Wegweiser ins Licht von Cognac ================================================================================ Kapitel 20: Begierde und Unnachgiebigkeit ----------------------------------------- Kapitel 20: Begierde und Unnachgiebigkeit Vorsichtig drückte Shiho die Tür der großen Bibliothek auf, um unauffällig hineinspähen zu können. Wie zu erwarten, saß Shinichi am Schreibtisch seines alten Herren, sein Handy dabei an sein Ohr haltend. Er war ganz und gar in das Gespräch mit Heiji vertieft. Die Lehne des Stuhls zu seiner Freundin gedreht, überflog er die Reihen der unzähligen Krimiromane, die sein Vater in all den Jahren seiner Sammlung hinzugefügt hatte. Jedes dieser Bücher hatte Shinichi schon mindestens einmal in seinem Leben durchgelesen und Shiho war immer wieder erstaunt darüber, wie viele es doch waren. Langsam betrat sie die Räumlichkeiten und schlich auf ihren Lieblingsdetektiv zu. So abgelenkt wie er gerade war, sollte es ihr ein leichtes sein ihn zu überraschen. „Ja so ist es. Wie du siehst bin ich der Lösung des Falls heute wieder ein Stückchen näher gekommen, glaube ich zumindest.“, sprach Shinichi derweilen zu seinem Kameraden aus Osaka. Er schien Shiho tatsächlich nicht zu bemerken. Sie blieb allerdings auf halber Strecke stehen, als sie mitanhörte worüber sich Shinichi mit Heiji unterhielt. „Doch selbst wenn es mir gelingen sollte den Kopf der Schlange abzuschlagen, so löst das noch lange nicht das Problem, das wir beide wieder die Größe von Oberschülern haben und als wäre das noch nicht genug, ist da noch diese unglaublich komplizierte Sache mit Ran.“ Shihos Herz machte einen kurzen Aussetzer, während Shinichi weiter erzählte. „Genau, Amuros Verschwinden und mein plötzliches Auftauchen haben ihre Gefühle vermutlich ziemlich aus der Bahn geworfen. Ich konnte sie nur beschwichtigen, weil ich ihr beteuert habe alles wieder ins Reine zu bringen, doch leider weiß ich gar nicht, ob ich ihr wirklich eine so große Hilfe sein kann, wie ich es ihr versprochen habe.“ Shinichi klang schon beinahe verzweifelt. Zumindest war ein ordentliches Maß an Hilflosigkeit und der Wunsch nach einem guten Rat aus seiner Stimme zu hören. „Die Wahrheit ist, ich habe keine Ahnung wo Amuro stecken könnte.“, redete der Schwarzhaarige nach einer kurzen Pause weiter. Wenn Shiho doch nur die Worte des Detektiv des Westens ebenso hören könnte. „Und dann ist da noch die Sache mit Conans Entführung, wer auch immer das mithilfe der Wohnungstür und dem Schreiben inszeniert hat. Ran ist dadurch fest davon überzeugt, dass das alles zusammenhängt, doch wie soll ich ihren Wunsch erfüllen und ihn zurückbringen, wenn ICH doch derjenige bin, den sie zurück will, der aber zurzeit unmöglich wieder zum Grundschüler werden kann.“ Shinichi war regelrecht damit beschäftigt Heiji sein Herz auszuschütten. Die junge Wissenschaftlerin stand weiterhin stumm hinter ihm und überlegte, ob sie doch lieber wieder gehen oder bleiben sollte. „Ich weiß echt nicht was ich anstellen soll Hattori. Ich will sie einfach nicht noch mehr verletzen, dafür bedeutet sie mir zu viel.