Hold My Hand von Minami ([EreJean // AU]) ================================================================================ Kapitel 1: Hold My Hand -unzensiert- ------------------------------------ Als Jean Kirschstein das Büro des Schuldirektors betrat wusste er, dass er verschissen hatte. Richtig verschissen.   An sich war das Büro von Erwin Smith kein fremder Ort für ihn. Im Gegenteil! Der Raum fühlte sich sogar schon ganz heimelig an bei den zahlreichen Besuchen, die Jean ihm bereits abgestattet hatte.   Nein, es war der Blick in das Gesicht seines Klassenlehrers Levi Ackermann, der Jean schreckliches ahnen ließ.   Normalerweise kannte die Mimik von Ackermann nur zwei Emotionen: unendliche Müdigkeit und Entnervung. Aber gerade, in diesem Moment, meinte Jean tatsächlich so etwas wie Schadenfreude aus seinen zuckenden Mundwinkeln herauslesen zu können und das?   Das war eindeutig sein Todesurteil.   Jean presste die Lippen zusammen und boxte der Person neben sich so unauffällig wie möglich in die Seite.   Das war alles seine Schuld, verdammt!   Es war die Schuld von Eren Jäger, seines Zeichens Klassenkamerad, Rivale und manchmal sogar so etwas wie ein Freund.   Aber jetzt, wo Jean seinem Tod entgegen blickte, war das zarte Pflänzchen ihrer Freundschaft zertrampelt.   Jean war sich sicher, dass Eren ihm die Schuld in die Schuhe schieben würde, dabei war er komplett unschuldig! Es war Eren! Es war immer Eren!   „Hey!“, zischte der Grund seines verfrühten Todes und boxte zurück.   Und da sich Jean nichts gefallen ließ, boxte er auch noch einmal zurück.   Das ging so lange, bis plötzlich ein Räuspern den Raum erfüllte.   Ein einziges Geräusch, aber bei diesem allein schwang solch eine Autorität mit, dass Jean und Eren sofort die Finger voneinander ließen und in Richtung Schreibtisch blickten.   Zu ihm. Erwin Smith.   „Kirschstein. Jäger.“ Smith verschränkte die Finger ineinander und stützte dann das Kinn auf ihnen ab. „Was soll ich nur mit euch machen. Wir haben schon so viel probiert. Nachsitzen. Suspendierung. Gespräche mit euren Eltern. Aber nichts scheint zu fruchten.“   Jean biss sich auf die Zunge.   Seufzend massierte Smith sich die Schläfe. „Euer Klassenlehrer Ackermann und ich haben uns viele Gedanken über euch gemacht und lange diskutiert. Sogar ein Klassenwechsel ist eine Zeit lang im Gespräch gewesen.“   Übelkeit breitete sich bei diesem Vorschlag in Jeans Magengegend aus. Ein Klassenwechsel…? Nein, das war für ihn keine Option, ganz bestimmt nicht! Er liebte seine Klasse, all seine bescheuerten Freunde waren hier und er wollte unbedingt bei ihnen bleiben!   Andererseits wusste er, dass seine andauernden Diskussionen und Handgreiflichkeiten mit Eren den Unterricht störten. Dennoch, Jean wollte bleiben! Und selbst Erens Wechsel in eine andere Klasse würde den Unterricht nur noch halb so unterhaltsam machen!   Schule war ätzend, irgendwie musste man sie sich ja erträglich gestalten und sich über Erens dumme Antworten im Unterricht lustig zu machen gehörte definitiv dazu!   Aus den Augenwinkeln blickte er zu Eren herüber. Das verkrampfte Ballen seiner Fäuste machte deutlich, dass auch er nicht gerade angetan war von der Idee eines Klassenwechsels.   Zumindest in diesem Punkt waren sie sich einmal einig.   „Aber ein Klassenwechsel sollte nur die letzte Option sein“, meinte Smith schließlich und ließ die Hand fallen. „Eine Notlösung, wenn alles andere nicht funktioniert. Wir haben uns entschlossen, euch noch eine letzte Chance geben.“   Fast in Union atmeten Jean und Eren erleichtert aus.   „Und dafür haben wir uns eine besondere Bestrafung überlegt. Eine Methode, die vielleicht ein wenig… unorthodox erscheint.“   Und schon zogen sich Jeans Schultern wieder ängstlich in die Höhe.   „Die Methode kommt aus den USA“, meinte Ackermann und öffnete den Ordner, der sich in der Mitte des Schreibtisches befand, „und scheint dort ziemlich gute Erfolge erzielt zu haben.“   Aus den USA… Gott, das konnte ja nur irgendein Scheiß sein…   „Also werden wir es jetzt auch mit euch Rotzbengeln ausprobieren.“ Mit dem Hauch eines Schmunzelns auf den dünnen Lippen knallte Ackermann ihnen einen Zeitungsartikel vor die Nase.   Jeans Blick fiel sofort auf das große Foto in der Mitte. Auf das Foto von zwei Jungs, die… Die…   „Uh“, war das einzige, was er sagen konnte.   „Was soll das sein?“, wollte Eren wissen und verengte die Augen.   „Das ist eure Bestrafung“, erkläre Smith.   Blut schoss Jean mit solch einer Geschwindigkeit in den Kopf, dass ihm schwindelig wurde und er sich am Tisch festhalten musste. „Bitte WAS?!“, konnte er quiekend hervorbringen.   „Das kann doch nicht Ihr Ernst sein, Sensei!“, platzte es aus Eren heraus.   Aber es war ihr Ernst.   Und so fanden sich Jean und Eren in der Mittagspause schließlich im Hof wieder. Vor ihnen? Zwei Stühle.   Noch nie hatte der Anblick zweier Stühle bei Jean solch eine Panik ausgelöst wie in diesem Moment.   Jean sah zu Eren.   Eren blickte zurück.   Keiner von ihnen bewegte sich.   Ein genervtes Zungenschnalzen war hinter ihnen zu hören. „Bloß nicht schüchtern werden“, grummelte Ackermann und schubste sie in Richtung Stühle. In Richtung Untergang. „Ich hab nicht den ganzen Tag Zeit.“   Jean zögerte noch einen klitzekleinen Moment, dann ließ er sich schließlich mit einem dramatischen Stöhnen auf einem der Stühle nieder. Eren tat es ihm gleich.   Ackermanns rechte Augenbraue zuckte. Eine eindeutige Warnung. „Habt ihr nicht was vergessen, ihr Bengel?“   Jean wusste, dass egal, wie lange sie auch zögerten, sie würden ihrer Strafe nicht entgehen können. Also entschloss er, nun einfach seinen Mann zu stehen. Er würde es tun, er würde den ersten Schritt machen und zeigen, dass er keine Angst hatte, dass er-   Eine Hand traf ihm quer ins Gesicht.   „Fuck!“ Fluchend rieb sich Jean die nun schmerzende Nase. „Du Arsch!“   Erens Finger wackelten. „Nimm“, befahl er, ohne Jean anzuschauen. Oder auch nur generell in seine Richtung zu sehen. Stattdessen war sein Blick stur auf seine schwarzen Chucks gerichtet.   Jean knirschte mit den Zähnen. Verdammt, er wollte den ersten Schritt machen! Immer musste dieser verdammte Kerl ihm einen Strich durch die Rechnung machen.   „Nimm deine eklige Patschehand aus meinem Gesicht“, brummte er schließlich niedergeschlagen und nahm Erens Hand in seine.   Das war sie.   Ihre Strafe.   Händchenhalten.   Mitten im Hof.   Vor all den anderen Schülern.   Für eine verfickte halbe Stunde.   Jean wollte sterben und das nach nicht einmal zehn Sekunden.   Ackermann seufzte. „Na endlich. Ich komme in einer halben Stunde wieder. Wagt es euch gar nicht erst, bis dahin die Hände loszulassen. Hier sind genug Zeugen.“   Hitze schlich sich in Jeans Wangen, als er die ersten Schüler lachen hörte. Ja, genug Zeugen gab es hier definitiv.   Fuck.   Jean hasste alles.   Vielleicht sollte er einfach die Schule wechseln. Dann gab es keine Streitereien mehr und vor allem gab es dort niemanden, der ihn damit aufziehen konnte, dass er gerade Händchen mit Eren Fucking Jäger hielt.   Ihr Arschloch-Lehrer verabschiedete sich und dann waren es nur noch Jean, Eren… und gefühlt die halbe Schule, die in einem Kreis um sie herum stand und tuschelte.   Und am lautesten von ihnen allen?   Connie Springer. Natürlich.   „Oi, oi, oi, was seh ich da? Ein verliebtes Ehepaar!“, gackerte er schrill und stellte sich mit einem fetten Grinsen vor sie. „Ist irgendjemand von dieser Entwicklung überrascht? Also ich sicherlich nicht!“   „Schnauze, Connie!“, fuhren ihn Jean und Eren gleichzeitig an.   Sie warfen sich einen Blick zu.   Doch das ließ Connies Gelächter nur noch lauter werden. „Ihr redet sogar schon synchron, wow!“   „Ihr seid ein süßes Pärchen!“, mischte sich nun auch noch Sasha Blouse ein und schob sich eine Hand voll Pommes in den Mund. Das hielt sie allerdings nicht davon ab, ungeniert weiter zu sprechen: „Glückwünsch!“   Jeans Körper fing an zu zittern. Vor Wut. „Sagt mal, seid ihr echt so bescheuert oder tut ihr nur so?!“, zischte er ihnen aufgebracht zu. Unbewusst fing er an, Erens Hand zu quetschen, bis der Braunhaarige ihm mit einem „Autsch“ auf den Fuß trat.   Jean warf ihm einen giftigen Blick zu, lockerte seinen Griff aber, und richtete seine Aufmerksamkeit stattdessen wieder auf das Idioten Duo. „Wir machen das nicht freiwillig, das ist eine Strafe, verdammte Scheiße!“   „Klar“, meinte Connie und zwinkerte. „Eine Strafe, huh.“   „Es ist eine Strafe!“, bestätigte nun auch Eren nochmal lauthals.   „Uhuh“, machte Sasha und holte ihr Smartphone aus der Hosentasche. „Eine Strafe.“   Jean schwante Böses, als er beobachtete, wie fettverschmierte Finger auf dem Display herum tippten. „Kartoffelfresse. Wag es dich nicht.“   Doch Sasha grinste nur, die Mundwinkel voller Salz, und richtete das Handy auf sie. „Sagt Cheese!“   „Fick dich!“, brüllte Jean und legte seine freie Hand blitzschnell über sein Gesicht, während Eren sein Gesicht mit einem „Lass den Scheiß, Mann!“ in seinem Ellbogen versteckte.   Das laute Klicken eines Schnappschusses war zu hören. „Aw“, sagte Sasha unverständlich, das Maul wahrscheinlich schon wieder voller Pommes, „wie unhöflich. Aber ich denk, man kann euch trotzdem ganz gut erkennen. Oder was meinst du, Connie?“   Jean fletschte die Zähne. „Glaub mir, Sasha, wenn ich mit dir fertig bin, wird man dich ganz sicher nicht mehr erkennen!“   Er konnte Eren schnauben hören. „Lach nicht!“, fuhr Jean ihn an und quetschte abermals hart seine Hand. „Du bist genauso Opfer wie ich!“   Einige Minuten lang waren sie noch die Hauptattraktion des Pausenhofes, bis schließlich langsam, aber sicher tatsächlich Ruhe einkehrte. Die Paparazzi waren alle erfolgreich verjagt worden, nur noch in mehreren Metern Entfernung standen einige Schüler, die sie beobachteten und über sie tuschelten.   Das war… aushaltbar.   Nicht schön, aber Jean würde es überleben.   Irgendwie. Hoffentlich.   Aber dadurch war nun ein neues Problem entstanden: die Stille.   Jetzt, wo es keine Schaulustigen mehr zu beleidigen gab, hatten sie beide nichts mehr zu sagen.   Und das wiederum bedeutete, dass Jeans Tastsinn auf einmal beschloss, sich in den Vordergrund zu drängen und ihm mit einem Schlag bewusst werden ließ, was er hier doch eigentlich gerade tat.   Händchenhalten mit Eren Jäger.   Das erste, was Jean bewusst wahrnahm, war wie unglaublich weich Erens Haut doch war. Viel zu weich für jemanden, der fast wöchentlich in Prügeleien verstrickt war.   