Music Is Life von Phoenix-of-Darkness (Musik heißt: Leben - YuKa / SeBo) ================================================================================ Kapitel 9: Ten Black Roses IV ----------------------------- Rückblende: „Der Idiot hat sich die ganze Zeit darüber lustig gemacht, wie dieser Olivier in dem Song Yuriy anschwuchtelt und dann hat er behauptet, dass der Franzose sich von Yuriy vögeln lassen würde. Du hättest seinen Ekel darüber hören sollen.“ Der Ältere antwortete nicht. Er musterte Kais angespannte Körperhaltung und fragte sich, weshalb es Kai nach über 4 Jahren noch immer aufregte. Lag es daran, dass dieser die Bezeichnung „Schwuchtel“ auf die Beziehung zwischen Yuriy und Kazuki projizierte und somit sein älterer Bruder auch eine Schwuchtel wäre? Allein dieses Wort… Sergej verstand nicht, warum man dieses Wort so negativ prägte. Oder steckte hinter Kais ‚Ausbruch‘ noch etwas anderes? „Du warst damals wie alt?“ Der Silberhaarige stutzte. „Ähm, 12…warum?“ Sergej erhob sich und stand nun Kai gegenüber. In Momenten wie diesem wurde ihr Größenunterschied deutlich, denn Kai reichte ihm gerade einmal bis zur Brust. „Hat es dich genervt, weil dein Bruder, so gesehen auch eine Schwuchtel gewesen wäre, da er mit Yuriy zusammen war!?“ Entsetzt sah der 16jährige Sergej an. „Oder…“ und diese Vermutung hatte der Hüne nicht zum ersten Mal. „…stehst du selbst auf Yuriy?“ *~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~* Mit einem lauten Knall, flog Kais Zimmertür ins Schloss. Damit war für ihn das Gespräch erledigt. Sergej hingegen rieb sich den Nacken. Er seufzte und starrte an die Zimmerdecke. „Kazuki…was soll ich nur mit dem Jungen machen?!“ Shestoy God Strafarbeit gehört definitiv nicht zu meinen Lieblingsaufgaben. Aber es war wohl notwendig nach der Sache mit dem fast gebrochenen Kiefer meines Mitschülers. Ansonsten verlief das Jahr aber relativ ruhig – zumindest bei mir und Sergej. Boris hingegen machte wieder negative Schlagzeilen. Wobei Schlagzeilen jetzt zu viel gesagt war. Ich weiß nur durch Sergej, dass Boris Verlobte wohl eines nachts panisch den Manager angerufen und dieser ihn darauf zurück nach Russland geholt hat – in eine Entzugsklinik. Dunkel erinnere ich mich auch, dass Sergej ihn dort öfters besuchte, mich jedoch nie mitgenommen hat. Es sah wohl einige Zeit nicht gut aus. Es klopfte an der Tür und Kai sah flüchtig auf. „Was ist?“ murrte er. Die Klinke bewegte sich nach unten und die Türe öffnete sich. Vorsichtig steckte Sergej seinen Kopf durch den Spalt – in Erwartung, dass der Silberhaarige ihm etwas an den Kopf werfen könnte. „Ich wollte nur sehen, ob du dich wieder beruhigt hast.“ Kai rollte mit den Augen und wand seinen Blick wieder auf sein Notizheft. „Von Fein- und Taktgefühl hast du wohl auch noch nichts gehört, oder?“ „Mein Gott, bist du heute wieder zickig.“ Sergej trat ein und ließ sich neben seinem Schützling nieder. Er legte seinen Arm um die schmalen Schultern und zog Kai an sich. Der Silberhaarige ließ diese Geste zu und Sergej atmete auf. Anscheinend war die Wut des Teenagers bereits wieder abgeklungen. „Ich wollte dich mit meiner Frage nicht in Verlegenheit bringen.“ Die roten Augen Kais sahen aus dem Fenster. „Schon gut.