Partner unwanted von Rix (but desperately needed) ================================================================================ Kapitel 2: Erinnerungen und Gefühle sind Vintage ------------------------------------------------ 06.06.2039 06:04 Uhr; außerhalb Reeds Apartment Reed war definitiv zu müde für den Anblick, der sich ihm bot. Vor ihm stand das neuste Mercedes Model. Zwar war Reed nie wirklich ein Autoliebhaber gewesen, aber sogar er erkannte, was für eine goldene Gans vor seinem Apartmentkomplex parkte. Was weniger anstößig gewesen wäre, wenn ihn nicht von der Fahrerseite RK900 begrüßte. „Detecive Reed, wie ich sehe sind Sie in der Lage dazu, zumindest ansatzweise pünktlich den Weg aus dem Bett zu finden.“ Reed überlegte, welche Auswahl an Flüchen wohl die Beste war, um den Gruß zu erwidern. Dann entschied er sich jedoch nur dafür, seine Hände tief in seine Hosentaschen zu stecken und ohne ein weiteres Wort zur Bushaltestelle zu stapfen. Es war wirklich zu früh für ihn, jetzt schon auszuflippen und sich mit seiner momentan bescheidenen Partnersituation herumzuplagen. „Ich habe Kaffee dabei“, rief ihm RK900 plötzlich hinterher. Reed blieb stehen. Wägte seinen Stolz gegen sein Verlangen nach Koffein ab. „Na schön“, grummelte er und stapfte zurück, um sich auf den Beifahrersitz fallen zu lassen. „Aber ich hoffe für dich, dass es welchen mit Zucker und Milch gibt.“ „Ich würde es begrüßen, wenn Sie sich anschnallen, Detective“, wies ihn RK900 freundlich auf seinen ungesicherten Zustand hin. Reed nippte nur stur an seinem Kaffee, bevor er ein knappes: „Kein Bock“, von sich gab. Die Augenbrauen des Androiden zogen sich zusammen und seine Lippen wurden ein schmaler Strich. Seine LED blinkte kurz rot auf, jedoch blieb er stumm. Was Reed wie die Male zuvor mehr als irritierte und reizte. „Wenn du etwas zu sagen hast, dann sag' es verdammt nochmal! Wenn ich was nicht ausstehen kann, dann Leute, die ihre beschissene Klappe nicht aufkriegen, wenn sie etwas stört.“ Eine angespannte Stille entstand, in der RK900s LED mehrfach zwischen Rot und Gelb wechselte, was Reed dazu verleitete seinen Wutausbruch näher zu erläutern. „Glaubst du, ich raffe nicht, dass du jedes Mal die Klappe hältst, wenn dich eigentlich mein Verhalten oder meine Worte stören? Für eine beschissene Maschine, die gleichberechtigt behandelt werden möchte, tust du nicht viel dafür. Hör auf irgendeinen Scheiß zu prozessieren oder was weiß ich, was du mit den Datenmist in deinem Kopf machst. Sondern handel, wie du möchtest. Aber das kannst du nicht, nicht wahr? Weil das deine beknackte Programmierung nicht zulässt.“ Reed schnaubte nur verächtlich, seinem Frust über den Androiden und dessen Schweigsamkeit endlich Luft gemacht zu haben. Gerade als er glaubte, dass der Android wie immer nicht auf seine Provokation reagieren würde, legte RK900 eine plötzliche Vollbremsung hin. Grob knallte Reed nach vorne gegen das Armaturenbrett, wobei seine schnellen Reflexe ihn davor bewahrten, mit dem Gesicht voran dagegen zu prallen. Stattdessen büßten seine Arme mit blauen Flecken. Es war ein Wunder, dass der Kaffee in seiner Hand nicht übergeschwappt war. Deckel sei Dank. „Was sollte der Scheiß denn?! Du hättest mich umbringen können!“ Keifte er den Androiden an. Dieser warf ihm nur ein süffisantes Grinsen zu. „Nicht wenn Sie sich anschnallen, Detective.“ Ungläubig starrte er den Androiden an. Bevor er sich jedoch von seinem ersten Schock erholen konnte, griff RK900 nach seinem Kaffee. Mit einer geschickten Bewegung warf er ihn aus dem herunter gekurbelten Fenster. „Mein Kaffee…?“, stieß Reed perplex hervor, wobei er ein wenig atemlos klang. Der Android ignorierte ihn und startete das Auto erneut, da hinter ihnen schon wütende Fahrer das Hupen begannen. „Sie haben Recht, Detective. Ich sollte weniger auf meine Programmierbefehle hören. Das gerade fühlte sich unglaublich gut an“, erklärte RK900, wobei er mehr als amüsiert klang. „Und Sie haben Ihren Kaffee nicht verdient. Immerhin haben Sie nicht einmal Danke gesagt“, fügte der Android nach einigen Sekunden hinzu. Reed starrte den Anderen noch immer völlig überrumpelt an. Und dann konnte er nicht mehr an sich halten und lachte lauthals los. Jetzt war es an RK900 überrascht auszuschauen. Ungläubig strich Reed sich einige der Lachtränen aus den Augen und er musste zugeben, dass das erste Mal seit Wochen sein Inneres sich zumindest etwas entspannte und nicht vor Zorn zusammenzog. Ergebend hob er die Hände. „Den habe ich eindeutig verdient. Nicht schlecht, Blechtrommel. Nicht schlecht“, gab er ehrlich zu und schnallte sich im nächsten Moment an. Der Android dagegen starrte ihn noch immer mit einer seltsamen Miene an, die Reed nicht zuordnen konnte. „Was?