Schatten der Vergangenheit von Kittykate ================================================================================ Kapitel 39: Kapitel XXXVIII - Nachwirkung ----------------------------------------- Spät in der Nacht rumpelte es im Erdgeschoss und Eri quietschte laut. Erschrocken fuhr Aoko aus dem Schlaf und setzte sich in ihrem Bett auf. Sie sah sich verwirrt und noch schlaftrunken um. Das gedämmte Licht der Nachttischlampe erhellte immer noch ihr Zimmer und ließ für Außenstehende darauf schließen dass sie noch wach war. Wenn ihre Eltern das nun bemerkten und dann auf die abgeschlossene Zimmertür trafen, würden Fragen kommen – unangenehme Fragen. Sie sah sich gehetzt um und blickte neben sich in ihr Bett. Kaito schlief tief und fest. Sie rüttelte sanft an ihm. Er murrte etwas, doch schon hielt sie ihm panisch den Mund zu. Reichlich verwirrt öffnete er langsam die Augen und blickte verschlafen in ihr ängstliches Gesicht. Er wollte erneut etwas sagen, aber ihre Hand presste sich fester auf seinen Mund und der Zeigefinger ihrer anderen Hand an ihren Lippen deutete ihm keinen Mucks zu machen. Ginzo kam langsam und humpelnd die Treppe hinauf und fluchte: „Verdammt noch eins! Ich glaube mein Zeh ist gebrochen!“ Eri, die ihm zur Hilfe eilte, sprach: „Psst. Ich verarzte ihn dir sofort. Aber mach nicht so einen Lärm, Aoko schläft doch schon.“ Ginzo hielt inne in seiner Schimpftirade. „Richtig, wir sollten nach ihr sehen. Ihr Licht ist noch an.“ Und das war der Moment, in dem beide Oberschüler panisch wurden. Beide wussten was ihnen blühen würde, wenn sie hier erwischt wurden. Kaito stand auf, zog sich geschwind Shorts und Hose an, schlüpfte in die Socken und schnappte sich sein Hemd. Schnell warf er sich das über, knöpfte es in Windeseile zu und holte sich seine Jacke. Aoko, die ebenso durchs Zimmer schlich, zog sich aus ihrem Schrank ein weites langes Shirt heraus und eine kurze Hose ehe sie ihr Kleid ordentlich über einen Stuhl legte und Kaitos Schuhe nahm. Beide, so in Eile und darauf konzentriert keinen Laut von sich zu geben, bemerkten nicht, dass sie aufeinander zu liefen und vor der Balkontüre zusammenstießen. Ihre Blicke trafen sich. Fasziniert sahen sie einander tief in die Augen und versanken regelrecht. Wie magisch angezogen trafen sich ihre Lippen zu einem Kuss. Die Gefühle übernahmen die Kontrolle und ließen sie alles um sie herum vergessen. Schritte näherten sich. Im nächsten Moment wurde die Klinke gedrückt. Rumms! Ginzo stieß frontal an die verschlossene Zimmertüre. Erneut fluchte er schmerzerfüllt auf. Schlagartig trennten sich die Oberschüler voneinander. Aoko drückte Kaito noch seine Schuhe in die Hand und schob ihn auf ihren Balkon hinaus. „Ginzo, Schatz, ist alles in Ordnung? Lass doch das arme Kind bis morgen schlafen und mach nicht so einen Lärm.“ „Mein Kopf dröhnt“, klagte der erwachsene Mann, doch dann besann er sich: „Da stimmt etwas nicht, Eri. Ich habe die gesamte Zeit schon ein komisches Gefühl.“ „Du übertreibst und du hast eindeutig zu viel getrunken. Wenn ich deinen Fußzeh verarzten soll, komm bitte jetzt, denn ich gehe gleich ins Bett“, verkündete Eri entschieden und entfernte sich von Aokos Zimmertüre. Aoko beobachtete wie Kaito in seine Schuhe schlüpfte. Dann drehte er sich ihr zu, näherte sich wieder ihrem Gesicht und hauchte: „Schlaf gut!“ „Gute Nacht“, murmelte sie zurück. „Ich komme gleich, Eri“, sprach Ginzo entschieden und klopfte im nächsten Moment fest an die verschlossene Türe seiner Tochter: „Aoko! Was zum Teufel geht da drinnen vor? Warum ist deine Türe abgesperrt?!