April, April von demona1984 ================================================================================ Kapitel 1: Einziges ------------------- April, April Das Gefühl war ihm nicht unbekannt und doch hatte er gehofft, gebetet, dass er es nie wieder erleben musste. Dieses Gefühl wenn eine kalte Klaue sich mit Gewalt durch seine Brust schlug und sein, noch schlagendes Herz heraus riss. Nun, nicht wortwörtlich aber genauso fühlte es sich an. Einmal verursacht von seiner ehemals besten Freundin und jetzt, nun verursacht von ihrem Sohn. Fassungslos starrte Severus den jungen Mann vor sich an, der mit verschränkten Armen und kaltem Blick vor ihm stand. Er konnte immer noch nicht glauben, was er da gerade gesagt hatte. Die Worte konnte nicht wahr sein, konnten nicht ausgesprochen worden sein. „Das ist nicht dein Ernst“, keuchte er leise. „Natürlich ist das mein Ernst“, sagte Harry kalt. „Aber warum? Harry, was ist passiert?“ Lautes, kaltes, abweisendes Lachen erklang. Ein Lachen, dass so gar nicht zu dem Charakter von Harry passte und eher an IHN erinnerte. „Es ist nichts passiert, ich bin diese ganze Scharade nur leid. Es reicht mir. Mir dreht sich der Magen um wenn ich nur daran denke dich nochmal anfassen zu müssen. Nur Hermines Anti-Übelkeitstränke haben verhindert, dass ich mich beim Küssen übergeben musste und die will mir einfach keine mehr brauen“, erklärte Harry schulterzuckend, „außerdem wird es langweilig. Wir haben uns genug amüsiert, es reicht jetzt. Und das Datum passt doch auch. Also, April, April.“ Er lachte über seinen eigenen Scherz. Sein Herz brach. Aus einem haarfeinen Riss wurde in wahnsinniger Geschwindigkeit eine Kluft und schließlich zersprang sein Herz in Millionen Scherben. „Och, jetzt heul aber nicht“, spottete Harry. Wut stieg in Severus auf, er blinzelte die Tränen weg und verschloss sein Gesicht. „Nun, Mr. Potter, wenn das Ihr Wunsch ist, werde ich Sie nicht weiter behelligen.“ „Ach, sind wir wieder beim Sie, Professor Snape“, lachte Harry kalt, „gut, dann bleiben wir dabei. Aber ich warne Sie, wenn Sie mich durchfallen lassen, wird jeder hiervon erfahren und ich werde es garantiert noch etwas ausschmücken. Sie werden nach Askaban gehen wenn ich meinen Abschluss in Zaubertränke nicht schaffe. Verstanden?“ „Verstanden“, presste Severus zwischen zusammen gebissenen Zähnen heraus. Er wusste, dass es keinen Grund gab ihn nach Askaban zu schicken, sie hatten nicht genug gemacht. Aber das würde Fudge nicht davon abhalten. Nicht wenn es um den Goldjungen und den Todesser ging. „Sehr schön“, freute sich Harry während er begeistert in die Hände klatschte, „dann mache ich mich mal auf den Weg. Ich muss doch pünktlich zum Frühstück sein. Professor Snape, wir sehen uns.“ Damit wandte er sich ab und wollte gehen. „Ist das alles dein Ernst?“ Die Frage war leise, traurig und resignierend gestellt. Mit einem Schnauben drehte sich Harry nochmal um und warf die Hände in die Luft. „Wie deutlich muss ich denn noch werden? Es war nur ein Spaß, ein bisschen Ablenkung von IHM und dieser verdammten Schule. Hast du wirklich geglaubt, mir wäre es ernst? Hallo? Der Riesenzinken sollte diesen widerlichen Gestank nach Kräutern und Tränken doch eigentlich wahr nehmen. Und selbst ein Blinder mit Krückstock sieht den Rest, diese Haare, diese abstoßenden Augen. Ich meine, wer kann diese Farben schön finden? Schon das Schwarz ist hässlich, so ein Stück alte Kohle oder so was aber dann noch dieses dreckige Weiß. Diese Kombination ist so hässlich, dass du eigentlich eine Sonnenbrille tragen solltest, das sollte man keinem zumuten müssen. Mal vom Alter abgesehen. Glaubst du wirklich, dass ich mein restliches Leben mit einem alten Knacker verbringen will? Ich bin sechzehn, ich bin der Held der Prophezeiung, ich kann jeden haben wenn mir der Sinn nach einem Kerl steht“, sagte Harry betont deutlich, „mir kommt das kalte Kotzen wenn ich daran denke, was ich beinah tun musste, das wäre so widerlich gewesen. So unnatürlich, ich bin froh, dass ich die Sache vorher beenden kann aber wir haben uns genug amüsiert. Die ganze Sache war der Lacher im Turm aber heute ist der 1. April, also nochmal, April, April. Kann ich jetzt gehen? Oder muss ich noch deutlich werden?“ Stumm schüttelte Severus den Kopf, er hatte ihm im Endeffekt alles gesagt, was Severus schon immer gewusste hatte und was er bis jetzt immer bestritten hatte. Er hatte von Anfang an gewusst, dass Harry ihn anlog aber er hatte bis jetzt daran geglaubt, hatte die Augen vor der Wahrheit verschlossen und schlug jetzt sehr hart auf dem kalten Boden der Realität auf. Da er nichts mehr sagte, drehte sich Harry um und ging wirklich zurück zum Schloss. Eigentlich müsste er sich auch auf den Weg machen, Harry hatte ihn noch vor dem Frühstück hierher bestellt aber ihm fehlte die Kraft sich in Bewegung zu setzen. Sein Kopf war leer, er konnte an nichts mehr denken. Sein Traum war wie eine Seifenblase geplatzt. Irgendwann setzte sich Severus in Bewegung, der Gong zum Frühstück und zum Unterrichtsbeginn war längst erklungen und es hatte zu regnen begonnen. All das war nicht wichtig, zumindest im Moment nicht. Tropfend betrat er Hogwarts, mit leerem Blick und fast schon mechanisch bewegte er sich durch die Korridore. „Severus, wo warst du?