“ Innerlich seufzte der Ältere. Der Teenager in seinem Arm konnte manchmal wirklich, wirklich anstrengend sein. Doch mittlerweile hatte er gelernt, dass Kai schon mit der Sprache rausrücken würde. Man musste ihm nur etwas Zeit und Raum lassen und so schwieg der ältere Russe eine Weile. Geduldig wartete er, ließ seine Finger sanft über das Tattoo des Silberhaarigen gleiten. „Ich bin nicht in Yuriy verliebt.“ murmelte der 16jährige nach einer Weile. //Denk ich…// „Ok.“ Doch Sergej glaubte ihm nicht, verbarg seine Zweifel jedoch geschickt. „Es ist nur...“ Kai seufzte hilflos, rang nach den richtigen Worten. Wie sollte er seinen Eindruck nur beschreiben, sodass der Ältere ihm auch folgen konnte?! Es half nichts, er musste die Wahrheit sagen. „…ich habe ihn damals singen gehört – als Kazuki im Sterben lag.“ Ein kurzer Ruck ging durch den Körper, an dem der Silberhaarige lehnte. Jedoch schwieg sein Ziehvater weiterhin – unterbrach ihn nicht. „Dabei hat sich seine Stimme irgendwie in meinen Kopf gebrannt. Es hat mich regelrecht verfolgt und ich wollte ihn unbedingt nochmal hören. Aber ich durfte ja nicht auf die Beerdigung…“ Kurz flammte Zorn in den roten Augen auf. „… und somit hatte ich lange keine Gelegenheit seiner Stimme nochmal zu lauschen. Erst als ich dann zu dir kam, bekam ich die Chance dazu. Aber es war auch nicht dasselbe. Die Alben von euch – sie sind gut, keine Frage und ich bin so verdammt froh, dass ich Kazukis Stimme auf diesem Wege immer hören kann. Doch Yuriy…“ Verzweifelt rieb der Jüngere sich den Nacken, suchte nach den richtigen Worten und dieses Mal half ihn Sergej. „Du wolltest nur seine Stimme hören, stimmt`s?“ Kai nickte dankbar. Die Erkenntnis, dass Sergej ihm wirklich zuhörte und seinen Worten folgen konnte, lösten die Ketten um sein Herz. „Ja, das war auch der Grund, warum ich mir damals sein Soloalbum gekauft habe. Aber leider wurde ich enttäuscht. Er klang darauf so völlig anders.“ „Inwiefern?“ „Das habe ich mich zu der Zeit auch gefragt und es hat ewig gedauert bis ich dahinter gestiegen bin, was so anders war.“ Kai sah zu seinem Ziehvater auf. „Auf diesem Album trägt Yuriys Stimme keine Emotionen. Selbst das Gejaule von dieser grünhaarigen Tucke hatte mehr Emotionen.“ Sergej wollte etwas erwidern, doch der Silberhaarige sprach weiter. „Ich weiß…monoton hat er keineswegs gesungen. Schließlich gibt es hohe und tiefe Töne, die er auch verwendet und ja, er variiert mit der Lautstärke. ABER!!! Es liegt keinerlei Gefühl in seinem Gesang…“ Es herrschte Stille zwischen ihnen. Zwar wollte Sergej erwidern, dass man über ein Album nicht dieselben Gefühle transportieren konnte wie bei einem Live-Auftritt. Doch er wusste, dass Kai anders auf Musik reagierte, Emotionen anders heraushörte, womit seine eigene Argumentation wenig hilfreich wäre. „Ich würde gern weiterschreiben, ok?“ Kai sah den Älteren nicht an und Sergej wusste, dass nun der Moment gekommen war, an dem er sich zurück ziehen sollte. „Na schön…“ Er ächzte als er sich mit einer Hand auf dem Knie wieder nach oben stemmte. „Wenn was sein sollte, ich bin in der Küche.“ „Ist gut.“ Sed'moy God Es war ein wolkenverhangener Tag, als ich an Kazukis Grab saß – im Schneidersitz. Keine Ahnung warum ich das jetzt erwähnt habe Ein lauer Wind wehte, sodass es doch leicht kühl wirkte. Über meine Kopfhörer, die mit meinem Handy verbunden waren und der Radio-App, lauschte ich den Songs und erledigte meine Hausaufgaben. Ich war völlig auf diese dämliche Chemie-Aufgabe fixiert, als der Moderator plötzlich einen Namen fallen ließ – Yuriy Ivanov. Dieser Name riss mich aus meinen Gedanken und ich sah buchstäblich