Schwarzweiß von abgemeldet (P.S. Fuck You! [Rewritten]) ================================================================================ Prolog: Zurück zu Null. ----------------------- Huff Huff Huff. Stetig knirschte der Kies unter dem leise, doch schnell atmenden Mädchen mit dem sonderbaren Haar. Es war von einem zarten bonbonrosa und rahmte das schmale Gesicht, welches erhitzt glühte. Ihr Atem kam stoßweise und zügig, die sportliche Aktivität trieb ihren Puls in die Höhe. Für einen flüchtigen Augenblick konnte man ihn sehen, feine Wölkchen in der kühlen Morgenluft. Huff Huff Huff. Das Ende des ausgestorbenen Parks kam immer näher, wie automatisch zog sie das Tempo noch einmal für einen letzten, kräftigen Spurt an. Sie liebte es, am frühen Morgen in aller Ruhe und Einsamkeit ein paar Runden in dem schönen, idyllischen Park zu drehen. Es befreite ihren Kopf von überflüssigen Gedanken und hauchte ihrem von Schlafmangel geplagten Geist neues Leben ein. Tief und beherzt sog sie die klare, kühle Luft in ihre Lungen und rieb sich beinahe beiläufig mit ihrem Handgelenk die Schweißperlen von der Stirn. Schon seit einer knappen Stunde war sie auf den Beinen und jagte unsichtbaren Phantomen hinterher. Motivationen, weiterhin ein Bein vor das nächste zu setzen, ein Ansporn von dem sie nicht einmal genau wusste, was er war. Sie konnte ihm keinen Namen geben, doch zweifelsohne existierte er und wie auch immer er funktionierte, er war begnadet darin, ihr den Schweiß auf die Stirn zu treiben. Huff Huff Huff. Ihre Atmung wurde langsam wieder mäßiger, denn das Ende ihrer morgendlichen Route war erreicht und den restlichen Weg nach Hause würde sie wie immer entspannt ausklingen lassen, um ihren Puls wieder auf normale Höhen auszubalancieren. Als ihre Mutter das erste Mal mitbekommen hatte, dass ihre Tochter sich zu solch für sie normal unmenschlichen Zeiten außer Haus herum trieb und darüber hinaus auch noch Sport machte, war sie sprachlos gewesen – was selten vorkam. Bei dem Gedanken huschte ein flüchtiges Lächeln über ihre Lippen, so kurzweilig, dass man es gut hätte übersehen können. Allgemein lächelte sie nicht einmal mehr ansatzweise so viel, wie sie es noch vor Jahren getan hatte. Zu vieles war passiert, was ihr die jugendliche Naivität geraubt und darüber hinaus einen Zynismus beschert hatte, der für ein solch junges Mädchen gewiss nicht normal war. Es war ironisch, wie schnell jene Gedanken wieder Einzug in ihren Kopf hielten, wenn sie das Tempo drosselte. Fast hätte sie noch einmal schief gegrinst, doch ihr Mund schien sich in letzter Sekunde umentschieden zu haben. Sie war nicht in der Stimmung, zu lachen oder sich über etwas zu amüsieren, dafür hatte ihre Mutter sehr effektiv gesorgt. “Du musst deine Schule endlich fertig machen“, hatte sie mit einer derart vorwurfsvollen Stimme und traurigen Augen gesagt, dass sie zum ersten Mal seit Ewigkeiten nicht gewagt hatte, zu widersprechen, “So, wie es jetzt ist, kann es wirklich nicht weiter gehen, Süße.“ Und so war es absolut unspektakulär dazu gekommen, dass sie in wenigen Tagen wieder auf ihr altes Internat gehen würde, um ihren Schulabschluss nun nach zwei Jahren Verspätung auch endlich zu machen. Begeistert war definitiv nicht das Wort, welches man gebrauchen würde, um ihre Stimmungslage diesbezüglich zu beschreiben, doch konnte sie ihre Mutter in einem gewissen Punkt auch verstehen. Sie selbst hatte auch die Nase voll davon, nichts mehr zu tun und sich so gehen zu lassen, wie sie sich die letzten Jahre hatte gehen lassen und dennoch war der bloße Gedanke, an jenen Ort zurück zu gehen etwas, was ihr eine gewaltige Gänsehaut bescherte. Seufzend fummelte sie den Schlüssel zu ihrem Haus aus dem kleinen Beutel, welcher um ihre Hüfte hing und öffnete die Eingangstür. Es war Samstag und wie erwartet schlief ihre Mutter noch. Früher war sie immer vor ihr wach gewesen und hatte dafür gesorgt, dass das ganze Haus herrlich roch, bevor sie es auch nur in Betracht zog, den ersten Zeh unter ihrer wohlig warmen Decke hervorzustrecken. Doch seit sie allmorgendlich joggen ging, war dies nicht mehr der Fall. Langsam und bedächtig tapste sie in die Küche und lugte in den Kühlschrank, welcher wie gewöhnlich mit allerlei Sachen gefüllt war. Bis heute verstand sie nicht, wieso ihre Mutter selbst das Brot darin lagerte, doch es gab viele Dinge, von denen sie scheinbar nicht viel verstand. Kurz überlegte sie, ob sie ausnahmsweise einmal wieder eine gute Tochter sein wollte und selbst damit anzufangen, das Frühstück vorzubereiten, doch zuvor wollte sie unbedingt unter die Dusche und sich der Klebrigkeit ihrer Klamotten entledigen. Vorsichtig schloss sie die Kühlschranktür und verschwand nach oben ins Badezimmer, welches schräg gegenüber von ihrem Schlafzimmer lag. Es hatte ein Fenster über der Badewanne, von welchem aus man die noch ruhige Straße beobachten konnte und nichts, absolut gar nichts,, konnte ein Bad spätabends im Schein des Mondes und der Sterne schlagen – ein paar Kerzen entzündet und ein gutes Buch zur Hand. Doch auch das gönnte sie sich kaum noch, zu oft war sie unruhig und abgelenkt. Während sie das dampfend heiße Wasser in die Wanne laufen ließ, klaubte sie sich frische Klamotten aus dem Schrank und legte sich alles parat, was sie danach brauchen würde. Wohlig seufzend senkte sie ihren ersten Fuß in das heiße Wasser und sofort überrollte sie eine Woge der Entspannung. Aber auch, wenn sie nichts mehr wollte, als ihre angestrengten Muskeln zu entspannen, trieb das Knurren ihres nun hungrigen Magens sie zur Eile. So kam es, dass sie nur wenig später wieder aus der Wanne kletterte und optisch wieder menschlich und mit einem gewaltigen Turban auf dem Kopf in die Küche marschierte. Ihre Mutter schien immer noch zu schlafen, weswegen sie sich anschickte, allerlei Utensilien für das Frühstück aus den Schränken zusammen zu suchen. Sie entschied sich für Reis und schlichtes, gedämpftes Gemüse. Gott sei Dank hatten sie einen von diesen fabelhaften Reiskochern, mit welchem sogar sie es schaffte, den Reis genießbar zu machen. Während das kleine Gerät munter vor sich her ratterte, schälte sie diverses Gemüse und bereitete die restlichen Beilagen vor. Sogar ein Omlette wagte sie sich zu braten, auch wenn sie von dem Endprodukt noch nicht überzeugt war. „Seit wann kochst du denn Frühstück“, hörte sie eine amüsierte Stimme hinter sich. Sie antwortete nur mit einem Schulterzucken, sie wusste selbst nicht, wieso sie ausgerechnet heute die Muse dafür hatte, sich wieder etwas Mühe im Haushalt zu geben und ihre Mutter nicht nur mit hartnäckigen Schweigen zu strafen. „Lieb von dir, Sakura“, fügte ihre Mutter hinzu und anhand der Wärme ihrer Stimme konnte sie das Lächeln auf den Lippen ihrer Mutter förmlich hören. „Du warst auch joggen, nehme ich an?“, fragte sie, während sie sich neben ihr positionierte, um Kaffee kochen zu können. „Klar“, antwortete sie nur knapp und begutachtete weiterhin skeptisch das gelbliche Produkt in der Pfanne unter ihr. Argwöhnisch hob sie die Masse mit ihrem Kochlöffel an und da nichts mehr an der Pfanne haften blieb, beschloss sie, dass das Ei durch war. „Wie lange dauert der Reis noch? Schaffe ich noch eine kurze Dusche?“, erkundigte sich ihre Mutter, nachdem die Maschine vor ihr lautstark angefangen hatte, den Kaffee zuzubereiten. Flüchtig schaute sie von den Eiern auf den Reiskocher. „Fünf Minuten, vielleicht sechs.“ „Dann bin ich gleich wieder da, ich beeil mich.“ Ihre Mutter kam nicht umhin, ihr fröhlich durch die Haare zu wuscheln und obwohl Sakura wusste, dass sie sich nur darüber freute, dass ihre Tochter einmal außerhalb ihrer vier Wände anzutreffen war, konnte sie ein Rollen mit den Augen nicht unterdrücken. “Mütter...“, dachte sie bei sich, während sie anfing, den Tisch für das Frühstück vorzubereiten. Sie deckte für zwei, denn einen Vater gab es in diesem Haushalt schon lange nicht mehr. Das Resultat einer Handlung ihrer Mutter, für welche sie sie stets insgeheim bewundern würde. Nicht viele Frauen trauen es sich, ihren Mann aus dem Haus zu schmeißen, doch ihre Mutter war da anders. Sie war schon immer stark gewesen und doch auch gutherzig und geduldig. So kam es, dass ihr Vater mehr als genug Chancen hatte, sein schmarotzerisches Wesen zu einem Besseren zu wandeln, doch Aufforderung nach Aufforderung missachtete er die energischen Worte seiner Frau, ehe sie schlussendlich seine Koffer packte und ihn buchstäblich vor die Tür setzte. Seitdem waren nun sieben Jahre vergangen und manchmal fragte Sakura sich, ob ihre Mutter einsam war. Von einem Mann getrennt, welcher wohl einmal ihr Traummann gewesen war und mit einer Tochter aus jener gescheiterten Ehe, welche seit Jahren ihre Tage damit zubrachte, sich in ihr Zimmer zu schließen und die Realität auszublenden. „Worüber zerbrichst du dir den Kopf so stark, dass du mit Messern und Gabeln am Tisch stehst und dich keinen Zentimeter rührst“, harkte ihre Mutter nach. Erschrocken schaute Sakura auf und in das sichtlich amüsierte Gesicht ihrer noch junggebliebenen Mutter, welche in der Tür stand, ebenfalls einen Handtuchturban auf dem Kopf. „Ich musste an Vater denken“, gestand sie ehrlich. Sakura lag nichts an Geheimnissen, schon gar nicht an jenen, die eigentlich so bedeutungslos sind. „Vermisst du ihn etwa?“ Die Stirn ihrer Mutter runzelte sich angesichts des Gehörten. Sie hatte nichts gegen ihren Ehemann und wenn Sakura dies wünschte, würde sie ihr auch den Kontakt zu ihrem Vater erlauben, doch dieser war eher selten das Thema der Gespräche. „Nee... Alles gut. Ich musste nur gerade beim Decken daran denken, dass wir schon ewig nur zu zweit sind und... naja, das fiel mir halt so ins Auge. Liegt wohl daran, dass ich sonst eher selten den Tisch decke“, schloss sie mit schiefen Grinsen. Ihrer Mutter entwich ein kleines, geschnaubtes Lachen, ehe sie den Kopf ungläubig schüttelte. „Lass uns einfach essen, ich hab tierischen Hunger.“ „Gleichfalls“, stimmte sie Sakura zu und setzte sich an einen der freien Stühle, vor welchem ein Teller stand. Neugierig beäugte sie das Gekochte und rieb sich, scheinbar in Vorfreude, die Hände. „Sieht gut aus“, bemerkte sie, was Sakura fast zum Lachen gebracht hätte. „Übertreib es nicht gleich.“ Schweigen senkte sich über die Köpfe der beiden Frauen, während sie aßen und ihre Mutter sah tatsächlich so aus, als würde es ihr schmecken. Und wenn nicht, dann war sie zumindest meisterlich darin, so zu tun, als ob. Vermutlich hätte Sakura ihr vorsetzen können, was sie wollte. Allein die Tatsache, dass es von ihr war, machte sie so glücklich, dass sie es ohne mit der Wimper zu zucken gegessen hätte. Der Rest ihres letzten freien Wochenendes verging in erdrückender Stille. Sakura hatte überlegt, ob sie noch etwas unternehmen wollte, so ganz für sich, ehe sie sich wieder alles teilen musste, inklusive ihrer von ihr über alles geschätzten Privatsphäre. Der morgen des ersten April brach düster und kühl an und es fröstelte Sakura, als sie zusammen mit ihrer ungewöhnlich schweigsamen Mutter ihre Sachen in das Auto packte. Sie wusste nicht genau, was sie zu ihr sagen sollte, für derlei Dinge besaß sie kaum Talent und – um ehrlich zu sein – auch nicht die größte Lust. Die Fahrt, so kurz sie auch eigentlich war, denn das Internat lag an dem Ende eines anderen kleinen Randdorfes der Stadt, streckte sich zäh wie Kaugummi unter der Schuhsohle. Es war noch immer relativ dunkel, sodass auch das aus dem Fenster starren nur wenig Unterhaltung bot. Sakura spürte, wie ihr Herz mit jedem Kilometer lauter und stärker pochte und egal, wie sehr sie versuchte, sich von ihren Gedanken abzulenken, sie kamen wie ein Bumerang immer und immer wieder zurück. „Alles okay?“, erkundigte ihre Mutter sich nach einer Weile äußerst vorsichtig. Sie wusste, wie empfindlich die junge Frau bei diesem Thema war, doch Sakuras Wut und Angst war eigentlich schon vor Wochen verpufft und einer unerklärlichen Leere gewichen. „Hmm“, brummte sie nur und starrte weiterhin in die Dunkelheit des Morgens, auf der Suche nach innerer Ruhe. Kurz spürte sie eine warme Hand an ihrem Oberschenkel, doch noch bevor sie darauf reagieren konnte, war sie bereits wieder verschwunden. Kaum hörbar seufzte das rosahaarige Mädchen. Leicht lehnte sie ihre Stirn an das kühle Autofenster, um das Pochen in ihrem Kopf ein wenig zu mildern. Es waren keine direkten Kopfschmerzen, die sie plagten, doch wäre es gelogen, zu sagen, dass es ihr zu hundert Prozent gut ging. „Ist die alte Tsunade eigentlich immer noch die Rektorin?“, fragte sie kurz darauf in die Stille hinein. Sakura kannte die Straße, auf welche sie soeben eingebogen waren, nur zu gut. Sie waren gleich da und ihr Herz krampfte urplötzlich schmerzhaft unter ihrer Brust. „Was glaubst du denn?“, war die geschmunzelte Gegenfrage, was Sakura nur ein entnervtes Stöhnen entlockte. „Ich glaube, Tsunade ist mittlerweile schon an die gut hundert Jahre alt, so schnell wird diese Schule sie nicht mehr los.“ Leise lachte sie über ihren eigenen Witz, während das Auto eine schmale Auffahrt hoch fuhr. In der Ferne konnte man die Berge ausmachen, welche die Stadt umrahmte. „Vermutlich hast du da sogar recht“, pflichtete sie ihr bei und rieb sich erneut die pochenden Schläfen. Das dumpfe Gefühl von vor einigen Minuten war nun tatsächlich zu ausgewachsenen Kopfschmerzen geworden. Der Kies unter den Reifen knirschte unnatürlich laut in ihren Ohren und denunzierte die Musik des Radios zu einem leisen Hintergrundgeräusch. Zu den Kopfschmerzen gesellte sich mittlerweile eine beklommene Übelkeit in ihrem Magen, welche sich nicht durch tiefes Durchatmen beseitigen ließ, dennoch beschloss sie, sich zusammen zu reißen. Für einen Rückzug war es nun ohnehin zu spät und so ließ sie sich wenig später von ihrer Mutter über den riesigen, bis jetzt nur mäßig befüllten Parkplatz zum riesigen Hauptgebäude führen. Erinnerungen fluteten ihren Kopf, doch wollte sie ihnen nicht auch nur eine Sekunde nachgeben. Nicht, dass ihre Zeit an jener Schule immer schlecht gewesen wäre, im Gegenteil, doch selbstverständlich waren es ausschließlich schlechte Momente, welche in schwindelerregendem Tempo durch ihren Kopf rasten. In der Eingangshalle, welche immer noch so gewaltig wie eh und je war, standen einige Schülerpaare bereits zusammen und tauschten tuschelnd das in den Ferien erlebte aus. Für einen kurzen Moment schaute Sakura sich beinahe ehrfürchtig um, die hohen Decken und riesigen Fenster waren noch immer ein Anblick für sich und es überraschte sie, dass sie sich noch immer nicht an jenen hatte gewöhnen können. Doch das war nicht das, was sie gerade interessierte und so ging sie zügigen Schrittes auf das schwarze Brett zu, während ihre Mutter im Hintergrund mit ihrem Gepäck rangelte. „Geh du schon einmal zu Tsunade, Ma“, rief sie ihr über die Schulter zu, „und lass mein Zeug da stehen, das nehm' ich gleich selber mit.