“ Er hielt nicht inne als Albus' Stimme erklang sondern ging stumm weiter bis eine Hand ihn am Oberarm festhielt. „Severus, was ist los?“, fragte Albus besorgt, so hatte er seinen Tränkemeister noch nie gesehen. Als dieser ihm den Kopf zuwandte, ließ Albus ihn sofort los. Er hielt ihn nicht noch einmal auf sondern sah ihm zutiefst erschüttert nach. Diese absolute Traurigkeit in den zweifarbigen Augen hatte ihn direkt ins Herz getroffen. Irgendetwas musste mit Harry passiert sein. Aber der Junge war doch beim Frühstück noch völlig normal gewesen. Er hatte bei seinen Freunden gesessen, wie immer die Hausaufgaben von Mrs. Granger abgeschrieben und sich mit Mr. Weasley amüsiert. Nichts hatte darauf hingedeutet, dass sich irgendetwas verändert hatte. Vor allem nicht so Schwerwiegendes, dass es Severus so aus der Bahn geworfen hatte. Nachdenklich wandte sich Albus um, er musste den Stundenplan für heute umstellen denn er war sich sicher, dass Severus jetzt in seine Wohnung gehen würde und zumindest heute nicht mehr raus kommen würde. Er überlegte kurz ob er nochmal mit Severus sprechen sollte aber er entschied sich dagegen. Severus musste erst einmal mit sich selbst irgendwie ins Reine kommen, danach könnte er ihm vielleicht helfen. „Weißt du wo er ist?“, fragte Hermine besorgt. Nicht nur ihr Blick ging immer wieder zum Lehrertisch, fast jeder Schüler sah immer wieder zur hohen Tafel. Vor allem die Slytherins zeigten sich stark besorgt, es wurde untereinander getuschelt und immer wieder sah man zum Lehrertisch oder zur großen Tür. Doch der vermisste Lehrer tauchte nicht auf. „Keine Ahnung“, gestand Harry, der sich große Sorgen machte. Er hatte Severus den ganzen Tag nicht gesehen und als er sich gestern Abend verabschiedet hatte, war alles gut gewesen. Zumindest hatte er den tiefen Kuss so verstanden. Was war also in dieser einen Nacht geschehen? „Vielleicht ein Aprilscherz?“, schlug Seamus hoffnungsvoll vor. „Ein Was-Scherz?“ „Heute ist der 1. April und da ist es unter Muggeln üblich sich gegenseitig Streiche zu spielen oder halt kleine Scherze“, erklärte Harry, „aber das passt nicht zu ihm, er hasst diesen Tag.“ „Verständlich. Wie kommen Muggel auf so eine schwachsinnige Idee?“, fragte Ron kopfschüttelnd, „vor allem, was soll das für ein Scherz sein?“ „Weiß jemand ob er im Unterricht war?“ „War er nicht. Luna hätte ihn heute gehabt“, warf Ginny ein, „sie sagt, dass McGonagall Vertretung hatte.“ Die Freunde sahen sich ratlos an, Harrys Blick ging wieder zur hohen Tafel und begegnete dort dem Blick des Schulleiters. Er erkannte die Frage darin und zuckte mit den Schultern, er wusste nicht was mit ihm los war. Dumbledore deutete mit den Augen kurz zur Tür und Harry nickte, wortlos erhob er sich. „Harry?“, fragte Hermine leise und besorgt. „Mir ist der Appetit vergangen, ich geh schon in den Turm.“ Er wartete nicht ab was und ob seine Freunde antworteten sondern verließ die Halle. Er sah nicht die besorgten Blicke und den einen Blick, der sehr zufrieden und gehässig war. Es dauerte nicht lange bis sich die große Flügeltür erneut öffnete und Albus Dumbledore sich ihm näherte, er sah genauso besorgt aus wie er sich selber fühlte. „Harry, lass uns ein Stück gehen.“ „Ja, Sir.“ Albus führte seinen Schüler aus der Schule raus und erst als er sicher war, dass niemand sie mehr hören konnte, fragte er, „weißt du etwas?“ „Nein, Sir, ich habe ihn den ganzen Tag nicht gesehen.“ „Ich habe ihn heute Morgen gesehen, nach dem Frühstück. Er kam von draußen und war komplett nass, er muss schon einige Zeit im Regen gestanden haben. Habt ihr euch draußen getroffen?“, fragte Albus weiter. Es kam ihm immer noch falsch und seltsam vor, dass diese zwei unterschiedliche Menschen eine Beziehung anstrebten aber nach dem Gespräch war er zumindest beruhigter gewesen. Beide waren sehr vernünftig und würden nichts illegales tun. Für das nächste Jahr mussten sie noch eine Entscheidung treffen. Entweder sie machten es offiziell und dann würde er selbst Harry offiziell benoten. Oder sie ließen es unter der Hand laufen und er würde Harry inoffiziell benoten. So oder so würde Severus ihm keine Noten mehr geben, dem hatten Beide schon zugestimmt. Beide Varianten würden extrem stressig werden, auch wenn Albus der Meinung war, dass es besser wäre alles offiziell zu machen. „Nein, haben wir nicht“, sagte Harry gerade, „ich habe ihn gestern Abend das letzte Mal gesehen. Ich war die ganze Nacht in meinem Schlafsaal verbracht und bin heute Morgen mit meinen Freunden direkt zum Frühstück und danach in den Unterricht.“ Stirnrunzelnd sah Albus seinen Schüler an, er sah keine Lüge in seinen Augen und er glaubte auch nicht daran, dass er ihn anlog. Das passte einfach nicht zu Harry. „Sir, muss ich mir Sorgen machen?“ „Das weiß ich nicht, das ist ungewöhnlich für ihn. Willst du noch hin?“ Schweigend nickte Harry, das hatte er wirklich noch vor. „So ungern ich das sage aber wenn du etwas weißt, sag mir bitte Bescheid. Ich bin mir leider sehr sicher, dass er eher mit dir redet als mit mir“, gestand Albus niedergeschlagen. Der Zugang zu Severus war immer sehr schwierig gewesen und er hatte sich eingestehen müssen, dass Harry in den wenigen Wochen einen stärkeren Zugang zu ihm gefunden hatte als er in alle den Jahren. Auch wenn er es nicht wirklich glauben wollte und konnte, aber das Verhalten von Severus musste einfach mit Harry zusammen hängen. Nur schien dieser wirklich ratlos, Albus war im Moment am Ende seines Lateins angekommen. „Ich hoffe es.