Wiedergeburt? von Pfeffersosse (Sommerwichteln 2018 - Yukimura) ================================================================================ Kapitel 1: Was bin ich? ----------------------- Wärme durchströmte ihren Körper. Doch gleichzeitig war dort etwas Kaltes, Nagendes in ihr drin, das sie nicht benennen konnte. Sie versuchte sich an die letzten Stunden zu erinnern, doch es fiel ihr äußerst schwer. Unsicher bewegte sie einen ihrer Arme und spürte, wie er langsam in Bewegung kam. Wenigstens schien noch alles heil zu sein. Ihre Augen hatte sie die ganze Zeit geschlossen, weil die Wärme sie sogar durch geschlossene Augen blendete. War es nicht dunkel gewesen, als sie das letzte Mal in den Himmel geblickt hatte? Vorsichtig öffnete sie ein Auge, schirmte es mit einer Hand ab und blickte in die Helligkeit über ihrem Kopf. Nur, dass die vermeintliche Sonne sich plötzlich bewegte und die Wärme langsam ihren Körper verließ. Schnell öffnete sie dann doch die Augen und richtete sich mit einem Ruck auf. Dunkelheit umgab sie und sie spürte einige Blicke auf sich. Augenpaare schienen in den dunklen Ecken zu glühen oder auf sie zuzusteuern. Sie wollte ihren Mund öffnen, um sich zu erkundigen, wo sie hier gerade war, doch etwas hinderte sie daran. Sie runzelte die Stirn und griff vorsichtig an ihr Gesicht, doch alles was sie ertasten konnte, war kaltes Metall. Seit wann hatte sie denn dies? Sie konnte sich nicht daran erinnern, dies schon einmal gefühlt zu haben, obwohl sie das eine oder andere Mal Metall an ihrem Körper gefühlt hatte. Oder? Ihre Erinnerungen waren wirr und sie fragte sich was überhaupt passiert war. Ein schemenhafter Umriss eines Mädchens erschien vor ihrem geistigen Auge, doch so schnell dieser erschien, so schnell war er auch schon wieder verschwunden. Mit einem Male wurde es kälter um sie herum. Die Augenpaare, die sie vor wenigen Momenten noch angeblickt hatten, hatten sich entweder woandershin begeben oder sie hatte sie sich doch nur erträumt. Ein ungutes Gefühl überkam sie und sie hätte am liebsten laut aufgeschrien, als sich vor ihr zwei blutrote Augen aus dem Boden erhoben. Der Rest des Körpers folgte, bis sich ein größeres Wesen vor ihr aufbäumte und sein Maul groß aufriss. Sie kniff ihre Augen fest zusammen, weil sie Angst hatte, dass das ihr unbekannte Wesen sie aufessen wollte. Zitternd legte sie ihre Hände auf ihren Kopf und machte sich so klein es nur ging. Sie wollte nicht, dass ihr etwas zustoßen oder ihr schlimmeres widerfahren würde. Bahnten sich doch langsam immer mehr Ausschnitte aus einer Vergangenheit, die sie am liebsten vergessen würde, an die Oberfläche. Ein dumpfes Lachen erfüllte den Raum und sie wusste sofort, dass es von dem Wesen, das vor ihr stand, erzeugt wurde. Eine unbekannte Macht brodelte in ihr auf, als sie spürte, dass sie sich verteidigen musste. Die Kraft brach aus ihr heraus und sie öffnete ihre Augen, als sie merkte, dass sie den Raum ausfüllte und das Verlangen in ihr groß wurde es mit eigenen Augen zu sehen. Das Lachen erstickte im Keim und die roten Augen wirkten plötzlich etwas panisch, als sie spürte, wie ihr Schatten nach seinem griff und ihm Energie abzog. Ein Schmerzenslaut erklang und danach Stille.   Es dauerte einige Zeit, bis Bewegung in die Anwesenden kam. Die Helligkeit kam in den Raum und erleuchtete die Umgebung wieder einigermaßen hell. Langsam aber sicher lösten sich die anderen aus den Schatten und kamen näher. Das Wesen, das sie angegriffen hatte, schüttelte sich kurz und schwebte zu einem Stapel, der nach Beeren aussah. Es schnappte sich einige davon und kam wieder zu ihr geflogen. „Gar!