“ Gehetzt schloss sie nun die Glastüre so leise es eben ging und schlich durch ihr Zimmer. „Und wieso habe ich eben deine Balkontüre gehört?! Aoko! Wenn du nicht sofort öffnest, trete ich deine Türe ein!“ „Ich komme schon“, rief sie ihrem Vater schnell entgegen, warf noch einen kurzen Blick in ihr Zimmer, konnte aber keinen verräterischen Hinweis entdecken. Dann sperrte sie auf und öffnete die Türe. Überrascht und etwas vorwurfsvoll sah sie ihren Vater an. „Was ist denn los?“ „Das sollte ich dich fragen“, sprach Ginzo, schob seine Tochter zur Seite und betrat misstrauisch ihr Zimmer. Aoko folgte ihm unsicher und als sie sah dass er auf ihre Balkontür zuschritt, diese öffnete und hinaustrat, dachte sie wirklich dass er Kaito sehen müsste. Wo sollte er denn auch hin? Hätte sie ihn vielleicht unter ihrem Bett verstecken sollen? Aber in Filmen sahen die Väter doch dort immer zuerst nach. Aoko stand hinter ihm an der Türe, beobachtete ihren Vater, der sich in der Dunkelheit umsah, sich sogar über das Geländer beugte und versuchte etwas im dunklen Garten zu entdecken. Aoko nutzte den kurzen Moment und ließ ihren Blick nochmals durch ihr Zimmer gleiten. Schon entdeckte sie Kaitos Krawatte auf dem Boden liegend. So unauffällig wie möglich eilte sie hin und schob das Stückchen Stoff mit dem Fuß unter ihr Bett. Gerade noch rechtzeitig, denn ihr Vater trat zurück ins Zimmer und musterte sie misstrauisch. „Was ist denn überhaupt passiert?“, mimte sie die Unschuldige. „Du bist mit dem Taxi nach Hause gefahren?“ „Ja“, antwortete Aoko. „Allein?“ Sie wusste nicht so recht was sie darauf sagen soll. „Wieso fragst du mich das?“ Ginzo unterzog sie einem prüfenden Blick, dann erklärte er: „Chikage hat uns mitgenommen und gesagt, dass Kaito mit einem Taxi schon nach Hause gefahren ist.“ Aoko erstarrte innerlich. Ihr Vater wusste es oder er ahnte es zumindest. Aber woher? Sie hatte ihm nie ein Zeichen oder einen Grund gegeben. Eine Lüge würde ihn nur noch misstrauischer machen. Aoko senkte den Kopf. „Mir ging es nicht so gut, ich hab ein bisschen zu viel getrunken. Kaito hatte für sich ein Taxi bestellt und mich mitgenommen. Du weißt ja, wir haben fast die gleiche Adresse. Es wäre unsinnig, wenn jeder einzeln fährt.“ Ginzo beäugte sie immer noch sehr skeptisch, dann nickte er. „Wo ist Kaito?“ „Ich nehme an, dass er zuhause ist.“ „So, so, du nimmst es an.“ Die Augen ihres Vaters wichen zu dem zerwühlten Bett, dann aber ging er ohne ein weiteres Wort aus ihrem Zimmer. Bevor er die Türe schloss, drehte er sich nochmal zu ihr um. „Eri hat mir versichert, dass du die Pille nimmst. Ich hoffe, du weißt, dass diese allein nicht vor Krankheiten schützt.“ Entsetzt riss Aoko ihre Augen auf. Ihr Vater wusste es, aber woher? „Das nächste Mal zieh dich bitte ordentlich an.“ Er drehte sich von ihr ab. Aoko blickte an sich herunter und erkannte was ihr Vater meinte. Das Shirt zeigte die Rückansicht. In der Eile hatte sie es sich falsch herum angezogen. Ertappt sah sie auf und starrte auf den breiten Rücken ihres Vaters. „Und sag Kaito, dass er die Knutschflecke nicht so sichtbar platzieren soll, wenn ihr nicht wollt dass man euch auf die Schliche kommt.“ Schon trat er hinaus und zog die Türe hinter sich zu. Aoko starrte perplex zur Türe, dann fasst sie sich und rannte sofort hinterher. Schwungvoll riss sie ihre Türe wieder auf. „Papa?