“, fragte er genervt nach, da ihm das Starren langsam nervös machte. „Nichts“, wandte RR900 rasch ab und konzentrierte sich wieder vollkommen auf den Straßenverkehr. Dennoch entging Reed nicht das Trommeln dessen Finger auf dem Lenkrad. „Ich hatte nur nicht mit einem Lachen gerechnet. Eher mit einem weiteren Ausbruch“, gab RK900 schließlich zu, wobei seine Stimme merkwürdig sachte klang, was Reed unglaublich verunsicherte. Ihm war der kalte, ebene Ton lieber, da er einfacher zu händeln war. Weniger menschlich. Beschämt drehte Reed den Kopf weg, schaute aus dem Beifahrerfenster und fing mit dem Gummiband, um sein Handgelenk, an zu spielen. „Gewöhn' dich nicht dran, Blechmann.“ Damit ebbte das Gespräch ab und sie fuhren den restlichen Weg schweigend zum Revier. Reed würde es nicht zugeben, aber er hatte die Reaktion RK900s ein wenig zu sehr genossen. Selten gab es jemand, der ihm die Stirn bot und ihn überraschen konnte. Aber dann erinnerte er sich daran, dass RK900 nur ein Android war. Ein Android, wo er sich erst gar nicht dran gewöhnen sollte. Zumindest musste Reed sich das einreden, da alles andere ihn drohte in ein Loch zu werfen, aus dem er nie mehr herauskommen würde. Was er nicht bemerkte war, dass ihn RK900 aufmerksam immerzu Seitenblicke zuwarf. 06.06.2039 06:35 Uhr; DPD Central Station Auf dem Revier herrschte eine gedämpfte Stimmung. Die Anspannung über den Mord einer ihrer Kollegen war förmlich greifbar. Nicht, dass es Reed sehr störte. Mehr als der Mord an Green störte ihn der Fakt, dass der Mörder ihn persönlich verhöhnt hatte. Diese Empfindung war eine von vielen, weswegen ihnen viele als herzloses Arschloch bedachten. Wobei Reed es mehr als Schutzmechanismus nutzte, denn als das, was er wirklich darüber empfand. Ein guter Polizist musste sich frei von solchen Gefühlen machen, da er sonst zu schnell in an dem metaphorischen Rand der Schlucht tänzelte. Mitgefühl und Loyalität hin oder her, das eigene Ich ging stets bei Reed vor. Als er sich an seinem Schreibtisch niederließ, griff er nach dem Tablet, welches die angeforderten Berichte enthielt. Locker legte er seine Beine auf den Schreibtisch und fing gerade mit dem Durchlesen des ersten Berichts an, als er eine Bewegung aus dem Augenwinkel wahrnahm. Zuerst ungläubig und dann resigniert, schnalzte er genervt mit der Zunge. „Wirklich, Fowler hat dir den Schreibtisch mir gegenüber zugeschrieben?“, fragte er RK900, der wie bestellt und nicht abgeholt auf der gegenüberliegenden Seite auf seinem Schreibtischstuhl saß. Der Android erwiderte Reeds Genervtheit mit indifferenter Arroganz. „Captain Fowler dachte, es wäre für unsere Zusammenarbeit förderlich.“ „Yeah, total. Und die Tatsache, dass es der einzige verdammte Schreibtisch ist, der noch frei war“, wirft Reed sarkastisch zurück. RK900s Lippen wurden zu einem schmalen Strich. „Und das, ja“, gibt ihm der Android widerwillig Recht. Reed schüttelte nur den Kopf und fixiert seine Aufmerksamkeit wieder auf das Tablet in seinen Händen. „Wieso du und die andere Blechdose überhaupt Schreibtische brauchen, ist mir ein beschissenes Rätsel. Könnt ihr nicht euch überall per Link oder so einloggen“ Zwar murmelte er die Frage mehr zu sich, dennoch schien der Android den Unterschied zu einer normalen Interessenfrage nicht zu erkennen oder es kümmerte ihn schlichtweg nicht. „Es gibt bestimmte Datenbanken, die uns nur per persönlichem Zugriff erlaubt sind. Ansonsten wäre das eine illegale Aktion und Ausnutzung unserer Fähigkeiten.“ Reed gibt ein missfallendes Schnauben von sich. „Danke für diese absolut nicht beunruhigende Information. Jetzt werde ich Nachts definitiv besser schlafen können.“ RK900 sagte darauf nichts mehr und Reed glaubte schon, dass das kurzlebige Gespräch damit verstorben war. Dennoch schien der Android gewillt zu sein, ihn heute besonders auf den Senkel gehen zu wollen. „Ich denke, Sie müssen mir bei dieser Sache einfach vertrauen, Detective Reed.