Star Trek - Icicle - 08 von ulimann644 (Wechselwirkung) ================================================================================ Kapitel 5: Spiegelbild der Gegenwart: Nachbeben ----------------------------------------------- Typ-10-Shuttle – ALLORAN VERON / NCC-97334/2 Sternenzeit: 59157.8 Farrolan-System - Primäruniversum Konteradmiral Valand Kuehn steuerte das Typ-10-Shuttle in entspannter Haltung durch die Randzone des Klentorin-Asteroidengürtels. Dabei reagierte die verbesserte Version des Typ-9-Shuttles auf jede Eingabe mit einer zuvor nie dagewesenen Exaktheit. Dieses Shuttle stellte momentan den modernsten Typ von Klasse 2 Shuttles dar – schneller, wendiger und besser bewaffnet als sein Vorgänger. Die Gedanken des Mannes im Pilotensitz schweiften ab. Vor sieben Wochen erst hatte hier ein Gefecht stattgefunden in das sein bester Freund Tar´Kyren Dheran verstrickt gewesen war. Wusste der Teufel wie es dieser Andorianer anstellte sich immer genau im Brennpunkt der Ereignisse aufzuhalten. Der Norweger lächelte schmerzlich bei dem Wort Freund, denn momentan sah ihn der Andorianer als alles Andere. Der Konteradmiral versuchte, sich von diesen finsteren Überlegungen abzulenken. Er richtete seine Überlegungen auf Linara Enari und auf das, was sie ihm am Neujahrstag eröffnet hatte. Sie hatte ihm gestanden, dass er eine Tochter mit ihr hatte. Was er für umso bemerkenswerter erachtete, als dass sie nur ein einziges Mal miteinander geschlafen hatten. Damals - im Frühsommer des Jahres 2357. Am Abend bevor Enari, frisch zum Ensign befördert, die Akademie verließ um ihren Dienst an Bord der STIRLING anzutreten. Bis vor zwei Monaten hatte der Konteradmiral weder gewusst noch geahnt dass Enari, durch die Ereignisse dieser einen Nacht, schwanger geworden war. Er haderte seitdem etwas mit dem Schicksal, dass ihn einen sehr wichtigen Teil seines Lebens hatte verpassen lassen. Doch die Augenblicke in denen er sich fragte, wie sein Leben verlaufen wäre, hätte er von Riana gewusst, verfolgten ihn stets nur für kurze Zeit. Denn er fragte sich andererseits was ihm vielleicht entgangen wäre wenn er es gewusst hätte. Auch heute verwarf Kuehn diese Gedanken schnell wieder. Es war müßig über ein Leben nachzugrübeln wie es hätte sein können. Er konzentrierte sich wieder auf seine Mission von der nur seine Verlobte Sylvie LeClerc wusste. Natürlich war Sylvie aus allen Wolken gefallen, als er ihr von seiner Tochter erzählt hatte. Nachdem er sich einige Tage lang vollkommen abgeschottet hatte. Selbst vor ihr. Einige Tage lang war es danach zwischen ihnen turbulent zugegangen, doch damit hatte Valand Kuehn gerechnet nachdem sich Linara Enari ihm anvertraut hatte. Dafür dass Sylvie ziemlich emotional war hatte sie es sogar einigermaßen gefasst aufgenommen. Vielleicht auch deshalb weil er absolut aufrichtig zu seiner Verlobten gewesen war. So hatte er der Französin nicht vor geheuchelt er würde rein gar nichts mehr für Enari empfinden. Er hatte ihr jedoch unmissverständlich erklärt, dass das was er für Enari empfand nicht über eine sehr gute Freundschaft hinausging und zukünftig auch nie darüber hinausgehen würde. Denn er liebte Sylvie von ganzem Herzen. Das hatte seine Verlobte zum Glück sehr deutlich gespürt, denn ansonsten hätte sie ihm vermutlich eine ziemliche Szene gemacht. Zu seiner Erleichterung war das nicht passiert. Im Anschluss hatten sie sich zusammengesetzt und ganz in Ruhe über seine Vergangenheit gesprochen. Dabei hatte Valand die Dinge aber ganz bewusst aus seiner Warte geschildert und nur sehr wenig zu Enari gesagt. Denn es gab Dinge von denen Valand wusste, dass Enari sie gern für sich behalten wollte. Valand korrigierte den Kurs des Shuttles um zwei Grad nach Backbord und seufzte schwach. Dabei richteten sich seine Gedanken wieder auf Tar´Kyren Dheran. Er hatte über Umwege von dem Einsatz erfahren, in den der frischgebackene Commodore involviert gewesen war. Gemeinsam hatten die ICICLE und die STORMRIDER einem Raumschiff der EXCELSIOR-KLASSE aus eine ähnlichen Notlage heraus geholfen, wie jener in der sich seinerzeit die VALKYRIE befand. Auch zu diesem Zeitpunkt war es sein Freund gewesen der im Zentrum des Geschehens gestanden hatte. Die Ähnlichkeit dieser Ereignisse hatte Valand Kuehn nachdenklich gestimmt, als er dieses System mit einem Shuttle seines Flaggschiffs anflog. Allein – was im Grunde genommen gegen die Vorschriften war. Denn kein Flaggoffizier durfte sich in eine mögliches Krisengebiet begeben, ohne eine bewaffnete Eskorte. Doch es musste sein denn er befand sich auf dem Weg zu einem Treffen, das unter sechs Augen bleiben musste. Bei diesem Gedanken schmunzelte der Konteradmiral unmerklich. Niemand würde ihn schief ansehen solange niemand davon erfuhr. Dass ihn Sylvie nach oben hin deckte beruhigte den Norweger denn er wusste, dass er sich vollkommen auf Sylvie verlassen konnte. In dieser Hinsicht hatte es für ihn niemals einen Zweifel gegeben. Sie kannten sich seit der Akademie, aber richtig kennengelernt hatte er Sylvie erst während ihrer gemeinsamen Zeit auf der ALAMO. Nach der Havarie des Raumschiffes. Unwillkürlich dachte er dabei an seine erste Frau. Ahy´Vilara Thren. Eine Andorianerin die so ganz anders gewesen war, als er selbst. Und dennoch war da von Beginn an eine unsichtbare Verbindung zwischen ihnen gewesen. Sie starb bei der Katastrophe die im Herbst des Jahres 2362, durch eine Thermonukleare Supernova vom Typ Ia, auf der ALAMO ausgelöst wurde. Sie und weitere 639 von 750 Besatzungsmitglieder. Inzwischen schmerzten diese Erinnerungen nicht mehr, obgleich er immer noch eine gewisse Trauer verspürte wenn er an Ahy´Vilara dachte. Sie hatten sich trotz aller Gegensätze so nahe gestanden, wie es zwei Wesen überhaupt möglich war. Valand erinnerte sich bei diesen Überlegungen an den Mann, der auf der ALAMO eine Art Mentor für ihn gewesen war. Der Mann nach dem dieses Shuttle benannt war. Alloran Veron. Er war der Leitende Medizinische Offizier an Bord der ALAMO gewesen. Bis zu diesem