Im Wechsel der Jahreszeiten von DieLadi ================================================================================ Kapitel 44: Collage / Die Hochzeitsreise Teil 1 - Pankow und Lido ----------------------------------------------------------------- 16 Uhr dreißig würde ihr Zug fahren, hatte Jako gesagt. Kurz vor vier fuhr ihr Taxi am Bahnhof vor. Marti war kaum noch zu bändigen vor Ungeduld und Neugier. Jako zog den großen Koffer, den mit den Rollen, und trug auf den Rücken geschnallt eine von Martis Gitarren in einem Futteral. Ganz ohne Musik ging es eben nicht. Marti hatte den kleineren Koffer und auf dem Rücken einen Rucksack mit etwas Proviant. Jako hatte gesagt, sie würden etwas länger unterwegs sein. „Mann, Jako, nun sag schon...“ „Marti, gleich wirst du es erfahren, aber wenn du jetzt nicht die Klappe hältst und aufhörst zu nerven, kehren wir auf der Stelle um und vergessen die Reise!“, drohte Jako grinsend, wohl wissend, dass Marti ihm kein Wort glaubte. Marti hibbelte rum und platzte schier vor Ungeduld. Trotzdem riss er sich zusammen und versuchte, etwas ruhiger zu sein. Jako stellte den Koffer ab und sagte: „Bleib kurz hier, ich schaue eben nach, ob das mit dem Bahnsteig passt, ja?“ Marti nickte. Und während Jako vor diesem hässlich gelben Abfahrtsplan stand, atmete er tief durch und genoss einfach von Herzen die Vorfreude auf ein paar herrliche Tage mit seinem Ehemann, weit weg vom Alltag. Nicht, dass ihm der Alltag nicht Spaß machte. Mit Jako, seinem Schatz, war der Alltag schön, weil er voller Liebe war. Aber trotzdem war es toll, einfach mal woandershin zu fahren und Zeit nur für sich zu haben. Für Midnight war gesorgt. Sie würden die kleine vermissen, aber sie war in besten Händen. Sie hatten beschlossen, sie in ihrem Revier, also ihrer Wohnung, zu belassen. Felix und Bianca, Frodo und Vanessa, Frau Lindner, die Spacies und Dominik würden sich abwechselnd um sie kümmern, sie füttern, das Katzenklo säubern und mit ihr kuscheln. Marti hatte sie vorhin noch eine ganze Zeit auf dem Schoss gehabt, sie gekrault und ihr erklärt, dass sie eine Weile weg sein würden, aber sie würden wiederkommen, sie solle sich keine Sorgen machen. Sie hatte gemaunzt, und Marti war beinahe davon überzeugt, dass sie jedes Wort verstanden hatte. Jako kam zurück. „Passt alles. Wir müssen zum Bahnsteig zehn.“ Er nahm den Koffer und zog ihn ein paar Schritte in die angegebene Richtung. Marti trottete hinterher. Plötzlich blieb Jako stehen, drehte sich um und sagte erschrocken: „Marti, Scheiße, ich habe die Tickets vergessen!“ Marti blieb einen Augenblick vor Schreck die Luft weg, bis er das schelmische Funkeln in Jakos Augen bemerkte. „Oh Mann, Jako, du Vollidiot, für einen Augenblick habe ich dir das geglaubt!“ Sie lachten beide. „Wir müssen dann zu Wagen sieben, Abteil 32“, sagte Jako. Sie gingen die Treppe zum Bahnsteig zehn hinauf. So. Nun war es soweit. Dort oben war so eine Anzeigetafel. Und dort stand: „Fernreisezug Berlin – Venedig“ Martis Herz machte einen Sprung. Venedig? Venedig! Marti quietschte vor Freude, es klang irgendwie wie eine Mischung aus Gummi-Entchen und ungeölter Zimmertür. „Jako, Dein Ernst? Wir fahren nach Venedig?“ Jako, der sich über die so offensichtliche Freude seines Mannes königlich amüsierte, lächelte und nickte. „Gut?“ fragte er. „Ghuuuut!“ rief Marti. Wenn sie nicht beide so bepackt gewesen wären, hätte er ihn regelrecht angesprungen. „Komm, lass uns unseren Wagen suchen“, sagte Jako, und sie zogen am Zug vorbei, bis sie ihre Plätze gefunden hatten. Es waren zwei Plätze in einem Liegewagen, und wie es ausschaute, waren die anderen beiden Liegeplätze nicht vergeben. Also würden sie mit etwas Glück die Nacht über in dem Abteil unter sich sein. Klasse. Sie richteten sich ein und Jako hatte seinen Spaß an Marti, der sich freute wie ein Kind unterm Weihnachtsbaum. Genau 16 Uhr dreißig ertönte der Pfiff, und der Zug setzte sich in Bewegung. Jako und Marti saßen aneinandergekuschelt, Arm in Arm und sahen zu, wie er die Menschen und den Bahnhof hinter sich ließ und zwischen Häuserschluchten, Gärten und Straßen dahinfuhr. Eine Stunde später war klar, dass sie das