Ein Kuss von FreeWolf ================================================================================ Kapitel 1: "Hast du dich schon mal gefragt ... ?" ------------------------------------------------- „Hast du dich jemals gefragt, wie es ist, einen Mann zu küssen?“ Es war ein warmer Sommerabend, sie saßen wie in letzter Zeit öfter nebeneinander auf der Veranda und tranken schweigend eine Tasse Tee, als Takao vorsichtig ansprach, was ihm seit Wochen auf der Zunge und im Herzen brannte. Er hockte neben Kai auf der Veranda, schwenkte die Kanne, in der der Tee gezogen war, und schenkte mit geübter Hand zwei Tassen voll ein. In Kai hatte Takao einen überraschend guten Gesprächspartner gefunden, wenn er ihn in guten Momenten erwischte. Ein guter Moment war zum Beispiel am Abend, bei einer Tasse Tee. Takao wusste, dass nicht jeder positiv auf seine Frage reagieren würde, aber er hatte Kai letztens intensiv mit Hiromi über Sexualitäten diskutieren hören. Er hatte nicht folgen können, aber zumindest verstanden, dass sich die beiden schon länger mit dem Thema beschäftigten. Kai hatte kurz nachgedacht, und Takaos Magen machte einen aufgeregten Salto, weil er ihn ernst nahm und nicht aufzog. „Ja“, bekannte der Halbrusse schließlich ehrlich. „Hab ich. Wieso?“ Da war auch das Wort „queer“ gefallen, worunter er sich nichts vorstellen konnte. Also hatte er Onkel Google – also eigentlich Tante Dizzy – befragt. Dizzy hatte ihn dafür aufgezogen, dass er es zunächst mit Katakana versucht hatte (ku-wi-ru), bevor sie ihm das Wort auf Englisch vorschlug. Und dann hatte sich für Takao eine neue Welt aufgetan. „Hast du auch mal jemanden geküsst?“, hakte Takao nach, ohne auf Kais Nachfrage einzugehen. Dies erntete ihm eine hochgezogene Augenbraue vonseiten Kais, der ihn schmunzelnd musterte. Takao fühlte die Schamesröte seinen Hals fleckig-rot färben, während sie über seinen Nacken und seine Ohren in seine Wangen kroch. Er hob in einer abwehrenden Geste die Hände. „Also, ich meine-“, setzte er an, doch Kai unterbrach ihn. „Ich hab‘ schon jemanden geküsst. Aber das willst du nicht wissen“, und Kais Augen hatten sein Gesicht mit einem wissenden Ausdruck überflogen. „Erwischt“, Takao lachte verlegen, wuschelte sich ertappt durchs Haar. Seine Baseballcap rutschte ihm dabei vom Kopf und landete zu ihren Füßen. Kai beugte sich hinunter und hob sie auf, betrachtete sie kurz. „Ich hab’ auch schon mal einen anderen Mann geküsst“, hängte Kai dann an, und Takao konnte nicht umhin, ihn mit erstauntem Gesichtsausdruck zu mustern. „Und?“, wollte er wissen. Kai zuckte mit den Schultern. „Nichts und. Mehr erfährst du nicht. Es war ein Kuss.“ Takao konnte nicht umhin zu schmollen. „Ach komm‘, du kannst mir doch nicht so einen Brocken hinwerfen und erwarten, dass ich nicht vor Neugierde sterbe!“, protestierte er. Kai hatte ihn erstmal nur angesehen, mit diesem seltsamen Blick, der ihn entwaffnete und ihm allen Wind aus den Segeln nahm. Takao schluckte schwer und musterte das Gesicht seines Gegenübers. Kai hatte ein ungewöhnliches Gesicht, seine europäischen Züge schlugen in Form eines kantigen Gesichts und seiner Augen durch. Kai war für einen Mann irgendwie auch schön, ging Takao unwillkürlich durch den Kopf. Takaos Gesicht fühlte sich heiß an. Solche verrückte Gedanken hatte er in letzter Zeit häufiger. Er konnte sie nicht wirklich einordnen. „Wieso interessiert es dich eigentlich plötzlich?“, hakte Kai da endlich nach und rettete Takao vor seinen Gedanken. Er dachte kurz nach. „Nur so“, beschränkte er sich schließlich auf ein Schulterzucken. Kai lächelte. „Ach“, seine Feststellung klang in eine Frage aus, er wandte sich wieder von Takao ab und nippte an seinem Tee. „Und ich dachte schon, du hättest dein Frühlingserwachen“ Takao wusste nicht, was das heißen sollte, also schwieg er. Diese Blöße konnte er sich vor Kai nicht geben. Er tat es seinem Gesprächspartner gleich und widmete sich seinem Tee, bevor er kalt wurde. Das wäre Verschwendung, nachdem er Oji-san schon den guten Tee aus der Tasche geleiert hatte, für Kai. Kai, das wusste Takao inzwischen, lebte nicht nur von geopferten Kindern und schwarzem Kaffee, sondern wusste gut gebrauten Tee zu schätzen. Auch jetzt nickte Kai anerkennend angesichts der Tasse. „Also“, holte Kai Takao aus seinen Gedanken zurück. Er sah ihn wieder an, das ihm eigene Schmunzeln auf den Lippen, das für Gespräche wie diese reserviert war. „Willst du einen Mann küssen?