schicksalhaften 13. November, an dem sich sein Leben grundlegend änderte. Der Arzt hatte ihn und Ahy´Vilara miteinander bekannt gemacht. Zwischen Veron und seiner andorianischen Stellvertreterin hatte fast so etwas geherrscht, wie eine Vater-Tochter-Beziehung. Was Valand auch heute noch ziemlich bemerkenswert fand. Denn unter normalen Umständen hielten sich Andorianer Außenstehenden gegenüber in dieser Hinsicht eher bedeckt. Aber normalerweise heirateten sie auch eher selten Außenstehende. Obwohl hier ein Wandel zu beobachten gewesen war, in den letzten beiden Jahrzehnten. Diese Überlegungen brachten Valand Kuehn gedanklich schließlich wieder zurück zu seinem Freund Tar´Kyren Dheran. Der liebte eine irdische Frau. Vielleicht waren es gegenwärtig sogar immer noch zwei irdische Frauen. In dieser Hinsicht war er momentan nicht ganz auf dem Laufenden. Doch er hatte während der letzten Wochen seltsam anmutende Gerüchte vernommen. Und zwischen Dherans Schwester und einem Captain der Fünften Taktischen Flotte, der gleichfalls von der Erde stammte, knisterte es ebenfalls. Noch vor 250 Jahren waren solche Interspezies-Beziehungen auf der Erde annähernd undenkbar gewesen. Zu dieser Zeit gab es dort noch spürbar nationalistische Strömungen, die sich erst in den folgenden beiden Jahrhunderten aufgelöst hatten. Die Menschheit war dabei endlich wirklich erwachsen zu werden. Ein Warnsignal von den Instrumenten riss den Flaggoffizier aus seinen Betrachtungen. Gleich darauf meldete die Automatik des Shuttles mit einschmeichelnder Stimme: „Warnung! Das Shuttle durchfliegt ein Gebiet mit Neutrinos von hoher Strahlungsintensität. Die Felddichte um das Shuttle herum variiert! Quantensignatur verändert sich!“ „Computer: Was kann der Grund dafür sein?“ Es dauerte einen Moment, bevor der Computer antwortete: „Unzureichende Daten.“ Valand Kuehn hatte mit einer ähnlichen Antwort gerechnet und konterte umgehend: „Erstelle aus den vorhandenen Quellen der Datenbank, in Bezug auf Paralleluniversen, die wahrscheinlichste Theorie!“ Ein Zirpen ertönte, bevor die Computerstimme sagte: „Wahrscheinlichste Theorie ist, dass das Shuttle einen Quantenspalt oder eine vergleichbare Anomalie gestreift hat.“ Valand Kuehn presste seine Lippen aufeinander. Er hatte den Computer ganz bewusst in Hinsicht auf Paralleluniversen befragt. Denn die Aufzeichnungsprotokolle der ICICLE, der ORGANIA und die der STORMRIDER hatten ihn bereits vermuten lassen, dass sich hier vor Wochen etwas abgespielt haben musste worauf er bereits insgeheim seit Monaten wartete. Nach einem Moment gab er die Anweisung: „Computer: Zeichne alle messbaren Auswirkungen der Anomalie auf.“ „Anweisung nicht durchführbar“, gab der Computer leidenschaftslos Auskunft. „Es sind keine anormalen Abweichungen in diesem Sektor des Raumes anzumessen.“ Die Augenlider des Mannes weiteten sich. „Was ist mit den zuerst aufgefangenen Anomalien passiert?“ „Ungenügende Daten für eine Analyse.“ „War ja klar“, murmelte der Konteradmiral finster. Er überlegte einen Moment lang bevor er sich dazu entschloss den Flug fortzusetzen. Man erwartete ihn auf Farrolan IV. * * * Es dauerte fast eine Stunde bis das Shuttle von Valand Kuehn mit hoher Impulsgeschwindigkeit den vierten Planeten des Systems erreichte. Aus einem inneren Impuls heraus maskierte er die Ausstrahlung der Triebwerke und glitt mit Minimalleistung auf den Planeten zu. Möglicherweise würde er sich dadurch um einige Minuten verspäten. Doch diese Tatsache schien ihm von geringem Interesse. Man würde schon auf ihn warten. Er legte die Leistung des Prallschirms gerade hoch genug fest, dass das Shuttle heil die oberen Luftschichten durchstieß und sich dann mit weniger als Schallgeschwindigkeit der Oberfläche des Planeten näherte. Dabei wusste der Konteradmiral selbst nicht so genau zu sagen warum er so paranoid handelte. Ein ungutes Gefühl hatte ihn erfasst, seit es zu der Berührung mit dieser seltsamen Anomalie gekommen war. Als er die Höhe von zweitausend Metern unterschritt fiel ihm etwas auf. An der Küste des Kontinents, die er und seine Partner als Treffpunkt ausgemacht hatten, erhoben sich die Gebäude einer großen Stadt. Das war als solches nichts Ungewöhnliches wenn man vergaß dass es an dieser Stelle keine Stadt hätte geben dürfen. Valand Kuehn verzögerte die Fahrt des Shuttles augenblicklich und forderte gleichzeitig: „Computer – prüfe die Position des Shuttles. Befinden wir uns wirklich in der Nähe des Treffpunktes?“ „Position überprüft und bestätigt!“ Dann ist hier etwas nicht so wie es sein soll, dachte der Konteradmiral. Gleichzeitig steuerte er das Shuttle auf eine kleine Waldlichtung zu, die er zuvor ausgemacht hatte. War auch die energetische Ausstrahlung des Shuttles nicht als solche anmessbar – unsichtbar war sein Shuttle nicht. Valand Kuehn beschlich inzwischen immer stärker das dunkle Gefühl, dass es nicht empfehlenswert war seine Ankunft Irgendwem auf diesem Planet anzukündigen. Ein vager Verdacht reifte in dem Mann, während er das Shuttle rasch und dennoch sicher zu Boden brachte. Schnell fuhr er die Systeme herunter und kletterte aus dem Pilotensitz. Er musste sich einen Überblick darüber verschaffen wo er war und ob sein Verdacht sich möglicherweise bewahrheitete. Falls sein Gefühl ihn nicht trog durfte er nicht allzu lange auf diesem Planet verweilen. Valand Kuehn widerstand seinem ersten Impuls eine Waffe mitzunehmen. Vermutlich wäre er sofort aufgefallen. Also verzichtete er darauf. Auch wenn es ein Wagnis darstellte. Als er die hintere Schleuse des Shuttles öffnete erwartete ihn jedoch eine unangenehme Überraschung und er wurde wütend auf sich selbst, weil er auf eine Waffe verzichtet hatte. Denn er selbst sah in die Mündung eines Handphasers. Zu Valand Kuehns Glück übersah der Offizier, der den Phaser auf ihn richtete, wohl die Form seines Kommunikators, denn nach einem Blick auf die Rangabzeichen des Konteradmirals ließ er die Waffe sinken. Der Flaggoffizier nutzte die Gunst der Situation und fragte scharf, während er nun aus der Schleuse trat und auf den Offizier zu ging: „Was fällt Ihnen ein eine Waffe auf mich zu richten, Lieutenant? Sind Sie etwa betrunken?