Heartbeats von Khaleesi26 (Michi-Woche) ================================================================================ Kapitel 2: Stars ---------------- Mimi Ich schmiss meine Tasche in die Ecke, genauso wie meine Schuhe und die Jacke. Ich musste schnell unter die Dusche. Hektisch eilte ich ins Schlafzimmer und kramte mir ein paar bequeme Klamotten aus dem Schrank, ehe ich ins Bad ging und die Dusche anstellte. Meine Sachen landeten auf dem Fußboden und als das heiße Wasser mich umhüllte, atmete ich das erste Mal an diesem Tag erleichtert aus. Endlich war Freitag und die Woche lag hinter mir. Eine Woche, die aus wenig Zeit und viel Arbeit bestand, da ich neben dem College für eine New Yorker Zeitung jobbte. Im Grunde war es eher so was wie ein unbezahltes Praktikum. Aber ich wollte unbedingt einen Fuß in die Tür kriegen, auch wenn ich noch lang nicht mit meinem Journalismus Studium fertig war. Es war immerhin eine Chance. Leider hieß das auch, dass ich extrem wenig Freizeit hatte – keine Zeit für Freunde, keine Zeit für irgendwelche Aktivitäten und das Schlimmste: keine Zeit für ihn. Nach einer viel zu kurzen Dusche stellte ich das Wasser ab und trat auf den nassen Fußboden meines kleinen Badezimmers. Das Apartment, was ich mir gemietet hatte, war nicht groß, aber es war bezahlbar. Und das war alles, was zählte. Von dem tropfenden Wasserhahn und den viel zu lauten Nachbarn mal abgesehen. Es war okay. Ich führte endlich das Leben, wie ich es mir immer vorgestellt hatte, frei und unabhängig. Ich trocknete mich ab, schlüpfte in kurze Stoffshorts und zog mir ein T-Shirt über. Meine Haare föhnte ich nur an und band sie dann zu einem unordentlichen Knoten zusammen. Meine Klamotten sammelte ich vom Boden auf und warf sie im Schlafzimmer aufs Bett. Ein Blick auf die Uhr. Kurz vor acht. Und ich hatte eine Verabredung. Nur, dass diese Verabredung bei mir zu Hause stattfand, anstatt in irgendeiner Bar in New York. Ich schnappte mir meinen Laptop und schlenderte damit in die Küche. Ich klappte ihn auf und fuhr ihn hoch, stellte ihn dann neben dem Herd ab, bevor ich eine Pfanne aus einem der Schränke kramte, um mir ein paar Nudeln zu braten. Es dauerte nicht lang, bis es klingelte und Tais Bild auf meinem Desktop erschien. Grinsend hob ich ab. Das Fenster ploppte auf und ein viel zu wacher Tai strahlte mir entgegen. „Guten Morgen, Prinzessin.“ Ich musste lachen. Es war immer wieder schön, am Ende der Woche seine Stimme zu hören. Irgendwie hatten wir es über das ganze letzte Jahr hinweg geschafft, regelmäßig Kontakt zu halten – obwohl ich das anfangs überhaupt nicht vorhatte. Erst hatte ich gedacht, es wäre für uns beide nicht gut, Teil im Leben des anderen zu sein, wenn wir doch eh immer getrennt waren. Doch Tai hatte einfach nicht lockergelassen und mir eine Mail nach der anderen geschrieben. Irgendwann kontaktierte ich ihn dann per Skype Videochat und als ich nach Monaten des Vermissens endlich sein Gesicht wiedersah … war das wie eine Erlösung. Hingegen aller Vernunft fühlte es sich gut an, ihm auf irgendeinem Weg nah zu sein und wenn es nur über die virtuelle Welt war. Seitdem skypten wir jeden Freitag um dieselbe Uhrzeit, weil das der einzige Tag war, an dem wir beide Zeit hatten. „Guten Morgen?