“ Sakura war sich sicher, dass sie sich gern mit ihrer alten Freundin austauschen möchte, immerhin hatte auch sie Tsunade schon lange nicht mehr gesehen. Insgeheim war ihr absolut klar, dass diese eine vermutlich nicht geringe Rolle gespielt hatte, ihre Mutter dazu zu überreden, Sakura wieder hierher zu schicken, doch auch diesen Gedanken drängte sie aus dem Kopf. Das schwarze Brett. Die Zimmerpläne. Drei Jahrgänge. Die komplette Wand wurde mit Zetteln und Plänen ausgefüllt und es kostete Sakura einige Minuten, bis sie ihren Namen schlussendlich fand. Geteilte Zimmer, eine Sache, welche sie selbst zu den besten Zeiten an diesem Internat mit einer Inbrunst gehasst hatte, doch als sie die beiden Namen in dem Zimmer erspähte, in welchem auch sie untergebracht war, wurde ihr übel, doch wenn sie behaupten würde, dass Naruto Uzumaki sie überraschen würde, würde sie sich selbst einen dicken Bären aufbinden. Aber nicht einmal Naruto bereitete ihr das größte Kopfzerbrechen, sondern eher der zweite Name: Sasuke Uchiha. Ein kurzes Stoßgebet gen Himmel sendend, dankte sie ihrer Intuition, heute morgen nichts zu frühstücken. Es würde just in diesem Moment an der halben Wand verteilt sein. Kapitel 1: Konfrontationen. --------------------------- Tick. Tick. Tick. Es war keine Uhr an der Wand, dennoch schien eine permanent in ihrem Kopf zu ticken. War dies das erste Anzeichen dafür, dass sie drohte, wahnsinnig zu werden? Sakuras Gesichtsausdruck sieht gequält aus, als sie in dem Wartebereich des Direktorats darauf wartete, dass ihre Mutter heraus kam, doch jene unterhielt sich mit ihrer alten Freundin Tsunade, so könnte dieses Unterfangen noch eine ganze Weile länger dauern. Ihr eigentlicher Plan war es gewesen, sich alleine häuslich in ihrem Zimmer einzurichten, doch angesichts der zwei Menschen, mit welchen sie sich dieses teilen musste, war sie nicht gar so erpicht darauf, dort aufzutauchen. Das dumpfe Pochen, welches heute morgen noch kaum mehr war, als ein Hintergrundgefühl, war zu einer ausgewachsenen Migräne geworden, welche direkt hinter ihrer Stirn hämmerte und sie hie und da aufstöhnen ließ. Sie spürte den besorgten Blick der freundlich aussehenden Sekretärin durchaus auf sich ruhen, doch fühlte sie sich nicht im Stande dazu, ihren Blick zu heben und sie damit zu animieren, sie anzusprechen, ob alles okay war. Denn das war es ganz und gar nichts, doch mochte Sakura sich nichts anmerken lassen – weder jetzt noch später, wenn sie der unweigerlich folgenden Konfrontation ins Auge blicken musste. Naruto. Bei dem Gedanken an den blondhaarigen Chaoten wurde ihr ganz anders. Eigentlich hätte er letztes Jahr mit der Schule fertig sein müssen, doch schien es, als hätte er sich für eine Ehrenrunde entschieden. Das kam ihr nicht einmal verdächtig vor, der junge Mann war derart verwirrt im Kopf, dass sie sich nicht selten gefragt hatte, wie er es tagtäglich schaffte, sich die Hose alleine – und vor allem richtig – anzuziehen. Es war zwei Jahre her, seit sie ihn das letzte Mal gesehen und das letzte Mal von ihm gehört hatte, nachdem sie sang- und klanglos aus seinem Leben verschwunden war und alles nur menschenmögliche daran gesetzt hatte, dass niemand aus ihrem alten Leben jemals wieder auf den Gedanken kommen könnte, mit ihr in Kontakt zu treten. Und nun saß sie hier, im Vorzimmer zur Hölle und wartete beschämt darauf, dass ihre Mutter mit ihrem Gespräch zu Ende war, damit sie sie zu ihrem Zimmer begleiten konnte, wie ein junges Ding, welches zum ersten Mal überhaupt die Pforten einer Schule betreten hatte. Sakura versuchte sich eine legitime Ausrede für ihr sonderbares Verhalten auszudenken, doch auch ihre Mutter würde wissen, was los war, sobald sie Naruto ins Auge fassen würde. Inständig betete Sakura dafür, dass sie das Ganze einfach wortlos hinnahm und ihr dabei half, sich einzurichten, damit keiner ihrer beiden Zimmergenossen auf die Idee kam, sie anzusprechen. Es war albern, das wusste sie durchaus, immerhin würde sie ein ganzes Jahr an ihrer Seite verbringen, Tag und Nacht und sie konnte den beiden wohl kaum für immer aus dem Weg gehen, doch fühlte sie sich der Sache, direkt am ersten Tag vollkommen mit ihrer Vergangenheit konfrontiert zu werden, nicht gewachsen. Es war einfach nicht fair. „Möchtest du etwas trinken?“ Sie konnte das freundliche Lächeln in der Stimme der Sekretärin buchstäblich hören, doch auch ihre leichte Verwirrung angesichts des schweigsamen, rosahaarigen Mädchens, welches nun seit einer geschlagenen halben Stunde in ihrem Zimmer saß und außer einem tiefen Seufzer hie und da nichts von sich verlauten ließ. „Ein Wasser wäre nicht schlecht“, antwortete sie beinahe zaghaft, den Blick immer noch stur von den Augen der Dame gegenüber entfernt gerichtet, „still, bitte.“ Sie hörte das sanfte Rascheln der Kleidung der jungen Dame, als diese sich anschickte, ihr ein Glas zu bringen und für einen kurzen Moment blickte sie verdutzt auf, als sie ihr das Glas reichte, zusammen mit einer kleinen, runden Tablette. „Du siehst aus, als hättest du gewaltige Kopfschmerzen“, bemerkte sie augenzwinkernd, „eigentlich darf ich das nicht, deswegen erzähl' es bitte nicht meiner Vorgesetzten“, fügte sie mit einem entschuldigenden Lächeln hinzu. Sakura nickte nur, dankbar für die kleine Aufmerksamkeit der jungen Frau, die, wie sie bemerkte, viel zu ruhig und gesetzt wirkte, um für eine aufbrausende, nicht selten laut werdende Frau wie Tsunade zu arbeiten. Ihr Haar war kinnlang gehalten, in einem schlichten braun und einzelne Strähnen hielt sie mit Spangen an der Seite befestigt. Ihr Lächeln war freundlich und aufrichtig und Sakura kam nicht umhin, sie sympathisch zu finden. Das lag vermutlich vor allem daran, dass ihre Gegenüber kaum älter als sie selbst wirkte. In diesem Moment flog die Tür zum Direktorat auf und ihre Mutter Mebuki kam mit strahlendem Lächeln heraus – es war offensichtlich, wie sehr sie sich über das Pläuschchen mit ihrer alten Freundin freute. Als sie jedoch ihre Tochter mitsamt ihres ganzen Gepäcks im Vorraum sitzen sah, zog sie verwundert die Augenbrauen hoch. „Ich dachte, du wolltest dich schon einmal häuslich einrichten, meine Liebe?“ „Mir ist da etwas... dazwischen gekommen, jaa“, schloss sie lahm, achselzuckend. Unangenehm berührt ließ sie die genaue Musterung ihrer Mutter über sich ergehen, doch weiter sagte diese zu dem Thema nichts, nur: „Ich helf' dir dann jetzt, okay?“ Es war mehr eine Aussage, denn eine Frage, dennoch nickte Sakura beipflichtend – und erleichtert – mit dem Kopf. Beim Verlassen des Büros wandte das rosahaarige Mädchen sich noch einmal um, um sich bei der Sekretärin zu bedanken und erst jetzt fiel ihr auf, dass sie jene gar nicht nach ihrem Namen gefragt hatte. Den Weg zu ihrem Zimmer verbrachten die beiden ungleichen Frauen schweigend und Sakura rechnete es ihrer Mutter unendlich hoch an, dass sie sie nicht mit peinlichen Fragen zu ihrem doch sehr seltsamen Verhalten löcherte. Sie wusste, wie gespannt das Verhältnis zwischen den beiden eigentlich wirklich war und dennoch drängte Mebuki sie nie zu etwas, ließ Sakura von sich aus agieren und das ist etwas, was sie durchaus zu schätzen wusste, auch wenn sie dies natürlich nie gezeigt hatte. „Naruto wohnt mit mir in einem Zimmer“, platzte es ihr deshalb nach einigen weiteren, von Schweigen erfüllten Minuten heraus. Sie konnte weiteren Stress bei einem möglichen Aufeinandertreffen vermeiden, indem sie ihre Mutter direkt einweihte und auch, wenn es ihr ganz und gar nicht behagte, darüber zu reden, so war dies doch um Längen besser, als am Ende im Zimmer zwischen zwei Fronten zu stehen, zwischen denen sie partout nicht stehen wollte. „Oh“, kam es nur von ihrer Mutter, ein erstauntes Gesicht machend. „Ich dachte, Naruto hätte letztes Jahr mit der Schule fertig sein müssen?“ „Das dachtest nicht nur du...“ „Deswegen bist du also nicht alleine vor, um deine Sachen auszupacken, nicht wahr?“ Sie hörte ein tiefes Seufzen seitens ihrer Mutter. „Das kann ich verstehen. Es muss dir unfassbar unangenehm sein.“ Sakura nickte als Antwort nur zustimmend. „Und was machst du jetzt? Ich meine, wir können Tsunade bestimmt fragen, ob sie dich nicht eventuell in ein anderes Zimmer packen kann. Wenn ich ehrlich bin, verstehe ich nicht einmal, wieso sie das getan hat...“, grübelte sie weiter, „Ich meine, sie hat... das Ganze doch auch mitbekommen.“ „Vermutlich hat sie das schon mit Absicht gemacht“, erwiderte Sakura missgelaunt. Zuzutrauen war es ihr allemal. „Zuzutrauen wäre es ihr“, sprach Mebuki ihren Gedanken laut aus und schmunzelte gequält. „Ich schaff' das schon... denke ich“, fügte sie beinahe flüsternd hinzu, „Ich meine, wir sind in einem Jahrgang, großartig kann ich ihm da eh nicht aus dem Weg gehen, befürchte ich...“ „Das ist eine sehr erwachsene Einstellung, Sakura, wirklich“, lobte ihre Mutter sie aufmunternd, doch half dies allerhöchstens bedingt. „Ja, ich bin so unfassbar erwachsen“, frotzelte sie ironisch und zog eine Grimasse wie sieben Tagen Regenwetter. Ihre Gegenüber überging das Kommentar geflissentlich und wieder kam Sakura nicht herum, Bewunderung für sie zu empfinden. Nicht viele Mütter könnten so gelassen mit so einer Tochter wie ihr umgehen. Das wusste sie. Sie hörte nicht auf, sich für ihr eigenes Verhalten zu schämen, biss sich auf die Unterlippe und wandte den Blick ab. „Wir sind da“, stellte Mebuki nach einiger Zeit überflüssigerweise fest und prompt klopfte Sakuras Herz bis zum Hals. Sie fühlte, wie Schwindel ihren Kreislauf in Beschlag nahm und auch die Übelkeit von vorhin kehrte zurück. Wieder war sie dankbar dafür, nichts gegessen zu haben, auch wenn dies zumindest den Schwindel vermutlich etwas eingedämmt hätte. „Bringen wir's hinter mich“, murmelte Sakura und öffnete die Tür. Drei Sekunden später, welche sich anfühlten wie Stunden, realisierte sie, dass noch keiner von den beiden da war. Der Seufzer, der daraufhin ihren Lungen entwich, war so dermaßen laut, dass ihre Mutter glatt das Lachen anfing. Sakura musterte sie mit einem Blick, den man nur als böse bezeichnen konnte, ehe sie eintrat und nach dem besten der drei kleinen Zimmer umschaute. Schlussendlich entschied sie sich für jenes, welches nach einem weiteren Zimmer lag. Zwar müsste sie so immer durch das Zimmer eines der Jungs laufen, doch wenigstens würde keiner von beiden durch ihres stapfen und so war es ihr definitiv lieber. „Hilfst du mir trotzdem beim Auspacken oder gehst du jetzt?“, fragte Sakura an ihre Mutter gewandt. „Natürlich helfe ich dir, als ob ich jetzt einfach gehe und dich hier alleine lasse.“ Dank Mebuki verlief das Ganze deutlich schneller, als eigentlich und viel zu schnell war der Moment gekommen, in dem sie ihre Tochter wieder alleine lassen würde. Sakura fühlte sich mehr als unbehaglich und zum ersten Mal seit Jahren hatte sie das Gefühl, wegen all der inneren Spannung weinen zu müssen. Weinen. Bei dem Gedanken alleine fuhr ihr eine Gänsehaut über den ganzen Körper. Wie peinlich. Trotzdem wurde sie das Gefühl nicht los, dass gerade die nächsten Tage alles von ihrer Psyche abverlangen würden. „Also dann...“, druckste sie nervös herum, mit den Fingern irgendetwas suchend, womit sie sich ablenken konnte. „Du schaffst das schon, Süße“, versuchte ihre Mutter sie zu beruhigen und nahm ihre Tochter zögerlich in den Arm. Sakura wusste nicht so recht, wie sie damit umgehen sollte, doch fühlte sie, dass sie es ihrer Mutter schuldig war, sodass sie die Umarmung beinahe zaghaft erwiderte. „Danke, Ma“, stammelte sie nur und ließ sich auf das Bett fallen. „Wenn etwas ist, schreib' mir sofort, okay?“ „Mach ich.“ „Versprochen?“ „Versprochen, Ma“, stöhnte Sakura, kam aber nicht umhin, ein wenig zu lachen. Ihre Mutter wirkte beruhigt und so verschwand sie leise aus ihrem Zimmer. Als Sakura das Klicken der Tür vernahm, ließ sie sich seufzend komplett auf das Bett fallen. Der Tag hatte erst begonnen und doch fühlte sie, wie die Müdigkeit ihre Gelenke empor kletterte. Und obwohl ihre Gedanken stärker um alles kreisten, was sie jemals meiden wollte, fiel sie in einen tiefen, traumlosen Schlaf, welcher längst überfällig gewesen war. Vier Stunden später, Sakuras Zimmer Der halbe Tag verstrich und Sakura fühlte sich mehr als gerädert, als sie von ihrem Schläfchen aufwachte. Es war ironisch, wie falsch sich erholsamer Schlaf für ihren Körper mittlerweile anfühlte. Doch dann hörte sie Geräusche aus den Nebenräumen und Geschnatter und sofort war ihr nervöses Herzklopfen wieder zurück. Es war absolut ausgeschlossen, dass Naruto, so dämlich er auch sein mochte, ihren Namen überlesen hatte, als er angekommen war. Umso verwunderter war sie, dass niemand ihren Schlaf gestört hatte. Es kostete sie alle Überwindung, doch schlussendlich öffnete sie die Tür zu ihrem Nebenzimmer. Das Gerede nahm ein schlagartiges Ende, als sie Angesicht zu Angesicht mit Naruto da stand. Das fremde Gesicht zu ihrer Rechten blendete sie völlig aus. In ihrem Kopf summte es. Das alles war nicht real, dessen war sie sich fast sicher. „Hi, Naruto“, brach es nach einiger Zeit des Schweigens aus ihr heraus. Ihr gegenüber wirkte fassungslos, als hätte er ihren Namen auf der Liste wirklich komplett überlesen oder ignoriert. Als hätte sein Unterbewusstsein ihn davor geschützt. Seine blauen Augen durchlöcherten sie ungnädig, sein sonst so strahlendes Lächeln wie verschluckt. „Ich dachte, sie hätten sich verdruckt“, sprach er irgendwann in die unangenehme Stille hinein, schluckend. Er wandte den Blick ab, doch sah sie den Schmerz in seinen Augen. „Scheint wohl nicht so zu sein“, bemerkte sie lahm und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. Wie trat man einem Menschen gegenüber, dessen Gefühle man auf die vermutlich schlimmstmögliche Art und Weise verletzt hatte? Der andere junge Mann, dessen rabenschwarzes Haar wie in Zacken von seinem Kopf abzustehen schien, blickte zwischen den beiden hin und her, doch seine Miene verriet keine Gefühlsregung. Er war der perfekte Zuschauer, stimm- und reglos. Sakura wollte ihm keine Beachtung schenke. Sie kannte seinen Namen bereits, sie wusste wer er war. „Wieso bist du wieder hier?