Letters from the heart von _Delacroix_ ================================================================================ 25. Oktober 1942 - 11. November 1942 ------------------------------------     „Beim Lesen unserer alten Briefe erschauern wir über den späten Einblick in uns selbst.“   (Hans Arndt)           Ms. Ann Carrow Carrow Manor 34 Chester Road Bibury   London, 25. Oktober 1942   Liebe Ann,   ich bin so aufgeregt, ich zittere noch am ganzen Leib und so muss ich hoffen, dass Du in Deiner üblichen Brillianz zu entziffern vermagst, was meine Hand nur schwerlich zu Papier bringen kann. Doch wenn Du von meinen Neuigkeiten erfährst, wirst Du mir sicherlich zustimmen, dass dieses Schreiben, trotz erhöhter Tintenfleckgefahr, keinerlei Aufschub duldet.   Du musst wissen, er hat gestern nämlich endlich um meine Hand angehalten! Und Vater hat ihm seinen Segen gegeben. Sobald er aus Frankreich zurück ist, wird es geschehen. Wir werden heiraten und dann werde ich Mrs. Willbur Fawley sein. Ich wünsche mir so sehr, dass Du zu meiner Hochzeit kommst. Nicht nach London, denn ich weiß, das würde Dein Vater aus Angst vor den Bomben niemals gestatten, aber vielleicht hinaus, nach Eyam in Derbyshire, wo Willbur ein kleines Landgut besitzt. Wir könnten uns endlich wiedersehen und ich könnte dem unheilvollen Grollen entkommen, das tagein-tagaus wie ein Fluch über der Gordon Terrace, dem Grimmauld Place und all unseren anderen Häusern liegt.   Bitte schreibe mir bald.     Walburga           Ms. Walburga Black  4 Gordon Terrace London   Downham, 27. Oktober 1942   Liebe Walburga,    Soeben erreichte mich die Eule mit der Nachricht das Willbur endlich um Deine Hand angehalten hat. Ich freue mich sehr für Euch Beide und wünsche Euch von Herzen alles Gute. Wenn ich irgendetwas für Euch tun kann, zögere nicht es mir zu schreiben.   Deine Dich liebende Cousine     Lucretia     P.S. Ich werde Orion die freudige Nachricht gleich nach Hogwarts schicken. Ich bin mir sicher, dass auch er darauf brennen wird, Dir und Willbur zu gratulieren.               Ms. Walburga Black   4 Gordon Terrace     London   27. Oktober/1942     Liebste Walburga,   mein Zug hatte den Bahnhof kaum verlassen, da hätte ich Dir am allerliebsten schon geschrieben. Die zweite Wagenklasse war - wie Du ja selbst gesehen hast - fürchterlich überfüllt, aber ich hatte Glück und konnte mir eines der wenigen Abteile in der ersten Klasse sichern. Dort saß ich dann, lauschte dem Rattern der Räder und überlegte, ob ich trotz des ständigen Lärms vom Gang ein paar Seiten in meinem Verwandlungsbuch lesen sollte. Zum Glück habe ich es nicht getan, denn kaum war der Zug in Swanley eingefahren, sollte sich das Blatt dramatisch wenden. Unser ohnehin schon voller Zug wurde prompt noch einmal voller und plötzlich schwang auch noch die Tür zu meinem winzigen Abteil auf. Du kannst Dir den Lärm nicht vorstellen, der auf einmal ungebremst auf mich einprasselte und ich glaube, Du kannst dir auch nicht vorstellen, wie ärgerlich ich ob dieser Unannehmlichkeit war.   Noch ärgerlicher wurde ich, als ich begriff, dass die junge Dame, die so forsch meine Abteiltür aufgerissen hatte, ernsthaft in Erwägung zog, mit mir gemeinsam weiterzureisen. Kannst Du Dir das vorstellen? Ich, in einem Abteil mit einem Muggel?! Einer Krankenschwester obendrein. So ein dummes Ding, das glaubt, es könne Menschen heilen, wenn es nur genug Teile von ihnen abschneidet. Abscheulich!   