You Can't Handle The Truth von Aphrodi ================================================================================ The Truth Is Revealed --------------------- Das Licht im Wohnzimmer war stark gedimmt. Am stärksten erhellten den Raum neben dem Fernseher noch die Kerzen, die Angel unnötigerweise angezündet hatte. Jedenfalls empfand Jordan es als unnötig, gar störend. Nicht, weil er Kerzen und Romantik nicht mochte, er fand es okay, es war ertragbar und irgendwie hatte es ja schon etwas. Doch im Moment war Jordan ganz und gar nicht danach. Die DVD, die sie schauten, war auch mehr ein Vorwand, als wirklich gewollt. Irgendwie versuchte Jordan dem längst überfälligen Gespräch aus dem Weg zu gehen, es vor sich hin zu schieben, wegzulaufen vor all den Antworten, die er gefunden hatte und die er Angel früher oder später mitteilen müsste. Je länger er es hinauszögerte, desto schlimmer würde es werden, da war sich der Kroate sicher. Doch das hieß nicht, dass es mit diesem Gedanken einfacher wurde. Im Gegenteil. Jede Sekunde, die er nur daran denken konnte, quälte ihn, folterte ihn, ließ ihn wünschen, er hätte das alles nie bemerkt, damit sie einfach weiterleben könnten, als Familie, die sie nun irgendwie waren. Die Hände des Kroaten glitten durch Angels Haare, streichelten ihn schon eine ganze Weile, er konnte sich nicht einmal mehr dran erinnern, wie lange sie hier schon auf dem Sofa am Kuscheln waren. Jedes Zeitgefühl war verloren und von dem Film hatte er nicht mal einen Bruchteil mitbekommen. Jordan war völlig ruhig, völlig abwesend, völlig Gefangen in seinen Gedanken, die wieder und wieder alles abspielten, was passiert war, was er wusste, was er sagen würde. „Was hältst du davon, wenn wir unseren nächsten Urlaub auch an einem Haus am See verbringen?“ „Mhm...“ „...Jordan?“ Fragend drehte Angel den Kopf, schielte zu seinem Lebensgefährten hoch und runzelte die Stirn. Der Angesprochene reagierte wieder nur mit einem Brummen, was ihm ein kurzes, nicht allzu festes Kneifen in die Seite einbrachte, welches wieder mit einem Brummen – deutlich lauter, deutlich genervter und deutlich erschrocken – quittiert wurde. Aber immerhin hatte Angel jetzt Blickkontakt und seine Aufmerksamkeit. „Was ist los? Ich hab dich jetzt schon drei Mal angesprochen und alles, was von dir kam, war 'Mhm'.“ „... Oh... Ich hab nur ein bisschen nachgedacht. Nichts Dramatisches“, beteuerte Jordan, sichtlich perplex und durch den Wind wirkend, was Angels Blick nur skeptischer machte. Er wusste, dass der Kroate etwas verheimlichte, dass er irgendetwas in seinem Kopf ausbrütete, worüber er scheinbar nicht sprechen wollte. Er wusste, wie Jordan drauf war, wenn er – wie so oft – vor etwas davon lief. Aber wenn er nicht reden wollte... „Okay... Bist du bezüglich Ivanas Mutter schon voran gekommen? Es ist jetzt drei Tage her...“ Kurzes Schweigen von Jordans Seite, während er die Lippen zusammenpresste. Er wollte es nicht sagen. Aber er musste es. „Mhm. Ich hab sie gefunden“, murmelte er, noch deutlich hörbar für Angel, der seinen Kopf immerhin an die Schulter des Sportlers gelehnt hatte. Daraufhin kam erst einmal nichts mehr von Jordan. Gefolgt von einem Seufzen richtete sich Angel auf, setzte sich aufrecht hin und sah ihn an. Der aber hatte seinen Blick stur auf den Fernseher gerichtet. „Bitte, Jordan. Lass mich nicht weiter nachfragen müssen. Sag es mir. Sag mir, was du weißt.“ „Okay. Aber merk dir eines, ja? Egal, was ich dir jetzt sage, ich sage das, weil...ich dich liebe, okay? Was auch der Grund ist, warum ich es eigentlich gar nicht erst sagen wollte...“ Auch Jordan richtete sich auf, wagte es, den Blick vom Fernseher zu nehmen und Angel anzusehen, ein Fehler, wie er schnell merkte. Der verwirrte, doch auch ernste Blick, den er dort vorfand, war noch harmlos, war erst der Anfang. Doch es reichte zu wissen, was noch kommen würde, um es nicht mehr ertragen zu können, ihn anzusehen. Jordan musste aufstehen, hatte keine Ruhe mehr, musste ein paar Schritte durch das Wohnzimmer gehen und ihm schließlich den Rücken zudrehen. Er musste es wirklich. „Es dauerte etwas, bis ich sie gefunden hatte. Ich hab alle Ehemaligen kontaktiert, wie du gesagt hast. Manche waren nicht gerade erfreut, vor allem auch, was meine Fragen anging, aber hey, immerhin konnte ich sie dann ausschließen. Und nachdem ich alle abgeklappert hatte, war ich immerhin im Recht. Keine von ihnen hat ein Kind, das Ivana heißt. Und keine von ihnen hat ein Kind von mir.