“ Ihr Vater stand schon an der Treppe. Vermutlich würde er sich ein Eispäckchen für seine Stirn holen und außerdem hatte er sich zuvor den Zeh gestoßen, der auch noch untersucht werden musste. „Ich war auch mal jung, Aoko“, sprach Ginzo und drehte sich ihr nochmals zu. „Auch wenn ich es nicht gutheiße, bist du alt genug um deine eigenen Entscheidungen zu treffen.“ „Wir haben aufgepasst“, gestand sie. Es erheiterte ihren Vater nicht, dennoch wirkte er wesentlich beruhigter. Dann verschwand er humpelnd ins Erdgeschoss. Mit stark pochendem Herz kehrte Aoko zurück in ihr Zimmer und schloss die Türe. Dort ließ sie sich auf ihr Bett nieder und in die Laken fallen. Sie musste diesen gesamten Abendverlauf erst verarbeiten. Am nächsten Morgen trat Aoko reichlich übermüdet in die Küche. Ginzo saß bereits am Tisch, aber seine Laune schien nicht wirklich besser zu sein. Eri zog die Croissants und Brötchen aus einer Bäckertüte hervor und deckte den Esstisch. „Guten Morgen“, flötete sie und versuchte dabei eine harmonische Stimmung zu erzeugen. „Morgen“, murmelte Aoko bedrückt und schlich näher. Dann half sie Eri beim Kaffeekochen und Tisch decken. Ginzo musterte seine Tochter enttäuscht. „Um ein Gespräch werdet ihr beide nicht drum herum kommen“, kündigte er an. Aoko zog ihren Kopf ein. Eri beobachtete die frostige Stimmung zwischen Vater und Tochter und stemmte ihre Hände in die Hüfte. Vorwurfsvoll sah sie ihren Mann an. „Nun sei nicht so streng mit ihr. Es ist doch schön, wenn die beiden sich lieben und zusammen sein wollen.“ Aoko blieb der Mund offen stehen. Da hatte Eri aber einen ganz falschen Eindruck. Dennoch würde sie ihre neue Mama in dieser Annahme nicht korrigieren. Ihr Vater würde fuchsteufelswild werden, wenn er erfuhr, dass sie nicht mal ein Paar waren und dennoch miteinander schliefen. Fröhlich grinsend betraten Ran und Shinichi die Küche, Händchen haltend und im absoluten Glück schwebend. Aoko sah fasziniert auf das Bild. Sie wusste nicht, dass Shinichi über Nacht geblieben war und so wie es aussah hatte er wohl auch nicht auf der Couch genächtigt. Ginzo schien die Gedanken seiner Tochter zu erraten, denn er verkündete: „Du empfängst heimlich Männerbesuch! Da kann ich deiner Schwester wohl kaum verbieten mit ihrem Freund in einem Zimmer zu schlafen.“ Ran und Shinichi sahen überrascht zu Vater und Tochter, setzten sich aber schweigend und leise an den Tisch und würden sich gewiss nicht einmischen. Eri trat nun an den Tisch und legte die letzten Zutaten hin. „Ginzo, nun ist es aber mal gut. Sei nicht so veraltet. Unsere Töchter haben feste Freunde und in ein paar Jahren werden sie heiraten und spätestens dann ausziehen. Das ist der normale Lauf. Sie werden flügge und das ist richtig und gut so.“ Sie setzte sich an den Tisch. Ginzo schnaubte. Auch Aoko setzte sich dazu und schweigend begannen sie mit dem Essen. Das Familienoberhaupt schmollte noch etwas, während die Frauen ein Gespräch begannen und sich über den gestrigen Tag unterhielten. Sehr langsam mischte sich Ginzo ins Gespräch ein und schon bald entstand ein reges Gespräch über den Tag, der sie alle zu einer Familie gemacht hatte. Aoko kehrte nach dem Frühstück in ihr Zimmer zurück. Shinichi und Ran wollten noch etwas Zeit alleine verbringen, ehe der Oberschüler nach Hause ging, somit blieb ihr erst mal niemand mit dem sie reden konnte. Immer noch rasten ihre Gedanken und kein einziger war festzuhalten. Aoko beschloss an die frische