“ „Er wird mit dir reden“, sagte Albus zuversichtlicher als er war. „Ist sonst noch etwas, Sir?“ „Nein, das war alles.“ Harry nickte ihm nochmal zu und ging dann zurück ins Schloss. Er würde bis zur Sperrstunde warten und dann zu Severus gehen. Er musste einfach raus finden was hier los war. Den besorgten Blick bemerkte er nicht. Ein letztes Mal sah sich Harry um doch er war alleine im Korridor. Dann wandte sich seine Aufmerksamkeit wieder der unscheinbaren Tür vor sich zu, dunkelgraues Holz, dass sich kaum von den umliegenden Steinwänden abhob. Eine kleine silberne Plakette war darauf befestigt. „S.Snape.“ Mehr deutete nicht auf den Tränkemeister und Hauslehrer Slytherins hin. Harry hoffte, dass er wirklich da war aber wo sollte er sonst sein? „Schattenfuchs“, flüsterte er leise doch das vertraute Knarren blieb aus. Etwas verwirrt wiederholte Harry das Passwort, einmal, zweimal, sogar ein drittes Mal aber die Tür blieb zu. Das konnte nur eins heißen. Severus hatte das Passwort geändert. Irgendwann hatte sich Harry aus seiner Starre gelöst und auf den Rückweg zum Turm gemacht. Seine Gedanken wirbelten in seinem Kopf umher aber er kam zu keinem Ergebnis. Was war gesehen? Was war mit Severus? Warum hatte er das Passwort geändert? Nur er und Harry kannten es, also musste es den Grund haben ihn auszusperren aber warum? Was hatte er getan? Harry ging in Gedanken die letzten Wochen durch aber er fand nichts, was so eine Reaktion verdient hätte. Da war der, etwas missglückte Valentinstag und die entsprechenden Reaktionen auf sein Nachsitzen. Och, ER hatte sich scheinbar köstlich amüsiert als Harry eine Affäre mit Severus unterstellt wurde, ER war so amüsiert gewesen, dass er das Thema sogar hatte fallen lassen. Die Schüler hatten genauso reagiert wie Severus vorher gesagt hatte, über Tage und Wochen hatte es immer wieder Anspielungen, Anfeindungen und Spekulationen gegeben, mal leise, mal laut, mal diskret und mal sehr, sehr direkt. An den Hufflepuffsiebtklässler, der Harry in der vollen Halle gefragt hatte, ob er seine guten Noten bekam weil er sich von Snape ficken ließ, würde wohl keiner vergessen. Genau wie die darauf folgenden drei Wochen Strafarbeiten bei Filch und die einhundert Punkte Abzug. Es hatte knapp vier Wochen gedauert bis sich die Sache etwas beruhigt hatte, was vor allem auch daran lag, dass Harry alles abprallen ließ. Er weihte seine restlichen Freunde ein denn sie hatten eine Antwort verdient aber die restlichen Schüler ließ er einfach auflaufen. Er war auf keine Provokation eingegangen, auch wenn sie teilweise sehr bösartig gewesen waren. Die Lehrer hatten hinter Severus gestanden, sie hatten jeden bestraft, der irgendwelche Gerüchte in die Welt gesetzt hatte. Harry lachte leise in sich hinein, so viele Punkte hatten wohl alle vier Häuser noch nie verloren wie zu dieser Zeit. Doch das Lachen verstummte schnell wieder als er an sein momentanes Problem dachte. Wie sollte er mit Severus reden wenn er nicht an ihn ran kam? Er seufzte leise und wechselte die Richtung, er würde Professor Dumbledore noch schnell Bescheid sagen. Die Nacht war lang und schlaflos gewesen, zumindest Harrys Nacht. Er war zu keinem Ergebnis gekommen, die Karte des Rumtreibers hatte gezeigt, dass Severus die ganze Zeit in seinen Räumen gewesen war aber da kam er nicht an ihn ran. Er hatte die ganze Nacht überlegt was er falsch gemacht hatte aber er war schlicht ratlos. Diese Ratlosigkeit sah man ihm auch an als er den Gemeinschaftsraum betrat um mit seinen Freunden zum Frühstück zu gehen. Er hörte aufmunternde Worte und Ratschläge aber er hörte sie nicht wirklich, er machte sich zu große Sorgen und schleppte sich fast wie in Trance in die große Halle. Seine Stimmung hellte sich auf als er Severus am Lehrertisch sitzen sah aber sie wurde gleich wieder getrübt als er den sorgenvollen Blick von Professor Dumbledore sah. Warum sah er immer wieder zu Severus und runzelte dabei die Stirn? War doch nicht alles in Ordnung? Er setzte sich doch an Frühstück war nicht wirklich zu denken. „Harry, iss wenigstens etwas“, mahnte Hermine, „wir haben die letzten zwei Stunden vor der Mittagspause bei ihm, da ergibt sich die Möglichkeit zu reden.“ „Stimmt“, murmelte Harry bevor er sich langsam etwas zu essen nahm, aber sein Blick ging immer wieder zu Severus. Doch dieser sah starr auf sein Frühstück, einen extrem verbissenen Ausdruck um die Mundwinkel. „Da stimmt doch was nicht“, murmelte Hermine, „so verbittert schaut er doch sonst nicht.“ „Stimmt“, war wieder alles, was Harry sagte, seine Sorgen wuchsen. Wenn er ihn doch nur ansehen würde, er konnte in diesen beeindruckenden Augen normal ohne Probleme lesen. Nur musste er ihn dazu ansehen. Da, als ob er seine Gedanken gelesen hätte, hob Severus den Blick und Harry schreckte zurück. Hass, abgrundtiefer, bodenloser Hass schlug ihm entgegen, völlig unverhüllt und ohne jeden Rückhalt wurde ihm dieser Hass präsentiert. „Harry, alles in Ordnung?“, fragte Ron alarmiert als sein bester Freund plötzlich sehr, sehr blass wurde. „Nein.