“ Fast hätte der Bluff des Norwegers funktioniert. Doch dann erkannte der Konteradmiral die Änderung in Haltung und Gesichtsausdruck des schlanken, braunhaarigen Mannes, als dessen Blick sich auf seinen Kommunikator richtete. Inzwischen war Valand Kuehn jedoch bereits so nah bei dem Offizier, dass er es wagte ihn anzuspringen. Deutlich kräftiger, als sein Gegenüber, riss der Konteradmiral den Mann mit sich zu Boden und ein wildes Gerangel um den Phaser entstand. Valand Kuehn bekam einen heftigen Schlag ins Gesicht und für einen Moment verschwamm die Umgebung um ihn herum. Fast gleichzeitig erklang ein Zischen das Valand Kuehn nur allzu gut einzuordnen wusste. Er versuchte zu ermitteln wo der Fremde ihn getroffen hatte doch er spürte nichts. Das war seltsam. Erst einen Moment später, als der Fremde jeden Widerstand aufgab, dämmerte es dem Flaggoffizier, dass er es war, der in dem Gerangel die Waffe abgefeuert hatte. Sein Blick klärte sich wieder und er blickte in die starren Augen des Mannes, der in den fast wolkenlosen Abendhimmel sah. Es dauerte dennoch einige Augenblicke bis Valand Kuehn klar wurde, dass er den Mann getötet hatte. Unabsichtlich natürlich denn ihm war nicht klar gewesen, dass während der Rangelei einer von ihnen die Waffe offensichtlich auf Töten eingestellt hatte. Valand Kuehn wusste, dass man den Offizier bald vermissen würde. Aber vielleicht gelang eine Täuschung? Ohne zu zögern nahm er seinen Kommunikator ab und vertauschte ihn mit dem Kommunikator des Angreifers. Er hatte wohl seine Landung zufällig beobachtet und nachgesehen was los war. Vermutlich ohne jemandem eine Meldung darüber zu machen, oder aber es hätte hier bereits gewimmelt von Militärangehörigen. Das Aussehen des Kommunikators bestätigten seinen Verdacht, den er bereits bei der Landung gehabt hatte. Gehalten in Silber und Gold war er geformt wie das Logo des Terranischen Imperiums. Valand Kuehn kannte dieses Logo aus beigefügten Grafiken einiger Agentenberichte aus jüngerer Zeit. Das passte zu dem was ihm im All offensichtlich widerfahren war. Also hatte sich im Farrolan-System tatsächlich etwas ereignet das mit dem geheimnisumwitterten Spiegeluniversum unmittelbar in Verbindung stand. Noch bekam er das Puzzle nicht ganz zusammen doch ein sehr grobes Bild der vermutlichen Ereignisse entstand in seiner Vorstellung. Ein Bild das nichts Gutes verhieß. Ein glücklicher Umstand war für ihn die Tatsache, dass die Uniformen der Terraner offensichtlich denen der Sternenflotte glichen. Bis auf winzige Unterschiede wie die Form des Kommunikators. Nach Valand Kuehns Informationen handelte es sich beim Neuen Terranischen Imperium, das sich, nach den Berichten des Sternenflotten-Geheimdienstes, bereits vor Jahren aus dem Vorläufer, dem Terranischen Imperium, geformt hatte, um ein totalitäres Regime. Dementsprechend würde es eine sehr klare und vermutlich ebenso brutale Hierarchie geben. Das konnte ihm, als Konteradmiral, durchaus zum Vorteil gereichen. Er musste sich nur dementsprechend verhalten. Schwierig aber nicht unmöglich. Der Norweger verriegelte das Schott und sicherte es. Mehr als das und zusätzlich den Offizier im Gebüsch zu verstecken konnte er hier nicht tun. Er musste das Risiko der Entdeckung des Shuttles eingehen. Natürlich hätte er sofort wieder starten können um zu versuchen die Anomalie im Raum wiederzufinden, durch die es ihn hierher verschlagen hatte. Doch es war nicht sicher, dass der Weg in beide Richtungen funktionierte. Zum Anderen vergab er damit eine vielleicht einmalige Chance mehr über die Pläne des Neuen Terranischen Imperiums zu erfahren. So machte sich Valand Kuehn auf den Weg durch den dichten Wald. Von oben hatte er die ungefähre Richtung ermittelt, in welcher die Stadt lag die er gesehen hatte. Bis er sie erreichte würde es bestimmt schon dunkel sein. Die Dämmerung hatte bereits eingesetzt und Valand wusste, dass sich dieser Planet in nur 21 Stunden einmal um seine Achse drehte. Das konnte möglicherweise ein zusätzlicher Vorteil sein. Es dauerte nicht sehr lange bis sich der Wald lichtete. Vor ihm lag ein leicht abschüssiges Gelände, dass einer Parklandschaft glich. Auch wenn Wege hier fehlten. Der Konteradmiral kam gut voran und erreichte den Stadtrand, noch bevor es völlig finster geworden war. Der Norweger beschloss keinen überhasteten Eindruck bei den Leuten zu hinterlassen, die ihm hier in den breiten Alleen entgegen kamen. Also wanderte er gemessenen Schrittes eine der Alleen entlang, die nach einem halben Kilometer in einen größeren Platz einmündete. Aus drei weiteren Richtungen kamen gleichfalls Alleen hier an. Am Rand des großen Platzes, in dessen Mitte es einen prächtigen Springbrunnen gab, erkannte der Konteradmiral einige Geschäfte und kleinere Lokale. Für einen Augenblick blieb der Konteradmiral stehen und sah sich nachdenklich um. Wie sollte er hier, in einer ihm völlig fremden Stadt, etwas erfahren. Inzwischen war er nicht mehr so überzeugt von seiner Entscheidung, wie zum Zeitpunkt seines Aufbruchs zu dieser Stadt. Von rechts näherten sich Schritte und unwillkürlich sah Valand Kuehn in die entsprechende Richtung. Im hellen Licht der Beleuchtung des Platzes erkannte der Mann eine hochgewachsene Andorianerin. Sie trug die Uniform der Flotte und die Rangabzeichen eines Commanders am roten Uniformpulli. Bei ihrem Anblick erstarrte Kuehn. Die Andorianerin schien die Reaktion des Konteradmirals bemerkt zu haben, denn sofort verlangsamte sich ihr Gang. Zudem wurde ihr Blick unsicher weil sie sich offensichtlich nicht erklären konnte was diese Reaktion ihres Gegenübers bewirkt hatte. Valand Kuehn indessen starrte unverwandt in das hübsche Gesicht der andorianischen Frau. Doch ihre Schönheit war es nicht was ihn momentan zutiefst aufwühlte. Es war viel mehr die Tatsache, dass er dieses Gesicht kannte. Nicht zu kennen glaubte sondern es definitiv kannte. Diese Frau trug zwar ihr silbrig-weißes Haar nicht kurz, sondern es fiel ihr bis in den Nacken, doch Valand Kuehn hatte sie dennoch sofort wiedererkannt. Obwohl dieser Begriff, wie er sich sofort in Gedanken korrigierte, im Grunde nicht zutraf. Ohne sie aus den Augen zu lassen näherte er sich der Andorianerin langsam und blieb einen Meter von ihr entfernt stehen, bevor er ungläubig fragte: „Ahy´Vilara Thren?