[Operation Nautilus] Andara-House von MarySueLosthername (Mein letztes Jahr) ================================================================================ Kapitel 12: "Man kann ja nie wissen ..." ---------------------------------------- „Soll ich lieber das blaue oder das weiße Hemd anziehen?“ Schon etwas genervt sah ich Paul hinterher. Er lief nun zum gefühlt zehnten Mal zu seinem Schrank und riss den gesamten Inhalt heraus. Mit gequältem Gesichtsausdruck hielt er mir die beiden Kleidungsstücke hin und ich deutete wahllos auf eines davon. „Bist du sicher?“, fragte er angewidert. „Sieht das nicht zu sehr nach 'braver Junge' aus?“ „Paul, es ist ein Picknick und keine Heiratsvermittlung“, stellte ich seufzend fest, aber sein Gesicht machte mir klar, wie ernst ihm das war. „Dann nimm eben das Blaue. Warum machst du so einen Aufstand deswegen?“ Während er sich vor mir das weiße Hemd wieder auszog und einige Sekunden mit nacktem Oberkörper dastand, stellte ich erleichtert fest, dass mein Körper nicht auf ihn reagierte. Seit ich wusste, dass ich mich zum eigenen Geschlecht hingezogen fühlte, hatte ich die Befürchtung, nun bei jedem Jungen, den ich halb nackt sah, gewisse Gefühle zu entwickeln. Aber zum Glück schien das so nicht zu funktionieren. „Du hast gesagt, Jeffreys Cousine würde auch da sein und sie sei sehr hübsch“, erklärte Paul und ich brauchte einen kurzen Moment, um von den Gedanken über meine Sexualität zu unserem Gespräch zurückzufinden. Hatte ich erwähnt, wie hübsch Sally war? Ich erinnerte mich, nur gesagt zu haben, sie würde auch da sein. Darüber, dass sie wirklich gut aussah, hatte ich mir noch gar keine Gedanken gemacht. Für mich war das einfach nicht wichtig, aber ich ließ Paul die Freude darüber. Nach allem, was er geleistet hatte, gönnte ich ihm die Schwärmerei und hoffte auch, er könne fühlen, was ich fühlte. „Und? Wie sehe ich aus?“, fragte Paul, nachdem er sich komplett angezogen hatte. Lächelnd blickte ich auf und biss mir gleichzeitig auf die Unterlippe. Das blaue Hemd passte perfekt zu seinen Augen und bildete einen sanften Kontrast zu seinem blonden Haar. „Sie wird sich direkt in dich verlieben“, stellte ich sofort klar und grinste ihn verschmitzt an. Seltsamerweise reagierte Paul nicht so, wie ich es von ihm gewohnt war, indem er ebenfalls mit mir scherzte. Verlegen klebte sein Blick an seinen Schuhspitzen fest und immer, wenn er dachte, ich würde es nicht sehen, musterte er mich. „Ist … alles in Ordnung?“, fragte ich ihn stockend. „Ja.“ Er nickte, nur um dann direkt den Kopf zu schütteln. „Nein. Naja, eigentlich schon.“ Verwirrt hob ich eine Augenbraue. „Es ist alles gut, aber eigentlich nicht und dann aber doch?“, fasste ich zusammen, was er mir gerade gesagt hatte. Auf Pauls Gesicht erschien ein verlegener Ausdruck, dann zuckte er mit den Achseln und ließ sich auf seinen Schreibtischstuhl sinken. „Mir gingen ein paar Dinge durch den Kopf“, begann Paul und seine blasse Hautfarbe ging leicht ins Rötliche. Ich zog es vor, zu schweigen und zu warten, bis er von sich aus weitersprechen würde. Da es ihm anscheinend unangenehm war, würde ich ihn sonst nur verschrecken. „Kann ich dich vielleicht was fragen, auch, wenn du dann vielleicht sauer auf mich bist?“ Beinahe geschockt sah ich zu ihm herüber. Warum sollte ich sauer auf ihn sein? Nach allem, was passiert war, würde ich es eher verstehen, wenn er wütend auf mich war. „Aber sicher“, beteuerte ich und setzte mich neben ihn. Für einen kurzen Moment sah es so aus, als würde er aufspringen, um Abstand zwischen uns zu bringen. Betroffen senkte ich den Blick. Hatte Paul etwa doch ein Problem damit, dass ich mich zu Männern hingezogen fühlte? Der Gedanke erfüllte mich mit tiefer Traurigkeit. Ich würde es vielleicht ertragen, von Fremden verurteilt zu werden, aber nicht, wenn mein bester Freund es tat. Als ich wieder zu ihm aufsah, konnte ich die Tränen, die in meine Augen stiegen, nicht zurückhalten. „Du hast doch ein Problem damit oder?