“, lachte ich ihm entgegen. „Hier ist es bereits abends, schon vergessen? Wieso bist du eigentlich schon so wach?“, fragte ich stutzig. „Normalerweise siehst du aus, als wärst du gerade erst aus dem Bett gefallen, wenn wir um diese Uhrzeit skypen.“ „Jaah, normalerweise bin ich das ja auch“, erwiderte Tai grinsend. Ich unterbrach meine Kocherei und hielt kurz inne, um mit meinem Gesicht näher an den Bildschirm ran zu gehen. „Sag mal, bist du gar nicht zu Hause?“ Ich runzelte die Stirn. Hatte er etwa die Nacht durchgemacht und war noch gar nicht im Bett gewesen? „Nein, ehm … ich bin unterwegs“, erklärte er knapp und wich offensichtlich jemanden aus, der ihm entgegenkam. „Achso?“, fragte ich und machte mich daran, weiter die Nudeln zu wenden, die in der Pfanne vor sich hin brutzelten. „Und wohin, wenn man fragen darf?“ „Ich wollte mir ein Frühstück besorgen“, erklärte er mir kurz und knapp. Dabei schweifte sein Blick immer wieder ab, da er auf den Weg achten musste. Schmunzelnd zog ich eine Augenbraue nach oben. „Du lügst doch ohne rot zu werden. Also, wie heißt sie?“ Tai verdrehte die Augen und sah nun ernsthaft in die Kamera. „Ich lüge nicht und sie gibt es auch nicht. Was hast du da eigentlich an? Sieht ziemlich sexy aus.“ „Was …?“ Ich sah an mir hinab zu den kurzen Shorts, die ich trug. Dieser Lüstling. „Lenk nicht vom Thema ab“, tadelte ich ihn und hob den Desktop des Laptops etwas an, sodass er nicht mehr auf meine Beine starren konnte. „Hey!“, beschwerte er sich prompt. „Spielverderberin.“ Ich lachte, als Tai plötzlich abrupt stehen blieb. „So, ich bin da“, verkündete er. „Musst du schon auflegen? Du hast mir noch gar nicht erzählt, wie deine Woche war …“ Die Enttäuschung, die in meiner Stimme mitschwang konnte ich leider nicht verbergen. „Mache ich später“, sagte Tai, als wäre diese gemeinsame virtuelle Zeit überhaupt nicht kostbar für ihn. „Erst mal muss ich was essen. Meinst du, das Essen schmeckt hier? Riecht irgendwie nach Nudeln.“ „Nach Nudeln?“, lachte ich auf und sah ihn skeptisch an. „Du wolltest doch Frühstück besorgen. Bist du etwa vor einem Nudelrestaurant gelandet, oder wie?“ Tai zuckte unschuldig mit den Schultern. „Keine Ahnung. Sieht das für dich wie ein Nudelrestaurant aus?“ Dann drehte er die Kamera, sodass ich das Gebäude sehen konnte, vor dem er gerade stand. Ich kniff die Augen zusammen, um überhaupt was erkennen zu können. „Warum ist es bei dir so dunkel?“ Tai schwenkte die Kamera noch ein Stück weiter und ich konnte ein geöffnetes Fenster erkennen, aus dem Licht drang. Und etwas Rauch. „Das … das ist …“ „Jap“, sagte Tai, als er die Kamera wieder wendete. „Riecht eindeutig nach Nudeln.“ Ein spitzer Schrei entfuhr mir und ich ließ prompt den Pfannenwender fallen. „Tai, du … du bist jetzt nicht wirklich …“ Fassungslos sah ich ihn an, während er nur verstohlen breit grinste. „Sieh doch nach.“ Ich ließ den Laptop stehen und hechtete zum Fenster, um mich nach draußen zu beugen und nach unten zu sehen. Da stand er. Er stand einfach da unten. Direkt vor meiner Haustür. „Tai!“, schrie ich vor lauter Aufregung. Er sah zu mir nach oben und schaltete sein Handy aus. „Guten Morgen, Prinzessin. Lässt du mich rein?