auf. Ein alter Song? Nein, der Radio-Typ faselte von einem neuen Track und kündigte an, dass dieser eine Auskopplung aus dem 2. Soloalbum sei. Ich fragte mich, ob mir ernsthaft entgangen war, dass es ein neues Album gab. Ich hatte mitbekommen, dass Yuriy Anfang des Jahres Frankreich verlassen hatte und nach Amerika gereist war – zu einem Michael und nein, nicht Jackson. Doch ansonsten war es ruhig um ihn geblieben. Die Neuigkeit über ein weiteres Album schockierte mich irgendwie. Schnell ließ ich meine Hausaufgaben von meinem Schoß gleiten, ersetzte sie durch mein Notizblock und drehte die Lautstärke mit der anderen Hand an meinem Handy höher. Ich hielt den Atem und mein Blick war stur auf die Inschrift des Grabes gerichtet. Meine Augen lasen den Namen meines Bruders, doch mein Hirn gab die Information nicht weiter, so fixiert war ich auf die ersten Klänge des Liedes. Meine Finger umklammerten den Stift und dann – dann vernahm ich seine Stimme. Mein Stift zerbrach in meiner Hand und Wut kochte in mir auf. Sein Song war abgespielt und der nächste Track begann. Doch für diesen hatte ich kein Gehör. Ich fragte mich ernsthaft, ob Yuriy seine Fans – mich… eigentlich verarschen wollte. Der Song war rockiger und brachte frischen Wind mit sich, aber: DIESER WICHSER!!!! es fehlten wieder sämtliche Emotionen. Warum veröffentlichte er neue Songs, wenn er wahrscheinlich nicht mal hinter den Texten stand? Ich starrte auf die leere Seite meines Notizheftes. Nicht mal kleine Anmerkungen hatte ich zu diesem Song gemacht. Wie mies fand ich den Track, also? Doch lange konnte ich nicht darüber nachdenken. Sergej rief mich an und bestellte mich nach Hause. Daher packte ich meine Sachen, verabschiedete mich von Kazuki und ließ ihn mir imaginär zum Geburtstag gratulieren. Als ich daheim ankam, roch ich nach Rauch und somit waren die ersten Worte, welche mir entgegen schwappten nicht: „Alles Gute zum Geburtstag“ – im Gegenteil. Eine Schimpftriade und etliche Belehrungen übers Rauchen wehten mir entgegen. Doch sie prallten an mir ab. Ich war nun 14 und wollte nicht länger wie ein Kind behandelt werden. (Mir ist durchaus bewusst, dass ich da immernoch „Kind“ war). Meine Jacke flog auf die Sitzbank der Garderobe und die Tür zu meinem Zimmer hinter mir zu. Der Tag war irgendwie gelaufen. Ich hasste meinen Geburtstag, denn gerade an diesem Tag, vermisste ich Kazuki unendlich. Doch wie sollte ich DAS Sergej sagen!? Er kümmerte sich aufopferungsvoll um mich. Ich wollte ihm nicht das Gefühl geben, dass er sich nicht genug sorgte. Der 16jährige legte den Stift beiseite, zog das Zigarettenglas unter dem Sofa hervor und erhob sich. Rauchend lehnte er sich an den Rahmen des geöffneten Fensters. Der weiße Dunst der Zigarette verflüchtigte sich in der leichten Brise. Sein Blick ruhte gedankenverloren auf der untergehenden Sonne und dem Himmel, welcher sich rot färbte – rot, wie die Farbe seiner Haare. Vos'moy God Trotz der verbalen Auseinandersetzung an meinen Geburtstag, führte Sergej mich ein paar Tage später in seine Werkstatt. Dabei stammelte er immer wieder etwas von einem „zusätzlichen Geschenk“. Dabei hatte ich doch bereits etwas von ihm bekommen und der Kuchen war auch ziemlich lecker gewesen. Aber meine Neugier war geweckt und so war ich Sergej brav gefolgt. Niemals hätte ich mit diesem Geschenk gerechnet, als mein Ziehvater in die Ecke ging, in welcher das ominöse abgedeckte ‚Ding‘ stand. Das