Fäden des Schicksals von SuperCraig ================================================================================ Kapitel 2: Die Zähmung des Kriegsgottes --------------------------------------- Zeuxis´ erster Kontakt mit Sterblichen war anders verlaufen als er vermutet hatte. Laut Gaia und Metis waren es mindere Wesen, die seine Aufmerksamkeit nicht wert waren, für ihn war das Ganze jedoch aufregend gewesen. Die Gerüche, Eindrücke, Städte, Dörfer, wie sie ihre Felder bestellten, in der Nacht Angst vor wilden Tieren hatten, Tag für Tag ums Überleben kämpfen mussten… Wo war sein Vater, den sie alle verehrten, und anbeteten? Der Götterkönig erhörte ihr Flehen nicht und dennoch priesen sie ihn als Heiland, als Gott der Götter, als Ursprung all ihrer Macht. Wie verblendet diese Wesen doch waren – ihre kurze Lebensspanne reichte gerade einmal dazu aus, die nächste Generation aufzuziehen. In den Dörfern herrschten Zustände, die jenseits von Gut und Böse waren und in manchen Städten, gingen Seuchen und Krankheiten umher, die er gar nicht Worte zu fassen vermochte. Ihre Kleidung starrte vor Dreck und sie suhlten sich in den eigenen Auswürfen; es waren einfach zu viele auf einem Fleck. Wenn er einmal König der Götter war, würde er diesen armen sterblichen Wesen zu Hilfe eilen, davon war er überzeugt. Wo genau sich Ares befand wusste er nicht, und Thrakien war groß, doch mit ein wenig Nachfragen und der Tatsache, dass er den Scharfsinn seiner Mutter geerbt hatte, konnte er so manch einfältigem Bauern entlocken, was er wissen wollte. Zeuxis konnte den ungefähren Aufenthaltsort seines Halbbruders eingrenzen. Er solle auf einer Lichtung hausen, die schwer bewacht wurde. Mit ein wenig Gespür und Glück, sowie einem Schubser durch das Schicksal selbst, war es dem jungen Gott tatsächlich gelungen, die Festung seines Bruders auszumachen. Ares´ Heimstätte glich mehr einem steinernen Fort denn einem Tempel, wie die verschreckten Sterblichen erzählt hatten. Der Geruch von Blut und Verwesung stieg Zeuxis in die Nase. Tierkadaver übersäten das Gebiet und Lachen des roten Lebenssaftes tränkten den Boden, was bei jedem seiner Schritte ein glitschiges Geräusch zur Folge hatte. Die hohen Steinmauern waren unmöglich zu erklimmen. Hölzerne Spieße sicherten das Gebäude zusätzlich ab. Es waren zwar weit und breit keine Wächter zu sehen, doch damit hatte Zeuxis auch nicht gerechnet. Der Kriegsgott brauchte niemanden, und wenn, dann würden seine Begleiter in Windeseile zu seiner Seite eilen können. Ihn widerte diese Gestalt jetzt schon an. Roh und brutal musste sein Bruder alles niedergemetzelt haben, was sich im Umkreis seiner Heimstätte befunden hatte. Selbst vor einfachen Tieren wie Kaninchen oder Eichhörnchen hatte diese Bestie nicht Halt gemacht. Ares tötete aus Lust und Laune heraus und war, im Gegensatz zu seiner Schwester Athene, in Griechenland als eher dunkler und düsterer Gott bekannt. Man flüsterte seinen Namen meist nur und seine Opfergaben waren oft noch lebendig. Zögernd trat der junge Gott an das große Bronzetor heran, über dem sich mehrere Soldaten in Rüstungen schälten. Jede der behelmten Statuen starrte ihn aus rot leuchtenden Augen heraus an und die Türklopfer bestanden aus zwei Eberköpfen, an deren Hauern man einen Ring befestigt hatte. Im Umkreis von mehreren Kilometern lebte nichts mehr. Dieser Ort war ein einziges Schlachtfeld Als er nach einem der Türklopfer griff, wurde dem Jungen wieder schwindlig. Erneut reiste er durch Raum und Zeit und konnte ein Stück Vergangenheit beobachten. Etwas, dass nicht hätte aufgedeckt werden sollen. Er kannte die Geschichte zwar, doch nun konnte er sie real erleben. Ein junger Mann, sein Name war Adonis, spazierte durch den Wald, wahrscheinlich eben diese Lichtung. Seine Züge waren weich, sanft und wohlgeformt. Er war zierlich, von kleiner Statur und wunderschön. Man sagte ihm