“, fragte ich, wobei meine Stimme zu einem heiseren Wispern wurde. Mit Unbehagen erinnerte ich mich an meine erste sexuelle Erfahrung, die ich zusammen mit Jeffrey vor ein paar Tagen erlebt hatte und deren unfreiwilliger Zeuge Paul war. Dabei hatte ich wirklich gedacht, dass er schlief! „Ist es wegen der Nacht letztens? Es tut mir so leid! Wir dachten wirklich du schläfst und ich wollte auf keinen Fall, dass du es mitbekommst. Ich hätte es besser wissen müssen, stattdessen habe ich dir etwas zugemutet, das du vielleicht abstoßend findest.“ „Nein!“, rief Paul und hob abwehrend die Hände. „Nein, das ist es nicht. Zugegeben, es war erst mal ein Schock, aber ich komme damit klar.“ Wieder blickte er mich schüchtern an, während seine Finger nervös an einem Blatt Papier nestelten. „Ich wollte wissen, wann du es gewusst hast. Also, wann dir klargeworden ist, was mit dir los ist.“ Vor Erleichterung, aber auch Überraschung, hätte ich beinahe laut aufgelacht. Außerdem war mir nicht klar, warum Paul so lange um den heißen Brei herumgeredet hatte. An seiner Frage war überhaupt nichts Schlimmes. Trotzdem musste ich kurz überlegen. „Das etwas anders mit mir war, hatte ich schon länger im Verdacht“, murmelte ich nachdenklich. „Aber wissen – ich denke, als Jeffrey mich im Westflügel geküsst hat. Warum fragst du?“ Bei meinen letzten Worten lief Paul rot an wie eine Tomate, sprang auf und rannte wie angestochen zum Fenster. „Paul, was ist los?“, sagte ich leicht gereizt und konnte nun im Ansatz verstehen, wie die letzten Monate mit mir gewesen sein mussten. „Raus damit!“ Mein strenger Ton schien zu fruchten, denn er schloss die Augen und sprach so schnell aus, was ihm durch das Hirn geisterte, dass ich kurz brauchte, um es wirken zu lassen. „Ich habe mich einfach gefragt, ob ich vielleicht auch so bin wie Jeffrey und du! Bitte sei nicht böse! Ihr seid meine besten Freunde. Aber … ich sehe es jeden Tag bei euch und ich habe mir gedacht, was wenn … wenn ich es irgendwann auch will?“ „Du meinst, du fragst dich, ob wir ansteckend sind?“, fragte ich, während ich nur mit aller Mühe ein Lachen unterdrücken konnte. Wobei ich wohl beleidigt gewesen wäre, wenn ich Paul nicht so gut gekannt hätte. Er wollte mich damit nicht verletzen, sondern hatte einfach angefangen, über sich selbst nachzudenken. Allerdings konnte ich mir nicht vorstellen, dass dies ein Thema bei ihm sei. So wie er sich über die Nachricht, dass Sally beim Picknick sein würde, gefreut hatte und dass, obwohl er sie noch nicht einmal kannte. „Wenn du es so sagst, fühle ich mich noch schlechter“, murmelte Paul schuldbewusst und ich beeilte mich, ihm zu versichern, dass zwischen uns alles in Ordnung war. Doch er war nach wie vor angespannt. „Ich denke nicht, dass du dich darum sorgen musst“, beruhigte ich ihn daher und grinste dann breit. „Denk doch nur an Sally.“ Tatsächlich hellte sich seine Miene kurz auf, aber eben nur kurz. „Ich würde es trotzdem gerne herausfinden.“ Ich zuckte mit den Schultern und konnte mir keinen Reim daraus machen, wie er es herausfinden wollte. Nachdenklich nahm ich meine Teetasse und trank einen Schluck, da mein Hals plötzlich furchtbar trocken war. „Würdest du vielleicht ...“, begann Paul, brach aber gleich wieder ab und ich sah ihn fragend an, während ich wieder an meinem Tee nippte. „Würdest du mich küssen?