und dann war alles anders von XdramaX ================================================================================ Kapitel 20: Samstag, 1. September 2018 -------------------------------------- Hi Leute, mir fällt die Bude auf den Kopf! Ich muss hier raus! Wer kommt mit? Bei dieser Nachricht von Nahele in unserem Gruppenchat musste ich seufzen. Ich rieb mir den Nacken – seit einigen Stunden war ich endlich diese furchtbare Halskrause los, die mir nichts brachte außer kontinuierlichem Schwitzen. Erneut vibrierte mein Telefon, als ich noch überlegte, ob ich mich ihm anschließen würde oder nicht. Sorry, ich bin heute den ganzen Tag mit Marco unterwegs. :( Das kam von Lavinia. Das erklärte zumindest warum es so ruhig im Haus war. Es war eigentlich viel zu lange her, dass Marco mit seinen Jungs eine Party geschmissen hat. Ich befürchtete schon, dass es dieses Wochenende wieder soweit war… Zwei Signale kurz hintereinander und schon waren zwei weitere Nachrichten in unserem Chat – erst Elli, dann Grace: Bin auch verabredet, heute also leider ohne mich. :( Ich ebenso ;) Na toll, was war denn hier los? Jahre lang hockten wir vier kontinuierlich zusammen und nun, wo wir auf einmal zu fünft waren, schrumpfte der harte Kern auf mich und Nahele zusammen? Seit wann hatten Grace und Elli Dates? Ich musste an Graces Grinsen denken, als Elli in der Küche Marco ablehnte, während wir uns darüber unterhielten, mit wem wir ihn verkuppeln sollten. Die wusste doch wieder mehr als ich! Das war so gemein! Bleiben also nur noch du und ich, Prinzessin. Bock was zu unternehmen? ;) Ich sah mich unmotiviert in meinem Zimmer um. Es war nicht so, dass ich keine Lust hatte Zeit mit meinem Freund zu verbringen, aber irgendwie hatte ich keinen Antrieb dazu… Hallo, Erde an Sera, ich sehe genau, dass du online bist! Du kannst dich nicht vor mir verstecken! WhatsApp sieht alles! Muahahaha Ich musste schmunzeln. Ja, sorry, war gerade abgelenkt. Log ich. Was wollen wir machen? :D Kaum, dass ich diese letzte Nachricht abgeschickt hatte, meldete sich ein privater Chat. Erst war ich verwundert, wer denn etwas von mir wollen könnte, doch es war nur Nahele, der wohl entschieden hatte aus unseren Wochenendplänen ein Geheimnis zu machen, um die anderen so zur Strafe zu foltern. Ich dachte an Zelten. ;) Och nö, muss das sein? Ich liebe mein weiches Bettchen… :S Ach, quatsch, wir waren doch schon so oft Zelten! Notfalls nimmst du mich als weiches Kopfkissen ;) Ich muss hier einfach raus! Sag bitte, dass du mitkommst! *__* Ich stieß die Luft aus und tippte schließlich: Na gut, überredet. YES! XD Ich musste lachen. Komisch, dass ausgerechnet Nahele von Zuhause fliehen wollte. Eigentlich hing er doch so sehr an seinen Eltern, dass es fast peinlich war, was er alles mit ihnen unternahm. Und das in seinem Alter! Ich schrieb dennoch: Wo treffen wir uns? Nimmst du dein Zelt mit oder soll ich? Ich holte meinen alten Wanderrucksack aus dem Schrank und zog mich schnell um. Dann warf ich ein paar Wechselklamotten unordentlich in die Tasche. Mein Portmonee folgte zusammen mit ein wenig Knabberzeug. Zum Schluss band ich noch meinen Schlafsack fest. Dann sah ich erneut auf mein Handy. Ich hole dich in einer halben Stunde ab. Zelt hab ich dabei Ich sah auf die Uhr. Na klasse. Diese Nachricht hatte er mir vor zwanzig Minuten geschickt und er war konsequent überpünktlich! Falls du schon da bist: Sorry, eben erst gelesen. Bin gleich draußen. Ich sage nur noch Nana Bescheid und suche meinen externen Akku für das Handy. Brauchst keinen Akku, hab meinen dabei. Warte vor dem Tor. Die Antwort kam nur innerhalb weniger Sekunden, als habe er die ganze Zeit auf sein Telefon gestarrt und gewartet. Zuzutrauen war es ihm zumindest. Ich musste lachen und warf mir den Rucksack über die Schulter. Auf dem Weg hinaus begegnete ich Marco auf dem Flur, der wohl gerade zu seinem Date mit Lavinia aufbrechen wollte. Sein Aftershave wehte mir bereits aus dieser Distanz entgegen. Ich huschte einfach an ihm vorbei und sprang die Treppe runter. „Hey“, rief er mir nach. „Wo willst du hin?