Aber Tief im Grunde meines Herzens bin ich doch ein Gentleman und so arrangierte ich mich mit der Situation. Die ganze restliche Fahrzeit über lauschte ich ihren seltsamen Berichten aus den Ausbildungslagern, versuchte nicht zu genau über die grausamen Behandlungsmethoden nachzudenken, die sie anwendet und betete, dass ich nie in die Verlegenheit kommen werde, so einen „Arzt“ an mich heranlassen zu müssen.   Inzwischen bin ich heil in unserem Basislager angekommen. Ob und wie sich der Alltag hier gestalten wird, kann ich Dir noch nicht sagen. Aber ich verspreche, ich werde es Dir ganz bald schreiben.     In Liebe   Willbur       [[BILD=8398471.jpg]]   11. November 1942 - 15. Januar 1943 ----------------------------------- Ms. Walburga Black  4 Gordon Terrace London    11. November/1942   Liebste Walburga,   inzwischen habe ich mich ein wenig in unserem Lager eingewöhnt. Es ist ärgerlich, dass mir bei jedem Schritt ein Muggel begegnet, aber ich glaube, ich habe mich ein wenig an sie gewöhnt. Das geht sogar so weit, dass ich gestern ernsthaft überlegt habe, mich an ihrem kindischen Ballspiel zu beteiligen.   Keine Angst, mir ist rechtzeitig wieder eingefallen, was Du von solchem Unsinn halten würdest und so habe ich es vorgezogen, mich vornehm zurückzuhalten, während elf andere Männer über die vom Reif gefärbte Wiese rannten. Ich war sehr überrascht zu lernen, dass dieses Muggelspiel fast so viele Regeln hat, wie Quidditch. Es geht auch ähnlich brutal dabei zu. In einem besonders heftigen Zweikampf um den Ball ist Lieutnant Folsom - ein sehr umgänglicher Kerl - schließlich sogar blutend zu Boden gegangen! Keine Sorge, inzwischen geht es ihm wieder besser, aber stell Dir meine Überraschung vor, als ich ihn im Lazarett ablieferte und mir dort ausgerechnet Mary begegnete.   Nein, nicht Mary Selwyn aus der Schule. Hätte ich deren neugierige Nase in unserem Lazarett gesehen, ich wäre ganz gewiss rückwärts wieder hinaus gestolpert. Nein, ich meine die Krankenschwester, von der ich Dir in meinem letzten Brief geschrieben habe. Ich hatte angenommen, ihr Weg hätte in ein anderes Lager geführt und um so verblüffter war ich, sie wiederzusehen. Zu meiner Freude hat sie Lieutnant Folsom auch nichts abgeschnitten. Nur einen Gipsverband, um den ist er nicht herum gekommen. Jetzt sitzt er die meiste Zeit im Schatten einer großen Birke und klagt jedem der vorüber kommt, sein ständig juckendes Leid.   Rechne also damit, dass ich, wenn ich Dich das nächste Mal sehe, anfange mich unkontrolliert zu kratzen, sobald auch nur die kleinste Birke in mein Blickfeld rückt. Das mag eine sehr sonderbare Angewohnheit sein, aber ich bin mir sicher, wir werden schnell lernen, mit ihr umzugehen. Ich hoffe sehr, Du wünschst Dir zur Hochzeit keinen Birkenhain.     In Liebe   Dein Willbur     P.S. Ich hoffe, Du bist noch nicht in Glückwunschschreiben erstickt.       Lieutnant Willbur Fawley Kp 9 Zug 3 Art RS 30-2 Kaserne   London, 17. November 1942   Liebster Willbur,   ich werde mit Freuden dem Gärtner den Auftrag erteilen, jede einzelne Birke aus der Erde zu reißen, wenn es hilft, dass Du gesund und munter zu mir zurückkehrst. All die Dinge, die Du schreibst, klingen wirklich grauenvoll! Mit einem Muggel in einem Zugabteil sitzen zu müssen, mag für eine kurze Zeit ja vielleicht noch angehen, aber ihre barbarischen Spiele zu spielen und sie dann auch noch zu einem Knochenbrecher schleifen