Fäden des Schicksals von SuperCraig ================================================================================ Kapitel 6: Drei Meister und ein Geselle --------------------------------------- Benommen rappelte sich Zeuxis auf. Hatte er es geschafft? Augenscheinlich schon, denn er befand sich wieder an der Oberwelt, auf einer Lichtung, um genauer zu sein. Bei seiner Rückkehr hatte er jegliche Orientierung verloren. Viel wichtiger war aber eine andere Frage: Hatten es die Zyklopen auch geschafft? Zuerst dachte der junge Gott, es wäre mitten in der Nacht, doch dann wurde ihm bewusst, was das Antlitz des Helios verdunkelte. Ein Blick nach oben ließ ihn eines der Wesen begutachten, das er errettet hatte. Langsam dämmerte ihm was Gaia damit gemeint hatte, dass den ersten Schöpfungen noch die Brutalität und rohe Gewalt der Natur anhafte. Drei dickbäuchige gigantische Kreaturen starrten auf ihren Retter herab. Sie waren vollkommen haarlos und nur mit einem dünnen Lendenschurz bekleidet. Ihre Füße steckten in plumpen Sandalen, welche kaum die massigen Zehen zu bändigen vermochten. Alle drei Augen waren auf Zeuxis gerichtet, jedes wohlplatziert in der Mitte des Schädels. Die Zyklopen wirkten verroht, einfältig und dumm. Diese Wesen sollten fähig sein Blitz und Donner zu schmieden? Unmöglich. „Wer bist du, dass du uns errettet hast?“, fragte einer der Hünen. Seine Stimme war tief und grollend und erinnerte dabei an aufkeimenden Donner. „Ich bin Zeuxis, Sohn des Zeus und der Metis und Urenkel der Gaia.“ Die drei rundlichen Gesichter kreuzten ihre Blicke, musterten den jeweils anderen, bevor sie wieder auf ihren Verwandten hinabstarrten. „Sohn des Zeus, Urenkel unserer Mutter, was ist dein Begehr, dass du uns errettet hast?“ Dieses Mal sprach ein anderer. Dieser hörte sich genau gleich an wie sein Bruder: Plump, schwerfällig und grollend. „Ich möchte, dass ihr mir, wie meinem Vater, Blitz und Donner schmiedet.“ Die ersten Wesen der Schöpfung tauschten erneut Blicke aus. Sie wirkten verwirrt, aber bisher nicht verärgert. Zeuxis hoffte, dass es so blieb, denn ob er es mit ihnen aufnehmen konnte, wagte er zu bezweifeln. „Du willst Blitz und Donner führen wie der große Zeus?“ Der Dritte meldete sich zu Wort und packte Zeuxis mit Daumen und Zeigefinger an seinem Mantel, um ihn auf Augenhöhe zu heben. Dieser strampelte wie wild und versuchte sich aus dem Griff zu befreien. Als er sich Auge in Auge mit dem Riesen befand, hielt er inne und starrte dem Monster entgegen. „Ich will Blitz und Donner dazu benutzen, um die Welt von meinem Vater zu befreien und sein Antlitz aus dem Universum zu tilgen.“ Zeuxis´ Stimme war fest und entschlossen. Er kämpfte nicht mehr nur für Metis oder Gaia, auch nicht für die Sterblichen, er kämpfte vor allem für seine Halbschwester Persephone. Alleine der Gedanke an sie bestärkte ihn, seinen Weg weiterzugehen. „Du willst deinen Vater stürzen? So wie er es einst mit Kronos tat? So wie dein Großvater es mit deinem Urgroßvater tat?“ Zeuxis hatte Schwierigkeiten die Emotionen der Zyklopen zu deuten. Ihre Sprechweise, genauso wie die Stimme, war beinahe unmöglich zu entschlüsseln. Die Tonlage war gleich und sie formten die einzelnen Worte schwerfällig. Er konnte sich aber denken, worauf sie hinauswollten. Sein Vater hatte die Zyklopen damals aus dem Tartarus befreit, um gegen Kronos bestehen zu können, dementsprechend dankbar waren sie ihrem Retter gewesen. „Mein Vater hat euch in der Unterwelt dahinsiechen lassen, als formlose Schatten, und euch ersetzt. Sein Sohn vollbringt nun das Werk, dass ihr einst getan habt.