“ Gleichzeitig überrascht und verwirrt erwiderte die andorianische Frau: „Ja, Sir. Aber woher kennen Sie mich?“ Valand Kuehn verfluchte in Gedanken seine Unbesonnenheit. Die Frage der Andorianerin war absolut berechtigt. Vermutlich waren sie sich hier noch nie begegnet. Ausweichend erwiderte er schließlich: „Das tut jetzt nichts zur Sache. Ich erinnere mich eben an Sie. Es muss aber sehr lange her sein, dass wir uns begegneten. Nur sehr flüchtig.“ Diese Antwort schien die Frau zu akzeptieren. Wohl auch deshalb weil es nicht empfehlenswert gewesen wäre einem wirklichen Admiral des Spiegeluniversums, der zudem ihr Vorgesetzter war, zu widersprechen. Oder ihn gar einen Lügner zu nennen. Valand Kuehn wusste für einen kurzen Augenblick nicht, ob er für diesen Umstand dankbar sein, oder ihn verfluchen sollte. Als die Andorianerin Anstalten machte sich wieder in Bewegung zu setzen sagte er rasch: „Einen Moment, Commander. Ich würde Sie gerne etwas fragen.“ Wieder wurde der Blick der Andorianerin unstet. „Natürlich, Sir.“ Für Valand Kuehn hatte die gegenwärtige Situation etwas beinahe Surreales. Er räusperte sich bevor er eindringlich fragte: „Haben Sie Familie, Commander Thren?“ Die Antennen der Andorianerin richteten sich auf ihn und ein forschender Zug trat in die blauen Augen der Frau. „Ich weiß es nicht. Meine Eltern werden mich vermutlich für tot halten, seit ich von der Allianz hierher verschleppt wurde. Ich hatte gehofft, dass die Terraner die ehemaligen Sklaven der Allianz befreien würden, nach ihrem Sieg. Offiziell haben sie das zwar auch getan aber es geht ihnen kaum besser, als zu Zeiten der Allianz. Auch dann nicht wenn sie, so wie ich, in der Imperialen Sternenflotte dienen. Ich habe mir meine Zukunft anders vorgestellt. Anders als sie sich mir momentan darstellt.“ Valand Kuehn kannte diese Frau – nein ihre Doppelgängerin aus seinem Universum, die seit langer Zeit tot war – gut genug um die Bitterkeit und den Trotz aus ihrer Stimme deutlich herauszuhören. Am liebsten hätte er sie in die Arme genommen und ihr versichert, dass alles wieder gut werden würde, doch das durfte er natürlich nicht tun. Niemals hätte sich ein Admiral des Terranischen Imperiums derart vertrauensselig verhalten. So sagte er lediglich in beruhigendem Tonfall: „Ich kann Ihre Verbitterung gut verstehen, Miss Thren.“ Wieder sah ihn die Andorianerin forschend an, bevor sie zweideutig fragte: „Können Sie das wirklich, Admiral? Ja, ich denke Sie können es.“ Bei Valand Kuehns erstaunter Miene erklärte die Andorianerin ernst: „Ich habe vorhin zufällig die Landung eines Shuttles beobachtet. Sie waren der Pilot, Admiral. Leugnen Sie es nicht. Sie verhalten sich nicht wie ein Admiral der Imperialen Sternenflotte.“ Valand Kuehn überlegte fieberhaft und beschloss dann die Flucht nach vorne anzutreten, indem er bestätigte: „Sie haben Recht, Commander Thren. Ich bin kein Admiral des Imperiums. Ich stamme aus einem anderen Universum und wurde zufällig hierher verschlagen, ohne zu wissen was der Auslöser gewesen ist.“ Es war ein Vabanque-Spiel. Doch Valand Kuehn riskierte es. Wenn diese Ahy´Vilara nur entfernt so war, wie jene die er gekannt hatte, dann war das Risiko vertretbar. Die Andorianerin musterte Valand Kuehn eindringlich. „Zufällig sagen Sie? Ich hatte angenommen Sie wären absichtlich hergekommen, um die beiden Gefangenen zu befreien die vor einigen Wochen hier eingesperrt wurden. Ein Andorianer und eine Menschenfrau. Es hieß, sie wären aus einem anderen Universum hierher entführt worden.“ Sprachlos starrte Valand Kuehn die Frau an, die seiner verstorbenen ersten Frau in Allem so ähnlich war dass es weh tat. Er riss sich zusammen und gab zurück: „Wenn es hier wirklich Gefangene aus meinem Universum gibt dann müssen Sie mir zeigen wo man sie gefangen hält. Ich kann die beiden Personen nicht hier lassen.“ Die Andorianerin sah ihn misstrauisch an und Valand Kuehn beschwor sie eindringlich: „Ahy´Vilara, du musst mir vertrauen. Ich treibe kein falsches Spiel mit dir.“ Der Blick der Andorianerin suchte etwas in seinem Blick. Nach einigen Augenblicken traf sie eine Entscheidung und sagte: „Kommen Sie mit mir, Admiral. Heute Abend können wir nicht dorthin gehen. Ich zeige Ihnen morgen wo die Gefangenen eingesperrt wurden. Ich habe Zutritt zu der Anlage. Jetzt brauchen Sie zuerst einmal eine Bleibe für die Nacht.“ Valand Kuehn lächelte. Dankbar und erleichtert zugleich entgegnete er: „Sobald wir unter uns sind sagen Sie bitte Valand. Ein Sir ist dann nicht mehr nötig.“ Die Antennen der Andorianerin spreizten sich in jener unverkennbaren Weise, wie es die seiner verstorbenen Frau getan hatten wenn sie mit etwas zufrieden gewesen war. Mit einem raschen Seitenblick auf mehrere Passanten die sich Ihnen näherten erwiderte die Andorianerin leise: „Dann folgen Sie mir bitte, Admiral.“ * * * Die Andorianerin bereitete für Valand Kuehn und sich selbst eine einfache Mahlzeit zu, nachdem sie ihre kleine aber saubere und ordentlich aufgeräumte Wohnung erreicht hatten. Als sie gemeinsam am Tisch saßen musterte Ahy´Vilara Valand wieder auf jene seltsam forschende Art, wie sie es schon vorhin auf der Straße getan hatte. Der Handphaser erschien wie hin gezaubert in der Hand der andorianischen Frau und der Konteradmiral schalt sich einen Narren. Natürlich war er ein Feind des Imperiums und das hatte diese Ahy´Vilara anscheinend nicht vor zu vergessen. Die Andorianerin sah Kuehn ernst an und verlangte: „Legen Sie Ihre Hände flach auf die Tischplatte. Etwas weiter zur Mitte hin.