“, fragte der Blondhaarige irgendwann in die Stille herein. Sakura fühlte sich wie in einem falschen Film. Sie wollte hier weg. Jetzt. „Ich muss meinen Abschluss machen, Naruto“, stellte sie mit äußerst ironischer Stimme fest und für einen Moment fühlte sie sich wieder sicher. Sie hatte ihre Fassung erstaunlich schnell wieder gewonnen. „Aber was machst du noch hier? Solltest du nicht schon längst fertig sein?“ Sie gewann die Oberhand, ihre absolut unangebrachte Arroganz war wieder zurück, doch sie half ihr, half ihr, ihr Schild aufrecht zu erhalten. Sie hatte ihre Gefühle unter Kontrolle. Naruto indes schien mit der Situation völlig überfordert, als hätte er fürwahr nicht damit gerechnet, dass sie leibhaftig vor ihm auftreten würde, hatte es für einen derben Scherz der Rektorin gehalten. „Was zur Hölle ist hier los?“, warf der unbeteiligte Schwarzhaarige nun ein, in dessen Zimmer sie wohl getreten war. Seine Sachen lagen verstreut über dem Boden, ohne jede Sortierung, als hätte er soeben erst damit angefangen, sich einzurichten. Sakura warf ihm einen verächtlichen Blick zu, um ihm direkt zu signalisieren, was sie von seiner Präsenz hielt – nämlich herzlich wenig. Er sah ihm so ähnlich, dass es ihr einen schmerzhaften Stich ins Herz versetzte, doch sie beherrschte sich, versuchte, ihre Haltung weiterhin zu bewahren. „Niemand mag Menschen, die sich in Angelegenheiten einmischen, die sie nichts, absolut gar nichts angehen“, sprach sie kühl und richtete sich zur vollen Größe auf, doch dennoch überragte ihr Gegenüber sie um wenige Zentimeter. „Sakura, was zur Hölle...“ Naruto schien wie von der Rolle, seine Gesichtszüge waren ihm vollkommen entgleist. So etwas hatte sie bei ihm noch nie zuvor bemerkt. „Wer ist das jetzt?“, fragte der Schwarzhaarige direkt an Naruto gerichtet. Er würdigte sie keines weiteren Blickes, doch sie war ihm dankbar dafür. Naruto atmete hörbar ein. „Sakura Haruno. Meine... nunja... Ex“, murmelte er betreten und heftete sein Augenmerk auf seine Füße. Der andere zog offenkundig verwirrt beide Augenbrauen nach oben, vermutlich war dies die letzte Antwort gewesen, mit welcher er gerechnet hätte. Wieder starrte er die Haruno an, fragend, doch seine Lippen blieben versiegelt. „Mehr muss man zu diesem Thema eigentlich auch wirklich nicht wissen“, zischte sie wütend und verschränkte die Arme vor der Brust. Es genügte ihr, Naruto so fix und fertig zu sehen, um ihr ein vollkommenes, schlechtes Gewissen zu machen, sie mussten das Thema nicht auch noch komplett ausbreiten. Offenbar schien das auch der Schwarzhaarige zu spüren, denn er schwieg wieder beharrlich und fing an, einzelne Sachen von seinem Boden aufzulesen. „Hn“, kam es nur von ihm, ehe er ihr den Rücken kehrte. Sakura seufzte schwer, sie rechnete kaum damit, auf eine für alle Beteiligten zufriedenstellende Lösung zu kommen, zumindest nicht jetzt. Aus diesem Grund lief sie langsam, zögerlich an Naruto vorbei, welcher weiterhin stur auf seine Füße stierte und verschwand aus dem Zimmer. Die Atmosphäre gerade war mehr als unangenehm gewesen und sie war froh, dass sie zumindest die initiale Konfrontation hinter sich hatte. Schlimmer konnte es jetzt kaum mehr werden... oder? Kopfschüttelnd versuchte sie, weitere Gedanken diesbezüglich aus ihrem Kopf zu vertreiben. Es war Zeit, sich hier einmal umzusehen. Ob hier immer noch alles exakt wie vor zwei Jahren war? Das heraus zu finden ernannte sie zu ihrer nächsten Aufgabe und sie hoffte inständig, dass es sie auf andere Gedanken brachte. Klar, das Risiko war hoch, dass sie auf den Fluren von Fremden angesprochen werden konnte und darauf hatte sie keine große Lust, dennoch war alles besser, als just in diesem Moment in ihrem Zimmer zu bleiben. Als Erstes wollte sie sich den alten Gemeinschaftsraum der Dritten Stufe anschauen. In ihrer Erinnerung war er riesengroß, so groß wie einer jener Ballsäle aus den ganzen alten Filmen, gefüllt mit Sesseln zum Zurückziehen, Tische und Stühle zum Lernen, allerlei Freizeitgestaltungsmöglichkeiten, wie unter anderem einer Tischtennisplatte und und und. Als sie das letzte Mal hier gelebt hatte, war sie immer auf den Sesseln zu finden gewesen, mit einem guten Buch in der Hand und einem dampfenden Tee zu ihrer Seite – zumindest in den kalten Monaten des Jahres. Für Sport war sie nie so recht begeistert gewesen und ja, selbstverständlich machten sich Aktivitäten außerhalb der gestellten Anforderungen gut im Zeugnis, doch Sakura war hier eher zurückhaltend gewesen. Wenn es einen Buchclub gegeben hätte, in diesen hätte sie sich sofort eingeschrieben. Vielleicht sogar heute noch. Doch draußen bei Wind und – im schlimmsten Falle – Wetter herumturnen und zu schwitzen? Das hatte nie einen besonderen Reiz für sie dargestellt – abgesehen von ihrer morgendlichen Jogging Routine. Dies war jedoch etwas ganz anderes, sie war dabei alleine und niemand trieb sie schreiend dazu an, noch mehr aus sich heraus zu holen. Ob sie diese jedoch nun aufrecht erhalten würde, war noch ungewiss, darüber hatte sie sich noch gar keine Gedanken gemacht. Herumturnen und schwitzen schien jedoch auch das Motto des Mittags zu sein, die Flure waren mittlerweile gut gefüllt, man sah Eltern und deren Kinder gleichermaßen herumlaufen, redend und lachend. Sie unterdrückte den Impuls, mit den Augen zu rollen und lief so großräumig um sie herum, wie es ihr die Wege gestatteten, die Gesprächsthemen dabei so gut es ging ignorierend. Sie war milde überrascht, wie auswendig sie die Flure und Gänge des Gebäudes noch kannte, denn den Weg zum Gemeinschaftsraum fand sie mühelos und so stand sie nur wenig später bereits in dem riesigen Raum. Er hatte sich wirklich kaum verändert, wenngleich er etwas hübscher dekoriert war, als früher und nicht mehr so trist und grau eingerichtet war. Sogar die ein oder andere Topfpflanze war zu sehen, die Wände nun nicht mehr leer, sondern mit mehr und weniger schönen Bildern behangen, ja, sogar die alten, verblichenen Vorhänge waren neueren, bunteren gewichen. Was ein paar Akzente alles ausmachen konnten. „Na das nenn' ich mal auffälliges Haar!“ Sakuras Laune versank direkt vom Keller heraus in das nächst tiefer gelegene, was auch immer dies dann war. Einerseits war sie überrascht, dass sie erst „so spät“ auf ihre Haare angesprochen worden war, andererseits hätte es sie auch nicht im Mindesten gestört, wenn keiner sie darauf aufmerksam gemacht hätte, dass sie mit einer seltsamen Haarfarbe gesegnet war. Ab-so-lut nicht. Missmutig wandte sie sich um, um dem Mädel, welches sie angesprochen hatte, ordentlich die Meinung zu geigen. Es war ein platinblondes Mädchen, welches exakt so aussah, wie jene Sorte Mensch, vor der sie selbst sich sonst lieber ganz fern hielt. Sie war in Begleitung eines schüchtern wirkenden Mädchens mit langen, schwarzblauen Haaren – sie blickte mit geröteten Wangen zur Seite und Sakura wünschte, dass ihre scheinbar zurückhaltende Art ansteckend gewesen wäre. Das andere Mädchen hinter den beiden sah genervt in eine andere Richtung, die Arme vor der Brust verschränkt und anscheinend nicht ganz so begeistert von dem Verhalten ihrer aufdringlichen Freundin – verständlich. „Ich bin damit geboren, Madame und habe wirklich keine Lust darauf, dass irgendwelche dahergelaufenen Menschen, wie du“, sie legte eine starke Betonung auf die letzten beiden Worte, „mich deshalb ansprechen, diesbezüglich nerven oder sie – und das wäre sogar die Schlimmste von allen Möglichkeiten – als Einleitung zu einem elendig langweiligen Gesprächs zu missbrauchen.“ Erstaunt wanderten die Augenbrauen ihrer Gegenüber nach oben und es schien, als hätte sie ihre Zunge verschluckt, was vermutlich nicht oft der Fall war. „Da ist aber eine mit dem falschen Fuß aufgestanden“, antwortete sie mit spitzer Stimme, scheinbar war sie es nicht gewohnt, dass man ihr die Meinung derart ins Gesicht donnerte. „Nein, eigentlich gar nicht, nur wenn man zum 99sten Male auf die Haare angesprochen wird, wird es beim 100sten nicht weniger nervig, glaub mir“, erklärte Sakura gelangweilt, „Sind wir dann jetzt fertig?“ Sie versuchte, all ihren Unmut in ihre Augen zu legen, um deutlich zu signalisieren, dass sie ganz und gar nicht an einer Unterhaltung interessiert war. „Ich denke schon...“ Das blondhaarige Mädchen schien immer noch überrumpelt zu sein und Sakura hätte schwören können, dass sie das vorhin noch genervt dreinblickende Mädchen im Hintergrund kichern hörte. Sakura lächelte künstlich und verschwand wieder aus dem Gemeinschaftsraum. So viel zum Thema in Ruhe die Nostalgie genießen, wenn sie schon wieder hier gefangen war. Zurück zu ihrem Zimmer zu gehen stand außer Frage und da ihr sonst nichts Cleveres mehr einfiel, beschloss sie, sich einfach auf das weitläufige Gelände jenseits des Gebäudes zu verkrümeln und sich irgendwo in das Gras zu fläzen. Sie fühlte sich müde. Als hätte sie das ganze Jahr bereits hinter sich und nicht erst noch vor sich. Genauso gut hätte sie heute schon ihre Sachen packen und wieder gehen können, doch gab es wohl kein Zurück mehr. Ihre Mutter würde sie höchstpersönlich köpfen. Obwohl es der Anfang des Frühlings war, war der Wind noch recht böig und kühl, sodass es Sakura ein wenig fröstelte, doch kühler, als die Stimmung in ihren Gemächern konnte es kaum sein, weswegen sie die Zähne zusammen biss und es sich verkniff, geradewegs auf dem Absatz kehrt zu machen und wieder rein zu gehen. “Womit hab' ich das nur verdient“, dachte sie und genoss es für einen Augenblick, sich in herrlichem Selbstmitleid zu baden. Sie wusste, dass sie dazu kein Anrecht hatte, für diese ganze Misere konnte sie einfach nur sich selbst die Schuld geben und dennoch fühlte es sich um so vieles Einfacher an, alles von sich zu weisen. Ein gutes Stück entfernt vom Hauptgebäude ließ sie sich auf einem kleinen Hügel bei einer Reihe von Bäumen nieder, deren Äste grün sprießten. Es war schön hier und wenn die Gesamtsituation nicht so unfassbar unbefriedigend wäre, könnte der Moment wirklich schön sein, fast schon idyllisch. Sie musste etwas unternehmen, das wusste sie, sie konnte unmöglich ein ganzes Jahr so existieren. Irgendwie musste sie die Sache zwischen sich und Naruto bereinigen, doch die Frage „wie“ war eine verdammt Gute. Das Naheliegendste war natürlich eine Entschuldigen, aber mal im Ernst – für das, was sie vor zwei Jahren getan hatte, gab es keine Entschuldigung. Kein Wort dieser Welt wäre genug, um wieder gut zu machen, was sie vergeigt hatte, keines, in keiner Sprache. Die Haruno kam sich albern vor, doch wünschte sie sich die harmlose Zeit zurück, als ihr größtes Problem noch ihr Notendurchschnitt gewesen war. Sie war immer eine Spitzenschülerin gewesen, umso lächerlicher war dieses Problem gewesen und genau deshalb wollte sie es wieder zurück haben. Sich über all diesen Mist den Kopf andauernd zerbrechen zu müssen war etwas, wofür sie sich nicht bereit fühlte, wofür sie sich nie bereit fühlen würde. Ihr Handy vibrierte und rief sie aus ihrer Trance zurück in die reale Welt, abrupt und vor allem unerwartet. Es war Naruto. Er hatte ihre Nummer nicht gelöscht? Sie hatte keine Notwendigkeit darin gesehen, sich eine neue Nummer zuzulegen, denn sie hatte fest damit gerechnet, dass von früher ohnehin niemand mehr etwas mit ihr zu tun haben wollte – was definitiv nachvollziehbar gewesen wäre. Wo bist du? Ein weiteres Summen in ihrer Hand. Wir müssen reden. “Bitte nicht...“, dachte sie. Nicht jetzt. Konnte sie ihm nicht noch wenigstens ein paar weitere Tage komplett aus dem Weg gehen, um sich zumindest etwas darauf vorzubereiten? Seufzend stand sie auf und schrieb kurz und bündig Ich komme zurück aufs Zimmer zurück. Ok war die simple Antwort. Na dann mal los. Wenig später, Sakuras Zimmer „Er muss weg“, verlangte sie wehement, die Arme wütend vor dem Körper verschränkt, „Er hat damit absolut nichts zu tun und ich habe wirklich keine Lust, das vor ihm auszudiskutieren.“ Alles an dem Uchiha schien sie abzustoßen und sie musste nicht darüber nachdenken, woran das liegen könnte – sie wusste es. „Wieso?“, war die simple Frage des Schwarzhaarigen, seine ruhigen, gelangweilt dreinblickenden Augen auf sie gerichtet. „Wieso? Wieso? Naruto, willst du ihm erklären, wieso ich keine Lust darauf habe, mich vor ihm mit dir über dieses... Thema zu unterhalten?