“ Der Zyklop der Zeuxis hielt schnaubte abfällig und zeigte dabei die spitzen Zähne, die im Gebiss ineinandergriffen wie ein Uhrwerk. Der warme Atem blies dem Gott ins Gesicht und auf die Haut und nur mit Mühe konnte er seine Kleidung an ihrem angestammten Ort behalten. „Niemand wird je an unsere Fähigkeiten heranreichen, Spross des Zeus. Führe uns zu diesem Schmied.“ Sie wollten was? Diese drei plumpen Kreaturen wollten Hephaistos in seiner Werkstätte aufsuchen? Wozu? Außerdem zweifelte Zeuxis an ihren handwerklichen Fähigkeiten. Wie sollten diese dicken Finger irgendwelche filigrane Arbeit ausführen? Zusätzlich stellte sich die Frage, wo der Schmiedegott sein Dasein fristete und wie sie dorthin gelangen sollten. Die drei Monster waren nicht gerade unauffällig und würden die Sterblichen in Aufruhr versetzen. Von da an war es absehbar, dass Zeus sie finden würde. „Ihr verlangt das Unmögliche“, begann der Sohn des Zeus, wurde dann aber sogleich von einer weiblichen, wohlbekannten Stimme unterbrochen. „Ich kann euch zum Schmiedegott bringen meine Kinder.“ „Gaia“, murmelte Zeuxis und wurde unerwartet sanft auf dem Boden abgesetzt. „Mutter“, raunten die ersten Schöpfungen und knieten nieder. Ihre Hände strichen über den Boden, liebkosten dabei Wurzeln und Gras, als wären sie das Schönste und Liebste auf der Welt. Die Unterwelt hatte eine Qual für diese Wesen sein müssen, abgeschnitten von der Erde, ihrem Ursprung. „Zeus hat mir unsägliches Leid angetan. Sein Spross wird ihn zur Rechenschaft ziehen, so wie ich und euer Vater, der Himmel, es prophezeit haben. Helft ihm, und ihr werdet wieder euren Platz einnehmen, als Schmiede des Gottes der Götter.“ Zustimmendes Nicken, gepaart mit Raunen und Röhren war die Antwort der Zyklopen auf die Worte ihrer Mutter. Auch wenn sie dem Zeus dankbar für ihre Rettung waren, so war die Hingabe und Liebe zu Gaia stärker. „Und wo befindet sich Hephaistos?“, fragte Zeuxis. „Auf der Insel Lemnos, tief unter dem Vulkan“, antwortete seine Urgroßmutter. Der Landweg wäre mit den drei Monstren schon beschwerlich genug gewesen, aber Wasser? Eine Bootsfahrt? Da hätte Zeuxis gleich hoffen können fliegen zu lernen. Er seufzte leise und schüttelte den Kopf. Wie wollte er denn nach Lemnos gelangen? „Macht euch bereit!“ Gaias Worte waren das Letzte, was der junge Gott hörte und auch wahrnahm, bevor ihn allumfassende Schwärze umhüllte. Mit einem Ruck war er in die Erde selbst gezogen worden und bewegte sich nun, wie von Geisterhand, durch die Finsternis. Ob er seine Begleiter bei sich hatte, wusste er nicht, genauso wenig was mit ihm passierte. Gaia würde ihm nichts zu leide tun, da sie ihn brauchte, dennoch konnte er sich deutlich bequemere Arten zu reisen vorstellen. So schnell der Zauber begann, so schnell war er auch wieder vorbei. Mit beiden Beinen stand er in einer hell erleuchteten Schmiede. Die Esse glühte noch und es war das beständige Klirren eines Hammers zu hören. Die unerträgliche Hitze wurde von den Felswänden reflektiert. Wie man hier leben, geschweige denn arbeiten konnte, war Zeuxis ein Rätsel. Unzählige Werkzeuge lagen herum und das Brodeln von Lava ließ ihn zusammenzucken, als er die ersten vorsichtigen Schritte machte. Hinter ihm tauchten die Zyklopen auf, welche sogleich vorbeistapften. So wie sich die Geschwister seiner Großeltern verhielten, war es nur eine Frage der Zeit, bis sie wieder in die Unterwelt zurückkehren würden. Sie aufzuhalten lag aber auch außerhalb von Zeuxis´ Macht, also musste er ihnen notgedrungen folgen, und hoffen, dass Hephaistos sie nicht gleich alle umbrachte. Sein Heiligtum zu stören war sicherlich ein Frevel, das der Schmied der Götter nicht tolerieren würde. Der