Schatten der Vergangenheit von Kittykate ================================================================================ Kapitel 22: Kapitel - XXII verheißungsvoller Abend -------------------------------------------------- Eri bezahlte die Eisbecher und gemeinsam beendeten sie den Stadtbummel und fuhren mit dem Zug nach Hause. „Welchen Film wollt ihr euch nachher ansehen?“ Aoko zuckte mit den Schultern. Ran wollte ihre Mutter nicht vor den Kopf stoßen, aber sie war noch verabredet. „Ich habe schon was vor.“ Aoko sah überrascht zu ihr, auch Eri bohrte neugierig nach. „Wo bist du denn?“ Die Braunhaarige überlegte kurz die Wahrheit zu sagen, aber das erschien ihr noch zu früh. Wenn ihre Mutter erfuhr, dass sie mit Shinichi ein Date hatte – war es überhaupt ein Date? - würde sie darauf bestehen ihn bald kennen zu lernen. Ran wollte keinen falschen Eindruck vermitteln, vor allem weil sie selbst nicht wusste ob sie nur Freunde sind oder mehr daraus werden könnte. Ein Kuss, der ihre Gefühlswelt auf den Kopf gestellt hatte, war doch noch lange kein Beweis für tiefere Gefühle, besonders wenn dieser besagte Kuss eine Aufgabe beim Flaschendrehen war. Vermutlich interpretierte sie in seine Nettigkeiten viel zu viel. „Ich bin mit Sonoko im Kino.“ Sie würde ihrer besten Freundin eine Nachricht schicken, damit sie ihr Alibi bestätigte. „Ach schade“, sprach Eri aus. „Dann verschieben wir unseren Filmabend auf morgen.“ „Auch das ist schlecht, Mama.“ Rans Blick glitt kurz zu Aoko. „Ich bin morgen zum Filmabend bei Kaito eingeladen.“ „Allein?“ „Nein, Shinichi kommt auch“, antwortete sie dieses Mal ehrlich. Eri zog ihre Augenbrauen beinahe entsetzt hoch und schluckte. „Du bist morgen alleine mit zwei Jungs beim Filmabend?“ Ihre Augen wichen zu Aoko. „Wo bist du?“ „Zuhause“, antwortete diese sofort. „Warum gehst du nicht mit?“ „Ich muss Lernen“, wich Aoko aus und sah kurz zu Ran. „Das gefällt mir nicht.“ Eri grübelte. „Ich möchte nicht, dass du alleine mit zwei Jungs unterwegs bist. Auch wenn ich Kaito kennen gelernt haben, so traue ich ihm nicht ganz über den Weg.“ „Warum?“, fragten Aoko und Ran gleichzeitig nach. „Irgendwas hat er an sich. Etwas geheimnisvolles und ich weiß nicht ob das gut oder schlecht ist. Er lässt sich nicht in die Karten schauen und versucht etwas zu verbergen.“ Ran und Aoko tauschten erneut einen kurzen Blick aus. „Kaito wird Ran nicht anrühren. Dafür lege ich meine Hand ins Feuer“, sprach Aoko vollkommen überzeugt. „Er ist ein sehr rücksichtsvoller Mensch und anständig.“ Ran hatte nicht erwartet das ausgerechnet Aoko Kaito verteidigte. Eri war immer noch nicht ganz überzeugt. „Du kennst ihn schon einige Jahre länger als ich, das ist richtig. Dennoch ist mir unwohl dabei.“ Sie sah zu Ran: „Was ist wenn er dich bedrängt und dann ist da noch ein zweiter Junge. Du bist ihnen hilflos ausgeliefert und ich bekomme es gar nicht mit und kann dir nicht mal helfen.“ „Kaito bedrängt keine Mädchen“, antwortete Aoko nachdrücklicher und fügte fest hinzu: „Wenn man es ausdrücklich sagt, macht er nichts was man nicht will.“ Sie sammelte sich kurz: „Und Shinichi ist auch ein anständiger Junge. Es gibt ganz andere Kaliber auf unserer Schule.