Fate/Royale von Daelis ================================================================================ Kapitel 8: Unerwartete Bündnisse -------------------------------- „Aber nicht jetzt“, flötete Merlin einfach gut gelaunt in die Runde, völlig ignorant gegenüber der Anspannung, die über uns allen lag, obwohl man sie förmlich in Scheiben hätte schneiden können. Dieser Kerl hatte wirklich überhaupt kein Feingefühl. Man hätte meinen sollen, bei Hofe hätte er das gelernt, aber offenbar war da so einiges an ihm vorbeigezogen. Ich ächzte verhalten, da ergriff Mary das Wort, die den weißhaarigen Magier nun selbst etwas skeptisch ansah. „Ich habe natürlich Verständnis dafür, dass ihr so etwas Wichtiges nicht vor einem fremden Master und einem fremden Servant besprechen wollt.“ Sie lächelte entschuldigend in meine Richtung. Also hatte nicht nur ich meine Vorbehalte gegen diese Knalltüte. Irgendwie beruhigend. Je länger ich Merlin kannte, desto weniger verstand ich, wieso damals irgendjemand auf die hirnrissige Idee gekommen war, auf ihn zu hören. Waren die Leute im Mittelalter einfach alle permanent high oder besoffen gewesen? Auf mich hatte nicht die Hälfte, von dem was er palaberte, nach einer guten Idee geklungen. „Diese Angelegenheiten, denke ich, gehen dich nichts an, Caster“, bemerkte Tristan unfreundlich. Grimmig funkelte ich ihn an. War das sein Ernst? „Nichts an?“, fragte ich nach, ohne eine Antwort zu erwarten. „Es betrifft meinen Master. Natürlich geht es mich etwas an.“ Tristans halb geöffnete Augen lagen auf mir, doch Freundlichkeit suchte ich in seinem Blick vergeblich. Er wurde mir mit jeder Minute unsympathischer. Mary hingegen konnte ich eigentlich ganz gut leiden. „Das sehe ich wie Caster“, stellte sie sich sogar auf meine Seite. „Und ich würde mich freuen, wenn wir“, meinte die junge Frau bestimmt mit einem mahnenden Seitenblick in Tristans Richtung, „Ein Bündnis schließen würden. Immerhin hast du uns ja bereits geholfen und damit sehr wahrscheinlich unser beider Leben gerettet.“ Sie lächelte strahlend, ganz im Gegensatz zu ihrem Servant, der dreinsah, als müsse er einen Liter Zitronensaft pur trinken. „Dann lasse ich euch das doch in Ruhe aushandeln“, mischte sich Merlin unvermittelt ein. „Betrachtet mich als neutralen Beobachter.“ Seufzend wandte ich mich Mary zu, Archer an ihrer Seite einfach ignorierend. Er wollte nichts mit mir zu tun haben? Bitteschön. Ich war auch nicht gerade scharf drauf, mir blöde Bemerkungen als Dank für die Rettung seines Lebens anzuhören. Wäre mir Mary nicht so sympathisch, hätte ich ein Bündnis kategorisch ausgeschlossen. Dazu kam noch, dass Tristan Merlin kannte und vielleicht mehr wusste, als er bisher bereit war, preiszugeben, was die ganze Sache mit Elisabeth anging, auf die ich mir noch immer keinen rechten Reim machen konnte. Allerdings blieb die Frage, ob sich Tristan einem Bündnis überhaupt fügen würde. Misstrauisch warf ich einen Blick in seine Richtung, dann wandte ich mich wieder Mary zu, die erfreut dreinsah. „Wunderbar. Dann sollten wir die wichtigsten Punkte auf jeden Fall festhalten. Selbstverständlich kämpfen wir nicht gegeneinander solange das Bündnis währt und sollten einander beistehen, wenn es zu einem Kampf kommt“, begann sie mit immer ernster werdender Miene. Ich nickte ob dieser Bedingungen, die wohl die Grundlage für jedes Bündnis wären, mir aber doch Bauchschmerzen bereiteten. In einem direkten Kampf wäre ich Tristan keine Hilfe. „Außerdem sollten wir Informationen austauschen“, wog Mary nun ab. Eilig schaltete ich mich ein. „Auf jeden Fall. Was wir in Kämpfen oder Gesprächen erfahren, sollten wir teilen“, stimmte ich zu und ließ damit doch bewusst etwas außen vor, nämlich das Wissen, dass ich bereits hatte. Diesen Trumpf wollte ich so einfach nicht teilen. Tristans Master jedoch nickte nur sichtlich erleichtert. „Ja, genau. So können wir einander auch besser beschützen und unterstützen!