“, zischte sie, die Wut wucherte nun wie ein Geschwür in ihr, brachte ihr Blut pulsierend zum Kochen. Das war eine überflüssige Frage, Naruto wusste selbstverständlich genau, wieso sie das nicht wollte, doch schien er selten unnachgiebig zu sein und Sakura fühlte, wie Tränen der Wut in ihren Augen zu quellen begannen. „Ich finde, du bist die letzte Person, die irgendwelche Forderungen stellen darf“, stellte er fest, was Sakura fast zur Weißglut brachte. Womit hatte sie das verdient? Ja, sie hatte Mist gebaut, einen verflucht großen Haufen Mist, doch konnte er sie gar nicht verstehen? Was ihre Motivatoren damals waren? Wie es ihr dabei ergangen war? Schwer atmend versuchte sie, sich zu beruhigen, doch das Unterfangen war von wenig Erfolg gekrönt, doch immerhin klärte ihr Blick sich wieder. „Ich verstehe, dass du immer noch wütend bist, Naruto, doch das Ganze ist jetzt zwei Jahre her und falls es dich beruhigt – es geht mir nicht weniger beschissen, deswegen. Zu keinem verfluchten Zeitpunkt ging es mir besser damit“, versuchte sie, sich zu rechtfertigen, doch Narutos Miene blieb unverändert. „Eigentlich will ich mich gar nicht mit dir streiten, Sakura. Dafür habe ich dich nicht hierher gebeten, echt jetzt“, murmelte und kratzte sich am Hinterkopf, „aber ich glaube nicht, dass das hier zwischen uns gut gehen würde, wenn wir nicht zumindest einmal über die ganze Sache reden.“ Das Mädchen fühlte sich hilflos in ihrer Haut, alle Wut verpuffte in einem Augenblick und die Leere, die zurück blieb, hatte einen seltsamen Beigeschmack. „Was willst du dann? Ich kann die Zeit nicht zurück drehen, ich kann es nicht ungeschehen machen, glaub mir, wenn ich es könnte würde ich es tun.“ „Weißt du, dass ich fast wahnsinnig geworden bin, wegen dir? Als du einfach verschwunden bist? Nachdem du mir davor das Herz gebrochen hast? Es hat sich angefühlt wie ein verdammt mieser Albtraum und jetzt kommst du wieder her, nach zwei Jahren und das Erste, was dir zu dem Thema einfällt ist, dass du dich darüber lustig machst, dass ich noch hier bin? Bist du nur für eine Sekunde mal darauf gekommen, dich wenigstens dafür zu entschuldigen, was du getan hast?“ So vorwurfsvoll hatte sie den blonden Chaoten noch nie erlebt und dementsprechend erwischte es sie auf kaltem Fuße. Sie wusste nichts entgegen zu setzen. „Es gibt keine Entschuldigung dafür und das weißt du selber auch“, hauchte sie. „Das ist richtig, aber alleine das hätte mir schon genügt. Zumindest ein wenig. Die Erkenntnis, dass du es dir richtig ordentlich verbockt hast“, entgegnete er und sein typisches, schiefes Grinsen huschte zumindest für einen flüchtigen Augenblick über seine Lippen. Doch dann seufzte er. „Ich bin dir eigentlich nicht einmal richtig böse, war es nie. Ich war einfach nur unfassbar verletzt. Aber ich will hier jetzt nicht mein letztes Jahr direkt neben dir verbringen und dich die ganze Zeit lang anschweigen. Wir waren immerhin mal beste Freunde, kannst du dich daran noch erinnern?“ „Naruto, du machst es nicht besser, wirklich nicht.“ Sakuras Gesichtsausdruck war gequält, er war verdammt gut darin geworden, ihr ein schlechtes Gewissen zu machen. Noch vor zwei Jahren war das nicht derart der Fall gewesen. Naruto seufzte, das Grinsen war verschwunden. Der Uchiha stand sichtlich gelangweilt daneben und diese Tatsache genügte fast, um sie wieder wütend zu machen. „Es tut mir Leid“, brachte sie irgendwann hervor und obwohl es nicht so klang, war es wirklich ehrlich gemeint. Naruto schien das du wissen, denn er zuckte mit den Schultern und zeigte sein erstes, breites Grinsen, welches seine weißen Zähne entblößte. Es war sein Lachen, niemand sonst konnte so entwaffnend lächeln, wie er. „Wow, hätte nicht gedacht, dass ich das wirklich schaffe“, grinste er und boxte seinem Kumpel mit dem Arm in die Seite. „Spaß beiseite, danke, Sakura, wirklich, mehr wollte ich an diesem Punkt eigentlich gar nicht.“ „Heißt das, kein böses Blut zwischen uns beiden?“, fragte sie hoffnungsvoll nach, während sie fühlte, wie ein unfassbar wuchtiger Stein von ihrem Herzen wegrollte, ganz langsam, aber stetig. „Ich konnte dir noch nie lange böse sein, das müsstest du eigentlich wissen“, antwortete er lachend und kratzte sich erneut am Hinterkopf. „Das war bewegend“, warf der Schwarzhaarige sarkastisch ein, „sind wir jetzt fertig?“ Die Haruno hatte gute Lust, ihm ihre Meinung so richtig ordentlich zu geigen, doch sie schluckte ihre offene Abneigung zumindest verbal herunter. Ihr Blick jedoch blieb waffenfähig. „Sei nicht so“, mahnte Naruto ihn und warf einen mehr als besorgten Blick zwischen den beiden hin und her. Er war nicht so dämlich, als dass er nicht exakt wüsste, was in seiner ehemals beste Freundin vor sich ging. Doch das war eine ganz andere Geschichte. Fürs Erste war er froh, die Sache mit dem rosahaarigen Mädchen bereinigt zu haben. Vergessen würde er das Ganze niemals, doch es fühlte sich richtig an, wieder mit ihr zu reden. Auch wenn er durchaus bemerkt hatte, wie sehr sie sich verändert hatte. Aus dem einst so fröhlichen, herzlichen Mädchen war etwas Anderes geworden, mit einer Bitterkeit in der Stimme, die er niemals in ihr hatte hören wollen, doch auch darüber wollte er just in diesem Moment nicht nachdenken. Alles zu seiner Zeit. „Und, schon neue Freunde gefunden?“, lenkte er deshalb vom Thema ab, was dem Uchiha ein mehr als entnervtes Geräusch entlockte und ihn zurück in sein privates Reich trieb. Sie machte eine rüde Geste in seine Richtung, doch mit dem Rücken zu ihr gewandt sah er das nicht. „Machst du Witze?“ Sakura ließ ein nasales, verächtliches Schnauben verlauten und erneut musste Naruto lachen. „Wie viele haben dich schon auf deine Haare angesprochen?“, frotzelte er weiter, er konnte es einfach immer noch nicht lassen. Zwei gottverfluchte Jahre waren vergangen und noch immer wusste er genau, welche Knöpfe er bei ihr drücken musste. Es war ein Witz. „Ich hasse dich“, sagte sie, doch zum ersten Mal seit Monaten erschien so etwas wie ein Lächeln auf ihren Lippen, „Echt jetzt.“ Kapitel 2: Anlaufschwächen. --------------------------- Später am Abend, Zimmer 7 Der Abend war erschreckend schnell heran gebrochen, was schlichtweg eines bedeutete: Der erste richtige Tag stand vor der Tür, eine Tatsache, welche Sakura durchaus Unbehagen bereitete. Sie fühlte sich noch nicht bereit dazu. Während der Unterrichtszeit war es deutlich schwieriger, den Anderen aus dem Weg zu gehen, das wusste sie und mental bereitete sie sich darauf so gut es ging vor, dass sie morgen vermutlich noch ein paar Mal öfter auf ihre unnatürliche Haarfarbe angesprochen werden würde. Die Sonne war bereits am Untergehen, als sie gelangweilt auf ihrem Bett lümmelte, mit einem ihrer eigentlichen Lieblingsbücher in der Hand, doch konzentrieren konnte sie sich nicht so recht. Ständig schweiften ihre Gedanken ab und so kam es, wie es kommen musste – sie klappte es seufzend zu und erhob sich. Vielleicht war es einfach am Besten, zusammen mit Naruto in den vermutlich ziemlich belebten Gemeinschaftsraum zu gehen und sich dort in eine Ecke zum Unterhalten zu verziehen. Auf dem Zimmer zu verwelken hatte ihr irgendwie noch nie gut getan und obwohl sie ganz und gar kein geselliger Mensch war, so war die bloße Präsenz von anderen Menschen recht angenehm, um seinen sich immer wieder im Kreis drehenden Gedanken entschwinden zu können. Nur auf Abstand sollten sie bleiben. Streckend erhob sie sich also vom Bett und klopfte kurz an Sasukes Zimmer, doch es kam keine Reaktion, weswegen sie die Tür sanft öffnete und sich vergewisserte, dass er wirklich nicht gerade da war und – im schlimmsten Fall – sich umzog. „Naruto?“, rief sie fragend, während sie durch die zweite Tür zu Sasukes vier Wänden lief und nach dem blonden Chaoten Ausschau hielt, doch auch dieser war nicht aufzufinden. “Prima“, dachte sie grimmig. Bestimmt waren die beiden zusammen unterwegs und ehe sie sich dem Uchiha anschloss, würde sie lieber in ihrem Zimmer bis ans Ende aller Tage verschimmeln. Das mag sich durchaus übertrieben anhören, keine Frage, doch sie hatte wirklich keine Lust darauf, sich allzu sehr an ihn anzunähern. Wo bist du? schickte sie also kurzer Hand an Narutos Handy und die Antwort kam beinahe wie aus der Pistole geschossen. Ist noch angenehm draußen. Sind mit ein paar anderen auf dem Sportplatz draußen, Körbe werfen Sakura seufzte. Damit hätte sie eigentlich rechnen können. Naruto war schon immer sportbegeistert gewesen und hatte sich in sämtliche Klubs eingetragen, welche diese beinahe kindliche Begeisterung unterstützten. Vielleicht waren seine Noten deshalb immer so schlimm gewesen – vor lauter Training (und Abhängen mit ihr) hatte er vor zwei Jahren kaum noch für etwas anderes Zeit gehabt. Und selbst sie war bisweilen ziemlich kurz gekommen – vor allem, wenn es auf ein wichtiges Spiel gegen eine andere Schule zugegangen war. Eigentlich hatte sie nur wenig Lust, sich bei der untergehenden Sonne auf den Rasen der Sportplätze zu setzen und sich bei dem sicherlich allermindestens kühlen Wind eine Erkältung zu holen, aber alleine im Zimmer sitzen war grässlich und alleine im Gemeinschaftsraum zu sitzen noch grässlicher. So suchte sie zwei warme Decken aus ihrem wirklich beeindruckenden Bestand von warmen Decken, zog sich einen kuscheligen Pullover an und packte sich ein Buch ein, ehe sie sich auf den Weg nach draußen machte. Bin auf dem Weg, schaue euch etwas zu schrieb sie an den Uzumaki ohne rechte Begeisterung. Kurze Zeit später, Sportplätze Die Sonne neigte sich immer stärker den Hügeln zu, welche von den Sportplätzen aus gut zu sehen waren und tauchte die Umgebung in ein warmes Licht. Es war durchaus hübsch anzusehen, wie die blühenden Bäume zu leuchten schienen, doch war es kalt, bitterlich kalt. Sakura zog die Decken in ihren Armen enger an die Brust und schickte sich an, so schnell wie möglich ans Ziel zu kommen, damit sie sich in eine davon hüllen konnte. Es dauerte nicht lang, bis sie Naruto fand, denn wenn man ihn nicht sah, dann hörte man ihn zumindest. Vor allem beim Sport drehte er (und vor allem sein Organ) richtig auf. Sie wartete darauf, dass er sie ins Auge fasste, ehe sie ihm kurz zuwinkte und sich einen Platz unter einem Kirschbaum suchte. Kurz darauf saß sie, in kuscheligen Stoff gehüllt, auf dem Platz und blickte hin und wieder von ihrem Buch auf, um ihrem ehemaligen besten Freund dabei zuzuschauen, wie er sich vollkommen verausgabte. Auch den Uchiha erspähte sie, doch an jenen verschwendete sie keinen zweiten Gedanken. Zu ihrem Erstaunen tobte auch das Mädchen mit den sonderbaren Zöpfen von heute morgen zusammen mit den Jungs auf dem Feld hin und her. So flink, wie sie darin war, den Jungs den Ball abzunehmen, sah sie aus, als könnte sie fliegen und selbst aus der Entfernung konnte Sakura erkennen, wie viel Spaß sie dabei hatte. Schnaubend schüttelte sie den Kopf. Wie konnte einem so Etwas Spaß machen? Doch jedem das Seine, wie man so schön sagte, nicht wahr? Eine Weile verbrachte sie einfach so, unter dem Baum sitzend und lesend und es war wirklich angenehmer, als alleine auf dem Zimmer zu sitzen, als ihre Aufmerksamkeit sich von dem Buch unweigerlich auf Naruto verschob, welcher verschwitzt und heftig atmend vor ihr auftauchte. „Igitt, komm' mir bloß nicht zu nahe!“, quietschte sie sofort und wich ein Stück nach hinten aus. Naruto jedoch lachte nur und schüttelte den Kopf, offenbar verfügte er noch nicht über genügend Sauerstoff in den Lungen, um ihr zu antworten, doch ließ er sich ein wenig Abseits von ihr auf den Rasen fallen. „Wie kommt es, dass du freiwillig raus gehst, Sakura?“, erkundigte er sich, nachdem er wieder zu Luft gekommen war, und rieb die Schweißbänder an seinen Handgelenken über die Stirn. „Alleine auf dem Zimmer zu sitzen ist furchtbar ätzend“, gestand sie ohne Umschweife, „und alleine in den Gemeinschaftsraum wollte ich erst recht nicht.“ Sie zog eine verächtliche Grimasse. „Wie du siehst, waren meine Optionen also äußerst limitiert.“ Achselzuckend klappte sie das Buch zu und legte es arglos zur Seite. „Sorry, dass ich dich nicht gleich gefragt habe“, entschuldigte er sich mit schuldbewusster Miene, „nur hätte ich nicht gedacht, dass du tatsächlich raus gehen würdest.“ Verübeln konnte man ihm diesen Gedankengang nicht, auch wenn es sie überraschte, dass er überhaupt so weit dachte. „Schon okay“, murmelte sie nur, lehnte sich an den Kirschbaum und warf ihren Blick erneut in Richtung Sportplatz auf einen gewissen, jungen Mann. „Wieso ist ausgerechnet er dein bester Freund geworden?“ Die Frage erwischte ihn eiskalt, denn er wandte beinahe beschämt den Kopf zur Seite, um sie nicht anschauen zu müssen. „Ist echt ironisch, nicht wahr?“, lachte er, doch das Lachen klang nicht Naruto, es war halbherzig und ohne jegliche Freude darin. „Ich weiß es nicht...“, seufzte er. „Es hat sich einfach so ergeben. Sasuke ist... anders als er, Sakura. Das würdest du merken, wenn du mal mit ihm reden würdest, weißt du?“ „Das wird nicht geschehen, solange ich die Möglichkeit habe, es zu verhindern“, antwortete sie, noch immer auf die schwarzen Haare des Jungen fixiert, dessen Bruder sie noch heute hin und wieder in ihren grässlich real wirkenden Albträumen verfolgte. Er wusste von all dem, was zwischen ihr und ihm passiert war, vermutlich nicht einmal was, was die ganze Angelegenheit um die Freundschaft der beiden Jungs beinahe wirklich ironisch machte. „Er ist dir in vielerlei Hinsicht sogar recht ähnlich, Sakura, auch wenn du das bestimmt nicht hören willst.“ „Du hast vollkommen Recht: Ich möchte das nicht hören“, zischte sie. Naruto war in genau zwei Sachen wirklich hervorragend: Sport und Menschenkenntnis. Sie wollte von ihm nicht hören, dass sie dem Bruder Itachis ähnlich war, denn wenn er es sagte, dann war es gar nicht so abwegig, dass es stimmte. „Du wirst ihm nicht das ganze Jahr aus dem Weg gehen können... Wir wohnen im selben Zimmer“, warf er ein, doch Sakura bekam gar nicht so recht mit, was genau er da sagte, denn ihre Nemesis hatte sich gerade dazu entschlossen, seinem besten Freund hierher zu ihr zu folgen. Sie nahm ihr Buch wieder in die Hände und wandte sich ohne ein weiteres Wort den Zeilen vor ihr zu, über welchen ein milchiger Schleier zu hängen schien, denn kein einziges davon schaffte es, in ihre Gedanken überzugehen. Vielleicht war es auch die Präsenz des Uchihas, welche sie derart ablenkte, doch auch das war etwas, was sie sich niemals eingestehen würde. „Kommst du wieder mit runter?“, fragte er mit gelangweiltem Unterton. „Könnt ihr noch einen kurzen Moment auf mich verzichten?