“, sagte es und hielt ihr eine blaue und gelbe Beere hin. Unsicher blickte sie darauf und bewegte vorsichtig eine ihrer Hände zu dem dargebotenen Essen. Erst dann fiel ihr auf, dass ihre Hand nicht mehr weiß war sondern dunkelgrau. Sie legte ihren Kopf schief und hörte, wie das Wesen vor ihr noch einmal sprach. „Gengar, Gen…gar“, erklärte es ihr und sie war überrascht, dass sie verstand was es sagen wollte. Er habe noch nie ein Banette in dieser Gegend gesehen und wollte sie nicht erschrecken. Obwohl er das wirklich gerne machte. Ein Banette? Dieses Wort hatte sie bis jetzt noch nie gehört. Aber als sie sich die anderen Wesen genauer ansah, erkannte sie einige von einem Poster, das im Zimmer dieses schemenhaften Mädchens hing. Waren sie etwa alle Pokémon? „Wieso Mama? Ich sagte doch, dass ich ein Pokémon haben will und keine olle Puppe! Was soll ich denn damit machen?“, murrte das schemenhafte Mädchen und würgte sie. Eine Erinnerung holte sie ein und sie merkte fast schon zu spät, wie ein anderes Pokémon sie ansprach. Es war ein kleiner Affe, dessen Rücken diese Helligkeit ausstrahlte: „Panflam!“ Es stellte sich ihr als Panflam vor und damit brach eine Welle der Vorstellungen und Erklärungen aus.   Es stellte sich heraus, dass die meisten Pokémon, die sich hier befanden entweder von ihren Besitzern freigelassen oder ohne Vorkenntnisse, was zuvor war, hier ankamen. Sie befanden sich in einer Höhle nahe einer frostigen Stadt, in der sich momentan kein Mensch hinein traute, weil sich ein starkes und legendäres Pokémon darin befand. Nur war zurzeit von besagtem Pokémon keine Spur zu erkennen und die wildzusammengewürfelte Gruppe hatte ihr Quartier hier aufgeschlagen. Sie befanden sich in der Region Kalos und durch diese Information konnte sich Banette auch an ein paar Dinge aus ihrem Leben erinnern. Es war alles sehr verschwommen und unklar, aber sie wusste,  dass nicht viele Menschen dort wohnten, wo ihre ‚Familie‘ war. An die Wasserfälle konnte sie sich aber hingegen sehr gut erinnern und auch daran, wie kalt das Wasser und wie schmerzhaft die Momente danach waren. „Oh, Schatz, du bist zu jung für diese Art von Pokémon“, äffte die Stimme ihre eigene Mutter nach, während sie ihrer Puppe die Kleidung zerschnitt und dabei nicht zimperlich mit ihr umging. „Wenn du etwas älter bist, kannst du eins bekommen. Wie wäre es mit einem Coiffwaff?“ Das Mädchen machte einen angewiderten Ton und schmiss die Puppe gegen die Wand. „Ich will aber jetzt ein eigenes Pokémon“, murrte sie und begutachtete das Poster, das an ihrer Wand hing. Es zeigte furchteinflößende, große Pokémon und das eine oder andere Geist-Pokémon. Banette erinnerte sich daran, dass Teile ihrer Füllung an dem Tag herausgefallen waren und das schreckliche Kind sie einfach so auf dem Boden hatte liegen lassen. Die Mutter hatte sie dann sorgsam geflickt, da sie wohl ein schlechtes Gewissen hatte, denn die Tränen, die in ihrem Stoff trockneten, waren der einzige Trost in dieser schaurigen Zeit gewesen. Langsam nährte sich ein Gefühl im Inneren der einstigen Puppe, doch sie kannte den Namen dafür nicht. Zumindest konnte sie sich nicht daran erinnern überhaupt zu wissen, wie Gefühle überhaupt hießen. Sie wusste nur im Moment, dass sie unbedingt dieses Mädchen finden musste. Vielleicht würden die anderen ihr ja helfen, wenn sie