“ Fassungslos spie ich den Tee aus. Die, zum Glück nicht mehr so heiße, Flüssigkeit verteilte sich ungehindert auf meiner Hose und dem Fußboden. „Was?“ Meine Stimme hatte einen Ton angenommen, den ich noch nie zuvor gehört hatte und schaffte, es innerhalb der drei Buchstaben, die dieses Wort hatte, zu kippen. Paul war knallrot, trat von einem Fuß auf den anderen. Und hätte unser Zimmer ein Loch gehabt, dann hätte er sich wohl darin verkrochen. „Meinst du … das ernst?“, brachte ich krächzend hervor und schluckte schwer, als er nickte, ohne mich dabei anzusehen. „Ich weiß, die Idee ist blöd. Aber ich dachte, so könnte ich sicher merken, ob ich was fühle oder nicht.“ Seufzend ließ er sich wieder auf den Stuhl neben mir fallen und begann erneut, mit dem Papier zu spielen. Ich hatte mir übrigens ein Beispiel an ihm genommen. „Die Vorstellung ist wirklich komisch, wenn ich ehrlich bin, aber man weiß ja nie“, redete er gegen die peinliche Stille an, die sich zwischen uns gebildet hatte. Ich nickte nur und versuchte angestrengt, zu einem Ergebnis zu kommen, bevor unser Schreibtisch von Papierschiffchen überflutet wurde. „Verdammt, was soll's!“, stieß ich aus und beachtete Pauls fragenden Blick nicht weiter, als ich sein Gesicht in meine Hände nahm. Seine Augen sprühten vor Panik, während ich ihm immer näherkam und eigentlich sollte das schon Gewissheit genug gewesen sein, weshalb ich zögerte. „Bist du sicher?“ „Ja, mach!“ „Nein, ich kann das nicht“, jammerte ich und mir stellten sich die Nackenhaare auf, als ich unsere Zimmertür hörte. Entsetzt drehte ich den Kopf und hielt dabei Pauls noch immer in meinen Händen. Nach wie vor trennten uns nur wenige Zentimeter. Mir war klar, wie bescheuert das aussehen musste, aber ich war zu geschockt, um mich von ihm zu lösen. Grinsend stand Jeffrey an der Tür und sah uns mit unverhohlenem Interesse an. „Darf ich fragen, was ihr da macht?“ „Paul wollte wissen, ob er Jungs mag und ich sollte ihn küssen“, erklärte ich und blinzelte darüber, wie klar ich ihm das erzählte, obwohl alles in meinem Kopf auf konfus stand. Dann wurde mir bewusst, was das für Jeffrey bedeuten musste, wo er doch mein Freund war. „Es war wirklich nur das! Glaub mir, da ist sonst nichts!“ Geschockt ließ ich die Hände sinken, während Paul meine Unschuld beteuerte. Ich erwartete, im nächsten Moment angeschrien oder zumindest mit Vorwürfen überschüttet zu werden. Doch alles, was passierte, war, dass Jeffrey in schallendes Gelächter ausbrach. „Und? Tut er?“ Ich zuckte mit den Schultern; immerhin wusste ich es nicht. „Du hast dich nicht getraut“, stellte Jeffrey fest und ich verzog beleidigt das Gesicht. Auch wenn ich es nie zugeben würde, reagierte ich empfindlich, wenn er mich für feige hielt. Bevor ich jedoch etwas tun konnte, langte er neben mir an, beugte sich zu uns herunter und drückte Paul einen Kuss auf die Lippen, der mich beinahe neidisch machte. „Und?“, fragte er erneut. „Mach das nie wieder!“, grollte Paul bedrohlich und ich war froh, dass der Kuss nicht von mir kam. Stirnrunzelnd sah Jeffrey ihn an, bevor sein Grinsen noch breiter wurde. „Vielleicht bin ich nur nicht dein Typ?“, warf er dann ein. „Küss du ihn, Mike.“ „Nein!“, kreischte ich, während Paul gleichzeitig den Kopf schüttelte. „Nicht nötig. Ich weiß jetzt, was ich wissen wollte.