“ Verwirrte Blicke wurden getauscht, seine Freunde sahen zum Lehrertisch doch Severus hatte den Blick bereits wieder abgewandt. Niemand hatte den Blick gesehen, keiner konnte sich erklären was plötzlich los war. „Ich habe keinen Hunger mehr“, sagte Harry leise bevor er aufstand und ohne ein weiteres Wort einfach ging. Die Blicke, die ihn verfolgten, hätten unterschiedlicher nicht sein können. Sorge, Kummer, Freude und Hass. Die Tür flog so stark auf, dass sie an der Steinwand zerschellte doch der Knall ließ den herein rauschenden Lehrer nicht mal mit der Wimper zucken. Wie ein Racheengel schritt Severus zu seinem Tisch, dort drehte er sich um und ließ den Blick über die Klasse schweifen. Jeder, ausnahmslos jeder, zuckte unter diesem Blick zusammen. Vor allem Harry musste mit den Tränen kämpfen, er verstand dieses Verhalten immer weniger. Womit hatte er diesen Hass verdient? Was hatte er falsch gemacht? „Ich habe Ihre Aufsätze kontrolliert und bin immer wieder überrascht wie viel Schwachsinn fast erwachsene Zauberer und Hexen schreiben können. Aus diesem Grund werden Sie diesen Aufsatz heute erneut schreiben, doppelte Länge und lese ich auch nur eine Formulierung aus den Büchern ist der betreffende Schüler zehn Punkte los“, schnarrte Severus kalt. Die Pergamentbögen verteilten sich selbstständig und nicht nur ein Schüler stöhnte enttäuscht bei dem Ergebnis. Ein Schüler starrte absolut fassungslos auf die Worte, die unter dem eigentlichen Aufsatz in kantiger, abgehackter Schrift stand. „Troll, Potter. Ich lasse mich nicht erpressen. Sollten Sie ein einziges, falsches Wort über unsere 'Beziehung' den Auroren oder Fudge gegenüber erwähnen, bringe ich Sie eigenhändig um. Selbst wenn ich nach Askaban gehe, ich finde einen Weg und wenn es das Letzte ist, was ich tun werde. ER wird nicht Ihr größtes Problem sein.“ Zu viel, es war einfach zu viel. Harry kämpfte nicht mehr gegen die Tränen sondern stand einfach auf und ging. Er hörte die höhnische Stimme hinter sich nur am Rande. „Zwanzig Punkte Abzug für Gryffindor wegen unerlaubten Entfernens aus dem Unterricht. Sie reichen den Aufsatz in vier Ellen Länge bis Morgen nach.“ Er reagierte nicht sondern ging, er musste erst einmal mit sich selbst klar kommen bevor er sich Severus stellen konnte. Irgendetwas war hier falsch, irgendetwas lief gerade völlig aus dem Ruder und er hatte keine Ahnung was. Wie waren sie in diese Lage gekommen? Die nächsten Tage zogen an Harry wie in einem sehr, sehr schlechten Traum vorbei. Er hatte weitere fünfzig Punkte verloren weil er den Aufsatz bei Severus nicht abgegeben hatte aber es war ihm egal. Er verstand schlicht und einfach die Welt nicht mehr. Professor Dumbledore hatte mehrfach versucht mit Severus zu reden, er war förmlich gegen eine Wand gelaufen und beim letzten Mal hatte er sich sogar einem gezogenen Zauberstab und einem extrem wütenden Zaubertränkemeister gegenüber gesehen. Doch Harry, der verborgen unter seinem Tarnumhang das Gespräch hatte verfolgen wollen, hatte noch etwas Anderes gesehen. Trauer, Hass und tiefe Verzweiflung hatte er in den zweifarbigen Augen gesehen auch wenn sie vor Wut förmlich gesprüht hatten. Harry seufzte resignierend, ein leises Schuhu erklang neben ihm und er wandte den Kopf um seine gefiederte Freundin anzusehen. Nachdenklich strich er durch die weichen Brustfedern und murmelte, „irgendetwas stimmt hier nicht, Hedwig, irgendetwas ist hier richtig faul. Aber was.“ Schuhu, hu. „Das ist nicht sehr hilfreich“, murmelte Harry. Schuh. „Das ist genauso wenig hilfreich.“ Schuh, schuh, schuhuhu, schu. Fast gegen seinen Willen musste Harry lächeln als er die aufgebrachte Eule beobachtete, die mit den Flügeln schlug und ihm immer wieder ins Gesicht schrie. Sie hasste es ignoriert zu werden. Beschwichtigend strich er durch ihre Federn. „Alles gut, du bist die Beste.“ Schu! Mit zwei Flügelschlägen saß Hedwig auf seiner Schulter und zwickte ihn ins Ohr, nicht wirklich sanft aber noch nicht stark genug um Blut fließen zu lassen. Dann deutete sie, lautstark zeternd, mit einem Flügel auf die Treppe, die hinunter ins Schloss führte. „Du hast Recht, ich muss etwas machen. Es muss eine Lösung für dieses Problem geben.“ Zufrieden nickte Hedwig und flatterte auf eine nahe Sitzstange, plusterte sich dann auf und sah ihn mit großen, gelben Augen an. Unter dem Blick wurde es Harry unwohl, die Eule konnte wirklich unheimlich sein wenn sie wollte. Also stand er auf, beim nächsten Zwicken wäre wohl sein Ohr ab und strich nochmal durch die weichen Federn. „Danke, meine Hübsche. Beim nächsten Mal gibt es eine doppelte Portion Eulenkekse, einverstanden?“ Schuhu, huu. „Das fasse ich als Ja auf“, lachte Harry leise bevor er sich abwandte und den Eulenturm verließ. Es war an der Zeit die Verwirrung irgendwie aufzuklären und sein erster Anlaufpunkt waren wie immer seine Freunde. Sie hatten schon so viele Probleme gelöst, da würden sie ihm auch jetzt helfen können. Der Krisenrat in Gryffindor tagte bereits die halbe Nacht. Harry hatte seinen Freunden alles erzählt, die wenigen Worte unter seinem Aufsatz hatte er niemanden zeigen können denn nur er konnte sie lesen aber sie glaubten ihm. Seit fast vier Stunden waren sie jetzt schon am beratschlagen, Vorschläge unterbreiten, wieder verwerfen und immer neuere, verrücktere Theorien spinnen. Zum Schluss waren sie so weit, dass alle lachend auf dem Boden lagen. „Okay, können wir wieder ernst werden?