Luft zu gehen. Sie hoffte einen klaren Kopf zu bekommen. Immer noch mit dem Shirt, welches sie inzwischen richtig herum angezogen hatte, und der Hose von letzter Nacht gekleidet, trat sie auf ihren Balkon. Sie sah sich aufmerksam um und verstand nicht warum ihr Vater ihn nicht gesehen hatte. Es gab keine Verstecke hier draußen und dennoch war er verschwunden als ihr Vater hinaus trat. Wo konnte er nur hin sein? Sie beugte sich über das Geländer, wie ihr Vater es schon in der Nacht getan hatte. Es war zu hoch um einfach hinunter zu springen. Ihre Augen glitten zum Nachbarbalkon. Aber auch zu weit entfernt um hinüber zu springen. „Suchst du etwas?“ Aoko schreckte aus ihren Gedanken auf und nahm erst jetzt das grinsende Gesicht ihres Nachbarjungen wahr. Ein wohliges, sehr glückliches Gefühl breitete sich in ihrem Herzen aus und sie bereute nicht eine Sekunde aus der letzten Nacht. Keck erwiderte sie: „Einen Jungen.“ „Sag bloß“, erwiderte er spielerisch. „Er ist letzte Nacht von meinem Balkon verschwunden.“ „Wo ist er hin?“ Er lehnte seine Unterarmee auf das Geländer seines Balkons und grinste süffisant. „Das ist die Frage“, überlegte sie lächelnd. „Ich sehe zwar wo er steht, aber ich frage mich wie er da ungesehen hinkam.“ Ein triumphierendes Grinsen zog sich über seine Lippen, dann drehte er seinen Kopf in Richtung der Gärten. Aoko folgte seinem Blick. Die Häuser waren absolut identisch. Die Balkone führten einmal im Obergeschoss um das Gebäude herum. Sie wusste nicht was er ihr zeigen wollte, doch dann entdeckte sie einen großen Baum mit weit ausufernden dicken Ästen. Entsetzt sah sie zu Kaito, der sie belustigt anlächelte. „War ein Drahtseilakt, aber du siehst: Ich lebe noch.“ Interessiert musterte er nun ihre Aufmachung. „Netter Anblick.“ Er ließ sie nicht aus den Augen. „Letzte Nacht hast du mir aber besser gefallen“, flirtete er plötzlich. „Ich weiß nicht was du meinst“, ärgerte sie ihn. Ihre Augen glitten über seine Erscheinung und ihr wurde wieder brennend heiß, als sie den attraktiven, sportlichen, jungen Mann betrachtete, in nur einer Boxershort gekleidet. Alles, was er ihr in diesem Moment an nackter Haut präsentierte, hatte sie letzte Nacht liebkost. „Sind die Erinnerungen noch zu präsent?“ Wie ein verschrecktes Reh sah sie zu ihm rüber und konnte nicht fassen, dass er ihr an der Nase ablesen konnte, was ihr durch den Kopf ging. „Ich habe keine Ahnung wovon du redest“, erwiderte sie gespielt gleichgültig. Kaito, durch dieses Geplänkel angestachelt, grinste teuflisch. „Aber ich weiß das und werde es auch nicht so schnell vergessen.“ Seine Augen leuchteten ihr entgegen. „Hier! Fang!“ Im nächsten Moment flog ein Fußball herüber und Aoko fing diesen reflexartig auf. Wusste aber nicht was er mit dem Ball bezwecken wollte. „Ich hoffe du kommst!“ Aoko sah ihn verwirrt an, stand mit dem Ball in der Hand auf ihrem Balkon und wusste nicht was sie sagen sollte. „Ich weiß nicht.“ Sie überlegte hin und her, aber für sie stand fest, sie wollte ihren Vater nicht noch weiter enttäuschen. „Das ist keine gute Idee.“ „Überleg es dir noch mal.“ Er richtete sich auf und deutete auf sein Zimmer. „Ich bekomme gleich noch Besuch und muss mich noch anziehen.