“ „Oh mein Gott“, entfuhr es mir und ich stieß mich vom Fenstersims ab, um zur Tür zu stürzen und ihm aufzumachen. Ich riss die Wohnungstür auf und blickte zum Fahrstuhl am Ende des langen Flures. Die Etagenanzeige sprang immer weiter nach oben und mit jedem Stockwerk, dass er überbrückte, schlug mein Herz einige Schläge schneller. Mein Puls raste, als sich endlich die Türen öffneten und Tai aus dem Fahrstuhl trat. Er hatte seine Reisetasche geschultert, grinste mir entgegen und ging geradewegs auf mich zu. Ohne nachzudenken stürmte ich ihm entgegen. Mit einem dumpfen Laut fiel seine Tasche zu Boden, als ich ihm in die Arme sprang. Sofort stieg mir der altbekannte, immer noch vertraute Duft in die Nase und ließ mein Herz für einen Moment aufhören zu schlagen. „Du … du bist hier.“ Ich konnte kaum atmen und es noch weniger fassen, dass er wirklich da war. War das auch kein Traum? „Ist ja gut“, lachte Tai, während er mich fest in seine Arme schloss. „Hol erst mal Luft.“ Ich löste mich von ihm und starrte ihn mit großen Augen an. „Du bist verrückt“, war alles, was ich hervorbrachte, denn ich versuchte noch immer zu begreifen, dass es diesmal die Realität war. Wir hatten so oft darüber gescherzt, dass er mich eines Tages besuchen kommen wollte. Aber ich hätte nie gedacht, dass er es tatsächlich tun würde. „Schon klar“, lachte er und drückte mir einen Kuss auf die Stirn. „Bittest du mich jetzt endlich herein?“ Tai rümpfte die Nase und warf einen Blick über meine Schulter in Richtung Wohnung. „Sag mal, brennt’s bei dir?“ Ich wirbelte herum. „Ach du scheiße!“ Aus meiner Wohnung drang Rauch. „Die Nudeln!“ Ich rannte zurück in die Wohnung. Die Küche qualmte. Hustend und mit den Händen wedelnd kämpfte ich mich bis zum Herd vor, um die Pfanne vom Herd zu nehmen und in die Spüle zu schmeißen. Sofort drehte ich den Wasserhahn auf und öffnete alle Fenster, damit der Rauch abziehen konnte. Es dauerte nicht lange, dann lichtete sich der Qualm und Tai stand das Gesicht verziehend in meinem Wohnzimmer. „Das heißt wohl, es gibt keine Nudeln zum Frühstück“, stellte er belustigt fest und stellte seine Tasche neben dem Sofa ab. „Nein, sorry. Du hast sicher Hunger“, merkte ich an, schaffte es jedoch nicht den Impuls zu unterdrücken ihn anzustarren. Unfassbar, dass er tatsächlich von Tokio nach New York geflogen war, nur um mich zu sehen. „Was schaust du denn so?“, fragte Tai grinsend. „Tut mir leid“, sagte ich geistesabwesend und machte einige große Schritte auf ihn zu, nur um ihn erneut zu umarmen. „Ich muss mich einfach noch mal versichern, dass du wirklich da bist.“ Tai lachte auf und zog mich an sich. „Ich habe dir immer gesagt, dass ich irgendwann vor deiner Tür stehen werde.“ „Und ich hätte nie gedacht, dass du es wirklich tust.“ Wir mussten beide lachen, als wir uns voneinander lösten und Tai sich in meiner bescheidenen kleinen Wohnung umsah. „Nett hast du’s hier.“ „Na ja …“ Ich wippte unruhig mit den Füßen auf und ab. Die Wohnung war wirklich nicht besonders groß oder luxuriös. Im Gegenteil. Die Tapete war schon viel zu lang an den Wänden, das kleine Wohnzimmer war vereint mit der noch kleineren Kochnische und ich konnte froh sein, dass ich einen Kleiderschrank in mein Schlafzimmer bekam. „Es ist okay. Es ist alles, was ich mir zurzeit leisten kann“, sagte ich und zog Tai mit mir zum Sofa. Er ließ sich in den kleinen Zweisitzer plumpsen und streckte alle Viere von sich. „Ich finde es sehr gemütlich hier. Man, bin ich erledigt.