Flirting gone wrong von Daelis ================================================================================ Kapitel 3: Blicke ----------------- “Naargh!” Es war so frustrierend! Semiramis pfefferte, wenn auch nur halbherzig, das kleine Foto auf den Boden oder versuchte es zumindest, denn das Papier war so leicht, dass es vielmehr langsam herab segelte. Wütend über sich selbst wanderte sie einige Male in ihrem Zimmer auf und ab, immer wieder an dem Foto vorbei, das wie von selbst ihren Blick auf sich zog. Ein Umstand, der sie nur noch mehr ärgerte. Eigentlich hatte sie in ihrem Zorn auf das Foto treten wollen, doch stattdessen ertappte sich Assassin dabei, wie sie die Fotografie aufhob, sorgsam glatt strich und dann wie gebannt anstarrte. Das Bild zeigte Master zusammen mit einer Handvoll Bewohner Chaldeas, darunter sie selbst sowie ein Ritter mit dunklem Haar, der sie alle überragte, neben ihm eine zierliche Japanerin in Uniform, ein kleiner Junge mit blondem Schopf und eben die Person, die der Quell ihrer Frustration war. Der blaue Lancer. Zumindest nannte sie ihn in ihrem Kopf so. Vor diesem Foto hatte sie kaum bemerkt, dass er existierte, doch seitdem spukte er ihr förmlich durch den Kopf. Als Astolfo angeboten hatte, das Foto für Master aufzunehmen, hatte sie keine Einwände gehabt. Jeder wusste, dass Master versuchte, von möglichst allen Servants einige Fotos zusammen zu bekommen, als Erinnerungen für später, wenn sie alles überstanden hatten. Irgendwie fand sie das sogar einen ganz netten Gedanken. Weniger nett hatte sie es jedoch gefunden, als besagter Lancer ohne jede Vorwarnung einfach einen Arm um sie gelegt hatte, um sie etwas näher heranzuziehen, obwohl sie einander gänzlich fremd waren. Empört ob dieser Frechheit hatte sie ihn zurechtgewiesen, doch er hatte nur gelacht. “Ein Lächeln stünde dir viel besser, Süße”, hatte er ihr ins Ohr geflötet und noch ehe sie etwas hätte erwidern können, hatte ein greller Blitz davon gezeugt, dass Astolfo zur Tat geschritten war. Grimmig starrte sie auf das Foto, von dem ihr der blaue Lancer entgegengrinste. Inzwischen wusste sie natürlich, wer er war. Cú Chulainn, Irlands Kind des Lichts. Einer von ihnen zumindest, denn sie hatte zu ihrem Schrecken festgestellt, dass es mindestens zwei weitere gab. In einen war sie erst gestern hineingelaufen, offenbar eine jüngere Manifestation. Er hatte sie mit einem strahlenden Lächeln angesehen und sich dafür entschuldigt, sie übersehen zu haben. Insgeheim hatte Semiramis gestehen müssen, dass sie diese Version Cú Chulainns irgendwie süß fand. Dem Lancer ähnlicher hingegen war sein Caster-Ich gewesen, das sie in der Caféteria bemerkt und direkt in weitem Bogen umrundet hatte. Dennoch war sie nicht umhin gekommen, einen kurzen Blick in die roten Augen des Iren zu riskieren. Leider hatte der das zu ihrem Missfallen wohl bemerkt und ihr verschmitzt zugezwinkert, was die Königin veranlasst hatte, missgelaunt aus der Caféteria zu stürmen. Leider nur, um dann in genau den Lancer zu laufen, den sie eigentlich hatte meiden wollen. Unversehens war sie mit der Nase gegen seinen Brustkorb gestoßen und wollte schon lospoltern, als seine Stimme ihre Ohren erreichte. “Huch, vorsichtig, Süße.” Wie sie diesen Moment verfluchte. Gekonnt überspielte sie den unangenehmen Moment und rümpfte die Nase. “Das sollte ich dir sagen, Lancer. Achte auf deine Schritte”, wies sie ihn schnippisch zurecht, doch das schien ihn überhaupt nicht zu stören. Stattdessen blieb er einfach stehen und versperrte ihr damit den Weg hinaus. Finster funkelte sie zu ihm hoch, überragte der Ire sie doch um ein gutes Stück. “Aus dem Weg, Lancer.” Einen für ihren Geschmack viel zu langen Moment grinste er sie an, dann trat er beiseite. Sie hasste es, wie schnell ihre Füße