Ein Mirakel zwischen zwei Identitäten von Patricipa ================================================================================ Kapitel 2: Bücher, Bücher, Bücher --------------------------------- Bücher, Bücher, Bücher Nach vier Wochen ist es soweit – die ersten Herausforderungen für mich beginnen oder laufen schon beziehungsweise habe ich sogar abgeschlossen. Nummer Eins war und ist eine konstante Herausforderung. Termine mit Adrien zu bekommen sind schwieriger, als einem Kugelfisch die Giftblase zu entfernen ohne Rückstände zu behalten. Dennoch haben wir es zweimal geschafft und ich habe ein wenig verstanden, wie zumindest Physik abläuft – immerhin ein bisschen. Adrien ist wahrlich ein guter Lehrer, denn er macht keinen Druck, sondert spielt eher mit mir, sodass ich dadurch einige Schritte verstanden habe. Sein straffer Zeitplan holt ihn jedoch selbst in der Nachhilfezeit ein, weshalb er manchmal plötzlich los muss, was mich verwirrt. Falls ich aber bei einer Aufgabe nicht weiterkomme, darf ich sie ihm über das Handy als Bild schicken, was er mir ebenfalls beigebracht hat. Mit einer Kamera umgehen kann ich schon, aber diese Handykamera ist in der Bedienung halt anders. Vater von ihm zu überzeugen hat nur eine halbe Stunde gedauert. Nein, er hat ihn von sich überzeugt. Jedenfalls habe ich zu hören bekommen, dass er bisher noch nie einen zuvorkommenden und freundlichen sowie talentierten Jungen kennengelernt hat, der ihm keine Sorgen bereitet, wenn er mit mir gemeinsam Zeit verbringt. Für meinen Vater ist das ein sehr hohes Lob, worauf Adrien sich etwas einbilden kann. Meine zweite Herausforderung war das komplette Beherrschen der französischen Sprache. Diese habe ich nun verinnerlicht, aber manchmal rutsche ich aus Versehen in das Japanische, was mir die meisten verzeihen, weswegen ich gut zurechtkomme in dieser Stadt mit der schwierigen Sprache. Herausforderung Nummer Drei hat begonnen, als ich wieder als Model für Vater gearbeitet habe. Hier in Paris gibt es sehr hartnäckige Paparazzi, die sich zum Glück von Ricardo abschrecken lassen. Lange Ruhe habe ich nicht vor ihnen, aber ich muss mich nur daran gewöhnen und es wird schon werden. Nummer Vier meiner Herausforderungen wird sich noch klären, denn Marinette und Alya dürfen ab heute auch zu mir nach Hause kommen, worauf ich mich im großen Maße bei Vater bedankt habe. Darum bin ich ganz stolz auf meine Einladungskarten. Sie habe ich selbst gestaltet und gebastelt. Zwar sehen sie verwackelt und schief aus, aber ich habe sie alleine gefertigt. Schreiben war kein Problem, doch darüber sollte ich mir keine Gedanken mehr machen, weil der Praxistest kommt – ob man diese annehmen wird. Zusätzlich habe ich die bleibende fünfte Herausforderung vor mir – Klausuren. Neben diesen gibt es noch mehrere andere Arbeiten, die erledigt werden müssen. Hat man als Jugendlicher in Paris überhaupt Zeit für sich? Gerade in diesem Moment sitzen wir in dem Chemieraum und müssen solch eine Klausur bestehen und mir raucht der Kopf davon enorm. Die Zeitspanne reicht niemals, damit ich die Aufgabenstellungen verstehe und sie umsetzen kann. Warum muss man hier nicht mehrere Antworten einfach ausmalen oder nur ein paar Worte niederschreiben? Pure Verzweiflung verspüre ich bei allen Aufgaben. Mit Ach und Krach schreibe ich irgendwas hin, was ich im Unterricht aufgeschnappt habe, doch viel ist es nicht gerade. Adrien hat sicherlich mit mir noch eine riesige Menge nachzuholen. „Die Zeit ist vorbei – dreht die Papiere um und ich werde sie am Ende der Stunde einsammeln. Ab mit euch in die Pause.“ Madame Mendeleiev – ihren Namen kann ich endlich aussprechen ohne mir die Zunge zu verknoten – schickt uns ein paar Minuten eher raus und ich fühle mich dennoch elendig. Trotz der neuen Lernmethode von Adrien – die ich selber bei mir ausprobiert habe, um weitere Fächer, die mir nicht liegen, zu meistern – schaffe ich nichts. Anscheinend ist es der ausschlaggebende Punkt, dass er mit mir diese Übungen macht. Alleine bringen sie leider wenig. „Du schaust genauso nachdenklich aus, wie die ganze Zeit bei der Klausur, Shirado.“ Ups, ich bin wohl zu vertieft in meine Schwächen gewesen. „Kann gut sein, weil ich darüber nachgedacht habe, wie ich mich verbessern könnte, aber ohne Adrien klappt dies mehr schlecht als recht. Wie dem auch sei – hast du mehr zu Ladybug erfahren, Alya?“ Themenwechsel auf Ladybug funktioniert irgendwie immer – es lebe die Ablenkung! Viel hat sie auch nicht auf Lager, aber Marinette erzählt ein bisschen von sich, weshalb wir wieder lachen können, weil sie es selbst macht bei ihren tollpatschigen Situationen. Die erheiternde Atmosphäre bringt mich auf meine Einladungskarten, die ich aus meiner Tasche hole, doch leider kommt Wind auf und sie fliegen mir davon. Lieber renne ich schnell hinter diesen her. Sollte Chloé auch nur eine in ihre Finger bekommen, wird sie wieder mich erniedrigen, wie öfter in letzter Zeit. Wenn sie mit der Wahrheit nicht klarkommt, ist das nicht meine Schuld. Eine habe ich erwischt und die zweite ist in wenigen Sekunden ebenfalls in meinem Besitz. Der dritten Einladungskarte renne ich hinterher bis ich gegen irgendwas oder irgendwen knalle – somit bin ich schneller am Boden als eine Münze. Als ich hochblicke ist es Adrien, der mich besorgt ansieht und fragt, ob alles in Ordnung wäre. Bin ich gegen ihn gerannt? Sicherlich bin ich das und er steht sogar noch, obwohl ich ein rasantes Tempo auf Lager hatte. Wie schon vor Wochen hilft er mir hoch und ich bedanke mich bei ihm dafür sowie entschuldige mich. „Bist du dieser Karte nachgejagt?“ „Ähm…, ja, Adrien. Die war sowieso für dich, also kannst du sie gerne behalten. Wenn du mich entschuldigst, werde ich nun zurück zu Marinette und Alya gehen.“ Aus dieser peinlichen Situation muss ich schnellstmöglich raus und Flucht klingt für mich nach der besseren Option. Mir egal, ob er noch etwas sagen möchte, mir ist es zu peinlich im Moment. Vielleicht verfliegt das später. Bei den Mädchen angekommen verschnaufe ich kurz, weil ich nicht auf meine Atmung geachtet habe und brauche ein paar Sekunden, bevor ich meine Einladungskarten – die ein bisschen verdreckt sind – ihnen geben kann. Es sind nicht gerade Kunstwerke, aber ich habe mir Mühe gegeben. Sie inspizieren alles genau und finden die Schrift sehr gelungen – das, was ich halt kann. Auf die Frage hin, mit welchem Programm ich alles gemacht habe antworte ich, dass ich immer noch keinen Computer besitze und ich alles per Hand gestalte. Trotz des weniger guten Aussehens der Karten sind beide begeistert und sagen sofort zu, dass sie kommen werden, was mich hocherfreut. Adrien wird sich sicherlich noch mit einem Anruf melden. Der Schultag vergeht recht schnell bis auf den Punkt, dass ich in meiner Gymnastikstunde von einem Paparazzo fotografiert werde. Wie der es geschafft hat in die Schule zu kommen, obwohl dies keineswegs erlaubt ist, finde ich weniger erfreulich. Heute bin ich zudem an der Reihe, um diese Sportart der Klasse vorzustellen – die anderen waren vor mir an der Reihe, aber ich bin alleine hier, weswegen ich mehr Zeit bekam – was wohl auch an meinen Französischkenntnissen liegen konnte. In diesem Moment ist es egal. Ich habe mir die richtige Musik ausgesucht, denn das Video zu dem Lied passt perfekt. Ich vermisse es im Musikstudio Musikfernsehen zu sehen. Wenigstens besitze ich genügend CDs. Das Gymnastikband mit sechs Metern Länge habe ich bei mir und mein Klassenkamerad Nino ist so lieb und bedient für mich die Musikanlage der Schule, was sonst der nette Mann macht, der zusätzlich Pantomime zu sein scheint. Jedenfalls bin ich froh, dass sie meine Bedenken verstanden haben. Die Stunde ist fast herum und es wird Zeit, dass alle eintreffen. Alle weiteren Gegenstände habe ich weggetan, denn die werde ich für meine Performance nicht brauchen. Dass mir dabei zusätzlich meine musikalische Vergangenheit hilft, brauchen sie keineswegs zu wissen. Es ist schon merkwürdig, dass niemand Gymnastik belegt, außer meiner Wenigkeit und ich dennoch diesem Sport nachgehen darf. Diese Schule verstehe ich einfach nicht, aber die Lehrkräfte sind wirklich pädagogisch auf dem neusten Stand. Das Gemurmel kann ich vor der geschlossenen Tür hören und die Nervosität macht sich trotzdem breit. In Japan wäre dies kein Problem gewesen, aber hier bin ich immer noch neu, weswegen mir mulmig zumute ist. Hoffentlich funktioniert alles. Meine Klassenkameraden treten mit dem Lehrer ein und sogar dem Schulleiter. Es kann sein, dass er sehen möchte, was ich als Einzelperson leiste. Oh Kami, wieso werde ich geprüft? Na gut, Shirado, dir bleibt nichts anderes übrig. Du reflektierst jeden Tag dich selbst, als ob du irgendwem davon erzählst, weshalb du es schaffen wirst. „Ein Glück habe ich mich nicht für Gymnastik eingetragen – bei dem Outfit auch kein Wunder, dass du lieber alleine trainierst.