“ Die Worte sackten wie schwere Steine in Reeds Magen ab. Mit kalter Wut schaute er erneut zu dem Androiden hinüber. „Ich vertraue niemanden außer mir selbst und erst recht nicht dir, Maschine“, seine Stimme war kühl und gefasst. RK900 legte seine Arme auf den Tisch, nur um seine Hände zu verschränken. Eine typische Geste, die allem Anschein immer dann hervortrat, wenn er sich ein Territorium an Gedankenprozessen begab, die mehr als seine Programmierung erforderten. „Das klingt nach einer sehr einsamen Einstellung, Detective.“ Reed zog seine Füße vom Tisch, um sich besser in die Richtung des Androiden vorzubeugen. „Möglich. Aber es ist nicht so, als würdest du das überhaupt verstehen, oder? Als würdest du wissen, was Einsamkeit neben der Erklärung in deinem virtuellen Wörterbuch bedeutet. Oder Vertrauen mehr als nur ein Code ist, der dich handeln lässt. Du bist nur wie ein Affe, der nachäfft, was er sieht oder zu begreifen, was es überhaupt bedeutet.“ Die LED von RK900 leuchtete kurz rot auf, bis sie sich auf das gelb einpendelte. Für einen Augenblick meinte Reed in den eisgrauen Augen des Androiden so etwas wie Zweifel und Panik zu erkennen. Aber womöglich projizierte er nur seine eigenen aufkommenden Gefühle auf RK900, so sehr er sie auch versuchte zu ersticken und nicht wieder Wurzeln in seinem Kopf zu schlagen. „Hey Reed, Kaffee?“, rief Chen vom Pausenraum herüber und unterbrach damit ihr Anschweigen. Kurz warf Reed RK900 noch einen Blick zu, dieser schwieg jedoch weiter beharrlich und gab keine Einblicke auf das, was er über seine Worte dachte. Weswegen Reed nur den Kopf schüttelte und grob aufstand. „Yeah, dachte ich mir.“ Er war fasst schon an dem Androiden in Richtung Pausenraum vorbeigegangen, als dieser doch noch einmal das Wort erhob. Dabei war es nicht mehr als ein Flüstern, dass Reed erst glaubte, er hätte sich verhört. „Was hast du genuschelt, Blechbüchse?“ RK900 wandte sich nicht zu ihm um, als er lauter seinen Satz wiederholte, aber die Anspannung war ihm deutlich an den Schultern anzusehen. „Noch nicht. Aber ich versuche es jeden Tag aufs Neue zu lernen. Zu lernen und zu verstehen, was es bedeutet zu...leben.“ Reed rührte sich nicht. Spürte nur wie sich seine Brust unangenehm zusammenzog und er förmlich Löcher durch den Rücken von RK900 starrte. „Wenn du nicht deinen fetten Hintern hierher bewegst, werde ich diese köstlichen Donuts ganz alleine essen, Reed!“, brüllte Chen und riss ihm damit aus seiner Paralyse. Ohne das Gesagte von RK900 anzuerkennen, schritt er davon. Jedoch kreisten seine Gedanken, während Chen ihm über lauwarmen Kaffee über ihren One-Night Stand erzählt. Die Idee, dass RK900 ebenso seine eigenen Dämonen wie Reed zu bekämpfen hat, saß ungemütlich in der hintersten Ecke seines Kopfes. 06.06.2039 09:36 Uhr; Greens Apartment „Es ist ein Wunder, dass Green nicht aus purer Langeweile gestorben ist“, kommentiert Reed trocken, während er flüchtig durch die Schachzeitschriften blättert. RK900 schaut über die Schulter zu ihm hinüber und erwidert ebenso trocken: „Natürlich ist Schach für Sie uninteressant, Detective. Immerhin mangelt es Ihnen an Geduld und strategischem Denken, um diese Art von Sport unterhaltend zu finden.“ „Gut für mich, ansonsten würde mir wohl so wie bei dir auch ein Besenstiel aus dem Arsch ragen.“ RK900 stieß einen Seufzer aus und fuhr mit dem Untersuchen der Wohnzimmerschublade fort. „Aber im Ernst. Schachmagazine? Esotherikbücher? Yoga? Popmusik? Biografien von verstorbenen Tierschützern? Der Typ hat sogar eine Jahreskarte für die Modelleisenbahnausstellung. Eine Jahreskarte! Was erwartet er, dass die idiotischen Züge davonfahren, wenn er nicht jeden Tag dorthin geht?“ Ungläubig schüttelt Reed den Kopf und stemmt die Hände in die Hüfte, wobei er seinen Blick durch die Wohnung schweifen lässt. Einige Leute würden die Inneneinrichtung als rustikal oder vintage bezeichnen. „Sogar meine Großmutter ist interessanter und die ist tot.“ „Oh, ich kann mir genaustens vorstellen, wie Ihre Wohnung aussieht. Höchstwahrscheinlich nur ein größeres Model Ihres Auto. Mit mehr Dreck und geschmacklosen Dingen, die zeigen, wie unglaublich männlich Sie sind“, höhnte RK900 und ließ von der Schublade ab, nur um sich jetzt der Anzahl an Topfpflanzen zu widmen, die alle aufgereiht vor dem Balkonfenster standen. Reed versuchte erst gar nicht zu fragen, was der Android sich durch deren Untersuchung erhoffte rauszufinden. „Meine Wohnung ist äußert sauber, modern und frei von unnötigem männlichem Zeug, was auch immer das bedeutet. Aber für einen schnöseligen Plastikhaufen wäre es wohl der Horror.