“ Eri war immer noch nicht überzeugt. Im Gegenteil schien ihr jedes Wort von Aoko mehr Unbehagen zu bereiten. „Vielleicht sagt dir der Buchautor Yusako Kudo etwas? Oder die Schauspielerin Yukiko Kudo? Die Familie ist sehr berühmt, einflussreich und hat auch nicht gerade wenig Geld. Wenn herauskäme, dass ihr Sohn über Mädchen herfällt, würde sich das ganz schnell auf deren Ruf und die Karriere auswirken. Shinichi weiß das auch. Er gehört zu den intelligentesten Schülern unserer Schule und ist ganz gewiss nicht dumm. Er kann die Folgen von Handlungen richtig einschätzen.“ Ran staunte. Sie wusste gar nicht, dass Shinichi so berühmte Eltern hatte oder gar reich war. Er verhielt sich ihr gegenüber überhaupt nicht protzig oder abgehoben. Etwas eingebildet erschien er ihr manchmal, aber diesen Charakterzug schob sie jetzt nicht auf seine Herkunft, sondern einfach auf seine Lebenserfahrung. Ein intelligenter Junge, der auch noch erfolgreich im Sport war, musste doch irgendwann mal an Selbstüberzeugung erkranken. Ihre Augen richteten sich auf ihre Mutter, wartend ob sie nun zustimmen würde. Vorstellen konnte sie es sich immer noch nicht. Eri lehnte sich an die Lehne der Sitzbank des Zuges an und verschränkte ihre Arme vor der Brust. „Nein, Ran, ich lass dich nicht alleine rüber gehen. Wenn Aoko mit geht, dann ist es in Ordnung. Dann seid ihr zu zweit.“ Ran blickte zu Aoko beinahe flehend. Aoko entging dies nicht und stimmte letztendlich seufzend zu. „Okay, ich komme mit.“ Eri lächelte erleichtert und Ran strahlte überglücklich. Sie wusste, dass ihre Mutter über-fürsorglich reagieren würde. Als Anwältin hatte sie schon viel zu viele Fälle miterlebt in denen Mädchen belästigt wurden oder gar schlimmeres erlebten. Ihr entging keineswegs der misstrauische, fast vorwurfsvolle Blick von Aoko, aber sie konnte auch nicht das Grinsen aus ihrem Gesicht schrauben. „Danke“, hauchte sie ihrer Schwester zu. Der Zug hielt an ihrer Haltestelle und die drei Frauen begaben sich auf den Heimweg. „In welchen Film geht ihr denn?“, fragte Aoko neugierig. „Wissen wir noch nicht. Wir haben auch noch keine feste Uhrzeit ausgemacht. Ich werde sie gleich anrufen.“ Das schlechte Gewissen drückte, denn Aoko wollte sie eigentlich nicht belügen. Sie würde ihr die Wahrheit sagen, sobald Eri außer Hörweite war. Aoko nickte skeptisch. „Dann werde ich wohl oder übel heute lernen müssen.“ Mehr zu sich murmelte sie: „Ich habe ja inzwischen so einiges an Nachholbedarf.“ Ran verabredete sich mit Shinichi um acht vor dem Kino. Sie würden in der halb neun Vorstellung eine Komödie ansehen. Sie zog sich noch um, entschied sich für einen Jeansrock und einen dünnen Pulli. Ihre Schulterlangen Haare ließ sie offen über den Rücken fallen. Pünktlich machte sie sich auf den Weg zum Kino. Sonoko versicherte ihrer Freundin ein Alibi, sollte jemand bei ihr anfragen. Über den Film würde Ran ihr morgen berichten. Verschwörerisch wünschte Sonoko ihr viel Glück und erwartete schon sehr bald ein Doppeldate mit Shinichi und Makoto. Immerhin waren die beiden Jungs auch Freunde. Bei der Erwähnung des Doppeldates schlug Rans Herz schneller. Das war heute kein Date. Sie ging mit einem Mitschüler ins Kino, ganz unverbindlich um Zeit miteinander zu verbringen, sich besser kennen zu lernen und Spaß zu haben. Es sollte ein schöner Abend werden. Er war ein netter Junge und sie fühlte sich sehr wohl in seiner Gesellschaft. Fast