ihnen ein paar Anhaltspunkte geben würde? Den Erzählungen der anderen nach zufolge wurde sie vor einigen Tagen im Fluss vor der Höhle gefunden. Sie war angeschwemmt worden und völlig mit Wasser vollgesogen gewesen. Am Anfang dachten sie größtenteils, dass es sich bei ihr nur um eine Banette-Stoffpuppe handelte. Doch vereinzelte, kleine Bewegungen ihrerseits hatten den anwesenden Pokémon schlussendlich gezeigt, dass sie echt war. Wie es der Zufall so wollte, wurde erst Tage zuvor das Panflam, das von seinem Besitzer als ‚unbrauchbar‘ bezeichnet wurde, hier zurückgelassen und konnte so mit seinen Flammen ihren unterkühlten und durchtränkten Körper vorsichtig wärmen. Es hatte sich sogar glühend neben sie gelegt, wenn es schlafen wollte und nicht wie üblich sein Feuer erlöschen lassen. Es wirkte zwar noch vieles so unreal auf sie, aber sie wurde das Gefühl nicht los, dass sie hier ohne Wenn und Aber aufgenommen werden würde. Immerhin wusste sie erst seit einiger Zeit, dass sie ein Pokémon war, denn zuvor konnte sie weder ihre Arme und Beine noch ihren Kopf bewegen. Alleine, dass sich die Gedanken, die in ihrem Kopf herumspukten, so real anfühlten, zeigten ihr, dass sie wirklich anders war. In ihrem Inneren fühlte sie eine leichte Zerrissenheit, die sie nicht wirklich benennen konnte. Auf der einen Seite wollte sie nun einfach hier sein und zusammen mit den Anderen Zeit verbringen und mehr Geschichten hören. Auf der anderen Seite verspürte Banette das drängende Bedürfnis den Weg nach Hause zu finden und dem Mädchen zu zeigen, wie sie sich lange Zeit gefühlt hatte. Es beruhigte sie zumindest zu wissen, dass jeder in dieser Höhle auch eine Vorgeschichte hatte und sie akzeptierte, obwohl sie noch fremd zueinander waren. „Panflam?“ Banette sah auf Panflam, welches in eine Sinelbeere; das hatte man ihr vorhin gesagt; biss und sie fragend musterte. Die ganzen Erzählungen über hatte die Beere, die sie vorhin von Gengar bekommen hatte, noch nicht den Weg in ihren Bauch gefunden. Was einerseits sicherlich daran lag, dass dieses metallene Stück in ihrem Gesicht sie daran hinderte, aber andererseits dem mangelnden Hunger zu verschulden war. Sie hob leicht ihre Schultern und begutachtete die Beere in ihren Händen. Sie hatte eine etwas eigenartige Form und hatte eine gelbliche Farbe. Die anderen verschlangen sie fast mit einem Happs und man sah ihnen an, wie gut es tat sich den Magen damit zu füllen. Nebenbei bemerkte sie, wie verlockend der Duft doch war und sie dazu animierte wenigstens einmal davon zu kosten, auch wenn es vielleicht nicht klappen sollte. Vorsichtig führte sie die Beere zögernd zu ihrem Mund und drückte sie gegen das metallene Ding. Erstaunlicherweise konnte sie das Essen hindurchdrücken, obwohl sie vorhin sicher war, dass nichts einen Spalt dazwischen bringen konnte. Sie biss einmal hinein und fühlte sofort ein warmes Gefühl in ihrem Inneren. Es war, als würde sie sich dadurch sofort besser fühlen und als strotzte ihr Körper durch den einfachen Verzehr nur so von Kraft. Schmatzend verschwand die gelbe Beere dann doch schneller in ihrem Magen, als sie gedacht hätte und lehnte sich zufrieden zurück. Sie hätte nicht erwartet, dass so etwas Kleines so gut schmecken konnte. „Banette …“ Ihre Stimme hörte sich seltsam an, doch zumindest wusste sie jetzt, dass sie eine hatte. Obwohl sie ja zugeben musste, dass sie sich selbst nicht wirklich sicher war, was sie den anderen nun mitgeteilt hatte. Panflam lachte freundlich, das