I’m Still Standing von Orophin ================================================================================ Kapitel 7: Barfuß ----------------- Als er, von der Mittagssonne geweckt, seine Augen aufschlug, dröhnte ihm der Kopf vom gestrigen Wein. Nachdem er sich schweren Herzens in den sehr frühen Morgenstunden von Lily verabschiedet hatte, war er zurück auf das Sofa gesunken und hatte noch einige Zeit stumpf hinauf an die Decke gestarrt. Für einen kurzen Moment durfte er ein Stück von dem Leben kosten, welches er sich sehnlichst wünschte. Barfüßig und bei bester Laune, war sie noch einige Zeit bei ihm geblieben. Neugierig hatte sie mit ihm den Inhalt seiner Kessel besprochen und als die Sonne die Nacht vertrieb, hatte sie sich verabschiedet und war zurück nach Godrics Hollow appariert. Lauthals gähnend fuhr er sich mit den Händen durchs Gesicht und kniff die Augen zusammen. Das Licht schmerzte, ebenso wie ihre Abwesenheit. In dem Haus herrschte eine gespenstige Stille. Lustlos warf er sich zunächst auf die eine Seite, dann auf die andere. Er fühlte sich vom Leben abgeschnitten. Seufzend rieb er sich den Schlaf aus den Augen und schaffte es nach einigen Anläufen, sich aufzuraffen. Ihm waren die Dinge, die er tat, um am Leben zu bleiben, lästig geworden. Fahrig erledigte er das Mindestmaß an allem, um seinen Organismus am Laufen zu halten. Mit nassen Haaren, die er zu einem Knäuel am Hinterkopf zusammengebunden hatte und einer Tasse Tee , setzte er sich im Schneidersitz vor einen seiner Kessel. Suchend sah er sich für einen kurzen Augenblick um. Seine einzige Gesellschaft für den heutigen Tag waren verschiedene Stadien von Veritaseren, die er für den dunklen Lord nach und nach fertigstellte. Im Laufe der kommenden Woche, würde er neben unterschiedlichen Giften, Stärkungstränken und Gegengiften auch einen Kessel Veritaserum fertig stellen können. Er zwang sich zur Arbeit. Seinen, mittlerweile kalt gewordener Tee nahm er erst Stunden später zu sich. Und als sein Magen protestierte und ihm übel wurde, kümmerte er sich auch darum. Mit dem Rücken an die Küchenzeile gelehnt, sah er in die Wohnstube und vernahm dabei ein leises Brodeln und Blubbern. Während Lily in der gestrigen Nacht an seinen schweren Bücherschränken vorbei geschlendert war, hatte sich Severus zurückgelehnt und sich für einen Moment dem Gedankenspiel hingegeben, wie es wohl wäre, wenn sie seine Frau geworden wäre. Schon alleine die Vorstellung, ihre leisen Schritte auf den knarzenden Bohlen würde seinen Alltag füllen, hatte ihn in Verzückung versetzt. Kurz darauf, hatte sie, ihren runden Bauch streichelnd, das Märchenbuch von Beedle dem Barden entdeckt. Der Saum ihres rotbraunen Wollkleides wirbelte, ebenso wie sie, zu ihm herum, wodurch ihre Schenkel ein kleines Stück entblößt, wurden. Das herzliche Lächeln, dass sie ihm schenkte, hatte seinen Atem stocken und sein Herz aussetzen lassen. Bei Salazar und all seinen Erben, sie würde ihn noch in den Wahnsinn treiben! Kaum hatte sie sich neben ihm niedergelassen, begann sie sogleich im Märchenbuch zu blättern. Als sie nach einigen Seiten die Geschichte des Zauberers und dem hüpfenden Topf aufgeschlagen hatte, glitt ihre Hand von ihrem Bauch nach unten und umfasste liebevoll seine langen blassen Finger. Sobald ihre Finger sich kreuzten zuckte Severus kurz zusammen. Seine Brust hatte sich angefühlt, als hätte sie jemand für einen Moment unter Strom gesetzt. Zunächst zaghaft, dann behutsam hatte sie die ersten Zeilen des Märchens vorgelesen. „Es war einmal ein gütiger alter Zauberer, der seine magischen Kräfte großzügig und weise zum Wohle seiner Nächsten gebrauchte. Den wahren Ursprung seiner Macht offenbarte er nicht, vielmehr tat er so, als würden seine Tränke, Zaubersprüche und Gegengifte gebrauchsfertig aus dem kleinen Kessel springen, den er seinen Glückstopf nannte. Die Menschen kamen mit ihren Sorgen meilenweit von überall her zu dem Zauberer, und er rührte mit Vergnügen in seinem Topf und richtete die Dinge wieder." Als sie endete, hatte sie ein weiteres Mal zu ihm aufgesehen. Ihre Augen hatten etwas Gedankenschweres