“ Chloé wie sie leibt und lebt und einige Lacher kassiert sie, was aber normal ist. „Pech für dich, Chloé, dass du diese Chance verpasst hast, denn meine Performance spricht für sich – du wirst schon sehen. Nino, wenn du so lieb wärst.“ „Geht klar, Shirado.“ Inzwischen begebe ich mich in die Mitte der acht riesigen Bodenmatten, die der Gymnastikraum bietet. „Bitte ein Lied weiter, Nino, es muss Kazeno Uta von FLOW sein.” „Habe ich nun, Shirado. Bereit?“ Ich nicke auf seine Frage hin und konzentriere mich, bis die Musik anfängt, denn nun gilt es andere zu verzaubern. Mit grazilen Tanzbewegungen nehme ich die Aufmerksamkeit aller auf mich, bis es zum Refrain geht, denn genau in dem Moment nehme ich den Stab vom Gymnastikband von meiner Hüfte und vollführe gemeinsam mit diesem einige andere Bewegungen durch, die Figuren ergeben. Manche sind Windhosen, andere Wellen oder Felsen – man kann so einige Figuren zaubern. Meine Erfahrung lasse ich mit einfließen und muss für mich leise mitsingen, damit ich nicht aus dem Takt gerate. Die Yoga-Übungen verwende ich zusätzlich, was erstaunendes Luftholen zur Folge hat. Plötzlich ertönt ein anderes Lied und ich denke mal, dass Chloé dahintersteckt, aber nicht mit mir, denn ich habe zu jedem Lied auf der CD eine Performance. Somit wechsle ich die Schrittfolgen zu Colors von der gleichen Band. An sich sollte die Show nicht so lange dauern, aber nun habe ich halt zwei Lieder getanzt, was normalerweise mit Pausen dazwischen gemacht werden sollte. Mit einem exzellenten Spagat und dem Strudelmuster um mich herum durch das Gymnastikband, habe ich Schluss gemacht. Den Ärger von der Blondine kann ich regelrecht spüren, aber für mich ist der Applaus meiner Mitschüler, der Lehrkraft sowie dem Direktor viel mehr an Aufmerksamkeit wert. Leichtfüßig stelle ich mich hin und verbeuge mich, wie es sich gehört. Anstrengend war es trotzdem und ich fühle mich geschafft für heute. „Mademoiselle Fleur, es freut mich, dass Sie…, nein, Shirado, es freut mich sehr, dass du dich dermaßen anstrengst und nicht die Zeit mit anderen Dingen vergeudest. Du darfst weiterhin diesen Raum nutzen, wenn du deine Gymnastikstunden hast. Und nun lasse ich euch alle wieder alleine.“ Endlich nennt er mich auch beim Vornamen wie die anderen hier. Es geht doch. Marinette und Alya überfallen mich und wir fallen gemeinsam lachend hin. Schon wieder hilft mir Adrien hoch – was ihn charmant macht – und bedankt sich für diesen Tanz. Bis auf Chloé werde ich von den anderen umringt und sie wollen wissen, wie ich das in nur vier Wochen geschafft habe. „Dies erzähle ich euch gerne ein anderes Mal, wenn wir die Zeit dafür haben. Wer hat alles aufgenommen?“ Nino hebt die Hand und ich ringe ihm das Versprechen ab nichts davon ins Internet zu stellen, weil Vater sonst gegen ihn klagen würde – und dabei ist er zu erfolgreich. Nur wenn er es erlaubt und mich gefragt hat, wird irgendwas veröffentlicht von mir – da ist er sehr penibel bei und ich ebenso. Nachdem ich also mehr Ruhe habe, kann ich mich umziehen und die CD sicher verstauen, um sie nachher wieder in meine Sammlung einzufügen. Ricardo wartet auf mich und ich entschuldige mich für meine Verspätung, während ich ihm alles brühwarm und fröhlich erzähle – auch die Stelle mit dem Störversuch von Chloé. „War sicherlich eine gelungene Aufführung. Gerne wäre ich dabei gewesen.“ „Ach, Ricardo, das kannst du beim nächsten Mal. Außerdem hat Nino alles auf Video gespeichert und ja, er weiß Bescheid. Wir müssen mit Felix noch einkaufen fahren und Joel braucht noch die Information, dass ich Besuch erhalte übermorgen.“ „Man merkt, dass du aufgeregt bist.“ „Ach ja, hast du meine Bastelsachen mit?“ „Natürlich, aber mir ist nicht klar, weswegen du ein Abbild deiner Einladungskarten haben wolltest.“ Dies wird er schon sehen. Ich schreibe den gleichen Text wie bei den anderen Karten und lade Nino zusätzlich ein, denn ich kann argumentieren, dass Adrien sich zwischen uns Mädchen einsam fühlen würde, falls Vater fragt. Irgendwie ist es zu einem Hobby geworden Schlupflöcher bei seinen Vorschriften zu finden. Ein Glück erwische ich Nino noch und Ricardo kann sogar meinen Auftritt angucken, bei dem ich einige Fehler in meiner Performance entdecke. Schade, aber mit ein bisschen mehr Tanzübungen würde ich es besser schaffen. Ob ich das ebenfalls in meiner Gymnastikstunde machen darf liegt noch nicht fest. Jedenfalls freut der Junge sich und sagt ebenfalls sofort zu – womit drei Zusagen feststehen. Auf dieses Treffen freue ich mich sehr. Heute ist es soweit. Meine ersten Freunde in Paris kommen. Die Aufregung in mir hat einen erhöhten Maßstab erreicht und mir ist richtig heiß, weshalb mein Fächer im Dauereinsatz von mir benutzt wird. „Willst du jedem Ventilator Konkurrenz machen?“ „Haha, echt witzig, Ricardo. Mir ist heiß. Außerdem musst du noch mit Felix los, um meine Gäste abzuholen.“ Er lacht nochmals und fährt mit dem Fahrstuhl runter. Vielleicht sollte ich noch die Zeit nutzen, um Joel zu helfen. Der schickt mich jedoch weg, weil ich mich beruhigen soll, da ich sogar panisch aussehe. Wenn dem so ist, sollte ich vielleicht extra duschen gehen. Wasser beruhigt mich sowieso, weswegen ich diesen Gedanken auch umsetze. Nach der Dusche geht es mir wirklich besser und den Fächer kann ich wegpacken. Natürlich trage ich einen Kimono, wenn ich meine Gäste empfange. Immerhin bin ich als Gastgeber verpflichtet gut auszusehen, wenn ich schon eine kleine Einweihungsparty veranstalte. Das Abendessen ist soweit fertig und einige Snacks für danach habe ich in meinem Zimmer auf dem Tisch stehen. Falls sie Probleme mit den Sitzkissen um den Tisch herum haben, sollte ich vielleicht einen mit höheren Beinen aussuchen. Was mache ich mir überhaupt jetzt schon Gedanken darüber? Noch ist alles soweit in Ordnung, also sollte ich anfangen den Abend zu genießen. …jetzt verstehe ich Ricardo. Kurz atme ich kontrolliert ein und aus, um meinen Körper ruhiger zu halten, bis ich den Fahrstuhl höre. Geschwind bin ich im Eingangsbereich von unserem Penthaus und ich begrüße alle herzlich mit einer Verbeugung zu diesem Abend. „Hätten wir uns auch schick machen sollen?“ „Nein, nein, Nino. Ich habe hier in Paris weniger die Chance meine Lieblingskleidung zu tragen, weshalb ich jede Gelegenheit nutze, die ich kriegen kann. Kommt erstmal rein und ich führe euch ein bisschen herum. Nach dem Abendessen habe ich mir gedacht, können wir den Abend in meinem Zimmer ausklingen lassen.