Gengar schwebte in der Gegend herum und ein Laternecto strahlte fröhlich vor sich hin. Banette hatte das Gefühl, dass sie nicht alle Namen der Pokémon mitbekommen hatte, doch es befand sich noch ein graues Pokémon im Raum, dessen Körpermitte auch eine leuchtende Kugel beinhaltete. Sie fand, dass es generell recht viele gab, die eine Möglichkeit hatten Helligkeit zu erzeugen. Obwohl nur das Licht vom kleinen Affen auch wärmte. Faszinierend fand sie auch die beiden Pokémon, die schlafend in einer Ecke lagen. Das eine sah wie ein Baumstumpf aus, das andere wie ein Kürbis. Sie fragte sich wie viele andere tolle Wesen es noch außerhalb dieser Höhle gab. Sie würde sicherlich noch einige erkennen, immerhin gab es dieses Poster im Zimmer des Mädchens. Summend strich die beißende Farbe, die Kringel und Muster hinterließen, über ihren hellen Körper. Es war kein angenehmes Gefühl und am liebsten hätte sie sich abgewendet oder das Mädchen auch so angemalt. Was gab ihm überhaupt das Recht das zu tun? „Jetzt siehst du wenigstens nicht mehr so langweilig aus“, sagte das Mädchen stolz und kicherte dann frech. „Aber da fehlt noch was …“ Sie griff nach einer kleinen Schere und streckte ihre Zunge seitlich aus dem Mundwinkel, bevor sie die eingenähten Stoffhaare nahe am Kopf abschnitt. Sie fühlte sich überhaupt nicht mehr schön. Die Puppe mochte ihre langen, fadenähnlichen Haare, weil sie damit einzigartig aussah. Sie waren nicht alle gleich lang gewesen, aber das hatte gerade dieses besondere an ihr ausgemacht. Das Kleid, das sie am Anfang trug, lag schon lange im Mülleimer, weil dieses grausame Mädchen es einfach zerrissen hatte und sie schon seit Tagen nackt leben musste. Das Mädchen hatte ihr den Rücken zugedreht und schien schon wieder nach etwas zu suchen. Angst und ein nagendes Gefühl machte sich in ihr breit. Sie ertrug es langsam nicht mehr so behandelt zu werden. Wieso konnte sie nicht bei einem liebenden Mädchen leben? Oder bei der Mama, die sich wenigstens etwas um sie kümmerte? Aber weshalb hatte Mama sie überhaupt dem Mädchen gegeben? „Antoinette?“, drang die Stimme der Mama durch die Tür und das Mädchen seufzte genervt auf. „Das Essen ist fertig.“ Es drehte sich zu ihr um und schmiss die Reißzwecken vor ihre Füße und rief: „Ich komme. Moment.“ Der Blick lag auf der Puppe und Antoinette grinste frech, als sie noch sagte: „Nachher bekommst du wunderschöne Augen.“ Banette war gefangen in ihrer Erinnerung und spürte, dass das Bild des Mädchens immer klarer wurde. Es hieß also Antoinette und war wirklich nie nett zu ihr gewesen. An die Reißzwecken konnte sie sich nun auch wieder erinnern, wie sie sich durch die aufgenähten Augen gruben. Lange hatten sie der Schwerkraft nicht standgehalten und lagen nach einigen Stunden wieder auf dem Boden, nachdem sie von ihr etwas unwirsch hin und her bewegt wurde, als wäre sie ein Fahrzeug oder sonstiges. Langsam aber sicher brodelte das Gefühl stärker in ihr und sie fragte sich, wie es nur so schnell aufkeimen konnte. Hatte es schon immer in ihr gelebt oder war es durch die Erinnerungen geweckt worden? Das Wort lag ihr nun förmlich auf der Zunge, doch konnte sie es noch nicht richtig greifen und ignorierte es so gut es ging. Obwohl es schwer war, weil es sich berauschend anfühlte. Nun stellte sich ihr die Frage, wie es dazu kam, dass sie vor ein paar Tagen im Fluss gelandet war. Sie konnte sich momentan nicht daran erinnern, aber diese ganzen anderen Fetzen hatten sie müde