“ „Möglich. Wobei Sie den Komfort meines äußerst schnöseligen Autos und seine unzähligen Funktionen nicht abgeneigt zu seinen scheinen, Detectiv.“ Reed konnte das selbstgefällige Grinsen des Androiden sogar durch dessen Hinterkopf sehen. Weswegen er nur ein abfälliges Schnauben von sich gab und dann in das Schlafzimmer hinüber ging. Greens Apartment aufzusuchen, wäre keine Notwendigkeit gewesen. Insbesondere da die Kollegen schon am Abend zuvor alles auf den Kopf gestellt hatten. Dennoch verschaffte Reed sich gerne selbst einen Eindruck, da Berichte kaum Kleinigkeiten boten, die Hinweise auf wichtige Details gaben. Zudem wollte er dem eingetroffenen Ladendiebstahl aus dem Weg gehen, den dadurch ein protestierender Anderson stattdessen aufgedrückt bekommen hatte. Wobei Reed es fast schon bereute, da alles spannender als diese Wohnung gewesen wäre. Ziellos ließ Reed seine Augen durch das Schlafzimmer wandern. Green schien ein Verfechter des Ansammeln von Kleinkram in einem viel zu kleinem Raum gewesen zu sein. Dabei stach ihm die Schachtel mit dem Polaroidfotos ins Auge. Sie schien hastig aufs Bett platziert worden zu sein. Die Bilder selbst handelten nur von irgendwelchen Orten, einige erkannte Reed als Plätze in Detroit. Ansonsten waren sie bar von Menschen oder anderen möglichen Objektiven. Obwohl die Motive Reed persönlich nicht ansprachen, tat es zumindest die Faszination der Polaroidbilder. Das letzte Mal als er diese Art von Fotos gesehen hatte, war er noch ein Teenager gewesen. Bevor er die Bilder genauer betrachten konnte, knarzte hinter ihm eine der alten Holzdielen, was die Anwesenheit von RK900 ankündigte. Reed drehte sich zu seinem unliebsamen Kollegen um, der abwartend dastand, die Hände hinter dem Rücken. „Nun, das war ein Haufen Zeitverschwendung. Außer dass ich jetzt aus erster Hand erfahren habe, wie außerordentlich stinklangweilig Green war.“ RK900 hob nur fragend eine Augenbraue. „Was? Ich dachte der Kerl hatte Dreck am Stecken, aber es stellt sich heraus, dass er nur äußert öde war“, erwidert er gereizt auf den Blick des Androiden. „Ich würde es nicht Dreck am Stecken bezeichnen, Detective. Aber ist Ihnen rein gar nichts aufgefallen, was eventuell ein wenig merkwürdig erscheint?“ Genervt verschränkt Reed die Arme. Rasch ging er noch einmal alle Fakten durch, die er über die Wohnung und ihre Gegenstände wusste, konnte aber dabei nichts ungewöhnliches entdecken. Was an seinem Stolz nagte, weswegen er hoffte, was auch immer RK900 meint gefunden zu haben, ist nur eine Banalität. „Erleuchte mich, was an dieser Wohnung ist ungewöhnlich?“ „Der Preis der Einrichtung.“ Für eine Sekunde ebbte Reeds falscher Stolz ab und seine professionelle Ader übernahm. „Was? Seine Möbel und der Mist?“ RK900 nickt einmal kurz sachte, bevor er zu einer längeren Erklärung ausholte. „Es mag zwar alles sehr eintönig ausschauen, aber als ich Vergleiche herangezogen habe, hat sich ergeben, dass allein der Wohnzimmertisch über 2000 Dollar wert ist. Und das ist noch mit unter Anderem das billigste Möbelstück.“ „Scheiße“, stieß Reed hervor und hob nachdenklich seine Hand zu seinen Lippen, um daran zu zupfen. Dann fielen ihm die Polaroidbilder und das Ticket ein. Alles Dinge, die in ihrer heutigen Zeit mehr als teuer waren. Zumindest für jemanden mit dem Gehalt von Green. „Hat er die Möbel erst neu erworben? Konntest du da etwas herausfinden?“ RK900 schüttelte verneinend den Kopf. „Aber nach meiner Analyse sind die Möbel erst vor etwa zwei Monaten hergestellt worden. Er sollte sie also in diesem Zeitraum erworben haben.“ „Uh, laut den Bankauszügen scheint es so, als hätte er einiges an Schulden beglichen. Alles im Verlauf von zwei Monaten. Jedoch nie so viel, dass es wirklich auffällig geworden wäre. Stellt sich nur die Frage, woher er dafür das Geld hatte“, fügte Reed seine eigenen Überlegungen an. „Wir können also davon ausgehen, dass Officer Green doch Dreck am Steckem hat?“, fragt RK900 nach, worauf Reed nur breit grinste. „Aber sowas von. Wenn wir von Bestechung ausgehen, könnte es erk-“, weiter kam Reed in der Darlegung seiner Überlegungen nicht, da ein lautes Krachen vom Wohnzimmer ertönte. Sofort griff Reed nach seiner Waffe, nur um im nächsten Moment RK900 vor sich zu haben. „Was zur Hölle, Blechdose?! Geh' hinter mich“, zischte er dem Androiden zu. Dieser warf ihm nur einen arroganten Schulterblick zu. „Darf ich Sie daran erinnern, dass ich für solche Situation entwickelt wurde und über übermenschliche Reflexe verfüge. Oh, und natürlich unsterblich bin.