musste sie über sich selbst spotten. Nett war die Untertreibung des Jahrhunderts. Seit dem kurzen Kuss, ging er ihr nicht mehr aus dem Kopf. Jedes Mal wenn sie ihn sah, klopfte ihr Herz schneller. Bisher konnte sie ihre Gefühle vor ihm gut verbergen. Sie wusste auch überhaupt nicht wie er zu ihr stand. Er tat keinen weiteren Schritt in diese eine Richtung, die sie sich so sehr wünschte. Würde er an diesem Abend versuchen ihr näher zu kommen? Sollte er sie wirklich küssen wollen, ein Rotschimmer trat bei diesem Gedanken auf ihre Wangen, würde sie vor Nervosität platzen. Wie könnte sie nur einen klaren Gedanken fassen wenn ein heißer Typ wie Shinichi sie zu küssen versuchte? Aber warum sollte er sie überhaupt küssen wollen? Nur weil sie es sich so sehr wünschte, bedeutete das nicht, dass Shinichi das ebenso wollte. Inzwischen fühlte sie sich wie ein Nervenbündel. Sie spazierte durch die Straßen und kam auf einem großen Platz vor dem kleinen Kino an. Shinichi stand schon vor dem Gebäude. Attraktiv und gutaussehend. Gekleidet war er in einer Jeans und einem weißen Hemd. Seine Jacke hielt er sich mit seinem Zeigefinger über die rechte Schulter und wartete bereits auf sie. Wie konnte man nur so unverschämt gut aussehen? Er bräuchte einen Waffenschein, so verboten gut sah er aus. Die Röte auf ihren Wangen vertiefte sich und ihre sonst so selbstsicheren Schritte wankten ins Gegenteil. Statt ihm entgegen zu eilen verlangsamte sie ihr Tempo und pure Unsicherheit durchströmte sie. Warum nur wurde sie jetzt plötzlich so nervös? Es war doch nur Shinichi, der sehr nett und aufgeschlossen ihr gegenüber war, der ihr den Kopf verdrehte, sie mit seinen Augen in eine andere Welt transportieren konnte. Ihr Herz begann zu rasen als würde es eben einen Marathon bewältigen. „Hey, Ran, wie schön. Ich freue mich dich zu sehen“, begrüßte er sie fröhlich und eilte ihr schon entgegen. „Ich habe schon die Karten besorgt, wir können noch ein wenig hier draußen bleiben, ehe wir in die Vorstellung gehen. Was hältst du davon?“ „Hey“, grüßte sie zurück, rang sich ein Lächeln ab, hoffte die Nervosität schlug sich nicht auf ihre Stimme nieder und nickte zustimmend. Sie gingen zu einer Bank auf dem großen Platz und setzten sich. „Seid ihr erfolgreich gewesen?“ Ran wusste erst nicht was genau er meinte, doch dann fiel ihr ein, dass er auf ihre Shoppingtour anspielte. „Ja, wir haben Kleider, Schuhe und die Frisur wurde uns heute zur Probe gesteckt.“ „Du wirst bestimmt toll aussehen“, sprach er so plötzlich, doch im nächsten Moment biss er sich verlegen auf die Lippen und begann sich zu verhaspeln. „Eh... ich... ich meine, du und Aoko und deine Mutter sicherlich auch als Braut.“ Ran beobachtete ihn und begann plötzlich zu kichern. „Danke, Shinichi.“ Er legte verlegen eine Hand an seinen Hinterkopf und grinste sie schelmisch an. „Darf ich mir mal dein Kleid bei Gelegenheit ansehen?“ Ran staunte, doch dann schüttelte sie den Kopf. „Es bleibt unter Verschluss bis zur Hochzeit. Aber ich werde es auch auf den Winterball anziehen.“ Shinichi zwinkerte ihr zu. „Dann musst du unbedingt mit mir zum Winterball gehen, damit ich es vor allen anderen sehe.“ Ran errötete. Meinte er das etwa gerade ernst? Unsicher blickte sie ihm in die blauen Augen und spürte wieder ihr Herz flattern. „Ich meine das ernst, Ran. Begleitest du mich auf den Winterball?