gemacht. Es konnte natürlich auch am Essen liegen, das nun verdaut werden wollte, denn sie rieb sich die Augen und sah, wie die anderen miteinander spielten oder scheinbar Dummheiten im Kopf hatten. „Nett“, sagte sie zu Panflam und deutete auf die Stelle, auf der sie vorhin noch gelegen hatte. Sie wollte wissen, ob das ihr Schlafplatz sei oder ob das anders gehandhabt wurde. Panflam hüpfte aufgeregt umher und deutete auf vereinzelte Stellen. Es erklärte ihr, dass sich jeder dorthin legen konnte, wo er oder sie wollte. Die Höhle sei groß genug, um jeden einen geeigneten Schlafplatz zu gewähren, doch wenn sie wolle, könnte er in ihrer Nähe bleiben. Etwas beschämt hatte er dann noch hinzugefügt, dass er sich für sie verantwortlich fühlte, immerhin habe er täglich auf sie geachtet. „Ba…nette“, kam es über ihre Lippen, als sie auf Panflam sah. Sie hatte das Gefühl, dass die Mama von Antoinette vor ihr stand oder zumindest Jemand, der sich ein wenig um sie sorgte. Sie war sich nicht ganz sicher ob sie so schnell Vertrauen fassen sollte, aber alleine die Tatsache, dass er über sie gewacht hatte, überwältigte sie, aber sie versuchte es nicht zu zeigen. Sie sagte einfach, dass er das gerne machen durfte, immerhin sei sie neu hier. Plötzlich waren Ohren im Boden zu erkennen, gefolgt von tiefroten Augen. Nur der Kopf von Gengar stach hervor und es kicherte belustigt, als einige Pokémon ihrem Unmut Luft machten, weil es sie wieder einmal erschreckt hatte. Also lag es nicht nur daran, dass sie neu war, sondern die anderen fürchteten sich auch? „Gengar“, flötete es und schwebte aus dem Boden heraus, um sich dann zu materialisieren und vor ihr auf den Boden zu setzen. Er wolle sich mit ihr über etwas Geist-spezifisches unterhalten, doch Banette verstand nicht, was er damit meinte. Sie legte ihren Kopf schief und hoffte, dass er sich etwas genauer ausdrücken würde, doch er streckte ihr nur die Zunge heraus und schwebte um sie herum. Sie würde wissen, was er meinen würde, sobald sie damit anfangen würden und dass sie wohl noch nicht lange genug wach sei, um alles zu verstehen. Panflam mischte sich dann ein und sagte, dass es wichtig sei, dass sie jetzt erst einmal schlafen müsse. Immerhin hatte dieser Tag sicherlich viele Eindrücke auf sie hinterlassen und sie müsse sich noch erholen. Sie wusste nicht, ob sie selber auch noch etwas sagen sollte, immerhin wurde von ihm schon jeglicher Punkt angesprochen, der wichtig war. Müde war sie und ein ereignisvoller Tag war es auch, obwohl er sicherlich nicht lange gedauert hatte. Dennoch machten diese neuen Eindrücke, Neuigkeiten und Wahrheiten sie außerordentlich müde und sie schwebte unbewusst zu dem Schlafplatz hin, der mit weichem Gras ausgelegt war. „Banette?“, fragte sie Panflam, da sie wissen wollte ob er derjenige war, der das Gras dorthin gelegt hatte und dass sie es zuvor nicht bemerkt hatte. Er schüttelte den Kopf und zeigte ihr das Pokémon, das überall kleine Hügel an frischem Gras verteilte. Vorhin war es ihr nicht aufgefallen, aber nun bemerkte sie auch den Geruch nach frischem Gras in der Luft. Ob sich ihre Sinne langsam aber sicher schärften? „Panflam-flam“, sagte es und hüpfte zu dem grünen Pokémon, um sich zu bedanken. Es hieß Igamaro und war das Pokémon einer Trainerin, die es mochte, wenn sich ihr Freund mit neuen Leuten oder Monstern anfreundete. Es wirkte sehr taff auf sie und sie fragte sich, ob diese Trainerin dann auch in der näheren Umgebung war oder ob sie es einfach