“ Valand Kuehn folgte der Anweisung. Dabei überlegte er fieberhaft wie er sich aus dieser misslichen Lage würde befreien können. Zumindest schien ihn die Frau, deren Anblick ihm so schmerzhaft vertraut war, nicht sofort umbringen zu wollen. Sonst hätte sie nicht so lange gefackelt. Das wertete Kuehn als eine vage Chance für sich. Indessen sah die Andorianerin ihn wieder prüfend an. Nach einem Moment gab sie sich einen Ruck und meinte: „Sie haben mich in diesem Universum, bis eben, noch nie gesehen… Valand. So viel steht fest. Dennoch haben sie mich sofort erkannt. Sie werden zugeben müssen, dass das seltsam ist. Vielleicht aber auch nicht, denn ich habe Gerüchte gehört nach denen es jede Person dieses Universums auch in Ihrem Universum gibt. Gehe ich Recht in der Annahme, dass Sie meine Doppelgängerin kennengelernt haben, Valand? Die Ahy´Vilara Thren aus Ihrem eigenen Universum? Ist sie bei Ihrer Sternenflotte?“ Valand Kuehn sah sein Gegenüber offen an. Mit einem verzweifelten Auflachen erwiderte er: „Kennengelernt wäre die Untertreibung des Jahrhunderts, denn in meinem Universum waren wir verheiratet.“ Die Antennen der Andorianerin bewegten sich unruhig in verschiedene Richtungen und ihre Augen wurden groß, als sie sich erkundigte: „Waren? Sind Sie es nicht mehr?“ Valand schluckte. Er atmete tief durch und erzählte dieser Ahy´Vilara die Geschichte von der Havarie der ALAMO und vom traurigen Schicksal seiner Ahy´Vilara. Zum Ende hin meinte er nachdenklich: „Das muss Ihnen sehr fremdartig vorkommen, Commander. So wie mir dieses Universum fremd vorkommt. Ich möchte Sie jetzt bitten die Waffe nicht länger auf mich zu richten. Ich will Ihnen wirklich nicht schaden, Commander Thren.“ Für einen Moment wirkte die Andorianerin, als würde sie einen inneren Kampf mit sich ausfechten. Dann ließ sie die Waffe sinken und steckte sie weg. Dennoch ließ Valand seine Hände demonstrativ auf dem Tisch, als er aufatmend erklärte: „Sie können sich vorstellen, dass ich meinerseits gerne etwas mehr von diesem Universum erfahren würde. Mich interessiert brennend warum man die beiden Offiziere entführte. Besonders weil ich mir sicher bin, dass einige Feinde der Sternenflotte in meinem Universum von hier aus gelenkt werden. Wenn es mir nicht gelingt das zu stoppen, so wird es letztlich zu einem schrecklichen Krieg kommen. Zu einem Krieg zwischen zwei Universen, bei dem alle Beteiligten verlieren werden, Commander.“ Die Andorianerin machte eine zustimmende Geste. „Allein die Tatsache, dass ich in dieser Angelegenheit vollkommen Ihrer Meinung bin ist in dieser Sternenflotte Hochverrat, Valand. Ich bin jedoch der Meinung, dass mein Volk zu lange gelitten hat als dass wir uns bereits jetzt wieder in einen militärischen Konflikt stürzen lassen dürfen.“ Valand sah die Frau eindringlich an die ihm gleichzeitig so vertraut und so fremd war. Dabei glaubte er zu spüren, dass er bereits halb bei ihr gewonnen hatte. Beschwörend erwiderte er: „Ich freue mich, dass Sie es so sehen. Gemeinsam haben wir vielleicht die Chance großes Leid von beiden Universen abzuwenden, Commander.“ „Ahy´Vilara, bitte.“ Valand Kuehn lächelte unmerklich. „In Ordnung, Ahy´Vilara. Was können Sie mir über die Geschichte der letzten einhundert Jahre dieses Universums erzählen?“ Die Andorianerin überwand ihr restliches Misstrauen gegenüber dem Terraner und berichtete ihm von der Entwicklung dieses Universums. Dabei erfuhr der Mann, dass Terraner erstmals im Jahr 2264 seines Universums gewahr wurden. Nachdem der legendäre Captain James Tiberius Kirk und drei seiner Offiziere, ausgelöst durch eine Subraumanomalie beim Transport auf ihr Raumschiff, die Plätze mit ihren Gegenparts tauschten. Es schien Kuehn fast surreal, von Ahy´Vilara zu hören, dass der Kirk dieses Universums im Jahr 2277 den amtierenden Imperator, Androvar Drake, hatte umbringen lassen um selbst die Macht über das Terranische Imperium an sich zu reißen. Drei Jahre später putschte sein Stellvertreter, der Vulkanier Spock, gegen ihn und Tiberius der Erste tauchte ab in den Untergrund. Gerüchten nach war es Kirk der daraufhin die Klingons und die Cardassianer zur Bildung einer Allianz gegen das Imperium ermutigte. Im Jahr 2305 wurde Spock seinerseits von dem führungsschwachen aber dafür umso verschlagener agierenden John Harriman gestürzt. Dies rächte sich, als die Klingonisch-Cardassianische Allianz dem Imperium fünf Jahre später den Krieg erklärte. John Harriman, brutaler aber militärisch weit weniger beschlagen als sein Vorgänger, mischt sich fatalerweise in jede wichtige militärische Entscheidung des Stabes der Imperialen Sternenflotte ein. So war es kaum ein Wunder, dass die Allianz die Terraner, innerhalb weniger Jahre, immer weiter zurückdrängen konnte. Die entscheidende Schlacht zwischen beiden Großmächten fand im Frühsommer des Jahres 2313 statt. Bei Wolf-359. Dort gingen der ohnehin stark dezimierten Terranischen Sternenflotte 93 Raumschiffe verloren, wobei 37.000 Besatzungsmitglieder der Imperialen Flotte den Tod fanden. Die Allianz konnte schließlich bis Terra vorstoßen. Nachdem die Terraner unterjocht wurden, verschleppte man viele von ihnen nach Bajor, das kurz zuvor der Allianz beigetreten war. Hauptsächlich als Arbeitssklaven. Harriman selbst wurde festgenommen und nach wochenlanger Folter schließlich öffentlich hingerichtet. Damit endete die Schreckensherrschaft der Terraner und die Schreckensherrschaft der Allianz begann. Denn Klingons, Cardassianer und Bajoraner verhielten sich kaum anders als zuvor die Terraner. Seit dem Tausch der vier Offiziere der ENTERPRISE hatte kein Kontakt mehr zum anderen Universum stattgefunden. Dies änderte sich erst wieder im Jahr 2370 als der Mensch Julian Bashir und die Bajoranerin Kira Nerys in dieses Universum verschlagen wurden. Durch einen Unfall wie beide behauptet hatten. Die bajoranische Intendantin, deren Hauptquartier auf der Sternenbasis TEROK NOR lag, glaubte jedoch nicht recht daran. Sie gab Invasionsalarm, nachdem die beiden Eindringlinge wieder in ihr eigenes Universum zurückkehrten. Unbestätigten Gerüchten zufolge kam es noch einige weitere Male zu einem Kontakt, bevor ein gewisser Miles O´Brien auftauchte und den Widerstand gegen die Allianz maßgeblich dazu verhalf, den Allianz-Regenten Worf gefangen zu nehmen. Intendantin Kira Nerys hingegen konnte damals fliehen und untertauchen. Ein Jahr darauf wurde das Neue Terranische Imperium gegründet. Zunächst von einem Triumvirat geführt, stand momentan nur noch ein Mann an der Spitze des Imperiums. Imperator Miles O´Brien dessen Gegenpart seinen Aufstieg erst ermöglichte. Als Valand Kuehn nachfragte erfuhr er, dass die beiden ehemaligen Mitherrscher des Imperators Kathryn Janeway und Julian Bashir hießen. Nachdem die Andorianerin geendet hatte schüttelte Valand Kuehn seinen Kopf und murmelte ungläubig: „Ein Doktor, ein Vizeadmiral und ein brillanter Ingenieur bilden ein Triumvirat. Das klingt nach dem Beginn von einem ganz schlechten Witz.