Unverhoffte Verantwortung von Linfan ================================================================================ Kapitel 1: Versöhnung --------------------- Gähnend blickte Yoichi von seinen Hausaufgaben auf. Er war wohl der einzige Schüler der Unterstufe, der die Ferienaufgaben noch vor Anfang der Ferien bearbeitete. Mit einem kurzen Blick durch sein Zimmer versuchte er sich wieder zu orientieren. Da stand sein Schreibtisch keinen Meter vor ihm, auf diesem ein älterer Laptop. Zwar gab es schon weitaus bessere Computer, doch hatten diese ihren Preis. Links von ihm stand sein hölzerner Kleiderschrank und rechts hinter ihm sein Bett mit buntem Bettzeug. Bis auf einige Lego-Bauten waren keine Spielsachen oder irgendwelche andere Unordnung zu finden. Er zog sich nur hierher zurück, um zu Schlafen oder zu lernen. Die restliche Zeit konnte er sich frei in dem großen Haus bewegen - war doch seine Mutter nie zu Hause. Schulterzucken folgte auf Yoichis kurze Desorientierung, dann stand er auf und zog einen Rollkragenpullover über sein weißes T-Shirt. Nein, Yoichi war nicht komplett verrückt. Er fror nur ziemlich leicht, da er ziemlich zierlich gebaut war und überhaupt sollte er seine bereits durch einen dicken Sonnenbrand geschädigten Arme vor weiterer Sonne schützen. Nachdem er sich eine Flasche Wasser und seine khakifarbene Umhängetasche geholt hatte, verließ er das Haus. Von außen sperrte er ab, kontrollierte ob die Tür auch wirklich zu war, zog dann den - an einer Kette befestigten Schlüssel - über und machte sich auf in Richtung Stadt. Was genau er da wollte, wusste er noch nicht, aber er brauchte frische Luft und in den Park traute er sich schon lange nicht mehr alleine. Zu oft hatte diese selbst ernannte Gang ihn belästigt. Genauso oft wie er dem Rektor Bescheid gegeben hatte. Jedes Mal folgte das Argument, dass er anfangen sollte, sich zu wehren. Nur wollte Yoichi das nicht - hätte es ihn doch zu dem gemacht, was er hasste: Einem Schläger. Es vergingen einige Minuten, vielleicht sogar Stunden, die der kleine Junge durch die Stadt schlenderte. Mit seinen Gedanken war er noch immer bei der Hausarbeit. Er hatte sich selbst geschworen, die beste Note der Klasse zu bekommen, damit ihn endlich jemand abseits der Schläger beachten würde. Bevor er diesen Gedanke zu Ende führen konnte, riss ihn etwas zurück in die Wirklichkeit. "Bitte! Ich brauche dieses Spiel! Ich habe vor meinen Freunden doch schon damit angegeben, dass ich es zu der Party mitbringe!" Yoichi zuckte zusammen, als er die Stimme von Bado hörte. Hatte man ihm schon wieder aufgelauert und wollte ihm etwas antun? Ein hektischer Blick durch die Stadt, aber vom Rest der Gang war niemand zu sehen. Verwundert musste Yoichi feststellen, dass Bado gerade aus einem Elektronikladen geworfen wurde. "Das hier ist ein Second Hand Laden, kein Spieleverleih!", erwiderte der gereizte Verkäufer. Yoichi zögerte kurz, beschloss dann aber, dass er der Diskussion ohne drohende Gefahr lauschen konnte. Noch aus sicherer Entfernung blickte er zwischen den Beteiligten umher. Bado schien wirklich verzweifelt an dieses Spiel kommen zu wollen. Zwar war er ein Rüpel, doch hatte er noch nie gestohlen oder es versucht. Überhaupt schien sein ganzes Auftreten das Gegenteil seines üblichen Verhaltens zu sein. Als wäre er ohne diese Gang eine andere Person. "Du willst vor der Gang nicht schlecht dastehen? Urteilen sie über dich wirklich nach deinem Besitz?", stieß der bisher stille Junge plötzlich hervor. Jetzt war es an Bado, sich zu erschrecken, als Yoichi sich plötzlich