Ding, welches mir stets verboten war zu berühren, geschweige denn unter die Abdeckung zu schauen. Umso mehr traf mich die Erkenntnis, was all die Jahre darunter verborgen war – Kazukis Honda, gezeichnet vom Unfall. Mir klappte der Kiefer runter und ich muss Sergej entgeistert angesehen haben, denn er kratzte sich verlegen am Kopf. Seine Worte hallen mir noch immer deutlich im Ohr: „Keine Ahnung, ob Kazu gewollt hätte, dass du sie bekommst. Doch ich glaube, dass du erst ein Stück weiter abschließen kannst, wenn du selbst darüber entscheiden kannst, was mit dieser Honda passiert.“ „Ich will sie reparieren.“ Das war meine Reaktion darauf. Ich hatte keine Sekunde darüber nachgedacht. Die Worte kamen einfach aus mir heraus und das ist schließlich selten genug. Die Honda verkaufen oder verschrotten – niemals!! Daher bat, nein…ich bettelte (!) Sergej an, dass er sie wieder instand setzten sollte. Doch er lächelte damals nur traurig. Er offenbarte mir, dass er dies finanziell nicht könnte. Die Werkstatt lief, aber die Einnahmen reichten eben nur zum normalen Leben und nicht um dieses teure Motorrad zu restaurieren. Bildlich gesprochen, hat mich diese Aussage umhüllt wie zwei Arme aus der Finsternis. Ich hatte das Gefühl, dass etwas Dunkles nach mir greifen wollte…doch ich ballte die Fäuste – gab nicht klein bei. Ich wollte, dass diese Maschine wieder fuhr, dass ich sie fuhr. „Wieviel?“ fragte ich damals und Sergej nannte mir eine stattliche Summe. Meine aufmüpfigen Teenie-Hormone erklärten auch gleich, dass das kein Problem sein würde. Ich hatte sie echt nicht mehr alle. Damit ließ ich Sergej stehen und verschanzte mich regelrecht in meinem Zimmer. Gähnend betrat der blonde Russe die Küche. „Du bist schon wach?“ Kai nickte und schob ihm eine dampfende Kaffeetasse zu. „Ja, ich will zu Ivan.“ Sergej stutzte. „Was willst du denn bei Vanja und dann noch am Samstag?“ „Nun, er hat mir ‘ne Nachricht geschrieben und gefragt ob ich noch ein paar Texte hätte.“ Innerlich seufzte Sergej. Er hatte Kai nicht wirklich vom Musikbusiness fernhalten können. Natürlich war ihm bewusst, dass Ivan der Beste in der Branche war. Schließlich war der Mann auch ihr Manager gewesen und nachdem sich die Band aufgelöst hatte, blieben sie in Kontakt. Von Anfang an hatte er sie durch Höhen und Tiefen begleitet. Er hatte ihre Siege gefeiert und sie aufgefangen, wenn sie am Boden waren – immer und immer wieder. Auch Ivan war zu Beginn noch sehr jung und unerfahren, war er doch gerade einmal fünf Jahre älter als der blonde Russe. Aber die Band war auch sein Baby und sein Einfluss in der Branche war während ihrer gemeinsamen Zeit rasant gewachsen. Dennoch vergaß Ivan nie, dass auch er klein begonnen hatte. Daher kam für Sergej auch nur Vanja infrage, als Kai beschloss mit seinen Texten – natürlich unter einem Pseudonym – Geld zu verdienen, um die Honda seines Bruders zu reparieren. Dies war nun etwas mehr als 2 Jahre her und der Hüne sah das Ganze nach wie vor mit gemischten Gefühlen. Zwar hatte der Silberhaarige durchaus Erfolg und mit dem kleinen Nebenverdienst ermöglichte Kai ihnen beiden hin und wieder kleine Annehmlichkeiten, dennoch fühlte der Ältere sich etwas unwohl. Das Öffnen und Schließen des Geschirrspülers riss Sergej aus seinen Gedanken. „Ich mach dann mal los. Keine Ahnung wie lange es dauert.“ „Fährst du?“ Der Blonde nahm einen Schluck aus seiner Tasse um sein Unbehagen zu verbergen. „Jepp, mit dem Motorrad bin ich schneller und nicht so gebunden an den Fahrplan der Metro.