“ „Ist es für so eine Einladung nicht noch etwas zu früh?“ „Ganz sicher nicht“, stellte er selbstsicher fest. „Auch würde ich gerne mit dir auf unseren Abschlussball gehen.“ Ran errötete, bis dahin war ja noch über ein halbes Jahr hin. „Shinichi, das musst du nicht...“ Er beugte sich etwas zu ihr: „Und wenn ich das will...“ Sie verlor sich in seinen Augen. „Dann sag ich nicht nein“, antwortete sie, aber ihre Stimme war kaum mehr als ein Wispern. Der Oberschüler begann zu strahlen und nickte ihr zu. Er beugte sich noch etwas weiter vor, als Ran sich räusperte und ihren Blick unsicher abwandte. „Da ist noch etwas. Ich möchte dir nicht die Überraschung verderben, aber du kannst das Kleid auch schon früher sehen.“ Shinichi stutzte, richtete sich etwas auf und betrachtete sie aufmerksam. „Mama...“, sie konnte doch nicht allen ernstes erzählen, das sie ihrer Mutter von ihm vorgeschwärmt hatte und er dadurch zur Hochzeit eingeladen wurde. Das war doch peinlich, was würde er denn dann nur von ihr halten? „... und... eh... Ginzo und sie...“, und brach ab. Was sollte sie denn nur sagen, ohne ihre Gefühle preiszugeben? Grübelnd senkte sie den Kopf. Shinichi beugte sich wieder vor. „Sie...“, hakte er langgezogen nach. Dabei runzelte er seine Stirn und versuchte einen Sinn in ihren Worten zu finden. „Mama hat uns gesagt, wir dürfen eine Begleitung zur Hochzeit mit bringen.“ Erneut legte sich ein Rotschimmer auf ihre Wangen. „Möchtest du mich zur Hochzeit meiner Eltern begleiten?“ Shinichi begann zu grinsen. „Und dann sehe ich dich vor allen anderen in deinem neuen Kleid?“ Sie nickte lächelnd. „Natürlich“, stimmte er zu und zwinkerte ihr zu: „Ich danke dir! Und keine Sorge, ich werde dich nicht vor deinen Eltern blamieren“, versprach er, woraufhin Ran kicherte. Gerade er, der immer so freundlich und rücksichtsvoll war, wollte sie nicht in Verlegenheit bringen. War er nicht süß? Ein Blick auf die Uhr und Shinichi fügte hinzu: „Wenn wir die Vorstellung nicht verpassen wollen, sollten wir jetzt reingehen.“ Er stand auf und reichte Ran seine Hand um ihr ebenso aufzuhelfen. Ran starrte mit klopfendem Herz auf die Handfläche und legte ihre hinein. Als sich ihre Finger berührten, umschloss er sie fest und die Wärme seiner Haut ging direkt in sie über. Sie lächelten einander an, dann zog er sie hoch auf ihre Füße. Shinichi ließ ihre Hand nicht los und zog sie mit zum Kino. Am Eingang zückte er die Eintrittskarten und zeigte diese vor. Dann suchten sie nach dem Kinosaal und verschwanden zwischen zwei dicken Stahltüren in einen großen, dunklen, bestuhlten Saal. Rans Herz klopfte die ganze Zeit wie wild. Seine Finger lösten ein angenehmes Kribbeln auf ihrer Haut aus und ließen die Schmetterlinge in ihrem Bauch fliegen. Shinichi hielt sie die gesamte Zeit fest und führte sie zielstrebig in ihre Sitzreihe zu den auf dem Ticket notierten Plätzen. Die Werbung begann und der Oberschüler beugte sich kurz zu ihr. „Ich hole uns noch schnell was zum Knabbern.