“ Takao wusste nicht, was er darauf erwidern sollte. Er hatte einen seltsamen Kloß im Hals, und es wurde nicht besser, wenn er versuchte, ihn hinunterzuschlucken. Also nickte er nur. Kai nahm dies nickend zur Kenntnis. „Hattest du an jemand bestimmtes gedacht?“, hakte er leise nach. Takao wusste nicht, ob er darüber reden wollte. Dennoch fasste er sich ein Herz und nickte nochmals. „Aha. Also doch ein Frühlingserwachen“, murmelte Kai vor sich hin. Takao fühlte sich seltsam unreif, obwohl sie nur zwei Jahre auseinander lagen. Manchmal wirkte Kai schrecklich abgeklärt. Takao nervte das enorm. Konnte er nicht auch mal unsicher sein? Sie schwiegen. Das war für sie zwei nicht üblich, aber was war schon üblich in einer Freundschaft, die in Kämpfen, die an die Grenzen gingen, und mit Feuer und Wind geschmiedet wurden? Eines war Takao klar: Sie beide verband etwas, das tief ging und ihm das Gefühl in der Magengegend gab, das sonst Oji-sans Hühnersuppe hinterließ. Er fühlte einen Blick auf sich, und drehte den Kopf, um Kai zu begegnen, der ihn interessiert musterte. Wieder sah er ihn an. Takao kannte den Blick. So hatten sie einander angesehen, als sie sich in der letzten Weltmeisterschaft gegenüberstanden und plötzlich in ganz andere Sphären vorgedrungen waren. Er war offen, bereit alles zu geben. Es hatte lange gedauert, sich diesen Blick von Kai zu verdienen. Er schluckte. Der Kloß ihn seinem Hals blockierte fast seinen Atem. „Weißt du“, Kai beugte sich leicht vor. Takao imitierte unwillkürlich diese Geste. Kai sprach ruhig, leise, sah ihn unverwandt an. „Ich habe auch schon überlegt, wie es wäre, eine gewisse Person zu küssen.“ Takao schluckte. „Und hast du sie schon geküsst?“, fragte er angespannt, mit brüchiger Stimme. Warum hatte er plötzlich das Gefühl, man könnte die Luft zwischen ihnen schneiden? „Ihn“, korrigierte Kai, „und nein.“ Takao schluckte. Der Kloß war immer noch da. Er schluckte nochmal. „Willst du mich küssen?“, fragte er schließlich. Es fiel ihm erst im zweiten Moment auf, dass er anstelle von „ihm“ „mich“ verwendet hatte. Er stützte sich auf seinen Händen ab, damit seine Finger mit ihrem Zittern nicht verraten konnten, dass er eigentlich ziemlich aufgeregt war. Kai beugte sich weiter vor. Sie küssten sich. Lippen auf Lippen. Ihre Nasenspitzen stießen aneinander und wenn er linste, konnte er die blassen Sommersprossen auf Kais Haut erkennen. Dieser hatte die Augen geschlossen, die Stirn neugierig gerunzelt und schien wohl abzuwarten, was passierte. Eine Hand lag auf seiner Wange, ungewöhnlich sanft glitt sie darüber und fasste sein Kinn. Dann fühlte Takao leichten Druck, der ihn wegschob, und sie lösten den Kuss. Kai brachte minimalen Abstand zwischen sie, lies ihn los und schien einen Moment einfach nur zu verharren, zu ordnen. Takao beobachtete ihn gespannt, in seiner Magengegend noch immer das warme Gefühl, als hätte er gerade heiße Suppe gegessen. Er spürte es immer, wenn er Kai ansah. Ob es Kai so ging wie ihm? Kai schien einen Moment lang einfach nur zu atmen, starrte geradeaus ins Nichts. Schließlich wandte er Takao den Kopf zu. „Und?“, fragte er. Takao fühlte, wie sich ein erleichtertes Grinsen über sein Gesicht ausbreitete. „Nope“, kam es von ihm. Kai quittierte das mit einem schiefen Grinsen, auch er schien erleichtert aufzuatmen. „Nope“, bestätigte auch er. „Schön, dass wir das aus dem Weg geräumt haben.“ Takao nickte nur. Der Kloß, der sich in letzter Zeit in seinem Hals gebildet hatte, wann auch immer Kai in Sicht kam, war weg. Die Wärme in seinem Bauch blieb, wie er mit einem Seitenblick auf den Halbrussen feststellte. „Ist deine Neugier jetzt gestillt?“, stichelte Kai und Takao streckte ihm die Zunge raus. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)