zu müssen, ist wirklich zu viel. Ich finde, Du solltest dem Zaubereiminister schreiben, was für chaotische Zustände in Eurem Lager herrschen, damit dieser effektiv dagegen vorgehen kann. Immerhin ist es seine Aufgabe seine treuen Wähler zu beschützen, auch wenn er vor kurzem noch ein billiger Teeeinschenker war. Besonders sollte er auf jene achten, die freigiebig genug waren, sich für die Front zu melden. Wir beide wissen natürlich, dass kein Muggel in der Lage ist, sich Dir in den Weg zu stellen. Dennoch geht eine gewisse Gefahr von ihnen aus.   Sie übertragen Krankheiten, sie neigen zur Gewalt, sie sind dumm und ich habe gelesen, die besonders Niederträchtigen riechen auch schlecht!   Bitte pass unbedingt auf Dich auf.   Walburga     Ms. Walburga Black  4 Gordon Terrace London    3. Dezember/1942     Liebe Walburga,   habe gerade den Marschbefehl erhalten. Wenn Du diese Zeilen liest, bin ich vermutlich bereits an der Front.     In Gedanken stets bei Dir     Dein Willbur     P. S. Habe heimlich an Folsom geschnüffelt. Entweder er ist nicht niederträchtig genug, oder Deine Quelle ist schlecht. Jedenfalls stinkt er nicht mehr als ich.               Lieutnant Willbur Fawley Kp 9 Zug 3 Art RS 30-2     London, 14. Dezember 1942       Lieber Willbur,   Du ahnst gar nicht, wie sehr mich Dein letzter Brief erschreckt hat. Natürlich wusste ich, dass er früher oder später kommen würde, aber das er so bald eintrifft, darauf war ich beim besten Willen nicht vorbereitet.   Aber ich habe mit meinem Vater gesprochen und er sagt, wenn Du es ihm gestattest, wird er beim Zaubereiminister vorstellig werden und dafür sorgen, dass Du wenigstens über die Feiertage freigestellt wirst. Du könntest zurück nach London kommen und mit uns zusammen auf das neue Jahr anstoßen. Ich weiß, große Feiern waren noch nie Dein Ding, aber dieses Fest hat in meiner Familie eine sehr lange Tradition. Ich würde mir wirklich wünschen, Dich im festlich geschmückten Grimmauld Place zu sehen. Vor allem, weil Du schon so entsetzlich lange fort bist.   Bitte denk darüber nach. Ich bin mir auch ganz sicher, Deine Muggel können sich auch ohne Dich umbringen.   Deine hoffnungsvolle   Walburga         Ms. Walburga Black 4 Gordon Terrace London    23. Dezember/1942     Liebe Walburga,   ich wünsche Dir ein frohes Weihnachtsfest und hoffe, Du denkst an den Feiertagen ab und zu an mich. Ich würde gerne zu Eurer großen Neujahrsfeier kommen, aber ich fürchte, selbst wenn Dein Vater im Ministerium für mich vorspricht, kann ich derzeit leider nicht frei bekommen. (Bedauerlicher Weise hat sich vor kurzem der falsche Muggel umgebracht, und ich werde hier dringender gebraucht denn je.)   Deine Kekse werden mich trösten, wenn ich an den kalten Winterabenden an Dich denken muss.     Willbur     P. S. Ich danke Dir ebenfalls für das Eau de Cologne.         [[BILD=8398473.jpg]]         11. Februar 1943 - 4. Juni 1943 ------------------------------- Lieutnant Willbur Fawley Kp 9 Zug 3 Art RS 30-2 Unbekannt   London, 11. Februar 1943     Lieber Willbur,   Deine letzte Karte hat mich sehr beunruhigt. Kein einziges, persönliches Wort konnte ich zwischen den durchgestrichenen und zusammengewürfelten Zeilen finden. Ich hoffe sehr, es geht Dir gut und Du hast mir dieses Pamphlet nicht nur geschickt, damit ich mich weniger um Dich sorge.   Falls doch, muss ich Dir leider sagen: Es funktioniert nicht!   Schreibe mir so bald wie möglich.   