Warm war seine Hand auch. Zu warm. Jean konnte spüren, wie seine Handfläche anfing zu schwitzen. Eklig, aber da musste er nun durch.   Und dann war da noch die Art und Weise, wie Erens Daumen über seinen Handrücken rieb.   Eine überraschend… zärtliche Geste. Jean wusste nicht, ob sich Eren dessen überhaupt bewusst war… Wahrscheinlich nicht. Sie sprachen hier schließlich von Eren, die Knalltüte konnte nie ruhig sitzen, er musste sich immer irgendwie bewegen.   Dennoch war es ablenkend, also beschloss Jean, das Schweigen zu brechen. Einfach, um auf andere Gedanken zu kommen und nicht mehr so fokussiert darauf zu sein, wie sich Erens Hand in seiner anfühlte.   „Wollen wir Stille Post spielen?“   Eren, der mit abweisendem Blick in den Himmel gestarrt hatte, neigte den Kopf in seine Richtung. Seine Mundwinkel zuckten. „Du bist so dumm, Kirschstein“, sagte er, drückte aber seine Hand.   Jean drückte zurück. „Nicht so dumm wie du, der uns die ganze Scheiße hier erst eingebrockt hat.“   Sofort wichen die Anzeichen von Humor aus Erens Mimik und stattdessen schlich sich Hitze in seine grünen Augen. „Ich?! Das war alles deine Schuld, Pferdegesicht!“   „Stimmt doch gar nicht!“   „Natürlich!“   Die Diskussion ging so lange weiter, bis Ackermann sie eine Viertelstunde später von ihrer Strafe erlöste und damit drohte, sie direkt nochmal eine halbe Stunde hier sitzen zu lassen, wenn sie nicht endlich Ruhe gaben.   Ihr Streit geriet also schnell wieder in Vergessenheit, aber die Erinnerung daran, wie unglaublich weich Erens Haut doch war, ging Jean den restlichen Tag über nicht mehr aus dem Kopf.     ~xXx~     „Sensei, warum schon wieder?!“, jammerte Eren, als ihr Klassenlehrer sie einige Tage später wieder zu den beiden Stühlen führte.   „Weil ihr einfach nicht lernt“, war die genervte Antwort.   Jean zog missmutig die Mundwinkel herunter. „Die Strafe hat schon beim ersten Mal nicht geholfen, wieso sollte sich jetzt etwas ändern?!“   „Kirschstein, halt einfach die Klappe.“   Jean öffnete den Mund, aber da Ackermann immer noch ihr Lehrer und eine Autoritätsperson war, schloss er ihn stattdessen wieder und ließ sich demotiviert auf den Stuhl plumpsen. Da Eren bereits saß, schnappte er sich stillschweigend seine Hand und warf einen Blick auf die Uhr.   Ackermann tat es ihm gleich. „Halbe Stunde, wie letztes Mal. Um 13 Uhr seid ihr entlassen.“   „Jaja“, murmelte Jean, als ihr Lehrer außer Hörweite war und fuhr sich seufzend durchs Haar.   Zumindest wurde ihnen dieses Mal nicht mehr so viel Beachtung geschenkt wie beim ersten Mal. Aber das war auch kein Wunder, denn so wie es aussah war dieses bescheuerte Händchenhalten zur Lieblingsbestrafung der Lehrer geworden. Jean hatte in den letzten Tagen einige Schüler auf diesen Stühlen wiederfinden können, Hand in Hand.   Alles Sadisten, der ganze Haufen.   „Verdammt, warum ausgerechnet heute.“ Mit einem genervten Seufzen zupfte Jean an dem schwarzen Knopf in seinem Ohrläppchen herum. „Ich hab extra meine Switch mitgenommen, weil ich die Pause zum Zocken nutzen wollte.“   Sofort richtete sich ein Paar grüner Augen neugierig auf ihn. „Welches Spiel?“   „Fire Emblem: Three Houses.“   „Oh, hey, das spiel ich momentan auch!“ Aufgeregt drehte sich Eren mehr in seine Richtung. „Achtung, wichtige Frage“, meinte er und zeigte mit verengten Augen auf Jean. „Welches Haus hast du gewählt?“   „Blue Lions natürlich.“   „Ernsthaft? Ich auch!“ Grinsend hielt Eren seine freie Hand in die Luft. „High Five, Alter!“   Schnaubend schlug Jean ein. „Ich bin überrascht, ich hätte dir gar nicht so viel Geschmack zugetraut, Jäger“, meinte er mit einem Schmunzeln. „Ich mein, wer solch einen scheußlichen Beanie trägt, kann doch nur an Geschmacksverirrung leiden.“   Jean zupfte an der roten Kopfbedeckung herum und zog sie Eren schließlich über die Augen. Gott, die Farbe war tatsächlich grässlich! Ein einzelner Blick und die Intensivität des Rottons ließ einen schon fast erblinden!   „Fick dich, Arschloch!“ Knurrend zog Eren den Beanie wieder so weit nach oben, dass er Jean mit einem giftigen Blick strafen konnte. Dann streckte er ihm die Zunge heraus.   „In deinen Träumen, Jäger.“   „Ja, in meinen Albträumen vielleicht.“   Jean quetschte seine Hand.   „Fuck, autsch! Gott, deine Hände sind so knochig!“ Mit gerunzelter Stirn hielt Eren ihre Hände vor seine Augen und inspizierte sie. „Hast du überhaupt Fleisch an den Knochen?!“   Jean ließ einen tiefen Atemzug aus seiner Nase aus. „Besser als so fette Wurstfinger wie du zu haben!“   „Hey, pass lieber auf, sonst schieb ich dir diese ‚Wurstfinger‘ in den Arsch, Penner!“ Erens abgeknabberten Fingernägel bohrten sich in Jeans Handrücken und entlockten ihm ein schmerzvolles Zischen. Dann entspannte er seinen Griff wieder und betrachtete ihre Hände aus verschiedenen Blickwinkeln.   „Mir ist vorher nie wirklich bewusst gewesen, wie arschblass du doch eigentlich bist“, murmelte Eren und drehte ihre Hände so, dass ihre Handflächen nun aneinander gepresst waren.   Jean selbst würde zwar behaupten, dass er eine vornehme Blässe hatte, aber im Kontrast zu Erens gebräuntem Teint glich seine eigene Hautfarbe doch tatsächlich einem Geist.   Viel interessanter fand Jean allerdings, dass Erens Hand im Vergleich zu seiner so viel größer war. Es war unfair, war er doch schließlich gut einen halben Kopf größer als der Braunhaarige, aber dennoch waren seine Finger länger und breiter, auch seine Handfläche war größer als die von Jean.   „Huh“, machte Eren. „Anscheinend ist dein Gesicht das einzige, was an dir lang ist. Deine Finger sind ja winzig!“   Es war dumm, sich über so eine blöde Aussage aufzuregen, aber dennoch konnte Jean nicht anders. „Oh, wenn du wüsstest, Jäger. Bei mir sind noch so einige Dinge richtig lang.“   „Deine Nase auf jeden Fall, das stimmt.“   „Ach, halt doch einfach deine dämliche Fresse, Bastard!“   Das tat Eren sogar tatsächlich, zumindest so lange, bis seine Inspektion abgeschlossen war. „Du hast Hände wie ein Mädchen“, war Erens abschließendes Urteil, bevor er ihre Hände senkte und zwischen ihren Stühlen herunterhängen ließ.   Jean folgte der Bewegung mit den Augen und beobachtete, wie Eren kurz darauf anfing, ihre Hände hin- und herzuschaukeln. „Selbst Mikasa hat männlichere Hände als du.“   „Laber keinen Scheiß, Mann.“ Verärgert Jean spannte den Kiefer an. „Wer von uns hat denn bitte superweiche Hände wie ein Mädel, huh?! Das bist ja wohl du!“   Eren blinzelte überrascht. „Ich hab doch keine weichen Hände.“   „Natürlich! Glaub mir, Jäger, ich hab schon mit einigen Kerlen Händchengehalten und niemand von denen hatte auch nur ansatzweise so weiche Hände wie du!“   Erens Augen wurden groß. Noch größer, als sie eh schon waren und das war der Zeitpunkt, wo es Jean dämmerte. Dass er gerade einen riesengroßen Fehler begangen und sich um Kopf und Kragen geplappert hatte.   „Fuck.“   Innerhalb von einer einzelnen Sekunde fing sein komplettes Gesicht an zu glühen. So strahlend rot, dass es selbst Erens bescheuerten Beanie in den Schatten stellte. Dennoch griff Jean mit zitternden Fingern nach dem hässlichen Teil und zog sich den Beanie so tief wie es ging über das eigene Gesicht, um seine Scham so gut wie möglich zu verstecken.   Eren schwieg einen Moment lang und dann: „Du hast schon öfter mit Kerlen Händchengehalten?“   Jean zog den Beanie noch tiefer und hoffte, dass sich im Inneren vielleicht ein schwarzes Loch befand, das ihn in eine andere Dimension ziehen würde, aber nichts. Er ließ einen tiefen Atemzug aus. „… Vielleicht.“   „Hey. Jean.“ Eren klang so ungewohnt ernst, dass Jean beinahe in Versuchung geriet, einen Blick auf seine Mimik zu riskieren. Aber nur beinahe. „Dir ist schon klar, dass mir scheißegal ist, ob du schwul bist, oder? Oder bi oder was auch immer.“   Jean kaute auf seiner Unterlippe herum. Eren Jäger war vieles; laut. Nervig. Stur. Aber diskriminierend, das war er nicht und das wusste Jean. Also ließ er nach einigen Augenblicken ein Seufzen aus.   „Schwul“, stellte er murmelnd klar.   „Ah. Cool.“   Und das war’s. Mehr hatte Eren tatsächlich nicht zum Thema zu sagen, also entspannte sich Jean langsam wieder und lockerte seine Schultern, die er irgendwann defensiv hochgezogen hatte. Und als Eren dann auch noch die Hand auf seinen Kopf legte und den Beanie wieder so weit hoch zog, dass Jeans Augen zu sehen waren, ließ er es zu.   Eren grinste, als sich ihre Blicke trafen und lehnte sich wieder zurück. „Aber hey, falls es dich beruhigt, ich bin auch nicht hetero. … Denk ich zumindest, keine Ahnung.“   Oh? Das hatte Jean noch nicht gewusst, dennoch war Erens Aussage ziemlich… vage. „Also bist du bi?“, fragte er nach und hob eine Augenbraue.   Eren zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung“, wiederholte er. „Ist mir aber auch egal. Ich leg mich nicht gern fest und ich hasse Schubladendenken. Ich bin ein freier Mensch, ich kann sein, was ich will. Ich kann mögen, wen oder was ich will. Mal mag ich Mädchen. Mal mag ich Jungs. Mal mag ich was anderes. Ich mag die Person und nicht das Geschlecht.“   Solch eine offene Denkweise hatte Jean ihm gar nicht zugetraut, aber es gefiel ihm. Es gab schließlich immer noch genug Mobbing auf dieser scheiß Welt wegen so unbedeutenden Sachen wie die Sexualität oder dem Geschlecht.   Jean summte nachdenklich. „Also am ehesten pansexuell“, meinte er.   „Kein Plan, aber ja, kann sein.“   Jean neigte den Kopf zur Seite und betrachtete ihn, beobachtete, wie Eren mit den Fingern seiner freien Hand auf seinem Oberschenkel trommelte. „Wow“, meinte er schließlich und schnaubte. „Wer hätte gedacht, dass ich tatsächlich mal eine anständige und ernste Diskussion mit dir führen kann?“   Missmutig zog Eren die Mundwinkel herunter. „Was soll das denn heißen? Wir führen in Politik doch andauernd Diskussionen!“   „Diskussionen nennst du das?! Du brüllst doch immer nur rum wie ein Irrer, weil du nicht akzeptieren kannst, dass ich Recht habe!“   „Du hast aber eben nicht immer Recht!“, erwiderte Eren mit erhöhter Lautstärke.   „Da, du machst es schon wieder. Ganz ehrlich, merkst du eigentlich nicht mehr, dass du immer nur am Brüllen bist? Hast du dich selbst taub gemacht mit deiner Stimme? Aber wie auch immer, ich will mich jetzt nicht schon wieder mit dir streiten, verdammt, wir hatten gerade einen Moment!“   „Einen Moment“, wiederholte Eren.   „Ja, Eren, einen Moment. Also mach ihn nicht kaputt.“   Seufzend fuhr sich Jean durchs Haar.   Fakt war, dass es tatsächlich hauptsächlich Diskussionen im Unterricht waren, die für ihre „Strafen“ verantwortlich waren. Sie waren beide so stur und hitzköpfig, dass ihre Gespräche früher oder später in Gebrüll und Beleidigungen endeten.   