“ Auch wenn Adrien ein bisschen schon kennt, hat er alle Räume noch nicht gesehen. Zuerst zeige ich ihnen das Badezimmer, wo sie ebenfalls auf Toilette können. Zur Not haben wir noch ein kleineres in petto, denn es kann sein, dass mehrere auf einmal müssen. Das große Ess- und Wohnzimmer kommt sofort danach, sodass man von dort aus zu den restlichen Räumen gelangen kann – wie auch zu dem unteren Stockwerkbalkon – den oberen kann man erreichen, wenn man die Treppe in diesem Bereich hochsteigt und die Schlafzimmer betritt. Jedenfalls zeige ich die große Küche, wo Joel sie begrüßt und ankündigt, dass es in zehn Minuten losgeht, weswegen ich noch eben die Balkontür öffne, sodass wir Paris überblicken können. „Wow, man kann wirklich fast alles sehen von hier oben.“ Alya gebe ich Recht, denn man sieht echt viel von Paris. Der obere Balkon ist gut, um Sterne zu beobachten, weil die Lichter von der Stadt von unten selten bis nach hier oben komplett strahlen. Joel ruft uns und wir können an den gedeckten Tisch gehen, wo drei Gedecke fehlen, weshalb ich mich dahingehend bei meinem Kellner erkundige. „Wir drei möchten euch keineswegs stören und essen in der Küche. Genießt ihr lieber die Zeit gemeinsam.“ Irgendwie fühle ich mich schlecht, denn ich hatte eher die Intention, dass wir alle – endlich – gemeinsam essen würden. Immer müssen die drei außerhalb essen und nun könnten sie es, möchten aber nicht stören. Mein Nachhilfelehrer erklärt mir, dass es hier so Brauch ist, dass Bedienstete nicht den gleichen Tisch besetzen, wie ihre Arbeitgeber. In Japan ist es auch so, wenn ich zurückdenke. Ich finde es einfach schade. Meine bedrückte Stimmung würde aber die Atmosphäre, die angenehm ist, stören, also reiße ich mich zusammen und nicke Adrien dankend zu, bevor das Essen losgehen kann – traditionell japanisch natürlich. Dass man das Essen auch lustig gestalten kann ist mir neu, allerdings habe ich zuvor noch nie so herzhaft gelacht, wie bei diesem Abendessen. Joel hat sich sehr viel Mühe gegeben und ihm wären beinahe drei Missgeschicke passiert, doch wir haben ebenfalls reagiert, sodass nichts passiert ist. „Oh man, bin ich voll.“ Ninos Aussage bringt uns zum Kichern, weil er sie mit dem Streicheln seines gefüllten Bauches unterstreicht. Die Neugier um die oberen Räume hält sich jetzt keineswegs mehr in Grenzen und ich führe sie weiter durch das Penthaus. Vaters Räume darf ich nicht betreten, außer sein Schlafzimmer, doch ist dieses weniger interessant für die vier. Somit zeige ich noch unser Musikzimmer mit dem großen Klavier und weiteren Instrumenten, bis wir an meinem Zimmer angekommen sind. Adrien kennt es schon, aber die anderen nicht und die schauen sich genauso geschockt die antiken europäischen Möbel an, die zwischen den modernen stehen. „Vater hat mein Zimmer eingerichtet. Ich hoffe, dass ich bald die antiken gegen moderne Möbel austauschen kann, weil ich Angst habe sie zu stark zu belasten.“ Bei dem Alter können die lieber an ein Museum gespendet werden. Auf meine Musiksammlung bin ich allerdings sehr stolz, genauso wie meine kleine Bibliothek in einer Ecke des Zimmers. „Ich kann immer noch nicht verstehen wie man im 21. Jahrhundert ohne Computer und Fernseher auskommen kann. Ohne meinen Ladyblog und mein Handy wäre ich am Ende.“ „Du würdest eher ein neues Hobby suchen.“ „Stimmt auch wieder, Marinette.“ Wir lachen und ich biete allen an sich umzusehen oder auch Platz zu nehmen. Neben Tee habe ich auch Softdrinks zu den Snacks gekauft. Keine Ahnung, was sie lieber trinken möchten. Nino und Adrien schauen sich meine Musiksammlung an, während Marinette und Alya zu dem oberen Bereich meines Zimmers wandern, um dort auf den Balkon zu gehen. Sie alle finden mich nicht zu verschroben oder weltfremd – so ist zumindest mein Eindruck von ihnen. Indes setze ich mich an den Tisch und schenke mir grünen Tee in einen Teebecher ein, damit er ein bisschen kälter wird. „Hey, Shirado, diese Angel Flower sieht dir recht ähnlich.“ Müssen die beiden gerade die CDs mit meinem Künstlernamen entdecken? Adrien schaltet schneller als Nino, denn er lächelt wissend. „Die beiden sehen nicht nur ähnlich aus – sie sind die gleiche Person.“ „Ja, ich bekenne mich schuldig – das bin ich mit zehn Jahren gewesen. Darunter ist noch eine CD mit elf Jahren – mit 14 Jahren habe ich schon mein Abschlusskonzert gegeben. Die ganzen Alben solltest du in meiner Sammlung finden, aber bitte hängt das nicht an die große Glocke.“ Berühmt zu sein ist ätzend und ich möchte es weitestgehend vermeiden. Zwar mag ich es zu singen und meinen Fans Lieder und Gefühle näherzubringen, aber der Stress rundherum ist die Hölle. Ohne Yoga hätte ich wohl auch Drogen genommen, wie viele in der Branche. Wie dem auch sei, sie möchten unbedingt mich hören, was ich seufzend zustimmend abnicke. Der Musikfan holt die beiden Mädchen rein und Adrien sieht mich aufmunternd an. Er kann es verstehen, was es heißt, berühmt zu sein. „Wirklich?! Du warst ein Superstar?!“ War klar, dass die beiden das mehr an die große Glocke hängen. „Ja, war ich, weil ich dadurch mehr Sicherheit in Anspruch nehmen konnte, hat Vater dies arrangiert und ich mochte es schon, irgendwie, doch auf der anderen Seite vermisse ich den ganzen Stress keineswegs. Welches Album möchtet ihr denn hören?“ „Das erste!“ „Das zweite!“ „Das dritte!“ „Das vierte!“ Bei den verschiedenen Ausrufen muss ich kichern, weil sie somit fast alle Alben aufgezählt haben. „Fangen wir doch mit dem ersten Album an und schauen, wie weit wir heute Abend noch kommen.“ Mein Vorschlag erhält Zustimmung und ich lege die erste CD in die Musikanlage. Wir sitzen nun um den kleinen Tisch herum und ich darf zu jedem Lied eine kleine Erklärung abgeben wie auch zu mir selbst. Im Groben berichte ich also von meinem Leben in Japan und dass es hier schon ein bisschen anders zugeht. Zwei verschiedene Kulturen, wobei ich bisher nur die asiatische kennengelernt habe. Zu sehr möchte ich nicht ins Detail gehen und bin froh, dass sie nicht nachbohren. Zu meiner Überraschung erfahre ich auch viel von ihnen und wie sie sich alle kennengelernt haben. Meistens sorgt Marinette dafür, wegen ihrer tollpatschigen Art, was wahrlich erheiternd klingt. „Jetzt fehlt nur noch ein Freundschaftsfoto von uns.“ „Es ist zwar spät, aber vielleicht kann Ricardo noch einen Fotografen auftreiben.“ Wie Alya sonst uns alle auf ein Bild bekommen möchte, ist mir sonst ein Rätsel. „Du machst das viel zu kompliziert, Shirado. Wir rücken einfach näher zusammen und dann passt das schon. Es muss nicht perfekt sein, sondern uns als Freunde darstellen.“ Wenn sie meint. In meinen Augen wäre ein Fotograf für professionelle Fotos die einfachere Methode, aber hier geht es anscheinend nur um eine Momentaufnahme. Adrien und Marinette setzen sich jeweils links und rechts von mir hin, während Nino und Alya sich hinter uns knien und das Handy von ihr uns entgegensieht. „Lächeln bitte!“ Es folgen ein paar Fotos, die sie sich sofort ansieht. „Uh~, Shirado und Adrien, ihr seht so eng beieinander süß aus.“ Peinlich berührt werde ich rot und schaue auf den Boden. „Ärgere beide nicht zu sehr, Alya.“ Anscheinend ist der Blonde auch rot geworden, sonst würde Marinette uns nicht gemeinsam in Schutz nehmen. Wäre es angebracht zu sagen, dass ich ebenfalls ein Junge bin? Unsicher bin ich mir schon dabei, denn es kann sein, dass sie mich dann nicht mehr um sich haben wollen. „Ist gut. Aber eines wundert mich – du hast keine mädchenhaften Sachen in deiner Sammlung. Keine Poster von Boybands oder Schauspielern. Wie kommt das, Shirado?“ „Du könntest Enthüllungsreporterin werden. Zeit für ganz normale Tätigkeiten eines Jugendlichen habe ich bisher noch nicht gehabt und Vater hat besonders Jungen auf dem Kieker – warum auch immer, weshalb ich nicht viel Zeit außerhalb verbringen konnte, um mich mit den ganzen Themen zu beschäftigen, die Jugendliche halt beschäftigen. Zudem muss ich mich bedeckt halten…“ Die Stimmung drücke ich schon wieder und ich schüttle kurz meinen Kopf, um wieder lächelnd die anderen anzusehen. „Wisst ihr was? Gerade euch gegenüber möchte ich keine Geheimnisse bewahren. Ähm…, ich bin nämlich nicht die, als die ich mich ausgebe, sondern ein Junge.