Walburga       Mrs. Sugarplum Sugarplum's Sweets Shop Diagon Alley London   London, 3. März 1943     Sehr geehrte Mrs. Sugarplum,   hiermit beauftrage ich Sie mit der Fertigung einer Hochzeitstorte für 183 Personen für den 8. August dieses Jahres. Des weiteren benötige ich 1000 Ihrer farbwechselnden Kekse in Rosenform und einen Hippogreif aus Marzipan für die Dekoration meines Anwesens in Derbyshire.   Ich erwarte Ihren Kostenvoranschlag, sowie erste Entwürfe, am Montag, dem 10 März in meinem Haus in der Gordon Terrace Nr . 4.   Gezeichnet    W. Black             Ms. Walburga Black    4 Gordon Terrace London    5. März/1943     Liebe Walburga,   nach schier endlos langer Zeit, habe ich endlich ein paar Tage frei bekommen. Leider ist der Zeitraum viel zu kurz, um Dich zu besuchen. Ich schicke Dir aber meine Taschenuhr.   Sie ist mir vor einigen Tagen stehengeblieben und ich schaffe es einfach nicht, hier einen magischen Uhrmacher zu finden. Bitte frage Deinen Vater für mich, ob er sie bei Gelegenheit in der Winkelgasse abgeben kann und sage ihm, es sei äußerst dringlich. Ich glaube Mary, Folsom und die Anderen sammeln bereits Geld für so eine scheußliche Muggelarmbanduhr.   Vielen Dank   Willbur       Ms. W. Black      4 Gordon Terrace   London     London, 12. Mai 1943   Sehr geehrte Miss Black,   aufgrund der schwierigen Versorgungslage, ist es mir derzeit leider nicht möglich, die Zutaten für die von Ihnen gewünschte Hochzeitstorte zu erhalten. Auch die Kekse und die gewünschte Marzipanskulptur kann ich unmöglich fertigen. Aus diesem Grund habe ich Ihnen Ihre Anzahlung in voller Höhe in ihr Gringottsverließ mit der Nummer 173 zurücküberweisen lassen.   Ich hoffe sehr, dass Sie trotz dieser Umstände eine wundervolle Hochzeit feiern werden und mir als treue Kundin erhalten bleiben.   Hochachtungsvoll   Ihre   Mary Sugarplum       Mrs. Sugarplum Sugarplum's Sweets Shop Diagon Alley London   London, 13. Mai 1943       Sehr geehrte Mrs. Sugarplum,   bei allem nötigen Respekt. Ich weigere mich, Ihren Rücktritt von unserer Vereinbarung anzuerkennen. Muss ich Sie wirklich daran erinnern, was es für eine Ehre ist, eine Torte für die altehrwürdige Familie Black zu backen?!   Die Versorgungslage mag miserabel sein, aber Sie haben doch sicher Vorräte, auf die Sie für eine treue Kundin wie mich zurückgreifen können? Oder habe ich Ihr Schreiben so zu verstehen, dass Sie in diesem Land bald gar keine Torte mehr zu verkaufen wünschen?!   Ich erwarte umgehend eine Antwort von Ihnen!     Gezeichnet   W. Black         Mrs. Sugarplum Sugarplum's Sweets Shop Diagon Alley London   London, 26. Mai 1943     Sehr geehrte Mrs. Sugarplum,   aufgrund des Ausbleibens der von mir geforderten Antwort, gehe ich sehr stark davon aus, dass Sie Ihre Tätigkeit in England zu beenden wünschen. Ich hoffe, es freut Sie zu erfahren, dass ich bereits einen neuen Auftrag vergeben und aus diesem Grund keinerlei Verwendung mehr für Sie oder Ihre minderwertigen Kuchen habe!   Scheren Sie sich nach Amerika oder irgendwo in den Busch, wo die Kundschaft sich ein derart unerhörtes Verhalten noch gefallen lässt, aber erwarten Sie nicht, dass noch ein einziger Mann mit Rang und Namen Ihren schäbigen, kleinen Laden betreten wird!     