“ „Ok, aber-“ „Ja ich fahr vorsichtig und melde mich wenn ich bei Ivan ankomme und wieder los mache, Mami.“ Vollendete der Teenager und ließ Mami murren. Schmunzelnd legte Kai einen Arm um Sergej. „Ich weiß deine Fürsorge zu schätzen.“ Noch bevor der Ältere sagen konnte, dass der 16jährige aber nicht den Eindruck dessen vermitteln würde, hauchte dieser ihm einen Kuss gegen die Schläfe und war aus der Küche geflohen. Als schließlich die Wohnungstür ins Schloss fiel, sank Sergej in sich zusammen. Er legte seinen Kopf auf die Tischplatte und legte seine Arme schützend um sich. Ausgelaugt – ja er fühlte sich ausgelaugt. Manchmal wuchs ihm alles über den Kopf. Kais Erziehung, die Werkstatt, die Sorgen… Er empfand den Silberhaarigen nach wie vor als zu jung für das Business. Natürlich gab es Teeniestars, aber mal ganz ehrlich…wie viele davon landeten nicht in der Entzugsanstalt oder Psychiatrie, weil sie nicht mit dem Druck klar kamen?! Sergej seufzte. Bei diesen Gedankengängen musste er unweigerlich an Boris denken. Wie es ihm wohl ging? Das letzte Mal hatte er von ihm gehört, als er mit Kai bei Vanja war, damit dieser den Silberhaarigen unter seine Fittiche nahm. Dabei hatte der Manager ihm offenbart, dass der Lilahaarige aus der Entzugsklinik raus sei und er ihm eine kleine Wohnung besorgt hatte. Zudem wollte Boris eigentlich wieder als Drummer arbeiten. Doch Ivan hatte ihm damals geraten, sich einen anderen Job zu suchen. Einmal um ihn von den ‚Drogen‘ weg zu bekommen und natürlich um dessen Schulter nicht mehr so stark zu belasten. Allerdings hatte diese Aussage den Blonden getroffen. Sie alle liebten es zu musizieren. Er selbst hatte sich schwer getan, davon Abstand zu nehmen. Doch die Leidenschaft an Fahrzeugen zu schrauben hatte ihm geholfen. Bei Boris jedoch gab es keine zweite Leidenschaft – so viel war er sich sicher. Devyatyy God Als Songwriter ‘arbeiten’ zu dürfen, eröffnete mir ganz neue Möglichkeiten. Zwar ist es mir bis heute schleierhaft, weshalb Sergej darauf bestand, dass Ivan meine Idendität geheim halten sollte, doch meine Texte kamen verdammt gut an und so machte ich mir darüber auch keine Gedanken. Was zählte, war die Kohle und die reichte tatsächlich um Originalteile für die Honda bestellen zu können. Sergej musste nicht auf billigere Materialien zurückgreifen. Zudem nahm er sich nach Feierabend und an Wochenenden die Zeit um mit mir zusammen die Schäden an der Karosserie zu beheben. Stundenlang schraubten und lackierten wir, bestellten uns Pizza und sprachen über Gott und die Welt. In Stunden wie diesen bekam ich aber auch Sergejs traurige Seite zu sehen. Er gestand mir, dass er weder zu Boris noch zu Yuriy irgendwie persönlich Kontakt hatte. Die Verbindung zu dem Rotschopf war wohl schon kurz nach dessen Reise nach Frankreich endgültig abgerissen und ich kam nicht umhin mich etwas schlecht zu fühlen, da ich mit meiner ‚Besessenheit‘ bezüglich Yuriys Stimme immer wieder verhinderte, dass er einen Schlussstrich ziehen konnte. Allerdings glaube ich, dass sich Sergej so oder so eher weniger Sorgen um seinen ehemaligen Leader machte. Immerhin hörte man von diesem in gewissen Abständen über die Medien noch etwas und dies auch meist im positiven Sinne. Boris machte Sergej da schon mehr Sorgen und ich glaube, dass mein Ziehvater auch Gefühle für ihn hatte…oder vielleicht