“ Seine Knochen knackten, als er seinen Kopf nach links und rechts beugte. „Der Flug war viel zu lang und viel zu anstrengend.“ „Kann ich nachvollziehen“, kicherte ich, da ich diese Strecke schon mehr als ein Mal durchgemacht hatte. „Aber es hat sich gelohnt“, lächelte er dann und richtete seinen Blick auf mich. Seine Augen fixierten mich und ich spürte, wie mir die Röte ins Gesicht stieg. Schnell stand ich auf, damit er es nicht sehen konnte. „Wie lang willst du bleiben?“ „Dieses Wochenende?“ Stutzig grinsend sah ich ihn an. „Ehrlich? Du hast tausende von Kilometern zurückgelegt, nur um übers Wochenende zu bleiben?“ „Nun …“, meinte Tai und tat so, als würde er erst jetzt über diese Tatsache nachdenken. „Ich könnte auch für immer bleiben. Aber ich dachte, wir fangen mit diesem Wochenende an.“ Lachend schüttelte ich den Kopf. „Du bist echt verrückt.“ „Sagtest du schon.“ Eine Kurze Stille trat zwischen uns, in der wir uns einfach nur ansahen. Als müssten wir uns beide vergewissern, dass der jeweils andere vor einem stand. „Sag mal“, setzte Tai erneut an und seine Augen huschten von meinem Gesicht hin zu meinem Oberteil. „Mir ist das vorhin schon aufgefallen, als du mich umarmt hast, aber … ich muss das einfach wissen: trägst du gar keinen BH?“ Mein Mund klappte auf und ich starrte ihn empört an, ehe ich schleunigst meine Arme vor der Brust verschränkte. Dieser kleine, perverse … „Boah, Tai, ich … Ich habe eben nicht mit Besuch gerechnet. Man!“, fluchte ich und stapfte in Richtung Schlafzimmer, um mir was anderes anzuziehen. Sogar durch die Tür hindurch hörte ich ihn noch lachen. Das Schmunzeln auf meinen Lippen konnte ich mir nicht verkneifen. Es fühlte sich so unglaublich toll an, dass er hier war. Ich schlüpfte in Jeans, zog mir ein anderes Shirt an (diesmal mit BH) und öffnete meine Haare, damit ich sie schnell durchkämmen konnte. Dann ging ich zurück zu Tai ins Wohnzimmer, der gerade eine Nachricht in sein Handy tippte. Als er mich sah, steckte er es wieder ein. „Kari wollte nur wissen, ob ich gut angekommen bin.“ Ich setzte mich im Schneidersitz neben ihn und sah ihn erwartungsvoll an. „Also, was willst du machen? Ich meine, wir könnten ausgehen oder uns irgendeinen Film ansehen. Oh, warte … du bist sicher total müde und willst einfach nur schlafen, es ist schließlich schon spät. Ich könnte uns was zu Essen holen und dann legst du dich hin und …“ „Mimi“, unterbrach Tai mich in meinem Redefluss. Was wohl auch besser war, denn ich redete wie ein Wasserfall. „Sorry. Möchtest du was ganz anderes machen?“, fragte ich ihn verlegen. Tai zog eine Augenbraue nach oben. „Ich hab den totalen Jetlag. Ich habe im Flugzeug geschlafen und bei uns zu Hause wäre es jetzt früh am Morgen. Ich bin wach, also … zeig mir die Stadt. Und essen können wir auch unterwegs.“ Ungläubig sah ich ihn an. „Ich soll dir die Stadt zeigen? Jetzt?“ Tai lehnte sich zurück in die Kissen und zuckte mit den Schultern. „Klar, wieso nicht? Es ist Freitagabend. Ich dachte, New York schläft nie.