Verborgene Liebe von MariLuna ================================================================================ Kapitel 10: ------------ 11. Kapitel   Der erste Atemzug ist nicht halb so unangenehm wie erwartet. Die Luft ist klirrend kalt, aber wenigstens trocken. Irgendwann wird das die Auskühlung ihrer Körper beschleunigen, aber sie haben ja nicht vor, stundenlang hier draußen zu bleiben. Das Technodrome - April wagt einen Blick und schirmt ihre Augen mit der Hand vor dem Schneefall ab - ist nur 800 Meter entfernt. Es wirkt sogar noch viel näher. Eine riesige Kugel, groß wie ein Hochhaus, beeindruckend, geradezu monströs ragt es vor ihnen auf. Ein schwarzer Schatten hinter einem Vorhang aus Schneeflocken. Es ist dunkel, dabei haben sie gerade mal drei Uhr nachmittags - Polarnacht, fällt ihr wieder ein. Die Jahreszeit, in der die Sonne hier nie aufgeht. Und trotzdem ist es nicht völlig dunkel. Es herrscht ein leicht violettes Zwielicht, wie es April noch nie erlebt hat. Es ist fremdartig und faszinierend zugleich. Der Wind hat etwas nachgelassen, nun peitschen die Schneeflocken nur noch im fünfundvierzig Grad Winkel vom Himmel. Es fühlt sich an wie kleine Eissplitter auf ihrer Haut. Sehr unangenehm. Aber April, deren extremste Erfahrungen mit Kälte und Schnee auf den einen und anderen Skiurlaub in den Rocky Mountains beruhen, verfällt deswegen jetzt nicht in Panik und senkt stattdessen den Kopf nur noch tiefer und versucht, ihr Gesicht so gut es geht mit Kapuze und hochgeschlagenen Kragen zu schützen. Genau wie Shredder neben ihr. Sein Parka ist dem Wetter hier etwas besser angepasst als ihr Wollmantel, aber der reicht ihr dafür bis über die Knie. Sie ist froh, dass es heute so ein graues Schmuddelwetter in New York gab und sie sich daher für gefütterte Lederboots ohne Absätze, dafür aber mit Profilsohlen, entschieden hat, denn unter all dem Neuschnee knirscht hartes Eis. Das zwingt sie dazu, langsam und vorsichtig zu gehen. Sie bleiben dicht beisammen, schützen sich zumindest so teilweise gegenseitig vor Wind und Schnee. Und als April nach Shredders Hand greift, zögert er keinen Moment und nimmt sie sofort. Ihre Hände sind noch warm, und damit das so bleibt, zieht er ihre Hand mit seiner in seinen langen Jackenärmel. April hat das oft schon bei Vätern und Müttern bei ihren kleinen Kindern gesehen und sie glaubt sich zu erinnern, dass ihre Mom so etwas auch immer gemacht hat. Auf alle Fälle zwingt es sie, noch näher zu rücken. Sie hat nichts dagegen. Und seine Finger sind schön warm. Aber da sie sich jetzt wieder so nah sind, hört sie jetzt auch wieder, wie schwer sein Atem ist. Er gibt sich Mühe, aber er kann es nicht verbergen. Nicht vor ihr. Besorgt runzelt sie ihre Stirn und verlangsamt ihren Schritt ein wenig. So wird er gezwungen, auch etwas langsamer zu gehen. „Alles okay?" will er sofort besorgt wissen. Sie ist zu ehrlich, um ihn anzulügen. „Mit mir schon. Aber du keuchst wie eine alte Dampflok. Wir sind nahe genug, wir müssen nicht rennen." Das können sie sowieso nicht, aber er verbeißt sich jedes spöttische Kommentar - für sie nur ein weiterer Beweis, wie mies es ihm wirklich geht. Aber im Modul wäre es ihm auch nicht besser ergangen. Shredder lässt sich nicht gerne als alte Dampflok bezeichnen, aber er begnügt sich damit, ihr einen finsteren Seitenblick zuzuwerfen, den sie nicht einmal bemerkt. Das ist vielleicht auch ganz gut so, denn ihm liegt nichts an einem Streit. Ihre schmale, zarte Hand in seiner fühlt sich viel zu gut an und ist ein guter Preis für etwas verletzten Stolz. In Gedanken wälzt er schon die Ausreden, mit denen er sie länger als nur ein paar Stunden im Technodrome festhalten kann. Ob sie sich überzeugen lässt, dass es Ewigkeiten dauert, die