“, fragte Harry, der zum ersten Mal seit Tagen wieder wirklich befreit hatte lachen können. Doch die Sorgen holten ihn schnell wieder ein. Auch der Rest wurde wieder ernst, Hermine griff nach dem Pergament, auf dem sie sich Notizen gemacht hatte. Sie warf einen prüfenden Blick darauf und meinte, „mir fällt nur eine Möglichkeit ein und das ist Vielsafttrank.“ „Wieso?“, fragte Seamus. „Weil es Sinn macht“, kam von Ginny, die neben Hermine saß und auch auf die Notizen sah. Sie nahm ihr das Pergament aus den Händen und legte es in die Mitte. Nacheinander deutete sie auf die verschiedenen Notizen. „Harry hat gesagt, dass er sich am Abend des 31. März von ihm verabschiedet hat, sehr intensiv verabschiedet also war bis dahin alles in Ordnung. Richtig?“ „Richtig“, stimmte Harry zu. Hermine fuhr fort, „am 1. April am Morgen hat er beim Frühstück gefehlt und Professor Dumbledore hat gesagt, dass er nass vor Regen war, also war er draußen. Es muss also etwas zwischen dem Abend und dem Frühstück passiert sein.“ „Aber ich war die ganze Zeit hier“, warf Harry ein, dem langsam schwante, worauf die beiden schauen Hexen hinaus wollten. „Richtig aber nur wegen dir würde Professor Snape im Regen rum latschen. Also gehen wir davon aus, dass er jemanden getroffen hat, der wie Harry aussah und dieses Treffen muss absolut schief gegangen sein“, führte Hermine ihre Ausführungen zu Ende. „Aber wer?“ „Das solltet ihr zusammen raus finden“, schlug Ron vor, „er kann dir schließlich sagen ob die Zutaten aus seinem Vorratsschränken fehlen oder nicht.“ „Was macht das für einen Unterschied?“ Dean schlug sich mit der Hand vor die Stirn bei dem fragenden Blick von Harry und sagte, „wenn die Zutaten nicht gestohlen wurden, muss derjenige sie gekauft haben und die sind echt teuer. Also schränkt es die Auswahl ein.“ „Aber wenn sie gestohlen wurden, wäre es besseres Argument damit er mit mir redet. Der verflucht mich wenn er mich alleine erwischt“, sagte Harry. „Nicht wenn du ihn eher erwischst.“ „Ich soll Severus verfluchen?“ Hermine zuckte mit den Schultern und meinte, „manchmal muss man die Menschen zu ihrem Glück zwingen. Was auch immer passiert ist, DU warst es nicht und damit ist seine Reaktion auch nicht auf dich bezogen. Ich finde da ist ein klitzekleiner Fluch schon gerechtfertigt. Du sollst ihn ja nicht verletzen, du sollst nur zu Wort kommen. Oder glaubst du, dass er dir freiwillig zuhört?“ Kopfschütteln. „Dann musst du eben nachhelfen. Ich kenne ein paar Zauber, die da helfen würden. Du musst nur schneller sein als er und ihn überraschen“, sagte Hermine. „Das wird schwer.“ „Das hat auch keiner bestritten aber wir helfen dir.“ Harry sah seine Freunde der Reihe nach an und lächelte erleichtert. „Danke.“ Wütend stampfte Severus durch den Regen und verfluchte die Schüler, die er gerade verfolgte. Er hatte bei einem seiner Rundgänge in den Augenwinkeln ein Leuchten am dunklen See gesehen und bei einem weiteren Blick waren da zwei Schatten gewesen. Schüler, die sich trotz der Ausgangssperre und des strömenden Regens draußen rum trieben. Das seine Laune in den letzten zwei Wochen nicht die Beste gewesen war, wäre wohl maßlos untertrieben aber diese Aktion ließ sie nochmal sinken. Er verbannte den Gedanken an Harry sofort wieder, noch immer blutete ihm das Herz wenn er an diesen verdammten 1. April dachte. Aber er war ja selber schuld, warum glaubte er auch einem Gryffindor? Er sah sich um, wo waren diese verdammten Bälger? Harry schluckte als Severus an seinem Versteck vorbei rauschte, er bemerkte ihn aber nicht. Der prasselnde Regen schluckte jedes Geräusch und Severus' Aufmerksamkeit war auf die zwei Gestalten am See gerichtet. Er hoffte nur, dass er Hermine und Ron nicht erwischte und dass er den Zauber nicht vermasselte. Erst wollte er einen Petrificus Totalus anwenden aber Hermine hatte ihn davon abgeraten denn die verzauberte Person fiel meistens auf den Boden. Keine gute Grundlage für ein vernünftiges Gespräch. Also hatte die schlaue Hexe den Petrificus etwas modifiziert, etwas leichter gemacht, mit einem entscheidenden Nachteil. Er brauchte keinen Gegenzauber sondern konnte, die entsprechende Willenskraft vorausgesetzt, vom Verfluchten selbst gebrochen werden. Was für Harry hieß, dass er nur eine sehr begrenzte Zeit hatte um sich zu erklären denn er zweifelte keine Sekunde daran, dass Severus den Zauber brechen würde, wenn er ihn überhaupt verflucht bekam. Lautlos seufzend schlich Harry aus seinem Versteck, er konnte es nicht länger hinaus zögern denn dann wäre sein Ziel weg. Den Zauberstab in der zittrigen Hand näherte er sich Severus, der sich wütend umsah. Noch hatte er ihn nicht bemerkt. Jetzt oder nie. „Petrificus Locomotion“, rief er, die Stabspitze auf Severus gerichtet. Dieser fuhr noch im Ansatz rum, wurde aber dann von dem Fluch getroffen und verharrte an Ort und Stelle. Jetzt hieß es schnell handeln. Mit wenigen Schritten war Harry um ihn herum getreten und hatte sich den Tarnumhang runter gezogen. Sofort verfärbten sich die Augen vor ihm vor Wut. „Ich weiß, dass du mich nicht sehen willst und mich am liebsten verfluchen würdest aber ich bin unschuldig. Egal was am ersten April geschehen ist, ich war es nicht. Ich habe das Schloss den ganzen Tag nicht verlassen, sieh es dir in meinen Erinnerungen an, du weißt genau, dass ich zu blöd bin um Erinnerungen zu manipulieren“, sagte Harry schnell, die Wut blieb und mischte sich mit Hass und Verachtung. Er glaubte ihm nicht. „Bitte Severus, ich weiß nicht was passiert ist, ich habe keine Ahnung. Ich weiß nur, dass du den ersten April gefehlt hast und mich danach noch schlimmer gehasst hast als Voldemort es je könnte. Ich habe keine Ahnung, was ich falsch gemacht habe. Ich bin mir sogar sehr sicher, dass ich nichts falsch gemacht habe. Ich habe mich mit meinen Freunden beraten...