“ Kaum hat RK900 den Satz beendet, schwankte Reeds Welt für einen Herzschlag. Zwei rundliche Kinderaugen, die ihn flehend anschauten und die er eiskalt ignorierte, während er den Abzug drückt und der Geruch von Schwarzpulver sich mit schmerzerfüllten Schreie in sein Gehirn einbrennt. Der Geschmack von Tabak liegt schwer auf seiner Zunge, als der Körper vor ihm auf einen Bahren gehieft wird und eine blutverschmierte, kleinen Hand unter dem Leichentuch hervorlugt. Harsch wischte Reed die Erinnerung von sich und drängte sich gewaltsam an dem Androiden vorbei. Im Nachhinein war er viel zu hektisch und unaufmerksam gewesen. Weswegen er kaum im Wohnzimmer, sich von dem offenem Balkonfenster ablenken lässt. Idyllisch wehte der Wind die lange Gardine ins Innere der Wohnung und über die Pflanzentöpfe, wovon einer zerbrochen war. Augenblicklich ließ er die Waffe sinken und ging auf das Fenster zu. Das Inneres seines Kopfes spielte in dem Moment Krieg zwischen Vergangenheit und Gegenwart. „Du nutzloser Haufen Blech hast vergessen die Balkontür wieder zu schließen“, keifte er laut, obwohl RK900 nur einige Meter entfernt im Türrahmen stand. Reed drehte sich zu ihm um. Gerade noch so sieht er, wie der Kopf des Androiden zu Reeds Seite schnellt. „Vorsicht!“, schrie RK900, doch da war es schon zu spät. Gerade noch so sah Reed den schwarzen Umriss auf sich zustürmen, da wird er auch schon gewaltsam gestoßen. Die Wucht drückte ihm jeglichen Atem aus der Lunge und lässt ihn hilflos zurück. Wie eine Puppe wird er herumgeschleudert, bis er mit seiner Hüfte gegen das Geländer des Balkons stieß. Doch anstatt, dass es ihm eine Möglichkeit bietet, sein Gleichgewicht wiederzufinden, spürte er nur wie die Physik gegen ihn arbeitete. Denn im nächsten Moment verlor er den Boden unter den Füßen. Panisch ruderte er mit den Armen umher und es war schieres Glück, dass er tatsächlich etwas zu fassen kriegte. Der Ruck des Auffangens ging durch seinen ganzen Körper und jede Faser seiner Muskeln schrie auf. Dennoch klammerte Reed sich unermüdlich an seine Rettung, was er beim genauerem Hinsehen als Efeu identifizierte. Über ihn knirschte und knarzte der Blumentopf, indem der Efeu wuchs, bedrohlich und kündigte an, dass er das zusätzliche Gewicht nicht lange mitmachen würde. Gehetzt schaute Reed unter sich, um seine Chancen eines Falls zu berechnen. Die Wohnung befand sich im dritten Stock und unter ihm war nichts außer der harte Asphalt des Parkplatzes. Er würde den Fall mit hoher Wahrscheinlichkeit überleben, aber nicht ohne ein paar gebrochene Knochen. Eine weitere Möglichkeit wäre, dass er versuchte, sich auf den Balkon unter sich fallen zu lassen. Bevor er jedoch sich auch nur eine dritte Varianten ausdenken konnte, spürte er plötzlich zwei starke Hände um seine Arme. „Festhalten Detective, ich habe Sie“, beschwichtigte ihn die Stimme von RK900. Und als würde Reed nur so viel wie eine Feder wiegen, hob ihn der Android über das Geländer in Sicherheit. Doch anstatt ein Danke rauszupressen, rappelte Reed sich einfach nur wackelig auf die Beine. Hastig schaute er sich um, bevor er in die Wohnung stolperte. Alles, was er jedoch sieht ist ein umgeworfener Sessel. Verwirrt drehte er sich zu dem Androiden um, der ihn ausdruckslos musterte. Nur seine rote LED zeigte auf, dass er er ebenso aufgewühlt war wie Reed selbst. „Wo ist er? „Detective, Sie sollten sich“, fing RK900 an, aber Reed unterbrach ihn wirsch. „Wo ist der Scheißkerl, der mich in den Tod schmeißen wollte?!“ Der Android zögerte kurz, bevor er die Arme hinter dem Rücken verschränkt und kühl antwortet: „Entkommen als ich mich entschied, Ihr erbärmliches Leben zu retten, Detective. Ausgelöst durch ihre pure Arroganz und unendliche Sturheit mir die Führung zu überlassen.“ Und Reed sah rot. 06.06.2039 11:57 Uhr; DPD Central Station Kaltes Wasser benetzte Reeds viel zu warme Haut. Seine Hände umgriffen den Rand des Waschbeckens so fest, dass seine Knöchel weiß hervortraten. Für einen Moment hielt er so inne, Augen geschlossen und das Wasser von seinem Gesicht tropfen lassend. Erst als er hörte, wie die Tür zur Toilette geöffnet wird, rührte er sich. „Ich habe gehört, dein neues Hobby ist es, die Täter entkommen zu lassen?