“ Shiho spürte wie sich etwas in ihr zusammenzog und ließ kraftlos ihren Kopf fallen. Ihr gewelltes rotblondes Haar verbarg ihre Augen. Okay, sie hat sich entschieden. Sie hatte wirklich genug mitangehört. Ausdruckslos war ihr Mund geformt, als sie sich umdrehte und die Bibliothek wieder verlassen wollte. „Nein ich rede nicht von Ran, ich meine damit Shiho.“ Das Fräulein Miyano fuhr bei diesen Worten überrascht herum. „Sie ist diejenige die ich nicht noch mehr verletzen will. Ich stürze mich immer Hals über Kopf in alles Erdenkliche, ohne groß dabei nachzudenken, wie das für diejenige sein muss, die mir nahe stehen. Allein der Preis, den ich bereit bin zu zahlen, um Ran wieder fröhlich zu sehen. Ich weiß Shiho ist eine unglaublich starke Frau, doch sie ist selbstloser als sie es sich meist eingestehen will. Sie tretet immer einen Schritt zurück und behauptet es sei ihr gleichgültig. Es ist diese abweisende Miene von heute Morgen, wie ich sie schon von früher kenne, doch ich durchschaue sie, wenn ich in ihre Augen sehe. Ich kann sehen, wie sie sich dabei fühlt. Seit dieses Durcheinander ins Rollen kam fürchte ich wir driften immer mehr auseinander und davor habe ich am meisten Angst Hattori. Ich will sie nicht verlieren.“ Shinichi. Shiho presste die Finger auf ihre Handballen, die langen Ärmel ihres flauschigen Pullovers dazwischen geklemmt. Sie fühlte sich auf einmal ganz hilflos in seiner Gegenwart. Hilflos wie sie sich nun verhalten sollte. Sie ging fest davon aus, dass es für ihn unmöglich wäre in sie hineinzusehen. Dass er außerstande wäre, ihre innersten Gefühle zu ergründen, wenn er sich wie früher mit einem Fall beschäftigte, doch sie lag total daneben. Shinichi hat sich zwar nichts anmerken lassen, aber ihm war bewusst gewesen, wie es in ihr aussah und nun sah er sich hin und hergerissen, erdrückt zwischen den Rollen eines Freundes der, sowohl für seine Liebe als auch für seine beste Freundin, versuchte da zu sein. Shiho begann zu lächeln. Ihr Lieblingsdetektiv war einfach unverbesserlich. So wie es sich um ihr Wohl sorgte und die gleichen Ängste hegte, dass er sie weder verletzen noch sich von ihr entfernen wollte, ließ ihr Herz höher schlagen. Sie würde nicht zulassen, dass Shinichi sie verlieren würde. Beruhigend griff sie dabei nach dem Edelstein an ihrem Hals. Wie könnte er auch, wenn ihm doch ihr Herz gehörte. Shiho ging mutig auf Shinichi zu. Sie versuchte nicht länger leise zu sein, wodurch sich der Oberschüler -die Anwesenheit einer weiteren Person schnell bewusst werdend- zu ihr umdrehte. Mit hochrotem Kopf begegnete er seiner Freundin, die nun direkt vor ihm stand und sich zusätzlich über den Schreibtisch beugte, um ihm noch näher zu sein. Ehe er sie jedoch über ihr plötzliches Erscheinen, ohne jedwede Ankündigung, bei ihr erkundigen konnte, verspürte er einen zunehmenden Zug an seinem Hals und eine darauffolgende rasant ansteigende Wärme in seinem Gesicht. Shiho hatte Shinichi bei seiner Krawatte gepackt und ihn zu sich herangezogen, damit sie ihn endlich küssen konnte, so wie sie es schon in der Küche beabsichtigt hatte. Der Schwarzhaarige war viel zu überrumpelt, um irgendetwas darauf zu reagieren. Eigentlich empfand er es als ziemlich schön, doch ihm verwunderte es, dass Shiho etwas, für sie sonst so Untypisches und Spontanes wagte. Erst die Sache mit dem Kuchen und jetzt das. In Shinichis Kopf begann sich alles zu drehen, während er ihre süßen Lippen schmeckte und ihre -durch das Herzrasen verstärkte- Atmung spürte oder war das vielleicht sogar seine eigene. „Oi, Kudo.