nach, er sei die einzig große Liebe der Göttin Aphrodite gewesen. Sie habe sich nie von diesem Schicksalsschlag erholt, ihr Herz sei erkaltet und unempfänglich für das Attribut geworden, für das sie stand. Der junge Adonis hielt inne und wollte gerade ein paar Beeren pflücken, als ihn ein Laut im Gebüsch aufschrecken ließ. Durch das Unterholz brach ein Eber wie ihn Zeuxis noch nie zuvor gesehen hatte. Er war riesig, sein Fell feuerrot und seine Hauer dicker als Baumstämme. Aus dem Maul spie das Ungetüm Feuer und verbrannte alles, was es nicht auf seinem Weg bereits zertrampelt hatte. Zielgenau hielt das Wesen auf den jungen Adonis zu. Dieser versuchte panisch vor seinem Häscher zu fliehen. Sein Gesicht war vor Angst verzerrt. Der Eber holte ihn mühelos ein. Er ließ sich Zeit und genoss die Jagd. Seine Beute zu treiben, sie zu hetzen, bevor er sie erlegte, war sein größter Spaß. Das Ungetüm kostete jede Sekunde aus in der es den zu Tode verängstigten Adonis schinden konnte. Der Eber wusste genau, dass er den Schönling erwischen würde. Niemand durfte sich zwischen ihn und Aphrodite stellen, schon gar kein Sterblicher. Die Erinnerung verblasste und Zeuxis sackte auf die Knie. Er brauchte nicht mehr zu wissen. Ares hatte Adonis am Ende getötet und Aphrodite so beinahe in den Wahnsinn getrieben. Auch wenn sie im trojanischen Krieg gemeinsam für Troja gekämpft hatten, so verband Ares und Aphrodite nichts mehr. Krieg und Liebe konnten einfach nicht miteinander existieren, vielleicht nebeneinander, aber nicht miteinander. Zeuxis richtete sich zittrig auf und ergriff langsam die Klopfer. Mit einem lauten Knall ließ er Metall auf Metall treffen. Ihn graute bereits vor der Reaktion die folgen würde. Der junge Gott hatte keine Waffe bei sich. Er zweifelte aber auch daran, gegen die Personifizierung von Brutalität und Krieg im Kampf bestehen zu können. Das war auch nicht seine Absicht gewesen; Ares konnte man nur durch List zähmen. Über ihm knackte es und gerade im letzten Moment konnte Zeuxis einem Wurfspeer ausweichen. Ein Blick nach oben ließ ihn in eine Horde an waffenstarrenden Männern und auch Frauen erkennen, die zu ihm herabstarrten. Jeder Einzelne von ihnen war groß, breitschultrig und mit einer bronzenen Rüstung bekleidet. Ihre Helme, sofern sie welche trugen, waren aus dem gleichen Material gefertigt und besaßen alle einen roten Pferdebusch. Die Schilde zierten allesamt ein großer Löwenkopf, der brüllend sein Maul gespreizt hatte. Ein zweiter Wurfspeer bohrte sich knapp vor Zeuxis in den Boden. Eine dritte Warnung würde er wohl nicht erhalten. Er war auch nicht erpicht darauf herauszufinden, ob ihn Ares´ Gefolge denn verwunden hätte können. „Ich suche den Kriegsgott“, rief der Junge empor und machte sich bereit zu fliehen. Sollte man seine Bitte ausschlagen, konnte das alsbald sein Ende bedeuten. Die Meute auf den Wehrmauern begann zu grölen und zu lachen. Diese halbe Portion wollte den Kriegsgott, Ares, die Personifizierung von Kampf und Stärke, sprechen? Was erdreistete er sich? „Und warum sollte er dich anhören?“, spottete der Größte der Riesen. Sein Federbusch war von einem kräftigeren Rot als der der Anderen, und auch seine Rüstung wirkte ein wenig blanker, aufpolierter. „Weil ich sein Bruder bin.“ Ein einfacher Satz, der seine Wirkung nicht verfehlte. Auch wenn das Gelächter noch lauter wurde, so konnte er Unsicherheit in seinem Gesprächspartner spüren. Was, wenn der Junge nicht log? Wenn er wirklich einer von Zeus´ Bastarden war? Sie konnten es sich nicht leisten den Göttervater noch mehr zu verärgern, als ohnehin schon. Gerade als Zeuxis nachsetzen wollte, bebte die Erde. Staub rieselte von den Felsmauern und das große Bronzetor zitterte in den Angeln. Die Blutlachen zu Füßen des jungen Gottes gerieten in Bewegung. Der Himmel verfinsterte sich, wurde glühend rot und es begann auf einen Schlag her zu regnen. Mit