Ein wenig Leben von Norrsken ([Wieder|vereint]) ================================================================================ Kapitel 2: Heimreise -------------------- Es hatte seine Vorteile, wenn der persönliche Chauffeur ein Untoter war. Gerade als Jason und Nico beratschlagen wollten, welcher Weg für sie beide der Günstigste war, um nach San Francisco zu kommen, hielt direkt vor ihnen an der Straße eine schwarzlackierte Chrysler Limousine. Im Vergleich zu den anderen Wagen auf der Straße wirkte das Modell veraltet, wodurch es gleich die Aufmerksamkeit der beiden jungen Männer auf sich zog. Der Fahrer blieb sitzen, doch wie von Geisterhand öffnete sich die hintere Tür als stumme Aufforderung. Nico konnte sich davon abhalten, die Hand gegen die Stirn zu schlagen. An seinen Zombiechauffeur hatte er nicht mehr gedacht. Mit dem Auto würde es zwar eine längere Fahrt, aber es kostete sie nichts (und keiner von ihnen musste sich aufs Fahren konzentrieren). Ohne groß zu überlegen, wollte er schon auf der Rückbank Platz nehmen, als Jason ihn davon abhielt. Irritiert flog sein Blick auf die Hand, die ihn am Arm gepackt hatte, dann hinauf zu seinem Gesicht. Zwischen Jasons Brauen hatte sich eine tiefe Falte gelegt und seine Augen schienen ›Was machst du, du Dussel?‹ zu sagen. Er gab nach und wurde ein Stück zurückgezogen. Wenn er darüber nachdachte, war es das erste Mal, dass Jason seinen Chauffeur traf. Vorher hatte es keine Gelegenheit gegeben und er ging mit dem Thema nicht hausieren. Dass er misstrauisch war, konnte Nico nachvollziehen – auch wenn es ihn ein bisschen kränkte. Als wäre er so unbedarft oder könnte sich nicht verteidigen. Während er Jason ansah, neigte er den Kopf und hob eine Augenbraue, als verstehe er das Problem nicht. »Das ist Jules-Albert, mein Chauffeur«, erklärte er und schaffte es ein weiteres Mal, seinen Freund zu überraschen. »Dein Chauffeur?«, echote Jason ungläubig. Er neigte sich zur Seite und schaute durchs Beifahrerfenster, um sich ein genaueres Bild zu verschaffen. Der Fahrer war blass und das Lächeln um seine Lippen unheimlich. Wenn er ihm in die Augen sah, lief ein kalter Schauer über seinen Rücken. »Er sieht nicht gesund aus.« Arglos zuckte Nico mit den Schultern. »Er gehört zu den Leuten meines Vaters.« Da er Jules-Albert für gewöhnlich selbst rufen musste, tippte er darauf, dass sein Vater seine Rückkehr mitverfolgt hatte. Ihm gefiel es zwar nicht, wenn er unter Beobachtung stand, aber diese etwas schräge väterliche Fürsorge interpretierte er als Willkommensgruß. Jason hatte inzwischen von Nicos Arm gelassen und die Hände stattdessen in die Hosentaschen geschoben. »Ein Zombiechauffeur«, fasste er zusammen. Das war nicht das Schrägste, was er in seinem bisherigen Leben erlebt hatte. Nach seinem Besuch bei Hades in der Unterwelt, waren Tote auch nichts Neues. Trotzdem behagte ihm nicht, von jemanden gefahren zu werden, der bereits tot war und es stand ihm ins Gesicht geschrieben, dass ihm die Erklärung nicht genügte. »Er fährt gut«, versicherte Nico. »Im Gegensatz zu den Lebenden hat er keine Zeit mehr zu verlieren.« Der verschwiegene Jules-Albert war ihm allemal lieber als cholerische Taxifahrer, die man sonst so antraf. Damit ließ Jason sich überzeugen und er zuckte mit den Schultern. Wer war er, dass er dem Sohn des Hades‘ bei der Auswahl seiner toten Gefolgsleute misstraute? Außerdem war es verlockend, sich zurück nach Neu Rom fahren zu lassen. Mit einem spöttelnden Grinsen machte Nico für Jason den Cavaliere und gab ihm den Vortritt. Der ließ sich nicht zwei Mal bitten und rutschte über die Rückbank auf den Platz hinter dem Fahrer. Nachdem beide saßen und die Autotür geschlossen war, wartete ihr Zombiechauffeur, bis sie angeschnallt waren. Erst dann legte er den Gang ein und fädelte in den Verkehr von Las Vegas ein. Im Vergleich zur Anreise war diese Fortbewegung ein Luxus, um den Jason Nico kurz beneidete. Dann war er sich nicht sicher, ob ein Zombie auf Dauer nicht eine etwas traurige Gesellschaft war. Für den Augenblick würde er diesen Gedanken jedoch nicht vertiefen, da die Polsterung des Chryslers wirklich ungeheuer bequem war und er nicht mehr wusste, wann er zuletzt geschlafen hatte. Sein Freund beobachtete, wie er langsam in seinem Sitz versank. Seine Augen fielen ihm schon halb zu, aber er kämpfte. Im Lotos Hotel hatte Nico selbst viel geschlafen und er war noch keine acht Stunden wach. Trotzdem rutschte er auf seinem Platz herum, bis er die perfekte Position fand, um sich bequem anzulehnen und die Augen zu schließen. Mit dem leichten Gewicht auf seiner Schulter gab Jason schließlich den Kampf gegen die Müdigkeit auf. Bevor er gänzlich wegdämmerte, tastete er nach der Hand des anderen und verhakte ihre Finger. Mit einem leichten Druck erwiderte Nico die Geste und hörte kurz darauf Jasons gleichmäßige Atemzüge. Jules-Alberts Fahrstil war hervorragend, denn es gab weder Ruckeln noch Stocken, das die beiden wecken sollte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)