Gezeichnet   W. Black       Ms. Ann Carrow Carrow Manor 34 Chester Road Bibury   London, 26. Mai 1943     Liebe Ann,   es ist ungeheuerlich! Mrs. Sugarplum, mit der ich bereits seit März über den Hochzeitskuchen verhandelt habe, ist einfach abgesprungen. Scheinbar flüchtet das undankbare Ding lieber bei Nacht und Nebel nach Amerika, als ihre geheimen Vorratslager mit mir und Willbur zu teilen.   Kannst Du Dir meinen Kummer vorstellen?   Darüber hinaus grämt es mich ganz fürchterlich, dass Willbur nur so selten Zeit findet, auf meine Briefe zu antworten. Ich weiß ja, dass er von dort draußen ohnehin nichts für mich tun kann, aber ist es nicht schrecklich, wenn man Tag für Tag seine Gedanken zu Papier bringt, und doch so gut wie nie eine Reaktion darauf erhält?   Doch wem erzähle ich das? Es tut mir schrecklich leid, dass ich Deinen letzten Brief solange unbeantwortet gelassen habe. Ich weiß, Du musst furchtbare Ängste ausstehen, da draußen auf Deinem einsamen Landgut, besonders, wenn kaum mal eine Nachricht in der Post zu finden ist.   Im Ministerium heißt es derzeit, Greeny sei gefallen, aber natürlich glaubt mein Vater nicht daran. Es ist ja auch absolut absurd, dass ein gesunder junger Mann von den Muggeln überwunden werden kann. Von Grindelwalds Anhängern, natürlich. Aber von einer Gruppe Nichtmagiern? Ganz ohne Zauberei? - Lächerlich.   Trotzdem wünschte ich, Willbur wäre hier. Denn egal was dem armen Greeny auch zugestoßen sein mag, an schlechten Tagen fürchte ich, Willbur könnte ein ähnliches Schicksal erleiden.   Von den Entwicklungen an der Kuchenfront habe ich ihm übrigens noch nichts geschrieben. Am Ende fühlt er sich noch verpflichtet mich zu unterstützen. Oder schlimmer, er schmiedet seinen eigenen Plan und versucht mir den meinen schlecht zu machen.   Liebe Ann, ich weiß, dass Du von Alleingängen in etwa genauso viel hältst wie er, doch muss ich Dich beschwören: Bitte, verrate mich nicht! Denn wenn ich in dieser Stadt noch irgendwoher einen Hochzeitskuchen nehmen will, werde ich ihn wohl persönlich in Auftrag geben müssen. Ja, ich weiß, ich könnte auch meinen Vater darum bitten, aber wie soll ich einen eigenen Haushalt beaufsichtigen, wenn ich vor der ersten aufsässigen Arbeitskraft zurückschrecke, wie ein Schulmädchen vor einer strengen Lehrerin? Ich muss diese Herausforderung einfach annehmen. Und Du als meine beste Freundin musst jetzt einfach zu mir halten und schweigen.   Ich werde Dir schreiben, kaum das ich die Winkelgasse wieder verlassen habe und Du wirst sehen, bald feiern wir eine strahlende Hochzeit mit einem noch viel strahlenderen Kuchen vom besten Konditor, den ich finden kann.       Deine Freundin    Walburga     Ms. Ann Carrow Carrow Manor 34 Chester Road Bibury   London, 28. Mai 1943     Liebe Ann,   ich bin so aufgeregt, ich weiß gar nicht wo ich beginnen soll. Vielleicht werde ich diese Zeilen auch einfach nur niederschreiben, um sie gleich darauf mir-nichts-dir-nichts zu verbrennen. Vielleicht würdest du mir sogar dazu raten, wenn du wüsstest, was gestern geschehen ist:   Es war ein unangenehm kalter Morgen. Es hatte schon in der Nacht geregnet und überall in der Winkelgasse standen große Pfützen auf dem Boden. Dunkle Wolken hüllten die Sonne ein und sorgten dafür, dass die Schatten zwischen den kleinen Läden noch finsterer wirkten, als sie es an klaren Tagen zu tun pflegen.   Obwohl es ein ruhiger Morgen war, war kaum eine Menschenseele auf der Straße. Viele Läden waren geschlossen, zahllose Schaufenster verbarrikadiert. Meine Schuhe - die hübschen Schwarzen, die Ellinor uns nach ihrem Umzug aus Bombay geschickt hat - hatten Mühe auf dem feuchten Pflaster anständig Halt zu finden und so brauchte ich eine kleine Ewigkeit, bis ich an dem langweiligen Buchladen und den verbarrikadierten Fassaden des alten Cafés vorüber war.   