“ Dass ich ein paar Lacher ernte – die Nervosität ausstrahlen – kann ich ihnen keineswegs verdenken. Es war doch eine blöde Idee. Der Zeitpunkt war viel zu früh und ich war froh, endlich mal überhaupt viel mehr soziale Kontakte aufgebaut zu haben, als früher in Japan. „Dein lächelndes Gesicht mag ich lieber, Shirado. Es ist doch egal, ob du nun ein Mädchen oder ein Junge bist – du bist einzigartig und ich glaube, dass wir dich nicht anders behandeln werden.“ „Na ja, außer Adrien vielleicht, denn der hat wohl gerade einen Kurzschluss im Kopf erhalten.“ Marinette hat solch liebe Worte für mich gefunden und Nino versucht wohl ein bisschen zu scherzen, doch dass Adrien anscheinend in einer Art Schockstarre zu sein scheint, macht mir doch eher zu schaffen. „Ihn mal so zu erleben ist mir neu. Davon mache ich gleich ein Foto.“ Der Lichtblitz von Alyas Handykamera erweckt ihn, denn er zuckt kurz zusammen und blinzelt mehrmals, bevor er uns ansieht. „Äh…, wo waren wir stehengeblieben?“ „Bei Shirados Enthüllung und dass wir ihn deswegen keineswegs anders behandeln wollen, Kumpel.“ „Genau. Die Enthüllung. Gute Idee. So machen wir es.“ Ihn hat es echt geschockt. Erneut zweifle ich daran, ob es zu diesem Zeitpunkt eine gute Idee war, aber es hat mich auch ein Stück weit erleichtert. Vor allen jemanden darzustellen, der man – auch wenn es nur das Geschlecht ist – nicht ist, belastet sehr. „Da das nun geklärt ist, zeige ich euch mal Adrien total versteinert. Einen Anblick, den wir sicherlich nicht so schnell wiedersehen werden.“ Sie zeigt das Foto uns und ich muss mit ihnen kichern, denn er sieht schon lustig aus, wenn er aus der Fassung gebracht wurde. Trotz allem war es noch ein restlicher schöner Abend und ich bin froh über meine Entscheidung. Vater wird davon weniger begeistert sein, sollte er davon erfahren, aber er erklärt mir den genauen Grund für diese Schauspielerei nicht, also will ich die Zügel in die Hand nehmen und mich selbst präsentieren. Mutters Aussehen mag ich größtenteils geerbt haben, aber dies bedeutet nicht, dass ich mich deswegen verstellen muss – zumindest nicht vor meinen Freunden. Zusätzlich habe ich mit den anderen Handynummern ausgetauscht und nun habe ich noch mehr Leute in meiner Kontaktliste. Mit Madame Bustier gehen wir heute in eine Stadtbibliothek, die eine ganz eigene Geschichte hat, wie sie uns schon im Unterricht erklärte. Ricardo ist bei diesem Ausflug ebenfalls mit dabei, bleibt jedoch beim Eingang stehen – ich frage mich bloß warum. Was für einen Sinn hat es, dass er mitkommt und trotzdem im Eingang stehen bleibt? Verstehe einer die Welt der Erwachsenen – ich komme darin schlecht zurecht. Wir treffen hier einen älteren Mann mit seinem Sohn, die wohl diese Bibliothek leiten und erzählen uns, dass einige Exemplare mehrere hundert Jahre alt sind. „Was soll man denn mit solch alten Büchern anfangen? Heute kann man alles im Internet lesen – da braucht man diesen Müll nicht mehr.“ „Für dich mag es Müll sein, Chloé, aber für viele Menschen bedeutet ein Buch viel mehr. Die Seele des Autors, die Gefühle, die dieser mit eingeflossen hat – das kannst du im Internet nicht erfassen. Im Schweiße des Autors wurden Wunderwerke erschaffen, die die Zeit überdauert haben und noch immer existieren. Es sind kulturelle Schätze, die es wert sind aufbewahrt zu werden.“ „Bla, bla, bla, wir haben verstanden, dass du ein Nerd bist, der noch in der Steinzeit lebt. Vorträge brauchen wir nicht von dir. Außerdem wäre ein großes Einkaufszentrum viel besser auf diesem Standort angebracht.“ Die hat doch einen Knall. Ein historisches Gebäude mit einem Schandfleck des Kapitalismus zu ersetzen grenzt an purer Idiotie. Woanders hätte ich nichts dagegen, aber nicht auf diesem Boden. Sie und ich haben wieder ein giftiges Blickduell, was von unserer Lehrerin unterbrochen wird. „Es reicht, ihr zwei. Verzeihen Sie die Störung. Wir teilen uns nun in drei Gruppen auf. Monsieur Deimer und sein Sohn sowie ich haben eine kleine Schnitzeljagd für euch vorbereitet. Schafft ihr es alleine euch aufzuteilen?“ Wir sind 19 insgesamt, also wird eine Gruppe aus sieben Personen bestehen müssen. Die Entscheidung fällt mir persönlich leicht, denn ich lade Nathaniel zu uns ein. Bei dem, was letztens passiert ist, finde ich es besser, dass er keineswegs ausgegrenzt wird. Zudem mag er Marinette sehr und ich will ihm ein bisschen unter die Arme greifen – wenn sie denn ebenfalls möchte. Da wir noch aus einer anderen Klasse welche dabeihaben, die den Ausflug während ihres Klassentermins nicht annehmen konnten, dauert die Aufteilung noch ein bisschen. Wir bekommen Monsieur Deimer, da wir zuerst fertig sind mit der Gruppenzusammenstellung. Sein Sohn hat Chloé am Hals, was mir Mitleid für ihn auffahren lässt – und dies in hohen Maße. „Ich weiß, was du vorhast.“ Verwundert sehe ich Alya an, denn ich dachte, dass ich keineswegs so leicht zu durchschauen wäre – nach so vielen Jahren der Übung. „Und was meinst du?“ „Dass ich es in Ordnung finde. Adrien hat sie nämlich abgewiesen und deswegen wäre es gar nicht so verkehrt.“ Davon höre ich zum ersten Mal. Deswegen waren die beiden in den letzten Wochen merkwürdig zueinander, doch hat es sich wohl eingependelt, was mich freut. Noch hoffe ich darauf, dass der Blonde mir gegenüber wieder offener wird, wie am Anfang. Direkten Blickkontakt meidet er nämlich hartnäckig, verhält sich allerdings sonst wie immer. Wenn ich nur wüsste, wie ich ihm helfen könnte, damit es zwischen uns. Gemeinsam werden wir an die Regeln innerhalb der Bibliothek erinnert und teilen uns dann zu den verschiedenen Startpunkten auf. „Monsieur Deimer, ich wüsste gerne wie alt das älteste Buch in dieser Bibliothek ist. Können Sie uns das sagen oder ist das ein Geheimnis?“ „Hoho, Sie sind sehr wissbegierig, Mademoiselle. Nehmen wir es mal genau – niemand weiß es. Die ältesten Listen, die wir in den Archiven haben, sind von 1298, aber die Bibliothek existierte davor schon und gehört zu dem Pariser Bibliotheksbund. Von daher kann es sein, dass das älteste Buch von Paris in einer der anderen Bibliotheken verwahrt wird. Hier bei uns haben wir sogar gut verwahrtes altes Papyrus aus Ägypten und Schriftrollen aus Bambuspapier asiatischer Herkunft. Somit können Sie sicherlich selber rechnen, wie alt manche Schriftstücke sind.“ Würde er mich kennen, dann wüsste er, dass ich eine Null in Mathematik bin – selbst bei solch leichten Aufgaben. „Kann man diese angucken?“ Dass es mehrere Jahrtausende sind, ist mir schon klar, aber die genaue Zahl kommt bei mir nicht in die Tüte. Dafür bräuchte ich sicherlich Stunden, um sowieso das falsche Ergebnis abzuliefern. Lieber lese und entdecke ich hier. „Selbstverständlich nicht. Wie Sie am Anfang schon gesagt haben, ist alles hier kostbares Gut. Was die Besucher in die Hände nehmen dürfen sind alles Abschriften, Mademoiselle. Manche Schriftrollen haben wir sogar eingerahmt und unter dickem Glas gesichert, damit sie weiterhin existieren können. Es wäre nicht auszudenken, wenn diese Schätze für immer verloren wären.“ Verstehen und sogar nachvollziehen kann ich es, denn solche Schriften findet man nicht mal eben auf dem Flohmarkt nebenan. Sie haben unzählige Jahre überdauert und sollten noch viele weitere andere Menschen erfreuen und zum Rätseln einladen. Wir sind an unserem Startpunkt angekommen, denn Monsieur Deimer bleibt stehen. „Hier ist euer Starträtsel: In mir vereint ist die Einfachheit. Nur erkennen braucht man mich, um zu verstehen, welche Bedeutung es gibt.