Inne, als sie sein Gesicht nach einer Regung abgesuchte. Ihre zarte und warme Hand lag weiterhin in seiner, als sie zu einem strahlenden Lächeln ansetzte, dass förmlich dafür sorgte, dass er für einige Atemzüge das Luft holen vergaß. Tonlos hatte er daraufhin sein Mund geöffnet, um ihn kurz darauf wieder zu schließen. Wenn er es nicht ohnehin vor einigen Jahren getan hätte, hätte er in diesem Moment, ohne zu zögern seine Seele ein zweites Mal hergegeben, nur um sie noch etwas länger an seiner Seite verweilen lassen zu können. Ein lautes Zischen aus der Wohnstube riss ihn unbarmherzig aus seinen Gedanken. Seufzend trat er aus der Küche und begab sich in melancholischer Verfassung an sein heutiges Tagwerk. Erst mitten in der Nacht schaffte er es sich davon los zu reißen und lies sich mit müden und steifen Gliedern auf sein Sofa nieder. So verstrichen die Tage. Einer gleichte dem anderen. Und als die Stille ihn wiederhatte und er die Abgeschiedenheit akzeptierte, ging ihm die Arbeit sehr viel einfacher und schneller von der Hand. Ein kräftiges Brennen in seinem linken Unterarm kündigten den Ruf seines Herren und Meisters an. Das Mal nahm eine tiefschwarze Färbung an und riss ihn aus seiner Lethargie. Mit dem nötigsten an Tränken, Seren und Tiegeln bepackt, trat Severus rasch aus seinem Haus und disapparierte. Wenige Herzschläge später erschien er auf dem Landgut der Familie Malfoy. Schnellen Schrittes durchquerte er den Garten und sperrte dabei die Sehnsüchte, die er in den letzten Stunden und Tagen empfunden hatte, in die hinterste Ecke seines Geistes. Dort, so hoffte er inständig, würden sie von niemanden aufgespürt werden können. Da Severus noch nie ein großer Freund von unnötiger Etikette gewesen war, verschaffte er sich mit einem stummen Alohomora Zugang zur Villa. Mit einem Ausdruck von Hilflosigkeit tapste ihm der Hauself der Familie hinter her, als er zu den Gemächern, die der dunkle Lord bezogen hatte, hinüber eilte. Mit einem kurzen, aber kräftigen Klopfen, kündigte er sein Kommen an und besah den kleinen, schlappohrigen Hauself der Familie Malfoy mit einem ungeduldigen Blick. Dieser verzog sich daraufhin nahezu geräuschlos in die nächste Ecke und, so vermutete Severus, bestrafte sich dort für sein inkorrektes Verhalten. Als die Tür zu den Gemächern des dunklen Lords langsam aufschwang, bot sich Severus ein Bild, dass ihn hart auf den Boden der Tatsachen zurückholte. Bellatrix stand mit einem Fuß auf dem Oberkörper eines ihm gänzlich fremden Mannes. In dem gleichen Maße, in dem sie in der Zaubererwelt an Stärke und Macht gewannen, wechselten auch immer mehr Söldner auf ihre Seite. Erfolg wirkte auf Narren wie Licht auf Motten. Wer sich Voldemorts Sache anschloss, war zunächst willkommen und kostete von den süßen Früchten. Wer sich derart geblendet dem Ernst der Lage nicht bewusst war und seine Pflichten weniger Aufmerksamkeit widmete als seinen Privilegien, musste seine Lektion erst lernen. Die Motte zu Bellas Füßen bekam gerade eine persönliche Lehrstunde in Sachen Verantwortung und Disziplinvernachlässigung. Bellatrix ging in der Aufgabe als Drill-Sergant auf. Das tat sie, weil sie sich mit Haut und Haaren Lord Voldemorts Zielen verschrieben hatte. Mit einem irren Lächeln auf den Lippen und einem heiseren Lachen hatte sie ihren leicht gekrümmten, walnussfarbenen Zauberstab auf ihr Opfer gerichtet. So wie der Stab gekrümmt war, wurde Severus immer an die Kralle eines Vogels erinnert. Der, auf dem Fußboden sich windende Mann, wurde von ihrem meisterhaft ausgeführten Cruciatus-Fluch beinah in den Irrsinn getrieben. Speichel rann ihm aus dem Mund und seine blutunterlaufenen Augen waren weit aufgerissen. Er bog und krümmte sich unter ihr, lauthals schreiend. Das Lachen der Hexe und das Stöhnen des Leidenden ergab eine Symphonie, die dem heraneilenden nicht fremd war. Severus' Herr stand in der Nähe eines der großen Fenster und befand sich im Zwiegespräch mit Lucius Malfoy. Während Lucius, wie immer tadellos gekleidet und ausstaffiert, zu einem weiteren Satz ansetzte, kehrte ihm der dunkle Lord den Rücken zu und besah Bellatrix mit einem