Schmiedegott stellte sich als breitschultriger, dicklicher Mann heraus, mit einem langen buschigen Bart. Seine Haare klebten ihm an der Stirn während er, mit einer Schürze bekleidet, wie wild auf irgendetwas einhämmerte. Es knisterte und Funken sprühten, je öfter der Schmiedegott auf das Werkstück einschlug. Jeder Hammerschlag war von Donnergrollen begleitet. Der Vulkan an der Oberwelt tobte und spie Feuer, was den fremden Besuchern aber verborgen blieb. „Das muss er sein“, flüsterte Zeuxis zu sich selbst und meinte dabei nicht Hephaistos, sondern das, was dieser in Händen hielt. Er konnte selbst hier, in reichlicher Entfernung, die Hitze und auch die Macht spüren, die von der Waffe ausging. Sie knisterte und knarzte und versengte den Amboss, auf dem sie geschmiedet worden war. Die Macht einen Gott zu töten. „Zu grob“, sagte der erste Zyklop und stapfte auf den Schmiedegott zu, der sich schlagartig umdrehte. „Zu unsauber“, fuhr der Zweite fort und schloss sich seinem Bruder an. „Zu roh“, beendete der Dritte die Kritik am Werk des Schmiedegottes und umringte ihn gemeinsam mit seinen Geschwistern. „Wie?“, fragte Hephaistos und wich zurück, bis er gegen seinen eigenen Amboss stieß. Die rauchige Stimme hatte etwas Grobes, passend zu dem breitschultrigen Riesen, der augenscheinlich hinkte. Genau genommen war er keine Schönheit, und sein einziger Wert lag darin, dass er Waffen und Geschmeide für die Götter herstellte. „Kein Wunder, dass Aphrodite ihn verlassen hat“, ging es Zeuxis durch den Kopf, der sich noch zurückhielt. Er wollte die Situation fürs Erste beobachten und abwarten was passieren würde. Die Handwerkskunst des Hephaistos war unbestritten und weit und breit war niemand in der Lage, ihm die Stirn zu bieten. Diese grobschlächtigen Wesen behaupteten das Gegenteil. Der Erste packte Hephaistos, wie er es mit Zeuxis getan hatte, während der Zweite nach dem Blitz griff und der Dritte nach dem für ihn viel zu kleinen Hammer langte. Bevor der Schmiedegott auch nur reagieren konnte, hatte man ihn beiseitegeschoben und sich ans Werk gemacht. Die Zyklopen verdeckten mit ihren massigen Rücken alles was sie taten. Es war nur Gehämmer, dann ein lauter Knall, dann ein Murren der Wesen und dann wieder beständiger Hammerschlag zu hören. Zeuxis entschied sich neben seinen Halbbruder zu treten. Dieser wirkte eindeutig überfordert. Fremde drangen in seine Schmiede ein, schmähten ob seiner Handwerkskunst und machten sich in seiner Werkstatt, an seinem Werk, mit seinem Werkzeug, zu schaffen. Das war Blasphemie. Dennoch, die Neugierde war zu groß, zumal sie ihm nicht feindlich gesinnt zu sein schienen. Zeuxis legte seine Hand auf den Arm des Schmiedegottes, was dessen Faszination für die Arbeit der Zyklopen brach. Obwohl er allen Grund dazu gehabt hätte, machte sein Halbbruder kein finsteres Gesicht, im Gegenteil: Er lächelte, was Zeuxis zusätzlich verwirrte. Hephaistos schien sich ob der Anwesenheit des Fremden zu freuen. „Ich kenne diese Gesichtszüge“, murmelte der Schmiedegott und schloss Zeuxis so fest in seine muskulösen Arme, dass diesem beinahe die Luft wegblieb. Was meinte er damit? Sein Gesicht war verborgen vor den Göttern gewachsen und aufgezogen worden. Niemand konnte ihn kennen, es sei denn… „Gleiche ich meiner Schwester so sehr?