“, stellte Naruto die Gegenfrage, „Sakura ist extra hierher gekommen, um uns zuzuschauen, ich will wenigstens kurz mit ihr reden.“ Uns traf die ganze Sache nicht wirklich, eigentlich war sie nur für Naruto hierher gekommen, jedoch hielt sie es für ratsam, einfach den Mund zu halten und die Sache so im Raum, beziehungsweise im Freien stehen zu lassen. Sasuke hingegen schnaubte verächtlich, was ihren Puls direkt in die Höhe schießen ließ, ihre schlanken Finger, welche ihr Buch mittlerweile regelrecht umklammerten, zitterten. Ihre Beherrschung war für gewöhnlich das, worauf sie sich stets verlassen konnte, doch irgendwie schaffte er es dennoch mit Leichtigkeit, sie zur Weißglut zur treiben und das gefiel ihr ganz und gar nicht. Sie wollte gar nichts im Bezug auf Sasuke Uchiha fühlen, nicht einmal Hass oder Wut. Sie ärgerte sich über ihre eigene vermeintliche Schwäche, doch schaffte es sie es zumindest, ihre Bemerkung herunterzuschlucken. „Bei was will sie dir zuschauen, wenn du hier sitzt?“, fragte er kühl und verschränkte die Arme vor der Brust. Die Zeit schien still zu stehen. Sakura atmete tief ein. Und wieder aus. Und wieder ein. Und dann stand sie ruckartig auf, ohne dabei aufzusehen. Der Einband ihres Buches war an der Stelle, an der sie ihn umklammerte, eingedrückt und einige Kratzspuren ihrer Fingernägel waren zu sehen. Doch noch immer hielt sie eisern ihren Mund. Er würde diesen Kampf nicht gewinnen, egal, wie oft er ihn anzetteln würde. Sie würde ihm nicht geben, was er wollte – eine Reaktion. Und so faltete sie stumm ihre Decken zusammen. Zugegeben, es wäre ein deutlich beeindruckenderer Auftritt gewesen, wäre sie einfach nur aufgestanden und gegangen, jedoch wollte sie Naruto nicht dazu nötigen, ihr ihre Sachen hinterher zu tragen. „Wir sehen uns auf dem Zimmer, Naruto“, presste sie zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor und verschwand beinahe ebenso schnell wieder, wie sie hierher gekommen war. Naruto indess warf seinem besten Freund einen beinahe vernichtenden Blick zu. „Musste das sein?“, motzte er missgelaunt und erhob sich ebenfalls vom kühlen Rasen. „Was?“ Der Uchiha war beeindruckend gut darin, Unwissenheit vorzutäuschen. Er neigte den Kopf leicht zur Seite, doch Naruto kaufte ihm sein Schmierentheater nicht ab. „Du hast überhaupt keine Ahnung, wie schwierig es für sie ist, dich nicht konstant verbal anzugehen und sie gibt sich wirklich verflucht Mühe. Ich war wirklich überzeugt, dass sie aufspringt, um dir die Augen auszukratzen, Alter.“ Sasuke hatte Naruto selten so ernst gesehen, was ihm den Hauch von Verwunderung auf die Gesichtszüge zauberte. „Was hab ich ihr bitte getan?“, war die einfache Frage und Naruto seufzte ergeben. Ja, Sasuke hatte wahrhaftig keinerlei Ahnung, wieso Sakura so schlecht auf ihn zu sprechen war und er konnte es ihm auch schlecht erklären. Sie würde ihn lynchen und nur wenn er Glück hatte, würde sie damit warten, bis er tief und fest schläft. „Das ist eine lange Geschichte und ich fürchte, ich darf sie dir nicht erzählen. Vertrau mir einfach, wenn ich dir sage, dass du solchen Scheiß besser lassen solltest...“ Naruto fuhr sich durch die Haare, von einer plötzlichen Müdigkeit überfallen. „Wie genau hast du das früher dann überhaupt mit ihr ausgehalten? Sie ist grässlich“, murrte der Uchiha. Okay, Naruto kam so ziemlich mit jedem klar, doch schlau wurde er aus dem Verhältnis der beiden zueinander trotzdem nicht. „Sie war früher ganz anders“, seufzte Naruto tief. „Schwer vorstellbar“, antwortete Sasuke nur und damit war das Thema vom Tisch. Zur gleichen Zeit, Zimmer 7 Ein pochender Schmerz erinnerte sie daran, dass sie das alles hier nicht nur in einem wahnwitzigen, geradezu absurden Albtraum erlebte und zwang sie, sich hinzusetzen. Sie hätte ihren Schrank wirklich nicht treten sollen, doch an irgendetwas musste sie ihre Wut heraus lassen. Tränen der Wut glitzerten in ihren Augen, was sie nur noch wütender machte, es war ein elendiger Teufelskreis. Der erste richtige Tag war noch gar nicht angebrochen und schon fühlte sie sich hundeelend. Das alles war absolut verrückt und sie musste im Fieberwahn gewesen sein, als sie der Idee ihrer Mutter zugestimmt hatte, hierher zurück zu kehren. „Die beste Schule am Arsch“, fluchte sie halblaut und raufte sich die Haare. Sie sah fertig aus und so fühlte sie sich gewiss auch. Die Sonne vor dem Fenster ihres Zimmers war nun fast komplett verschwunden und so würde es sicher nicht lange dauern, bis die beiden zurück kamen, um sich zu duschen. Bei dem Gedanken, dem Uchiha heute noch ein weiteres Mal über den Weg laufen zu müssen, wurde ihr übel, weswegen sie fast fluchtartig frische Kleidung zusammen suchte, um sich selbst vor den beiden duschen zu können. Das brühend heiße Wasser hatte ihr zwar scheinbar die oberste Hautschicht entfernt, nicht jedoch ihre schlechte Laune mit sich in den Abfluss getragen und so kauerte Sakura mit Handtuch um die Haare gewickelt auf ihrem Bett und versuchte zu schlafen. Es hatte bereits zweimal an ihrer Tür geklopft, das erste Mal laut und fordernd, das zweite Mal ganz sanft und leise. Sie hatte es für das Beste gehalten, sich schlafend zu stellen und nicht zu reagieren, heute war sie ohnehin nicht mehr im Stande, sich nicht wie eine verrückte Furie zu verhalten und so mied sie lieber jeden menschlichen Kontakt. Das Licht der kleinen Lampe auf ihrem Nachttisch strahlte so intensiv, dass es ihr Gesicht regelrecht wärmte und doch fühlte Sakura sich eisig kalt. Sie hörte die beiden nebenan lachen, was ihrem Magen eine krampfartige Resonanz entlockte. Schon lange hatte sie sich nicht mehr so einsam und schlecht gefühlt, Emotionen, die ihr Angst machten. Sie hatte verlernt, mit ihnen umzugehen, hatte sie die letzten zwei Jahre doch in absoluter Einsamkeit gelebt, förmlich gebadet, sie herzlich begrüßt. Früher hätte sie jetzt geweint. Leise, damit es keiner hören konnte, aber herzhaft. Bis die Erschöpfung sie in einen langen, traumlosen Schlaf gezogen hätte. Am nächsten Morgen Die Spuren einer langen, zum größten Teil schlaflosen Nacht hafteten an ihr wie nasse Kleidung, die Ringe unter ihren matt wirkenden, grünen Augen waren tief und dunkel. Eigentlich musste sie dringend aufs Klo, aber sie wollte noch immer keinem ihrer beiden Zimmergenossen über den Weg laufen und so verkniff sie es sich. Angezogen war sie schon seit über einer Stunde, als die ersten, schwachen Lichtstrahlen ihren Weg durchs Fenster in ihr Zimmer gefunden hatten. Seitdem lief sie wie eine Mänade in ihrem Zimmer auf und ab und versuchte, ihre Gedanken auf etwas Erfreulicheres zu lenken. Leider fiel ihr nichts ein, was in Betracht gezogen werden konnte und so blieb es nur bei dem gehetzten auf und ab laufen. Es dauerte noch eine ganze, sich in schreckliche Längen ziehende Weile, bis sie die ersten Geräusche aus den Nebenräumen hören konnte, was ihren Puls auf unerklärliche Art und Weise schneller werden ließ. Als wäre sie nervös, doch vor was? Dass einer der beiden erneut klopfen würde? Dass Naruto versuchen, würde, sie dazu zu überreden, mit ihnen frühstücken zu gehen? Sakura schwindelte es, sie war körperlich zu gerädert, um sich all das auszumalen. Müdigkeit, gepaart mit einem bohrenden Hunger und einem anderen, ganz natürlichen Bedürfnis, waren wahrhaft keine gute Kombination, wie sie säuerlich feststellte. „Sakura?“ Jäh schreckte sie aus ihrer Trance hoch, die Luft anhaltend. Keine zwei Sekunden später klopfte Naruto erneut energisch an ihre Tür und für einen Moment ärgerte sie sich darüber, dass sie sich vor zwei Stunden nicht getraut hatte, leise heraus zu schleichen. Naruto schlief tief und fest, wie ein betrunkenes Baby, Sasuke jedoch war eine andere Sache gewesen. Sie kannte ihn nicht und sein Schlafverhalten somit auch nicht und das Risiko, ihn zu wecken, war ihr zu groß gewesen. “Geh einfach“, dachte sie nur. Sie wollte mit niemandem reden, nicht einmal mit ihm. Überhaupt war nur er Schuld an dieser ganzen Misere, wieso musste er sich ausgerechnet mit einem Uchiha so dick anfreunden? Aber sie wollte ihn nicht vor die Wahl stellen, zwischen ihr und ihm. Zum Einen war das Naruto gegenüber äußerst ungerecht, nach all dem, was sie angestellt hatte. Zum Zweiten hatte sie Angst davor, dass er sich nicht für sie entscheiden würde, denn dazu hatte er, aus logischer Konsequenz der ersteren Tatsache, jedes Recht. Noch einmal klopfte er und dann, nur kurz darauf, wurde es still neben an. Gefühlt zum ersten Mal seit Minuten traute sie sich, wieder zu atmen, dennoch wartete sie noch fünf Minuten, nur um sicher zu sein, dass sie wirklich weg waren. Sie fühlte sich schrecklich albern, wie ein stures, kleines Kind und das wollte sie nicht einmal, aber irgendwie erschien er gerade alles zu viel. Seufzend öffnete sie die Türe, ganz vorsichtig, als ob die beiden Jungs es dann nicht bemerken würden, falls sie tatsächlich immer noch hier verweilten – was sie nicht taten. Bestimmt waren sie in die Mensa zum Frühstück gegangen und ein ziehendes Gefühl in ihrem Magen schrie sie förmlich an, es ihnen gleich zu tun, doch ihr Magen stand mit dieser Meinung alleine da, sämtliche anderen Fasern in ihrem Körper sträubten sich gegen diese Idee. Es war noch eine ganze Stunde Zeit, bis der Unterricht offiziell anfing, Sakura wusste allerdings nichts mit sich oder dieser Zeit anzufangen und da das Gefühl des Hungers immer stärker wurde, wanderte sie unruhig durch die unzähligen Hallen und Flure des Schulgebäudes, ehe sie sich in der Eingangshalle wiederfand. Die Zimmerpläne an dem schwarzen Brett hatten Platz gemacht für eine Vielzahl anderer Zettel – Kurseinschreibungen. Es war Pflicht für jeden Schüler, an mindestens einer Aktivität außerhalb des Unterrichts teilzunehmen, ob künstlerisch oder sportlich war jedem selbst überlassen. Naruto würde sich gewiss wieder für Fußball und Baseball eintragen, dessen war sie sich sicher. Was sie selbst jedoch wählen sollte, wusste sie absolut nicht, darüber hatte sie sich bisher noch keine Gedanken gemacht, doch fand sie ein wenig Linderung in der Ablenkung. Natürlich gab es so etwas wie einen Buchklub noch immer nicht, was sie ärgerte und Sport kam auf keinen Fall in Frage. Lieber würde sie sich von Tsunade höchstpersönlich einen Tritt in den Hintern verpassen lassen, wenn sie gar nichts wählte, als sich für sportliche Aktivitäten zu melden. Zum zweiten Mal an diesem Morgen wurde sie aus ihrer Trance gerissen, doch dieses Mal nicht von Naruto. Es war ein Mädchen, welches an sie heran getreten war, leise, wie eine Katze auf ihren samtigen Pfoten, den Kopf gen Boden geneigt. „E-Entschuldige“, stammelte sie leise und Sakura erinnerte sich wieder. Es war das schüchterne Mädchen gewesen, welches gestern Morgen noch neben diesem aufdringlichen Weib gestanden hatte. „Schon in Ordnung“, nuschelte sie nur und trat einen Schritt beiseite, damit das andere Mädchen besser sehen konnte. Eine Weile standen sie stumm nebeneinander und lasen sich durch, was das Programm dieses Jahr so zu bieten hatte. Das Mädchen mit den schwarzblauen, langen Haaren schien sich genauso unschlüssig zu sein, wie sie selbst, denn auch sie stand betreten da und starrte Löcher in die Wand. „Ich sollte Tsunade mal in den Hintern treten, damit sie endlich so etwas wie einen Buchklub aufmacht, nicht wahr?“, scherzte sie halbherzig, das andere Mädchen jedoch schien aufgrund ihrer Wortwahl etwas erschüttert. „Ä-äh... vielleicht?“, antwortete sie schüchtern. Es war offensichtlich, dass sie nicht wusste, wie sie auf eine Erscheinung wie Sakura angemessen reagieren sollte. „Ich würde mit... mitmachen.“ Sie nestelte an dem Reißverschluss ihrer dünnen Stoffjacke herum. Die Situation war ihr sichtlich unangenehm und Sakura ärgerte sich beinahe darüber, ihr solches Unbehagen zu bereiten. Sie schien nett. „Sakura“, sagte sie nur. Erneut schien die Andere tief erschrocken. „Hi-Hinata“, stammelte sie, „...freut mich“, fügte sie ganz leise hinzu, doch da sie so eng beieinander standen, hörte sie es gerade noch so. „Gleichfalls.“ Damit war das Gespräch scheinbar wieder beendet, weswegen Sakura wieder den Unmengen an Kursen vor ihr ihre Aufmerksamkeit widmete. „W-wenn die Direktorin es erlaubt, würde ich wirklich... wirklich gerne mitmachen. Wenn das okay ist...“ Nun war es an Sakura, verwundert aufzuschauen. „Wirklich?“, hakte sie nach. Vielleicht konnte sie die alte Schnapsdrossel ja dazu überreden. Immerhin wären sie schon einmal zu zweit. Einen Versuch war es fast wert. „Ja“, antwortete Hinata leise. „Cool, ich frag' sie nach dem Unterricht mal. Und wenn sie nein sagt, zieh' ich einfach meine Mutter dazu“, fügte sie mit hämischen Grinsen auf den Lippen hinzu. Der Gedanke bereitete ihr gewissermaßen Freude. „O-okay. Danke.“ Irgendetwas klingelte auf einmal in ihr. Sakura machte ein dümmliches Gesicht und unterzog das schüchterne Mädchen einer genauen Inspektion. Und plötzlich dämmerte es ihr. Naruto und sie hatten gestern noch eine ganze Weile miteinander gesprochen und als es um Narutos grässliche Noten von früher ging, hatte er sie auf einmal angefleht, ihr zu helfen. Er hatte die Wangen empört aufgebläht, wie ein beleidigtes Kind, als sie ihm klar gemacht hatte, dass sie sich eher von einem Zug überfahren lassen würde und dann ein Mädchen namens Hinata erwähnt und dass diese ihm sicher helfen würde. Hatte er dabei etwa von dieser kleinen, grauen Maus geredet? „Sag mal, das kommt jetzt vielleicht plötzlich, aber kennst du zufällig Naruto?“ Das war ein entscheidender Fehler gewesen, Hinata wurde auf einmal knallrot wie eine Tomate und schaute überall hin, nur nicht in ihr Gesicht. „Äh... äh...“ Offenkundig fehlten ihr die Worte. „Sorry, sorry, wollte dich nicht irgendwie... verärgern?“ Sakura fehlten die Worte, was definitiv auch nicht allzu häufig vorkam. „Themawechsel: hast du Hunger? Ich sterbe nämlich gleich, aber alleine wollte ich nicht in die Mensa.