“ Kurz hob er die Hand zum Gruß und schon verschwand er in seinem Zimmer. Sie sah ihm nach. Dann kehrte auch sie in ihr Zimmer zurück, ließ aber die Türe offen. Die frische Morgenluft schadete ihrem Zimmer nicht. Schon setzte sie sich, mit dem Fußball in ihren Händen, aufs Bett. Sie betrachtete den schwarzweiß gefleckten Ball, verstand aber seine Worte immer noch nicht. Sie hatten sich nicht verabredet, zumindest erinnerte sie sich nicht daran. Sie drehte den Ball in ihren Händen als ihr schwarze Schriftzeichen auf den weißen Feldern auffielen. „15.00h, Geheimversteck“, murmelte sie. Ob das wirklich so eine gute Idee war? Ihr Vater wusste Bescheid und wenn Chikage es auch schon wusste? Zumindest wird ihr Vater Kaitos Mutter schon sehr bald ins Bild setzen. Andererseits müsste sie ihm den Ball zurückbringen und die Krawatte lag auch noch unter ihrem Bett. Sie ließ sich auf ihr Bett zurück fallen, drückte seinen Fußball an ihre Brust und wusste nicht was sie tun sollte. Nur langsam schritt der Tag voran, aber dann verabschiedeten sich Ginzo und Eri für ein paar Stunden. Sie würden das Auto holen, das noch immer vor der Gaststätte parkte, und im Anschluss noch einige Besorgungen machen. Ran und Shinichi waren auch noch in Rans Zimmer. Aoko konnte die beiden gedämpft sprechen hören bis sie wieder laut auflachten. Es bot sich ihr die Chance sich ungesehen raus zu schleichen und sie entschied sich diese nicht verstreichen zu lassen. Sie schlüpfte in eine Hose und einen dünnen Pullover. Die Krawatte schob sie sich in ihre Hosentasche und klemmte sich den Ball in die Armbeuge. Leicht nervös folgte sie dem so vertrauten Weg ihrer Kindheit und trat auf die Hollywoodschaukel zu. Diese schaukelte sanft. Als sie in das Sichtfeld trat, entdeckte sie ihren ehemaligen besten Freund darin, der sie regelrecht anstrahlte. Sie warf ihm den Ball zu, den er auffing. „Den hast du vergessen“, erklärte sie. Kaito fing seinen Fußball zwar, ließ ihn aber sogleich achtlos auf den Boden fallen lassen. Dann trat sie auf ihn zu und zog aus ihrer Tasche ein Stückchen Stoff hervor. „Und das hast du auch vergessen.“ Sie streckte ihm ihre Hand hin. Kaito griff nicht nach der Krawatte, sondern ihr Handgelenk. Blitzartig zog er an ihr. Aoko, die dem starken Ruck in ihrem Arm reflexartig nachgab, stolperte und landete halb auf ihm. Mit beiden Händen umfasste er sie und zog sie ganz auf seinen Schoss. Im nächsten Moment begann er sie zu küssen und drückte sie näher an sich heran. Aoko versuchte sich ihm zu entziehen: „Kaito... wir... müssen... reden“, brachte sie schwerfällig zwischen den Küssen hervor. Kaito löste sich nur sehr langsam von ihr und nickte bedauernd. „Ja, das müssen wir wirklich.“ „Papa weiß es“, gestand Aoko. Um selbst einen klaren Gedanken fassen zu können, musste sie sich etwas ablenken. So legte sie die Krawatte um seinen Nacken und strich beide Enden an seiner Brust glatt. „Er hat seine Schlüsse gezogen, als er mit Chikage zusammen nach Hause fuhr. In der Hektik hab ich das Shirt falsch herum angezogen und du hast mir einen Knutschfleck hinterlassen.“ Kaito staunte, dann strich er ihre offenen Haare zurück und begutachtete ihren Hals. „Meine Mutter hat letzte Nacht in meinem Zimmer gewartet und als ich durch die Balkontür eingestiegen bin wollte sie natürlich wissen wo ich herkomme. In der Hektik hatte ich das Hemd falsch zugeknöpft, so dass sie ziemlich schnell die Schlüsse zog. Zumal sie auch Ginzo auf dem Balkon gesehen hat, der nach etwas bzw. jemanden suchte.“ „Wie hat sie es aufgefasst?“ Aoko hoffte sehr das Chikage entspannter blieb als ihr eigener Vater. Er sah ihr in die Augen. „Sehr gut sogar. Sie plant nun unsere Hochzeit.