Aber das hier? Das war angenehm. Jean mochte es.   So sehr sogar, dass sie tatsächlich die ganze Pause über durchquatschten.   Ganze sechzig Minuten.   Hand in Hand.   Als den beiden dies beim Läuten der Pausenglocke bewusst wurde, war Jean so komplett durch den Wind, dass ihm erst zuhause auffiel, dass er immer noch Erens grässlichen roten Beanie auf dem Kopf trug.     ~xXx~     „Meine Fresse, wenn ihr Händchenhalten wollt, dann macht es doch einfach ohne euch vorher an die Gurgel zu gehen.“ Seufzend massierte sich Ackermann die Schläfe und deutete auf die beiden Stühle. „Ihr kennt das Prozedere. Ich hau ab. Gott, diese Jugend von heute.“   Jean spürte, wie seine Ohren warm wurden.   Okay, vielleicht provozierte Eren ihn in letzter Zeit ein wenig mehr als sonst.   Und okay, vielleicht rastete Jean ein wenig schneller aus als üblich.   Aber das hieß doch noch lange nicht, dass sie es absichtlich taten, nur, um diese dämliche Strafe zu erhalten!   Nein, Jean und Eren hatte schon vor Ewigkeiten klargestellt, dass diese Bestrafung bescheuert und sinnlos war.   Sie waren beide halt Hitzköpfe, da passierte es nun schon einmal, dass sie aneinander gerieten.   So einfach war das!   Eren jedoch schien sich an den Worten ihres Klassenlehrers nicht zu stören und pflanzte sich direkt hin, die Hand abwartend in Jeans Richtung gestreckt, während er sich bereits den Mund fusselig redete über irgendein Konzert, das er gestern mit Mikasa besucht hatte.   Wahrscheinlich wieder irgendeine dieser dämlichen Screamo Bands, auf die er so stand.   Denn natürlich würde Eren Schreihals Jäger auf Screamo stehen. Natürlich.   Seufzend setzte auch Jean sich hin und ergriff seine Hand.   Die Hand, die er in diesem Monat bereits so oft gehalten hatte, dass er es schon gar nicht mehr zählen konnte.   Die Hand, die er inzwischen fast so gut kannte wie seine eigene.   Und genau deswegen bemerkte Jean auch sofort, dass etwas anders war, als Erens Daumen geistesgegenwärtig über seinen Handrücken strich.   Er spürte… Rauheit.   Irritiert runzelte Jean die Stirn. „Was hast du gemacht?“, wollte er wissen und zog ihre Hände näher an sein Gesicht.   „Ey, du Arsch, unterbrech mich nicht einfach, ich war am Reden!“, beschwerte sich Eren beleidigt.   „Du kannst gleich weiter labern“, meinte Jean beschwichtigend. „Ich will nur erstmal wissen, was du gemacht hast. Deine Finger fühlen sich so rau an.“   Eren starrte ihn perplex an. „Echt? Das merkst du?“   Irgendwie stieg bei diesem geschockten Blick Wärme in Jeans Wangen. „Was? Ist doch normal, ich halte deine blöde Hand gerade schließlich nicht zum ersten Mal.“   „Hm, ich schätze.“ Eren blickte auf ihre Hände. „Ich hab angefangen, Gitarre zu spielen.“   „Ernsthaft?“ Überrascht hob Jean beide Augenbrauen. „Seit wann?“   „Ernsthaft“, bestätigte Eren grinsend. „Noch nicht lange, erst seit ein paar Tagen. Ich hab’s mit dem kleinen Plektrum-Teil da versucht, aber ich komme damit nicht klar, also benutze ich meine Finger.“   „Was für eine Art Gitarre?“   „Akustik, aber wenn ich irgendwann mal richtig spielen kann, will ich auf E-Gitarre wechseln.“   Eren und E-Gitarre? Das war keine gute Kombination. Oder eher, das war keine leise Kombination. Jean schnaubte. „Deine Nachbarn tun mir jetzt schon leid.“   „Fresse! Ich bin echt gar nicht mal so schlecht für einen Anfänger, das meint sogar Mikasa!“   „Ja. Klar.“   „Ich mein’s ernst! Soll ich’s dir beweisen?“   „Bitte nicht, ich brauch meine Ohren noch.“   Eren boxte ihm mit ihren verschränkten Händen gegen die Brust. „Blöder Wichser.“   Jean seufzte nur müde. „Ich brauch eine Kippe“, teilte er ihm mit. „Die Matheklausur hat mein Gehirn total gefickt.“   Eren hob eine Augenbraue. „Ich dachte, du rauchst nicht mehr?“   Jean hatte dem Rauchen tatsächlich vor einigen Monaten abgeschworen, aber manchmal… Manchmal war diese leise Stimme in seinem Kopf, die nach Nikotin bettelte, immer noch zu hören. „Heute ist eine Ausnahme.“   „Willst du eine von mir haben?“   „Rauchst du nicht diesen Menthol-Mist?“ Jean kräuselte die Nase.   „Das ist kein Mist! War ja nur ein Angebot, du musst es nicht annehmen. Eigentlich hast du eh keine Kippe verdient.“   „Boah, Eren, geh mir nicht auf den Sack. Ich hab jetzt echt keinen Nerv für den Scheiß.“   Eren betrachtete ihn, die Augenbrauen immer noch erbost zusammengezogen, bis sich seine Mimik langsam entspannte. Vielleicht hatte er die Müdigkeit in Jeans Körper gesehen. Oder vielleicht lag es daran, dass Jean ihn tatsächlich bei seinem Vornamen genannt hatte, was er sonst so gut wie nie tat. Auf jeden Fall musste er irgendetwas in Jean gesehen haben, dass seine Züge erweichen ließ.   „Kippe?“, fragte er nochmal nach, die Stimme beinahe sanft.   Jean entwich ein Seufzen. „Kippe“, bestätigte er und rieb sich mit der freien Hand übers Gesicht. „Obwohl ich gar nicht weiß, ob ich die mit links überhaupt anständig gehalten bekomme ohne mich zu verbrennen. Meine linke Hand ist wie so ein toter Fisch, die kann gar nichts.“   Eren musste lachen und bückte sich, um einhändig seine Schachtel Zigaretten aus seinem Rucksack hervorzukramen. „Welch ein Glück, dass ich eine freie rechte Hand hab, huh? Lass uns die Kippe teilen.“   Jean beobachtete, wie Eren mit angestrengter Miene versuchte die Schachtel zu öffnen und kläglich dabei versagte. Schmunzelnd lehnte sich Jean herüber und half ihm. „Wie gut nur, dass ich eine freie linke Hand hab, huh?“, neckte er ihn.   Eren streckte die Zunge heraus und schaffte es nun Dank ihrer Teamarbeit tatsächlich, einen Zigarettenstängel herauszuziehen.   Eigentlich war es bescheuert, wie kompliziert sie die ganze Geschichte angingen. Es war ja nicht so, als ob sie unter strenger Beobachtung standen, niemandem würde auffallen, wenn sie ihre Strafe für ein, zwei Minütchen unterbrachen.   Aber sie waren stur. Beide. Sie mochten die Herausforderung und wenn es ein gemeinsames Ziel gab, dann konnten sie sogar überraschend gut zusammenarbeiten. Das wurde auch Jean bewusst, als er sich die Zigarette zwischen die Lippen steckte und Eren sie für ihn anzündete.   Er schloss die Augen und nahm einen tiefen Zug, nur, um gleich darauf angewidert das Gesicht zu verziehen. „Gott, schmeckt das scheiße“, nuschelte er und fluchte, als ihm die Kippe dabei fast aus dem Mundwinkel fiel.   „Du schmeckst scheiße“, konterte Eren sehr reif und entfernte die Zigarette, um sich nun selbst einen Zug zu gönnen.   Jean fuhr mit der Zunge über seine Unterlippe. Pfefferminz. Aber in eklig. „Jetzt, wo ich den Scheiß rauche, auf jeden Fall.“   „Meine Fresse, du bist auch nie zufrieden, du Diva.“ Seufzend tippte Eren etwas Asche ab. „Du musst sie nicht rauchen, wenn du sie so schrecklich findest. Niemand zwingt dich dazu, Mann. Ich wollte nur nett sein.“   „… Ich weiß.“ Jean seufzte ebenfalls und drückte Erens Hand. „Ich will trotzdem noch einen Zug. Oder zwei oder drei. Egal, solange ich diese beschissene Klausur aus meinem Kopf bekomme.“   Eren grinste ihn an und pustete etwas Rauch aus seinem Mundwinkel. „Mach schön ‚Ahhh‘“, flötete er und fuchtelte mit der Zigarette vor Jeans Gesicht herum. „Hier kommt das Vögelchen!“   „Du hast sie echt nicht mehr alle, Jäger, ich glaub, das Menthol ist dir aufs- hmpf!“   Eren lachte nur, als Jean fast verreckte, da ihm die Kippe gewaltsam in den Mund geschoben wurde.   Schweigend teilten sie den Rest der Zigarette auf, bis schließlich nur noch ein Stummel übrig war. „Du hast die Ehre, den letzten Zug zu nehmen“, meinte Eren feierlich und hielt ihm die Zigarette hin. Jean kam ihm entgegen.   Allerdings war diese inzwischen so kurz gebrannt, dass Jeans gespitzten Lippen unweigerlich Erens Finger berührten. Beinahe wie bei einem Kuss.   Die Haut schmeckte größtenteils nach der Menthol-Zigarette, dennoch konnte Jean aber auch einen Hauch von Salz und irgendetwas anderem wahrnehmen.   Es war… seltsam, aber nicht unbedingt… schlecht.   Jean mochte Erens Hände.   Er mochte, wie groß und kräftig sie waren, aber dennoch weich.   Er mochte, wie gut sie in seine eigene Hand passten.   Er mochte, wie sie sich gegen seine Lippen gepresst fühlten.   Klar, Erens Hände hatten auch Nachteile. Jean bekam sie viel zu oft ab, wenn sie zu Fäuste geballt waren, und auch die Art und Weise, wie Eren beim Reden so wild mit ihnen gestikulierte war mehr als nur ein bisschen nervig.   Aber alles in allem musste Jean gestehen, dass er in den letzten Woche eine gewisse… Zuneigung für sie entwickelt hatte.   Deswegen löste dieser „indirekte Kuss“ auch solch ein ungewohntes und überraschendes Kribbeln in seinem Bauch aus, dass Jean sich am Rauch verschluckte und anfing zu husten.   Eren wich daraufhin erschrocken zurück und ließ den Stummel mit einem Fluchen fallen, als er sich an der Glut verbrannte. „Super gemacht, Pferdegesicht, du hast den letzten, den besten, Zug versaut. Glückwunsch.“   „Fick dich!“, röchelte Jean und rieb sich die Tränen aus dem Gesicht. Sein Gesicht war komplett rot angelaufen. „Außerdem ist der, ugh, der erste Zug der beste.“   „Du hast keine Ahnung, Mann.“ Kopfschüttelnd trat Eren die Zigarette aus und lachte, als er die Rötung in Jeans Gesicht sah. „Gott, du siehst aus wie Tomate, haha! Da fällt mir ein, was ist eigentlich mit meinem Beanie?! Den hast du doch noch, krieg ich den auch irgendwann mal wieder?“   Das stimmte, den hatte Jean tatsächlich noch. Warum? Das konnte er nicht sagen. Vielleicht, um Eren zu ärgern.   „Zu spät, das Scheißding liegt schon längst im Müll.“   „Kirschstein. Wenn das stimmt, dann-“   „Oh mein Gott, entspann dich, du Trottel. Die liegt irgendwo zuhause rum, muss ich mal suchen.“   „Tsk.“ Eren schnalzte mit der Zunge. „Hey, du kommst am Samstag auch mit Armin und Co. in den Vergnügungspark, oder? Dann gib sie mir da wieder.“   Ah. Ja, stimmt, da war ja etwas.   Jean hatte keine Ahnung, was ihn geritten hatte, um diese Einladung tatsächlich anzunehmen. Wahrscheinlich hatte ein Dämon für einen kurzen Augenblick Besitz von ihm ergriffen.   Armin war zwar ein Freund von ihm, aber tatsächlich hatten sie sich noch nicht allzu oft in ihrer Freizeit getroffen. Wenn, dann eigentlich nur, um gemeinsam zu büffeln.   Und dann war da natürlich auch noch Eren dabei, den Jean noch nie außerhalb ihrer Schulzeit getroffen hatte.   Nachdenklich befeuchtete Jean seine Lippen und nickte.   Das würde definitiv… interessant werden.     ~xXx~     Jägermeister: yoo   Jean staunte nicht schlecht, als er sein Smartphone entsperrte und ihn auf einmal dieser ziemlich eindeutige Name in seinen Chats begrüßte. Jägermeister. So einen bescheuerten Namen konnte sich nur einer geben…   Trotzdem tippte Jean das Profilbild an, um sicherzugehen und jepp; große, grüne Augen, ein fettes Grinsen, zerzaustes braunes Haar. Das war eindeutig Eren Jäger. Aber wie kam der Kerl an seine Nummer?!   Sie waren nie gut genug miteinander befreundet gewesen, um Nummern auszutauschen. Obwohl, einmal hatte Eren tatsächlich seine Nummer von Armin, dem Verräter, bekommen, aber Jean war sich sicher, dass er ihn damals blockiert hatte…   TheOneAboveAll: Oh nein   Jägermeister: oh doch lol   TheOneAboveAll: Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich dich blockiert hab?!   Jägermeister: LOL   Jägermeister: meine alte nummer vllt :-P   Oh Gott, Eren benutzte tatsächlich Smileys mit Nase. Smileys. Mit Nase. Solch eine Widerlichkeit hätte eigentlich sofort wieder ein Blockieren verdient.   TheOneAboveAll: Wie bist du überhaupt an meine Nummer gekommen?   TheOneAboveAll: Ist Armin mir wieder in den Rücken gefallen, der Penner?!   Jägermeister: nah   Jägermeister: habs von der klassengruppe lol   TheOneAboveAll: Das ist tatsächlich überraschend intelligent von dir gewesen, Jäger, ich bin beeindruckt   Jägermeister: fuuuu   Jägermeister: blockierst du mich jetzt wieder   Das war tatsächlich eine sehr gute Frage… Jean runzelte die Stirn. Damals, als er Eren blockiert hatte, war ihre Rivalität am größten gewesen, aber inzwischen… Inzwischen hatte sich die ganze Geschichte ein wenig entspannt.   Zum Glück! Jean wusste nicht mehr, wie viele Halsbonbons er damals lutschen musste, weil das Gebrülle mit Eren ihn regelmäßig heiser gemacht hatte…   TheOneAboveAll: Ich weiß nicht, sollte ich?   Jägermeister: nee   Jägermeister: ich mein wir sind freunde oder nicht   Freunde… Jean biss sich auf die Unterlippe. Er und Eren. Befreundet. Ein befremdlicher Gedanke.   Seufzend rieb er sich das Gesicht. „Befreundet mit Eren fucking Jäger.“   Wann genau war das passiert? Jean wusste es nicht. Es war wohl irgendwie schleichend passiert in den letzten Tagen und Wochen, in denen sie Händchenhaltend die Pause verbracht hatten.   Eren sah ihn wirklich als Freund an und das löste Dinge in Jean aus, die er nicht beschreiben konnte. Dinge, die er lieber ignorieren wollte, also beschloss er, die sicher Variante zu nehmen.   „Du bist so ein Schisser, Kirschstein“, murmelte er mit einem Seufzen und tippte seine Antwort.   TheOneAboveAll: … Ich würde uns eher als Freinde bezeichnen   Jägermeister: wtf ist das   TheOneAboveAll: Eine Mischung aus Freunde und Feinde   Jägermeister: lol   Jägermeister: ok ja das akzeptier ich   Jägermeister: :-D   TheOneAboveAll: Musst du ernsthaft Smileys mit Nasen machen   Jägermeister: was hast du denn für probleme loool   Jägermeister: sei mal nicht so diskriminierend du hast schließlich auch einen riesigen zinken also lass die smileys ihre nase haben   TheOneAboveAll: Fick dich, Jäger   TheOneAboveAll: Hast du mich nur angeschrieben, um mich zu nerven oder wolltest du tatsächlich irgendwas?   Jägermeister: ich wollte dich was fragen   TheOneAboveAll: Die Antwort ist Nein   Jägermeister: hahaha jean du bist ja sooooo lustig   Jägermeister: was ist dein lieblingslied   TheOneAboveAll: I hate everything about you :)   Jägermeister: hahaha ist das nicht ein liebeslied   Jägermeister: diss nach hinten losgegangen lol   Jägermeister: owned   TheOneAboveAll: …   Jägermeister: :-*   TheOneAboveAll: Fick dich. Hart.   Jägermeister: ohhhh jeannnnn   Jägermeister: ich steh drauf wenn du mich sextest   TheOneAboveAll: Oh mein Gott, ich blockier dich   TheOneAboveAll: Bye   Jägermeister: neeinn   Jägermeister: komm schon   Jägermeister: was ist dein fave song   TheOneAboveAll: Du bist unmöglich   TheOneAboveAll: Kill All Your Friends   TheOneAboveAll: Von My Chemical Romance   Jägermeister: ernsthaft   Jägermeister: oder versuchst du wieder mich zu dissen   TheOneAboveAll: Ernsthaft   Jägermeister: omg du emo lol   TheOneAboveAll: Entschuldige mal, aber MCR ist die beste Band, die es je gab und geben wird???   TheOneAboveAll: Tausendmal besser als der Screamo Scheiß, den du immer hörst   Jägermeister: wird bei mcr nicht auch manchmal geschrien lol   TheOneAboveAll: Manchmal, aber nicht konstant wie bei deinem Dreck   Jägermeister: fu ich hör keinen dreck mein geschmack ist premium   TheOneAboveAll: Lmao, träum weiter   TheOneAboveAll: Warum interessiert dich das überhaupt?   Jägermeister: weil ich dir beweisen will dass ich tatsächlich gut an der gitarre bin   Jägermeister: also werde ich jetzt deinen lieblingssong lernen und dich vom gegenteil überzeugen!!!!!!   Wow… Wow, okay, das war…   Das war irgendwie… süß?   Eren Jäger und süß waren zwei Sachen, die eigentlich überhaupt nicht zusammen passten, aber in diesem Fall? Jean konnte nicht leugnen, dass das echt verdammt süß war.   Und sogar irgendwie romantisch… So romantisch, dass Jeans Herz, was insgeheim total auf Kitsch abfuhr, direkt einen Takt schneller schlug.   „Fuck, Eren.“ Mit einem Seufzen legte Jean den Arm über seine Augen. „Was machst du nur mit mir…“     ~xXx~       „Komm mir bloß nicht zu nahe mit dem Scheiß!“   „Stell dich nicht so an, Kirschstein!“   Augenrollend kam Eren einen Schritt näher, aber Jean sprang defensiv zur Seite.   „Meine Fresse, Jean!“ Langsam, aber sicher verlor Eren die Fassung. „Das sind nur scheiß Ohren, was ist daran so schlimm? Wir haben alle ein Paar auf!“   Mit zusammengepressten Lippen starrte Jean auf den Kopfschmuck, den Eren in seinen Händen hielt. Mauseohren. Natürlich bot der Vergnügungspark das zum Verkauf an. Die Ohren an sich waren auch nicht das Problem, die sahen tatsächlich ganz… niedlich aus. Sogar auf Erens Kopf.   Nein, das Problem war…   „Warum zur verfickten Hölle muss ich Minnie sein?!“   Eren brach in Gelächter aus. „Oh mein Gott, ist deine Männlichkeit echt so zerbrechlich, dass dir das Sorgen bereitet?!“   Jean spürte, wie seine Wangen heiß wurden. „Fick dich. Warum ziehst du dir dann nicht einfach die Minnie-Ohren an, huh?!“   „Weil sie dir besser stehen würden.“ Mit einem Grinsen trat Eren näher. „Du bist schließlich genauso süß wie Minnie.“   Jeans Gesicht wurde noch heißer. „Oh, haha, Jäger, glaub gar nicht erst, dass du mich mit falschen Komplimenten weich geklopft bekommst.“   Eren zuckte mit den Schultern. „Einen Versuch war es wert“, meinte er mit funkelnden Augen und kam noch etwas näher. „Ihr seid beides Prinzessinnen, also passt’s. Und jetzt komm endlich her.“   „Minnie ist doch keine Prinzessin“, brummte Jean, sein Blick misstrauisch auf die gepunktete Schleife gerichtet, die sich zwischen den schwarzen Ohren befand.   „In Kingdom Hearts schon.“   „In Kingdom Hearts ist sie Königin, du Honk.“   „Noch besser, du Drama Queen.“   Eren blieb schließlich vor ihm stehen, immer noch dieses Funkeln in den Augen, und grinste.   Jeans Augen huschten für einen Moment über sein Gesicht, über die kleinen Lachfältchen, die ganz leicht an seinen Augenwinkeln zu sehen waren, dann über die Sommersprossen, die jetzt, wo die Sonne immer öfter zum Vorschein kam, vereinzelt auf seiner Nase und seinen Wangen vorzufinden waren.   Langsam blickte Jean zur Seite, zum Rest ihrer Gruppe, die ihr Spektakel mit einer Mischung aus Humor und Entnervung beobachtete.   Seufzend ließ er die Schultern hängen. „Na schön, aber nur, wenn du drankommst, du Zwerg.“   Eren musste sich tatsächlich auf die Zehenspitzen stellen, damit er ihm den Haarreif überziehen konnte, aber Jean ließ ihn gewähren und holte dann abermals seufzend sein Smartphone heraus, um seine neuen Ohren in der Spiegelung des Displays betrachten zu können.   „Du bist so süß, Jean!“, rief Sasha ihm zu, den Mund voller Popcorn.   „Fresse.“ Jean zeigte ihr den Mittelfinger, musste aber zugeben, dass er tatsächlich gar nicht mal so schlecht aussah mit den Minnie-Ohren.   Ihm stand halt eben doch alles; er war ein geborenes Model.   Deswegen öffnete er auch prompt die Kamera-App seines Handys, um für ein Selfie zu posieren.   Er konnte solch einen Augenschmaus seinen zahlreichen Instagram-Followern schließlich nicht vorenthalten!   Eren, der sein Tun beobachtete, brach in Gelächter aus. „Oh Mann, es ist so komisch, dein Instagram-Gesicht mal im Real Life zu sehen!“   Jean runzelte für einen Moment die Stirn, bevor er der Kamera wieder sein attraktivstes Schmunzeln zeigte. „Ich hab keine Ahnung, wovon du sprichst, Jäger. Wie so oft.“   Eren gab ein genervtes Geräusch von sich. „Na, das!“, meinte er, als würde das seinen Wortdurchfall erklären und deutete mit den Fingern auf Jean. „Du hast auf deinen Instagram Fotos immer diesen… Gesichtsausdruck.“   „Gesichtsausdruck“, wiederholte Jean tonlos.   „Ja! Dieses… Schmunzeln und die Art und Weise, wie du die Augenbrauen machst. Ich kann’s nicht beschreiben, aber dieses ‚Ich-bin-der-Geilste‘-Gesicht halt. Das machst du gerade auch. Und es sieht im Real Life noch lächerlicher aus als auf deinen Fotos.“   Jean betrachtete seine missmutige Grimasse in der Kamera und seufzte, als der Bildschirm seines Smartphones schwarz wurde. „Ich weiß, du kannst das mit deinen mickrigen 50 Followern nicht nachvollziehen, Eren, aber ich habe Fans. Hast du mal gesehen, wie viele Likes meine Selfies bekommen? Hast du die Kommentare gelesen?“   Es gab viele Dinge, auf die Jean nicht stolz war, aber seine Popularität in den sozialen Medien? Das war etwas, was er seinen Freunden andauernd unter die Nase rieb!   „Hey, ich hab fast 500 Follower, du Arsch!“   „500“, wiederholte Jean mit einem überheblichen Lachen. „Wie niedlich. Ich hab fast 10000.“   Eren rollte mit den Augen. „Fick dich, die meisten davon sind doch eh Bots. Oder gekauft“, meinte er mit einem fiesen Grinsen.   Jean spürte einen Muskel in seiner Wange zucken. „Die hab ich mir hart erarbeitet, Arschloch!“   „Ja… Indem du ihnen deine Titten zeigst. Jedes dritte Selfie von dir ist oben ohne. Du verkaufst quasi deinen Körper, Mann!“   Das ließ Jean aufhorchen. „Oh? Du scheinst dich ziemlich gut mit meinem Account auszukennen, Jäger.“ Er warf ihm einen anzüglichen Blick zu. „Vielleicht sind das ja keine Bots, sondern alles Fake Accounts von dir, mit denen du deine unsterbliche Liebe für mich erklärst, weil du zu schüchtern bist, es mir mit deinem richtigen Account zu sagen?“   Eren kam einen Schritt auf ihn zu. In seinen grünen Augen war ein Funkeln, das Jeans Bauch zum Kribbeln brachte.   „Ich bin nicht schüchtern“, sagte Eren, stützte sein Kinn auf Jeans Schulter ab und blickte mit einem Peace-Zeichen in Richtung Kamera. „Und jetzt mach endlich dein Selfie, damit wir weiter können.“   Eren war so nah, dass Jean seinen warmen Atem an der Seite seines Halses spüren konnte. Es ließ ihn erschaudern, was Eren dazu brachte, noch breiter zu grinsen. Was für ein Penner.   „Nimm dein fettes Gesicht aus meinem Selfie“, brummte Jean, als er wieder die Kamera aktivierte, versuchte Eren aber nur mit einem halbherzigen Schulterzucken von seiner Pelle zu bekommen.   Als das Selfie (oder die Selfies; Jean war eitel und machte deswegen immer mehrere Fotos aus den verschiedensten Winkeln) erlegt war, kehrten sie zusammen zur Gruppe zurück und machten dort erst einmal noch mehr Selfies, diesmal mit allen zusammen.   Nachdem auch das Fotoshooting erledigt war, konnte das Erkunden des Vergnügungsparkes endlich weitergehen.   Oder zumindest die Erkundung all der Fressbuden, da es Sasha und Connie nicht lassen konnten, sich bei jedem verdammten Stand etwas zu essen zu kaufen.   „Es ist ein Wunder der Natur, dass Sasha inzwischen noch nicht geplatzt ist.“ Stöhnend ließ sich Jean auf eine Parkbank nieder, während die Fressmaschine sich bei der Schlange für die nächste Mahlzeit anstellte: Churros.   Was auch immer das war, Jean hatte keine Ahnung. Der Park war vollgestopft mit nicht-japanischen Essen, wahrscheinlich war Sasha deswegen so scharf darauf, alles mal probiert zu haben. Solch ausländische Spezialitäten gab es schließlich nicht überall.   „Nicht, dass sie nachher noch kotzen muss“, meinte Eren und setzte sich neben ihn hin. „Es gibt nämlich noch einige Achterbahnen, die ich ausprobieren will!“   Achterbahnen… Allein beim Gedanken daran wurde Jean schon ganz grün im Gesicht. Höhe und er waren nicht gerade die dicksten Freunde, aber irgendwie würde er damit schon klar kommen. Das einzige, womit er definitiv nicht klar kommen würde, waren Geisterbahnen… Da würde ihn keine zehn Pferde rein bekommen.   Jean richtete seufzend seine Mausohren, während sich die Essenschlange im Schneckentempo bewegte, und ließ seinen Blick umher schweifen. Der Park war heute echt voll, aber kein Wunder, es war schließlich Wochenende.   Eren, der sich die Wartezeit mit der Einnahme von Nikotin vertrieb, hielt ihm plötzlich eine Kippe vor die Nase. „Gibt es noch irgendwelche Attraktionen, wo du unbedingt drauf willst?“   Mit einem dankbaren Brummen nahm Jean die Zigarette an. „Diese Wasserbahn sieht cool aus“, meinte er und nahm einen Zug. „Da will ich unbedingt rein, aber die Warteschlange ist abartig.“ Er neigte den Kopf zur Seite, damit er Eren den Rauch nicht ins Gesicht blies, und gab ihm die Zigarette zurück.   Auch das war irgendwie ein Ding geworden, was sich in den letzten Wochen etabliert hatte; das Teilen von Zigaretten.   Jean war zwar immer noch nicht wieder unter die Raucher gegangen, zumindest nicht richtig, aber wann immer Eren eine qualmte, teilte er die Zigarette mit ihm und Jeans Herz war zu schwach, um das ihm angebotene Nikotin abzulehnen.   Rauchen war schließlich immer noch eine Sucht und so ganz schien Jean doch noch nicht von ihr los gekommen zu sein. Aber es war schon ganz gut, dass er sich immer öfter Kippen mit Eren teilte. Der Kerl rauchte schließlich viel zu viel, da tat ihm ein wenig Reduzierung sicherlich gut!   Nicht, dass Jean sich um seine Gesundheit oder so scheren würde.   Pah!   Menthol-Zigaretten waren zwar immer noch abscheulich, aber Jean war ein Gewöhnungstier und an den Geschmack hatte er sich inzwischen so weit gewöhnt, dass er ihn fast vollständig ignorieren konnte.   Was er aber ganz sicher nicht ignorieren konnte, war wie Connie, der Spast, auf ihn und Eren deutete und dann ein Herz mit den Händen formte.   „Geh sterben, Springer“, war Jeans Antwort, während Eren ihm beide Mittelfinger zeigte und dann Jean die Zigarette überreichte.   „Ihr lauft sogar schon im Partnerlook herum, das ist so süß!“, flötete Connie und spielte darauf an, dass Jean Minnie- und Eren Mickeyohren trug.   „Weißt du was auch süß ist?“ Jean warf ihm ein liebliches Lächeln zu. „Meine Faust in deinem Gesicht, also komm her, damit ich dir die Fresse polieren kann!“   Connie lachte daraufhin nur, was Jean ein verärgertes Schnauben entlockte. Er warf Eren einen Seitenblick zu, da er beinahe verdächtig ruhig auf die ganze Geschichte reagierte.   Auch Armin schien dies aufzufallen. „Ich find’s gut, dass ihr euch endlich besser versteht“, meinte er mit einem Lächeln und verschränkte die Arme hinterm Rücken. „Ich wusste immer, dass ihr richtig gute Freunde werden könntet, wenn ihr euch nur ein wenig Mühe gebt.“   Mikasa nickte zustimmend. „Eren wird langsam erwachsen“, meinte sie, beinahe wehmütig, und drehte eine Haarsträhne um ihren Finger.   „Huh?! Willst du damit etwa sagen, dass ich mich sonst kindisch benehme?!“, fuhr Eren sie sofort an, was die Gruppe zum Lachen brachte.   „Manche Dinge ändern sich wohl nie“, sagte Armin und kratzte sich an der Wange. „Aber du bist tatsächlich viel ruhiger geworden, Eren. Sieht so aus, als ob die Medikamente wirken. Das ist schön.“   „Medikamente?“ Jean hob beide Augenbrauen. „Für was?“   Eren nahm einen letzten Zug von der Zigarette und schnipste sie dann zu Boden. „ADHS.“   „Oh“, sagte Jean etwas dümmlich. Er hatte gar nicht gewusst, dass Eren an ADHS litt. Das erklärte aber tatsächlich einiges an seinem Verhalten, wie seine Impulsivität oder das ständige Herumgezappel.   „Wie lange nimmst du die schon?“   Eren rieb sich mit dem Handrücken über die Nase. „Keine Ahnung, einen Monat oder so?“   Ah. Und hier dachte Jean schon, dass ihre neu aufkeimende Freundschaft vielleicht ein Faktor sein könnte, warum Eren langsam etwas zur Ruhe zu kommen schien und sie sich nicht mehr so oft an die Gurgel gingen.   Wie naiv von ihm.   „Ich denke, das Gitarrenspielen hilft auch“, meinte Mikasa und zupfte an ihrem Schal herum. Schal. Im Frühling. Das Mädchen war verrückt. „Er übt jeden Tag an diesem Song für dich, Jean. Stundenlang.“   „Mikasa!“, fuhr Eren sie aufgebracht an.   „Was? Stimmt doch.“   „Na und? Das muss er doch nicht wissen!“   Mikasa ignorierte den hitzigen Blick, der ihr zugeworfen wurde. Wahrscheinlich war sie dagegen inzwischen schon immun. „Eren singt dabei auch.“   „MIKASA!“   „Oh?“ Mit einem fiesen Schmunzeln drehte sich Jean in Erens Richtung. „Planst du etwas, mir ein Ständchen zu singen? Wer hätte geahnt, dass du solch eine romantische Ader hast, Jäger.“   „Ihr seid alle scheiße“, meinte Eren und zog sich hastig die Kapuze seines Hoodies ins Gesicht. Allerdings nicht schnell genug, Jean hatte dennoch den Rotschimmer auf seinen Wangen sehen können. Hah! Der Braunhaarige sprang auf. „Ich hab keinen Bock mehr zu warten, ich geh schon einmal weiter.“   Mikasa blickte ihm hinterher. „Männer“, meinte sie augenrollend und folgte ihm.   Jean grinste nur, während sich eine angenehme Wärme in seiner Brust ausbreitete.   Die gute Laune verging ihm allerdings, als sie gut eine halbe Stunde später an seinem Albtraum vorbei kamen: der Geisterbahn. Zu seinem Erschrecken musste er feststellen, dass es nicht mal eine Bahn war, sondern stattdessen eins dieser Gruselkabinetts, wo man tatsächlich selbst durchlaufen musste.   Noch schlimmer!   „Da will ich rein!“, rief Eren, der Arsch, natürlich sofort lauthals und blieb abrupt stehen. „Die Schlange ist sogar gar nicht mal so lang!“   Panisch blickte Jean zu Armin herüber, der der einzige aus ihrer Gruppe war, der es irgendwie schaffte, Eren und seine bescheuerten Ideen zu bändigen.   Gutmütiger, zartbesaiteter Armin.   Seine Rettung.   Nie im Leben würde der Blonde ihm in den Rücken fallen und-    „Klingt gut!“, erwiderte Armin, ein aufgeregtes Funkeln in den blauen Augen.   Verletzt und hintergangen packte sich Jean an die Brust, die Finger in den Stoff seines Shirts gekrallt. „Verräter“, zischte er ihm zu.   Armin lächelte ihn entschuldigend an. „Es wird schon nicht so schlimm, Jean. Wenn du möchtest, kannst du auch draußen warten.“   Doch die Aussage war natürlich gefundenes Fressen für Eren Arschgesicht Jäger. „Oh?!“ Mit einem bösartigen Grinsen lehnte er sich näher an Jean heran. „Hast du etwa Schiss, Kirschstein?!“   Jean knirschte so hart mit den Zähnen, dass es wehtat. „Hah. Als ob, Jäger.“   Und so unterschrieb Jean mit seinem verfluchten Stolz sein Todesurteil und trat zehn Minuten später in das Gruselkabinett ein.   Es war dunkel. Natürlich war es das. Einerseits gut, dann bestand vielleicht die Möglichkeit, dass Jean den einen oder anderen Schrecker übersah. Einerseits war es aber auch absolut beschissen, da es so umso grässlicher war, wenn plötzlich jemand hervorsprang.   So oder so war Jean gefickt.   Und das nicht auf die gute Art und Weise.   Steif wie ein Brett und mit zittrigen Knien folgte Jean seinen Freunden immer tiefer in die Dunkelheit des Hauses, bedacht darauf, zumindest hinter Eren zu laufen, damit dieser seine Panikattacken nicht mitbekam.   Doch ganz hinten in der Gruppe zu sein war eine dumme Idee. Eine sehr, sehr dumme Idee.   Das bekam Jean kurz darauf am eigenen Leibe zu spüren, als ihm plötzlich jemand mit einem Grölen in den Nacken fasste.   Mit einem Schrei, der eine rollige Katze in Neid erblassen ließ, krallte Jean seine Finger in die nächstbeste Person – Eren – , presste sie wie ein Schutzschild an seine Brust und drehte sich schlotternd um, um den Tod in die Augen zu blicken.   Es war eine Art… Monster. Keine Ahnung, Jean konnte den Anblick nur für eine Millisekunde ertragen, bevor er ängstlich die Augen zusammen kniff.   Eren brach in Gelächter aus. Er war so nah an Jean gepresst, dass er das Beben seines Körpers sogar spüren konnte. „Hahaha! Ach, komm, Alter, das Vieh ist doch eigentlich ganz süß!“   „Fick dich!“, entgegnete Jean, doch die Beleidigung verlor aufgrund seiner klappernden Zähne ihre Wirkung.   „Aw“, machte Eren. „Ernsthaft. So hässlich ist der gar nicht. Sieht dir sogar irgendwie ein wenig ähnlich, als ob ihr verwandt wärt oder so. Deine Mutter vielleicht?“   Jean krallte seine Finger mit mehr Kraft in Erens Schultern. „Fick. Dich“, wiederholte er, war inzwischen aber tatsächlich mutig genug, um blinzelnd die Augen aufzuschlagen.   In der Dunkelheit konnte er nicht allzu viel erkennen, aber süß war das Monster definitiv nicht!   „Roahr!“, machte das Monster und fuchtelte mit den Armen herum.   „Roahr“, machte Eren zurück und streckte dem Vieh die Zunge heraus. Dann drehte er sich in Jeans Armen um. „Lass uns weitergehen, sonst verlieren wir den Anschluss.