alleine hier zurückließ. Doch dann wurde ihre Frage fast sofort beantwortet, als eine Stimme außerhalb der Höhle nach ihm rief und es winkend hinauseilte. Banette fand diese Situation etwas seltsam, aber fand sich schnell damit ab, weil die Unterlage weich und frisch roch. Ihr Beschützer war auch wieder an ihrer Seite und ließ das Feuer auf seinem Rücken erlöschen. Fasziniert beobachtete sie ihn weiter dabei, wie er sich neben ihr zusammenrollte und ihr eine gute Nacht wünschte. Ihr letzter Blick ging Richtung Höhleneingang und sie fragte sich, ob es wirklich Abend sei und ob es nicht seltsam für einen Menschen war abends noch bei fremden Pokémon vorbeizugehen. Vielleicht würde sie diese Frage einfach später stellen, denn die Müdigkeit übermannte sie schneller als erwartet.     ~~~~ (-o-) ~~~~ (-o-) ~~~~     „Flam?“ Ein sanftes Rütteln weckte sie langsam aus einem unruhigen Schlaf. Bilder ihrer Vergangenheit hatten sich in ihre Träume geschlichen, zumindest hatte es sich so angefühlt. Antoinette hatte ihr in dieser Erinnerung mit Seife die aufgemalten Streifen abwaschen müssen und musste genervt feststellen, dass die Farbe nun völlig verlaufen war und einige Stellen dunkler waren als andere. Ihr Gesicht wurde immer klarer vor ihrem inneren Auge und Details der Umgebung wurden auch zahlreicher. Es gab nicht viele Menschen und Häuser in dem Dorf mit den Wasserfällen, doch das könnte vielleicht einer der Gründe sein, weshalb sie im Wasser gefunden wurde. Es gab einige höhergelegenen Plätze in dieser Stadt und man konnte mit der Bahn das Dorf verlassen. Vor kurzem, so erinnerte sie sich, waren Antoinette und ihre Mama eingeladen worden in ein Nachbardorf zu gehen. Es war nicht lange nachdem Antoinette ihr die Muster abwaschen musste. Sie hatte sich entschlossen die verwaschene Farbe als Kleidungsersatz zu sehen und die Ränder nur etwas erweitert. Wenigstens war die Puppe nun nicht mehr so nackt, aber dennoch war der Hass diesem Kind gegenüber immer grösser geworden. Mama und Antoinette stritten sich, bevor sie in den Zug stiegen und das Thema wieder einmal sie war, verlor sie plötzlich jeglichen Orientierungssinn, als Antoinette schrie: „Dann soll das Ding eben verschwinden! Die hat mir eh noch nie gefallen.“ Die beiden wurden immer kleiner und das Wasser kam immer näher. Kurz bevor sie auf dem Wasser aufschlug, sah sie wie Mama weinte und Antoinette ihr mit einem seltsamen Blick nachsah. Dann platschte es einmal und es geschah längere Zeit nichts mehr. Panflam strahlte sie fröhlich an, als sie sich langsam aufsetzte und einmal streckte. Langsam aber sicher kam sie ihrem eigenen Geheimnis auf die Spur und schürte somit weiterhin das Feuer des Gefühls, das sich in ihr aufbauschte. Sie fand, dass es recht ruhig um sie herum war und blickte sich verstohlen um. Dieses Mal konnte sie etwas mehr erkennen, weil von draußen die Sonne hereinschien. Die Höhlenwände waren recht kahl und auch sonst war sie nicht außergewöhnlich, dennoch hatte sie diese gewisse Ausstrahlung. Ob es daran lag, dass hier dieses legendäre Pokémon normalerweise lebte? „Banette?