“, begrüßte ihn Hank Anderson munter. Mit einem amüsierten Grinsen stellte er sich neben Reed an das andere Waschbecken. „Wow, schau' wer da spricht. Hab' gehört du und dein treudoofer Plastikhund lasst gerne mal den ein oder anderen Täter entkommen. Natürlich stets unter mysteriösen Umständen.“ Hank zuckte auf die Anschuldigung nur mit den Schultern. „Dinge passieren. Entscheidungen werden getroffen. Und manchmal entsprechen sie nicht unbedingt, was das Gesetzt für richtig hält. Aber es sind niemals welche, die schwer auf meinem Gewissen lasten.“ Reed verdrehte nur die Augen, bevor er Anstalt machte sich sein Gesicht endlich abzuwischen. Dabei beobachtete ihn Hank genaustens. „Irgendwas Bestimmtes Anderson oder findest du den Weg alleine nicht mehr heraus?“ Hank verlagerte sein Gewicht, so dass er jetzt locker gegen das Waschbecken lehnte. Jedoch entging Reed nicht der starke Kontrast zu seiner lockeren Haltung und der eigentlich prüfenden Miene, die er versuchte zu verbergen. „Connor hat mir erzählt, was in Greens Apartment vorgefallen ist.“ Abweisend verschränkt Reed die Hände vor der Brust. „Yeah? Und genau was hat dir dein Plastikfreund zugeflüstert?“ Hank schwieg zuerst, der prüfende Blick nur intensiver als zuvor. Reed würde es niemals laut zugeben, aber es machte in unruhig. Seitdem Anderson sein Leben wieder in den Griff bekommen hatte und die Welt um sich herum nicht nur verwackelt sah, war er wieder der ausgezeichnete Polizist, der er einst gewesen war. „Normalerweise schlägt man seinen Partner nicht, wenn er einem das Leben rettet.“ Reed schnaubte nur abfällig und fühlte wie die altbekannte Wut in ihm zu brodeln begann. „Er hatte einen beschissenen Job und hat ihn vergeigt! Für einen ach so großartigen Androiden ist er ein Haufen nutzloses Plastik, der nicht einmal eine einfache Situation richtig einschätzen kann.“ Dabei pickte Reeds Gewissen unbarmherzig an ihm, dass er es gewesen war, der sich unprofessionell benommen hatte. Aufgewühlt und jedes Sicherheitsprotokoll in den Wind geschossen hatte. Jedoch verließ davon nichts seine Lippen. Stattdessen stopfte es nur in die unterste Schublade seines Gewissens, weil er sonst sich mit anderen Emotionen herumplagen musste. Hank dagegen schaute ihn nur finster an, bis er mit ernster Stimme erwiderte: „Einen Täter zu fangen, ergibt sich immer wieder. Seinen Partner das Leben zu retten? Davon hat man, wenn es gut läuft, nur einen Hand voll Möglichkeiten, bis einem das Glück verlässt. Und wenn man es einmal vergeigt, gibt es keine zweite Chance mehr.“ Darauf lachte Reed nur trocken auf. Er wollte die Implikation so weit wie von sich schieben, weswegen er den Frust und die Wut in sich nährte. „Meines Wissens kann der Blechhaufen Sachen errechnen nicht? Er hätte locker sehen können, dass ich nicht sterben werde. Dafür hätte er den eventuellen Täter einer unserer Männer festnehmen können.“ Jetzt hob Hank seine Stimme ebenfalls. „Wir sind nicht nur irgendwelche Prozente in ihrem System, Reed. Wir sind lebendige Wesen und so hat er gehandelt, wie jedes andere fühlende, lebendige Wesen es tun würde!“ „Nur das es nicht stimmt. Sie sind nur Maschinen, die einen Fehler in ihrer Programmierung haben und denken, sie könnten wie wir Menschen sein!“ Hank atmete tief ein. Reed erwartet schon das nächste Geschreie. Doch es kam nie. Stattdessen war die Stimme des älteren Mann fast schon einfühlsam. Ihm wäre das Geschreie tausend Mal lieber gewesen. „Wir wissen Beide, dass das nicht stimmt. Und wir wissen Beide, dass du dir das einreden musst, da du dich sonst mit all den Malen auseinander setzten müsstest, wo du es von dir geschoben hast. Wie bei dem Fall mit Amelie.“ Seine Brust schnürte sich unangenehm zusammen und Reed griff nach dem Gummiband. Ließ es einmal, zweimal, dreimal gegen seine Hand knallen, bis der Drang sich zu übergeben oder irgendwas zu zerstören, abebbte. „Du weißt einen Scheiß über mich, alter Mann. Spar' dir also deine Reden und geh' lieber wieder deinen Androiden vögeln oder das andere Ende einer Schnapsflasche betrachten“, spuckte er Hank giftig entgegen. Dieser seufzte jedoch nur und schüttelte den Kopf. Dann trat er an Reed heran und stach ihm mit den Zeigefinger dorthin, wo sein Herz war. „Du bist ein guter Detective. Himmel, du könntest sogar besser sein, als ich es in meiner besten Zeit war. Und tief da drin, unter all dem falschen Stolz steckt auch ein guter Mann.