“ Die Stimme von Heiji an seinem Ohr holte ihn allmählich zurück in das hier und jetzt, doch wollte er den Kuss mit Shiho unter keinen Umständen als erstes beenden. Die Rotblonde war daher diejenige, die ihren Mund zuerst von seinen nahm, um wieder Luft zu holen. Sie hatte es die ganze Zeit über nicht gewagt zu atmen, wodurch tatsächlich Shinichi es gewesen sein musste, dessen Atmung so unkontrolliert war. Wortlos nahm Shiho ihn an die Hand und führte diese an ihre Brust. Der Oberschüler glühte vor Hitze und das aufsteigende Blut drohte aus seiner Nase zu laufen. Was tat sie da nur? „Kannst du mein Herz rasen hören, Shinichi?“, wisperte sie lüstern, fast ekstatisch. In der Tat, nicht nur sein Herz, auch das von Shiho schlug wie wild. Er konnte es ganz deutlich unter seiner Handfläche spüren, dieses kraftvolle Pochen, Zeugnis ihrer Gefühle und ihres Verlangens nach mehr. „HEY KUDO, WAS TREIBST DU DA?“, terrorisierte Heiji Shinichis Trommelfell. Mit zusammengekniffenen Augen nahm er das Handy von seinem Ohr, wodurch selbst Shiho den laut vor sich hin meckernden Detektiv des Westens hören konnte. Sie musste ein leises Kichern unterdrücken. „Schrei gefälligst nicht so rum Hattori.“, beschwerte sich Shinichi. „Tut mir leid, ich war gerade etwas abgelenkt.“, folgte jedoch schnell die Entschuldigung. „Was gab es denn so wichtiges?“, hakte der Braungebrannte nach. Shinichi sah zu Shiho, welche sich grazil auf den Schreibtisch schwang und die Beine übereinander schlug. Schon wieder lief er rot an. „I-Ist nicht so wichtig, vergiss es.“, wehrte Shinichi ab. Ist das so, ja? Das wirkte bis eben noch anders, dachte sich Shiho und bekam eine Idee. Sie glitt mit ihrem Becken über den Tisch und ehe sich Shinichi versah, hatte sie auf seinem Schoß platzgenommen, die Arme dabei um seinen Hals gelegt und die Finger einander verschränkt. Sie spürte den Haaransatz seiner weichen dunklen Locken und spielte ein wenig mit diesen. Shinichis Stimme versagte ihren Dienst. Regungslos saß er einfach nur da, während Shiho ihn frech angrinste. Er fühlte die Wärme ihrer nackten Schenkel. Gleichzeitig begann sie heiße und zärtliche Küsse entlang seines Halses zu verteilen. Verspielt raunte sie ihm ins Ohr. „Haibara“, musste er leise stöhnen. „Was, ist Shiho gerade bei dir?“, erkundigte sich Heiji, doch Shinichi fand keine Gelegenheit seinen Worten Beachtung zu schenken. „Shiho was hast du vor?“, stammelte er kaum hörbar. „Wonach sieht es denn aus, mein Meisterdetektiv?“, flüsterte sie sanft, als sie sich seinem Ohr näherte. „Ich möchte mit ihnen Liebe machen, Herr Kudo.“, hauchte sie ihm verführerisch zu und knabberte gleichzeitig an seinem Ohrläppchen. Shinichi hielt es nun einfach nicht mehr aus. Seine Versuche den Verlockungen seiner Liebe noch länger standzuhalten waren allesamt vergebens. „H-Hör mal Hattori, i-ich muss leider für heute Schluss machen. Shiho hat mich um etwas gebeten, dass keinen Aufschub duldet. Wir sprechen uns demnächst wieder.