“ Aoko prüfte ihn stumm und fragte sich, ob er sie eben nur auf den Arm nahm oder es ernst meinte. Der Junge ging nicht weiter auf seinen eigenen Kommentar ein und umfasste ihr Gesicht. Aufmunternd sah er sie an. „Keine Sorge, wir kriegen das schon geregelt.“ „Da bist du optimistischer als ich. Papa will mit uns reden.“ „Hat Ginzo schon gesagt, wann unser großes Gespräch sein wird?“ Sie schüttelte ihren Kopf. „Eri und er sind den Nachmittag unterwegs. Ich denke mal in den nächsten Tagen werdet ihr zu uns eingeladen.“ Aoko zögerte, doch dann sah sie ihre heimliche Liebe an. „Eri denkt, dass wir zusammen sind und es noch nicht offiziell verkündet haben. Wenn Papa erfährt das dem nicht so ist, wird er uns den Kopf abreißen.“ Kaito sah sie nachdenklich an, wollte etwas sagen, aber da mischte sich plötzlich Chikage ein, die durch den Garten rief: „Kaito Kuroba, wo steckst du nur wieder?!“ Der Oberschüler sah immer noch Aoko an, wollte unbedingt die Worte aussprechen, doch wieder erklang Chikages Stimme laut und drohend: „Wenn du nicht sofort hierher kommst, hast du Hausarrest, mein Lieber!“ Kaito seufzte auf, drückte Aoko einen sanften Kuss auf die Lippen und schob sie von sich herunter. „Du hast meine Ma gehört. Sie zieht das wirklich durch. Kann ich später nochmal zu dir?“ „Besser nicht. Papa ist schwer enttäuscht und ich möchte ihn nicht weiter provozieren.“ „KAITO!“ Er nickte. „Ich muss jetzt los.“ Schon hauchte er ihr einen weiteren Kuss auf den Mund und verschwand. „Was ist denn, Mutter?!“ „Wo steckst du nur wieder? Nach letzter Nacht hättest du dir Zimmerarrest verdient, sei froh dass ich noch mal Gnade habe walten lassen.“ Sie stutzte: „Wo kommt denn deine Krawatte her?“ „Ehm, die hab ich vorhin gefunden.“ „Junger Mann, wir beide müssen uns ernsthaft unterhalten!“ Schon verschwanden die beiden Kurobas im Haus und alles verstummte. Aoko zog den Kopf ein. Wie konnte sie nur so dumm sein und ihm die Krawatte so offensichtlich umhängen. Jetzt war es zu spät. Sie sah auf den Fußball, den er wieder vergessen hat. Also nahm sie ihn wieder mit und kehrte wenig später in ihr Zimmer zurück. Dort starrte sie den Fußball an, überlegte eine Weile und ließ sich seine Worte durch den Kopf gehen. Ihr Vater wusste nun um diese Affäre, beziehungsweise glaubte er dass es eine Beziehung war. Was sprach also gegen einen Besuch? Schon griff sie sich einen schwarzen Stift und schrieb: 23:00h, Balkontüre ist offen! Nur wie sollte sie ihm die Nachricht zukommen lassen? Am späten Nachmittag verabschiedete sich Shinichi von Ran und Aoko. „Ich schau noch kurz zu Kaito, dann geh ich nach Hause.“ Das war ihre Chance. Aoko hielt ihn kurz zurück. „Kannst du ihm etwas mitbringen?“ Der Oberschüler nickte etwas irritiert. Schnell eilte Aoko in ihr Zimmer und holte den Fußball. Die kurze Wartezeit nutzte Ran um sich von ihrem Freund zu verabschieden. Sie küssten sich liebevoll, lösten sich aber voneinander als sie Aoko auf der Treppe hörten. Die Braunhaarige kam zurück und reichte Shinichi den Ball. „Der lag bei uns im Garten. Hab ihn vorhin gefunden.“ „Okay“, nickte Shinichi zu. Er ging mit dem Fußball zum Nachbarhaus. Ran schloss hinter ihrem Freund die Türe und drehte sich breit grinsend um. Sie lehnte sich an die Haustüre an und verschränkte ihre Arme vor der Brust. „So, so, du und Kaito habt die Nacht zusammen verbracht?“ Schon löste sich eine Hand und boxte ihre Schwester an die Schulter. „Dass es gestern mächtig geknistert hat, war nicht zu übersehen.