“ Als er den fragenden Blick von Ahy´Vilara auffing schüttelte der Norweger nur den Kopf und meinte: „Ich habe lediglich laut gedacht. Wenn Sie nichts dagegen haben, so würde ich mich jetzt gerne zur Ruhe begeben. Denn morgen werden wir ausgeschlafen sein müssen, wenn wir die beiden Gefangenen aus meinem Universum befreien wollen.“ Ahy´Vilara deutete auf eins von zwei Schotts. „Dort im Wohnraum finden Sie eine Couch die für ihre Größe ausreichen sollte. Falls Sie keine Ansprüche stellen.“ „Es wird genügen müssen.“ Langsam erhob sich Valand Kuehn und umrundete den Tisch. Am Schott angekommen wandte er sich zu Ahy´Vilara um und lächelte gezwungen. „Gute Nacht.“ „Gute Nacht“, erwiderte die Andorianerin leise. Im Dunkel des angrenzenden Raumes tastete sich Kuehn zu der besagten Couch vor. Nicht sehr bequem doch er hatte schon schlechter gelegen. Er legte sich hin und schloss seine Augen. Doch Schlaf stellte sich erst eine ganze Stunde später ein. * * * Valand Kuehn erwachte, als ihn Ahy´Vilara fest am Oberarm packte und nicht gerade sanft daran rüttelte. Verschlafen zu der Andorianerin blinzelnd machte er sich aus ihrem Griff frei und fragte rau: „Gibt es Schwierigkeiten?“ „Wie kommen Sie darauf?“ Endgültig wach werdend erwiderte Valand Kuehn: „Sagen Sie nur nicht, dass Sie die Leute immer so unsanft aufwecken.“ Die Antennen der Andorianerin bogen sich etwas nach Innen. „Unsanft?“ Kuehn grinste schwach. „Vergessen Sie es. Wir sollten uns darauf konzentrieren, was vor uns liegt. Wann werden wir aufbrechen?“ Die Andorianerin schritt durch das Schott nach nebenan während sie erwiderte: „Wir haben noch etwas Zeit, Valand. Wenn Sie möchten dann leisten Sie mir Gesellschaft beim Frühstücken. Vielleicht möchten Sie auch etwas?“ „Eine Dusche zuvor wäre mir ganz lieb.“ Ahy´Vilara Thren sah ihn fast etwas verschmitzt an, als sie nach links deutete und meinte: „Durch dieses Schott. Aber beeilen Sie sich denn so viel Zeit haben wir nun auch nicht mehr.“ Schwungvoll erhob sich der Konteradmiral und marschierte nach Nebenan. Nach zehn Minuten betrat er die Küche des Appartements und sah auf den Tisch. Es gab einen andorianischen Fruchtsaft und einige violette Knollen, die eine Mischung aus Frucht und Gemüse darstellten wie Valand wusste. Seine Ahy´Vilara hatte beides nicht sonderlich gemocht. Anders als diese Ahy´Vilara denn diese genoss das Mahl offenbar. Während sich Valand zu der Andorianerin an den Tisch setzte und nach einem Glas für sich griff meinte er. Ich stelle eben fest, dass es wirklich ein paar auffallende Unterschiede gibt, zwischen diesem und meinem Universum. Er ließ offen was er damit meinte und nahm sich eine der violetten Knollen. Als er davon probierte wusste er augenblicklich warum seine Ahy´Vilara diese Knollen nie aufgetischt hatte. Da er wusste, dass sie reich an Vitaminen waren und darüber hinaus sättigend aß er sie trotzdem. Wenn auch mit Todesverachtung. Der Saft war etwas besser aber nicht sehr viel. Die gesamte Zeit über sprachen beide kein Wort miteinander. Erst als Valand sein Glas geleert hatte sprach er ein Thema an, das ihn letzte Nacht wachgehalten hatte. „Ahy´Vilara, was halten Sie davon wenn Sie mich in mein Universum begleiten würden, nachdem wir die beiden Offiziere befreit haben? Ich bin mir sicher, dass Sie ein Gewinn für die Sternenflotte meines Universums sein können.“ Das Gesicht der Andorianerin verfinsterte sich übergangslos. „Das geht nicht, Valand. Selbst wenn ich wollte. Die Allianz hat seinerzeit allen Sklaven ein Implantat eingepflanzt. Mit ihm konnte man jeden Sklaven ortungstechnisch aufspüren. Eine weitere Funktion des Implantats verhindert, dass sein Träger einen Übergang zwischen den Universen überlebt. Einige versuchten es dennoch. Sie starben bei dem Versuch. Diejenigen die einen Übergang überlebten konnten das Implantat zuvor entfernen. Doch dazu ist eine medizinische Ausrüstung nötig über die wir nicht verfügen und ein Arzt mit besonderen Fähigkeiten, denn das Implantat sitzt direkt am Stammhirn seines Trägers mit dem es verbunden ist.“ Valand Kuehn sah sein Gegenüber bedauernd an. „Das tut mir sehr leid. Ich hätte gerne auch Sie befreit, Ahy´Vilara.“ Der Gesichtsausdruck der Andorianerin verschloss sich. „Vielleicht ist es besser so. Für Sie meine ich. Es könnte möglicherweise zu Komplikationen in Ihrem Leben führen.“ Kuehn nickte in Gedanken. „Nicht nur möglicherweise sondern ganz sicher.“ Sie schwiegen erneut. Nach einer Weile erhob sich Ahy´Vilara abrupt. „Ich denke wir sollten nun aufbrechen, Valand. Befreien wir Ihre Kameraden.