inu Yasha wieder den blauen Himmel über sich sah – und schrie im nächsten Moment erschrocken auf, als das nächste Hundemaul Kurs auf ihn nahm. Erschöpft langte er nach Tessaiga, doch der erwartete Schmerz blieb aus. Sesshōmaru umfasste ihn lediglich mit dem Maul ohne ihn jedoch zu verletzen und im nächsten Moment fand er sich zwischen seidenem weißen Fell wieder, unter welchem er die Muskeln arbeiten spürte und noch ehe er realisiert hatte, was hier gerade passierte, verloren sie die Bodenhaftung und Inu Yasha spürte wie sie steil in die Luft hinauf stiegen. Instinktiv krallte er sich in zwei Fellbüscheln fest und staunte darüber, wie klein die Bäume von hier oben aussahen. Nicht zum ersten Mal beneidete er seinen Bruder um seine dämonische Gestalt, diese Fähigkeit, so losgelöst über der Erde dahin zu gleiten... das fühlte sich nach Freiheit an. Einen Moment hätte er beinahe vergessen, warum sie eigentlich hier waren. Sein Blick fiel auf Sesshōmarus Verletzungen. Tiefe Bisswunden. War das normal, dass sie noch nicht begonnen hatten, zu heilen? Inu Yasha fuhr abwesend mit den Händen durch das weiße Fell. Wie unglaublich weich es war. Er konnte sich daran erinnern, als er ein Kind gewesen war und seinen älteren Bruder das erste Mal in dieser Gestalt gesehen hatte, da hatte er sich sehnsüchtig gewünscht, auch nur einmal durch das weiche Fell kraulen zu dürfen. Doch Sesshōmaru hatte ihm recht bald gezeigt, dass er es nicht wert war auch nur in seine Nähe zu kommen. Inu Yasha schüttelte den Kopf. Das hatte hier nichts verloren. Sie mussten sich jetzt erstmal darauf konzentrieren unversehrt ins Westreich zurück zu gelangen. Sesshōmaru steuerte nach einer Weile den Wasserfall an hinter dem die Höhle lag in der Shippo und Rin sich versteckten – Inu Yasha spürte kaum, wie der Yōkaihund auf der Erde aufsetzte. Er glitt augenblicklich von Sesshōmarus Rücken, woraufhin der sich schließlich langsam zurück verwandelte. Inu Yashas Blick verdüsterte sich. Sesshōmarus Harnisch war zersprungen, die Schulterdornen gänzlich heruntergebrochen und die tiefe Wunde zwischen Hals und Schulterblatt, aus der noch immer ein wenig frisches Blut pulsierend nachrann, hatte den Haori blütenförmig rot gefärbt. Ebenso sah es mit einer Verletzung an der Hüfte aus und – was Inu Yasha aus irgendeinem unerfindlichen Grund am schlimmsten fand – das weiße Haar war stellenweise vom Blut völlig verklebt und wirr. „Starr nicht so“, blaffte Sesshōmaru ihn an und Inu Yasha zuckte ertappt zusammen, nur um daraufhin schnaubend zu grollen: „Hast du dich mal angesehen? Du siehst aus wie ein blutrünstiger Berserker, der gerade gewütet hat!“ „Du hattest schon immer einen Hang zur Übertreibung“, erwiderte der Ältere und Inu Yasha fühlte sich irgendwie belächelt. „Bitte“, sagte Inu Yasha, „dann sieh dein Spiegelbild im See an und du wirst mir zustimmen.“ Sesshōmaru starrte ihn einen Moment an und Inu Yasha hätte seinen Arsch darauf verwettet, dass er erstmal eine Standpauke bekam, was ihm denn überhaupt einfiele, dem großen unfehlbaren Sesshōmaru Befehle zu erteilen, doch die blieb aus. Stattdessen beugte sich der Yōkai tatsächlich über das Wasser, um sein Spiegelbild zu betrachten... und schwieg erstmal. Inu Yasha rollte die Augen. „Siehst du! Willst du so etwa vor die Kinder hintreten? Die kriegen den Schreck ihres Lebens.“ Zugegeben, da hatte Inu Yasha nicht so ganz Unrecht. „Wie dir vielleicht aufgefallen sein dürfte, führe ich gerade keine Garderobe mit Wechselkleidung bei mir.“ „Spar dir mal deinen Zynismus und zieh den Haori aus, ich hab ne Idee.“ Eine feingeschwungene Augenbraue wanderte in die Höhe, ein Kommentar dazu blieb jedoch aus und Sesshōmaru tat, was Inu Yasha gefordert hatte. „Komm“, meinte der und machte mit einer Hand eine lockende Handbewegung zum Wasser. „Das Blut muss aus den Haaren raus.