“ Seine Finger lösten sich und im nächsten Moment verschwand er nochmals aus dem Saal. Unsicher blieb Ran zurück, aber nicht lange, da kam er zurück drückte ihr eine Cola wie auch eine große Packung Popcorn in die Hände. Sie lächelte und beide konzentrierten sich auf die Leinwand, auf der eben auf die Hausregeln des Kinos hingewiesen wurde und anschließend den Film zeigte. Beide nahmen sich abwechselnd immer wieder eine Hand voll Popcorn aus der Schüssel, tranken zwischendrin einen Schluck ihrer Getränke und lachten bei lustigen Szenen oder fieberten mit dem Hauptcharakter mit, wenn der wieder mal in eine verzwickte Situation rutschte. Während einer lustigen Szene, lachten beide mit den anderen Kinobesuchern laut auf. Sie griffen gleichzeitig ins Popcorn, spürten die Finger des anderen und hielten überrascht inne. Im nächsten Moment starrten sie sich mit großen Augen an. Rans Herz tat einen gewaltigen, fast schmerzhaften Sprung. Sie errötete schlagartig und war dankbar um die Dunkelheit in diesem Saal. Shinichi hielt ebenso erstarrt inne, doch dann drückte er kurz ihre Hand und zog seine dann wieder zurück. Er drehte sich der Leinwand zu und überließ ihr das Popcorn. Unaufhörlich klopfte ihr Herz wie wild. Ihr Körper stand unter Strom und nur schwer gelang es ihr die Konzentration erneut auf den Film zu lenken. Nach der Vorstellung verließen die beiden kichernd den Kinosaal. Die unabsichtliche Berührung ihrer Hände war schon fast wieder vergessen, als ihnen plötzlich Shiho über den Weg lief, natürlich in Begleitung von Akako. Die Beiden kamen aus einem anderen Kinosaal und lästerten über die schlechten Schauspielerqualitäten. Wie erstarrt blieben die vier voreinander stehen und musterten sich gegenseitig überrascht. Shiho fasste sich als erstes wieder. „Hey, Shin“, begrüßte sie ihn. Im nächsten Moment trat sie auf ihn zu und schlang ihre Arme um seinen Hals. Zur Begrüßung drückte sie ihm einen Kuss auf die Wange. „Hallo, was macht ihr denn hier?“, hakte der Oberschüler überrascht nach und umfasste Shihos Handgelenke um diese kurz darauf von sich zu lösen. „Vermutlich das gleiche wie ihr, nur in einem anderen Kinosaal“, stellte Akako fest und ihre Augen lagen sehr argwöhnisch auf dem Pärchen vor sich. „Seid ihr allein?“ „Ehm...“, versuchte Ran eine Antwort zu formen, aber Shinichi kam ihr zur Hilfe. „Ja, wir wollten eigentlich in einer größeren Gruppe gehen, jedoch sind die anderen abgesprungen.“ Ran stutzte. Warum log er die beiden Mitschülerinnen an? Schämte er sich mit ihr zusammen gesehen zu werden? Hatte sie sich wirklich mehr erhofft und mehr in diesem Abend gesehen als er? Zum ersten Mal bekam die rosarote Brille auf ihrer Nase einen Riss. Akako, wie auch Shiho, schienen ihm nicht ganz zu glauben und musterten Ran für einen kurzen Moment mit düsteren Mienen. Doch einen Wimpernschlag später setzten sie wieder freundliche Masken auf. „Was habt ihr jetzt noch vor?“ „Ich...“, begann Shinichi, doch Ran ergänzte für ihn den Satz: „ich muss nach Hause.“ „Musst du etwa schon ins Bett?“, spottete Shiho. Shinichi knurrte: „Lass das!“ Ran schüttelte den Kopf. „Nein, wir haben nur morgen einen Ausflug geplant. Wir starten ganz früh.“ Nun war es soweit gekommen, dass sie sich schon Ausreden und Lügen überlegen musste. „Ich muss jetzt los.“ Sie drehte sich Shinichi zu und rang sich ein Lächeln ab. „Wir sehen uns in der Schule.