langen Blick, ehe er den Neuankömmling wahrnahm. „Severus.", brachte er charmant, jedoch mit seinem ewig drohenden Unterton, hervor. Seine Füße waren bleich und unbekleidet und der wallende Saum seiner schwarzen Robe knisterte, als er sich umwandte und näher an Severus herantrat. In seiner Rechten hielt er seinen Zauberstab aus Eibenholz. Weiterhin schwer beladen mit verschiedenen Flaschen und Phiolen, senkte Snape respektvoll sein Haupt und sprach mit ruhiger leiser Stimme: „Ihr hattet nach mir geschickt, mein Herr?" Mit einer unwirschen Handbewegung und einem ungeduldigen Zischen, gebot er Bellatrix zu schweigen. Das gurgelnde Stöhnen des Delinquenten erstarb und Bella kam leichtfüßig herangeeilt. Sie schenkte Severus ein kurzes, keckes Zwinkern während sie ihm die Kisten mit seinen Arbeiten abnahm. „Wie von euch befohlen, konnte ich die gewünschten Seren kürzlich fertigstellen.", erklärte Severus schlicht und hielt sein Haupt abermals gesenkt. „Als mein treuer Diener und einer meiner fähigsten Todesser muss ich heute mit einer weiteren Bitte an dich herantreten, Severus.", erläuterte Lord Voldemort mit aufgesetzten Bedauern und wies ihn mit einem kurzen Wink seiner Hand an, ihm auf seinem Weg durch die Räumlichkeit ein Stück zu begleiten. Dieser Bitte kam Severus unverzüglich nach und so schritten sie zunächst schweigend, aber Seite an Seite, zum nächstgelegenen Fenster. Das in die Jahre gekommene, kunstvoll gearbeitete Tafelparkett, knarrte leise unter ihren Füßen. Dort angekommen, brach der dunkle Lord sein Schweigen, welches Severus schon Übelkeit bereitet hatte. „Vor wenigen Stunden habe ich erfahren, dass Horace Slughorn, wohl in Kürze sein Amt als Lehrer für Zaubertränke niederlegen möchte, um in Ruhestand zu gehen." Kurz glitt die Aufmerksamkeit seines Gegenübers zu den schneebedeckten Kronen der Ländereien, ehe er seinen Monolog ruhig fortführte: „Da mir Dumbledors Hort schon länger ein Dorn im Auge ist, möchte ich, dass du die Stelle in Zukunft bekleidest, Severus." Als ihn das Blitzen der scharlachroten Augen seines Herren, begleitet von einem kurzen, gnädigen Grinsen trafen, entglitten Severus seine Züge unwillkürlich. Forschend, nach einer weiteren Regung im Gesicht seines Getreuen suchend, hob Voldemort seine Hand, wohl um seine folgende Erläuterung zu untermalen. „Mit einer plausiblen Erklärung solltest du den alten Narren schon täuschen können. Ich erwarte deinen Bericht, sobald dir die Anstellung zugesagt wurde." Mit diesen Worten entließ er ihn und ging bedächtigen Schrittes zurück zu Lucius, der Severus mit ausdruckslosem Blick fixierte. Hastig senkte Severus sein Haupt und trat so stockend einige Schritte zurück. Die plötzliche Abwesenheit seines Gebieters sorgte für eine Art Vakuum in seinen Gedanken. Auch wenn seine Eingeweide vor Nervosität rebellierten, sorgte die Aura dieses großen Zauberers immer wieder dafür, dass er, als sein folgsamer Diener, auch noch nach den Jahren der widerspruchslosen Gefolgschaft, in seinen Bann gezogen wurde. Ihm zu folgen, zu dienen und seinen Willen zur vollsten Zufriedenheit zu erfüllen war ihm ein tiefes Bedürfnis geworden. So eilig wie er hier hergefunden hatte, verließ Severus das Anwesen auch wieder. Der am Boden liegende hatte zwischenzeitlich wieder Zuwendung von Bellatrix, in Form eines weiteren Cruciatus Fluch, erhalten und krümmte sich ächzend unter der Folter. Die Sonne schien nur kläglich hinter dem dicken Wolkenschleier hervor, als Severus die Villa verließ. Auf seinen Lippen zeichnete sich ein durchweg zufriedenes Lächeln ab. Das Märchen von dem Zauberer und dem hüpfenden Topf, dass Lily ihm vor einigen Tagen vorgelesen hatte, kam ihm wieder in den Sinn. Konnte oder wollte der Topf so viele Pantoffeln nach ihm werfen, ihn mit Schreien oder Schlafmangel belästigen wie er vermochte, würde Severus anders als der Zauberer in dieser Geschichte seine Ziele nicht aus den Augen verlieren. Was kümmerten ihn die lästigen Dorfbewohner? Sollte die Eselin doch verschollen bleiben, das Kind krank und der Topf warzig und würgend. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)