“ Aoko senkte verlegen den Blick. „War das so offensichtlich? Dabei haben wir uns doch kaum zusammen blicken lassen.“ „Oh, Schwesterchen, er hat dich mit seinen Augen ausgezogen und beim Fotoshooting konnte man es euch zu deutlich ansehen. Ihr seid bis über beide Ohren ineinander verliebt.“ „Quatsch“, stritt Aoko in alter Manier ab. „Ich weiß, du willst das nicht hören“, stimmte Ran belustigt zu. „Aber dass du wirklich mit ihm nach Hause verschwunden bist, das ist ein starkes Stück“, fügte sie noch hinzu und schwankte irgendwo zwischen Bewunderung, Unglaube und Neid. „Chikage hat uns im Auto mitgenommen“, begann sie nun zu erklären. „Weil Eri und Ginzo etwas zu viel getrunken haben ließen wir das Auto stehen. Auf der Heimfahrt erklärte Chikage, dass Kaito mit dem Taxi schon heim ist. Ginzo war außer sich. Schnell hat er sich ausmalen können, dass ihr zusammen gefahren seid.“ Aoko versuchte sich an einem Themenwechsel. „Ihr habt Shinichi mitgenommen? Wie kam es, dass er hier übernachtete?“ „Chikage hat ihn mit zur Hochzeit genommen und hätte ihn auch heimgefahren, aber Mama hat sich dafür eingesetzt dass er auf der Couch nächtigen darf. Nachdem du Ginzo erklärt hast, dass Kaito wirklich hier war, erlaubte er ihm sogar in meinem Zimmer zu schlafen.“ „Und wie war es?“ „Lenk nicht ab, Schwesterherz!“, ermahnte Ran sofort streng. „Erst will ich alles von deiner Nacht wissen“, schob sie grinsend hinterher. „Da gibt es nichts erwähnenswertes.“ „So nicht, Aoko“, lachte Ran und stellte die alles entscheidende Frage: „War es gut?“ Aoko grinste: „Mehr als das!“ Und als sie an die intime Begegnung zurückdachte, spürte sie jede einzelne Berührung so intensiv in ihren Gedanken, als würde sie es in diesem Moment nochmal erleben. Ran beobachtete fasziniert Aokos Gesichtsregung. Das Leuchten in ihren Augen war ihr Bestätigung genug. „Du liebst ihn“, stellte sie fest und dieses Mal war eine Antwort überhaupt nicht mehr nötig. Es war so klar und einleuchtend. „Und Shinichi und du?“ „Wir waren im Gegensatz zu euch brav und haben nur gekuschelt“, lachte Ran gut gelaunt. Schon bald kamen die Eltern nach Hause und langsam entspannte sich das Familienklima wieder. Ginzo sah ein, dass seine Tochter erwachsen wurde und er sie nicht ewig von Jungs fernhalten konnte. Gemeinsam aßen sie zu Abend, ehe sie den Tag auf der Couch ausklingen ließen. Der Abend wurde schon bald zur Nacht und diese schritt voran. Aokos Augen folgten den Zeigern ihres Weckers. Ob er ihre Nachricht gelesen hatte? Oder hatte er den Ball wieder achtlos in seinem Zimmer verstaut? Inzwischen war eine Stunde vergangen. Vielleicht wusste er ja wirklich nichts von ihrer Einladung, das würde zumindest seine Verspätung erklären. Die kalte Nachtluft strömte in ihr Zimmer und langsam begann sie zu frieren. Sie seufzte. Allem Anschein nach würde er nicht kommen. Es machte keinen Sinn länger zu warten und morgen war schließlich Schule. Sie stand auf, schlich zu ihrem Balkon um die Türe zu verschließen, als er plötzlich und unerwartet vor ihr auftauchte. Aoko erschrak und stieß einen quietschenden Laut aus. Sofort reagierte er und erstickte den Schrei in einem zärtlichen Kuss. Ohne Worte schob er sie in ihr Zimmer zurück zum Bett, küsste sie unentwegt und fiel mit ihr zusammen hinein. Auch in dieser Nacht raubte er ihr den Verstand, zeigte ihr eine neue Welt und erstickte jeden Laut der Lust und Begierde in sanften Küssen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)