“ „Weg“, antwortete ich schlicht und ließ ihn stehen. Im Arbeitszimmer fand ich Nana, die gerade die Rechnungen der Woche durchging. Sie wünschte mir, wie immer, nur viel Vergnügen und bat, dass ich mich regelmäßig meldete… Als ich dann endlich vor dem Tor ankam, scharrte Nahele schon mit den Hufen. Er war furchtbar ungeduldig. „Na geht doch! Was hielt dich auf? Passte dein Nagellack nicht zur Farbe deiner Schuhe?“ „Sehr komisch! Bei mir passt immer alles zusammen!“, erklärte ich scherzhaft und schlug ihm auf den Arm. Der schwarze Aston Martin meines Bruders fuhr im Schritttempo an uns vorbei. Er beäugte uns misstrauisch, bog dann aber in Richtung Stadt ab und brauste davon. Wir sahen uns grinsend an und schlugen die andere Richtung ein – ein Stück an der Hauptstraße entlang, dann einen Wanderpfad den Vulkan hinauf. „Irgendwie komisch, findest du nicht?“, fragte ich ihn nach einer Weile. „Was meinst du?“, Nahele lief hinter mir her und hielt im Gebüsch links und rechts von uns Ausschau, ob er wohl etwas fand, das er als Wanderstock verwenden könnte. „Wir haben lange nichts alleine miteinander unternommen.“ „Hm“, machte er nachdenklich und schloss auf. „Stimmt. Aber wer ahnt denn, dass wir die beiden einzigen Idioten sind, die zu Blöd für ein Date sind?“ „Also von mir wusste ich das schon immer, aber von dir?“, ich sah ihn nachdenklich an. „Die Hälfte aller Mädchen schmachtet dem Footballteam hinterher und die andere Hälfte stellt sich abgebrüht und hat heimlich zuhause kleine Schreine für euch errichtet. Außerdem: Was ist aus deinen Dates in den Ferien geworden?“ „Frag nicht.“, er winkte ab. „Ein paar ganz Gute waren dabei, aber nichts wirklich Handfestes.“ „Handfest, das nenne ich eine interessante Umschreibung.“ Wir lachten beide. „Und was ist überhaupt mit Grace und Elli? Haben die in den Ferien jemanden kennen gelernt?“ Nahele zuckte die Schultern. „Nicht dass ich wüsste. Also zumindest nicht in meinem Beisein. Grace wurde ein paar Mal angebaggert, aber Elli…? Also nichts gegen sie, ich gönne es ihr, aber sie ist einfach nicht der Typ Frau, der aus heiterem Himmel angegraben wird.“ „Stimmt…“ – was wohl einer der beiden Gründe dafür war, warum unsere dunkelhaarige Freundin noch nie einen Freund gehabt hatte. Der und dass sie einfach viel zu schüchtern war um selbst die Initiative zu ergreifen. „Was ist mit dir?“, fragte Nahele dann amüsiert. „Du bist das begehrteste Mädchen der Schule. Du solltest heute fünf Dates haben. Und zwar zeitgleich!“ „Wozu? Ich hab doch dich!“, meinte ich lachend und hakte mich bei ihm unter, weshalb auch er losprustete. Eine Beziehung zwischen mir und Nahele war einfach zu absurd. „Nein, jetzt mal ehrlich: Ich wüsste nicht mit wem.“ „Außer dem einen natürlich? Dem Fremden von der Party.“ Ich seufzte frustriert. „Ja und nein.“ Er sah mich nachdenklich an. „Wie meinst du das?“ „Auf der Party dachte ich wirklich, dass da mehr sein könnte. Aber als ich Marco wegen der Geld-für-Sex-Sache zur Rede gestellt habe, da gab er mir 100 Dollar mit der Information, dass diese von dem Typen seien, mit dem ich mich dort amüsiert hätte. Aber ich habe mich mit keinem amüsiert. Nur diesen einen habe ich geküsst… das heißt also im Umkehrschluss, dass er Marco dafür bezahlt hat.“ „Wow“, Nahele sah zu den Baumwipfeln hoch. „Nicht wahr…“ „100 Dollar für einen Kuss! Das muss ein verdammt guter Kuss gewesen sein!“ er grinste breit und sprang im Zickzack davon, als ich nach ihm schlug und trat. „Du Aas! Das ist alles, was du dir dazu einfällt?