“ Was könnte dies bloß bedeuten? Macht man bei Schnitzeljagden überhaupt Rätsel? Genaugenommen habe ich nämlich keine Ahnung davon. „Falls ihr Fragen habt, könnt ihr mir diese stellen, aber ich gebe nur Ja oder Nein als Antwort.“ Somit bleiben uns die Suggestivfragen übrig. Jedoch kann man mit denen viel erreichen. Nathaniel ist genial, denn er hat einfach aufgeschrieben, wie das Rätsel lautet. Dieses haben wir somit visuell vor uns. Leichter wird es trotzdem kein Stück. Nach mehreren Antworten geraten wir als Gruppe wieder ins Grübeln. „Da Sie asiatische Schriftstücke aufbewahren, gibt es dort auch japanische Schriftrollen?“ „Ja, Mademoiselle, die gibt es.“ „Kann es sein, dass Sie mit dem Rätsel auf das Kanji deuten?“ „Korrekt, Mademoiselle. Eine Art vom Kanji dient der Vereinfachung durch zusammenführen zweier Zeichen, um eine neue Bedeutung zu ergeben. Diese Art der Schriftsprache nennt man Logogramme.“ Mehr sagt er uns nicht, jedoch sollen wir wohl dorthin gehen, wo wir japanische Kanji finden. Am einfachsten wäre eine aushängende Schriftrolle, um das Kanji zu erkennen, denn durch alle Bücher durchzuschauen wäre sehr zeitaufwändig. „Wir teilen uns in der japanischen Abteilung auf. Marinette und Nathaniel – ihr durchsucht die linke Reihe, Adrien und Shirado, ihr zwei guckt euch die aushängenden Schriftrollen an, während Nino und ich die rechte Reihe nach einem Hinweis durchstöbern.“ Alya mimt mal eben die Anführerin unserer Gruppe und hat klare Vorstellungen wer mit wem herumgehen soll. Dass wir gleich um die Ecke nur müssen, war wohl nicht ihr Ansinnen, weshalb wir uns früh aufteilen müssen. Ruhig gehen der Blonde und ich in den Ausstellungsraum der japanischen Abteilung. Der Raum ist zwar nicht riesig, doch reicht er sicherlich aus, um einen das Gefühl zu vermitteln, wie klein man in Bezug auf die weitläufige Geschichte der Menschheit wirklich ist. In diesem Moment kommt in mir jedoch der Wunsch hoch, dass ich mit Adrien nicht über die Schnitzeljagd reden soll, sondern wegen der unsichtbaren Wand, die uns zu trennen scheint seitdem er von mir die Wahrheit erfahren hat. Leider weiß ich nicht, wie man solch ein Gespräch beginnt, da ich es bisher nicht geführt habe. Vater war es bisher immer, der die Menschen in meiner Umgebung entweder aufgeklärt hat oder nicht. Alles steht in seinem Ermessen und ich habe bei meinem ersten Mal sicherlich einen großen Fehler mit der plötzlichen Offenbarung gemacht. Mut sammle ich mir an, um ihn anzusprechen, aber er ist schon längst dabei einen Hinweis zu suchen, während ich die ganze Zeit wohl dumm in der Gegend gestanden und Löcher in den Boden gestarrt habe. Somit muss ich das Gespräch und den Mut zurücksetzen auf einen späteren Zeitpunkt. Da er die rechte Seite genommen hat, fange ich links an und suche sie ab. Nebenbei lese ich die Schriftrollen, wenn ich einen Blick auf diese erhaschen und den alten Text verstehen kann. Bei einer riesigen Schriftrolle an der Wand bleibe ich hängen, denn ich denke, dass ich mich verlesen habe. Wieso sollten Cat Noir und Ladybug auf dieser stehen? Einige weitere Namen stehen hier, aber ich kann mit denen nichts anfangen. Es heißt jedoch, dass diese damals viele Menschen vor Oni gerettet hätten. Interessant finde ich das schon. Wie kann es jedoch sein, dass Cat Noir und Ladybug heute noch existieren und wie Jugendliche aussehen? Hier stehen auch noch weitere sogenannte Kwami. Vier davon sollen in einer Person vereint gewesen sein, denn dadurch haben sie ein Siegel erschaffen, welches Japan vor weiteren Attacken aus der Unterwelt schützen sollte. Allerdings gibt es im Bereich des Tigers ein weiteres, welches noch offen ist und Bosheit aussendet. Ein Nachfahre des Siegelgebers wird es finden und somit schaffen das Böse zu bannen. Klingt irgendwie nach zu viel Stress – wer will das denn schon machen? Ladybug und Cat Noir werden nochmals erwähnt. Ein Zusammenhang besteht definitiv. „Was schaust du dir denn solange an? Hast du den Hinweis schon gefunden?“ Ich erschrecke mich fürchterlich und verliere dadurch mein Gleichgewicht. Anstatt jedoch gegen eine der Vitrinen zu stoßen, werde ich festgehalten und schaue in die grünen Augen von Adrien. „Woho, ganz ruhig, Kleines, ich bin es doch nur.“ Seit Wochen ist es das erste Mal, dass Adrien mir direkt in die Augen oder eher ins Gesicht sieht. Dieser Moment fühlt sich gerade richtig, schön und traurig zugleich an, sodass ich beginne zu weinen. Bei diesem Gefühlsausbruch umarme ich ihn stürmisch und er tätschelt mir den Haarschopf dabei. „Ich dachte…, ich dachte, du willst… nichts mehr wirklich mit… mir zu tun haben.“ Sonst habe ich solche Gefühlsausbrüche nur bei Vater bisher erhalten, wenn mir eine Sache zu viel geworden war. Dass gerade er mich dabei sieht, finde ich zwar peinlich, aber diese Distanz war einfach schrecklich. „Nein, Shirado. Ich…, nun, wusste nicht wie ich damit umgehen sollte. Man erfährt halt nicht jeden Tag, dass ein Mädchen, mit dem du dich gerne triffst in Wirklichkeit ein Junge ist – wenn auch mit femininen Zügen. Vor einigen Tagen wurde mir aber klar, dass es keinen Unterschied macht, denn ich mag dich als Person. Um ehrlich zu sein wollte ich vorhin den Mut aufbringen dich darauf anzusprechen, jedoch warst du tief in Gedanken versunken, dass ich mich dagegen entschieden habe. Doch es ist jetzt egal.“ Ich nicke auf seine Worte hin nur und bin froh, dass wir wieder eine gemeinsame Ebene erreicht haben. Für mich ist die Welt wieder in Ordnung und ich wische mir meine restlichen Tränen weg, nachdem ich die Umarmung aufgelöst habe. Weil er lächelt tue ich es ihm gleich. Ein Lichtblitz lässt uns zu dem Ursprung sehen und es ist Alya. „Na endlich. Marinette und Nathaniel haben den nächsten Hinweis gefunden – kommt schon!“ Wir folgen ihr und ich merke mir, dass ich hier auf jeden Fall zurückkommen sollte. Diese Geschichte hat mich wirklich interessiert, zumal ich alles lesen konnte. Bei den anderen der Gruppe angekommen, beginnt Marinette das nächste Rätsel vorzulesen. „Bedrückte Melancholie, eine rachsüchtige Person, die dennoch ihr Ziel nicht erreichen wird. Was soll das denn für ein Rätsel sein?“ „Es ist nur ein Hinweis, Mademoiselle.“ Es sind also nicht immer Rätsel? Eine Schnitzeljagd ist doch anders, als ich sie mir vorgestellt habe. Viel Wissen darüber besitze ich keineswegs in meiner Sammlung. „Es ist Kapitän Ahab aus Moby Dick. Er schafft es nicht seine Rache durchzuführen und wird von dem Wal in die Tiefe gerissen.“ „Richtig, Monsieur.“ Diesen Roman habe ich nicht gelesen, denn ich verabscheue den Walfang sowieso. Wir müssen zu einer anderen Abteilung gehen, weil es amerikanische Literatur ist, die wir suchen. Bis wir Moby Dick gefunden haben, dauert es ebenfalls ein paar Minuten und in dem Buch gibt es den nächsten Hinweis in Form eines Zettels zu finden, den Nathaniel vorliest. „Ich bin die Person, die von Gott persönlich den Auftrag erhalten hat, Frankreich vor Ungläubigen zu schützen. Wer bin ich?“ Sparsam mit möglichen Tipps sind diese Rätsel schon. Madame Bustier und die beiden Monsieur Deimer scheinen sich wahrlich Gedanken gemacht zu haben. „Jeanne d’Arc fällt mir dazu nur ein.“ Mit ein bisschen Wissen kann ich auftrumpfen, was nicht nur japanischer Herkunft ist. „Erneut korrekt, Mademoiselle.“ Im Moment haben wir einen Lauf, denn es klappt ausgezeichnet. Jedoch müssen wir immer weit gehen, um die nächste Abteilung zu erreichen. Gehört wohl auch zu einer Schnitzeljagd dazu. In den Büchern allerdings ihren Namen zu finden ist schwieriger, bis Nino den nächsten Hinweis in seinen Händen hält. „Von dreidimensionalen Dreiecken und einer langen Zeitepoche…“ Mehr nicht? Langsam glaube ich, dass es Stück für Stück schwieriger wird. Eine schlaue Strategie, aber es ist anstrengend, wenn man von A nach B, nach C bis G im flotten Tempo geht und dann bei V landet. Wo liegt da der Sinn drin versteckt? Vielleicht müssen wir noch mehr finden? Immerhin kann es sein, dass sie auf die Idee gekommen sind, Hinweise zu teilen. Kurzerhand suche ich weiter und finde noch einen kleinen Zettel. „…in der eine Person über alles herrscht…“ „…und die Götter mit ihr in regem Austausch waren.