“, fragte der junge Gott nach, was ein eifriges Nicken gefolgt von einem leisen Lachen auslöste. Zeuxis schämte sich in diesem Moment für seinen Gedanken von vorhin und dass er sich vom Aussehen des Schmieds hatte blenden lassen. „Du besitzt ihre Augen“, murmelte Hephaistos und setzte Zeuxis wieder auf dem Boden ab. Da war etwas gewesen. Hephaistos, der Schmiedegott, war einmal verschossen gewesen in Zeuxis´ Zwillingsschwester Athene. Trotz ihrer Ablehnung und den darauffolgenden Demütigungen, hatte er nie aufgehört sie zu lieben. Wie konnte er da ihr Abbild, ihren Zwilling, nicht genauso lieben und vergöttern? „Der Blitz…“, rissen die Zyklopen die beiden Götter aus ihrem Gespräch. „Ist…“, setzte der Zweite fort. „Vollkommen“ beendete der Dritte den Satz und hielt ihnen die Waffe des Göttervaters entgegen. Der Blitzkeil der drei Urschöpfungen war anders als der des Schmiedegottes. In ihm schlummerte rohe Gewalt, geformt in eine Eleganz, die nicht in Worten zu fassen war. Hephaistos Werk mochte perfekt gewesen sein, doch dieser Blitzkeil definierte das Wort „Perfektion“ noch einmal neu. Die beiden Brüder beugten sich nach vorne und begutachteten das Werk der Kinder der Gaia mit großen Augen. Selbst der Schmiedegott war in den Bann der Waffe gezogen. Noch nie hatte er etwas derartiges gesehen. „Wie habt ihr das gemacht?“, fragte Hephaistos und ließ seinen Blick zu den Zyklopen wandern. „Mit Schärfe…“ „Perfektion…“ „Und Wissen.“ Jeder der Drei sprach jeweils nur zwei Wörter und vollendeten so den gesamten Satz. Diese Handlungsweise hatten sie aber erst, seitdem sie die Schmiede betreten hatten. Warum? War ihr Zusammenhalt erstarkt? „Wir können…“ „Dich lehren…“ „So zu schmieden.“ Zeuxis sah zu Hephaistos, dessen Augen leuchteten. Er wirkte wie ein kleines Kind, dem man einen Honigkuchen vor die Nase hielt. War der Schmiedegott trotz seines Aussehens und Auftretens im Herzen kindlich geblieben? Hatten ihn Zeus und Hera deshalb zu Beginn verstoßen? Weil er sie beschämte? Dabei wirkte sein Bruder in Zeuxis´ Augen so harmlos und freundlich, wie ein sanfter Riese. „Natürlich!“, rief der Schmiedegott begeistert aus und klatschte in die Hände, was einen weiteren Ausbruch des Vulkans zur Folge hatte. Ruß und Dreck rieselten aus den Handinnenflächen des Hephaistos und benetzten den Steinboden der Höhle, in der sich seine Schmiede befand. „Aber nur…“ „Wenn der Spross des Zeus…“ „Diese Blitze erhält.“ Hephaistos hielt inne und sah zwischen Zeuxis und den Zyklopen hin und her. Man konnte dem Schmiedegott ansehen, wie es in ihm zu arbeiten begann. Seine Blitze waren minderwertiger als die der Riesen, und im direkten Zweikampf würden sie unterliegen. Was ihm die Zyklopen vorschlugen war Verrat, auf höchster Stufe. „Ich nehme an“, antwortete der Götterschmied nach kurzer Zeit, sehr zur Verwunderung seines Halbbruders. „Aber Hephaistos, damit machst du dich des Verrates am Göttervater schuldig, ist dir das klar?“ „Ich verrate niemanden. Ich bin verraten worden, verlacht. Auf dem Olymp bin ich zum Gespött geworden. Meine eigene Ehefrau hat mich betrogen, unter meiner Nase. Alle haben Aphrodite begehrt, und alle wussten ob ihrer Affären. Sogar meine Mutter Hera war angewidert von mir. Ich wurde nur benutzt, um unserem Vater den Thron zu erhalten.“ Zeuxis wurde in Hephaistos Bett einquartiert, welches unfassbar bequem war. Die Zyklopen und der Schmiedegott machten sich inzwischen an die Arbeit. Die ganze Nacht hindurch hallte ihr Hämmern durch die Schmiede und hätten dem jungen Gott sicherlich jeglichen Schlaf geraubt, wäre da nicht die Tür zum Schlafgemach gewesen, in dem er lag, die, handwerklich meisterhaft hergestellt, sämtliche Laute aussperrte. Am nächsten Morgen wurde er durch ein Rütteln an seiner Schulter geweckt. Hephaistos wirkte übermüdet, ausgezehrt, aber glücklich. Aufgeregt zog er Zeuxis mit sich, nachdem dieser sich rasch angezogen hatte, um ihm das gemeinsame Werk zu zeigen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)