Abteil tatsächlich über Nacht für sich haben würden. Jetzt allerdings waren sie gerade nicht allein. Kurz nachdem der Zug losgefahren war, hatte Marti die Gitarre ausgepackt und improvisiert. Und nachdem er halbwegs die Akkorde vom "Sonderzug nach Pankow" auf die Reihe kriegte, verhackstückte er schnell auch noch einen einigermaßen passenden Text: „Entschuldigen Sie, ist das der D-Zug nach Venedig? Ich möcht' da eben mal hin. Mal eben hier von Berlin. Ich fahre dahin mit meinem allerliebsten Manne, der ist n echtes Talent, der meine Wunschträume kennt. Ich hab ne Flasche Mate mit und die schmeckt ganz Klasse, die trinken wir gemeinsam aus ner Hartplastik-Tasse, Und ich sag, hey Gatte, der die Idee hatte, was besseres als dich gibt es nicht! Alls die vielen Leute auf der Welt soll'n doch bleiben, wo die Pfefferpflanzen ihre Sexspielchen treiben, nur der kleine Marti und der kleine Jako die fahren zu zwein nach Venedig hinein.“ Jako hatte sich gekringelt und Martis Improvisatonskünste bewundert. Zwei junge Paare, alle vier Studenten, die im Nachbarabteil untergebracht waren, waren von den Gitarrenklängen angelockt worden und saßen nun hier bei ihnen. Sie lachten, redeten, machten Musik und sangen... irgendwie fanden sich Leute mit Liebe zur Musik immer zusammen. Die jungen Leute hatten selber zwei Gitarren dabei und dieses seltsame Instrument namens Maultrommel, das so merkwürdig gnautschige Töne von sich gibt. Es war ein toller Abend. Und als die Dämmerung hereinbrach, wurde es irgendwie richtig gemütlich. Es war weit nach Mitternacht, als sie sich trennten und Marti und Jako ihre Liegen ausklappten und sich in die Decken kuschelten. Wirklich tief schläft man bei so einer Zugfahrt nicht. Während der Fahrt nickt man ein, aber sobald der Zug auf irgendeinem Bahnhof hält, ist man wieder wach. Jedenfalls ging es Jako so. Marti dagegen schlief wie ein Murmeltier und schnarchte ganz leise. Jako mochte dieses Geräusch. Er lächelte. Es gab ihm  eine gewisse Geborgenheit, und die Gewissheit, dass sein Schatz bei ihm war und alles gut war. Ja, wenn Marti bei ihm war, war einfach alles gut. Und so genoss auch Jako diese Zugfahrt, obwohl er nicht so sehr viel Schlaf fand. Irgendwann gegen Morgen war er dann aber doch ins Land der Träume geglitten, und als Marti von den ersten Strahlen der Morgensonne wach gekitzelt wurde, schlief er tief und fest. Marti setzte sich auf und streckte sich. Er hatte richtig gut geschlafen, auch wenn ihm jetzt ein wenig die Knochen wehtaten. Diese Zugliegen waren eben keine flaumig weichen Himmelbetten mit federleichten Kissen und seidenen Laken, sondern einfach bretthart. Punkt. Egal, er fühlte sich trotzdem ausgeschlafen. Und vor allem glücklich. Er kletterte von seiner Liege, ging hinüber zu Jako und sah ihm eine Weile beim Schlafen zu. Jako runzelte im Schlaf die Stirn, murmelte irgendetwas. Dann erstrahlte ein glückliches Lächeln auf seinem Gesicht. Er schien in diesem Augenblick etwas wirklich schönes zu träumen. „Ich bin doch echt ein Glückspilz, dass ich ihn habe“, dachte Marti. „Mal abgesehen von allem anderen, was toll an ihm ist, ist er auch noch total süß.“ Und er legte seine Wange an Jakos Wange, einfach um ihn zu spüren. Ganz sanft, um ihn nicht zu wecken. Kurze Zeit später beschloss er, sich auf die Suche nach dem Zugrestaurant zu machen, um sich einen Kaffee zu besorgen. Einen Augenblick lang überlegte er, ob er für Jako einen mitbringen sollte. Aber der schlief noch tief und fest. Und wer weiß, wie lange noch. Nein, da würde der Kaffee nur kalt werden. Als er eine Viertelstunde später ins Abteil zurückkehrte, schlief Jako tatsächlich noch. Na gut, es war ja auch gerade mal halb acht. Marti genoss den Duft seines heißen Getränkes und nahm vorsichtig den ersten Schluck. Es schmeckte köstlich. Als er aufblickte, sah er zwei müde, wunderschöne Augen auf sich ruhen. „Guten Morgen, Jako“, sagte er und lächelte seinen Ehemann liebevoll an. „Morgen, Marti. Schön, so aufzuwachen. Der Anblick meines Liebsten und Kaffeeduft.“ Nun war es Marti doch unangenehm, dass er für Jako nichts mitgebracht hatte. Er stand auf. „Ich hole dir Kaffee.