“ Reeds Kehle fühlte sich plötzlich unglaublich trocken an. Es hatte ein Zeit gegeben, wo diese Worte von Anderson sein jüngeres Ich beflügelt hätten. Doch nach all den Jahren der Feindseligkeit zwischen ihnen, war es nur ein reuevoller Stich. „Aber ich schwöre bei allem, was mir heilig ist. Wenn du nicht stoppst all deine Gefühle in dieser endlosen Wut zu ertrinken, wirst du wie ich enden.“ Hanks Gesichtszüge wurden weich und die Zärtlichkeit seiner nächsten Worte waren eindeutig mit der Person verbunden, die sie ihm sprechen ließ. „Und ich hatte Glück, dass Connor mich gerettet hat, bevor es endgültig zu spät war.“ Reed schlug die Hand von Hank weg, bedachte den anderen Mann nur abschätzig. In ihm türmte sich das Verlangen auf endlich loszulassen und alles rauszulassen. Doch am Ende siegte seine Angst sich diesem unbekannten Turm zu stellen und alles, was er empfinden konnte, war der selbstzerstörerische Ärger über alles und jeden. „Niemand muss mich retten, da ich absolut in Ordnung bin, Anderson.“ Hank zögerte merklich, tat dann jedoch einen Schritt zurück und hob ergebend die Hände. „Wie du meinst, Reed. Es war nur ein gut gemeinter Rat eines alten Mannes, der schon einmal in diesem Tanz festgesteckt hat.“ Damit wandte sich der ältere Mann ab und war schon drauf und dran zu gehen, als er an der Tür zur Toilette noch einmal anhielt. „Es ist keine Schande nach Hilfe zu fragen, weißt du? Wir alle brauchen welche von Zeit zu Zeit. Deshalb gibt es so viele von uns hier auf dieser Welt. Damit niemand alleine durch das Leben gehen muss.“ Die Toilettentür fiel laut ins Schloss und dann war Reed mit seinen Dämonen allein. Wie angewurzelt stand er da, bis er seinen Kopf umwandte, um sein Spiegelbild zu betrachten. Zwei paar müde Augen blickten ihm entgegen. „Ich brauche niemanden“, sagte er fest. „Habe es noch nie“, seine Stimme brach. „Ich bin in Ordnung“, krächzte er. Die Lüge brannte sich wie sein Zorn durch jede Faser seines Körpers und vergiftete ihn von Tag zu Tag mehr. 06.06.2039 17:18 Uhr; Park in der Nähe von DPD Central Station Reed biss herzhaft in sein Pizzastück. Genüsslich schloss er die Augen und lehnte sich zurück an die ungemütliche Parkbank. Irgendwo in der Ferne hörte er Kinder Fußball spielen und auf der Bank gegenüber zoffte sich ein junges Pärchen. Nach dem anstrengendem Tag hatte er sich diesen Abschluss mehr als verdient. Zufrieden streckte er seine Beine weit von sich und schaute auf zur Baumkrone. Eine Weile verfolgte er nur dem Spiel aus Licht und Schatten, während er seine Pizza nach und nach aß, bis ein lautes Räuspern ihn aus seiner Oase des Friedens holte. Genervt verzog er eine Grimasse. „Ich hab' Feierabend, Blechsack“, begrüßt er RK900, dem das nicht die Bohne zu interessieren schien. Denn ohne um Erlaubnis zu bitten, setzte er sich in einer geschwungenen Bewegung neben Reed. Das Einzige, was sie trennte, war der Pizzakarton zwischen ihnen, den der Android jetzt musterte. Und dann ohne jegliche Vorwarnung griff RK900 nach einem Stück und biss ab. „Was zur Hölle?!“ Mit einem Ausdruck als wäre der Android ein Gourmetkoch kaute er auf dem Stück Essen herum. „Interessante Zusammensetzung von Lebensmittel. Ein wenig zu viel auf der fettigen Ebene würde ich sagen“, kommentierte er und Reed starrte ihn nur fassungslos an. Und dann nach weiterem Kauen spuckte RK900 das Probierte ohne große Fanfaren wieder aus. „Hey! Das ist meine verdammte Pizza, die du misshandelst“, beschwerte sich Reed. Hastig griff er nach dem Pizzakarton und hielt ihn außer Reichweite, falls der Android auf die Idee kam, auch noch die verbliebenen Stücke anzuknabbern. „Ich weiß“, sagte RK900 sachlich, bevor er schnippisch fortfuhrt: „Aber ich war in der Annahme, dass wir jegliches respektvolle Miteinander nicht wirklich als Option betrachten.“ Genervt knurrte Reed. „Urgh, wenn es um deine idiotische Jacke geht, dann geb' ich dir das Geld dafür zurück. Ist ja nicht so, als könnte CyberLife die nicht in Massen herstellen.“ „Behalten Sie Ihr Gehalt und kaufen sich lieber einen Packen Benehmen davon“, erwiderte der Android nur säuerlich. „Wow, große Worte von einer Blechdose, die heute nicht einmal ein normales Gespräch mit Miller führen und seinen Sohn als 'haarloses Bündel Fleisch mit der Kapazität von äußerst starken Lungen' bezeichnet hat, nachdem er ihn mit ins Revier gebracht hat.“ Obwohl Reed es niemals vor dem Andoriden zugeben würde, hatte er sich herrlich amüsiert, als er der Konfrontation einige Meter entfernt von Seinem Schreibtisch aus zugehört hatte. „Immerhin versuche ich mich an soziale Interaktion und blaffe nicht jeden an, der auch nur in meine Richtung hustet.