“ Dabei zog Inu Yasha das Oberteil seines Suikan aus und ließ es neben Tessaiga ins Gras fallen – das untere Hemd folgte, damit es nicht nass wurde. Sie gingen etwa hüfthoch in das kalte Wasser hinein und Inu Yasha griff nach der schweren Haarpracht um das teilweise schon geronnene Blut daraus zu entfernen. Das war eine mühselige Arbeit, er kannte das von sich selbst und wusste noch, wie dankbar er gewesen war, wenn Kagome oder ein anderer seiner Freunde das für ihn erledigt hatte. Inu Yasha ging dabei sehr gründlich vor – vielleicht gründlicher als es nötig gewesen wäre, denn irgendwie ...gefiel ihm das Gefühl der schweren glatten Haare in seinen Händen. Sesshōmaru hatte so schönes Haar, während seine eigene Mähne eher etwas störrisch war. Aber das passte wohl zu seinem Charakter – hatte Kagome mal im Scherz gesagt. Er musste schmunzeln bei der Erinnerung, wurde aber sogleich wieder ernst. Es war irgendwie ein merkwürdiges Gefühl, Sesshōmaru so nahe zu sein, ohne dass der ihm an die Gurgel wollte. Inu Yasha schluckte, seine Hände zitterten plötzlich. Konzentrier dich, schalt er sich, du hast vorhin auf ihm drauf gesessen ohne dass dir so komisch geworden ist! Bald hatte er den letzten Rest Blut aus der langen Haarpracht herausgeribbelt, doch anstatt die letzte dicke Strähne loszulassen... schloss er die Augen und vergrub heimlich die Nase darin. Er verdrehte unter den geschlossenen Lidern die Augen als ein überwältigender Duft ihn ereilte – und plötzlich spürte er mit Entsetzen, dass er hart war. In seinen Lenden zog es verlangend und wie von der Tarantel gestochen sprang Inu Yasha auf. „Ich bin fertig!“, japste er mit sich überschlagender Stimme und sprang auf um zu der Kleidung zu eilen – er zog das weiße Hemd wieder drüber – ein wenig schlampig – und sagte dann zu Sesshōmaru: „Hier, zieh das drüber, das sollte es vorübergehend tun, bis wir im Westschloss sind!“ Dabei warf er ihm den roten Feuerrattenmantel zu, den Sesshōmaru kommentarlos auffing und schließlich mit geschickten Handgriffen überzog. Während sie zu der Stelle gingen, an welcher sich Shippo und Rin verborgen hatten, klopfte Inu Yasha das Herz bis zum Halse. Hoffentlich hatte Sesshōmaru mit seiner feinen Nase nichts von seiner Erregung gemerkt, das wäre... irgendwie peinlich. Vor allem, weil er sich das selbst nicht erklären konnte. Das war doch früher nicht dagewesen... oder? Nun, wenn Sesshōmaru es gemerkt hatte, dann war er zumindest diskret genug, ihn nicht darauf anzusprechen. Aber diese Ungewissheit... „Sesshomaru-sama!“ Rins Stimme drang durch die kleine Höhle – sie war aufgesprungen und ihnen entgegen geeilt. „Es freut mich, dass Ihr wohlauf seid!“ Sesshōmaru ließ sich dazu hinreißen, der jungen Frau über den dunkelbraunen Haarschopf zu streichen. „Du hast ein ziemliches Chaos verursacht“, sagte er dann, klang dabei jedoch nicht halb so streng wie er sich das gewünscht hätte und Inu Yasha sah in eine andere Richtung um sein Grinsen zu verbergen. Rin blickte Sesshōmaru schuldbewusst an. „Es tut mir leid. Ich wusste nicht, dass der Ort, wo ich die Kräuter suchte, gefährlich ist.“ „Nun, ich fürchte, dass mittlerweile sogar Musashi gefährlich ist“, erwiderte der Daiyōkai ernst und sprach dann einen Gedanken aus, den er schon oft hin- und hergewälzt und schließlich doch verworfen hatte. „Wie … würde es dir gefallen, eine Weile im Schloss des Westens zu leben? Du könntest der Heilerin Homoto zur Hand gehen und von ihr lernen.“ Rins Augen fingen an, zu leuchten. „Im Schloss? Ich? Ohh, das wäre... fantastisch! Kaede-Baba erzählte von dem uralten Wissen, das die Youkai Heiler mit sich herumtragen...“ „Aber Rin Onee-chan, hast du keine Angst so allein unter lauter Yōkai?“, piepste Shippo, der die Vorstellung, dass Rin nicht mehr im Dorf leben sollte, wo er sie problemlos sehen konnte, gar nicht so toll fand. Rin machte eine wegwerfende Handbewegung. „Iwo! Sesshōmaru-sama, du und Jaken seid doch auch Yōkai und vor euch hab ich auch keine Angst! Nur... Sesshomaru-sama? Darf Kohaku-kun mich ab und zu besuchen?