“ Ein verschmitztes Grinsen legte sich auf seine Lippen. Ich erwiderte sein Grinsen und stand dann auf, um die Hände in die Hüfte zu stemmen. „Also gut, wie du willst. Ich zeig dir die Stadt. Es war eine atemberaubende Nacht – New York war atemberaubend. Dass ich eine tierisch anstrengende Woche hinter mir hatte und eigentlich dringend Schlaf benötigte, ignorierte ich. Tai war hier und das war alles, was zählte. Wir schlenderten über den Times Square, ich zeigte ihm einige für New York typische Bars, in denen ich meine wenige Freizeit verbrachte, wir spazierten durch den Zentral Park und wir aßen den weltbesten Hot Dog. Nach 02.00 Uhr nachts konnte ich jedoch mein Gähnen nicht mehr unterdrücken und sank immer weiter den roten Sessel hinab, während ich versuchte, die Flasche Bier, die ich in der Hand hielt, nicht über meiner Hose zu verschütten. „Willst du gehen?“, fragte Tai, der auf dem Sessel neben mir saß. Wir wollten unbedingt noch einen Absacker in einer meiner Lieblingsbars trinken, denn hier spielten jeden Abend Live-Bands und die Stimmung war entspannt und ausgelassen. „Was? Nein, wieso?“, entgegnete ich hellhörig und richtete mich wieder etwas auf, um wach zu werden. Tai lächelte nur wissend. „Meinst du, ich sehe nicht, wie müde du bist? Du brauchst Schlaf, Mimi. Ich weiß genau, wie hart deine Woche immer ist.“ Ich rollte zwar mit den Augen, aber er hatte recht. Ich war völlig erledigt. Mein Boss hatte mich extra Schichten schieben lassen, damit ich einige Artikel Korrektur lesen konnte. Er sagte, wenn ich mich gut anstellte, würde ich bald meinen eigenen ersten Artikel schreiben dürfen. „Aber ich wollte dir doch die Stadt zeigen“, beharrte ich unter einem Anflug von Protest, musste jedoch im nächsten Atemzug bereits erneut gähnen. Ein vielsagender Blick von Seitens Tai genügte und ich gab nach. „Schon gut, du hast ja recht. Vielleicht sollte ich wirklich etwas schlafen“, sagte ich. Wir stellten unsere noch halbvollen Getränke ab und verließen die Bar, die zum Glück nur ein paar Blocks von meiner Wohnung entfernt war. „Und was machst du jetzt, wenn ich schlafen gehe? Du meintest doch, du bist nicht müde.“ Tai zuckte mit den Schultern. „Ich werde mich einfach zu dir legen. Entweder ich schlafe auch ein oder ich beobachte dich beim Schlafen. Das wollte ich schon immer mal machen.“ Stutzig sah ich ihn an, während mir erneut heiß wurde. Doch dann lachte Tai plötzlich auf. „War nur ein Witz, Mimi. Jetzt schau doch nicht gleich so. Ich mache es mir natürlich auf dem Sofa bequem.“ Ich kicherte nervös, nicht wissend, ob ich erleichtert oder enttäuscht sein sollte. „Kommt gar nicht in Frage“, meinte ich dann. „Du bist der Gast, du bekommst das Bett. Schließlich hast du die halbe Welt überquert, nur um mich zu sehen.“ „Auch wieder wahr“, überlegte Tai und legte den Kopf schief. Dann sah er mich an und schenkte mir sein bezauberndstes Lächeln. „Und ich habe es bis jetzt keine Sekunde bereut.“ Seine Worte gingen mir direkt ins Herz. Ich wusste nicht wieso, aber trotz, dass wir über ein Jahr getrennt waren, fühlte ich mich Tai jetzt noch näher als je zuvor. Taichi Ich gähnte und rollte mich von der Seite auf den Rücken. Mit den Fingern fuhr ich über meine Augenpartien, ehe ich einen Blick auf den Wecker warf, der bei Mimi auf dem Nachttisch stand. 