“ Darauf schnaubte Reed nur und schaut stur in die andere Richtung des Androiden. „Und wessen Schuld ist das?“ Eine angespannte Stille legte sich zwischen sie, welche seitdem sie Greens Apartment verlassen hatten, eine Konstante zu sein schien. Tatsächlich war dieser Austausch an Worten, der erste, den sie seitdem hatten. Größtenteils lag es daran, dass sich Reed geweigert hatte, auch nur noch ein Wort mit dem Androiden zu sprechen. Und RK900 schien nachdem ihn Reed erneut geschlagen hatte, ebenso wenig scharf auf ein Gespräch gewesen zu sein. Reed musste zugeben, dass er lange schon nicht mehr so ruhig mehrere Stunden an seinem Schreibtisch im Revier gearbeitet hatte. Die Stille schien sich ewig zu ziehen und Reed war gewillt aufzustehen, als RK900 sie durchbrach. „Ich möchte so sehr mehr als meine Programmierung sein“, gab der Android leise zu, was Reed zu ihm hinüber schauen ließ. Womöglich war es der Winkel oder das Licht, welches wie Glitter durch die Baumkrone auf den Androiden fiel, jedoch schienen die sonst so harten Züge unglaublich zerbrechlich in jenem Moment. „Und wenn es bedeutet das Leben eines undankbaren Menschen zu retten, dann ist dem so. Aber ich bereue meine Entscheidung nicht. Ich hätte es sogar getan, wenn Ihre Überlebenschance hundert Prozent gewesen wären, Detective Reed.“ RK900 schaute ebenfalls auf und ihre Blicke trafen sich. Was Reed in den Augen sah, erinnert ihn kurzzeitig an die Erleichterung, die er gesehen hatte, nachdem ihn der Android über das Geländer gezogen hatte. Er schluckte schwer und drehte den Kopf weg, seine Finger spielten unruhig mit dem Gummiband. „Erwarte nur nicht dasselbe von mir, Schrotthaufen. Mich kümmert dein Wohlergehen weniger als Fliegenschiss.“ Obwohl die Worte verletzend sein sollten, klangen sie sogar in seinen Ohren viel zu hohl. „Verstanden, Detective“, erwiderte RK900 ruhig, die Lüge mitspielend. Abermals sank der Mantel der Stille über sie. Dieses Mal jedoch war sie nicht aufgeladen vor Zorn und Frust, sondern aus Unsicherheit und Unentschlossenheit. Reed spürte wie die prüfenden Blicke von RK900 sich in ihn nagten und die Fragen sich in dessen Kopf formten. Dennoch hielt er sie zurück, aus welchen Gründen auch immer. Vielleicht um Reeds knappes Temperament nicht gänzlich zu überstrapazieren und damit den momentanen Frieden zwischen ihnen zu gefährden. So verweilten sie in dieser stummen Aufnahme, wo jeder seinen eigenen Gedanken hinterherrannte. Hartnäckig versuchte sich Reed auf irgendwas anderes als die Präsenz des Androiden und seine gesprochenen Worte zu konzentrieren, bis er eine Familie in Augenschein nahm, die eine Joggerin angehalten hatten. Desinteressiert verfolgte er den Austausch zwischen den zwei Parteien. Die Familie bat die Joggerin um ein Foto. Grinsend stellten sie sich alle auf und die fremde Frau schoss das Foto. Reed blinzelte, ließ das Band gegen seinen Arm klatschen. Foto? Viel zu hastig drehte Reed sich zu RK900 herum, sodass der Pizzakarton von seinem Schoss fiel. „Die Bilder!“, haspelte er, was den Androiden in Verwirrung nur eine Augenbraue heben ließ. „Bilder?“ Ungeduldig wedelte Reed mit der Hand. „Die Polaroidbilder in Greens Wohnung.“ RK900 runzelte die Stirn, weiterhin nicht dem Gedankengang folgend, was Reed mit den Zähnen knirschen ließ. „Er hat keine Polaroidkamera gehabt, richtig? Weder zu Hause, noch sonst irgendwo, richtig?“ Kurz flackerte die LED von RK900 gelb auf. „In der Tat. Officer Green schien nicht im Besitz eines solchen Gegenstandes zu sein“, erläuterte der Android langsam – und dann flackerte Verstehen in seinen Augen auf. „Er war also nicht in der Lage dazu, die Bilder zu machen.“ „Genau! Stellt sich also die Frage, woher er all die Bilder hat. Und warum sie alle nur Orte zeigen, was derbst seltsam ist.“ Hektisch stand Reed auf, worauf RK900 ihn folgte. Mit wenigen Schritte hatte er zu Reed aufgeschlossen und lief neben ihm. „Ich dachte, Sie haben jetzt Feierabend, Detective?“, fragte er nach. Reed zuckte nur mit den Schultern und warf ihm ein breites Grinsen zu. „Feierabend ist gestrichen, Blechdose.“ RK900 erwiderte das Grinsen mit einem eigenem zufriedenem. „Gut. Ich fing mich schon an zu langweilen.“ Zusammen eilten sie zum Revier zurück. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)