“, lachte ich und er streckte mir grinsend die Zunge raus. Wir jagten uns ein Stück, doch schließlich wurde es mir zu anstrengend mit dem schweren Gepäck auf dem Rücken. Wir bogen ab auf einen schmaleren Trampelpfad. „Also auf jeden Fall: Er hat für mich bezahlt. Und dann weißt du ja, wie diese Woche ablief, als ich mit der Halskrause zur Schule kam.“ Er nickte bestätigend. „Wenn dem Unbekannten also etwas an mir liegen würde, dann hätte er sich an dem ganzen Mist von der Mannschaft bezüglich einer zu harten Orgie nicht beteiligt, oder?“ „Schwer zu sagen.“, gestand Nahele. „Im Team herrscht ziemlich starker Gruppenzwang. Leider. Mit einigen kannst du kein vernünftiges Wort wechseln und mit den anderen nur dann, wenn kein Dritter dabei ist, vor dem sie den Larry markieren können oder müssen.“ „Aber er hat jemand anderes für mich geschlagen, damit er die Finger von mir lässt.“ „Es war Dunkel, Sera. Dunkelheit hat die gleiche Wirkung wie das Internet: Es sorgt für eine gewisse Anonymität.“ Ich seufzte. „Mit anderen Worten: Der Typ existiert nicht.“ „Doch, er existiert schon, aber ich bezweifle, dass er sich im realen Leben so verhalten würde.“ „Und wenn ich mich geirrt habe und er gar kein Footballer ist?“ Darüber dachte auch Nahele ernsthaft nach. „Einen so gut gebauten Kerl müsste man doch leicht finden können!“, verkündete ich frustriert, doch mein Freund zuckte nur ratlos mit den Schultern. „Hast du denn wirklich gar nichts gehört in der Umkleidekabine?“ Nahele schüttelte den Kopf: „Sorry, Süße, aber seid Marco dich offiziell als unantastbar erklärt hat, spricht keiner der Jungs mehr über dich. Zumindest nicht im Beisein von Marco. Und da der in der Umkleide immer da ist und das der einzige Ort ist, wo ich mit den Jungs zusammen bin…“, er zuckte die Schultern. „Marco hat was?“, fragte ich ungläubig. „An dem Tag, an dem du uns von dem Geld erzählt hast, hatten wir doch Training. Und natürlich warst du wie immer Gespräch bei einigen der Kerle, bis Marco dazwischen gegangen ist. Er hat sie furchtbar zusammengestaucht, dass du von nun an nicht mehr zu ihrer Verfügung stehen würdest und wer dich noch einmal anfasst, der bekäme es mit ihm zu tun.“ „Bitte was?“, ich traute meinen Ohren nicht. Angestrengt dachte ich nach. Wann war das gewesen? An dem Tag, an dem er Dean von mir weggezerrt hatte, oder nicht? Nun verstand ich gar nichts mehr. Ich war verwirrt. „Warum macht er sowas?“ „Keine Ahnung.“, Nahele zuckte die Schultern. „Verlange bitte nicht von mir in den Untiefen des Gehirns deines Bruders herum zu wühlen. Das ist mir zu Paradox und irgendwie stumpfsinnig. Der hat doch auch nichts im Kopf außer Trainieren, Partys und Weiber.“ „Stimmt“, gab ich zu und wir erreichten eine kleine Süßwasserquelle bei einer Felswand. Wir mussten Stunden gelaufen sein, aber mir kam es nur wie Minuten vor. Wir stellten unsere Taschen ab und bauten sofort das Zelt auf. „Abgesehen davon habe ich furchtbaren Hass auf deinen Bruder.“, erklärte Nahele irgendwann, als er die Heringe in den Boden schlug. „Wer nicht?“, fragte ich grinsend und schleppte beide Rucksäcke näher, damit wir sie in das Zelt bringen konnten, sobald es festgemacht war. „Lavinia?“, schlug er als Lösung vor und ich musste gestehen, dass er Recht hatte. „Ich hasse den Typen.“ „Reg dich ab. Anfangs hat er mit ihr gespielt, jetzt spielt sie mit ihm.“, ich tat seine Bedenken mit einer Handbewegung ab und öffnete den Reißverschluss. „Da bin ich mir nicht so sicher. Ich glaube schon, dass sie… sich verliebt hat.“ Ich sah mich nach ihm um. Mit grimmiger Miene schlug er den letzten Hering in den Boden. „Mein lieber Nahele, bist du etwa verliebt? In deine Cousine?“, fragte ich ihn fast entsetzt und kroch in das Zelt. „Nein?!“, machte er abwertend, aber irgendwie klang es nur wie eine Flucht. „Nahele! Sie ist deine Cousine!“, warf ich durch das offene Zelt zu ihm zurück und rollte zwei Isu-Matten aus. „Ich. Weiß.“, bei jedem Wort holte er noch einmal kräftig aus und war dann fertig. Er stieß die Luft aus. „Ich weiß doch auch nicht, wie das passiert ist.