“ Ganz langsam schien Hinatas Atmung sich wieder zu beruhigen, doch ihr Gesicht war immer noch kirschrot. „J-ja, natürlich“, murmelte sie verlegen. Sakura atmete erleichtert auf. Sie würde doch noch etwas zwischen die Beißer bekommen und mit Hinata an ihrer Seite würde Naruto hoffentlich den Wink mit dem Zaunpfahl verstehen und sie nicht ansprechen. Kurze Zeit später, Mensa Sakura hatte sich wieder einmal zu viele Gedanken gemacht. Die Mensa war derart überfüllt, dass sie den blonden Chaoten ausnahmsweise nicht einmal hätte hören können, geschweige denn sehen. Scheinbar war der größte Teil der Schule schon versorgt, denn sie mussten nicht lange anstehen, um etwas zu essen zu bekommen. Einen leeren Platz zu finden gestaltete sich dafür umso schwerer. „Ich... wir...“, fing Hinata langsam an und erneut hätte sie sie kaum verstand, vor allem nicht bei all dem Lärm hier, „wir könnten uns zu Ino und TenTen setzen?“ Es war mehr eine zaghaft gestellte Frage, als denn ein Vorschlag. Für einen Moment überlegte sie, wer die beiden sein könnten und ob sie wohl Lust auf deren Gesellschaft hatte, doch die äußerste Platznot und ihr immenser Hunger ließen sie schließlich zusagen. Scheinbar hatte das Mädchen ihre Freundinnen schon erspäht, bevor sie diesen Vorschlag gemacht hatte, denn auf einmal setzte sie sich zielgerichtet in Bewegung und als Sakura erkannte, auf welchen Tisch sie zusteuerte, überlegte sie für die Winzigkeit einer Sekunde, doch wieder umzudrehen und sich hungrig in den Unterricht zu setzen. Es war die Blondine von gestern und das Mädchen mit den sonderbaren Zöpfen, mit welchen sie einem Panda wirklich stark ähnelte. Ihr Magen jedoch schien bei diesem Gedankenspiel außer Rand und Band zu geraten, denn er knurrte mehr als deutlich und erinnerte sie schmerzlich daran, dass die letzte richtige Mahlzeit schon fast einen Tag her war. Augen rollend blieb sie also vor den beiden stehen. „Darf ich?“ Die Haruno versuchte, möglichst keinen Augenkontakt einzugehen, doch reichte die Sekunde, in der sich die Blicke zwischen ihr und der Blondine kreuzten, um das strahlende, umwerfend perfekte Lächeln auf ihren Lippen zu sehen, welches ihre perlweißen Zähne entblößte. „Klar.“ Sie grinste Sakuras Meinung nach eine Spur zu genießerisch, doch darüber konnte sie sich ein anderes Mal aufregen. „Oho, sehet da, wer uns mit seiner Anwesenheit beehrt“, kicherte das braunhaarige Mädchen. Unter normalen Umständen hätte sie sie mit einem giftigen Blick und einem bissigen Kommentar versehen, doch war sie bereits zu sehr damit beschäftigt, ihre Wangen mit Reis und allerlei anderer Köstlichkeiten bis an die Obergrenze hin zu füllen. „Ich bin TenTen“, stellte sie sich vor und deutete dann auf die Blondine, „Das Mädchen, dem du gestern einen verbalen Einlauf verpasst hast, heißt Ino.“ Besagte warf ihrer Freundin einen vernichtenden Blick zu, der selbst jenem von Sakura Konkurrenz machte. Diese nickte nur achselzuckend. „Sakura“, brachte sie japsend zwischen zwei Bissen hervor. „Also du bist das Mädchen, dass die große Ehre hat, dieses Jahr mit dem Sasuke Uchiha auf einem Zimmer zu wohnen. Ein bisschen neidisch bin ich ja schon“, plapperte Ino, während sie in etwas herum stocherte, was wie Salat aussah. „Jaah, große Ehre“, spottete Sakura naserümpfend, „ich weiß gar nicht wohin mit all meiner Freude.“ „Wow, Ino“, grinste TenTen und warf der Blondine einen bedeutungsvollen Blick zu, „Zweimal angesprochen und beide Male exakt das Falsche gesagt, Respekt. Wenn ich mir es mal mit wem so richtig versauen will, komm ich auf dich zurück, okay?“ Ino schien gar nicht amüsiert, doch würdigte sie den Sticheleien der Brünetten keine weitere Aufmerksamkeit. „Wenn du tauschen willst, Blondie, nur zu, ich bin sofort dabei“, schlug Sakura vor, doch ihre Gegenüber schien das scheinbar für eine Art Scherz zu halten. „Ich meins' ernst“, fügte sie deshalb hinzu. „Und mit Naruto zusammen in einem Zimmer wohnen? Eher erschieße ich mich“, jammerte sie, was Sakura ihr nicht wirklich verdenken konnte. „Und dein Schätzchen Shikamaru zurück lassen, meinst du wohl eher?“, stichelte TenTen schon wieder dazwischen und diesmal fing sie sich dafür einen fast nicht mehr freundschaftlichen Klaps auf den Hinterkopf. „Mit was für einem Clown bist du heute früh aufgestanden, hä?“, meckerte Ino beleidigt und verschränkte die Arme vor der Brust. „Und wieso nennst du mich überhaupt Blondie?!“ Sakura musste kurz lachen angesichts der Tatsache, dass Ino erst jetzt aufgefallen war, wie sie soeben genannt worden war. Erneut zuckte Sakura nur mit den Achseln und aß genüsslich weiter. Es hätte deutlich schlimmer werden können. Die beiden erinnerten sie an Comedy-Duos, die sie früher im Fernsehen gesehen hatte und sie müsste lügen, würde sie sagen, dass es sie nicht zumindest ein wenig amüsierte. „Themawechsel, für was tragt ihr euch heute ein, Mädels?“ „Sport, Sport, Sport, Sport und warte, lass mich kurz nachdenken... Sport“, zählte TenTen auf und hielt strahlend ihre geöffnete Hand hoch. Sakura erinnerte sich wieder: dieses Mädchen war es gewesen, welche gestern mit den Jungs über den Sportplatz gefegt war. „Ich habe überlegt, ob ich mich für die Theatergruppe melde“, schwärmte Ino und blickte ganz träumerisch in die Ferne. „Hast du mit Shikamaru und Choji auf einem Zimmer nicht schon genug Theater?“, lachte TenTen und Sakura sah, wie Inos Geduldsfaden immer dünner zu werden schien. Man konnte ihm beim Schrumpfen förmlich zuhören. „Ich schwöre dir TenTen...“ Doch auf den Anfang dieser Drohung folgte nichts mehr, sodass die Brünette in gackerndes Lachen ausbrach. Auch Hinata lächelte, doch das war auch schon alles, was sie zu der Unterhaltung beizutragen hatte. „Und ihr beiden?“, fragte Ino an Hinata und sie gewandt. „Ich hab' mich vorhin darüber aufgeregt, dass es keinen Buchklub gibt. Ich frage die Rektorin nachher, ob sie es uns gestattet, einen aufzumachen. Hinata würde mitmachen, hat sie gesagt“, erklärte Sakura gelangweilt und deutete auf das Mädchen neben ihr, welche immer noch beharrlich schwieg. „Ahja, viel Glück dabei.“ „Nerd“, gackerte TenTen nur und Sakura vergrub kopfschüttelnd ihr Gesicht in den Händen. Worauf hatte sie sich hier nur eingelassen. „Sag mal, was ist denn heute mit dir los, zur Hölle?“ „Ach nichts, ich bin nur gut drauf, reg' dich ab, Süße“, besänftigte TenTen Ino und hob beschwichtigend die Hände. „War nicht so gemeint, klar?“, fügte sie an Sakura gewandt hinzu und zwinkerte keck. „Schon klar.“ Eine halbe Stunde später, Klassenzimmer der Dritten „Wieso zur Hölle hast du heute morgen nicht reagiert?“, quängelte Naruto und Sakura verzog genervt das Gesicht. Auf der Liste der Dinge, über die sie gerade am Wenigsten reden wollte, rangierte diese Frage momentan unangefochten auf Platz Eins. „Entspann' dich, ich hab noch geschlafen“, log sie eiskalt, doch er schien ihr zu glauben. „Wo bleibt eigentlich unser Klassenlehrer, es hat vor einer halben Stunde geklingelt?“ „Ach der, der kommt immer zu spät. Ist seit letztem Jahr an der Schule, ganz frisch Lehrer geworden. Ist echt cool, aber mit der Pünktlichkeit hat er es nicht so, ne. Fast ein bisschen, wie ich“, lachte er und kratzte sich am Hinterkopf. Sasuke am Tisch neben ihn schnaubte nur spöttisch, verkniff sich aber jedes weitere Kommentar. Diesmal wurde sie nicht einmal sauer – wenn er es nicht getan hätte, hätte sie es getan. „Ich geh' da jetzt einfach mal nicht drauf ein, okay?“ „Bitte nicht...“, jammerte er künstlich. „Hast du Lust, Tsunade nachher ein bisschen zu terrorisieren?“, lenkte sie vom Thema ab und grinste auf einmal beängstigend böse. Narutos Miene hellte sich schlagartig auf. „Aber sicher, worum geht es? Wie kann ich behilflich sein?“, erkundigte er sich eifrig. Er war Feuer und Flamme. Manchmal war seine kindliche Begeisterung fast schon beneidenswert. „Ich hab vorhin in der Eingangshalle Hinata kennen gelernt. Wir zwei wussten nicht so recht, für welchen Klub wir uns eintragen sollen. Da kam der Vorschlag auf, dass ich Tsunade nerve, ob sie uns nicht einen Buchklub aufmachen lässt, immerhin wären wir schon zu zweit“, erklärte sie die Grundlage ihres Vorhabens, während sie die Hände in diebischer Freude aneinander rieb, „Hinata wollte ich da nicht mit hinein ziehen, aber du hilfst mir doch sicher, der Ollen so richtig schön auf die Nerven zu gehen, bis sie „Ja“ sagt, oder?“ „Bist du wahnsinnig? Natürlich“, jauchzte der blondhaarige Chaot entzückt. Die schlechte Laune von heute morgen schien wie weggeblasen, was Sakura selbst ein wenig wunderte, doch es störte sie nicht allzu sehr, im Gegenteil. Vielleicht hatte sie sich einfach wieder einmal zu sehr in alles herein gesteigert. Auf jeden Fall sah die Welt an diesem verregneten Morgen schon wieder um Einiges besser aus, das könnte allerdings auch einfach schlichtweg daran liegen, dass ihr Magen nicht mehr leer war. Bei dem Gedanken musste sie schmunzeln. So, wie sie sich selbst kannte, war diese Idee gar nicht so abwegig. So gerne die beiden auch weitere, detaillierte Schlachtpläne für heute Mittag gemacht hätten, aber in jenem Moment öffnete sich die Tür zum Klassenzimmer mit Schwung und herein trat ein junger, gutaussehender Mann in den Raum. Nun, vermutlich war er gutaussehend, der größte Teil seines Gesichtes war irgendwie verhüllt, weswegen man nur grob erahnen konnte, wie hübsch er tatsächlich war. Zudem hatte er seltsamerweise bereits aschgraue Haare, doch das tat ihm keineswegs schlecht, was Sakura fast noch mehr wunderte. In Gefolgschaft hatte er drei Jugendliche in ihrem Alter, einer missgelaunt wirkender, als der andere. Offenkundig hatten die drei etwas mit Sakura gemeinsam – sie konnten sich allerlei Orte vorstellen, an denen sie lieber wären. „Moin, Klasse“, grüßte der Lehrer sie locker und hob die Hand zum Gruß. Er bedeutete den scheinbar neuen, sich einen leeren Platz zu suchen und direkt verkrümelten sie sich unter einer schieren Horde neugieriger Blicke in die letzte Reihe. „Wie ihr seht, haben wir dieses Jahr ein paar neue Gesichter unter uns. Das Internat in Suna wird derzeit umgebaut und deshalb werden die Schüler gleichermaßen an die umliegenden Dörfer aufgeteilt, als Austauschschüler sozusagen. Sie werden uns dieses Jahr begleiten und hier ihren Abschluss machen, also bitte... macht ihnen das Leben nicht unnötig schwer.“ Bei dem letzten Satz richtete er sein Augenmerk auf Naruto, der prompt knallrot anlief und bereits tief Luft holte, um sich zu beschweren, doch der Lehrer gewährte ihm dieses Verlangen nicht. „Nun gut, stellt euch vor, damit wir anfangen können, wir sind sowieso reichlich spät dran.“ Man hörte ein vereinzeltes, ungläubiges „Wir?“ in den Reihen und auch Sakura schüttelte nur den Kopf. „Ich bin Temari“, stellte sich das einzige Mädchen von den dreien vor. Sie hatte widerspenstiges, blondes Haar, welches ihr in vier äußerst ulkig aussehenden Zöpfen vom Kopf springen zu wollen schien. „Und ich Kankuro“ Der dunkelhaarige der beiden Jungs hob kurz die Hand und wandte seinen Blick gelangweilt wieder ab. „Gaara“, kam es vom letzten nur. Sein Haar hatte ein schönes, warmes rot, doch das war auch schon alles warme an ihm. Ein Blick in seine Augen verriet einem sofort, dass man sich besser ganz weit von ihm fern hielt und für einen kurzen Augenblick überlegte Sakura, ob sie ihn nach Tipps fragen sollte. Die drei rochen förmlich nach Ärger. Das konnte wirklich ein Jahr der Extraklasse werden. Kapitel 3: Komplikationen. -------------------------- Später am Tag, Zimmer 7 Man hätte die bekanntliche Stecknadel fallen hören können, so still war es im Zimmer von Naruto. Nur das sporadische Rascheln von Papier war zu hören, während Sakura gemütlich auf dem Bett ihres besten Freundes fläzte und durch die Schulbücher des letzten Jahres blätterte. Der blonde Junge indes saß auf seinem Schreibtischstuhl, auf welchem er sich gelangweilt seufzend hin und her drehte, vermutlich darauf bedacht, sie in den Wahnsinn zu treiben. Das Mädchen jedoch war derart tiefenentspannt, dass sie kaum Notiz von ihm nahm, was gewiss eine Seltenheit war. Normalerweise wusste Naruto immer, welche Knöpfe er bei dem rosa haarigen Mädchen zu drücken hatte, um eine Reaktion zu erhalten. „Mir ist langweilig“, stöhnte er nach ein paar weiteren, quälend ruhigen Minuten und raufte sich das Haar, welches ohnehin wie Kraut aus seinem Kopf zu wachsen schien. Kein Kamm der Welt vermochte es zu bändigen. „Geh doch mit Sasuke-kun nach draußen“, spottete sie und lächelte ihn hämisch über den Rand des Englischbuches hinweg an. „Habt ihr Freaks nicht ohnehin Training, oder so?“ „Das fängt offiziell erst nächste Woche an, heute war doch erst die Einschreibung...“, seufzte er enttäuscht und ließ den Kopf hängen. „Das hält dich doch sonst auch nicht davon ab“, bemerkte sie trocken, während sie weiter blätterte. „Ich will aber was mit dir unternehmen“, antwortete er prompt, was sie kurz aufblicken ließ. Nicht, dass es sie nicht freute, dass die beiden scheinbar wie früher miteinander umgehen konnten – was definitiv Narutos immer froher, friedliebender Art geschuldet war -, dennoch war sie für einen kurzen Moment verwirrt. „Woher weht denn dieser Wind?“, erkundigte sie sich, das Buch in ihren Händen zuschlagend. Nun hatte er definitiv ihr Interesse geweckt. „Darf ich nichts mit meiner besten Freundin unternehmen wollen?“, fragte er scheinheilig. Sakuras Augenbrauen verzogen sich, ließen ihr Misstrauen sichtbar werden. Irgendetwas führte er im Schilde, nur was? Er blickte sie mit überragender Unschuldsmiene an, doch sie schwieg standhaft, das Gesicht noch immer zu einer ungläubigen Grimasse verzogen. Seufzend gab er nach. „Okay, okay, Sasuke hat gesagt, dass er heute keine Lust hat, zu trainieren.“ „So, so, ich bin also deine zweite Wahl“, entgegnete sie gespielt fassungslos. „Sehr witzig, wirklich.