sie davon trugen. Beinahe, als flüchte sie. Vor einem Mann! Sie! Undenkbar! Gerne hätte sie das alles einfach abgetan, hätte das Foto zerrissen und so getan, als wäre der lästige blaue Lancer nur ein weiterer Bewohner Chaldeas, von denen sie nur wenige näher kannte. Doch das Schicksal schien mit seinem grausamen Plan, sie mit Cú Chulainn zu quälen, noch lange nicht fertig. Beinahe schien es ihr, als laufe sie einfach überall in eine Version von ihm hinein. Ob nun beim Frühstück, wo ihr der jüngere Lancer freundlich Platz machte, damit sie sich dazu setzen konnte oder auf den Fluren, in denen Caster ihr jedes Mal zuzwinkerte. Andauernd konnte sie den Blick eines Cú Chulainn auf sich spüren und ertappte sich doch selbst dabei, schon fast Ausschau nach ihnen zu halten - oder vielmehr einem bestimmten von ihnen. Dieser verdammte blaue Lancer! Wieso nur suchte er ihre Gedanken heim wie eine Seuche? Hatte man sie etwa verzaubert? Nein, das wäre ihr aufgefallen, immerhin besaß sie selbst die Qualifikationen zum Caster und war selbst als Assassin in der Kunst der Magie bewandert. Was also war es, dass sie wie durch Zauberhand immer wieder den Blick dieser roten Augen suchen ließ, der erfolgreich dafür sorgte, dass sich alles in ihr zusammenzog. Manchmal war Semiramis selbst nicht sicher, ob sie wütend war, weil er sie ansah oder ob sie wütend auf sich selbst war, weil sie ihn ansah. Als wäre dieser Umstand nicht schon frustrierend genug, schien jedoch auch anderen Bewohnern Chaldeas aufzufallen, dass sie beide Blicke tauschten. Der erste, der es direkt ansprach, war kein anderer als der Caster Cú Chulainn und zwar so laut, dass die gesamte Caféteria mithören konnte, als er sich an sein Lancer-Ebenbild wanderte. “Ihr Name ist übrigens Semiramis. Wenn du nicht versuchst, bei ihr zu landen, werde ich die Schönheit bezirzen.” Die Königin war etwas zusammengezuckt, doch hatte bewusst nicht in Richtung der Iren gesehen, auch wenn es all ihre Selbstbeherrschung kostete. In Lancers Stimme klang unverkennbar Verlegenheit mit, als er scherzte: “Finger weg, ich hab die Süße zuerst gesehen.” Und doch sprach Irlands Kind des Lichts sie nie an. Sie trafen sich weiter wie zufällig, wechselten einen Blick, er grinste, sie starrte finster, doch nie fiel ein Wort. Selbst, wenn Master sie gemeinsam mit auf eine Mission nahm, blieb es bei einem kurzen Gruß und der nötigen Absprache im Kampf. Es ärgerte sie, dass sie das überhaupt so bewusst wahrnahm, doch an den Fakten änderte das nichts. Cú Chulainn hatte sich in ihre Gedanken geschlichen und sie ertappte sich dabei, selbst Ausschau nach ihm zu halten, um einen Blick auf ihn zu erhaschen, welche ihn aus jeder Menge herausstechen ließen. Beim Frühstück mit Master war es dieser, der sie aus ihren Gedanken riss, während sie abwog, ob die langen blauen Haare Cú Chulainns wohl ebenso seidig waren, wie sie aussahen. Als sie offenkundig nicht wusste, worüber Master gerade gesprochen hatte, grinste dieser nur wissend und wiederholte sich. Semiramis hatte gedacht, niemand habe etwas von ihrer befremdlichen Obsession von Cú Chulainn bemerkt, wie sich allerdings schnell zeigte, lag sie damit völlig falsch. Ritsukas Besuch am Abend war überraschend, doch wer war sie, ihren Master nicht willkommen zu heißen? Mit einem Lächeln und freundlichen Worten lud sie ihn ein, servierte ihm frisches Obst und war doch neugierig, was ihn noch hierher führte. Als sie es dann erfuhr, hätte sie es lieber doch nicht gewusst. “Ich finde, ihr solltet mal miteinander sprechen. Jeder sieht doch, dass ihr mit Blicken flirtet und dass du immer wieder in Gedanken versinkst.” Nervös rieb sich Ritsuka den Nacken. Es war ihm sichtlich unangenehm, das Thema anzuschneiden, was Assassin ahnen ließ, dass ihn jemand dazu gedrängt