einem quietschenden Laut öffnete sich das Tor und Zeuxis´ hatte Mühe, seine zitternden Knie unter dem Mantel zu verbergen. Der Riese, der mühelos das gesamte Tor ausfüllte, trat ins Freie. Statur, Ausrüstung, Aussehen, alles passte. Er hätte aber keine bildliche Beschreibung gebraucht um zu wissen, dass es sich bei seinem Gegenüber um Ares handelte. Der Kriegsgott strahlte Tod und Verderben, genauso wie Gewalt und Aggression, aus. Seine Pupillen waren von einem lodernden Feuer beseelt. Gleiches galt für sein Haar, das in Flammen zu stehen schien. So trat er vor Zeuxis und starrte auf diesen hinab. Sein Blick war geringschätzig, abweisend, zornig. Er hätte zwei Finger gebraucht um hin hochzuheben und es hätte wahrscheinlich ein Fuß genügt, um ihn zu zertreten. Dass der Gott des Krieges keine Waffe trug, machte die Situation nicht erträglicher: Er war selbst eine Waffe, geschmiedet, um den ewigen Konflikt der Sterblichen zu befeuern. „Du?“, fragte Ares langsam. Seine Stimme ließ die toten Bäume umknicken und abbrechen, brannte wie Feuer, als sie Zeuxis´ Haut berührte. Der junge Gott musste dem Drang widerstehen einfach wegzulaufen und sein Heil in der Flucht zu suchen. Würde er weiter kommen als Adonis? „Du willst mein Bruder sein?“ Eine Mischung aus Zorn und Belustigung sprach aus dem Hünen, der den Fremden nun eingehend betrachtete. Wahrscheinlich ein weiteres Kind seines Vaters, das ihn um Beistand anflehen wollte, damit dieser auf ihn aufmerksam wurde. Warum suchten sie nie den Beistand seiner Schwester Athene oder den von Hermes? Zeuxis brauchte einen Moment um sich zu fangen und ohne Zittern eine Antwort zustande zu bringen. „Ich bin der Sohn des Zeus und der Metis.“ Den Fakt, dass er der Zwillingsbruder der Athene war, verschwieg der junge Gott bewusst. Er wusste ob Ares Feindschaft mit seiner Schwester. Diese war schließlich deutlich beliebter bei den Sterblichen als ihr verhasster Halbbruder. „So, bist du das?“, fragte der Kriegsgott spöttisch und beugte sich zu dem Zwerg hinab. Sein warmer Atem brannte wie ein Feuer, das sich in seine Züge fressen wollte. Ein Sterblicher wäre alleine schon beim Anblick des Ares vergangen, spätestens jetzt aber in den Hades gefahren. „Das bin ich, und ich habe dir ein Angebot zu machen Bruder.“ Zeuxis kniff ein Auge zu und zog den Kopf ein wenig zurück, um der Quelle der Hitze zu entkommen. Wenn Ares´ Neugierde nicht geweckt werden konnte, musste er sich rasch einen Fluchtweg überlegen. „Du, mir?“, lachte der Kriegsgott lauthals. „Was kannst du mir schon anbieten, Kleiner?“ „Vergeltung.“ Schlagartig hielt sein Gesprächspartner inne. Er hatte mit Reichtümern gerechnet, sogar einem fleischlichen Opfer; Vergeltung aber war ein Gut, das er nur allzu gern als das Seinige betrachtete. Doch wie wollte der Zwerg ihm Vergeltung verschaffen und wofür überhaupt? „Ich weiß von dir und Aphrodite.“ Ein Raunen ging durch die Meute, die ihren Herren und dessen Verwandten beobachtete. Der Regen wurde stärker und die Wolken umso dunkler, je mehr sich Ares´ Gesicht verfinsterte. Nun musste Zeuxis seine Worte genau abwägen, oder würde selbst recht schnell Bekanntschaft mit seinem Onkel machen. „Unser Vater hat dich verbannt, oder? Davongejagt, dich, den Gott des Krieges, weil du dir genommen hast, was dir zustand. Niemand hat Aphrodite zähmen können, niemand außer dir. Erinnerst du dich noch an die Schmach und die Schande, die Zeus über dich brachte?“ Ares schnaubte verächtlich. Der Regen wandelte sich dabei. Anstelle von dicken Wassertropfen regnete es Feuer. Kein Wunder, dass es rings um die Burg so aussah: Wenn Ares erst einmal völlig außer Kontrolle geriet, was mochte dann passieren? Seltsamerweise berührte Zeuxis kein einziger Tropfen des flüssigen Feuers – er schien Ares´ Aufmerksamkeit zu besitzen. „Warum hat er Aphrodite dem hinkenden Schmiedegott zur Frau gegeben und nicht dir? Hilf mir unseren Vater zu stürzen und ich verspreche dir die Hand der Aphrodite.