“ „War nur Spaß, Schätzchen, entspann dich“, beschwichtigte Sakura ihn, „Also gut, raus damit, was schwebt dir vor? Und wenn du jetzt vorschlägst, dass wir zu dieser ranzigen Ramenbude in der Stadt gehen, erwürge ich dich hier und jetzt“, fügte sie warnend hinzu. Damit schien sie genau ins Schwarze getroffen zu haben, denn ihr Gegenüber kratzte sich verlegen lachend am Hinterkopf – einer typischen Geste für den blonden Chaoten. „Verdammt“, hörte sie ihn murmeln. War ja klar. „Okay, wie wär's damit: Wir gehen in die Stadt, aber nur, um einen Kaffee zu trinken?“ Sakura blickte grüblerisch ins Leere. Es war windig und regnerisch draußen, weswegen ihre Lust, sich vor die Tür zu begeben, eher gering war, allerdings ging sie sehr gerne in ein gemütliches Café, um dort die Stunden eines Nachmittags zu verbringen. Bevor sie jedoch zu einem Konsens kommen konnten, klopfte jemand energisch an die Tür, wartete jedoch keine Antwort ab, ehe sie geöffnet wurde. Ino stand auf einmal vor den beiden, was Sakura zugegebenermaßen milde irritierte. „Was gibt`s?“, fragte sie mit gerunzelter Stirn, denn der Kopf der Yamanaka war hochrot und wutverzerrt, was sie beinahe unattraktiv wirken ließ. „Es sind die Neuen“, keuchte sie atemlos. Sie musste den Weg hierher gerannt sein, von wo auch immer sie herkam. Der Zorn, welcher bis gerade wie ein wildes Feuer in ihren strahlend blauen Augen getanzt hatte, verrauchte im nächsten Augenblick. Auf einmal wirkte sie seltsam bedrückt, als wüsste sie nicht, was sie nun als Erklärung folgen lassen sollte. „Einer von ihnen hat draußen bei den Sportplätzen eine Prügelei angefangen.“ Naruto zog ungläubig die Augenbrauen zusammen, was seinem Blick eine ungewohnte Intensität und Ernsthaftigkeit verlieh, die ihn deutlich erwachsener aussehen ließ, als er war. „Mit wem hat er sich den geprügelt und vor allem wieso?“, hakte er neugierig nach. Ino biss sich nervös auf die Unterlippe und wandte den Blick von den beiden ab. Sie sah aus, als wüsste sie gerade nicht, wieso sie eigentlich ausgerechnet zu Naruto und Sakura mit diesem Problem gelaufen war. Nach einigem Zögern schien sie dann doch zu beschließen, dass es so am Besten war und rückte mit der Sprache raus. „Mit Neji“, zischte sie leise und Sakuras Augenmerk rutschte fast augenblicklich zu Naruto. Der Name sagte ihr nichts, aber Inos Haltung und sein erschrockener Gesichtsausdruck verrieten ihr, dass es sich hier um ein ernsthaftes Problem handelte. Ino schien jedoch noch nicht fertig zu sein, denn auf einmal fanden ihre Arme den Weg zu ihrem Oberkörper, welchen sie wie in einer verzweifelten Umarmung umklammerten. Dieses Mal blickte sie Sakura direkt in die Augen und nun konnte jene sie ganz deutlich sehen, die Emotion, für welche der ursprüngliche Zorn aus ihrem Gesicht gewichen war – Panik. „Tenten wollte ihm helfen...“ Weiter kam sie nicht. Ihr Gesicht schien zu schmelzen, wie der Schnee am ersten warmen Frühlingstag. Tränen strömten ihr aus den Augen und perlten an ihrem zierlichen Kinn hinab auf den Boden. „Wo ist der Kerl jetzt?“, knurrte Naruto offensichtlich wütend. „Sie sind noch draußen, die restlichen Jungs haben versucht, die drei zu beruhigen und Hinata nunja... sie kümmert sich um Tenten...“ „Sasuke!“, rief Naruto, während er von seinem Stuhl aufsprang und Anstalten machte, an Ino vorbei aus dem Zimmer zu stürmen. Der Schwarzhaarige war wohl die ganze Zeit über in Hörweite gestanden, denn er gab nur ein dürftiges „Hn!“ von sich und verschwand mit dem wutschäumenden Naruto. Sakura jedoch war mit der Situation sichtlich überfordert, denn die darauf folgenden Minuten verbrachte sie damit, hilflos die Blondine anzustarren, die nach besten Mühen versuchte, sich zu beruhigen und ihre Fassung wieder zu gewinnen. Es war ihr sichtlich peinlich, so einen dramatischen Auftritt hingelegt zu haben, denn sie starrte bekümmert die Wand hinter Sakura an. Schließlich seufzte die Haruno tief und richtete sich auf. „Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, mich dieses Mal aus dem Stress hier herauszuhalten“, murmelte sie und schob die Yamanaka überraschend sanft aus dem Weg. „W-wo gehst du hin?“, stammelte diese verwirrt. Mit zitternden Händen wischte sie sich die letzten Spuren ihrer Tränen vom Gesicht. „Das exakte Gegenteil von dem machen, was ich gerade gesagt habe“, antwortete sie nur achselzuckend. Eine Viertelstunde später, Sportplatz Es herrschte ein heilloses Durcheinander außerhalb des Internats und Sakura hatte größte Mühe, jemanden zu finden, den sie kannte. Die Nachricht von dem Ärger hatte sich wie ein Buschfeuer rasant schnell verbreitet, sodass sogar Schüler aus den unteren beiden Stufen ihren Weg hier raus gefunden hatten, um das Szenario aus vermeintlich sicherem Abstand zu beobachten und flüsternd und tuschelnd die Köpfe zusammen zu stecken. Je näher sie dem Basketballfeld kam, desto lauter wurde es und wie es schien war die ursprüngliche Auseinandersetzung zwischen zwei einzelnen Schülern zu etwas weitaus Größerem geworden. Verwirrt blickte sie hin und her, doch nirgendwo war ein Erwachsener ausfindig zu machen, der sich der ganzen Sache annahm und ihr ein Ende bereitete. Und tatsächlich, nachdem sie sich auch an der letzten kleineren Gruppe an neugierigen Mädchen vorbei gedrängt hatte, bot sich ihr der Anblick einer regelrechten Schlacht. Naruto hatte tatsächlich ordentlich wütend im Zimmer ausgesehen, doch dass er nichts Besseres zu tun hatte, als postwendend zum Ort des Geschehens zu marschieren und sich mit zu prügeln, hätte sie nicht erwartet. Am Rand des Feldes, weit entfernt von dem Handgemenge, was nunmehr aus mindestens fünfzehn bis zwanzig Jugendlichen bestand, die sich gegenseitig an die Gurgel gingen, saß das braunhaarige Mädchen namens Tenten, die sich an Hinata gelehnt mit beiden Händen das Gesicht hielt. Blut strömte ihr über die blasse Haut und je näher Sakura den beiden kam, desto sicherer war sie sich, dass ihre Nase gebrochen war. „Was zur Hölle ist passiert?“, rief sie den beiden halblaut entgegen. Hinata zuckte nur hilflos mit den Schultern. Wie Sakura kurz darauf heraus fand, war Neji, einer der beiden Hauptakteure, ihr älterer Cousin und laut Aussage Tentens noch immer mit auf dem Feld, um dafür zu sorgen, dass man ihre heftig blutende Nase rächte. „Dieser Braunhaarige kam einfach vor knapp zwanzig Minuten hier an, mit seinen beiden Geschwistern im Schlepptau und meinte, abfällige Kommentare über die Jungs zu machen, die gerade nur etwas herum gelabert haben. Wir wollten nur ein paar Körbe werfen, mehr nicht, aber dieser Kerl war eindeutig auf Streit aus. Zunächst haben wir das noch alle ignoriert, aber als er dann anfing, sich darüber lustig zu machen, dass ich mitspiele und dabei aussehe, wie ein Bauerntölpel stürmt Neji auf einmal los und verpasst ihm den saubersten rechten Haken, den ich jemals gesehen habe.“ Bei den letzten Worten verzogen sich ihre Lippen unter grimmigem Stolz zu einem schmalen Lächeln. Dankend nahm sie Hinatas frisches Taschentuch entgegen und drückte es sich auf die Nase, was ihr ein gequältes Zischen und eine verzerrte Grimasse entlockte. „Neji-san hätte das wirklich nicht tun sollen, auch wenn seine Motive sicher edel waren“, stammelte Hinata und ihr Gesicht wirkte sogar noch blasser, als Tentens. Ihre Augen waren die ganze Zeit auf das Chaos gerichtet, welches hinter ihren Rücken schreiend ausgetragen wurde. „Und wie genau bist du zu deinem... „Geschenk“ gekommen?“, erkundigte Sakura sich und nahm ein weiteres Taschentuch von Hinata, um der Brünetten dabei zu helfen, sich von dem mittlerweile gut angetrockneten Blut auf ihrer Haut zu befreien. „Bevor irgendetwas Schlimmeres passieren konnte, wollte ich die Situatin entschärfen und dann – alles schwarz. Der Andere hat mich mit einem Schlag komplett von den Füßen gerissen. Als ich wieder zu Bewusstsein kam, war ich schon hier bei Hinata und die Hölle bereits losgebrochen“, erklärte sie mit nasaler Stimme, denn sie hatte das Taschentuch halbiert und ordentlich zusammen gefaltet in die Nase geschoben, um die Blutung halbwegs zu stoppen. Kurz darauf verzog sie erneut das Gesicht, denn der metallische Geschmack in ihrem Mund ließ ihr übel werden. „Nachdem er Tenten, ein Mädchen, geschlagen hat, ist Neji komplett ausgetickt und der Rest der Jungs sah nicht weniger sauer aus und innerhalb von Sekunden lagen sie einander in den Haaren. Selbst das neue Mädchen hat mitgemacht...“, fügte Hinata hinzu. „Okay, soweit so gut, aber wieso kümmert sich hier keiner drum? Sollte nicht mal ein Lehrer vorbei kommen?“ „Keine Ahnung, Ino hat gesagt, sie geht Hilfe holen, aber bisher ist noch niemand aufgetaucht“, antwortete Hinata. Dass die Blondine zu ihnen und nicht direkt zu einem Erwachsenen gegangen war, ließ Sakura für den Moment unter Verschluss. Das Ganze war ohnehin schon absurd genug. In ihren Knöcheln juckte es; schon seit Wochen, seit ihre Mutter ihr von ihrem großen Glück berichtet hatte, hatte sie das Bedürfnis, ihre üble Laune an irgend jemandem auszulassen. Jetzt allerdings dort rüber stürmen und mitmischen hielt sie für eine grässlich dumme Idee, auch wenn sie gut Lust dazu hatte. Sie erkannte kaum etwas, nur Narutos leuchtend helles Haar stach hervor wie ein Weinfleck auf einer weißen Bluse. Seufzend suchte sie den näheren Umkreis ihrer Umgebung nach platinblondem, wehendem Haar ab, doch Ino schien nicht in der Nähe zu sein. Vielleicht war sie nun endlich zu einem Erwachsenen gegangen. „Was genau machst du eigentlich hier? Nicht, dass ich mich beschwere, aber dich hätte ich als Letzte hier erwartet“, fragte Tenten und spuckte ein wenig Blut auf den Rasen neben ihr. „Wir haben... Wind von der Sache bekommen“, fing Sakura zögerlich an und rang mit den richtigen Worten, „und Naruto und Sasuke sind sofort raus gestürmt. Ich dachte eigentlich, dass die beiden der Sache ein Ende bereiten würden, aber wie es aussieht, stecken sie nun ebenfalls mitten drin. Es scheint, als hätte Naruto sich immer noch kein Stück geändert...“, fügte sie leise murrend hinzu, doch Tenten schien hellhörig zu werden. „Immer noch?“, hakte sie verblüfft nach. „...“ Sakura schwieg, was die Neugierde in den beiden anderen Mädchen nur noch mehr schürte, doch keine von beiden traute sich, noch einmal nachzufragen. Das lag an Sakuras düsterem Gesichtsausdruck. Ihre Augenbrauen warfen tiefe Schatten über ihre Augen, weswegen sie Schluchten glichen, aus welchen sich die letzten Sonnenstrahlen des Tages zurück zogen. „I-ist Ino-san etwa zu euch gelaufen?“ Hinatas zarte Stimme holte sie aus ihrer Trance zurück, in welche sie verfallen war, seit sie den rothaarigen Jungen mit der seltsamen Narbe auf der Stirn und dem leblosen Blick entdeckt hatte. Im Gegensatz zu seinen Geschwistern hielt er sich aus der Sache heraus. Er stand einfach nur da, die Hände in den Hosentaschen vergraben und warf jedem, der ihm zu nahe kam einen derart vernichtenden Blick zu, dass sich niemand traute, ihn auch nur anzusehen, geschweige denn anzusprechen. „Ja. Sie ist zu uns gegangen, völlig aufgelöst.“ „Aber wieso ist sie nicht-“ Weiter kam Tenten nicht, denn eine Stimme, so laut und durchdringend, dass man sie vermutlich noch in der angrenzenden Stadt hören konnte, zerriss die gespannte Atmosphäre und ließ alle, Zuschauer und Streithähne gleichsam, zusammen zucken. Eine bis aufs Äußerste gereizte Tsunade stapfte zwischen den Schüler Scharen hervor und nicht wenige davon quietschten empört auf, als sie auf so rüde Art beiseite geschoben wurden, doch bei dem Blick, den sie dafür ernteten, ging ihnen jedwede Lust, sich darüber zu pikieren, verloren. Sie schien die Wut selbst zu sein und war in ihrer Erscheinung so gewaltig, dass die Jungs sofort aufhörten, aufeinander loszugehen. Manch einer hielt noch die Faust erhoben in der Luft, so erstarrt war er. „Was zur Hölle ist hier los? Was fällt euch eigentlich ein, euch wie eine Horde dressierter Brüllaffen zu benehmen und ein derartiges Theater zu veranstalten?“, zeterte sie und selbst aus der Distanz konnte Sakura ihre bebenden Nasenflügel sehen. In den vergangenen zwei Jahren hatte sie ganz vergessen, wie liebreizend die Freundin ihrer Mutter sein konnte, wenn man einen Schritt zu weit ging. Und in diesem Fall sind die Herren der Schöpfung keinen Schritt zu weit gegangen, nein, sie haben Anlauf genommen und sind über sämtliche Grenzen gesprungen, die sie da gefunden hatten. „Wer ist dafür verantwortlich?“, schnaubte sie, als sie sich wie ein Turm vor den Jungs errichtete, deren Köpfe unterwürfig zu schrumpfen schienen. Als auch nach einigen Momenten noch keine Antwort kam, schien Tsunade weiter anzuschwellen, sofern das überhaupt noch möglich war. „Wer ist dafür verantwortlich?, wiederholte sie ihre Frage, doch dieses Mal ganz ruhig und gespannt, was Sakura für ein denkbar schlechtes Zeichen hielt, „Ich verlange eine Antwort und zwar jetzt.“ Keiner der Anwesenden zweifelte daran, dass es ihr absolut ernst war. Ein Junge mit langem, braunem Haar, welches er hinter dem Kopf zu einem straffen Pferdeschwanz gebunden trug, trat aus der Menge hervor und hob unerschrocken die Hand. Eines seiner Augen war bereits tiefblau angelaufen, doch in ihnen flammte das Feuer unverändert. Mit jeder Faser seines Körpers strahlte er, trotz seines leicht lädierten Anblicks, Würde und Stolz aus. Tenten wimmerte hinter ihrem Rücken und schien aufspringen zu wollen, Hinata jedoch drückte sie sanft zurück ins Gras und flüsterte ihr irgendetwas zu, was Sakura nicht verstehen konnte. „Neji?“ Tsunade schien für einen Moment nicht so recht zu wissen, was sie davon halten sollte, denn ihre geradezu majestätische Fassade begann zu bröckeln. „Von dir hätte ich so etwas am Wenigsten erwartet“, fuhr sie fort. Bevor sie jedoch ihre Strafpredigt fortzusetzen gedachte, wandte sie sich an die neugierigen Zuschauer um und verscheuchte sie mit nur einem einzigen Wort. „Wirklich, was hast du dir dabei gedacht?