noch hat!? Ich denke auch, dass Sergej sich Vorwürfe macht. Vorwürfe, dass er auf das Liebesgeständnis nicht anders reagiert hat. Vielleicht fickt schläft er auch deswegen mit so vielen unterschiedlichen Typen. Wahrscheinlich geht er wegen Boris keine feste Beziehung ein – eben weil er ihn liebt. Dabei könnte Sergej doch Ivan fragen, wo der Drummer jetzt arbeitet. Versteh einer die Erwachsenen…. Es war später Nachmittag als Sergej den Klang von Kazukis – nein, Kais Honda vernahm. Sofort stürzte er zum Fenster und vergewisserte sich, dass sein Gehör ihn nicht täuschte. Er erspähte Kai, der soeben von der Maschine stieg und sie ordentlich in der kleinen Garage neben Sergejs Auto parkte. Erleichterung machte sich in der Muskulatur des Russen breit und er sank zurück aufs Sofa. Als Kai in die Wohnung trat, tat er so als würde er gelangweilt durch die Programme zappen. „Bin wieder da!“ rief der Silberhaarige und schloss die Türe hinter sich. „Schö~hön!“ antwortete der Blonde langgezogen. „Wie lief es denn?“ Der Silberhaarige trat in den Wohnbereich und entledigte sich seiner Jacke. Mit hochgezogener Augenbraue beobachte der Ältere wie das Kleidungsstück auf der Sofalehne landete. „War gut. Ivan schickt 3 Texte an verschiedene Interpreten. Mal sehen was raus kommt.“ „Ok. Ich drück die Daumen.“ „Mach das. Ich könnte nämlich etwas Kohle gebrauchen.“ Der 16jährige begab sich in die Küche. „So? Wofür denn?“ rief Sergej ihm nach und entschied sich schließlich dafür eine Quizsendung laufen zu lassen. „Ach nur für neue Motorradschuhe. Die alten sind schon ziemlich runter.“ Der Teenager verließ die Küche beladen mit einem Energy Drink und einer Tüte Chips. „Ich werde mal am Therapiebuch weiter schreiben, ok?“ Doch eine Antwort erwartete er nicht wirklich und so war Kai schon beinahe in seinem Zimmer, als Sergejs scherzender Kommentar, dass zu viele Chips dick machen würden seine Ohren erreichten. Mit einem non-galanten ‚Du mich auch‘ kickte Kai seine Türe zu. Desyatyy God Im letzten Jahr ging es wieder ordentlich drunter und drüber. Alles begann damit, dass Sergej mich mit einem Typen erwischte. Gott, ist der ausgeflippt…dabei war es doch nur Sex. Ich durfte mir ganz schön was anhören und unter anderem kam er mir damit, dass ich ja hoffentlich verhüten würde – ja das mach ich, bin ja nicht blöd und das ich bloß aufpassen solle, dass das nicht an die Öffentlichkeit kommt – Politik, Regierung und so. Jahaaaa~ verdammt! Ich war doch kein kleines Kind mehr und genau das wurde wohl auch Sergej bewusst, als er mit entsetzten Blick auf den Typen starrte, der bis zu dem Zeitpunkt mir einen geblasen hatte. Jedenfalls flog der Typ hochkant aus der Wohnung, glücklicherweise auch dessen Klamotten und ich hatte einen Monat Hausarrest. Dennoch hielt der mich nicht davon ab hin und wieder ein kleines Stell-dich-ein abzusahnen. Ich hab halt vom Profi gelernt, danke Sergej. Kurz darauf – ca. 2 Wochen später, kam ich dann mit meiner Tattoo-Idee um die Ecke. Natürlich war mein Ziehvater erst einmal grundsätzlich dagegen. Doch ich konnte stur sein und bearbeitete ihn fast täglich. Die strikte Ablehnung wandelte sich irgendwann in ein leichtes Interesse in Bezug auf das Motiv und vor allem wo es hin sollte und wie groß. Ich erklärte ihm, dass ich mit dieser Tätowierung die Narben bedecken wollte und dass ich bereits einen Tattookünstler gefunden hatte, welcher sich auf das Überstechen von Narbengewebe