“ Harry verstummte, die Wut flackerte noch stärker auf also musste er etwas Falsches gesagt haben. Aber was? Ein Gedanke kam ihm. „Wir haben uns nicht über dich lustig gemacht, wir haben uns beraten was wir machen können um das hier aufzulösen. Severus, ich war am ersten April nicht draußen. Wen auch immer du getroffen hast, ich war es nicht, ich schwöre es dir. Ich leiste dir einen unbrechbaren Schwur, ich nehme Veritaserum wenn du willst aber rede bitte mit mir, ohne mich zu verfluchen, wenn möglich. Du hast immer gesagt, dass wir über unsere Probleme reden sollen aber jetzt verwehrst du es mir, mich zu rechtfertigen? Das ist nicht fair, es....“ „FAIR?, brüllte Severus kurz bevor er den Zauber völlig brach und den Zauberstab zog. Unsicher hob Harry seinen eigenen Stab auch wenn er wusste, dass er keine Chance hatte. Also ließ er ihn nach kurzem Zögern wieder sinken. „Ja, nicht fair.“ „Was redest du von Fairness, Potter? Nach allem, was du mir angetan hast?“ „Ich habe dir nichts angetan, verdammt, hast du mir überhaupt zugehört. Ich war am ersten April nicht draußen“, fauchte Harry. „Du standest vor mir, direkt vor mir, ich habe dich mit eigenen Augen gesehen. Reicht es nicht, was du mir damals alles an den Kopf geworfen hast? Musst du diese Scharade noch weiter fortführen? Warum?“, brüllte Severus ihn an, „hast du plötzlich Angst bekommen? Oder braut dir Granger wieder den Antiübelkeitstrank damit du mich wieder erträgst?“ „Bitte? Was redest du da für einen Müll?“, fragte Harry völlig verwirrt. Severus stutzte einen Moment. Die Verwirrung, die sich im Gesicht seines Gegenübers abzeichnete, war echt doch dann drangen die vernichtenden Worte wieder in sein Bewusstsein. Wut, Trauer und Enttäuschung wallten in ihm auf. „Bitte, Severus, rede vernünftig mit mir. Ich war nicht draußen. Ich weiß nicht, was dieser andere Harry gesagt hat.“ „Du weißt es nicht? Dann sieh es dir doch nochmal an“, knurrte Severus, „Legilimens.“ Harry hatte noch genug Zeit um einen tiefen Atemzug zu nehmen bevor die Erinnerungen wie ein Hammerschlag in sein Gehirn gepresst wurden. Er stand sich plötzlich selbst gegenüber, hörte diese verletzenden, falschen Worte, spürte die Pein, die Severus ertragen hatte. Es war als würde sein eigenes Herz in diesem Moment brechen, er musste sich mit Gewalt daran erinnern, dass es nur eine Erinnerung war. Eine sehr schmerzhafte, fast schon vernichtende Erinnerung. Mitleidslos aber etwas verwirrt sah Severus auf den jungen Mann, der vor ihm im Schlamm kniete, der Zauberstab lag neben ihm und er hielt den Kopf gesenkt. Was kam jetzt? Welche Lügen würde er ihm jetzt auftischen? Er legte den Kopf schief als ein Geräusch erklang, mit dem er nicht gerechnet hatte. Ein leises Schniefen? „Das war ich nicht“, murmelte Harry jetzt leise. „Bitte?“ „Das war ich nicht“, wiederholte Harry bevor er aufsah und ihn mit großen Augen ansah. Severus war sich sehr sicher, dass die Nässe nicht nur vom Regen kam aber warum? Er hatte doch Schluss gemacht, warum benahm er sich dann so kindisch? „Wer auch immer da vor dir stand, ich war es nicht“, sagte Harry, der jetzt langsam aufstand. Er griff nicht nach seinem Zauberstab, er hätte eh keine Chance. „Bist du jetzt schon blind geworden? Du hast es doch mit eigenen Augen gesehen, genau wie ich und ich habe die Worte auch sehr genau gehört.“ „Ich auch aber ich war es nicht. Severus, ich schwöre es dir, ich war es nicht.“ „Du bist wirklich blind, es....“ „Vielsafttrank.“ Was auch immer Severus sagen wollte, er schloss den offenen Mund und sah ihn mehr als misstrauisch an. Er legte den Kopf schief, schien nachzudenken aber dann schüttelte er den Kopf. „Es fehlen keine Zutaten“, knurrte er, „das Fehler dieser Zutaten hätte ich bemerkt. Du willst dich nur raus reden, auch wenn ich nicht weiß warum. Du hast mit sehr klaren Worten unsere Beziehung beendet, du hattest deinen Spaß also belasse es doch einfach dabei.“ Die letzten Worte waren leise, fast schon flehend. „Nein, ich belasse es nicht dabei. Ich habe unsere Beziehung nicht beendet, wer auch immer sich da einen schlechten Scherz erlaubt hat, muss dahinter gekommen sein und will uns jetzt schaden. Severus, bitte, ich hab dich verdammt gern, ich habe mich in die verliebt und ich werde das hier nicht aufgeben“, sagte Harry energisch. Er musste doch irgendwie zu dem Sturkopf durchdringen, es konnte nicht einfach so vorbei sein. Doch Severus schüttelte nur wieder den Kopf, sein Gesicht verschloss sich. „Ach verdammt, Severus, denk doch mal nach. Würde ich so einen Aufriss betreiben wenn ich das beenden wollte? Dann hätte ich es einfach dabei gelassen.“ „Wahrscheinlich hast du Angst um deine Noten.“ Langsam stieg Wut in Harry hoch. Wieso hatte er sich auch so einen Sturkopf aussuchen müssen? „Du gibst doch sonst nicht so schnell auf, warum jetzt? Du kämpfst seit Jahrzehnten gegen IHN, du riskierst seit Jahrzehnten dein Leben, du bist mutig, du bist stark, warum gibst du jetzt einfach auf? Wegen dieser Lügen, die der andere Harry erzählt hat?