03.28 Uhr. Und ich tat kein Auge zu. Verdammter Jetlag. Doch das war nicht mein einziges Problem. Denn meine Gedanken glitten immer wieder zu Mimi ab. Zu unserem Abend. Wie sie sich gefreut hatte, als ich plötzlich vor ihr stand. Wie ich ihren Duft in mich aufnahm, als sie mich umarmte. Ich lächelte. Es war definitiv die richtige Entscheidung gewesen, zu ihr zu fliegen. Auch wenn ich schon jetzt wusste, dass nun der Abschied umso schmerzhafter werden würde. Aber daran wollte ich jetzt noch nicht denken, denn ich war endlich bei ihr und das war alles, was zählte. Und jetzt lag sie nebenan, nur eine Tür weiter. Uns hatten Monatelang ganze Kontinente getrennt und nun zu wissen, dass lediglich eine einfache Wand zwischen uns stand, war geradezu lächerlich. Keine Ahnung, wie ich es aushalten sollte, nicht durch diese Tür zu gehen und sie einfach an mich zu ziehen. Nur zu gerne würde ich diesem Impuls nachgeben, doch ich hatte sehr wohl mitbekommen, wie müde Mimi wirkte. Fast so, als hätte sie seit Tagen kein Auge zugetan. Sie musste wirklich eine harte Woche gehabt haben. Egal, ob ich nun hier war oder nicht, ich würde sie definitiv ausschlafen lassen. Dennoch schmiss ich die Decke zurück und stand auf, da Mimis Wohnung extrem warm war und ich Durst hatte. Ich öffnete leise die Schlafzimmertür und huschte ins Wohnzimmer, um mir eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank zu holen. Als ich am Sofa vorbeikam und einen Blick auf ihren Schlafplatz warf, musste ich jedoch feststellen, dass auch Mimi nicht schlief. Um genau zu sein – sie war gar nicht da. Ihr Bettzeug war zerwühlt, doch sie war nirgends zu sehen. Auch im Bad brannte kein Licht. Ich suchte den dunklen Raum mit den Augen ab und sah, dass das Fenster zur Feuertreppe weit geöffnet war. Natürlich. Wo sollte sie auch sonst sein. Ich schnappte mir zwei gekühlte Flaschen Wasser und stieg durch das Fenster. Ich ging die metallenen Treppen nach oben, ein paar Stockwerke, bis ich schließlich fast ganz oben war. Da saß sie. Mit nackten Füßen, nur in Shorts und Top gekleidet, die Haare zerzaust und war trotzdem wunderschön. Sie blickte in den Himmel und schien mich gar nicht wirklich zu bemerken, bis ich direkt vor ihr stand und ihr das Wasser vor die Nase hielt. „Durst?“ Sie lächelte müde und nahm die Flasche entgegen. „Danke.“ Ich ließ mich neben ihr nieder und sah sie mit etwas sorgenvollem Blick an. Ihre Augenringe sprachen Bände. „Kannst du nicht schlafen?“ Sie schüttelte den Kopf und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Nein. Ich habe Kopfschmerzen. Hab wohl ein bisschen zu viel getrunken.“ Stutzig zog ich eine Augenbraue in die Höhe, da ich sehr wohl wusste, dass Mimi lediglich ein Bier getrunken hatte. Aber ich ließ diese Aussage erst mal so stehen. „Du hast diese Woche viel gearbeitet, was?“, fragte ich dennoch, da ich mir irgendwie Sorgen machte. Wahrscheinlich war das total unbegründet, allerdings … Mimi war meine Freundin. Und so fertig wie gerade hatte ich sie noch nie gesehen. Seufzend stieß sie die Luft aus, ehe sie einen großen Schluck aus ihrer Wasserflasche nahm. „Ja, ich musste ein paar Überstunden machen, aber … ich weiß nicht. Irgendwie kann ich in letzter Zeit nicht besonders gut schlafen. Es ist seltsam. Immer, wenn ich todmüde ins Bett falle, bekomme ich Kopfschmerzen und kann nicht einschlafen. Und dann am Morgen … gehe ich zum College oder zur Arbeit und kann mich kaum konzentrieren. Es ist … es ist, als wäre ich gar nicht richtig da.