Gerade hatte ich es geschafft, eine besonders tiefe Pfütze auf Höhe des Kesselladens zu umschiffen und freute mich, dass meine Zehen nach wie vor trocken waren, da hörte ich plötzlich meinen Namen. Normalerweise hätte ich das ja ignoriert. Immerhin bin ich kein Hund, der springt, sobald Jemand nach ihm ruft, doch diese Stimme war so ungewohnt anders, dass ich doch einen Blick riskieren musste.   Und plötzlich stand er neben mir:   Abraxas Malfoy.   Der Abraxas Malfoy. Natürlich war ich völlig überrascht, hieß es doch, die Familie habe sich fast vollständig nach Wiltshire zurückgezogen. Aber nein, er war in London und das aus dem gleichen, profanen Grund wie ich: Um Besorgungen zu machen.   Er erzählte mir, dass seine Verlobte ihren Landsitz in Schottland überhaupt nicht mehr verlässt. Sogar Malfoy Manor ist dem dummen Ding zu gefährlich. Aus diesem Grund kann der arme Abraxas auch kaum etwas über ihr Befinden berichten. Kannst Du Dir das vorstellen? Ich war schon drauf und dran ihm zu erklären, dass das ein ganz schreckliches Unding ist, doch dann musste ich an Willbur denken und daran, dass ich ihn seit sieben Monaten nicht mehr gesehen habe, weil er meint, sein Land verteidigen zu müssen. Versteh mich nicht falsch - Ich finde, es handelt sich um eine sehr ehrenhafte Tätigkeit, aber ich finde auch, dass selbst die ehrenhafteste Tätigkeit einmal ein Ende haben muss. Ein Ehemann der mit einer Horde Muggel von Schlachtfeld zu Schlachtfeld zieht, ist schließlich nicht gerade präsentabel.   Abraxas hat seine Pflicht übrigens auch erfüllt. Er hat mir im Vertrauen erzählt, dass er eine nicht ganz kleine Geldsumme gespendet hat, damit die armen Soldaten auch einmal etwas ordentliches in den Magen bekommen. Er ist außerdem Vorsitzender diverser Wiederaufbaukommitees und er hat mich gefragt, ob ich Interesse daran hätte, mich ihm anzuschließen!   Das fand ich - vor allem mit Blick auf die heruntergekommenen Läden um uns her - wirklich erfreulich. Am liebsten hätte ich ja sofort angefangen, aber leider kam ich nicht einmal dazu eine Frage über die aktuelle Situation der Winkelgasse zu stellen.   Kaum hatte ich den Mund geöffnet, erschallten plötzlich die Sirenen. Im ersten Augenblick wusste ich nicht einmal was das war. Wenn sie im Gordon Terrace losgehen, sind sie um ein vielfaches leiser als das, was mir in der Winkelgasse entgegen dröhnte. Es ist einzig und alleine Abraxas zu verdanken, dass ich nicht immer noch stocksteif mitten auf der Straße stehe. Er war es, der galant seinen Arm um mich legte und mich mit sanftem Nachdruck dazu zwang, ihn zu begleiten. Im Nachhinein betrachtet, wäre es wohl klüger gewesen, wir wären einfach disappariert. Aber der nächste Luftschutzbunker war, wie Abraxas mir auf dem Weg mehrfach versicherte, nicht weit und da es mir unmöglich war, zu sagen, ob die Sirenen auch Zuhause jaulten, vertraute ich seinem Urteil.   