Transportmodule zu reparieren? Dass Krang nicht gewillt ist, kostbare Energie für ein Portal zu opfern, kann er ihr bestimmt verklickern - so lange Krang da mitspielt. Der wird sowieso im Achteck springen, wenn er mit April im Schlepptau da auftaucht. Aber er wird sich auch schnell wieder beruhigen, wenn er erst einmal die Vorteile einer so guten Geisel eingesehen hat. Nicht, dass Shredder wirklich vorhätte, sie wie eine Geisel zu behandeln... Gott, was denkt er hier. Über sich selbst entgeistert, schüttelt er den Kopf. Aber das ist ein Fehler, wie ihm der plötzlich aufflammende Schmerz in seinen Schläfen verrät. Als im Anschluss daran auch noch dieses wattige Gefühl in seinem Kopf erwacht, hätte er beinahe laut aufgeseufzt. Verdammt. Hat er sich etwa doch wieder etwas eingefangen? „Alles in Ordnung?" Sie ist stehengeblieben und mustert ihn prüfend. Beschämt über seine eigene Schwäche, reißt er sich zusammen. „Alles bestens." Entschlossen geht er weiter, schneller diesmal und sie passt sich seinem Tempo an. Schließlich halten sie sich immer noch an der Hand. Plötzlich gerät sie ins Straucheln und klammert sich instinktiv an seinem Arm fest. „Tut mir leid", entschuldigt sie sich sofort. Er will sie gerade beruhigen und sich erkundigen, ob es ihr gut geht, da drückt ... nein, kuschelt sie sich fest an seine Seite. Der Blick, den sie ihm von unten her zuwirft, lässt ihm fast den Atem stocken. Schneeflocken liegen in ihrem Haar, den Augenbrauen und auf ihren dichten schwarzen Wimpern. Ihre graublauen Augen schimmern geheimnisvoll. „Etwas weniger windig, mehr Bäume und das hier wäre ein richtiges Wintermärchen, nicht wahr?" Sie lächelt und kuschelt sich auch weiterhin so an ihn, als sie weitergehen. „Gibt's hier Polarlichter?" fragt sie unvermittelt und schielt kurz nach oben in den Himmel, den man vor lauter Schnee kaum sehen kann. „Natürlich nur, wenn's Wetter besser ist. Ich würde gern mal welche sehen. Hast du schon welche gesehen?" Er hat tatsächlich schon Polarlichter gesehen und er erzählt ihr gerne davon. Es tut gut, sich mit ihr zu unterhalten. Es lenkt ab. Von der Kälte, vom Schnee, von der Dunkelheit. Und von den Schmerzen. Ihre Nähe, das Gewicht ihrer einen Hand in seiner und ihrer anderen an seinem Arm - das fühlt sich gut und richtig an. Es schadet sicher nicht, das zu genießen, so lange es andauert. Und zuerst geht auch alles gut. Sie frieren allmählich, aber das merken sie nicht wirklich, dafür unterhalten sie sich viel zu angeregt. Es trennen sie nur noch hundert Meter vom Technodrome, ein Katzensprung, und sie freuen sich schon auf die Wärme, da endet Shredders nächster Atemzug in einem Hustenanfall, der gar nicht mehr aufhören will. Seine Knie geben unter ihm nach und er hört noch April entsetzt seinen Namen - seinen richtigen - rufen, aber er ist zu beschäftigt damit, sich die Lunge aus dem Hals zu husten, um sich darüber zu wundern. Und als der Anfall endlich vorbei ist, schmerzt seine Brust und es fühlt sich an, als würde er mit jedem Atemzug pures Eis einatmen. Es ist mühsam und kostet ihn jedes bißchen verbliebene Kraft. Aber dann spürt er es - Aprils warme Hände an seinen kalten Wangen und da ist ihr Gesicht keine zehn Zentimeter von seinem eigenen entfernt, er kann ihren warmen Atem auf seiner Haut fühlen. Sie mustert ihn aus großen, besorgten Augen. Das alles und ihre strenge Stimme ist sein Rettungsanker. „Hey! Nicht schlappmachen! Wir haben es doch gleich geschafft! Reiß dich zusammen!" So unbarmherzig und egoistisch ihre Worte auch sein mögen - sie sind genau der richtige Ansporn für ihn. Er gehorcht ihrem Befehlston sofort und quält sich mit ihrer tatkräftigen Unterstützung zurück auf die Füße.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)