hatte, dieses Gespräch zu führen. Also war auch anderen etwas aufgefallen. Mash vielleicht, sicherlich aber da Vinci. “Ich weiß, er flirtet viel und so, aber er ist ein guter Kerl”, murmelte Master verlegen weiter. “Was ich meine, ist… also… Vielleicht geht ihr mal miteinander aus?” Ob Cú Chulainn dieses Gespräch auch über sich ergehen lassen musste? Erwartungsgemäß änderte sich erst einmal gar nichts. Es blieb bei Blicken, einem Zwinkern Casters, das sie noch immer nicht recht einzuordnen wusste und schließlich einem vagen Gefühl von Enttäuschung. Sie war es gewohnt, dass man sie ihrer Schönheit und Klugheit willen pries. Zu ihren Lebzeiten hatten ihr Könige zu Füßen gelegen und mächtige Männer hätten gemordet, um sie die ihre nennen zu dürfen. Auch in Chaldea galten ihr immer wieder bewundernde Blicke, umgeben von diesen außergewöhnlichen Helden der Menschheitsgeschichte und doch schaffte es dieser verdammte Ire nicht, an sie heranzutreten! Nicht ein einziges Wort hatte er zu ihr gesagt, nicht einmal versucht, sie alleine anzutreffen, obwohl das wirklich nicht schwer war. Stattdessen schien sein Caster-Alter Ego dauernd in ihrer Nähe herumzulungern, als wolle er sie provozieren. Zugegeben gelang ihm das. Sie war wütend. Auf den blauen Lancer Cú Chulainn, auf sein Ebenbild, das sie immer wieder an ihn erinnerte und auf sich selbst. Ihre Geduld währte nicht mehr viele Tage, dann befand die kluge Königin, dass es Zeit war, das Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Master hatte in diesem Punkt wohl nicht Unrecht gehabt und auch in einem anderen nicht, wie sie schnell feststellte, während sie auf ihre Chance lauerte, das Kind des Lichts unter vier Augen zu erwischen. Cú Chulainn flirtete wirklich mit fast jeder Frau schamlos. Kleine Komplimente gestreut in lockere Worte, intensive Blicke aus tiefroten Augen und der Umstand, dass er näher als nötig an seinen Gesprächspartnerinnen stand. Semiramis musste sich zusammennehmen, um nicht in das eine oder andere dieser Gespräche zu platzen. Mit ihr ging er nicht so um. Für sie gab es nur Blicke aus der Ferne. War das alles vielleicht nur ein mieser Scherz? Wenn ja, würde es dieser Kerl bereuen! Ganze vier Tage belauerte sie den Lancer förmlich, bis sich eine Gelegenheit für sie ergab. Wie zufällig lief sie an einer Tür in ihn hinein wie schon einmal. Mit dem Schwung, den Cú Chulainn durch die Tür hatte treten wollen, hatte sie jedoch nicht gerechnet. Beinahe mochte man meinen, er habe es eilig. Überrascht stolperte Assassin und wäre wohl gestürzt, hätte sich nicht ein starker Arm um ihre Hüfte gelegt. “Huch, vorsichtig, Süße.” Die gleichen Worte. “Pass auf, wohin du läufst.” Semiramis schmunzelte und blickte so verführerisch wie sie konnte, zu ihm auf. „Entschuldigung, aber... kann es sein, dass wir im letzten Leben unsterblich ineinander verliebt waren?“ Lancers Miene erstarrte für einen Moment und gerade, als Semiramis entschied, dass sie sich wohl von ihrer Würde verabschieden könnte, wenn sie jetzt nicht schnell ging, breitete sich ein Grinsen auf seinen Zügen aus. “Ich glaube tatsächlich, mich da an etwas zu erinnern”, meinte er so schlecht gespielt nachdenklich, dass sich Semiramis fast schämte. Aber eben nur fast. Vielleicht lag es an der Wärme, die von der Hand an ihrem Rücken auszugehen schien, vielleicht auch an dem verspielten Unterton von Lancers Stimme oder seinem Grinsen, das gewiss so manch Herz hatte höher schlagen lassen. Wahrscheinlicher war wohl aber, dass es sein Blick war, der auch auf ihre Züge ein Lächeln zauberte. “Lass mich deinen Erinnerungen auf die Sprünge helfen, Lancer”, säuselte die Königin ihm entgegen, mit langen Fingern über seine Wange streichend. “Nein… Cú Chulainn.” Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)