“ Also doch. Mein Gefühl war richtig. Es ging ihr nicht gut und man sah es ihr an. Sie versuchte zwar, es zu verbergen, aber sie konnte vor mir nichts verheimlichen. Schon gar nicht, wenn ich ihr so nah war wie jetzt. „Warum hast du nichts gesagt? Ich wäre nicht gekommen, wenn ich gewusst hätte, dass du dich nicht gut fühlst“, sagte ich schuldbewusst. „Warst du schon mal beim Arzt deswegen?“ Sie quälte sich ein Lächeln ab „Sei nicht albern. Ich habe einfach zu viel gearbeitet. Das vergeht schon wieder. Ich brauche keinen Arzt. Und, dass du hier bist, ist das Beste, was in den letzten Monaten passiert ist. Das ist genau die Ablenkung, die ich brauche. Ich denke, ich habe mich einfach etwas übernommen. Diese vielen Überstunden und das alles …“ Sie versuchte sich rauszureden. Das wusste ich. Doch, was sollte ich tun? Sie bestand darauf, dass alles in Ordnung war und mimte die Starke. „Ich bewundere deinen Ehrgeiz, Mimi. Wirklich! Aber versprich mir, in Zukunft etwas mehr auf dich zu achten. Wenn du weiter so machst, wirst du noch krank und dann kannst du weder zum College, noch deinem Job nachkommen.“ Mimi starrte geknickt auf ihre Füße und wusste anscheinend nicht, was sie sagen sollte. Denn sie wusste, dass ich recht hatte. „Außerdem …“, fügte ich noch grinsend hinzu und stieß sie sanft in die Seite, um die Stimmung etwas aufzulockern „… stehen dir Augenringe gar nicht. Mal ehrlich, das sieht richtig verboten aus. Wenn du so vor die Tür gehst, machst du den Kindern noch Angst.“ Mimi lachte auf und stieß mich deutlich härter mit ihrem Ellenbogen zurück. „Du Idiot“, kicherte sie, ehe sie sich unvermittelt an meinen Arm klammerte und ihren Kopf auf meiner Schulter sinken ließ. Ihr rosiger Duft stieg mir erneut in die Nase und am liebsten hätte ich sie geküsst. „Du, Tai?“, fragte sie plötzlich leise. „Mmh?“ „Immer, wenn ich nicht schlafen kann, komme ich hier raus und schaue mir die Sterne an. Und dann … dann denke ich an dich.“ Mein Atem stockte und mein Herzschlag setzte eine Sekunde aus. Wow. So etwas Schönes hatte sie mir noch nie gesagt. Mein Blick folgte ihr nach oben in den wolkenlosen Sternenhimmel. „Das heißt also, du denkst jede Nacht an mich?“, neckte ich sie grinsend. Ich spürte, wie sie nickte. „Findest du das schlimm?“ „Nein, überhaupt nicht“, gestand ich. „Dann denkst du mindestens genauso oft an mich wie ich an dich.“ Mimi antwortete nicht, sondern sah einfach in die Sterne. „Findest du das schlimm?“, wiederholte ich ihre Frage, aus Angst, irgendetwas Falsches gesagt zu haben. Sie hob ihren Kopf und sah mich an. Ein Lächeln zierte ihr hübsches Gesicht. „Nein“, sagte sie leise. „Ich habe mir immer gewünscht, dass es dir genauso geht. Ich weiß nur nicht, was ich machen soll, wenn du in zwei Tagen einfach wieder verschwindest.“ Dieser Gedanke traf mich genauso hart wie sie. Wir wussten beide, dass unsere Zeit begrenzt war. Dass unsere Gefühle ein Ablaufdatum hatten. Ich betrachtete die Sterne, die lächelnd auf uns hinab leuchteten. Warum machten wir uns eigentlich so viele Gedanken? Wir waren doch hier. Jetzt gerade. In diesem Moment. Und ich wollte nicht, dass irgendetwas diesen Moment trübte – auch nicht der Gedanke, bald wieder ohne sie sein zu müssen. „Sieh mal da“, meinte ich und deutete nach oben. Mimi hob den Kopf etwas weiter an. „Wo?