“, gab er dann kleinlaut zu und fixierte sein Werk. Eingehend studierte ich ihn von meinem Platz im Zelt durch die geöffnete Luke. „Du hast dich also wirklich in Lavinia verguckt? Verdammt noch mal, warum hast du denn nichts gesagt? Dann hätte ich dem ganzen Scheiß niemals zugestimmt!“ „Ach, das ist doch egal. Sie hat sich doch ohnehin schon für ihn entschieden.“ „Sekunde, sie weiß, dass du in sie verschossen bist?“ „Ja“, er machte einen nachdenklichen Gesichtsausdruck. „Das heißt nein… Ach, keine Ahnung. Ich dachte eigentlich, dass sie es schon längst bemerkt hat.“ „Meine Fresse, bist du ein Mann oder ein kleines Mädchen?“, fragte ich ihn wenig begeistert. „Wie soll sie sowas denn bitte bemerken? Wir sind auch nur Frauen, keine Liebeswünschelruten.“ Er stieß die Luft aus, stand auf und kroch zu mir ins Zelt, um seinen Schlafsack auszurollen und meinen Rucksack nach den Snacks zu durchwühlen. „Hele?“, hakte ich nach und er riss eine Chipstüte auf. „Du weißt, dass meine Eltern immer viel und lange arbeiten. Wir kochen daher meist nach der Schule zusammen.“, murmelte er und stopfte sich ein paar Scheiben in den Mund. Ich griff ebenfalls in die Packung und sah ihn abwartend an. „Oder was heißt wir kochen? Sie kocht… Ich versuche ihr nur irgendwie nicht im Weg zu stehen und zeitgleich zu helfen… Sie ist eine wahnsinnig gute Köchin!“, er überlegte eine Weile und streckte dann die Füße aus. „Und Liebe geht bekanntlich durch den Magen, oder wie?“, fragte ich ihn und hob eine Augenbraue. „Ja, so in etwa.“, er grinste breit und aß geräuschvoll einen Chip. „Was denn, das war es? Gemeinsam kochen? Mehr brauche es nicht, um dir den Kopf zu verdrehen? Wenn ich das nur eher gewusst hätte!“ Er lachte tief und sein Blick zeigte mir, dass er ganz weit weg war. „Oder ist etwa noch mehr passiert?“ „Nicht direkt… ich stelle mich gerne hinter sie, wenn sie am Herd steht und versunken in einem der Töpfe rührt. Und dann berühre ich sie immer in der Taille und an der Hüfte. Sie zuckt dann fürchterlich erschrocken zusammen, als hätte ich sie aus ihrer ganz eigenen Welt gerissen.“, schwärmte er und kicherte verliebt. „Sie ist so süß, wenn sie dann zu mir aufschaut und mir einen Löffel zum Kosten anbietet. Ich könnte das den ganzen Tag mit ihr tun…“ „Wow“, entfuhr es mir matt. So sah ein Mann aus, wenn er von der Person sprach, die er wirklich liebte? Es war zum Heulen. Zum einen, weil er so niedlich war, wenn er von Lavinia redete, zum anderen weil da diese gewisse Melancholie in seinem Blick lag, weil er genau wusste, dass sie diese Gefühle nicht erwiderte… „Und nach dem Essen schauen wir häufig gemeinsam einen Film. Welcher ist mir dabei ganz gleich. Meinetwegen könnten wir „Barbie in Schwanensee“ gucken oder „Winnie Puuh – Tiggers großes Abenteuer“… Es wäre mir total egal. Ich habe immer nur Augen für sie, weißt du.“ Verdammt, seine Geschichte versetzte mir ein Stich in der Brust. Warum konnte über mich denn niemand so reden? „Sie liebt es zu kuscheln…“, flüsterte er und ich hatte Mühe es überhaupt zu verstehen. Seine Stimme versagte ihm den Dienst. Dann lachte er plötzlich leise. „Die ersten Male war sie noch viel zu schüchtern, aber dann irgendwann lehnte sie sich einfach an mich und inzwischen – ich weiß nicht – manchmal sitzt sie einfach nur neben mir und ich darf ihre Hand halten. Es ist so schön ihre Finger zu streicheln. Sie sind so weich und zart… oder sie schläft mit dem Kopf auf meinem Schoß ein… oder sie streichelt mir meinen, wenn ich auf ihrem eindöse…“ Ich konnte es nicht verhindern, ich musste lächeln. Wie süß und unschuldig das Klang! Das war definitiv nicht der Nahele, den ich kannte. „Ich mache mir Sorgen um sie. Wegen Marco.“, er sah mich entschuldigend an, doch ich nickte. Zu gut verstand ich ihn. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)