Der Luftschutzbunker der Winkelgasse hat seinen Eingang direkt neben dem Laden für magische Uhren und wenn du nicht weißt, dass es einer ist, sieht er nicht anders aus, als ein besonders düsterer Kellerverschlag. Nirgendwo gibt es ein Hinweisschild, oder ein anderes Zeichen, das den Verschlag als Bunker kennzeichnet. Es ist einfach nur ein besonders ranziges Loch. Trotzdem, als ich durch die schmale Öffnung stieg, konnte ich das Prickeln der Magie auf meiner Haut fühlen. Stark, pulsierend und bereit jede Explosion und jeden Angriff zu neutralisieren. Es war ein gutes Gefühl und ließ mich kurz das schummrige Halbdunkel vergessen, in das Abraxas mich entführt hatte.   Er rümpfte missmutig die Nase. „So wie es aussieht, muss ich eine bessere Ausschilderung auf meine Besprechungsliste setzen“, murmelte er. Ich nickte. „Ein Reinigungszauber wäre gewiss auch nicht schlecht. Dieser Raum sieht aus, als hätte ihn seit 1933 niemand mehr betreten.“ „Vermutlich hat ihn einfach niemand mehr gefunden.“ Wir lachten, aber je länger ich darüber nachdachte, desto mehr befürchtete ich, dass es eigentlich kein Scherz gewesen war. Wie unbekannt der Bunker war, konnte ich schon daran erkennen, dass wir Beide ganz allein blieben. Kein Magier hastete plötzlich die Treppe zu uns hinab, keine Hexe begehrte Einlass. Wir waren in einem dreckigen Rattenloch und wir waren ganz allein. „Vielleicht ist es nur eine Übung“, versuchte ich die Stimmung zu heben, aber ein Blick zu Abraxas belehrte mich eines besseren. Wäre das eine Übung gewesen, er hätte davon gewusst.   Und da saßen wir nun, Stunde um Stunde, lauschten auf jedes Geräusch von draußen und hofften, dass der Bunker mit einem Verschüttungsschutzzauber ausgestattet war. Nur für den Fall, dass der Uhrenladen mit samt Willburs verdammter Taschenuhr in sich zusammenbrach.   Abraxas erzählte mir von Malfoy Manor, von seinem neuen Springbrunnen aus Paris und ich berichtete ihm von Greeny, von Deiner dauerhaften Isolation und all den anderen, schrecklichen Gegebenheiten dieser Tage. Und dann lachten wir. Wir lachten über Männer wie Willbur, die meinen, Teil eines Krieges werden zu müssen, der nicht der ihre ist, wir lachten über die Muggel, deren Blutdurst immer weniger Grenzen zu kennen scheint und wir lachten über Leonard Spencer-Moon, dem Tee servieren so viel besser zu Gesicht stand, als der Posten des Zaubereiministers.   Es war ein grässlicher Tag, aber er war auch ganz wundervoll. Abraxas ist ein Mann, der sich auf all die kleinen Dinge versteht. Der Probleme löst, noch bevor man sie als problematisch erkennt und der ganz genau weiß, wie man mit Subjekten wie Sugarplum umzugehen hat. Ja, ich habe ihm von dem Kuchen erzählt und er war ganz fürchterlich bestürzt über ihr grässliches Benehmen. Er war sogar so gut, mir seinen Hauself anzubieten. Ein grausiges, kleines Geschöpf, dem aber ein Talent für Kuchen und Torten innezuwohnen scheint. Natürlich kann ein Elf niemals die feine Kunst einer ausgebildeten Konditorin erreichen, aber in der Not -   Als das Grollen der Flugzeuge endlich leiser wurde, waren wir uns bereits viel näher als zuvor. Abraxas sah mir in die Augen und ich spürte, auf was ich seit sieben Monaten hatte verzichten müssen. Seine Hände sind sehr viel weicher als Willburs. Sein Blick schweift niemals in die Ferne und er riecht nach einer würzigen Mischung aus Kastanie und Salbei. Seine Stimme umhüllt Dich wie Samt und seine Lippen sind weicher, als es für einen Mann schicklich ist. Ich spüre noch immer das Kratzen seines Hemdes auf meiner Haut, sehe sein weiß-blondes Haar zwischen meinen Fingern ...   