“ „Nein“, sagte Jako. „Bleib sitzen. Trink erst mal in Ruhe deinen aus. Bevor der noch kalt wird.“ Marti hatte seinen Becher schon auf die kleine Ablage gestellt. „Lass mal, ist schon okay, ich gehe eben...“ „Marti!“ Jako hatte sich aufgesetzt. „Nur, weil wir in den Flitterwochen sind, heißt das noch lange nicht, dass du ungehorsam sein darfst. Also, wenn ich dir sage, trink erst in Ruhe aus, dann tust du das, klar?“ Marti nickte und lächelte. Er fühlte sich wohl. Es war schön, dass Jako seine Autorität ihm gegenüber nicht für seine eigene Bequemlichkeit ausnutzte. Oh Mann, wie sehr er seinen Mann doch liebte! Jako kuschelte sich noch einmal in seine Decke und Marti genoss in Ruhe den Kaffee. Als er fertig war, sah er Jako fragend an. „Okay, dann lauf mal, und ich mache uns inzwischen Frühstück.“ Jako holte Campinggeschirr aus ihrem Rucksack sowie Brot und Aufstrich, Er bestrich zwei Schnitten, viertelte sie und richtete sie auf einem Teller an. Als er fertig war, kam auch Marti zurück. Sie frühstücken gemeinsam. Draußen erwachte der Tag, und der Zug glitt durch die wunderschöne norditalienische Landschaft. Gegen halb elf kam der Zug kurz zum stehen. Kurz vor der Eisenbahnbrücke nach Venedig hinein. Dann setzte er sich wieder in Bewegung und fuhr langsam, nahezu im Schritttempo über die Bucht. Die beiden Fischers klebten förmlich an den Fensterscheiben. Der Blick über die sonnenbeschienene Lagune war einfach traumhaft schön. Marti nahm Jakos Hand und streichelte zärtlich seinen Handrücken. Jako genoss die kleine, sanfte Berührung. Sie waren beide rundum glücklich. Am Bahnhof verabschiedeten sie sich von den jungen Leuten aus dem Nachbarabteil. Dann zog Jako seinen Schatz zu den Vaporetto- Booten. Er suchte dasjenige, das zur vorgelagerten Insel Lido fuhr. „Dort haben wir unser Hotel“, erklärte er und küsste Marti. Das Boot, oder wie Marti es nannte, der „Wasserbus“, schipperte gemächlich durch den Canale Grande, vorbei an Patrizierhäusern, kleinen Gassen, der Rialtobrücke, dem Markusplatz. Während Jako es sich auf dem Hartschalenkoffer einigermaßen gemütlich gemacht hatte, sauste Marti hin und her, was auf dem vollen Boot gar nicht so einfach war, und schaute überall gleichzeitig, mit einem begeisterten Freudenausruf nach dem anderen. Das ganze hatte was von einem aufgeregten Hundewelpen, und Jako amüsierte sich königlich. Er freute sich aus tiefstem Herzen, seinen Marti so zufrieden und glücklich zu sehen. Es war toll, dass seine Überraschung so gut angekommen war. Ihr Hotel war auf der Meeresseite des Lido, mit Blick auf den Badestrand. Es war ein  ganz hübsches  Doppelzimmer. Auf der Dachterrasse des Hotels gab es einen Whirlpool, im Keller eine saugemütliche Bar. Zur Vaporetto- Anlegestelle war es nicht weit … es versprach, ein herrlicher Urlaub zu werden. Am späten Nachmittag aßen sie gemeinsam in einer kleinen Trattoria in einer winzigen Gasse. Auf dem kleinen, runden Tischchen vor ihnen standen zwei leergegessene Teller, auf denen sich bis vor kurzem noch köstliche Spaghetti al Vongole befunden hatten. Jako nahm das Weißweinglas in die Hand. „Komm, Marti, lass uns mal anstoßen. Auf uns, auf unsere Liebe und unseren Honeymoon.“ Sie ließen die Gläser aneinander klingen. „Ich liebe dich, Jako“, sagte Marti. „Und ich weiß wirklich nicht, wie ich dich verdient habe.“ Jako grinste. „Vermutlich warst du in deinem letzten Leben ein schrecklicher Bösewicht, und das Karma hat beschlossen, dich mit mir zu strafen.“ Marti musste lachen. „Ich denke, da hat der Satan seine Hand im Spiel, so böse kann ich gar nicht gewesen sein, um dich zu verdienen!“ Jetzt lachte auch Jako. Doch dann wurde Marti ernst. „Jako, du weißt, dass ich das ganz anders meine. Du bist das beste, was mir je passiert ist, und auch, wenn ich manchmal nervig und anstrengend bin, und ich weiß, dass ich das sein kann, liebe ich dich in jeder Sekunde meines Lebens und möchte nie mehr ohne dich sein.“ Er sah Jako dabei tief in die Augen und legte alle Liebe und alle Wärme in diesen Blick. Und als Jako sich zu ihm hinüber beugte und ihn küsste, sah Marti, dass in seinen Augen Tränen blinkten. 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