“ Er lächelte seine Freundin an, welche sich auf die Unterlippe bis und langsam ihren Pullover mit dem weiten Kragen über eine ihrer Schultern gleiten ließ. Der Träger eines süßen pinkfarbenen BH’s kam dadurch zum Vorschein. Shinichi traten die Schweißperlen auf die Stirn, sein Kopf stand kurz vor einer Explosion. „Hey Moment mal, worum geht es denn eige…“, weiter kam Heiji nicht, denn der Schwarzhaarige hatte abrupt aufgelegt. Seine Augen, nein, alle seine Sinne, waren nur noch auf Shiho gerichtet, die ihr Oberteil nun vollständig auszog. Shinichi fuhr mit seinen Fingerspitzen über ihren flachen Bauch. Von ihrem Büstenhalter hinab, die zarte blasse Haut entlang, bis zu ihrem Bauchnabel. Shiho löste seine Krawatte und knöpfte sein Hemd auf, um ihre Hände über seine Brust wandern zu lassen. Sie schloss die Augen als er ihr Gesicht in seine Hände nahm und sie leidenschaftlich küsste. Sein Handy hatte er zuvor auf lautlos gestellt. Nur der Name Hattoris auf dem Display verriet einen erneuten Anruf von ihm. Diesmal sollte ihnen keiner dazwischen funken und sie stören. Er war da. Hier war er richtig. Das war die Adresse, die ihm Jodie gab, nachdem Shinichi sich darüber bei ihr informiert hatte. Die FBI-Agentin wollte nicht, dass der übermütige Oberschülerdetektiv auf eigene Faust handelte und so kam es, dass er nun hier war. Ein Gefallen seiner ehemaligen Kollegin gegenüber. Shuichi schaute empor, hinauf bis zur Spitze eines vierzigstöckigen Gebäudes. Die Fassade war ganz aus Glas und spiegelte die Nachmittagssonne. Wie ein gleißender zweiter Himmel stieg sie senkrecht vor ihm empor. In großen Lettern thronte der Schriftzug und das Logo von Nishi-Biogen Industries auf dem Haupt des Bürogebäudes. Akai kramte einen zerknüllten Zettel aus seiner Jackentasche und entfaltete diesen. „Midori Yamaguchi“, murmelte er grübelnd. Noch einmal schaute er kurz bis zum Dach des Wolkenkratzers. Auf der obersten Ebene befand sich die Chefetage. Dort saß die neue Leiterin von NBI an die er einige Fragen besaß und einst dafür, die Nachfolgerin von Nishimura, ihm für einen Termin zugesagt hatte. Ohne weiter unnötig Zeit zu vergeuden, betrat Shuichi mit den Händen in den Taschen und einer Zigarette in seinem Mund den Firmensitz. Shinichi schürte den Verdacht, Nishi-Biogen Industries sei auch weiterhin von dem einstigen Einfluss der Schwarzen Organisation korrumpiert, sodass womöglich von dort aus der Bombenleger seine Befehle erhielt. Shuichi hatte sich angeboten, der Sache einmal genauer auf den Zahnfleisch zu fühlen. Mit dem Lift ging es schnurstracks bis in die oberste Etage. Er war allein im Aufzug. Ein glänzender Fußboden aus schwarzem Marmor erstreckte sich vor Akais Füßen, als er den Fahrstuhl kurze Zeit später wieder verließ. Neben den Büros der Firmenleitung war hier auch ein großer Konferenzsaal untergebracht, sowie eine weite Dachterrasse auf der Rückseite des Gebäudes. Eine Sekretärin empfing Shuichi mit einer höflichen Verbeugung und führte ihn in das imposante Management Office, das Büro von Midori Yamaguchi. „Verzeihen sie Vorsitzende, ihr Vier-Uhr-Termin ist hier.