“ Ares schüttelte den Kopf. Der Kleine versuchte, was seiner Mutter Hera einst misslungen war. „Niemand kann den König der Götter stürzen.“ Die kochende Wut des Kriegsgottes raubte seinem Bruder den Atem, ließ diesen fast verglühen. Nur mit Mühe und hinter hervorgehaltener Hand, welche sein Gesicht bedeckte, konnte dieser überhaupt noch sprechen. „Ich kann es. Gaia und Uranos haben mich vorausgesagt, als Sturz des Königs der Götter. Ich bin das Kind, der Sohn, der niemals hätte existieren dürfen!“ Schlagartig beruhigten sich Temperatur und Witterung. Die pechschwarzen Wolken verschwanden. Der Regen ebbte langsam ab. Auch wenn der Wald um sie herum brannte, so spürte Zeuxis davon nichts mehr. Er wurde beschützt, das erkannte er, als sich die Soldaten auf der Mauer zurückzogen und Ares immer kleiner wurde, bis er ihn nur mehr um drei Köpfe überragte. „Du bist also das Kind, das mein Vater so sehr fürchtete, dass er den Fehler seines Vaters beging?“ Ares´ Stimme war zwar noch immer heiß und rau, doch erträglich. „Das bin ich, Zeuxis. Ich bin von deiner Urgroßmutter Gaia aufgezogen worden. Meine Mutter wünscht, genauso wie Gaia, dass der König der Götter fällt.“ Dass sie ihn auf dem Thron sehen wollten ließ Zeuxis außen vor. Ares musste nicht alles wissen. „Und wie willst du es anstellen?“ Der Kriegsgott schrägte den Kopf und betrachtete seinen kleinen Bruder. Auch wenn es wahnsinnig klang, so glaubte er den Worten des Anderen. Ein Hauch, ein Stück Wahrheit, und die Tatsache, dass er sich ihm gestellt hatte. Alleine diese Tat verlangte schon außerordentlichen Mut. „Ich habe einen groben Plan und brauche dabei deine Hilfe. Mir fehlt es an deinen Fähigkeiten, deiner ungebändigten Kraft, die sich mit derer unseres Vaters messen kann.“ Eine altbewährte Taktik: Zeuxis schmierte seinem Verhandlungspartner Honig ums Maul, mit Erfolg, wie sich sogleich herausstellen sollte. „Ich kann ihn im Zweikampf vielleicht eine Weile in Schach halten. Was hast du also vor?“ Er hatte den Kriegsgott am Haken, nun musste er seine Beute nur noch einholen. „Als Erstes muss ich an Zeus´ Blitze gelangen.“ „Hephaistos wird unseren Vater niemals verraten.“ Ares klang sicher ob seiner Worte. „Ich weiß wie ich an den Schmiedegott gelange, doch davon spreche ich nicht.“ Nun waren es Ares´ Augen, die leuchteten. Das war eine Form der Taktik und des Scharfsinns, die seine Interessen, wie auch sein Wissen weit überstiegen. Kriege gewann man nicht immer nur durch rohe Gewalt und Übermacht – die List war ein häufig unterschätzter Faktor. „Apollon mag zwar sämtliche Zyklopen getötet haben, doch sie existieren noch, als Schatten in der Unterwelt. Wenn ich sie durch das Tor des Hyperion führe, können sie mir die Blitze schmieden, die ich benötige, um Vater zu stürzen.“ Ein grausames Grinsen zeichnete sich auf dem Gesicht von Zeuxis´ Bruder ab. Ihm schien diese Idee zu gefallen. Nickend streckte der Riese seine Pranke aus und klopfte dem Anderen auf die Schulter. „Wenn du Onkel Hades überzeugt bekommst sie aus der Unterwelt zu entlassen, stehe ich dir bei.“ Innerlich atmete der junge Gott auf. Es war einfacher gewesen als gedacht. Ares war leicht zu beeinflussen und vor allem mit Aphrodite gut zu ködern gewesen. Wie man sich einer einzelnen Frau so hingeben konnte, war dem Spross des Zeus ein Rätsel. „Wenn ich dich brauche, kann ich dich rufen?“ Der Kriegsgott nickte bejahend: „Jederzeit.“ Damit war ein kleiner Teil seines Plans abgeschlossen. Er hatte eine Waffe, die er im richtigen Moment einsetzen musste. Nun galt es einen härteren Brocken aufzuwiegeln: Den König der Unterwelt. Auch wenn Hades vielleicht nicht empfänglich für seine Worte sein mochte, so war es mit Sicherheit Persephone, dessen unglückliche Gattin. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)