einmischte. Perplex beobachtete Bado, wie sich der braunhaarige Junge in Bewegung setzte. "Ich bezahle für ihn." Yoichi hatte bereits seinen Geldbeutel gezückt und fragte den verwunderten Verkäufer nach dem Preis. Anschließend wandte sich wieder Bado zu – ohne sich ihm zu nähern. Dieser beobachtete Yoichi ungläubig. "Nimm es. Es gehört dir.", fügte der zierliche Junge deswegen hinzu und wartete darauf, dass der Verkäufer Bado das gebrauchte Spiel überreichte, ehe er wieder im Geschäft verschwand. Es war ein seltsamer Anblick. Yoichi schien Angst davor zu haben, dem fast doppelt so großen Jungen zu nahe zu kommen, hatte aber dennoch genug Mitleid diesem helfen zu wollen. "Was willst du dafür?", fragte Bado schließlich stotternd. Schulterzuckend steckte Yoichi seinen Geldbeutel wieder weg. "Ich wollte dir helfen, nicht dich erpressen." Doch Bados Ungläubigkeit legte sich dadurch erst recht nicht. "Wenn... wenn du irgendwann mal möchtest... können wir das Spiel ja zusammen spielen...", stotterte er schließlich erst zurückhaltend und später begeistert. "Smash Brawl soll das beste Wii Spiel überhaupt sein. Ich wollte es sowieso schon testen seit es vor vier Jahren rausgekommen ist.", verlegen grinsend kratzte sich der große Schüler am Hinterkopf. Jetzt musste auch Yoichi lächeln. Wenn Bado glücklich war und ihn jetzt nicht mehr ausgrenzte, würde er sich vielleicht sogar dafür einsetzen, dass dessen Freunde Yoichi in Ruhe lassen würden? Über beide Ohren strahlend lief der kleine Junge also durch die Stadt in Richtung vertrautes Heim, machte aber an für ihn ungewöhnlich vielen Ständen eine Pause. Er hatte vorhin schon etwas von seinem ersparten Taschengeld ausgegeben, also konnte er sich jetzt auch noch ein Eis, einen Anhänger für sein Handy und einen neuen Notizblock kaufen, der passend zum Anhänger einen Hasen auf den Umschlag gedruckt hatte. Aber wie das Schicksal so wollte, sollte Yoichi ein fünftes Mal davon abgehalten werden, zurück nach Hause zu gehen. Dieses Mal von einem ungewöhnlichen Piepsen seines Handys. "Das ist nicht mein Klingelton... ", murmelte Yoichi vor sich hin während er sich davon überzeugte, dass es auch wirklich sein Gerät war. Als schließlich der Boden unter seinen Füßen verschwand wusste er gar nichts mehr. Er schrie nur noch fassungslos los und das, obwohl er während dem freien Fall keine Luft bekam. Nach einer gefühlten Ewigkeit – Der Braunhaarige Junge hatte sich längst beruhigt und aufgehört zu schreien - kam Boden unter ihm in Sicht. Aus der momentan vorherrschenden Verwunderung wurde nun Panik. Einen solchen Fall würde er doch niemals überleben. Womit hatte er das nun wieder verdient? War das die Strafe dafür, diesen Monat nichts von seinem Taschengeld zu sparen? Aber vielleicht träumte er auch nur und war zusammengeklappt, nachdem er einen Hitzeschlag erlitten hatte. Was auch immer der Grund dafür war, es gab jetzt Wichtigeres zu tun. Hektisch versuchte der kleine Junge den Kloß in seinem Hals herunterzuschlucken - ohne Erfolg. Auch seine vogelähnlichen Armbewegungen trugen keine Früchte. So blieb ihm nichts weiter als ängstlich die Augen zu schließen und auf ein Wunder zu hoffen. Als der Boden unter ihm wie ein Trampolin nachgab und ihn sanft ein gutes Stück zurück in die Luft schickte, staunte Yoichi nicht schlecht. Unschlüssig öffnete er seine Augen und versuchte die nächsten paar Sprünge auf seinen Beinen zu landen. Als er endlich aufhörte zu Federn, blickte er sich vorsichtig um. Nicht weit von diesem Trampolin standen überdimensionale Spielzeugwürfel, der Boden war mit