spezialisiert hatte. Nach einem Vierteljahr hatte ich Sergej dann auch so weit und wir waren bei besagten Tatowierer. Tja, was soll ich sagen…es.war.oberpeinlich!!! Sergej taktierte den armen Mann mit Todesblicken und ließ ihn keine Sekunde aus dem Auge. Er ließ sich alles genau erklären und zeigen und als ich nach 3 langen Stunden schon nicht mehr damit gerechnet hatte, stimmte Sergej schließlich zu. Überrascht sah ich ihn damals an und ich glaube, dass er sich zu dem Zeitpunkt auch unschlüssig war, ob er mir das gestatten sollte. Doch er willigte ein und erlaubte mir damit die Narben verblassen zu lassen – ich war ihm (erneut) zutiefst dankbar. Die Sitzungen in dem Studio waren lang und schmerzvoll. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit bis die ganzen Outlines fertig waren. Doch danach folgten dann noch die Stunden der Colorierung. Wenn ich so daran zurück denke, schmerzt mir der Kiefer immernoch vom Zähne zusammen beißen. Außerdem fraß dieses Tattoo meine Ersparnisse auf. Doch das war es mir ein für alle Mal Wert und am Ende hatte es sich gelohnt. Ich liebe diesen Phönix, welcher sich über meinen linken Arm zieht und man sieht die Narben nicht mehr. Somit werde ich nicht unweigerlich mit dem Unfall konfrontiert, wenn man mich auf meinen Arm anspricht. Lediglich wenn man über die Haut streicht, kann man die Unebenheiten noch spüren. Kurz vor Mitternacht klopfte es an Kais Zimmertür. „Hey, Kai…ich werde ins Bett gehen, mach nicht mehr so lange.“ Doch Sergej erhielt keine Antwort. Vorsichtig öffnete er die angelehnte Tür einen Spalt und sah in das Zimmer des Teenies. Er musste schmunzeln. Sein kleiner Wirbelwind war tatsächlich über dem Therapiebuch eingeschlafen. //Da hat der Energy Drink wohl nicht viel geholfen, hm?!// dachte sich Sergej. Leise trat er näher und zog den Stift aus Kais Hand. Er legte diesen zurück in die Federmappe, zog vorsichtig das Notizbuch unter den Armen des Silberhaarigen hervor und schloss es. Anschließend hob er seinen Ziehsohn ohne große Probleme einfach hoch. Zaghaft legte er Kai auf dessen Bett und deckte ihn zu. Seine Hand strich durch das silberne Haar und er musste sich eingestehen, dass Kai immer erwachsener wurde. Irgendwann….würde dieser seinen eigenen Weg gehen. Dies wird wohl mein letzter Eintrag sein. Denn morgen sitze ich ja wieder bei ihnen im Büro und gebe meine ‚Ergüsse‘ bei ihnen ab. Letzte Woche saßen Sergej und ich abends noch zusammen vor dem Fernseher und zogen uns eine dieser Livesendungen rein. Gut…ich sah nur mit einen Auge hin und notierte nebenbei ein paar Textzeilen, die mir über den Tag hinweg eingefallen waren, aber Sergej liebte diese Sendung und ich saß gern abends ein bis zwei Stündchen noch bei ihm. Jedenfalls schreckten wir beide auf, als der Moderator den nächsten Gast ankündigte. Fuck Scheiße, da spazierte tatsächlich Yuriy in die Show. Ich schwöre, dass Sergej neben mir beinahe aufgesprungen wäre. Doch er musste sich kurz erinnert haben, dass ich auch noch anwesend war, daher blieb er wo er war und murmelte nur ein knappes „unglaublich“. Wie gebannt verfolgten wir die Sendung und erfuhren, dass Yuriy anscheinend wieder nach Russland zurückgekehrt war. Klar war er in Russland…sonst wäre er nicht in dieser Show, aber er war so richtig zurück…hier…mit festem Wohnsitz!!! Ich weiß nicht, wer von uns über die Neuigkeit geschockter war.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)