“ So Recht wusste Jordan nicht wohin mit sich, war immer noch unruhig, musste ein paar Schritte auf und ab gehen. Seine Hände hatte er in seinen Hosentaschen verbarrikadiert, zu Fäusten geballt. Er wagte keinen Blick zu Angel. „Aber du hattet auch Recht. Sie ist meine Tochter“, sagte Jordan, ein wenig zittrig in der Stimme, gab sich Mühe den großen, festen Kloß in seinem Hals hinunterzuschlucken. „Du sagtest, du hast ihre Mutter gefunden.“ „Ja, das hab ich... Erinnerst du dich daran, wie Ivana im Zoo verschwunden ist? Das waren nur Sekunden, ich konnte sie nirgends finden. Als hätte sie sich einfach in Luft aufgelöst. Und als mir Mitchell dann sagte, er hätte beim Training heute morgen gar kein kleines Mädchen, sondern nur dich gesehen, da dämmerte es mir langsam. Und ich denke, langsam dämmert es dir auch.“ Jordan wusste, dass es ein Fehler sein würde, er wusste, was ihn erwarten würde, aber so dumm dieser Impuls auch war, er musste sich umdrehen, musste Angel ansehen, um sicher zu sein, das er verstanden hatte. Die weit geöffneten, flackernden Augen sagten genug, sprachen von leichter Panik, vor allem aber von einem tief sitzenden Schmerz, der Angel durchzog. Verzweiflung machte sich in ihnen breit. Jetzt war es Angel, der weglaufen wollte, weglaufen vor der Wahrheit, die kurz davor war, sein Herz herauszureißen und ihn in völligem Wahnsinn zurückzulassen. „Das kann nicht sein, Jordan. Das ist lange vorbei...“ Noch während er diese Worte leise vor sich hin stammelte, erschien das kleine, dunkelblonde Mädchen in der Tür, gekleidet in ein rosa Nachthemd, besetzt mit Schleifen und verziert mit Rüschen, den Teddy in der Hand, den sie gestern im Einkaufszentrum gekauft hatten. „Offensichtlich ist es das nicht. Sie ist nicht echt sondern von dir erschaffen worden. Du musst loslassen, Angel.“ „NEEEIIIIIN!!!!“, kreischte das Mädchen, ließ den Teddy fallen als es zu Angel lief, ihn mit ihren kleinen, schwitzenden Händen am Oberarm packte. „Mach, dass er aufhört! Bitte! Lass nicht zu, dass er sowas sagt! Bitte!!!“ Ihre Stimme wurde immer flehender, brüchiger. Das und die Verzweiflung auf ihrem Gesicht, die von Tränen gefluteten Augen, ließen Angel nun ebenfalls die Fassung vollends verlieren. Seine Augen brannten, füllten sich unaufhaltsam immer mehr mit Tränen. Tränen, die ihm nur ein Blinzeln später feucht über die Wangenknochen liefen. Jordans Albtraum war eingetroffen, er wusste, dass es so kommen würde. Er wusste, dass Angels Anblick ihm das Herz herausreißen würde. Und genau so fühlte es sich an. Es war unerträglich. Er wünschte, dass es vorbei wäre. Dass er es ihm hätte ersparen können, doch ewig mit dieser Illusion leben? „Lass sie gehen, Angel“, sagte Jordan ruhig, viel ruhiger, als er sich fühlte, viel stärker, als er sich fühlte. Er zeigte nahezu nie, was in ihm vorging, war nach außen hin immer stark und genau jetzt war er sich sicher, dass die Scharade sich auszeichnen würde. Er musste jetzt stark sein, die sichere Zuflucht sein, in der sich Angel behütet und beschützt fühlen könnte. Er musste auf ihn aufpassen, ihn stützen, ihn in den Arm nehmen, aber... „...Paps?“, wimmerte das kleine Mädchen, als Angel die Augen schloss, kurz bevor sie sich unter Tränen auflöste. Langsam ging Jordan auf Angel zu, biss sich kurz auf die Unterlippe, während er sich vor ihn kniete und seine Hand auf den Oberschenkel des jungen Mannes legte. Als dieser die Augen öffnete, glitt Jordans zweite Hand wie von selbst zu Angels Wange, strich über die Tränenspur, die dort noch im Kerzenlicht glitzerte. „Du hast das Richtige getan“, sagte er ruhig, doch der Ausdruck auf Angels Gesicht und der Schmerz in seinen Augen ließen Jordan an all dem Zweifeln, ließen ihn seine eigenen Worte nicht glauben. Wie wahrscheinlich war es, dass Angel hier heile raus kam? Wie wahrscheinlich war es, dass seine Seele nicht wieder einen weiteren, tiefen Riss bekam? Sicher würde Jordan ihm helfen können, das alles durchzustehen, könnte ihm eine Stütze sein, könnte ihm all das Glück vor Augen führen, dass sie zusammen hatten. Aber- „Und jetzt den Rest, Angel...“ „W-was...?“ Der ungläubig-verstörte Blick, die zerrissene, schwache Stimme zog Jordans Mundwinkel automatisch ein Stück höher. „Komm schon, du weißt, was ich meine. All das hier...“, sprach Jordan, deutete kurz mit dem Kopf zur Seite. „Als ob ich mit dir in einem Haus wohnen würde. Und ernsthaft, New York City Football Club, was ist das für ein Name? So nennt doch niemand einen Verein, der Ahnung von Fußball hat.“ Jordans Stimme und auch sein Gesichtsausdruck würden spöttisch, völlig ironisch zu dem sanften Streicheln, dass noch immer auf Angels Wange lag. Er konnte Angel zersplittern sehen, durch die Augen, die ihren Glanz gerade verloren, stumpf wurden, starr, leer. Alles wurde schwarz. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)