“, sprach die Sekretärin, bevor sie die große doppelflügelige Schiebetür zum Büro ihrer Chefin von der Mitte her öffnete. Mit einer gebeugten Haltung trat sie anschließend zur Seite, um Shuichi den Einlass zu ermöglichen. Aus dem Rücken der Sekretärin erscheinend, trat ein langer Schreibtisch aus edlem handwerklich präzise geformten Holz zum Vorschein, hinter dem eine Frau saß, die Hände unter ihrem Kinn gefaltet und ihren Gast erwartend. Sie trug eine schmale Brille auf der Nase, besaß hochgesteckte braune Haare und trug einen teuer wirkenden beigen Blazer. „Willkommen“, begrüßte sie Shuichi zurückhaltend, während er eintrat. Dem Anschein nach hatte sie vom äußerlichen Erscheinungsbild mit etwas anderem gerechnet als mit Akai. Wie immer ganz in schwarz und mit Skimütze auf dem Kopf. „Vielen Dank Frau Takamiya. Seien sie doch so freundlich und machen uns einen Tee.“ „Sehr gerne.“, erwiderte die Sekretärin und zog sich in das anliegende Teezimmer zurück. „Guten Tag Herr Akai, mein Name ist Midori Yamaguchi, bitte setzen sie sich doch.“ Die Leiterin von NBI verwies auf einen bequem wirkenden Stuhl, ganz mit dunklen Leder überzogen, der ihr genau gegenüber stand. Shuichi verbeugte sich flüchtig und folgte ihrer Einladung. Er nahm eine sehr entspannte Sitzhaltung ein, während er die Frau vor sich erst einmal etwas genauer mit seinen Augen abtastete. Der erste Eindruck war meist der Wichtigste, da er einen oft das unverfälschte Ich des jeweils anderen offenbarte. Wie viele Menschen sich doch nach außen hin verstellten. „Midori… ein ausgesprochen schöner Name, wenn sie mir diese Bemerkung erlauben.“, begann Shuichi, als er mit seiner kurzen Inspektion am Ende war. Yamaguchi runzelte kaum merklich die Stirn, legte aber schnell ein freundliches und offenes Lächeln auf. „Haben sie vielen Dank.“ „Ist Grün vielleicht ihre Lieblingsfarbe?“, setzte Shuichi den harmlos begonnenen Smalltalk fort. „Oh nein ganz und gar nicht. Doch falls es sie interessiert, ich wurde nicht nach der Farbe, sondern vielmehr nach dem japanischen Limettenlikör benannt, welcher allerdings auch grün ist.“ Sie lachte kurz höflich. Eine Spirituose also, dachte sich Shuichi, wobei seine Augen schmaler wurden. Yamaguchi nahm dies ohne große Reaktion zur Kenntnis. Während die beiden Parteien noch nicht unbedingt warm miteinander werden wollten, brachte die Sekretärin auf einem großen Tablett zwei Tassen Tee herein und platzierte jeweils eine vor Shuichi und eine vor ihrer Chefin. „Bitte sehr, ein Lady Grey ganz wie sie ihn mögen Vorsitzende. Ich hoffe sie mögen diese Sorte ebenfalls Herr Akai.“ „Passt schon“, entgegnete Shuichi, seine angefangene Zigarette in den Aschenbecher ausdrückend. Yamaguchi hatte weiterhin ihr Lächeln aufgesetzt, sah aber nun zu ihrer Sekretärin. „Lassen sie uns dann bitte allein Frau Takamiya.“, bat sie ihre Angestellte. Eine kurze Verbeugung und die Sekretärin verließ das Büro, wie angeordnet. „Nun denn, sie haben mich um ein Gespräch ersucht? Wie kann ich ihnen behilflich sein?“, war es diesmal die Vorsitzende, welche das Gespräch wieder aufleben ließ und mit einem hübsch verzierten Löffel den Tee, mit der Orangenscheibe darin, umrührte. Shuichi starrte hingegen nur auf die ihm gebrachte Tasse und rührte diese nicht an. War es Misstrauen das ihn daran hinderte oder wohl eher die Tatsache, dass er britischen Tee einfach verabscheute, da auch seine Mutter ihn diesen als Kind immer andrehen wollte. Vielleicht war es ein wenig von beidem. „Es gibt einige Fragen, die ich an sie hätte.