“, fragte sie verblüfft, doch dann weiteten sich ihre Augen vor Begeisterung. „Eine Sternschnuppe!“ „Schnell, schließ die Augen und wünsch dir was.“ Mimi setzte sich gerade hin, aufgeregt wie ein kleines Kind und schloss pflichtbewusst die Augen. Dann lächelte sie. „Meinst du, Wünsche können irgendwann in Erfüllung gehen? Auch wenn sie noch so abwegig sind?“ Ich nahm ihre Hand in meine und verschränkte unsere Finger miteinander. Sie öffnete ihre Augen und sah mich hoffnungsvoll an. „Ich denke, Träume können wahr werden, wenn wir es uns nur stark genug wünschen. Du kannst alles im Leben haben, wenn du bereit bist, dich deinen Träumen ganz hinzugeben“, sagte ich. „Ich will mit dir zusammen sein!“, sprudelte es plötzlich aus ihr heraus. Völlig perplex sah ich sie an. „Was?“ „Ich will mit dir zusammen sein, Tai!“, wiederholte sie noch einmal mit Nachdruck. Entschlossenheit leuchtete in ihren Augen auf und machte mich sprachlos. Wie machte sie das nur? Dieses Mädchen brachte es einfach fertig, mich seit einem Jahr völlig um den Verstand zu bringen. So sehr, dass ich sogar jegliche Vernunft über Bord geworfen und zu ihr geflogen war. Und jetzt … Jetzt, wo sie vor mir saß, mich mit ihren großen, haselnussbraunen Augen ansah, mir diese Worte entgegen schleuderte … ließ sie mein Herz noch höherschlagen und jeglicher noch so vernünftige Gedanke zerfiel zu Sand. Ohne nachzudenken legte ich eine Hand an ihre Wange und beugte mich zu ihr. Ihre weichen Lippen trafen auf meine und ich wusste nicht, wann ich mich jemals so vollkommen gefühlt hatte. Mit ihr schien alles so leicht und perfekt und erst jetzt bemerkte ich wirklich, wie sehr sie mir gefehlt hatte. Als wäre die ganze Zeit über ein Teil von mir fort gewesen. Und eben hatte ich ihn wiedergefunden. Wir küssten uns noch eine ganze Weile unter den Sternen und ich genoss ihre Wärme. Sog jede einzelne Berührung in mir auf, als wäre es unser erster und gleichzeitig unser letzter Kuss. Als müsste ich die Zeit anhalten. Doch irgendwann zwang ich mich dazu, mich von ihr zu lösen. Ich blickte auf ihre vom Küssen geschwollenen Lippen und fuhr sanft mit dem Daumen darüber. „Das war … unglaublich. Und ich würde gern die ganze Nacht lang mit dir hier sitzen und dich unter den Sternen küssen. Aber …“ „Aber?“, lächelte Mimi und strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr. Ihr Atem streifte meine Haut. Sie war mir immer noch so nah, dass es mir unfassbar schwerfiel, sie nicht noch mal zu küssen. Dennoch stand ich auf. Verdutzt sah Mimi zu mir hoch. „Was hast du vor?“ „Das einzig Vernünftige“, grinste ich und hielt ihr meine Hand entgegen. „Ich werde dich jetzt zwingen ins Bett zu gehen. In dein Bett. Und dann werde ich dafür sorgen, dass du endlich ein Auge zu machst.“ Mimi schüttelte grinsend den Kopf, legte aber trotzdem ihre Hand in meine und ließ sich von mir hochziehen. „Na gut. Aber nur, wenn du mir noch einen Gute Nacht Kuss gibst.“ Mit einem Ruck zog ich sie an mich und schloss sie in meine Arme. „Das lässt sich einrichten.“ “Dreams do come true, if only we wish hard enough. You can have anything in life if you will sacrifice everything else for it.” ― J.M. Barrie, Peter Pan Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)