“ * * * Die Soldaten des Terranischen Imperiums hatten sie beide verhört. Oder besser gesagt, nach allen Regeln der Kunst gefoltert. Erst gestern hatten die imperialen Wachen dieses Gefangenen-Komplexes Commander Pasqualina Mancharella, zum wiederholten Mal, halb besinnungslos geprügelt. Tar´Kyren Dheran war es kaum besser ergangen. Doch dem Commodore war klar, dass er die wesentlich robustere Konstitution von ihnen beiden hatte. Außerdem galt bei seiner Spezies das Schlagen einer Frau, nach den alten Clan-Traditionen, als in höchstem Maße verwerflich. Zwar wurden diese Traditionen so gut wie nicht mehr gelebt, doch immer noch waren gewisse traditionelle Werte in der andorianischen Gesellschaft fest verankert. Zu Beginn ihrer Gefangenschaft hatten sie sich gelegentlich noch heftig gestritten. Hauptsächlich wegen der erst kürzlichen Trennung voneinander. Das hatte mittlerweile gänzlich aufgehört. Nicht weil alle Punkte zwischen ihnen restlos geklärt worden waren sondern weil sie schlicht keine Kraft dazu hatten, nach den täglich brutaleren Verhören. In ihrer Zelle gab es nur eine einzige Pritsche auf der sie notdürftig gemeinsam Platz fanden und das auch nur, wenn sie sich eng aneinander schmiegten. Das hatte zwangsläufig mit dazu geführt, dass sie einander wieder nähergekommen waren. Wortwörtlich. Als Tar´Kyren Dheran an diesem Morgen erwachte pochte es schmerzhaft in seinem Kopf und er stellte sich die Frage, wie es Pasqualina ergehen mochte wenn sie erwachte. Noch schlief sie und Dheran erinnerte sich daran, als sie das letzte Mal gemeinsam in Gefangenschaft gewesen waren. Vor etwas mehr als einem halben Jahr. Im Gegensatz zu damals war diese Zelle beheizt. Außerdem hatte man ihnen diesmal ihre Kleidung gelassen. Dheran spürte, dass der Kopf der Spanierin auf seiner Schulter ruhte und er versuchte weiterhin ruhig und gleichmäßig zu atmen, um sie nicht zu wecken. Der Schrecken dieser Gefangenschaft würde sie schnell genug wieder einholen. Seine Gedanken schweiften zu der damaligen Gefangenschaft zurück. Damals hatte er erstmalig gespürt, dass er etwas für seinen Ersten Offizier empfand. Doch erst einige Monate später hatten sie zueinander gefunden. Trotz seiner Liebe zu Christina Carey. Bei dem Gedanken an seine momentane Freundin begann es in seinem Innern zu brodeln. Denn ihr Gegenpart leitete die Verhöre, die ihnen seit mehr als einer Woche jeden Tag zusetzten. Sie war so anders, als seine Christina. Kalt, berechnend und brutal. Das war für ihn eine besondere Art der Folter auch wenn er sich immer wieder sagte, dass die Christina dieses Universums nicht seine Christina war. Das ging ihm nicht mehr aus dem Kopf und belastete ihn zusätzlich seelisch. Zu Beginn ihrer Gefangenschaft hatte Dheran es als etwas merkwürdig empfunden, dass sich die Christina Carey dieses Universums zwar mitunter an den Brutalitäten seiner Folterungen beteiligt hatte aber nach Aussage von Pasqualina nie an den Brutalitäten ihr gegenüber. Mittlerweile vermutete er, dass es dafür einen besonderen Grund geben musste. Möglicherweise wusste sie um sein Verhältnis zu ihrem Gegenpart. Was bedeuten würde, dass das Terranische Imperium Agenten in seinem Universum hatte und deren Informationen ziemlich aktuell sein mussten. Dieser Gedanke beunruhigte den Andorianer mit jedem Tag den er in diesem Universum zubrachte mehr und mehr. Nicht auszudenken welchen Schaden diese Agenten in seinem Universum anrichten konnten. Seitdem man ihn und Pasqualina hierher gebracht hatte versuchte er einen brauchbaren Fluchtplan zu schmieden. Immer wieder mit dem niederschmetternden Ergebnis, dass es Hilfe von Außen bedurfte um von hier zu entkommen. Doch woher sollte diese Hilfe kommen? Vermutlich wusste man in seinem Universum nicht einmal von dem Austausch. Eine Bewegung der Spanierin lenkte ihn ab. Sie klammerte sich im Schlaf an ihn und unbewusst legte er seinen Arm beschützend um sie. Erst als sie ihre Augen aufschlug und ihn fragend ansah ließ Dheran die Frau zögerlich wieder los. Dabei raunte er rau: „Versuche noch etwas zu schlafen, Pasqualina. Wer weiß was die uns heute antun wollen.“ Ihr Gesicht wandte sich ihm zu. Es war von Narben und Blutergüssen gezeichnet. So wie sein eigenes Gesicht. Leise erwiderte sie: „Ich hatte geträumt. In diesem Traum hast du mich vor diesen Bestien geschützt. Für einen Moment habe ich mich wieder sicher gefühlt.“ Dheran legte sacht seinen Arm wieder um sie. „Ich beschütze dich so gut ich kann. Und jetzt mach die Augen wieder zu.“ Ohne der Aufforderung nachzukommen sah sie den Andorianer eindringlich an und erwiderte nach einer Weile ganz leise: „Ich hasse diese Momente in denen ich mich schwach fühle, Tar´Kyren. Doch ich werde denen keine einzige ihrer Fragen beantworten und wenn die mich totschlagen. Niemals.“ Der Blick ihrer dunklen Augen verschleierte sich und Tränen rannen über ihre eingefallen wirkenden Wangen. Tar´Kyren Dheran wurde von dem Sturm der Emotionen die er wegen des Körperkontaktes von Pasqualina auffing beinahe überwältigt. Beruhigend gab er zurück: „Das werden wir beide nicht, Pasqualina. Ich hatte immer gehofft irgendwann zu heiraten und Kinder zu haben. Vermutlich wird das nun nichts mehr.“ Pasqualina wischte sich die Tränen ab. Trotzig konterte sie: „Solche pessimistischen Betrachtungen hast du noch nie geäußert.“ „Aber ich tue es jetzt.“ Widerspruch spiegelte sich in den Augen der Frau und noch bevor sie auf die letzten Worte des Andorianers antwortete bemerkte sie seinen zufriedenen Blick. Mit einer leisen Wut im Magen sagte sie: „Du bist ein raffinierter Knochen, Tar´Kyren Dheran. Mit deinen fatalistischen Worten wolltest du doch nur meinen Widerspruch anstacheln.“ Dheran grinste schief. „Stimmt.“ Die Frau seufzte schwach und schloss demonstrativ ihre Augen. Ihren Arm um den Andorianer legend sagte sie schläfrig. „Du hast Recht. Ich versuche noch etwas Schlaf zu bekommen und dasselbe rate ich dir auch.“ Nicht lange und die Atemgeräusche der Frau wurden langsamer und gleichmäßig. Sie schlief wieder und Dheran versuchte ihrem Beispiel zu folgen. Doch bei ihm wollte sich der Schlaf nicht wieder einstellen. Dennoch hielt er seine Augen geschlossen und versuchte so gut es ging zu entspannen. Der Andorianer wusste nicht wie lange er so auf dem Rücken gelegen hatte, als er ein leises Zischen hörte. Zuerst glaubte er an eine Sinnestäuschung doch dann klang es noch zweimal auf. Näher diesmal. Phaserwaffenfeuer! Ein Gefühl von Déjà-vu übermannte ihn erneut. Ganz Ähnliches hatte sich während seiner und Pasqualinas kurzzeitiger Gefangenschaft abgespielt, an die er vorhin gedacht hatte. Sacht weckte er Pasqualina und erklärte ihr in wenigen Worten was ihn alarmiert hatte. „Schon wieder?