“   Jean blinzelte und sah sich um. In der Ferne war ein Schrei zu hören und dann lautes Gegacker. Connie und Sasha, eindeutig.   Ihre Freunde waren tatsächlich ohne sie weitergegangen. Wie herzlos! Jean hätte sterben können, verdammt!   Er ließ einen zittrigen Atemzug aus und so setzten sie sich gemeinsam in Bewegung. Zum Glück war es düster genug, dass Eren den Ausdruck des bodenlosen Schams nicht in Jeans Gesicht erkennen konnte.   Jean kam sich nämlich wie der letzte Vollidiot vor.   Besonders, als Eren einige Sekunden später am Saum seines Shirts zupfte und ihm so noch einen… ahäm, männlichen Schrei entlocken konnte.   Oberarsch Eren lachte. „Sorry, ich wollte dich nicht erschrecken.“   „Natürlich nicht, du Bastard.“   „Echt nicht! Ich wollte fragen, ob du Händchenhalten willst.“   Jean blieb verdutzt stehen. „Machst du dich gerade über mich lustig, Jäger?!“   Eren blinzelte. „Nein?“, war seine Antwort. Er zupfte nochmal an seinem Shirt herum. „Ich kann’s nur nicht ertragen, wie absolut angespannt du hier rumläufst. Denn ganz ehrlich? Das macht mich irgendwie nervös.“   Jean starrte ihn fassungslos an.   „Und naja, ich dachte, Händchenhalten würde helfen?“ Eren zuckte mit den Schultern. „Das haben wir inzwischen schon so oft gemacht, dass es sich bestimmt vertraut für dich anfühlen muss. So fühlt es sich nämlich für mich an.“   Jean war sich sicher, dass seine glühenden Ohren trotz der Dunkelheit zu sehen waren. „Ernsthaft? Was ist, wenn die anderen das sehen?“   „Ach komm, in der Dunkelheit doch nicht.“ Eren rollte mit den Augen. „Und wenn die anderen in Sichtweite sind, dann können wir uns ja auch wieder loslassen, also schieb kein Drama, Mann.“   „Dir ist auch nichts peinlich, oder?“   Eren grinste. „Du bist mir peinlich“, meinte er und streckte seine Hand mit wackelnden Fingern aus, „und genau deswegen hoffe ich, dass es dir hilft, nicht mehr so eine Memme zu sein.“   Jean ließ einen tiefen Atemzug aus der Nase aus. „Ich hasse dich“, sagte er, nahm die ihm angebotene Hand aber an.   Das Grinsen auf Erens Lippen wurde noch breiter. „Kann ich nur zurückgeben, Pferdegesicht.“   Der restliche Gang durch das Gruselkabinett war durch das Gefühl, Erens starke Hand in seiner zu halten, tatsächlich etwas angenehmer.   Naja, zumindest, bis aus der Tür vor ihnen plötzlich ein Horrorclown gestürmt kam, den Eren reflexartig die Faust mitten ins Gesicht knallte.   „Fuck, Eren! Bist du bescheuert, Mann?! Ich glaub, du hast ihm die Nase gebrochen! Scheiße, hier ist alles voller Blut! Oder ist das fake Blut?! FUCK!“ „Oops!“     ~xXx~     TheOneAboveAll: TheOneAboveAll schickt ein Foto   Jägermeister: omg   Jägermeister: ich kann nicht glauben dass du es dich tatsächlich wagst mir ein selfie mit MEINEM beanie zu schicken   TheOneAboveAll: :P   Jägermeister: >:-(!!!!   TheOneAboveAll: Lol   TheOneAboveAll: Hast du schon die Mathehausaufgaben gemacht?   Jägermeister: nee mach ich im bus lol   TheOneAboveAll: Fuck, ich brauch Hilfe bei der einen Aufgabe   TheOneAboveAll: Und da du schockierenderweise tatsächlich gut in Mathe bist dachte ich, dass du mir helfen kannst…   Jägermeister: meinst du helfen oder abschreiben lassen lol   TheOneAboveAll: … Abschreiben   Jägermeister: lmao   Jägermeister: kannste morgen in der ersten pause machen   TheOneAboveAll: Thx   Jägermeister: … wenn du mir dafür meinen beanie mitbringst 0:-)   TheOneAboveAll: Fick dich, ich frag Armin   Jägermeister: keine chance armin lässt dich nicht abschreiben bro   TheOneAboveAll: Ugh, wahrscheinlich   TheOneAboveAll: :(   Jägermeister: aw   Jägermeister: aber jetzt mal ehrlich mann gib einfach zu dass mein beanie voll cool ist und du ihn insgeheim magst und dann schenke ich ihn dir vllt sogar und du darfst ihn behalten   Jägermeister: VLLT :-D   TheOneAboveAll: Nope, den behalte ich als Waffe, damit ich dich erpressen kann!   TheOneAboveAll: Außerdem kann ich nicht zulassen, dass solch eine Monstrosität weiterhin auf die Menschheit losgelassen wird   Jägermeister: ich dachte du hasst menschen   Jägermeister: hast du mir nicht gestern erst diesen ellenlangen vortrag darüber gehalten warum menschen so scheiße sind und warum katzen die welt regieren sollten   TheOneAboveAll: Schön, dann kann ich nicht zulassen, dass unschuldige Katzenaugen dieses Wichsteil sehen müssen   Jägermeister: wichsteil lol   Jägermeister: ficker das ist immer noch ein verdammt cooler beanie und du weißt es   Jägermeister: u just mad bro   TheOneAboveAll: Jaja, red dir das nur ein, wenn es dir beim Schlafen hilft   Jägermeister: hey willst du mal was sehen   TheOneAboveAll: Nee, deine erbärmlichen Dickpics kannst du für dich behalten   Jägermeister: LOL   Jägermeister: in deinen träumen kirschstein   Jägermeister: Jägermeister sendet ein Video (0:32 Minuten)   Jägermeister: ein teaser lol   Jean drehte sich im Bett auf den Bauch und spielte das Video ab.   Es war Eren, der mit angestrengtem Gesichtsausdruck an den Saiten seiner Gitarre zupfte. Höchstwahrscheinlich von Mikasa aufgenommen.   Jeans Herz machte einen Hüpfer, als er die Melodie bereits nach wenigen Sekunden erkannte:   Kill All Your Friends von My Chemical Romance.   Jean erhöhte die Lautstärke des Videos und sah sich die ganzen 32 Sekunden an. Als das Video beendet war, spielte er es nochmal ab.   Gott, Jean hatte keine Ahnung, was mit ihm los war. Warum er es so verfickt romantisch und… ja, bezaubernd fand, dass Eren seinen Lieblingssong auf Gitarre lernte. Für ihn.   Entweder war sein Herz einfach nur viel zu schnulzig oder es war tatsächlich eine sehr romantische Geste. Ein Geste, deren Implikation sich Eren sicherlich nicht einmal bewusst war.   „Verdammt.“ Fluchend vergrub Jean sein Gesicht in seinem Oberarm und blieb so einige Sekunden liegen, bis er schließlich eine Antwort tippte.   TheOneAboveAll: Klingt scheiße…   Jägermeister: >:-(((((((((   TheOneAboveAll: … würde ich jetzt gerne sagen, aber es klingt tatsächlich besser als gedacht   Jägermeister: :-D!!!   Mit einem Stöhnen vergrub Jean erneut sein Gesicht.     ~ xXx ~     „Ich hätte nie gedacht, dass Eren dir einmal fremdgeht, Jeanbo.“   „Huh?“ Irritiert hob Jean den Blick von seinen Hausaufgaben und fixierte Connie. „Wovon laberst du?“   „Eren. Geht dir fremd.“ Mit einem gespielten Schluchzen strich sich Connie die imaginären Tränen aus dem Augenwinkel. „Heute ist ein trauriger Tag für die Liebe.“   Jean blickte ihn verständnislos an. „Ich hab immer noch keinen blassen Schimmer, wovon du laberst, Springer.“   Connie rollte mit den Augen. „Tja, wenn du wie ein normaler Mensch vielleicht die Pause nutzen würdest, um rauszugehen anstatt Hausaufgaben zu machen, dann hättest du es gesehen.“   Sasha erschien plötzlich im Türrahmen. „Eren hält mit jemand anderem Händchen!“, sagte sie und schob sich einen Schokoriegel in den Mund.   Jean spürte einen Muskel in seiner Wange zucken. „Als Bestrafung oder was?“   „Jepp!“ Connie nickte.   „Aha“, meinte Jean und blickte wieder auf seine Englischhausaufgaben. „Interessiert mich nicht. Der Depp prügelt sich doch andauernd.“ Er nahm seinen Bleistift in die Hand, doch anstatt damit zu schreiben, klopfte er stattdessen auf eine der Englischvokabeln.   Zuerst einmal, dann zweimal, dreimal.   „… Mit wem.“   „Floch“, antwortete Sasha und hielt sich die Ohren zu. Keine Sekunde zu früh.   Die Mine des Stiftes brach. „FLOCH?!“, wiederholte Jean schrill und sprang auf. Der Stuhl hinter ihm fiel zu Boden. „Floch Forster?!“   „Floch Forster“, bestätigte Sasha und trat sicherheitshalber zur Seite, als Jean in Richtung Tür stürmte. „Zeig ihm, wer der Boss ist, Jean!“   „Demonstrier deine Dominanz!“, feuerte Connie ihn an.   „T-Pose!“, rief Sasha wenig hilfreich.   „T-Pose!“, stimmte Connie mit ein.   „Haltet die Schnauze!“, fauchte Jean und dann war er auch schon auf dem Weg in Richtung Innenhof.   Es war nicht so, als ob er eifersüchtig wäre oder so, pah! Ganz bestimmt nicht! Aber Floch war ein riesengroßes Arschloch und ihn zusammen mit Eren, Hand in Hand zu sehen, das wäre…   … wäre…   Jean blieb vor ihnen stehen.   Die beiden Jungs saßen so weit voneinander entfernt, wie ihre Positionen es zuließen, die Köpfe in entgegengesetzte Richtungen gedreht. Händchenhalten konnte man das, was sie da taten, kaum nennen. Es waren lediglich ihre Fingerspitzen, die sich hauchzart berührten.   Dennoch löste dieser Anblick ein hässliches Gefühl in seiner Magengegend aus.   „Oh, sieh sich einer nur mal an, wie tief du gesunken bist, Jäger“, höhnte Jean und stemmte die Hände in die Fäuste. „Händchenhalten? Mit Forster?!“   Eren zuckte erschrocken zusammen. „Jean?!“ Seine Augen wurden groß, wirkten beinahe ertappt. Er hatte einen riesigen blauen Fleck auf der Wange, fiel Jean sofort auf, und auf seiner geschwollenen Unterlippe befand ein blutiger Kratzer.   „Oh, bitte, Kirschstein, schieb jetzt keine Eifersuchtsszene.“ Floch warf ihm einen abschätzigen Blick zu. Mit Befriedigung konnte Jean feststellen, dass sein rechtes Auge geschwollen war und er morgen wahrscheinlich ein nettes Veilchen haben würde. Sah so aus, als ob Eren den Kampf gewonnen hätte. Wenigstens das. „Ich bin schon gestraft genug.“   Jean lief knallrot an; eine Mischung aus Wut und Scham. „Eifersucht?!“, wiederholte er. Seine Stimme brach bei der zweiten Silbe. „Ich bin doch nicht eifersüchtig!“   Floch lachte humorlos auf. „Du bist so durchschaubar, du widerliche Schwuchtel.“   „HEY!“ Knurrend packte Eren ihn am Kragen seines Hemdes. „Nimm das sofort zurück, du Arschloch!“   Floch verengte die Augen. „Lass mich los, Jäger.“   „Erst, wenn du das zurücknimmst! Oder willst du unbedingt, dass ich dir auch noch das andere Auge blau schlage?!“   Floch sah so aus, als wolle er weiterhin protestieren, doch dann fiel sein Blick auf eine Lehrkraft, die sie argwöhnisch beobachtete. Er schnalzte mit der Zunge. „Ich nehm’s zurück“, sagte er, trocken und emotionslos.   Schweratmend kniff sich Jean in die Nasenwurzel und schloss die Augen. Langsam zählte er bis 10 und öffnete dann wieder die Lider. Das Bedürfnis, Floch eine reinzuschlagen, war immer noch riesig, aber er würde sich beherrschen müssen.   Jean hatte ganz bestimmt nämlich keinen Bock darauf, mit dem Wichser Händchenhalten zu müssen!   „Wie auch immer“, sagte er und drehte sich um. „Habt Spaß.“   „Jean! Alter!“, rief Eren ihm hinterher, aber Jean ignorierte ihn. „Jetzt sei doch nicht so, Mann.