“ Mit diesen Worten drehte sie den dreien auch schon den Rücken zu und eilte zum Ausgang. „Ran“, rief er ihr hinterher, aber da war sie schon verschwunden. Sie rannte und rannte und kämpfte die aufkommenden Tränen nieder. Sie war so dumm, dumm, dumm. Wie konnte sie sich nur einbilden, Shinichi würde Interesse an ihr haben?! Irgendwann verlangsamte sie ihr Tempo und schlich tieftraurig, enttäuscht und verletzt durch die Straßen nach Hause. Vielleicht war es besser so. Lieber gleich die Wahrheit zu erfahren als sich monatelange etwas vorzumachen. Nur was sollte sie jetzt tun? Sie konnte unmöglich morgen mit ihm zum Filmabend gehen, auch die Einladung mit der Hochzeit und den Schulbällen stand noch im Raum. „Ran“, rief Shinichi und im nächsten Moment umfasste eine Hand ihren Arm und hielt sie fest. „Bitte warte. Ich möchte dir das erklären.“ „Du brauchst mir nichts zu erklären“, antwortete sie und überraschenderweise klang ihre Stimme fester als sie es erwartet hätte. „Ran, bitte hör mir zu“, seine Stimme überschlug sich fast aus einer Mischung von Verzweiflung und absoluter Ernsthaftigkeit. „Meine Worte haben dich verletzt und das tut mir sehr leid, aber wenn sie die Wahrheit gehört hätten, dann...“ „Was ist denn die Wahrheit?“ Unfassbar, hatte sie ihn das eben allen ernstes gefragt? Wie dumm war sie nur?! „Na, dass wir zusammen ins Kino gegangen sind“, er stockte, wirkte plötzlich verlegen. „Also, dass... du... ich...“, er schluckte suchte scheinbar nach den richtigen Worten. Ran verstand schon. Er sah in ihr einfach nur eine Mitschülerin, der er helfen wollte sich einzufinden. Aber tiefere Gefühle würde er ihr nie entgegenbringen. „Ist schon gut“, winkte sie ab. „Ich weiß schon was du mir sagen willst.“ Schlagartig trat eine Röte auf seine Wangen, aber es blieb von Ran unbemerkt. „Du weißt es?“ Sie nickte in Gedanken versunken. „Ja, nur kann ich mir eines nicht erklären. Sie ist deine Exfreundin. Warum sagst du ihr nicht einfach die Wahrheit? Ein Abend unter Freunden sollte doch keine Probleme verursachen.“ Nun starrte er sie sichtlich verwirrt an. „Freunde?“ Sie blickte ihn an, leicht verzweifelt und verletzt, auch wenn sie es vor ihm zu verbergen versuchte, es entging ihm nicht. „Nein, Ran, du verstehst das vollkommen falsch.“ Warum war er nur so entsetzt als sie ihn und sich als Freunde titulierte. Waren sie nicht einmal das? Aber warum verbrachte er dann so viel freie Zeit mit ihr? „Ist schon gut, Shinichi, du musst mir nichts erklären. Ich muss jetzt nach Hause. Meine Mom dreht sonst noch durch vor Sorge.“ Sie ging weiter und glaubte fast, dass er nun auch nach Hause ging, aber zur ihrer Überraschung schloss er schnell auf und begleitete sie durch die dunklen Straßen Tokios. Eine Weile sagten sie nichts, gingen schweigend nebeneinander her, jeder in seine eigenen Gedanken vertieft. „Ich glaube nicht, dass du mich verstehst“, bemerkte er plötzlich in die Stille. „Hör zu, ich kenne Shiho inzwischen lange und gut genug um zu wissen, dass sie mich immer noch liebt und mich zurückhaben möchte.“ Ran setzte an etwas zu sagen, ließ es aber bleiben und ging schweigend weiter. „Sie ist sehr eifersüchtig und sie ist zu Dingen fähig, dass kannst du dir nicht mal ansatzweise vorstellen.“ Nun stutzte sie doch. „Was für Dinge?“ Shinichi überlegte, doch dann sprach er: „Gefährliche Dinge.