Ich weiß, ich bin ein dummes Ding. Ein fürchterlich dummes Ding um genau zu sein und sollte Willbur je davon erfahren, dann wäre unsere Ehe wohl ernstlich in Gefahr. Doch ich weiß, meine Geheimnisse sind auch die Deinen und Abraxas wäre nicht so dumm, seine Zukunft mit Pandora aufs Spiel zu setzen. Es war ein wundervoller Tag, befreiend, wie ein Sommerregen, der das Land erneuert und erfrischt. Doch wie dem Sommerregen, so ist auch dem hier keine Zukunft vergönnt. Morgen schon wird alles wieder so wie gestern sein. So wie am Tag davor und am Tag davor. Solange, bis niemand mehr zu sagen vermag, ob an diesem Tag wirklich Regen fiel.   In Angst vor deiner Antwort,   Walburga       Ms. W. Black 4 Gordon Terrace London   Wiltshire, 28. Mai 1943   Liebe Walburga,   ich weiß, ich sollte Dir nicht schreiben. Schon gar nicht, nach dem, was gestern geschehen ist. Sollte es je bekannt werden, unsere Zukunft wäre ernstlich in Gefahr. Pandora ist viel zu sehr Parkinson um einen Fehltritt zu verzeihen und ich denke Dein Willbur sieht es ähnlich.   Trotzdem fällt es mir schwer, Dich zu vergessen. Ich spüre immer noch Deinen Atem auf meiner Haut. Kann Deine Schenkel spüren, die mich an Dich drücken. Ich höre Dein Lachen im Salon und rieche Dein Parfum in der Galerie.   Ich weiß, es gehört sich nicht und doch würde ich Dich gerne wiedersehen.   Bitte denk darüber nach.     Dein ergebener   Abraxas         [[BILD=8398464.jpg]]   Epilog: Epilog: 9. August 1973 ------------------------------ Angeekelt verzog Sirius das Gesicht. So genau hatte er das zwischen seiner Mutter und Malfoy nicht wissen wollen. Vielleicht war die Idee den Tag damit zu verbringen, auf dem Dachboden herumzuschnüffeln, doch nicht so gut gewesen. Jetzt würde er jedes Mal, wenn er einen Malfoy sah, an diesen ekelhaften Brief denken müssen und daran, was seine Mutter mit diesem Kerl getrieben hatte.   Widerlich! Das bekam er ganz sicher nie wieder aus dem Kopf. Am besten er marschierte direkt zurück in sein Zimmer und schrieb James einen langen, detaillierten Brief über seine Leiden. Denn eines stand ja mal fest: Wenn er sich fortan bei dem Gedanken an Malfoy ekeln musste, dann hatte James das natürlich auch zu tun. Wofür hatte man denn Freunde?   Kurzentschlossen richtete er sich auf, griff nach dem Deckel der kleinen schwarzen Truhe und ließ ihn geräuschvoll wieder zuschnappen. Es war ihm egal ob sie noch weitere Geheimnisse aus dem Leben seiner Mutter barg, dieses eine war ihm mehr als genug. Und was die andere Truhe - die seines Vaters - betraf. Vielleicht war es besser, diese ganz einfach geschlossen zu halten. Wer wusste schon, was für Abgründe hinter dem alten Eschenholz lauerten und welche Albträume er damit in sich wachrufen würde?   Vielleicht würde er Regulus anstiften sie zu öffnen. Irgendwann, wenn ihm besonders langweilig war. Aber für heute hatte er von dunklen Familiengeheimnissen ganz eindeutig die Nase voll. Solange nicht herauskam, dass Regulus in Wahrheit ein Kelpie war und ihr Abendessen deshalb immer aus diesem unappetitlichen Grünzeug bestand, wollte er es gar nicht weiter wissen.   Mit festem Schritt stolzierte Sirius auf die Luke zu, die ihn wieder in das oberste Stockwerk ihres Hauses zurückbringen würde. Es war schon komisch, dass die Geheimnisse seiner Mutter in einem Kellerloch entstanden waren und nun auf einem modrigen Dachboden ihrem Verfall entgegen sahen. Hatte es wohl auch eine Zeit zwischen diesen beiden Extremen gegeben?   Und wie hatte die wohl ausgesehen? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)