“   Jean zeigte ihm über seine Schulter hinweg den Mittelfinger und marschierte zurück in ihren Klassenraum, der inzwischen glücklicherweise wieder leer war. Gut, er wollte jetzt nämlich seine Ruhe haben.   Doch allzu lange wurde ihm sein Wunsch nicht gewährt, da eine gute Viertelstunde später Eren plötzlich rein getapst kam. Natürlich.   „Hey.“ Eren lehnte sich mit der Hüfte gegen den Türrahmen. „Wollen wir eine rauchen?“   Jean blickte auf sein Heft. Inzwischen hatte er sich von Englisch zu Physik vorgearbeitet. „Nee.“   „… Du bist nicht ernsthaft sauer, oder?“   „… Nee.“   Seufzend drückte sich Eren vom Türrahmen ab und bewegte sich auf ihn zu. „Du bist unmöglich“, meinte er und schnappte sich einen Stuhl, um sich schräg von Jean an seinen Tisch zu setzen. „Du bist wegen dem bescheuertsten Scheiß eifersüchtig.“   Jean spannte die Schultern an. „Ich bin nicht eifersüchtig, verdammt! Mir ist scheißegal, wer deine schwitzigen Flossen hält!“   „Uhuh“, machte Eren. „Genau deswegen reagierst du jetzt auch so gereizt. Weil es dir egal ist.“   „Weißt du was, Jäger?“ Jean deutete mit dem Stift auf Erens Gesicht, genau zwischen seine Augen. „Fick dich“, sprach er langsam. „Richtig hart.“   Eren blinzelte, dann nahm er Jean den Stift mit einem Grinsen aus den Fingern. „Wie krass eifersüchtig du halt einfach bist, wow, Alter, hahaha!“   Und als ob diese Aussage nicht schon schlimm genug wäre, malte der Arsch ihm auch noch einen Smiley in die Ecke seines Physikheftes. Selbstverständlich mit Nase. Wie konnte man nur so scheiße sein.   Seufzend verschränkte Jean die Arme auf dem Tisch und vergrub das Gesicht ihn ihnen. „Fick dich“, wiederholte er mit geschlagener Stimme.   Eren zerzauste ihm das Haar. „Glaub mir, ich wollte ganz sicher nicht mit dem Wichser Händchenhalten. Aber ich bereu’s nicht. Er hat Scheiße über dich gelabert.“   Jean drehte den Kopf zur Seite, sodass er nun mit der Wange auf seinem Arm lag und Eren in die Augen blicken konnte. Vorhin hatte Eren ihn auch schon verteidigt. Eine überraschend süße Geste, die vor einigen Wochen noch unvorstellbar gewesen wäre.   Denn damals wäre Eren derjenige gewesen, der Scheiße über Jean geredet hätte.   Aber jetzt war Eren derjenige, der Jean verteidigte, wenn Scheiße über ihn geredet wurde.   Sein blödes Romantiker-Herz machte einen Sprung. „Also hast du quasi meine Ehre verteidigt?“   Eren musste lachen. „Was für eine Ehre, Mann?“   Mit verengten Augen streckte Jean die Hand nach ihm aus und tippte mit dem Zeigefinger auf den blauen Fleck auf seiner Wange. Hart.   „Autsch, fuck!“ Eren nahm seine Hand und legte sie auf den Tisch ab. Los ließ er sie aber nicht, stattdessen verschränkte er sogar ihre Finger miteinander, während er mit der anderen Hand weiterhin abscheuliche Smileys in sein Heft kritzelte.   Jeans Blick ruhte für einigen Sekunden auf Erens schwarz lackierten Nägeln. Manchmal wünschte er sich echt Erens Scheißegal-Einstellung. Dem Braunhaarigen ging es am Arsch vorbei, was andere über ihn dachten. Wenn er sich die Nägel lackieren wollte, dann tat er es.   So einfach war das für ihn.   Eine wirklich bewundernswerte Einstellung. Jean wusste, dass er selbst viel zu sehr Wert auf die Meinung anderer Menschen lag. Es war traurig.   „Hey, willst du abhauen?“, fragte Eren ihn plötzlich. „Zu mir nachhause? Ich denk, ich bin gut genug, um dir den Song jetzt persönlich vorspielen zu können.“   „Jetzt?“ Jean hob eine Augenbraue und warf einen Blick auf die Wanduhr. „Wir haben noch drei Stunden Unterricht.“   „Scheiß drauf, lass uns schwänzen. Oder willst du unbedingt mit der irren Zoe Chemie machen?“   Nein, das wollte Jean ganz sicher nicht, also machten sie sich gemeinsam auf den Weg zum Jäger-Haus. Und ein prachtvolles Haus war es tatsächlich. Nicht wie die kleine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus, die sich Jean mit seiner Mutter teilte.   Nein, Erens Vater war ein erfolgreicher Arzt und dem Haus und dessen Inneneinrichtung nach zu urteilen verdiente er mit seiner Arbeit nicht gerade wenig Schotter.   Erens eigenes Zimmer sah dagegen wie das komplette Gegenteil aus; ein einziger Sauhaufen.   „Wow“, kommentierte Jean, als er den Haufen an zerknüllten Taschentüchern neben Erens Bett entdeckte. „Hast du deine Libido nicht unter Kontrolle oder was?“   „Ich bin krank, du Arsch“, meinte Eren und öffnete die schwarze Tasche in der Ecke des Raumes. Erst jetzt fiel Jean auf, dass seine Stimme tatsächlich etwas nasal klang.   „Ja, im Kopf“, erwiderte er und ließ sich aufs Bett fallen. „Das ist kein Geheimnis, Jäger.“   „Fick dich, Pferdegesicht.“   Schnaubend setzte sich Jean im Schneidersitz hin und sah sich um. Die Wände in seinem Zimmer waren voller Poster; Bands, Anime, Videospiele… Auch auf seinen Schränken war seine Liebe zu Videospielen in Form von Figuren wiederzufinden.   Interessant, Jean entdeckte einige Sachen, von denen er selbst auch Fan war. Es war immer wieder überraschend zu sehen, dass er und Eren im Grunde gar nicht so verschieden waren. Zumindest, was ihre Vorlieben angingen.   Der laute Klang einer Gitarrensaite lenkte seine Aufmerksamkeit schließlich wieder auf Eren.   „Okay“, sagte er und setzte sich ans Fußende des Bettes. „Lass mich nur noch eben stimmen, dann geht’s los.“   Jean beobachtete seine geschickten Fingerbewegungen. „Wirst du dabei auch singen?“   Eren zog geräuschvoll die Nase hoch. „Nee, bestimmt nicht.“   „Ach, komm schon.“ Schmunzelnd hob Jean eine Augenbraue in die Höhe. „Oder hast du etwa Schiss?“   „Natürlich nicht! … Ugh, ja, okay, Mann, ich singe dazu.“   Ah, Eren war so schön einfach zu manipulieren.   Und dann ging es auch schon los.   Kill All Your Friends, präsentiert und vorgesungen von Eren Jäger.   Jean hatte noch nie zuvor eine Akustikversion des Liedes gehört, weswegen es im ersten Moment etwas befremdlich klang, aber er gewöhnte sich schnell daran und musste gestehen, dass Eren tatsächlich talentiert im Umgang mit der Gitarre zu sein schien.   Die Töne waren laut und klar, ohne Holpern oder Unterbrechungen. Und Erens Stimme selbst war auch gar nicht mal so übel. Genau genommen klang sein Gesang sogar richtig gut, er gefiel Jean beinahe besser als das Spiel seiner Gitarre!   „And you’re walking away and I will drown in the fear“, sang Eren schließlich die letzten Zeile des Liedes und verstummte langsam. Ebenso wie die Töne seiner Gitarre.   Mit einem fetten Grinsen wandte er sich an Jean. „Und? Ziemlich cool, huh?“   Jean befeuchtete sich die Lippen. „Du hast erfolgreich mein Herz erobert“, meinte er und ließ sich mit einer dramatischen Geste zurück aufs Bett fallen.   Lachend legte Eren die Gitarre zur Seite und schmiss sich neben Jean aufs Bett.   Jean hatte das Ganze eigentlich nur als Scherz gemeint, weil es peinlich war, Eren ein ernstgemeintes Kompliment zu machen, aber irgendwie war es vielleicht doch die Wahrheit… Zumindest ein bisschen! Sein blödes Herz wollte nämlich auf jeden Fall nicht aufhören, wie wild zu pochen.   Also öffnete er den Mund, um etwas zu sagen. Irgendetwas, egal was. Einfach, um auf andere Gedanken zu kommen.   „Ich mag deine Hände“, verließ schließlich spontan seine Lippen. Jean spürte, wie seine Ohren anfingen zu brennen.   „Ach ja?“ Verwundert schaute Eren auf seine Hände, als ob er so herausbekommen konnte, warum Jean sie mochte.   Jean schnappte sich eine von ihnen und legte sie auf seine Wange. Er hatte keine Ahnung, wo er auf einmal den Mut hernahm, solch eine intime Geste zu initiieren. Vielleicht war es die Art und Weise, wie Eren ihn beim Singen in die Augen geschaut hatte, die ihm den Mut dazu gab.   Keine Ahnung.   Denken war gerade nicht so Jeans Stärke.   Eren blickte ihn neugierig an und strich mit den Fingern langsam die Seite seines Gesichtes entlang. Jean senkte die Lider und genoss das Gefühl der rauen Fingerspitzen auf seiner Haut.   „Was ist’n das?“, fragte Eren plötzlich und rieb mit dem Daumen über seinen Kiefer. „Soll das Bart sein?“   Jeans Gesicht wurde heiß. „Fick dich!“, schnauzte er ihn an. „Im Gegensatz zu dir hab ich wenigstens Bartwuchs!“   Okay, der Bart, den Jean sich wachsen lassen wollte, war tatsächlich nicht allzu ausgeprägt. Aber immerhin waren Kiefer und Kinn nun von Stoppeln übersäht, von solch einem Bartwuchs konnte Eren Babyface Jäger nur träumen!   Eren grinste. „Ich mag’s“, meinte er und wanderte zu seinem Kinn hinunter. Mit Daumen und Zeigefinger neigte er Jeans Kopf leicht in den Nacken und lehnte sich über ihn.   Jean kam ihm die restlichen Zentimeter entgegen, das Herz inzwischen hoch in den Hals geklettert, und küsste ihn.   Eren küsste genau so, wie sein Charakter vermuten ließ; ungestüm. Ein wenig grob. Intensiv.   So intensiv, dass sich Jean bereits nach wenigen Sekunden die Zehen zusammenrollten.   Jean selbst küsste eigentlich komplett anders; sinnlich. Langsam. Tief. Er mochte es, seinen Partner zu triezen und allmählich um den Verstand zu bringen. Nur den Hauch von Zunge, bis sein Gegenüber es schließlich nicht mehr aushielt.   Aber diese Leidenschaft, mit der Eren ihn geradezu auffraß?   Mehr als nur okay.   Es war einfach typisch für ihn und genau deswegen war es so unfassbar gut.   Jean krallte die Finger in braunes Haar, zog einmal sanft daran und brachte ihre Lippen schweratmend wieder auseinander.   „Ich will, dass du mich anfasst“, murmelte er und küsste Erens Mundwinkel. „Ich will deine Hände auf mir spüren. Überall.“   Erens Blick wurde glasig. „Fuck, Jean“, hauchte er und seine Stimme brach. „Fuck, ja, okay.“   Er drückte Jean einen letzten, nassen Kuss auf die Lippen, dann setzte er sich auf seine Oberschenkel und schob sein Oberteil bis zu seinen Achseln hinauf.   Irgendwie kam Jean sich plötzlich so schrecklich… entblößt vor, als er Erens hitzigen Blick auf seiner nackten Haut spürte, also drehte er das gerötete Gesicht zur Seite und presste es in seine Armbeuge.   Das schien Eren gar nicht zu gefallen. „Hey, nicht“, tadelte er ihn sanft und entfernte Jeans Gesicht wieder aus seinem Arm. „Ich will dich ansehen.“   Diese Worte ließen Jean nur noch roter anlaufen. „Und ich will, dass du mich anfasst und nicht nur blöd glotzt. Irgendwann in diesem Jahrhundert noch.“   Seine Worte entlockten Eren ein atemloses Lachen. „Herrisch“, kommentierte er amüsiert, tat dann aber endlich, wie ihm befohlen wurde und presste die Handfläche auf Jeans Bauch.   Erens Hand fühlte sich heiß an, so unglaublich heiß und weich und gut und richtig, während sie langsam seinen Körper entlang strich, hoch zu seiner Brust. Mit dem Daumennagel malte er einen kleinen Kreis um Jeans Nippel, bis sich eine Gänsehaut auf seinem Körper bildete und die Brustwarze hart wurde. Dann wanderte seine Hand wieder herunter.   