“, fragte Harry wütend. Severus wich seinem Blick aus und fragte, „waren es denn Lügen oder nur die Wahrheit, die du nicht aussprechen willst?“ Das war zu viel. Wütend griff Harry nach dem Kragen der schwarzen Robe und zog ihn an sich. „Warum sollte ich dich anlügen? Warum sollte ich mir diesen ganzen Stress antun wenn ich es nicht ernst meinen würde? Weißt du eigentlich, was ich nach dem Valentinstag durchgemacht habe? Schwuchtel, Homo, Lehrerficker, das alles durfte ich mir anhören, von Flüchen, die mich hinterrücks fast erwischt hätten, ganz zu schweigen. Ich habe es nur meinen Freunden zu verdanken, dass ich nicht ernsthaft verletzt wurde“, brüllte Harry ihm jetzt ins Gesicht, „was der Typ gesagt hat, ist Schwachsinn. Nichts was er gesagt hat, ist wahr. Du bist nicht hässlich, deine Augen sind nicht hässlich. Ich finde die Farben wunderschön, keine Kohle, eher Obsidian, klar und tief. Das Weiß lässt das Ganze nur noch geheimnisvoller erscheinen und nein, du stinkst auch nicht. Gut, manche Kräuter oder Tränke sind echt gewöhnungsbedürftig aber einige riechen total toll. Da würde ich am Liebsten die ganze Zeit an dir schnuppern. Was war es noch? Die Haare, gut, die sind scheußlich aber da kannst du nichts dafür und das weißt du auch. Das Alter ist mir egal, mir wird vom Küssen auch nicht schlecht und dass wir nicht noch mehr machen, haben wir Beide so festgelegt damit du nicht nach Askaban musst. Ich zähle die Tage bis zu meinem siebzehnten Geburtstag.“ Schweigen, nur ein unidentifizierbarer Blick. Harry wartete noch ein paar Momente bis er ihn ruckartig losließ und die Hände in die Luft warf. „Verdammt, red mit mir, lass uns das Thema endlich klären. Ich war das nicht. Sieh es dir an, sieh dir meine Gedanken an den Tag an“, rief Harry aufgebracht. Er trat direkt an ihn, zog seinen Zauberstab aus der Tasche und drückte ihn Severus in die Hand. „Los, sieh dir meine Erinnerungen an.“ Der Zauberstab wurde gehoben, die Spitze legte sich fast schon sanft an seine Schläfe. „Legilimens.“ Schweigen hatte sich ausgebreitet, Severus saß auf dem durchweichten Boden und starrte in die Dunkelheit. Harry gab sein Herumwandern auf und setzte sich neben ihn, lehnte den Kopf an seine Schulter. Der prasselnde Regen war ihnen völlig egal. „Es tut mir leid“, flüsterte Severus so leise, dass es kaum über den Regen hinweg zu verstehen war doch Harry verstand es geradeso. „Muss es nicht. Ich verstehe es. Wer auch immer das war, hat das gut geplant und genau gewusst, was er sagen muss.“ Severus lachte rau und traurig auf. „Da muss man nicht lange überlegen, meine Defizite sind sehr offensichtlich.“ „Aber nicht die Tatsache, dass wir keinen Sex haben“, warf Harry ein, „das kann eigentlich keiner wirklich wissen.“ „Deine Freunde?“ „Die schließe ich aus, die haben mir schließlich heute hier geholfen. Es muss jemand Anderes sein. Nur wer?“ Ein Seufzen erklang. „Jeder, der mir oder dir schaden will. Also die halbe Zauberergesellschaft.“ „Auch wieder wahr. Beschränken wir es auf Hogwarts.“ „Jetzt? Hier?“, fragte Severus zweifelnd. Er sah ihn immer noch nicht an sondern starrte in die Dunkelheit der Nacht. „Stimmt, etwas feucht“, stimmte Harry zu. Er sah wie Severus die Mundwinkel kurz hochzog aber dann wieder ernst wurde. „Glaubst du mir?“ „.... schwer.“ „Warum?“ „Weil dieser andere Harry genau das gesagt hat, was ich denke“, gestand Severus. Das nächste Seufzen kam von Harry bevor er aufstand und sich vor Severus stellte. Dieser war mehr oder weniger gezwungen ihn jetzt anzusehen, er sah auf eine angebotene Hand. Zwar sah er ihn zweifelnd an aber er nahm die Hand und ließ sich hochziehen, direkt in eine feste Umarmung. „Der Typ hat Schwachsinn erzählt, ganz einfach. Es muss niemand verstehen, was wir aneinander finden, das geht nur uns etwas an. Aber für Heute reicht es.“ „Was meinst du damit?“, fragte Severus mit geschlossenen Augen. „Es ist spät, wir sind klatschnass, wir sind geistig am Ende und wir werden jetzt rein gehen. Vorzugsweise ins Bett und nein, dieses Mal lasse ich mich nicht abweisen. Ich will und werde heute bei dir schlafen.“ „Harry.“ „Ich sagte schlafen und kein Sex, das ist ein Unterschied“, protestierte Harry sofort. Er wurde weg gedrückt und sah sich einem vorwurfsvollen Blick gegenüber. Die Tatsache, dass Severus allerdings die Haare ins Gesicht geklatscht waren, ließ den Blick weniger ernst erscheinen als beabsichtigt. „So ist das nicht hilfreich“, grinste Harry. Er strich Severus eine nasse Strähne aus der Stirn. „Das ist keine gute Idee.“ „Doch, ist es. Ich stehe unter einem Zauber von Professor Dumbledore.“ „Was für ein Zauber?“ Die Stimme war ernst, alarmiert. „Nennt sich wohl Jungfrau-Zauber.“ Severus' Augen weiteten sich, er kannte den Zauber natürlich. „Warum hast du das gemacht? Warte mal, hast du mit Albus über das Thema gesprochen?“ Er schien sichtlich geschockt, wer redete auch gerne mit seinem Vorgesetzten über sein Liebesleben? „Ja, habe ich oder besser, er hat mich darauf angesprochen. So gibt es Beweise wenn es irgendwann raus kommt und man dich bezichtigt mit einem Minderjährigen geschlafen zu haben. Professor Dumbledore hielt es für eine gute Idee, er ist unser bester Leumund. Severus, er will uns helfen, er steht auf unserer Seite“, sagte Harry beschwichtigend, „wollten wir nicht rein gehen? Es wird langsam kalt.