“ Ran blieb entsetzt stehen. Ihr wurde langsam kalt. Die Nächte kündigten bereits den Herbst an, was man gerne tagsüber vergaß, denn der Sonne gelang es immer noch alles auf warme Spätsommertemperaturen zu bringen. Shinichi sah wie seine Begleitung fröstelte zog sich seine Jacke aus und legte diese um Rans Schultern. Sofort sog sie Shinichis Duft ein. Die Wärme seiner Jacke hüllte sie wohlig ein. Ran versuchte sich nicht vernebeln zu lassen und lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Worte des Mitschülers. „Was hat sie getan?“ „Sie hat mal einem Mädchen gemeine Dinge angetan und am Ende sogar jemanden in Lebensgefahr gebracht. Natürlich konnte ich es ihr nicht beweisen und auch sonst niemand kann es bezeugen. Die es könnten hängen mit drinnen.“ „Wer hängt alles mit drinnen? Was haben sie denn getan?“ „Akako. Und Hitomi teilweise auch.“ Überrascht hielt Ran die Luft an. „Wer war das Mädchen?“ „Du kennst sie nicht, sie hat kurz darauf die Schule verlassen.“ Irgendwie beruhigte sie diese Aussage. Für einen kurzen Moment hatte sie angenommen er sprach von Aoko. Doch dann verstand sie den Sinn hinter seinen Worten. „Sie war... deine Freundin?“ Shinichi schluckte, senkte tief betroffen den Kopf. „Eine Mitschülerin, die mehr von mir wollte und es offen gezeigt hat.“ Er sah zu ihr. „Ich habe Angst, dass sie dir etwas antun könnten.“ Ran erstarrte. Deswegen diese Lüge? Um sie zu beschützen? „Shinichi...“ „Nein, hör zu. Egal was passiert, ich werde mein möglichstes Tun damit du nicht zur Zielscheibe wirst. Du bist mir sehr wichtig, Ran. Vielleicht schon fast zu wichtig“, gestand er leise. Ihr Herz schlug wie wild in ihrem Brustkorb. Er tat das wirklich nur wegen ihr? Er blieb plötzlich stehen und Ran sah ihr zu Hause, welches sie nun erreicht hatten. Shinichi blickte sie ernst an. „Bitte sei vorsichtig was du ihnen gegenüber sagst und halte dich am besten von ihnen fern. Ich habe ein ganz schlechtes Gefühl.“ Ran immer noch überwältigt von diesem Gespräch nickte langsam. „Okay.“ Shinichi versuchte sich an einem Lächeln, aber die Anspannung blieb. „Schlaf gut. Wir sehen uns morgen“, verabschiedete er sich und ehe sie realisieren konnte was er tat, beugte er sich schon zu ihr und legte für einen kurzen Moment seine Lippen auf ihren Mund. Ein Feuerwerk wurde losgeschossen und innerlich begann sie zu kribbeln, während ihre Gefühle einen Vergnügungspark eröffneten. Langsam fielen ihre Augen zu, da war der Moment auch schon vorbei und Shinichi löste sich von ihr. Dennoch schwebte sein Gesicht ganz nahe an ihrem. „Das wollte ich schon seit der Party machen“, gestand er ihr leise und auf Rans Lippen legte sich ein Schmunzeln. Sie öffnete ihre Augen und blickte tief in seine. „Gute Nacht“, hauchte er ihr noch zu, drückte ihr einen kurzen sanften Kuss auf die Wange und schlenderte die Straße entlang. Ran drehte sich um und starrte ihn fasziniert hinterher, während ihre rechte Hand sich an ihre Wange legte, und der Zeigefinger ihrer linken Hand an ihren prickelnden Lippen lag. Aoko ging zur Hollywoodschaukel. Erstaunt stellte sie fest, dass diese sich leicht bewegte. Durch die Stofflage an der Rückseite war sie von dieser Seite nicht einsehbar. Ahnend wer darin saß trat sie auf die Vorderseite zu und stand ihrem ehemaligen besten Freund schräg gegenüber. Er wirkte absolut abwesend, sein Blick starr auf einen unbestimmten Punkt in die Ferne gerichtet. Er schien sie nicht einmal