“, fragte die Spanierin spöttisch. Offensichtlich hatte sie bei seinen Ausführungen an dieselben Vorkommnisse gedacht, wie er. Sie erhoben sich von dem Lager und zogen ihre Schuhe an. Im nächsten Moment öffnete sich das Schott und ein Mensch, in der Begleitung einer Andorianerin, trat ein. Gleichermaßen verblüfft starrten die Gefangenen den Mann an, der eine Admirals-Uniform der Sternenflotte trug. Durch das offene Schott erkannte der Andorianer zwei am Boden liegende Gestalten und ihm wurde klar, dass dieser Konteradmiral nicht zum Spiegeluniversum gehören konnte. Doch das war nicht Gegenstand seiner Verwunderung. Endlich fand Dheran die Sprache wieder und erkundigte sich knurrig, dabei halb abwendend: „Was tust du hier, Valand?“ „Ich freue mich auch dich wiederzusehen“, erwiderte der Konteradmiral ironisch. Für einen Moment lang war er nicht weniger überrascht gewesen, als die beiden Gefangenen. Nachdem der Andorianer keine Anstalten machte etwas darauf zu erwidern, stürmte Kuehn auf den Andorianer zu, packte ihn am Kragen seiner Uniform und drückte ihn gegen eine der Wände. Untypisch unbeherrscht fuhr der Konteradmiral Dheran an: „Hör mir gut zu, Tar: Du hast keine Zeit um hier deine momentane Abneigung gegen mich zu pflegen. Du wirst tun, was ich dir sage – wann ich es dir sage. Ohne Fragen zu stellen. Ist das klar?“ Noch während der Andorianer überrumpelt seinen Akademiekameraden anstarrte, senkte sich die Stimme des Konteradmirals ab, wobei sie deutlich an Schärfe gewann, als er noch einmal gedehnt fragte: „Ist das klar… Commodore?“ Reglos starrte Pasqualina Mancharella die beiden Männer an. Da sie keine Ahnung davon hatte was kürzlich zwischen ihnen auf STRATEGICAL STARBASE 71 vorgefallen war, war sie verwirrt. Sie wusste nur, dass diese beiden Männer eng miteinander befreundet waren. Was deren Verhalten umso seltsamer erscheinen ließ. Inzwischen hatte der Norweger wieder von Dheran abgelassen und sagte ruhiger als zuvor: „Ich habe ein Shuttle das vor dem Gebäude wartet. Das hier ist übrigens Ahy´Vilara. Sie wird uns helfen, wieder Nachhause zu kommen.“ Die letzten Worte des Konteradmirals waren mehr für Pasqualina Mancharella bestimmt. Denn Tar´Kyren Dheran hatte seine verstorbene Frau gekannt. Noch immer etwas durcheinander wegen des emotionalen Ausbruchs, den Dheran seinem Akademiekameraden so nicht zugetraut hätte, warf der Andorianer einen Seitenblick zu Ahy´Vilara. Ohne sich anmerken zu lassen, dass er ihre Doppelgängerin aus seinem Universum ebenfalls gekannt hatte. Er fing den fragenden Blick von Pasqualina auf und machte eine beschwichtigende Geste, was die Frau zu beruhigen schien. Am Schott meinte Valand Kuehn zu der Spanierin und zu dem Andorianer: „Nehmt euch die Waffen der Wachen. Wir werden unterwegs vielleicht Probleme bekommen. Ich hoffe nur, dass inzwischen niemand einen genaueren Blick auf mein Shuttle geworfen hat, da auf den Pylonen Sternenflotte der Vereinten Föderation der Planeten steht. Also – los!“ Sie hatten Glück. Als sie ins Freie traten stand das Shuttle noch an Ort und Stelle. Außerdem war außer ihnen niemand auf dem Vorplatz zu sehen. Dem Tower hatte er zuvor den Namen eines Konteradmirals der Imperialen Flotte genannt, den ihm Ahy´Vilara verraten hatte. Während Dheran und seine XO bereits das Shuttle bestiegen, wandte sich die Andorianerin an Valand Kuehn und verlangte: „Sie müssen mich mit ihrer Waffe niederschlagen, Valand. Sonst wird man mir den Prozess machen. Selbst wenn Sie es tun ist nicht sicher ob man mir glauben wird. Ich wünsche ihnen viel Glück, Admiral!“ Beinahe verzweifelt sah Valand Kuehn die andorianische Frau an, die seiner verstorbenen Frau so sehr glich. Im nächsten Moment legte er seinen linken Arm um ihre Taille, zog sie zu sich heran und küsste sie auf die Lippen. „Ich hoffe wir werden uns irgendwann noch einmal begegnen, Ahy´Vilara.“ Damit holte der Mann aus und schlug ihr die Waffe in seiner Rechten fest auf den Kopf. Nachdem sie zu Boden gesunken war, fühlte er ihren Puls und wandte sich endlich ab nachdem er sich versichert hatte, dass sie keine zu schlimme Wunde erlitten hatte. Im Shuttle angekommen rief er laut: „Du fliegst die Kiste, Tar! Unterwegs werde ich dir die Koordinaten nennen, die du ansteuern musst damit wir wieder Nachhause kommen. Diese Ahy´Vilara hat mir die Modifikationen für die Scanner genannt, die ich eingeben muss um die Anomalie, die mich herbrachte, von dieser Seite aus wiederzufinden. Während du fliegst gebe ich die Daten ein. Commander Mancharella – Sie übernehmen inzwischen die Waffensteuerung. Nur für alle Fälle.“ Noch während sich Valand Kuehn in den Sitz des Co-Piloten warf hob der Andorianer neben ihm das Shuttle vom Boden ab. Sie erreichten unangefochten eine Stelle im interstellaren Raum, den Valand Kuehn, dank der Modifikationen der Shuttle-Sensoren exakt hatte bestimmen können. Eine entsprechende Meldung des Bordcomputers, die jener des Hinfluges glich, bewies dass sie den Übergang in ihr eigenes Universum geschafft hatten. Nachdem Valand Kuehn eine codierte Meldung an den Planeten Farrolan IV dieses Universums abgeschickt hatte wandte er sich zu Dheran. „Wir fliegen nun deine Sternenbasis an. Allerdings werden du und Commander Mancharella zunächst an Bord dieses Shuttles bleiben müssen. Ich selbst werde zunächst die Lage sondieren und in Erfahrung bringen wo sich eure Doppelgänger aufhalten. Gemeinsam mit Admiral Tarun werde ich dann einen Plan schmieden wie wir diese Doppelgänger unschädlich machen können. Ihr zwei kommt erst dann zum Vorschein wenn das geschehen ist.“ Dheran und Mancharella bestätigten, wobei sie sich vielsagende Blicke zu warfen. Kuehn entging dies nicht. Er plante bereits weiter voraus und hoffte, dass dieses nonverbale Verständnis auch zwischen ihnen und ihren Doppelgängern funktionieren würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)