“, fragte sie, da sie wissen wollte wo die anderen denn waren. Panflam eröffnete ihr dann, dass sie alle draußen im hohen Gras waren, weil das Wetter zu schön sei, um hier drinnen zu bleiben. Und Beeren schmeckten besser, wenn man sie unter freien Himmel aß, so zumindest kam es ihm vor. „Panflam“, erklärte er ihr weiter, als er sich langsam in Richtung des Höhleneingangs bewegte. Banette setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen, nur um dann zu merken, dass ihr Körper wieder ein wenig über dem Boden schwebte. Draußen würden sie noch viele andere Pokémon erwarten, denn in der Höhle würden sich nur die einfinden, die Schutz brauchten. Wilde Pokémon gab es hingegen zur Genüge, von Noctuh über Zoroark bis hin zu ihresgleichen. Doch die würden sich nicht oft aus ihrem Versteck trauen, weshalb es fast keinen von ihnen gab, der mit ihnen geredet hatte außer Gengar. Mit ihm müsse sie wohl auch noch reden und sie hoffte, dass seine Andeutungen nun weniger verwirrend waren. Doch nun wurde sie erst einmal von der Schönheit der Umgebung empfangen und wusste nicht wo sie zuerst hinsehen sollte. Sie hörte das Rauschen des Flusses und wusste sofort, dass es nur dort sein konnte, wo sie gefunden worden war. Der Duft der Natur war schön und lud förmlich dazu ein dort zu bleiben. Sie hörte aufgeregte Stimmen etwas weiter entfernt, die miteinander redeten. Panflam zeigte ihr den Weg und sie hüpften beziehungsweise schwebten einen kleinen Hügel herab. Die satte grüne Farbe des wilden Grases war allgegenwärtig. Eine sanfte Brise ließ die Halme in der Luft tanzen und Banette war fasziniert von diesem Phänomen. In ihrer Heimat gab es keine großen Grasflächen, zumindest hatte sie keine mit eigenen Augen gesehen. Eigentlich konnte das alles ihr vollkommen egal sein, weil sie die Präsenz der vielen anderen Pokémon erst einmal überforderte. Sie hielt sich im Hintergrund auf, weil sie keine unnötige Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollte, doch Gengar stieg wieder vor ihr aus dem Boden und erschrak sie und einige andere. „Gengar!“, sagte es und grinste breit. Es freue sich sie zu sehen und würde ihr dann gerne nachher was ‚Gruhuhuseliges‘ zeigen. Und schneller als sie gucken konnte, hatte sie wieder eine Beere in der Hand und Gengar war wieder verschwunden. Sie fragte sich, weshalb sie sich vorhin Gedanken gemacht hatte, denn die Erklärung blieb sporadisch. Ihr Blick auf die Beere verriet ihr, dass sie heute eine Sinelbeere hatte, immerhin war sie blau und hatte eine ganz andere Form als die gelbe von gestern. Sie knabberte vorsichtig daran, bevor sie sie nach zwei Happen gegessen hatte. Panflam zeigte ihr indes, was und wen es alles zu sehen gab und sie fühlte sich völlig überfordert. So viele Informationen, die auf sie einprasselten, machten sie schwindelig. Mit einem nassen Platschen landete sie irgendwo auf einem Stein und wusste nicht genau wie ihr geschah. Wie lange war sie nun unterwegs gewesen? Wieso hatte sie Antoinette weggeworfen? Und weshalb suchte sie nicht nach ihr, obwohl ihr Blick eine ganz andere Emotion gezeigt hatte als die Monate zuvor? So viele Fragen schwirrten in ihrem Kopf herum, aber eine war am lautesten. Warum? Warum Antoinette? Warum hast du das getan? Warum wolltest du mich nicht? Warum … Warum … Warum … Warum … WARUM … Langsam überflutete sie nur noch ein Gefühl und es hauchte Leben in ihren Stoffkörper. Antoinette sollte für ihre Schmerzen büßen. Der Hass brodelte in ihr und es fühlte sich gut an. Ein Grinsen zerfurchte ihr Gesicht und ein grollendes Lachen erschütterte ihren Körper. Die nächste hohe Welle ergriff ihren neuen Körper und zerrte ihn mit sich. Hass? War es dieses Gefühl, das sie gestern nicht benennen konnte oder wollte? Weil es sich so ausfüllend anfühlte? Ein Schauder erfüllte sie und eine wabernde Aura verließ ihren Körper. Die Pokémon