“ Statt einer Antwort zog Severus seinen Zauberstab und sprach nacheinander mehrere Zauber. Der Erste schirmte sie vor dem Regen ab, der Zweite trocknete sie komplett und der Dritte wärmte sie sofort. „Das entbindet dich nicht davon, dass ich heute bei dir schlafe. Komm schon, morgen, ...“ „Es ist bereits halb Zwei.“ Langsam setzte sich Severus in Bewegung, den Arm immer noch um Harrys Schulter gelegt. „Okay, dann heute ist Sonntag. Es fällt nicht auf wenn weder du noch ich beim Frühstück sind. Es fällt nicht mal auf wenn ich nicht im Gemeinschaftsraum auftauche, ich bleibe am Wochenende oft bis Mittag im Schlafsaal. Lass mich bei dir schlafen“, bat Harry inständig. Severus antwortete nicht, ließ ihn aber nicht los als das Schloss in Sicht kam. Sie betraten es allerdings nicht durchs Haupttor sondern durch eine kleine, versteckte Tür, die sich äußerlich nicht von den grauen Steinen abhob. Erst als Severus sie mit dem Zauberstab antippte, wurde sie sichtbar und öffnete sich. Schweigend durchquerte sie einen Korridor, der so schmal war, dass sie nur hintereinander gehen konnten. Harry kam sich seltsam vor, die Stimmung war irgendwie ungreifbar aber er schwieg, er wollte nichts provozieren. Wirklich glauben konnte es Harry nicht als er wenig später wirklich bei Severus im Bett lag, seinen Freund direkt hinter sich und dessen Arm um seinen Bauch geschlungen. Doch er war wirklich hier, sie waren hier. „Wer auch immer das war, weiß zu viel“, murmelte Severus gerade gegen seinen Nacken. „Stimmt. Wenn wir herausfinden wer es war, werden wir uns darum kümmern. Aber jetzt möchte ich das hier einfach nur genießen und vielleicht etwas schlafen“, sagte Harry, der sich enger in die Umarmung kuschelte. Kein Fluch dieser Welt würde ihn hier jetzt nochmal weg kriegen. „Außerdem ist es verdammt spät, ich habe die letzten Wochen kaum geschlafen.“ „Für mein Verhalten kann ich mich nur entschuldigen aber es nicht ungeschehen machen.“ „Weiß ich. Severus, lass uns schlafen und irgendwann ein vernünftiges Gespräch führen. Wir müssen uns etwas einfallen lassen damit so etwas nie wieder passiert. Ein Passwort, eine Geste, irgendetwas, was wir voneinander abfragen können um in solchen Situationen sicher zu gehen, dass wir echt sind.“ „Sind wir es jetzt?“ Statt einer Antwort drehte sich Harry in seinen Armen um, schlang die Arme um seinen Hals und zog ihn in einen tiefen, leidenschaftlichen Kuss. Er sah noch einen Moment in die zweifarbigen Augen, in denen so viel Zweifel und Verzweiflung stand bevor seine Augen zufielen und er nur noch genoss. Schwache, kaum wahrnehmbare Sonnenstrahlen schlichen sich ins Schlafzimmer des Tränkelehrers von Hogwarts und wie schon so oft beobachtete Severus wie es immer heller im Zimmer wurde. In den letzten Wochen vor Hass und Wut, heute, nun, da war er sich noch nicht sicher. Sein Blick ging auf den schwarzen Haarschopf von Harry, der wieder mit dem Rücken zu ihm vor ihm lag und tief und fest schlief. Er konnte noch immer nicht wirklich glauben, dass er sich so einfach hatte hinters Licht führen lassen. Er hätte mit Harry reden müssen, er hätte die Situation klären müssen aber er hatte sich wie ein verbockter Teenager verhalten. Seine eigenen Selbstzweifel hatten ihn fest im Griff gehabt, griffen jetzt noch nach ihm und Harry, der Jüngere, Unerfahrenere von ihnen hatte genug Mut und Stärke aufgebracht um sich ihm zu stellen. Was war er nur für ein Schwächling? Seufzend lehnte Severus die Stirn an Harrys Hinterkopf, er wachte nicht auf und so tief wie er schlief, würde er wohl auch die nächsten Stunden nicht aufwachen. Er hatte diesen wunderbaren, jungen Mann gar nicht verdient. Ein Lächeln schlich sich auf seine Züge, Harry hatte ihm gezeigt, wie stark er sein konnte. Sollte er sich etwa von einem Teenager abhängen lassen? Wohl kaum. Sie würden eine Lösung finden und sie würden denjenigen finden, der ihn so verarscht hatte. Er würde dafür bezahlen, er würde sehr schmerzhaft dafür bezahlen. Aber erst würde er sich bei Albus entschuldigen, er hatte ihm Unrecht getan und allein die Tatsache, dass er Harry unter den Jungfrau-Zauber gestellt hatte, zeigte, wie ernst es ihm war. Er stand auf ihrer Seite, er würde ihnen helfen und er war ein extrem wichtiger Verbündeter. Sie würden wohl noch ein paar Gespräche zu dritt führen müssen und auch Harrys Freunde könnten sich als sehr nützlich erweisen. Auch wenn er die Besserwisserei von Granger nicht ausstehen konnte, musste er sich eingestehen, dass sie eine brillante Hexe war. Er war früher immer allein gewesen, hatte alles alleine regeln müssen, hatte sich immer nur auf sich verlassen können. Er drückte den jungen Mann vor sich etwas enger an sich, setzte einen sanften Kuss auf seinen Nacken und schloss die Augen, vielleicht fand er ja doch noch etwas Schlaf. Scheinbar war er doch nicht so alleine wie er immer gedacht hatte. Es war ein ungewohntes Gefühl, er kannte es so nicht aber es war nicht unbedingt schlecht. Aber viel besser, viel wohltuender war das Gefühl in seinem Inneren. Wie sich langsam die spitzen Scherben seines gebrochenen Herzens wieder zusammenfügten und langsam, unendlich langsam heilte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)