“, sprach er stattdessen. „Das erwähnten sie bereits beim Telefonat mit meiner Sekretärin. Wenn es aber um firmeninterne Dinge gehen sollte, bin ich leider zum Schweigen verpflichtet, vor allem da ich annehme, dass sie inoffiziell und nicht als Repräsentant des FBIs hier sind.“ „Das stimmt, ich bin mehr auf Bitten eines alten Freundes gekommen.“, erklärte Akai. Yamaguchi legte ein neugieriges Gesicht an den Tag. „Oh, vielleicht jemand den ich kennen sollte?“ „Niemand von Interesse für eine Frau in ihrer Position.“, wimmelte Shuichi gekonnt ihren Versuch ab ihm mögliche Informationen über Shinichi zu entlocken. Das sollte hier keinesfalls ein beiderseitiges Verhör werden. „Kommen wir doch wieder zum eigentlichen Grund meines heutigen Besuches. Es geht um den ehemaligen Leiter und Gründer von NBI, Kanae Nishimura.“ „Ich verstehe.“ Yamaguchi ließ ihren Körper in die Rückenlehne gleiten. „Sein Verlust war eine Tragödie für unsere Firma, doch ich habe als Vizevorsitzende genau das getan, was er in einer solchen Situation von mir verlangt hätte, nämlich das Ruder zu übernehmen und NBI weiterzuführen.“ Einen wirklich traurigen Eindruck machte sie auf Shuichi nicht, trotz ihrer Wortwahl, doch dies konnte mehrere Gründe haben. „Ich nehme an, sie waren schon früher ein wichtiges Mitglied seines Führungsstabes?“ „Allerdings. Durch viel Fleiß und Engagement habe ich mich Schritt für Schritt hochgearbeitet. Besser als die meisten Männer in unserer Firma.“, berichtete Yamaguchi stolz. „Besaßen sie dann womöglich Kenntnis darüber, in was für einen Komplott ihre abtrünnige Abteilung DHFI steckte?“, wurden Shuichis Fragen nun ein wenig direkter. „Selbstverständlich nicht und wir waren zutiefst erschüttert, dass so etwas vor unseren wachsamen Augen stattgefunden hat. Zum Glück konnten alle uns schädigenden Splittergruppen aufgelöst werden, damit unser Ruf als seriöses Unternehmen auch weiterhin Bestand haben kann.“ Die Worte einer Lobbyistin, dachte sich Akai seinen Teil dazu. Das war die typische Platte die hohe Tiere wie sie auflegten, um sich aus unangenehmen Themen herauszuwinden, doch Shuichi war niemand, der sich damit zufrieden geben würde. Also beschloss er, einfach noch einen Schritt weiter zu gehen. „Wissen sie vielleicht, ob ihr ehemaliger Vorgesetzter, über die wahren Absichten seiner -teils von Privaten finanzierten- Abteilung Kenntnis besaß? Es gibt Nachweise über einige verdächtige Transfers zwischen NBI und der Japan Finance Bank. Können sie mich dahingehend erleuchten?“ Aus dem Gesicht der Vorsitzenden wich das anfänglich aufgesetzte freundliche Gehabe. Die Richtung Mund geführte Tasse Lady Grey setzte sie wieder ab, ohne einen Schluck davon zu nehmen. „Sie reden hier von höchst sensiblen und vertraulichen Daten. Ich will gar nicht wissen, woher sie diese Informationen haben, doch wurde unser Unternehmen auf das genaueste überprüft. Mögliche Andeutungen unser Konzern sei auch weiterhin in kriminelle Machenschaften verwickelt weise ich vehement zurück.“ Shuichi bemerkte schnell, dass er ihren wunden Punkt getroffen hatte. Zeit für den finalen Stich. „Was sagen sie zu den Gerüchten, NBI führe seit den letzten drei Monaten mehrere Scheinaufträge für Hilfsorganisationen in Entwicklungsländern durch, um mithilfe der JFB gewaschenes Geld an eine verdeckte Bewegung weiterzuleiten?