“ Ich warf ihm einen dankbaren Blick zu und ignorierte Jeffrey, der absolut enttäuscht aussah. Wobei ich mir nicht sicher war, ob er das ernst meinte und tatsächlich Gefallen daran fand, zu sehen, wie ich einen anderen küsste. Die Vorstellung war mehr, als ich ertragen wollte, aber ich war auch froh, dass er nicht vor Eifersucht platzte. „Also gut. Wenn das jetzt geklärt ist, können wir ja los“, wechselte Jeffrey gekonnt das Thema, schnappte sich die Picknickdecke und lief zur Tür. Ich war drauf und dran, ihm zu folgen, als mir auffiel, wie meine Hose aussah. Schnell teilte ich den beiden mit, dass sie draußen auf mich warten sollten, während ich mich noch umziehen würde. Paul folgte der Einladung nur zu gerne und verschwand direkt, während Jeffrey die Decke wieder auf sein Bett fallen ließ. Zwar fühlte ich Unbehagen darüber, dass wir nun alleine waren. Da ich Paul aber nicht so lange warten lassen wollte, zog ich mir schnell die Hose aus. Die Wahl der neuen Hose fiel mir recht leicht, denn mir war nicht so wichtig, was ich trug, wie es bei Paul der Fall war. Gerade, als ich mich nach vorne beugte, um in die Hosenbeine zu schlüpfen, zog Jeffrey mich an sich. Schamlos ließ er die Hände in meine Unterhose gleiten, wo er sie besitzergreifend auf meine Pobacken legte. Die Berührung ließ meinen Körper kribbeln und gleichzeitig wurde ich schrecklich nervös, bis sich unsere Lippen endlich trafen. Wir hatten schon oft intensive Küsse geteilt, aber dieser ließ mich mit absolut weichen Knien und klopfendem Herzen zurück. „Damit du weißt, dass ich nur dich will und nicht auf die Idee kommst, noch andere küssen zu wollen“, erklärte er lächelnd, als er meinen fassungslosen und verklärten Blick erwiderte. „Und jetzt zieh dich an, bevor Paul langweilig wird und er vielleicht doch Sehnsucht nach mir bekommt.“ Das kleine Waldstück um Andara-House eignete sich perfekt für unser Picknick und das Positive daran war die Gelegenheit, den See wieder mit etwas Gutem zu verknüpfen. Trotzdem bekam ich ein flaues Gefühl im Magen, als wir aufbrachen und wusste, wohin uns unser Weg bringen würde. Ich hatte jedoch nicht viel Zeit, mir darum Gedanken zu machen. Kaum war ich hinter Jeffrey aus der Tür gestolpert, sah ich auch schon Paul, der sich angeregt mit meinem Vormund unterhielt und ich stürmte ihnen aufgeregt entgegen. Divari würde morgen wieder abreisen und ich ihn dann für eine lange Zeit nicht mehr sehen. Daher wollte ich die Zeit mit ihm nutzen, so gut es nur ging. „Langsam, Kumara!“, ermahnte er mich und fuchtelte lachend mit der Zeitung, die er in der Hand hielt, in der Luft herum. Ich ließ es mir nicht nehmen, ihm trotzdem um den Hals zu fallen und einen spöttischen Kommentar darüber abzugeben, dass er selbst bei einem Picknick nicht ohne seine Zeitungen auskam. „Das könnte dir auch guttun! Jeder Mann, der etwas auf sich hält, sollte das Weltgeschehen im Auge behalten. Besonders in diesen Zeiten“, setzte er zu einem langen Vortrag an, während ich genervt die Augen verdrehte. „Aber ihr Jugendlichen lest ja immer nur eure fantastischen Romane. Wie die von diesem seltsamen Typen. Wie hieß der noch gleich?“ „Jules Verne“, seufzte ich und bereute meinen Kommentar über die Zeitung schon wieder. Ich mochte Vernes Romane, weil sie eine so unglaubliche Welt aufzeigten, von der ich hoffte, sie eines Tages zu erleben. Besonders „20000 Meilen unter dem Meer“ hatte es mir angetan und ich konnte es kaum aus der Hand legen, seit ich es damals von einem Landsmann geschenkt bekommen hatte. Ich war zu dieser Zeit zehn Jahre alt gewesen und gerade erst am Internat angekommen. Nachdem ich bis dahin recht behütet in Indien aufgewachsen war, stellten England und das Internat einen großen Schock für mich dar. Fast täglich saß ich im Freien auf der Treppe, versteckte mich dabei so gut es ging und weinte. Bis dieser Mann – er war Inder, wie ich selbst – sich eines Tages zu mir setzte und mir erklärte, alles würde gut werden. Und bis das so sei, solle ich lesen und er gab mir das atemberaubende Buch über Kapitän Nemo und seine Nautilus. Diese Erinnerung brachte mich immer zum Lächeln, daher liebte ich das Buch wohl auch so. Mehrfach versuchte ich, meinen Vormund davon zu überzeugen, aber so oft ich es ihm auch empfahl, er hatte nicht mehr als ein müdes Kopfschütteln dafür übrig. „Wo sind dein Onkel und Sally?