“ Inu Yasha biss sich auf die Unterlippe und studierte verstohlen seines Bruders Mimik bei dieser Bitte. Er konnte sich vorstellen, dass der verehrte Herr Daiyōkai nach den vorangegangenen Ereignissen nicht sonderlich gut auf Kohaku zu sprechen war. „Das... ist eigentlich... nicht … vorge...“ Er unterbrach sich selbst mit einem Seufzen. „Wenn es denn unbedingt sein muss.“ Inu Yasha musste lachen und versuchte das in einem unbeholfenen Hüsteln zu kaschieren, woraufhin Sesshōmaru ihm einen strafenden Blick zuwarf. Was denn? War doch zu amüsant, zu beobachten, wie der ansonsten so unterkühlte Dämon sich dem Charme seiner menschlichen Ziehtochter so hilflos ausgeliefert sah. Sie machten sich schließlich recht bald auf den Rückweg. Sesshōmaru wollte aus dem Südreich draußen sein, ehe man ihre Fährte doch noch aufnahm – Shippos Zauber hielt nämlich auch nicht unendlich, außerdem war der Fuchswelpe alsbald sehr erschöpft, das war spürbar im Flackern seines Yoki. Apropos erschöpft, dachte Inu Yasha mit einem verstohlenen Blick zu Sesshōmaru, Kann es sein, dass es ihn mehr Kraft gekostet hat, als er sich eingestehen will? Verdammter stolzer Hund! Bei dem braucht man doch einen Gedankenleser. Pah! Erst geschwächt von der Abtreibung, jetzt der Kampf mit diesem Takaitayo. Und nein, ich mache mir keine Sorgen! Aber die Verletzungen waren tief und da war auch irgendein komischer Geruch, der … Inu Yasha blinzelte. Wieso war ihm das vorher nicht aufgefallen? Es hatte nicht nur nach Blut gerochen, sondern auch nach … ja was? Der Geruch war fremd gewesen. Vielleicht hatte er sich das auch einfach nur eingebildet. Ja, so musste es sein. Ganz bestimmt. In diesem fremden Reich gab es fremde Gerüche und seine Nase hatte ihm wohl einen Streich gespielt. Ein leises Knurren lenkte kurz die Aufmerksamkeit der anderen auf ihn. „Ist alles in Ordnung, Inu Yasha?“, murmelte Shippo schläfrig, der sich auf seinem Rücken festklammerte. „Jaja“, murmelte der Hanyou abwesend und versuchte sich wieder auf seinen Weg zu konzentrieren.   ~*~ Zurück im Westschloss wurde Rin in großzügigen Gemächern untergebracht. Da Sesshōmaru sie nicht gänzlich im Schloss einsperren wollte, wies er den engsten Vertrauten unter seinen Generälen, Akira-O an, in so einem Fall für ihre Sicherheit zu sorgen, indem er sie persönlich begleitete. Kurz darauf wies er an, seine Berater und Generäle zusammen zu rufen – Inu Yasha hätte nur zu gerne Mäuschen gespielt aber Sesshōmaru hätte ihm mit Sicherheit was gehustet, wenn er den Wunsch geäußert hätte, dabei zu sein. Er verzog bei der Vorstellung das Gesicht und äffte im Geiste die Stimme seines Halbbruders nach: 'Hn, was denkst du dir eigentlich' Ein verlauster Hanyō hat hier nichts zu suchen. Kümmere dich um deine Angelegenheiten – such im Müll nach Essen oder so' Inu Yasha entfuhr ein Lachen, bei der Vorstellung, dass sein feiner Herr Bruder solch ein Vokabular in den Mund nahm, woraufhin Shippo, der sich seit sie hier angekommen waren an seine Beine drückte, ihn etwas skeptisch anschaute. „Ist wirklich alles in Ordnung? Du benimmst dich merkwürdig....“ „Ach, halt doch deinen vorlauten Schnabel“, grollte Inu Yasha und musste sich beherrschen dem Kleinen nicht wie früher eine auf den Kopf zu verpassen. Dann seufzte er: „Eigentlich könnten wir uns langsam mal hier verkrümeln, hm? Es gibt hier nichts mehr zu tun...“ Und weil Shippo aus irgendeinem Grund irgendwie traurig wirkte, ließ Inu Yasha sich zu einem Lob hinreißen, das ihm unter normalen Umständen vermutlich im Halse stecken geblieben wäre. „Das hast du heute übrigens wirklich gut gemacht.“ Shippo schaute ihn mit großen Kulleraugen an und eine feine Röte machte sich auf den Kinderwangen breit. „W-wirklich?“ Inu Yasha lächelte ihn gezwungen an. „Wirklich.