“ Die Vorsitzende erhob sich erbost. „WAS? Wer behauptet so etwas?“, fragte sie entrüstet nach. Shuichi hingegen blieb völlig ruhig und zückte eine neue Zigarette aus seiner Packung in der linken Brusttasche hervor. „Sie müssen doch eingestehen, dass nicht jeder außerhalb ihrer Firma davon überzeugt ist, dass Nishi-Biogen Industries eine durchgehend weiße Weste besitzt nach den letzten Ereignissen.“ Yamaguchi versuchte Ruhe zu bewahren und setzte sich wieder auf ihren Stuhl, den sie vorher so ruckartig verlassen hatte. „Ich kann ihnen versichern, dass das nichts weiter als üble Verleugnungen sind und diejenigen die solche Anschuldigungen ohne die dazugehörigen Beweise publik machen sollten, sich der vollen Härte des Gesetzes zu stellen haben.“ „Sie wollen also zuerst Beweise. Ich verstehe.“ Shuichi lächelte als er sein Feuerzeug zuschnappen ließ und stand auf. „Ich danke ihnen für ihre Zeit und für den Tee.“ Damit kehrte er der Vorsitzenden den Rücken zu und begab sich zum Ausgang. „Wir haben nichts zu verbergen Herr Akai, doch erwarten sie kein zweites Mal eine solch entgegenkommende Kooperation von unserer Seite aus.“, rief ihm Yamaguchi unterschwellig hinterher. Der FBI-Agent drehte seinen Kopf in ihre Richtung. Der Druck seiner stechend grünen Augen zwang die Vorsitzende dazu, seinem Blick auszuweichen. „Falls sich erneut Bedarf ergeben sollte, werde ich gerne das nächste Mal in Namen des FBIs mich bei ihnen melden.“ Ein schwacher Lichtstrahl blitzte durch die Kronen der Bäume. Es war angenehm warm, ein unbeschwerter Frühlingstag. Der Wind zog über die Felder und trieb einen violetten Teppich aus Lavendelblüten vor sich her. Ein hübsches zierliches Mädchen mit schulterlangen braunen Haaren und einem rapsgelben Kleid stand inmitten des Feldes und pflückte mehrere Exemplare der hübschen Zierpflanze zu einem Strauß zusammen. Mit einem Lied auf den Lippen summte das Mädchen fröhlich vor sich hin. Sie war ein auf dem ersten Blick ganz und gar unschuldiges und friedfertiges Kind. Sie drehte sich zum Rand des Feldes um, hin zu einer Baumreihe, durch deren Blätter das Sonnenlicht auf seine bleiche Haut fiel. Er sah ihr einfach nur dabei zu, wie sie durch das Feld spazierte und eine Blüte nach der anderen einsammelte. Sie blickte zu ihm hinüber und lächelte. Ihr Lächeln strahlte vor Lebensfreude. Die Sonne und der Wind umspielten ihr Haar gleichermaßen. Es war wie im Paradies. „Guck doch mal Onii-chan.“ Ihre Stimme riss ihn aus seinem Traum. Er öffnete die Augen. Er sah nicht länger auf ein Feld voller Blumen und auch die Sonne schien nicht mehr. Alles war grau und dunkel. Ein kalter unangenehmer Wind wehte um seine Nase, ganz anders als in seiner Erinnerung. Der Lärm des nächtlichen Stadtlebens drang in sein Unterbewusstsein. Endlich nahm er wieder die Laute seiner Umgebung und die Lichter der Millionenmetropole vor sich wahr. Auf dem Dach eines Hochhauses fand er sich wieder, mitten im Zentrum von Tokyo. „Hitomi“, flüsterte er nachdenklich. „Schwesterchen“ Er starrte über die Brüstung der großen Dachterrasse, hinunter in die hell erleuchteten Gebäudeschluchten der Hauptstadt. Unzählige Lichter von tausenden Autos wuselten über die Straßen aus Asphalt. Motorenlärm, die Sirenen von Polizeiwagen und das Rauschen des kräftigen Windes in dieser Höhe waren zu hören. Jemand näherte sich ihm von hinten. Die verglaste Tür des Penthouse-artigen Büros stand sperrangelweit geöffnet. Die Schritte auf dem -auf Hochglanz poliertem- Naturstein waren deutlich zu hören. „Ich erstatte dir Bericht, ganz wie du es gewünscht hast.