“, fragte ich Jeffrey, um so das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken. Ich wollte die Zeit mit meinem Vormund nicht mit Diskutieren oder, schlimmer noch, mit Streiten verbringen. Manchmal kam es dazu, wenn wir auf dieses Thema kamen. Auch wenn es mir jedes Mal verrückt vorkam, dass ein einfaches Buch für Divari ein Grund war, sich derartig aufzuregen. „Wie ich die beiden kenne, sind sie schon da und bereiten alles vor, als würde großer Staatsbesuch anstehen“, lachte Jeffrey und ich seufzte erleichtert, als nun auch Divari und Paul zustimmten, aufzubrechen. In Zukunft würde ich aufpassen, was ich sagte, bevor die Stimmung wirklich kippen konnte. Außerdem wollte ich ja auch noch etwas von meinem Vormund und wenn ich ihn verärgerte, konnte ich das vergessen. Verschwörerisch nickte ich Jeffrey zu. Ich hatte seinen Vorschlag nicht vergessen, denn ich konnte die ganze Woche lang an nichts anderes mehr denken. Ich wollte unbedingt die Osterferien bei ihm und seinem Onkel verbringen, aber ohne Divaris Erlaubnis ging das nicht. Mit klopfendem Herzen lief ich hinter Jeffrey her, während Paul und Divari, sich munter unterhaltend, vorausgingen. Der Kies unter meinen Schuhen knirschte auffällig und für ein paar Sekunden erinnerte ich mich an den Schnee, gefolgt von der Erinnerung an das eisige Wasser des Sees. Mir fröstelte, obwohl es dieses Jahr für April schon recht warm war. Ich zog mir sogar nach einigen Schritten meine nicht zu dicke Uniformjacke aus und öffnete den oberen Knopf meines Hemdes. Bald folgten auch Jeffrey und Paul meinem Vorbild. Lediglich Divari schien zu frieren, während er uns zweifelnde Blicke zuwarf. Aber er war auch ganz andere Temperaturen gewöhnt. Die letzten Wintertage in Europa musste ihm vorgekommen sein, als würde er sich in einem Eisschrank aufhalten. „Jeffrey!“ Sallys rufen riss mich aus meinen Gedanken und ich konnte ein Grinsen nicht unterdrücken, als ich sie aufgeregt winken sah und bemerkte, wie Paul entzückt in ihre Richtung blickte. Schnell ließ er sich zurückfallen, sodass er neben mir anlangte und Jeffrey, zusammen mit meinem Vormund, zuerst bei der jungen Frau ankamen. „Stellst du mich ihr gleich vor?“, fragte Paul aufgeregt und auf seinen Wangen zeichnete sich eine leichte Röte ab. Wenn ich jetzt daran dachte, dass er mich vorhin fast genötigt hatte, ihn zu küssen, fiel es mir schwer, nicht in lautes Gelächter auszubrechen. Ich biss mir daher auf die Lippe, aber ganz konnte ich das Grinsen nicht unterdrücken. „Warum grinst du so?“ Irritiert, aber mit einem deutlichen Glitzern in den Augen, wartete er auf eine Antwort von mir. Weil er mich vorhin jedoch in solch eine seltsame Situation gebracht hatte, ließ ich ihn noch einige Minuten zappeln, bis er, aufgeregt wie ein kleines Kind an Weihnachten, um mich herumsprang. „Und?“ „Aber klar“, versicherte ich ihm und auf seinem Gesicht machte sich ein Strahlen breit, als würde er mit der Sonne konkurrieren wollen. „Unter einer Bedingung.“ Sein Lächeln gefror, während ich nun zu kichern begann. „Du lädst mich zu deiner Hochzeit ein und benennst dein erstes Kind nach mir!“ „Mein erstes?“, rief Paul freudig aus. „Wenn du willst, alle!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)