“, fragte sie ihn, als sich die umstehenden Grüppchen davon getrollt hatten. „Ich kann es Ihnen nicht sagen, Frau Direktorin, es tut mir sehr Leid. Ich nehme jede Strafe an, die Sie mir aufzuerlegen gedenken“, sprach er ruhig und ohne Schnörkel. Er blickte ihr direkt in die Augen, keine Spur von Angst oder Reue. Sakura kam nicht umhin, so etwas wie Bewunderung in sich zu spüren und als sie sich umdrehte, um Tenten einen flüchtigen Blick zuzuwerfen, erkannte sie in ihrem Gesicht, dass es ihr genauso ging. Für einen Moment schien Tsunade zu überlegen, doch dann ergriff sie wieder das Wort, doch dieses Mal so leise, dass die Mädchen nichts davon hören konnten. Was auch immer sie sagte, es dauerte eine ganze Weile, doch danach löste sich das Geschehen beinahe direkt auf. Das neue Trio verschwand im Gebäude und Sakura hätte schwören können, ein äußerst hämisches, selbstgefälliges Grinsen auf dem Antlitz des Jungen zu sehen, welcher wohl auf den Namen Kankuro hörte, doch er war so schnell an ihnen vorbei gezogen, dass sie sich nicht ganz sicher war. Neji, gefolgt von Sasuke und Naruto, kam jedoch direkt auf die drei zu und erkundigte sich sofort bei Tenten nach ihrem Befinden. Er hatte ein kantiges Gesicht, was ihn selbst für sein junges Alter schon sehr reif wirken ließ und eine ungewöhnliche Intensität in seinen Augen, was wohl jedem, der ihm direkt in die Augen schaute, früher oder später ein gewisses Unwohlsein verursachen würde. Trotz seiner ernsten Erscheinung war er aufrichtig besorgt um die Brünette und der zarte rote Schimmer, der ihre Wangen zierte, entging Sakura keinesfalls. „Alles okay, wirklich“, versicherte sie ihm zum fünften Mal und wehrte seine Versuche, ihre Nase genauer zu untersuchen, vehement ab. „Bleib ihr bloß fern. Da lass ich nur eine Ärztin ran“, scherzte sie und schien ihn damit endlich zu überzeugen. „Das Thema ist noch nicht vom Tisch“, schnaubte er und man konnte ihm anhören, dass er immer noch stinksauer war. „Wenn du in nächster Zeit auch nur die Andeutung eines Fehltritts machst, zieht dir Tsunade höchstpersönlich die Haut vom Körper“, mahnte Sasuke ihn mit gelangweilter Stimme. „Sasuke hat Recht, Neji, lass es einfach sein, mir ist ja nichts weiter Schlimmes passiert“, beschwichtigte Tenten ihn und richtete sich mit der Hilfe von Hinata langsam auf. Sie wirkte etwas schwach auf den Beinen, weswegen sie weiterhin einen Arm um das schwarzhaarige Mädchen geschlungen ließ. „Wir sollten rein gehen und deine Nase untersuchen lassen“, warf Sakura ein und richtete sich ebenfalls auf. Es war gegen ihren Entschluss, sich von allem und jedem fernzuhalten, dennoch bot sie dem geschwächten Mädchen einen weiteren Arm zum Abstützen an. Tenten war, genau wie sie selbst, kein Mädchen großer Worte und so nuschelte sie nur ein einfaches „Danke“, während sie, mit ausreichend Abstand zu den Jungs, den Weg zurück zum Internat liefen. Später Abend, Gemeinschaftsraum Sakura wusste wirklich nicht, wie es ihr innerhalb der ersten 48 Stunden gelungen war, so viele selbst auferlegte Regeln zu brechen und doch saß sie zusammen mit den Anderen im Gemeinschaftsraum und unterhielt sich mit ihnen über die heutigen Ereignisse. Das Abendessen einige Stunden zuvor war seltsam ruhig verlaufen und zunächst hatten sich alle auf ihre jeweiligen Zimmer verzogen, nur um festzustellen, dass keiner so Recht zur Ruhe kam. Ino hatte herzhaft gelacht, als innerhalb von fünf Minuten auf einmal alle versammelt waren, während der Rest der Dritten sich schon in Richtung Betten begaben. Tentens Nase war fixiert worden, doch außer ein wenig Blutverlust schien ihr nichts Schlimmeres passiert zu sein, während Neji geradezu wild aussah, mit seinem angeschwollenen, blauen Auge. Von seiner üblen Laune hatte er nichts verloren, dennoch ließ er sich größtenteils schweigend von Tenten pflegen. Hin und wieder zuckte ein Muskel in seinem Gesicht, wenn sie eine besonders empfindliche Stelle um sein Auge herum eincremte, doch er ertrug es buchstäblich wie ein Mann. „Ziemlich aufregender erster Tag, nicht wahr“, scherzte Ino halbherzig, doch mehr als ein müdes Lächeln entlockte sie dem Rest damit nicht. „Eine Spur zu aufregend, wenn du mich fragst“, entgegnete Tenten und grinste schief. „Ich kann immer noch nicht glauben, dass die Neuen direkt am ersten Tag so einen Aufruhr verursachen“, seufzte die Yamanaka und rieb sich die müden Augen. Es war schon spät und der Tag war lang gewesen und die Erschöpfung war nur allzu deutlich in den Gesichtern aller zu erkennen. Sie spannte sich wie eine zweite, unsichtbare Haut über ihre Gesichtszüge. „Das wird auf jeden Fall noch Konsequenzen haben“, warf Naruto ein und wippte seltsam unruhig auf seinem Sessel hin und her. Er war aus der ganzen Aktion nahezu unversehrt heraus gekommen, nur ein einziger, kaum sichtbarer Kratzer war auf seiner Wange zu sehen und selbst der war bereits fast komplett verheilt. „Und welche? Willst du ihr Zimmer anzünden?“, spottete Sakura und schüttelte ungläubig den Kopf, „Mach dich nicht lächerlich, Naruto, wir können da rein gar nichts machen. Auch wenn sich das für dich bescheuert anhört, Neji hat genau das Richtige getan, indem er die Klappe gehalten hat. Die wollen Stress und, so ungern ich das auch sage, das Beste ist es, die Füße erst einmal still zu halten. Wenn wir uns provozieren lassen, ist es genau das, was sie wollen“, erklärte sie. „Schon klar, aber-“ „Nichts aber, Naruto, halt den Ball flach. Ich weiß nicht, was Tsunade zu euch gesagt hat, aber da ihr alle noch hier sitzt, scheint es noch in Ordnung zu sein. Wenn jetzt noch einmal etwas in die Richtung passiert, könnte das weit unschöner ausgehen“, ermahnte sie ihn. Der blonde Chaot gab sich seufzend geschlagen und sank auf seinem Sessel zurück. Er wirkte, als war das Thema für ihn noch ganz und gar nicht vom Tisch, doch er starrte nur noch schweigend ins Nichts. „Dass du so vernünftig bist, hätte ich gar nicht gedacht“, warf Ino scherzend ein. Sakura verzog Augen rollend das Gesicht, doch ein leichtes Schmunzeln haftete an ihren Lippen und verriet sie. „Das war sie nicht immer, glaub mir“, versicherte ihr Naruto auf einmal und lachte sein typisches Lachen. Die Stimmung schwang erneut um und eine gewisse Anspannung schien auf einmal spürbar in der Luft zu hängen, doch wie bereits Stunden zuvor traute sich niemand, weiter darauf einzugehen, denn erneut blickte Sakura wie sieben Tage Regenwetter drein. „Ich bin im Eimer“, murrte sie und stand auf, „also hau ich mich aufs Ohr.“ Unter normalen Umständen wären ihr alle sofort gefolgt, denn allen ging es genauso wie ihr. Dass sie es nicht taten, konnte nur einen Grund haben, doch Sakura war zu müde um sich darüber aufzuregen. Sollten sie sich doch über sie unterhalten, solange sie dabei nur nicht anwesend sein musste. Einige Minuten Später, Sakuras Zimmer Sie ließ die Tür zu ihrer „Wohnung“ ein wenig lauter als notwendig ins Schloss fallen, doch das scherte sie kaum. Selbst wenn sie damit Sasuke aufgeweckt haben sollte, welcher sich fein säuberlich vor dem Treffen im Gruppenraum gedrückt hatte, so gab es kaum Dinge, die sie weniger interessierten. „Geht das nicht lauter“, hörte sie ihn wie auf Kommando meckern. Wie immer klang er dabei unfassbar gelangweilt und wenn er wütend war, so hätte sie es nicht heraus hören können. Wie kann ein Mensch allein so unzulänglich sein? Und diese Frage stellte sie, Sakura Haruno, Fräulein Unzulänglich in Person. Es war eine dämliche Idee, das war ihr durchaus bewusst und manch einer könnte behaupten, dass sie es wortwörtlich darauf anlegte, Stress mit ihm anzuzetteln, doch Provokation war ihr zweiter Vorname und so öffnete sie die Tür zum Zimmer der drei erneut und ließ sie wieder krachend ins Schloss fallen. „Besser so?“, fragte sie mit erhobener Stimme betont scheinheilig und keine zwei Augenblicke später tauchte der Uchiha mit genervtem Gesicht in ihrem Sichtfeld auf. „Was stimmt nicht mit dir?“, zischte er wütend und seine verengten Augen sahen tatsächlich so aus, als hätte sie ihn gerade eben unsanft geweckt. Andererseits konnte das auch nur aus Wut so sein, wer wusste das schon. „Wo soll ich anfangen?“, blaffte sie und lief an ihm vorbei, penibel darauf achtend, ihn auch ja nicht zu berühren und sei es auch nur flüchtig. In seinem Zimmer brannte noch ein schummriges, kleines Nachtlicht und Sakura wunderte sich, wieso ihr das auffiel. Die Tür zu ihrem eigenen Zimmer knallte sie ebenso laut zu und drehte prompt den Schlüssel im Schloss herum. Wenn er sich aufregen wollte, sollte er das mit ihrer Tür besprechen. Der nächste Tag, Mensa Am zweiten Morgen kam Sakura nicht umhin, mit Naruto und einem äußerst angesäuert drein blickenden Sasuke in die Mensa zu schlurfen, denn Ersterer wollte dieses Mal nicht aufgeben und nachdem er fünf Minuten lang stur an der Tür geklopft hatte, hatte sie ihm schließlich dann doch geöffnet. Ihre Augen waren gefüllt gewesen mit Galle, doch das minderte sein breites, schiefes Grinsen nicht im Mindesten. So saßen sie also zu Dritt an einem Tisch, nicht unweit von Ino, Hinata und Tenten und hörten Naruto dabei zu, wie er munter über irgend einen Unsinn plapperte. Der Uchiha schien darüber ebenso wenig begeistert, wie sie selbst, doch sie aßen ihr Frühstück in beharrlichem Schweigen. Es schien Naruto auch überhaupt nicht zu interessieren, ob die beiden ihm nun zuhörten oder nicht und für einen Moment fragte Sakura sich, ob er es überhaupt bemerken würde, würde sie sich erheben und einfach woanders hingehen, nicht, dass es dazu besonders viele Optionen geben würde. Die Neulinge hatte sie beim Eintreffen in der Mensa kurz gesehen, sie saßen am äußersten Rand und schauten ebenso finster, wie gestern. Der Rothaarige hatte ihren missgelaunten Blick für eine Sekunde nicht minder übellaunig erwidert, ehe er sich wieder abwandte und Löcher in die Gegend starrte. Und einfach zu den Mädchen zu gehen hielt sie für eine närrische Idee, da sie sich doch kaum kannten. Zwar entgingen ihr die Blicke Inos nicht, die sie ihr dann und wann zuwarf, aber so recht wusste sie noch nicht mit der merkwürdigen Situation umzugehen, in welcher sie sich nun befand. „-kura?“ Sakura schreckte aus ihren Gedanken hoch und wandte sich ihrem besten Freund zu. „Hm?“, gab sie zurück, denn sie hatte die letzten Minuten nicht auch nur einen einzigen Fetzen von dem mitbekommen, was er vor sich hin brabbelte. „Mal ehrlich, hörst du mir eigentlich je zu?“, fragte er mit der Andeutung von Empörung in seiner Stimme. „Möchtest du darauf wirklich eine Antwort?“, neckte sie ihn und beobachtete grinsend, wie er gespielt wütend seine Wangen aufblies, dass sie ein wenig wie die Backentaschen eines Frosches, aussahen, welcher im Begriff war zu Quaken. „Du bist unmöglich, weißt du das?“ „Und das wundert dich immer noch?“ Naruto seufzte ergeben und schüttelte den Kopf und sah dabei ihrer Mutter so unfassbar ähnlich, wenn sie ihrer Enttäuschung über ihre aufsässige Tochter Ausdruck verlieh. „Also, raus mit der Sprache, was wolltest du?“ „Ich hab` dich gefragt, was du heute nach dem Unterricht vor hast. Ich und ein paar andere wollen heute in die Stadt gehen und uns da ein wenig die Zeit vertreiben“, sagte er, während er weiterhin Essen in einem beängstigenden Tempo in den Mund schaufelte. Fast war sie dankbar dafür, dass die Hälfte davon nicht auf ihr landete. „Wenn wir keine Hausaufgaben haben, wieso nicht“, antwortete sie achselzuckend. Bei dem Wort „Hausaufgaben“ schüttelte Naruto sich, als hätte sie soeben davon gesprochen, dass sie heute Nachmittag bereits damit beschäftigt war, sich selbst zu häuten. „Also kommst du mit?“, hakte er nach. „Schätze schon.“ Damit war die Sache auch schon vom Tisch und Sakura konnte wieder über irgendwelche Belanglosigkeiten sinnieren, während Naruto beinahe augenblicklich zurück in sein Sermon über dieses und jenes zurück verfiel. Nach dem Frühstück, Klassenzimmer der Dritten Kakashi überraschte den größten Teil der Klasse damit, dass er ausnahmsweise pünktlich war. Das Buch, welches er beim Herlaufen wohl gelesen hatte, legte er sorgsam in einer Schublade des Schreibtisches ab und beschäftigte sich für ein paar Minuten damit, sich herzurichten. Minuten, in denen sich einige der Schüler gegenseitig irritierte Blicke austauschten und sich leise wispernd fragten, ob seine Pünktlichkeit wohl etwas mit dem Vorfall am gestrigen Tage zu tun hatte. Damit schienen sie jedoch falsch zu liegen, denn er sprach mit keiner Silbe von der Massenprügelei auf den Sportplätzen, dafür aber von einem anderen Thema, bei dem nicht wesentlich mehr Begeisterung in Sakura aufkam: Wandertag. Scheinbar war es noch immer Tradition am Internat, jedes Jahr zu Beginn einen Wandertag abzuhalten, „um die Klassengemeinschaft zu stärken“. Bei dem Satz drehte sich ihr der Magen um und in ihrem Kopf ging sie bereits mehrere, ihr glaubhaft erscheinende Ausreden durch, die sie als Entschuldigung für ihre Abwesenheit vorbringen konnte. Obwohl Frühlingsanfang war, war es die meiste Zeit über noch sehr kühl und windig und ein Ausflug an das nur wenige Stunden entfernte Meer erschien ihr als eine Strafe und nicht als eine lohnende Aktivität. „Natürlich wird es wieder den einen oder anderen Kandidaten geben, der der Meinung ist, sich selbst zu schade für derlei Dinge zu sein, deswegen an dieser Stelle nur eines: Wem nicht das Bein abfällt oder der Schädel explodiert, wird mitkommen. Wir haben drei Gäste in unserer Klasse und ich bin mir sicher, dass ich für den größten Teil der Klasse spreche, wenn ich sage, dass uns allen ein Tag zusammen gut tun wird, bevor wir uns mit dem Lernen für den Abschluss plagen.“ Er hatte die ganze Zeit über gelächelt, aber sein Unterton hatte eine gewisse Ernsthaftigkeit, die keinen Widerspruch duldete, auch von ihr nicht. Sie war versucht, ihren Kopf auf die Tischplatte knallen zu lassen und aus den Augenwinkeln sah sie, wie Naruto sie breit angrinste. Dennoch war sie sich sicher, dass zumindest drei gewisse Mädchen und Neji mit ihr einer Meinung sein würden: Einen ganzen Tag dazu gezwungen sein, mit den Neuen herum zu hängen war definitiv kein Gewinn. Für keinen von ihnen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)