wahr zu nehmen. Sie nutzte den unbeobachteten Moment um ihn zu betrachten. In all den Jahren ist er zu einem attraktiven, jungen Mann herangewachsen. Seine braunen Haare wuschelig und unbezähmbar. Sein Gesicht schmal, die lange gerade Nase passte perfekt hinein. Seine dunkelblauen Augen, die ihr weiche Knie bereiten konnten, waren so klar wie der Ozean und konnten doch so manches mal zu einem Sturm werden und sie mitreißen. Seine Lippen, die ihren Verstand aussetzen ließen, rosig und schmal. Was hatte er nur an sich, dass sie sich zu ihm hingezogen fühlte? Warum nur konnte sie ihm nicht den Rücken kehren, ihn abweisen oder gar ihn komplett ignorieren? Sie wollte hier ihren Kopf ausrauchen lassen. Den gesamten Spätnachmittag hatte sie gelernt. Durch die Vorkommnisse in den letzten Tagen stand sie sehr oft vor dem Klassenzimmer und verpasste viel Unterrichtsstoff. Diesen musste sie nun bald aufholen. In einem halben Jahr standen die Abschlussprüfungen an. „Gefällt dir was du siehst? Ich kann dir auch ein Foto machen, dann kannst du mich immer ansehen so oft und so lange du willst“, erklangen süffisant gesprochene Worte. Hatte sie ihn die gesamte Zeit über angestarrt? Wann hatte er sie bemerkt? Warum hatte sie nichts bemerkt? Und als ihr bewusst wurde, was er eben gesagt hatte, trieb es sie zur Weißglut. „Bakaito, ich starre dich nicht an. Nur weil du glaubst unwiderstehlich zu sein, heißt das nicht dass alle anderen der gleichen Meinung sind.“ Er grinste selbstgefällig. „Ich glaube das nicht nur, sondern ich weiß es, Aoko. Und du weißt es auch, denn auch du kannst mir nicht widerstehen.“ Eine erneute Herausforderung und sie konnte nicht einmal etwas dagegen sagen. Es stimmte ja. Sobald er ihr näher kam, zog er sie in einen Bann. „Was machst du überhaupt hier?“ „Das könnte ich dich genauso fragen.“ Nachdenken, Abstand gewinnen und sich selbst verfluchen wären die passenden Antworten. Aber das ging ihn nichts an. Er wartete noch einen kurzen Moment, erhoffte sich fast eine Antwort, doch diese blieb aus. Kaito nickte, stand auf und ging ein paar Schritte auf sie zu. „Ich muss jetzt los.“ Je näher er ihr kam, desto wilder schlug ihr Herz. „Wo musst du denn jetzt noch hin?“ Er schwieg. Sie standen sich gegenüber und blickten sich tief in die Augen. „Warum können wir nicht mehr ehrlich zueinander sein?“ Eine Frage, die sie beschäftigte. „Waren wir es denn jemals?“ Lautete seine Gegenfrage. Beide sahen einander unschlüssig an, sagten nichts mehr. Mussten sich die Frage erst einmal selbst stellen, bevor sie eine Antwort darauf geben konnten. „Ich muss jetzt wirklich los.“ Und mit diesen Worten verschwand er. Aoko blieb zurück mit rasendem Herzschlag und absolut verwirrt. Würde er jetzt zu Akako gehen? Hatte er deswegen die Situation nicht für sich ausgenutzt? War es nicht das was sie die ganze Zeit wollte, sich wünschte und von ihm erwartete? Er sollte doch auf Abstand gehen und sie in Ruhe lassen. Aber dass er sie nun so abweisend behandelte verletzte sie. Warum tat er ihr so etwas an? Niemand würde doch eine Person, die man mochte, so behandeln, oder? Ihre Augen wanderten in den schwarzen von Sternen überzogenen Nachthimmel. Eine Antwort würde sie wohl auf all ihre Fragen vorerst nicht bekommen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)