um sie herum flüchteten, weil sie davon nicht getroffen werden wollten, doch plötzlich spürte sie etwas langes, feuchtes, das sie wie gelähmt stehen ließ. Gengar hatte sie abgeschleckt und schwebte kopfüber mit einem breiten Grinsen vor ihr. Es sagte, dass genau das da solche Geist-spezifischen Dinge waren, die er angesprochen hatte. Attacken, die andere das Fürchten lehrten, aber auch Streiche und in dieser Disziplin konnte sie keinen besseren finden wie ihn, den Streichmeister. Banette verstand noch immer nicht genau, was gemeint war und sagte das auch klar heraus. Gengar rollte mit den Augen und lief in der Luft herum. Menschen hätten Angst vor Geistern, zumindest die meisten. Es gab nicht viele, die sie lieber mochten als die anderen. Immerhin hing ein gewisses Image an ihnen und er wusste wovon er sprach, immerhin hatte er mit seinen Brüdern hunderte Menschen erschreckt, bevor es andere taten. Oder zumindest kam es ihm so vor. Sie seien von den Menschen gefürchtet gewesen und einige hatten versucht sie einzufangen, doch sie konnten immer wieder entwichen. Bevor seine Brüder dann doch gefasst und in Pokébälle verbannt wurden. Er konnte flüchten, doch ohne sie war es nicht mehr das gleiche. Die Leute hatten zwar weiterhin Angst vor ihm, aber es wurde immer weniger, bis neue Geist-Pokémon entdeckt wurden und jeglicher Spuk vergebens war. Er wirkte überhaupt nicht mehr fröhlich, bevor er weitersprach und erzählte, dass er damals Dinge getan habe, die in der Natur eines Gengars seien, aber gegen alle Prinzipien der Grusel-Brüder verstießen. Aber es hatte sich richtig angefühlt und er liebte das Spiel immer noch und er wusste, dass es in der Natur eines Banette sei den Menschen heimzusuchen, den es schlecht behandelt hatte. Er hätte die Menschen lange Zeit beobachtet und den Pokédexeintrag, den jedes Pokémon hatte, mitangehört. Und da würde seine Kunst ins Spiel kommen. Er würde ihr Unterricht geben, wie man in wenigen Schritten gruselig werden konnte. Einige Pokémon hatten die beiden beobachtet als Gengar gesprochen hatte und nur wenige fingen wieder an ihre Aktivitäten aufzunehmen. Unsicher, was Banette tun oder wie sie zumindest darauf reagieren sollte, stand sie einfach nur starr da. „Ba…nette“, sagte sie langsam und erklärte ihren Standpunkt der Dinge. Sie fing damit an, dass sie ihm erklärte, wie es dazu kam, dass sie nun hier war und dass sie erkannt hatte, dass es Hass war, der sie verändert hatte. Doch gleichzeitig erwähnte sie ihre Unsicherheiten, dass sie ja nicht einmal genau wüsse, was sie war und ob sie überhaupt so sein wollte. Natürlich wollte sie, dass Antoinette auch leiden sollte, aber es fühlte sich falsch an, weil Mama dann bestimmt traurig sei. Denn, auch wenn sie noch nicht wirklich verstand, was es für sie nun hieß ein Pokémon zu sein, so wusste sie etwas sicher: Sie wollte sich erst einmal in dieser Welt zurechtfinden und verstehen was vorhin mit ihr passiert sei. Und sie fand, dass Rache nehmen an Jemanden, den man zwar erkennen würde, aber von dem man nicht wusste, wo man ihn suchen sollte, sehr schwierig werden würde. Deshalb wollte sie die Zeit hier genießen und ohne Hektik in die Zukunft blicken. Auch wenn es vielleicht nicht zu ihrem Pokédexeintrag passen sollte. Denn eines wusste sie mit Sicherheit: Wenn Antoinette wüsste, was sie nun wüsste, dann wäre alles anders gelaufen. Aber, wollte sie das auch? Das galt es herauszufinden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)