Teppich bedeckt und wenige Meter weiter lagen Gleise, die eine Lok zum fahren nutzte. "Soll das mein Gewissen sein, welches mir sagt, ich solle meine Kindheit genießen?" Yoichi hatte einen langen Fußmarsch hinter sich. Das Areal aus Spielzeugen schien kein Ende zu nehmen und so fragte er sich, ob er vielleicht nicht doch träumte. Ein Seufzen folgte, dann blickte er sich erneut um. War nicht doch irgendwo ein Ende in Sicht? Ein Hinweis, wo er war, oder jemanden, den er fragen konnte? Dann wurde seine Aufmerksamkeit von einem entfernter gelegenen Bereich gestohlen. Waren das etwa Babywiegen? Neugierig schritt der immer noch verwirrte Junge auf den umzäunten Bereich zu. Je näher er ihm kam, desto klarer wurde seine Vermutung untermauert. In einigen Wiegen lagen bunte Eier, die ihn sehr an Ostern erinnerten. In anderen Wiegen lagen seltsame Wesen, fast wie Plüschtiere und wieder andere Wiegen waren leer. "Endlich bist du hier!" Yoichi zuckte zusammen, als eines der herumlaufenden 'Spielzeuge' anfing zu reden. Das zweibeinige Wesen trug eine weite rote Hose und lief wie ein Mensch auf zwei Beinen. Sein kurzes, samtig weiches Fell hatte allerdings eine etwas dunklere Farbe als die von den Menschen und mit seinen großen hasenähnlichen Ohren sowie seinen verschlafenen Augen sah es wie ein schlechtgezeichnetes Spielzeug aus. Zielstrebig lief dieses Wesen auf den doppelt so großen Jungen zu, der sich wissbegierig am Zaun abstützte, um das Gleichgewicht auf seinen Zehenspitzen zu halten und mehr zu sehen. Mit einem flinken Sprung katapultierte es sich hoch in die Luft und landete genau auf dem Zaun vor Yoichi. Dieser verlor vor Schreck sein Gleichgewicht und fiel nach hinten auf seinen Hosenboden, wobei ein seltsames, grünes Gerät aus der eben jener Hose fiel und nun neben ihm lag. "Aber da war doch vorher mein Handy drin. Und was bist du? Wieso kannst du sprechen und wieso kennst du mich?", sprudelten die Fragen aus dem kleinen Jungen hervor. Angesprochenes Wesen legte verwirrt seinen Kopf schief und steckte seinen Finger in die Nase: „Eh... weiß ich nicht.“ „Du weißt nicht, wer du bist? Leidest du unter Amnesie?“, schlussfolgerte der noch immer sitzende Schüler sofort. „Achso, wer ich bin, Neemon.“, wusste das planlose Wesen jetzt doch zu antworten. „Und wieso sagst du dann, das würdest du nicht wissen?“ „Na, deine anderen Fragen. Weißt du denn wieso du sprechen kannst? Und woher sollte ich dich kennen, wir haben uns noch nie gesehen!“ Jetzt wusste Yoichi überhaupt nichts mehr. „Aber du hast doch so aufgeregt gerufen, dass ich endlich hier sei.“, erläuterte er also. „Weil du ein Mensch bist und ein Digivice bei dir trägst. Also musst du zu den legendären Digirittern gehören.“ Digivice? Legende? Unschlüssig blickte Yoichi zu dem Gerät neben sich. Damit war wohl das Digivice gemeint? „Das musst du mir jetzt ganz genau erklären.“, forderte der Junge, während er sich aufrichtete und das Ding aufhob, um es genau zu betrachten. „Wenn unsere Welt in Gefahr ist, tauchen Digiritter auf, die uns retten.“ Fast schon stolz grinste Neemon. Darüber bewusst, wie erstaunlich nutzlos diese Antwort für Yoichi war, war es sich wohl nicht. „Eure Welt? Und wie und vor was sollen wir euch retten?“, hakte der verwirrte Junge weiter nach. „Na die Digiwelt, die Welt, in der du gerade bist! Wo wir Digimon leben! Du weißt aber auch gar nichts. Warte hier, ich bin gleich wieder da.“, schon sauste das 'Digimon' los, ehe es hinter der nächsten Ecke verschwand und Yoichi verdutzt zurückblieb. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)