“, ertönte die Stimme seines Besuchers. Der Mann wandte sich von dem Schlund der Stadt ab, damit er dem nun, hinter ihm stehenden Kerl mit blondem Haar, ins Gesicht sehen konnte. Seine Augen strotzten vor Kälte, als er ihn ansah. Jede noch so warme Brise des einstigen Tages war verflogen, für immer und ewig ausgelöscht und das schon vor langer Zeit. „Gut gemacht.“, kommentierte Cognac kurz und bündig. „Baileys zu eliminieren war die richtige Wahl gewesen.“ Er ging einige Schritte auf die Person zu, die sich klangheimlich zu ihm gesellt hatte und entfernte sich dabei von der Hauskante. Es wäre fast, als fürchte er einen verräterischen Stoß, der ihn in den schwarzen Abgrund befördern könnte. „Früher oder später wäre er ohnehin zum Problem geworden. Auch wenn er nützlich für mich war, er hat seinen Zweck nun erfüllt.“ „Ich habe sein Versteck in Brand gesteckt und alle Hinweise auf uns ausradiert, selbst der kleine Schnüffler wird nichts Brauchbares daraus mehr ziehen können.“, berichtete Baileys Todesschütze. „Nur scheint er nicht mehr so klein zu sein, wie er es eigentlich sein sollte.“, merkte der Boss der Schwarzen Organisation an. „Was ist mit ihm passiert?“ „Keine Ahnung. Ich war selbst verwundert, als ich ihn am Hafen herumlungern gesehen habe. Ich ließ ihn jedoch in Ruhe, ganz wie du es wolltest.“ Cognac nickte trocken. Es war schwer zu erkennen, ob die neuesten Entwicklungen ihm zusagten oder nicht. Anmerken ließ er sich jedenfalls nichts. „Ich denke, nach Baileys Ausscheiden, wird es Zeit für die nächste Phase. Das Versteckspiel ist somit offiziell vorbei. Alles ist vorbereitet und auch wenn Baileys ursprünglich die Ehre gebühren sollte, so werde ich nun dennoch das erste Opfer einfordern und das keine Sekunde zu früh.“ „Wer wird es sein?“, erkundigte sich der Schütze. Seine Haut besaß einen dunklen Touch. „Liegt das nicht auf der Hand?“, mischte sich eine weibliche Stimme in das Gespräch ein. Cognac grinste bei dem Anblick einer schlanken Frau, gekleidet in einen enganliegenden schwarzen Einteiler, die sich zu ihnen auf die Terrasse gesellte. Mit ihren hohen Absätzen ging sie elegant und ohne Zwang oder Furcht auf ihre Kollegen zu. „Syrah, wie schön. Gesell dich doch zu uns meine Liebe.“, empfing Cognac sie mit offenen Armen. Die Lage seiner Stimme hatte sich hörbar verändert. Sie versprühte Vertrautheit und auch eine gewisse Form von Rückhalt. Die Frau mit den schulterlangen braunen Haaren, welche offen im Wind wehten, nahm den Platz an Cognacs Seite ein, welcher ihr einen Arm um die Taille legte. Sie ließ ihn wortlos gewähren. „Syrah liegt goldrichtig. Es ist jemand, der genau zum richtigen Zeitpunkt verschwinden muss, ehe er noch weiter in Dinge herumstöbert, die ihn nicht das geringste angehen.“ Er fuhr mit seinen Händen die Kurven der Frau entlang. „Kontaktiere Chianti und Korn. Es gibt Arbeit für sie.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)