“ Alya hat den letzten Abschnitt wohl gefunden und jetzt wird es klarer, dass es sich um das alte Ägypten handelt. Bibliotheksweltreise Nummer Drei wäre also angesagt. Hinsichtlich einer Sache bin ich mir sicher – die Ägypter waren großartige Baumeister damals. Alles überwältigt einen regelrecht, denn wir haben in diesem Raum nur Steintafeln, auf denen die Hieroglyphen zu erkennen sind und einige Bilder. Altägyptisch kann ich kein Stück, also wird es sich wohl allein auf die Suche bei mir beschränken. Unsere Aufteilung bleibt die gleiche wie vorhin und es kommt mir ziemlich schräg vor, dass wir hinter all dem verglasten Zeug irgendwas finden sollen, was uns helfen wird. Bei einem Brocken finde ich sogar eine Stelle, in der Cat Noir eingemeißelt wurde – als ob es ihn wirklich schon in dieser Zeit gegeben hätte – klar. Langsam sollte ich mich fragen, ob ich verrückt werde. Gelegentlich stellt sich sicherlich jede Person diese Frage. Ein Glück findet Adrien den nächsten Hinweis. „Sanfte Melodien – getragen von Molekülen – empfangen durch Herzen.“ Kami so helft doch! Diese Hinweise werden immer verrückter und geben zu wenig preis. Am liebsten will man einfach was weiß ich machen. „Musik. Das ist doch einfach.“ „Nicht direkt, Nino, denn es ist keine Musik so, wie wir sie kennen, da sie von Molekülen getragen wird. Wäre es für unseren Musikgeschmack, würde man den Schall wählen – somit eher den unsichtbaren Träger.“ „Du musst es wissen. Was könnte es noch sein?“ Grübeln und nachdenken bringt uns auch nicht auf einen Nenner und die Fragen an Monsieur Deimer helfen wenig. Einfacher wäre es, wenn wir es bildlich vor uns hätten, jedoch wäre dies ebenfalls subjektiv zu sehen. „Nathaniel wärst du so lieb und zeichnest einfach mehrere Sachen auf, die dir zu diesen Satzteilen einfallen?“ „Weswegen soll er das denn machen?“ „Manchmal, Marinette, hilft es, etwas als Bild vor sich zu haben und solch ein begnadeter Zeichner wie er wäre mit seiner hohen Fantasie bestens dafür geeignet uns neue Einblicke zu geben.“ Dies leuchtet ihr ein und wir warten gespannt, was er auf die Schnelle zeichnen kann. Obwohl es flotte Zeichnungen sind, sehen sie trotzdem wunderbar aus, sodass man sie gerne behalten möchte. Nach vierzehn Zeichnungen stoppt er. Mehr erhalten wir wohl nicht und wir schauen, was wir nutzen können. Einiges legen wir zusammen, jedoch trifft dies nicht das, was Monsieur Deimer hören möchte. „Ich hab’s! Es sind Wale, die ihre Melodien durch das Meerwasser senden, um mit ihren Artgenossen zu kommunizieren!“ Marinette haut das freudig raus und es ist sogar richtig. Wale habe ich ausgeschlossen, da wir schon Moby Dick hatten, aber gut, dass ich nicht alleine rätseln muss, denn sonst wäre ich noch länger hier steckengeblieben. Unser Ziel wäre somit die Meeresbiologieabteilung. Hier dreht sich erneut alles um Wale und wir finden den nächsten Hinweis, den ich dieses Mal vorlesen darf. „Euer Ziel ist zum Greifen nah!“ Witzig. Ernsthaft jetzt? Was sollen wir damit anfangen? Müssen wir etwa die ganze Abteilung durchforsten, um herauszufinden, was unser Ziel ist? Verstehe einer wer will, dass die drei sich was dabei gedacht haben – ich kapiere gar nichts. Verschiedene Vorschläge treffen nicht auf das Zugeständnis von unserem Begleiter, sodass wir tiefer in unsere Gedanken gehen. Alya hat den rettenden Einfall, da sie um die Ecke gedacht hat. Dem Himmel zum Greifen nah ist mir vollkommen unbekannt als Spruch, aber der Gedankengang weckt das Interesse von Monsieur Deimer, sodass sie sagt, dass wir auf das Dach müssen. Er nickt tatsächlich zu dem ausgesprochenen Gedankengang von ihr und wir gehen die ganzen Treppen bis zum Dach hinauf, welches abgeflacht ist und wir somit einen Tisch vorfinden, mit drei Stühlen. Auf den ersten von ihnen setzt sich Monsieur Deimer und lächelt uns an. „Wollt ihr euch nicht eintragen, um bestanden zu haben?“ Ihn verstehen wir erst nicht, aber wir bemerken das Klemmbrett und sollen wohl unsere Namen eintragen. Als wir das getan haben beglückwünscht er uns zu einer Eins, die wir von Madame Bustier erhalten werden. Wow, es war also eine Art Test. Darauf wäre ich keineswegs gekommen, aber es hat schon Spaß gemacht. Selbstverständlich freuen wir uns alle darüber und können uns ausruhen. Einige Minuten später kommt die Gruppe mit Madame Bustier an, die eine Zwei als Note erhalten. Anscheinend gilt Schnelligkeit ebenfalls. Die letzte Gruppe taucht aber selbst nach einer Stunde nicht auf, was die beiden Erwachsenen dazu bringt nach ihnen zu suchen und uns zu sagen, dass wir keineswegs von hier weg sollen. Denken die etwa, dass irgendwas passiert ist? Es dauert recht lange, doch dann hören wir metallene Geräusche, die von dem Treppenhaus stammen, welches uns am nächsten ist. Die Tür wird mit Schwung geöffnet und wir können Piraten erkennen, die sofort von der Tür eine zurückbekommen, weil es eine Brandschutztür ist. Würden uns die Erwachsenen es verübeln, wenn wir die andere Seite zur Flucht nutzen? Ich bin der Meinung, dass die es den Umständen entsprechend in Ordnung finden. In hoher Eile rennen wir zu der anderen Seite vom Dach und da die Treppen runter. Adrien und Nino nehmen den Feuerlöscher von hier und verbarrikadieren die Tür ein wenig, sodass wir mehr Zeit haben. Nur wo sollen wir hin? „Wie kommen echte Piraten hierher?“ Diese Frage hat sich wohl schon jeder hier gestellt. Schauspieler sind das keineswegs und auf noch so einen Gedanken komme ich nicht, dass es zu einer Show gehört. Das letzte Mal war eine ausreichende Erfahrung, die sogar noch gefährlicher heute kommt. Es dauert also nicht mehr lange, bis Ladybug und Cat Noir auftauchen, wie schon beim letzten Mal. Alya ist zumindest sehr überzeugt davon, während Adrien und Marinette gehetzt aussehen – weswegen auch immer, denn wir haben bisher keine weiteren Störungen erhalten und sind auf dem Weg zum Erdgeschoss, welches zu einem Labyrinth geworden ist. Ich halte alle davon ab in dieses zu gehen, denn ich glaube, dass dort mehr lauert, als nur Irrungen und Wirrungen, weshalb wir ein Stockwerk höher gehen und dort sogar einen Überblick von dem Labyrinth erhalten. Wie ich es mir gedacht habe, sind Minotauren und Riesenspinnen in diesem vorhanden. Allerdings auch einige unserer Mitschüler. Na toll, was machen wir jetzt? Die können wir doch nicht einfach ihrem Schicksal überlassen. Vor mir schwebt jemand hoch, was mich natürlich erschreckt und ich dementsprechend einen Satz nach hinten springe. „Nicht doch, Verehrteste, Sie brauchen keine Angst vor mir haben als Wertschätzerin der schriftlichen Kultur. Die anderen jedoch werden lernen müssen, was es heißt ein Buch zu sein.“ Er schnippt einmal und zwei große Bücher schweben neben ihm, um automatisch zu blättern und Seiten rausfliegen zu lassen, welche bei einer Berührung dafür sorgen, dass die Person eingesogen wird. Irgendwie ist dieser Vorgang schrecklich. Am Ende sind wir noch zu fünft. Adrien und Marinette hat es anscheinend erwischt. Besser wäre es, wenn wir uns verteilen würden, aber viel Auswahl haben wir keineswegs, denn die Piraten sind wieder da. Lieber renne ich mit den anderen weg als bei dem Kerl zu bleiben, der gruselig aussieht. „Schnappt mir meine zukünftige Braut und bringt sie mir unversehrt!