Einige Zeit lang erkundete Eren seinen Körper mit einer Hand, dann kam schließlich die zweite dazu. Seine Hände waren so groß, als Eren sie auf seine schmale Taille legte und diese so fast vollständig umfassen konnte, entwich Jean ein erregtes Wimmern.   Gott, wie es sich wohl anfühlen würde, wenn Eren ihn von hinten fickte, die Hände in einem eisernen Griff in seine Hüfte gekrallt-   „Fuck“, entkam es Jean atemlos.   Eren biss sich auf die Unterlippe. „Alles gut?“, fragte er nach und kratzte mit den Nägeln sanft seinen Bauch entlang, immer tiefer. „Oder soll ich dich hier auch anfassen?“ Hauchzart schob sich sein Daumen unter den Bund von Jeans Hose und rieb sanft über die feinen Härchen dort.   „Überall“, wiederholte Jean mit zitternder Stimme und wölbte reflexartig den Rücken durch, als Erens Handballen einmal komplett und quälend langsam über die Beule in seinem Schritt rieb.   Eren beugte sich grinsend zu ihm herunter, um ihn zu küssen, und fummelte dann blind mit dem Knopf von seiner Hose herum. „Mal sehen, ob dein Spitzname Pferd wirklich berechtigt ist.“   Jean musste lachen. „Oh?“, fragte er schelmisch nach und bohrte seine Zähne sanft in Erens Unterlippe, um an ihr zu ziehen. „Hast du schon öfter über meinen Schwanz nachgedacht, Jäger?“   „Ab und ab“, gab Eren mit funkelnden Augen zu.   Gott, dieser Typ war einfach viel zu ehrlich. Jean hätte es nicht für möglich gehalten, aber er hatte tatsächlich noch genügend Blut übrig, das sich nicht in seinem Schwanz versammelt hatte, um sein Gesicht in ein tiefes Rot zu färben.   „Fuck, Eren, du bist so…“   Ihm fehlten die Worte.   „Ich weiß“, sagte Eren und küsste ihn. „Du auch.“   Dann lehnte er sich schließlich wieder zurück, um endlich Jeans Hose zu öffnen und sein Glied hervorzuholen. Es war nur eine erste, hauchzarte Berührung, aber es genügte, um Jeans kompletten Körper zum Beben zu bringen.   „Eren“, stöhnte Jean und versteckte sein Gesicht reflexartig wieder in seiner Armbeuge.    „Hey, lass das.“ Und sofort nahm Eren wieder seinen Arm weg.   Jean warf ihm einen genervten Blick zu, doch bevor er sich beschweren konnte, hatte Eren auch schon damit angefangen, seine Hand zu bewegen und entlockte ihm so ein lautes Keuchen.   „Oh fuck“, sagte Jean und fing an, sich zu winden. „Fuck, Eren!“   „Jean, du bist so heiß“, erwiderte Eren wispernd und verharrte einen Moment an der Spitze, um mit dem Daumen über den Schlitz zu reiben, dann bewegte er die Hand wieder nach unten. „Wie du dich auf dem Bett räkelst für mich und du bist so rot, Jean. Überall. So sexy.“   Seine Handbewegungen wurden immer schneller und schneller, Jeans Stöhnen lauter und abgehackter, bis Eren plötzlich abrupt stoppte.   Schnaubend schlug Jean die Augen auf. „Eren, wenn du nicht sofort-“   „Hey, sorry, aber kannst du gerade mal eben die Nachtkommode aufmachen? Da müsste Gleitgel sein.“   Gleitgel war tatsächlich keine schlechte Idee, also ließ Jean seine Drohung unausgesprochen und kramte blind in der Schublade herum, bis er die Tube fand.   „Gleitgel also, huh“, meinte er amüsiert und warf Eren die Flasche zu. „Also sind das alles doch Wichstücher, die da auf dem Boden liegen?“   Eren streckte nur die Zunge raus, quetschte eine großzügige Menge Gel auf seine Handfläche und legte dann wieder Hand an.   Die plötzliche Kälte entlockte Jean ein Zischen und ließ ihn instinktiv zurückzucken, doch Eren drückte seine freie Hand schnell auf seinen Bauch, um ihn in Position zu behalten. „Oh nein, jetzt, wo ich dich endlich habe, bleibst du schön bei mir.“   „Gott.“ Halbherzig schlug Jean nach seinem Knie. „Du bist so peinlich“, sagte er und versuchte gar nicht erst zu verstecken, wie geschmeichelt er sich fühlte und wie hoffnungslos verknallt er doch in diesen Loser war.   Eren lächelte – ein echtes, warmes Lächeln, das Jean auch ganz warm werden ließ –, bevor er wieder anfing, seine Hand zu bewegen und Jean so ein überraschtes Stöhnen entlockte.   Gleitgel war tatsächlich eine gute Entscheidung gewesen. Eine sehr gute.   Mit gesenkten Lidern schlang Jean die Arme um Erens Schultern und zog ihn herunter, damit sie sich küssen konnten. Eren neigte den Kopf zur Seite und konzentrierte sich so sehr darauf, Jean dumm und dusselig zu küssen, dass seine Handbewegungen vollkommen stoppten.   Missmutig zog Jean die Augenbrauen zusammen. „Nicht aufhören“, wisperte er gegen seinen Mund und stieß sich in Erens Hand.   „Hm?“ Blinzelnd schlug Eren die Augen auf. „Du musst dich schon entscheiden, ich kann mich nicht gut auf mehrere Sachen gleichzeitig konzentrieren. Entweder Handjob oder knutschen.“   Jean blickte ihn ungläubig an. „Gott, du bist so eine Niete im Bett, Jäger.“ Mit einem dramatischen Seufzen drückte er Erens Gesicht weg.   Prustend strich Erens Nasenspitze seine Koteletten entlang. „Fick dich“, lachte er leise und biss ihm ins Ohrläppchen.   „Genau das machst du ja eben nicht, Eren.“   Eren grinste und küsste seine Wange. „Du bist so süß, wenn du schmollst“, neckte er ihn und fing plötzlich wieder damit an, Jean zu wichsen. Schnell. Hart.   Schweratmend schnappte sich Jean Erens freie Hand und drückte sie. „Und du bist süß, wenn du die Fresse hältst.“   „Aw“, sagte Eren. „Also findest du mich süß?“   „Klappe.“   Summend presste Eren ihre Stirnen aneinander. „Du bist wirklich süß“, wisperte er. „So süß, Jean. Guck dich nur an. Wow. Du bist so gut zu mir, womit hab ich das verdient?“   Es war ein wenig peinlich, mit welch einem intensiven Blick Eren ihn betrachtete, also kniff Jean die Augen zusammen, schnappte blind mit den Zähnen nach ihm und bekam seine Nase zu fassen.   „Wer hätte gedacht, dass du solch ein Süßholzraspler im Bett bist“, murmelte Jean und knabberte liebevoll an seiner Nasenspitze.   Er konnte nicht leugnen, dass die Komplimente runtergingen wie Öl. Jean war schließlich ein elendiger Romantiker und solch liebevolle Worte vom sonst so groben Eren Jäger zu hören?   Jean war sich ziemlich sicher, dass sein Herz noch nie so schnell und kräftig geschlagen hatte, wie in diesem Moment.   Sein ganzer Körper kribbelte, als wäre eine Armee von Schmetterlingen in seinen Bauch und als Eren dann plötzlich etwas mit seiner Hand tat, was ihn Sterne sehen ließ, gesellte sich auch noch eine andere Art von Hitze in seinen Unterleib.   „F-Fuck, Eren…“ Unruhig räkelte sich Jean auf dem Bett. „Ich glaub, ich- ah…“   Eren küsste ihn. Es war eine einfache, zarte Berührung mit leicht geöffneten Lippen, dennoch war es das, was Jean schließlich zu seinem Höhepunkt brachte.   Stöhnend klammerte er sich an Eren, zog ihn ganz nahe an sich, bis das Zittern seines Körpers schließlich langsam an Intensivität verlor.   „Shit“, entkam es ihm atemlos und langgezogen. Geschafft sackte er in sich zusammen.   Eren pumpte ihn noch einmal ganz langsam, entlockte Jean so ein letztes Zucken und Wimmern, und nahm dann die Hand von seinem schlaff werdenden Glied. „Wow, du bist echt viel gekommen, Jean“, meinte er und betrachtete die durchsichtige Flüssigkeit, die auf seinen Fingern verteilt war.   Jean zeigte ihm den Mittelfinger und strich sich dann das schweißnasse Haar aus dem Gesicht. Er beobachtete, wie Eren ekligerweise eins der zerknüllten Taschentücher vom Boden aufhob und sich damit die Finger sauber machte.   Langsam wanderte sein Blick tiefer, auf die eindeutige, riesige Beule zwischen Erens Beinen. Er leckte sich die trockenen Lippen, der Mund plötzlich wässrig. „Soll ich dir dabei helfen?“, fragte er nach und deutete auf seine Erektion.   Erens Blick folgte seinem Finger. „Nee“, sagte er, während sich ein feiner Rotschimmer auf seine Wangen legte. Ein seltener Anblick, war Eren doch schließlich so gut wie nichts peinlich. „Passt schon, ich brauch eh nicht lange.“   Jean lag ein fieser Spruch auf der Zunge, aber er wollte den Nachklang seines Höhepunkts nicht ruinieren, also ließ er seinen Mund geschlossen. Stattdessen verschränkte er einen Arm hinterm Kopf und beobachtete, wie sich Eren mit schnellen, ruckartigen Bewegungen wichste.   Er war zwar gerade erst gekommen, dennoch stellte dieser Anblick… Dinge mit ihm.   „Sieh dich nur an, Eren“, murmelte er liebevoll und streichelte ihm mit der freien Hand über den Oberschenkel.   Wie zu erwarten war er ziemlich laut, aber Jean mochte es. Es war sogar ziemlich anturnend, wie Eren immer und immer wieder seinen Namen stöhnte.   Es dauerte tatsächlich nicht allzu lange, bis sich Eren wimmernd zusammenkauerte. „Kann i-ich… Fuck, kann ich auf dir kommen?“   „Oh, Jäger…“ Jeans rechter Mundwinkel zog sich in die Höhe. „Wie unanständig von dir.“   Eren bohrte die Zähne in die Unterlippe. „Bitte, Jean?“   „Okay, ja.“ Jean leckte sich über die Zähne. „Von mir aus, solange du meine Klamotten nicht versaust.“   Das tat Eren glücklicherweise nicht und spritzte sein Sperma nur wenige Sekunden später auf Jeans Bauch und Brust. Jean erschauderte leicht.   Sie schwiegen für einen Moment, nur Erens gehetzte Atmung war zu hören, die sich langsam regulierte, bis er wieder einigermaßen normal atmete.   Jean beobachtete, wie ein Tropfen Sperma langsam seinen Hüftknochen entlang glitt und dann ins Bettlaken einsickerte. „Hat tatsächlich nicht lange gedauert. An deiner Ausdauer müssen wir eindeutig noch arbeiten, Jäger.“   „Du Arsch!“ Eren erwiderte das Grinsen, das Jean ihm zuwarf, so breit, dass sich seine süßen Lachfältchen an den Augenwinkeln bildeten. Dann beseitigte er grob die Sauerei, die sie auf Jeans Oberkörper hinterlassen hatten.   Als das erledigt war, schmiss er sich neben Jeans ins Bett und schnappte sich seine Hand.   Jean betrachtete ihn; die verschwitzten Haare, den feinen Rotschimmer auf seinen Wangen, der seine Sommersprossen nur noch deutlicher hervorstechen ließ. Das glückliche, gesättigte Grinsen auf den Lippen.   Er hätte nie gedacht, dass er einmal wissen würde, wie Eren nach einem Orgasmus aussah. Aber hier lag er nun. Mit Eren. Im Bett.   Was für eine überraschende Wende des Schicksals.   Mit einem Lächeln verschränkte er ihre Finger miteinander und hauchte einen Kuss auf Erens Handrücken.   Aber Jean konnte nicht behaupten, dass ihn diese Wende störte.   Im Gegenteil.   Er freute sich schon darauf in Zukunft Erens Hand halten zu können, wann immer er wollte.   Keine Strafen mehr.   Keine blöden Ausreden mehr.   Einfach nur Händchenhalten, weil er es wollte.   Weil sie es wollten.   Ende. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)