“ Shippo schien sich wirklich über dieses kleine Lob zu freuen, Inu Yashas Lächeln jedoch verblasste bald. Sorge um Sesshōmaru drängte sich mit einer nervigen Hartnäckigkeit in seinen Geist. Und dann war da noch etwas anderes. Es war beinahe wie eine Offenbarung als Shippo und Sesshōmaru gleichzeitig durch seine Gedanken geisterten. War das am Ende die Lösung? „Sag mal...“, sagte er schließlich langsam und ging in die Hocke, damit er auf Augenhöhe zu dem Fuchswelpen war, „wie würde es dir gefallen, eine Weile mit Rin hier im Schloss zu bleiben? Vielleicht könntest du hier auch ein paar Grundlagen des Schwertkampfes lernen.“ Inu Yasha dachte an seine eigenen kläglichen Versuche, diese Aufgabe zu übernehmen, aber Shippo, er und vermutlich auch der Rest der Dorfgemeinschaft waren einstimmig zu dem Schluss gekommen, dass er als Lehrer eine absolute Vollkatastrophe war. Wie konnte man auch etwas lehren, das man selbst nicht wirklich gelernt hatte? Shippos Augen begannen augenblicklich zu leuchten. „Aber... meinst du, Sesshōmaru-dono würde das erlauben?“ Inu Yasha zuckte mit den Schultern und verwuschelte Shippo den roten Haarschopf. „Ich kann nichts versprechen, aber fragen kostet ja nichts, hm?“ Inu Yasha fühle sich längst nicht so souverän, wie er sich vor Shippo gegeben hatte. Aber jetzt hatte er seine Klappe nunmal aufgerissen. Außerdem war das vielleicht auch ein guter Vorwand um nochmal nach Sesshōmaru zu sehen. Nachdem die Wachen ihm Platz gemacht hatten, wartete er nach seinem Klopfen keine Antwort ab, sondern riss einfach die Türe auf. „Sesshōmaru?“ „Warum klopfst du an, wenn du ohnehin nicht vorhast, dich an die Etikette zu halten?“, ereilte ihn die zurechtweisende Stimme seines Bruders. Inu Yasha rollte mit den Augen und trat dann näher zu Sesshōmaru heran, welcher vor einem Spiegel stand und eine Stelle an der freigelegten Schulter betrachtete, die sich violett verfärbt hatte. „Was ist das?“, wollte Inu Yasha misstrauisch wissen und augenblicklich nahm der diesen Geruch wieder wahr. Natürlich – eine Vergiftung. „Das ist gar nichts“, erwiderte der Ältere und rückte seinen Haori zurecht. „Was willst du?“ Inu Yasha hätte beinahe vergessen, was er hier gewollt hatte und ehe es hätte peinlich werden können, fiel es ihm gerade noch rechtzeitig ein. „Es geht um Shippo“, sagte er ernst, „Ich... hab mich gefragt, ob es hier vielleicht Verwendung für ihn gibt. Wir haben schon länger darüber gesprochen, dass es nicht verkehrt wäre für ihn, wenn er eine Weile unter... naja, Yōkai lebt. Er könnte vielleicht ein wenig im Schwertkampf unterrichtet werden oder sowas... Ich fürchte, im Dorf fühlt er sich manchmal etwas verloren...“ „Hm, nun... wenn er mit den anderen Welpen mithalten kann, wüsste ich keine Einwände dagegen. Überlege jedoch gut, worum du mich bittest. Hier zu lernen, kann hart sein, vor allem für jemanden, der keine Erfahrung hat...“ „Shippo ist zäh, der beißt sich schon durch... außerdem... naja... ich glaub... aus irgendeinem unerfindlichen Grund... bewundert er dich … seit du ihn gerettet hast, fragt er mich ständig nach irgendwelchen Sachen, die mit dir zu tun haben... natürlich ganz beiläufig... Das Ding ist nur, ich kenn dich im Grunde so wenig, dass ich ihm auf die meisten Sachen keine Antwort geben kann...“, schloss Inu Yasha mit einem schiefen Grinsen und zuckte mit den Schultern. Ein eigentümliches Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus. „Rin wird sich sicherlich freuen, jemand Vertrauten hier zu haben“, sagte Sesshōmaru nach einer Weile und hatte selbst das Gefühl, er sagte es nur um irgendetwas zu sagen. Inu Yashas Gesicht verschwamm plötzlich vor seinen Augen. Er versuchte, den Schwindel wegzublinzeln. Inu Yasha hatte irgendetwas gesagt, doch er hatte ihn nicht gehört. „Wie bitte?“ „Ich hab dich gefragt, ob alles in Ordnung ist!“, sagte der Hanyou eine Spur lauter und verschränkte die Arme vor der Brust. „Es geht mir gut.“ Das hatte beinahe trotzig geklungen. Im nächsten Moment sackte Sesshōmaru in Inu Yashas Armen zusammen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)