“ Wen meint er denn jetzt schon wieder? Warum mache ich mir in diesem Moment Gedanken darüber? Im Treppenhaus gehen einige nach unten in den Keller und andere wieder hoch. Ich folge Alya und Nino nach unten, denn es kann ja sein, dass wir hier sicherer sind, als auf dem Dach. Im Keller kann ich Ricardo ebenfalls sehen, der aber in einem Blatt Papier gefangen ist. Anscheinend lagert der schwebende Büchermaestro hier seine Gefangenen – in Lebensgröße. „Shirado, du musst von hier verschwinden! Mit diesem Typ ist nicht zu spaßen und dein Vater wäre am Boden zerstört, würde er dich niemals wiedersehen!“ Ich rolle mit meinen Augen genervt und gebe dementsprechend einen Laut von mir. „Du zählst zu den Personen, die ich kein Stück im Stich lassen will, also bleibe ich. Zudem bin ich dieses Mal vorbereitet.“ Mit einer fließenden Handbewegung habe ich einen Tessen aus meiner Umhängetasche gezogen. Das Teil ist zwar schwer, aber damit kann ich sicherlich ein bisschen was anrichten, um nicht hilflos zu sein. „Das kann ich nicht zulassen, Shirado!“ „Musst du aber, weil du in Papier gefangen bist!“ „Ähm, Leute? Könntet ihr später streiten? Wir haben Besuch bekommen.“ Nino deutet auf die Kellertür, wo Piraten auftauchen – ein Teil von dem ganzen Trupp. Kurzum drücke ich dem Jungen meine Tasche auf und breite den Tessen aus, auch wenn ich in den Kampfkünsten so gut wie nichts gelernt habe, kann ich meine Erfahrungen im Tanz anwenden sowie meinem Körper und Verstand vertrauen, sodass ich Treffer lande, die ihre Wirkung keineswegs verfehlen. „Meine Herren, ich bitte um den Tanz.“ Wo die Selbstsicherheit herkommt wundert mich, aber in solch einer Situation darf man nicht über seine Ängste denken, sondern an alles, was einem lieb und teuer ist. Natürlich lachen die sich einen ab und meinen mich runterputzen zu können. Zu ihrem Pech wissen sie nicht, dass man Gymnastik, Yoga und das Tanzen verbinden kann. Diese stinkenden Säbelrassler versuchen mir den Tessen aus der Hand zu schlagen, aber ich wehre sie mit diesem ab oder weiche aus, um einen von ihnen zumindest ins Reich der Träume zu schicken. Jetzt zücken sie ihre Pistolen, weil sie sich um mich herumgestellt haben. Dies war leider ihr Ziel und ich Dummkopf habe dies nicht gemerkt, weil mir wahrlich solch eine Erfahrung fehlt. „Arrrr! Gebe auf und komme mit uns – dann verschonen wir die beiden da hinten.“ Viel konnte ich nicht ausrichten, auch wenn ich versucht habe zumindest irgendwas zu bewirken. Mir war klar, dass ich nicht lange kämpfen könnte – dafür bin ich nicht ausgebildet – jedoch wollte ich zumindest einige in Sicherheit bringen, die mir wichtig sind. „Na, na, ein Mann darf doch nicht die Waffe auf solch eine Schönheit richten.“ Cat Noir taucht auf und haut mal eben drei um, die ihre Waffen dadurch nicht mehr halten. Diese Ablenkung nutzen Alya und Nino, um ihre zwei Bedroher zu überraschen und dann ein sicheres Versteck zu suchen. Unterdessen werfe ich meinen Tessen und entwaffne zusätzlich zwei Piraten, bevor ich ihn fange, aber prompt in Gefangenschaft gerate, aus die mich Cat Noir befreit. Sein Kampfstab ist praktisch. Die übriggebliebenen schießen auf ihn und er wehrt die Kugeln ab, indem er seinen Stab schnell dreht. Danach springt er zu mir. „So sieht man sich wieder, Mademoiselle Fleur.“ „Ja, Monsieur Cat Noir. Danke für die Rettung beim letzten Mal und jetzt.“ „Dafür bin ich da, aber Sie sollten nicht die Heldin spielen – es ist zu gefährlich.“ Recht hat er zwar, aber wieso darf ich nicht mal jemanden beschützen? Andauernd werde ich beschützt. Ein plötzlicher Kleiderwechsel hat mich in ein Brautkleid geworfen, was mich wundert, denn so schnell habe ich mich noch nie umgezogen und das auch noch ungewollt. „Meine Braut ist richtig gekleidet, um die Zeremonie beginnen zu können. Schnappt sie euch endlich, damit ich sie zum Altar führen kann!“ Wo ist der Kerl denn hergekommen? Durch das Treppenhaus ist er sicherlich nicht gekommen, denn sonst hätten wir ihn gesehen, wie das dreckige Gesindel von Piraten. Der Kater nimmt mich auf seine Arme und springt mit mir hoch hinaus. Dieser Keller ist wahrlich riesig. „Hinterher! Er stiehlt mir meine Braut!“ Wie können denn die Piraten fliegen? Sie holen sogar auf, was mir wenig gefällt. Ein paar überholen uns und ich kann Raketenrucksäcke auf ihren Rücken erkennen. Solch ein Bild finde ich zu grotesk und definitiv niemand auf der Welt würde mir glauben, wenn ich erzähle, dass Piraten mit Raketenrucksäcken hinter mir her waren. Trotzdem hält Cat Noir nicht an, sondern springt immer höher, bis wir an einer Luke halten, die uns in das Labyrinth bringt. Riesenkeller im Austausch für Riesenspinnen und Minotauren? Meine Wahl wäre definitiv der Keller gewesen. Er stellt mich ab und verschließt die Luke, woraufhin manche Piraten echt gegen das Ding donnern. Intelligenz wäre angebrachter gewesen, als diese Düsenrucksäcke. Zwei Riesenspinnen kommen auf uns zu, aber er schnappt sich erneut mich und springt hoch, sodass die Biester gegeneinander rennen. Auf einem der Bücherregale setzt er mich wieder ab und schaut sich um. Beim ersten Stockwerk tummeln sich übergroße Insekten herum, die keinen freundlichen Eindruck machen. Was für ein Chaos. Ladybug springt zu uns. „Konntest du den Akuma finden, Cat Noir?“ „Nein, leider nicht. Ich konnte auch nur Mademoiselle Fleur retten.“ „Ich hätte irgendwie schon unten genug anrichten können, dass Ihr diesen Akuma hättet finden können, Eure Katerheit.“ Wenigstens lacht sie durch meine schnippische Bemerkung. „Das hier ist kein Spiel! Dass du mit diesem Fächer anderen helfen wolltest war gefährlich! Dir hätte sonst was passieren können!“ „Was wäre denn noch schlimmer, als eine Braut gekleidet zu sein und zu warten, dass so ein Heini mich heiraten will, obwohl ich ihn nicht mal kenne?!“ „Euer Pärchenstreit wäre an anderer Stelle besser angebracht. Wir müssen schauen, dass wir den Akuma finden, denn nur so wird alles wieder normal werden.“ Sie hat Recht und ich atme tief durch, bevor ich mich verbeugend bei Cat Noir entschuldige – er meint es nur gut. Charmant entschuldigt er sich ebenfalls und es fehlt ein Plan, den wir noch nicht haben oder eher die beiden, weil ich nichts machen soll. In mir steigt allerdings der Drang hoch, dass ich irgendwas unternehmen muss. „War dieser Akuma beim letzten Mal dieser schwarze Schmetterling?“ Diese Frage musste ich in diesem Augenblick loswerden, weil ich ungern unwissend bin. „Stimmt genau. Sie verstecken sich in persönlichen Gegenständen der akumatisierten Person und fördern deren negatives Verhalten sowie verleiht ihr Superkräfte.“ Mit dem Wissen kann ich doch schon mehr anfangen. Der Zweck von einem Labyrinth dient meistens dem Schutz vor Dieben, die an einen Schatz wollen. Somit wäre es kein Wunder, dass in diesem unter uns ebenfalls ein Schatz wäre – der besondere Gegenstand von diesem Heini. „Irgendwo im Labyrinth ist dieser besondere Gegenstand, denn sonst macht es keinen Sinn, dass der Kerl dieses auftauchen lassen hat. Wie wir – ihr – den findet bleibt euch überlassen. Ich biete mich als Lockvogel an, um euch Zeit zu verschaffen.“ Kurzerhand drücke ich meinen Tessen Cat Noir in die Krallen und springe ein paar Regale weiter, bevor ich stumpf auf einem Minotaurus lande. „Hilfe! Hilfe!! Warum hilft mein Bräutigam mir nicht?“ Irgendwie muss ich den Typen herauslocken und siehe da, es funktioniert einwandfrei. Aus einem der vielen Bücher taucht er auf und lässt den Minotaurus verschwinden, um mich auffangen zu können. „Meine Liebste, bin ich froh, dass dieser schmierige Cat Noir dich freigelassen hat. Endlich können wir die Trauungszeremonie beginnen.“ Der hat es echt drauf jemanden für eine Sache zu begeistern, die man selber nicht mal will – ob ich gerade ironisch oder sarkastisch denke sei mal dahingestellt. Dann will ich mal auf die Tränendrüse drücken. „Aber Liebling, ich habe so viel Angst bei den ganzen Piraten, Insekten, Riesenspinnen und Minotauren, dass ich kaum den Mut habe mit dir den Altar hier im Labyrinth zu suchen.“ „Keine Sorge, meine Teuerste, ich lasse sie verschwinden und danach führe ich dich zum Altar.“ Hoffentlich verschafft diese Aktion den beiden mehr Zeit. Wo das dumme Tischteil ist weiß ich nicht, doch er sehr wohl, weshalb ich ihn animieren muss, jeden Winkel im Labyrinth mitzunehmen. Leider kommen wir trotzdem schneller an, als mir lieb wäre. Hat er das Labyrinth etwa noch verschieben können? Wie fies ist das denn? Den Blick auf den Altar zu werfen lässt mich innerlich schaudern – ich bin noch nicht gerade kopfmäßig bereit zu heiraten, geschweige denn alt genug. Auf dem Altar kann ich ein vergoldetes Buch erkennen, welches kostbarer zu sein scheint als der ganze Kram drumherum – außerdem schwebt es. Schritt für Schritt führt er mich zum Altar hin und fängt dabei die Zeremonie an. Ladybug und Cat Noir – beeilt euch! „Wer gegen die Bindung dieser beiden Seelen ist möge jetzt sprechen oder für immer schweigen!“ „Ein Wörtchen habe ich auch noch mitzureden!“ Weswegen taucht Cat Noir genau in diesem Moment auf? Ach ja, er liebt solche Auftritte bei denen er sich in Szene setzen kann, laut dem Interview, welches Alya mit Ladybug geführt hat und uns brühwarm alles berichtete. Charmanter Angeber. „Bücherjoker – ich fordere dich zum Duell auf um die Hand der schönen Mademoiselle Fleur!“ Werde ich überhaupt noch gefragt? Obwohl ein Duell ein bisschen mehr Zeit verschafft. „Gerne doch, Cat Noir, aber mein Kämpfer wird Lu Bu sein, das Monster aus der chaotischen Zeit Chinas.“ Ein Monster? Bitte nicht – ich mag nicht mal Minotauren. Aus dem goldenen Buch steigt eine sehr große Person, die an Muskeln kaum zu überbieten ist, jedoch diese dem Körper perfekt angepasst sind. Die Rüstung soll Feinde verschrecken, genauso wie das grimmige und kantige Gesicht. Seine Hellebarde ist pechschwarz und noch größer als er. Die wiegt bestimmt sehr viele hundert Kilogramm – die er mal eben in einer Hand hält. „Du stehst wirklich auf solche Muskelberge?“ Bevor das Duell losgeht muss er mich das wirklich noch fragen? Jemand scheint siegesgewiss zu sein. „Etwas weniger reicht auch, aber dünne Hemden, wie der werte Monsieur Cat Noir, kommen bei Vater nicht gut an und der ist es, der mich preisgeben muss.“ Habe ich ihm sein Katerherz gebrochen? Nein, eher sein Ego. „Jedoch weiß ich, dass mein Held in schwarzer Rüstung gewinnen kann.“ Diese Worte bauen ihn regelrecht auf, sodass man meinen könnte, er braucht einfach Zustimmung. Lu Bu brüllt wirklich wie ein Monster und schwingt seine Hellebarde dermaßen kräftig, dass der Wind ausreicht, um mich mitzunehmen. Wenigstens der Heini rettet mich davor aufgespießt zu werden, da der Kater sich bemüht am Boden zu bleiben. Was diesem an Kraft fehlt, macht er durch Wendigkeit wett, sodass er darauf zu setzen scheint, dass Lu Bu müde wird. Allerdings sieht es eher aus, dass er selber daran zu knabbern hat seine Energiereserven zu behalten. „Glücksbringer!!“ Oh, Ladybug gesellt sich zu uns lässt ihr Jo-Jo sich in irgendwas verwandeln. Es wird ein Tessen. Wieso brauchen denn nun beide jeweils einen Tessen? Okay, Cat Noir hat meinen erhalten, weil ich nicht kämpfen soll, aber was soll daran Glück bringen? Diesen Glücksbringer kapiere ich kein Stück. Sie sieht den Tessen auch nur fragwürdig an, scheint jedoch zu überlegen, was sie damit anstellen kann. Unterdessen gerät der Kater in die Bredouille und nutzt seinen Kataklysmus, um die Hellebarde und die Rüstung von seinem Gegner zu entfernen, der allerdings auf ein wahres Muskelwerk bauen kann. Wow, solch gut ausgeprägte Muskeln habe ich seit den großen Kampfsportturnieren letztes Jahr nicht mehr gesehen, aber leider packt der gutgebaute Mann den schwarzen Kater. „Cat Noir – nutze den Fächer und ziele auf seinen Kopf!“ Sie wirft mit ihm gemeinsam die Metallfächer weg und dem ersten Tessen kann Lu Bu mit dem Kopf ausweichen, doch der zweite trifft ihn mit voller Wucht, sodass er benommen sein Opfer loslässt und sich an den Kopf packt. Solch ein Treffer kann sogar den Schädelknochen splittern lassen. Seine Benommenheit nutzen die beiden aus und machen ihn komplett kampfunfähig. „Bücherjoker, du hast verloren – lasse nun Mademoiselle Fleur frei, wie es abgemacht war.“ Für diesen Spruch bekommt er ein paar Pluspunkte von mir, denn er sieht wahrlich erschöpft aus. Hätte Lu Bu einen Kopfschutz gehabt, sähe die Sache anders aus. „Niemals! Du hast Lu Bu nicht besiegt, sondern Ladybug hat sich eingemischt – somit gilt unsere Abmachung nicht.“ Dem Kerl trete ich stumpf gegen das Schienbein und klatsche ihm eine. „Und du willst ein Mann sein? Ein Mann ist für seine Stärke, seinen Mut, seinem eisernen Willen, seinen Muskeln und seiner Ehre erst ein Mann. Du bist keiner und dich werde ich nicht heiraten. Cat Noir hat keineswegs geschummelt, denn der letzte Tessen war der, den er von mir erhalten hat – also ist er der Gewinner.“ Gerade will ich von ihm weg, da werde ich gepackt und kopfüber festgehalten. Na toll, diese Position macht mehr Spaß als in der Achterbahn festzustecken – wie auch immer diese stehenbleiben können. Ein weiterer Lu Bu hält mich ziemlich grob fest. Dagegen sind heftige Umarmungen von Vater ein laues Lüftchen. Weitere von ihm tauchen auf und sind alle topfit. Totaler Schummler, dieser Bücherjoker. Allerdings leuchtet das goldene Buch jedes Mal auf, wenn sich irgendwas verändert und zum Glück bemerken die beiden dies, denn der Foliant wird treffsicher auseinandergenommen, bis dieser schwarze Schmetterling herausfliegt und Ladybug ihn zu einen weißen zurückverwandelt. „Miraculous, Ladybug!“ Ihr Tessen leuchtet auf und ein leuchtender Schwarm Marienkäfer setzt alles zurück auf Anfang des gesamten Spektakels, als wäre hier nie ein Labyrinth oder Kampf gewesen, was wirklich interessant anzusehen ist. Es stellt sich heraus, dass der Bücherjoker der Sohn von Monsieur Deimer war. Wetten, dass Chloé die hohen negativen Gefühle hervorgerufen hat? Ich setze mich höchstpersönlich dafür. Bevor beide verschwinden bedanke ich mich mit einer Verbeugung und gestehe mir ein, dass ich wenig zum Kämpfen beitragen kann, aber gerne erneut gemeinsame Sache machen würde. Mein Tessen ist zwar hinüber, aber dies macht nichts. Leider müssen beide ziemlich flott weg, sodass ich mit dem verwirrten Monsieur alleine bin. „Was ist passiert?“ „Monsieur Deimer, Sie wurden akumatisiert, wenn ich es richtig verstanden habe. Jemand hat sich Ihrer negativen Gefühle bemächtigt und zur Bosheit geleitet, sodass Sie ordentlich Tamtam veranstaltet haben. Lassen Sie sich nicht so leicht aus der Fassung bringen. Bücherliebhaber wird es immer geben und die, die keine Ahnung haben, sind einfach versnobte Idioten. Denken Sie bitte daran und Sie werden ein wundervoller Bibliothekar, wie Ihr Vater.“ Mit diesen Worten im Raum, helfe ich ihm auf und bin froh, dass dieses schreckliche Brautkleid mit dem ganzen anderen Zeug verschwunden ist. Kimonos stehen mir weitaus besser. Wir gehen zu den anderen zurück und Ricardo zerquetscht mich fast, bevor er mich rügt, dass ich niemals wieder fahrlässige Aktionen veranstalten soll. Hochheilig verspreche ich es, dass ich, als Shirado Fleur, nicht wieder kämpfen werde, sollte es zu so einer Situation kommen. Von Hilfestellung hat er jedoch nichts erwähnt. Ihn scheint das zu beruhigen. Marinette und Adrien kommen reichlich spät aus verschiedenen Richtungen zu uns, was mich wundert, denn die müssten auch im Keller gewesen sein, wie die anderen Leute, die in Papier gefangen waren. Wie dem auch sei, ich bin nur froh, dass alles wieder gut ist und der restliche Schultag entfällt, damit wir uns von dem Vorfall erholen können. Vater darf davon ebenfalls nichts erfahren, sonst bin ich wieder meiner Freiheit beraubt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)