“, ereiferte sie sich und warf einen begeisterten Blick in Tristans Richtung, der eher aussah, als hätte man ihn gezwungen, in eine Zitrone zu beißen. „Nun, ich finde, wir sollten auch unsere Namen alle offen legen“, fügte Tristan mit bissiger Miene hinzu. Klar, dass er das fand. Ich kannte seinen Namen ja auch schon. Gönnerisch lächelte ich ihn an. „Aber selbstverständlich.“ Dass ihn diese Antwort überraschte, zeigte seine Haltung nur kurz, doch ich wusste ja längst, dass ihm mein Name exakt überhaupt nichts sagen würde. Sollte er ihn halt wissen. Back dir ein Eis, Archer. „Außerdem sollten wir zumindest Telefonnummern austauschen“, merkte ich an, Archer wieder ignorierend, der mich ansah, als habe ich ihm gerade vorgeschlagen, Babyrobben niederzuknüppeln. „Oh, stimmt. Wir sollten einander erreichen können“, stimmte mir zumindest Mary zu, die ihr Handy aus der Tasche zog, um mir dann auf einen Zettel, den ihr Merlin mit einem Lächeln reichte, ihre Nummer zu kritzeln. Könnten Blicke töten, hätte Tristan jetzt den Magier der Blumen auf dem Gewissen, der wieder seine Beobachterposition einnahm. Mary schien das nicht einmal zu bemerken, sondern fixierte wieder mich. „Dein Noble Phantasm, das, mit dem du Archer und mich gerettet hast…“ Sie zögerte, also schüttelte ich den Kopf. „Ich kann es nicht allzu oft einsetzen. Wir sollten keine Strategie darauf aufbauen, wenn wir uns nicht absolut sicher sind, dass es sich lohnt.“ Nur kurz wirkte sie nachdenklich, dann nickte sie. „So etwas in der Art hatte ich mir gedacht. Was immer du jedoch getan hast, war sehr beeindruckend. Dein Noble Phantasm muss sehr mächtig sein“, lächelte sie mich an und war damit wieder alleine, denn ihr Servant hatte die Augen wieder geöffnet und starrte mich voller Misstrauen an. Während Tristan schon aus Prinzip gegen alles, was Mary und ich besprachen, zu sein schien, erwies sich nicht nur Merlin als stiller Zuhörer, sondern auch Diogenes und Elisabeth, die nach einer Weile zurückkehrten. Anstatt mich, wie es sonst ihre Art war, mit den Erzählungen vom Spielen gegen Diogenes zu bestürmen, setzte sich mein Master still neben mich und griff einfach nur wortlos meine Hand und drückte diese leicht. Eine Geste, die ich sanft erwiderte. Erst als Mary und ich uns einig waren, dass wir auch Adressen austauschen sollten und außerdem jeden Kontakt zu anderen Servants, der über eine flüchtige Begegnung hinaus ging, an die andere Partei weitergaben, reichten wir einander die Hände. „Ich freue mich wirklich sehr über unser Bündnis“, ließ ich sie wissen und erntete ein strahlendes Lächeln. „Mir geht es nicht anders.“ Mary schmunzelte, als sie meine Hand losließ und stattdessen Elisabeths ergriff. „Wie ihr bereits wisst, heißt Archer Tristan und mein Name ist Mary Isolde Brown. Freut mich sehr.“ Elisabeth ergriff die dargebotene Hand und schüttelte sie energisch. „Ich heiße Elisabeth Müller und Casters Name ist Daelis“, stellte uns Eli stolz vor. Damit war unser Bündnis besiegelt. Mein kleiner Master wollte allerdings auch Tristan die Hand schütteln, der sich nicht regte, bis sein Master ihm einen Ellenbogen in die Rippen schob. Ein bisschen gehässig grinste ich ihn an. Ein anderes Thema waren Merlin und Diogenes, die beide ebenfalls im Raum waren. Bisher hatte ich sie weitestgehend ausgeblendet, doch jetzt musterte ich Merlin aus den Augenwinkeln. Damit, dass Mary auch Tristans Namen preisgab, verriet sie mir, dass sie mit Marlin-Merlin längst eng in Kontakt stand. Das hieß dann wohl, sie wusste auch, wer Marlin wirklich war. Gerade hatte sich Mary entspannt zurückgelehnt, als Tristan sich unvermittelt mit einem ganz anderen Thema zu Wort meldete. „Fraglich, ob dieses Bündnis uns wirklich zum Vorteil gereicht, Milady“, wandte er den Blick geschlossener Augen in Elisabeths Richtung. Die sah ihn nur fragend an. „Ihr seid eine Magierin der ersten Generation, nicht wahr?“, fragte er sie höflich und Eli nickte nur. Ich ahnte, worauf er hinauswollte. Sie besaß sie keine großen Fähigkeiten und nicht viel Mana. Dadurch könnte sich als eher hinderlich denn hilfreich erweisen. Grimmig funkelte ich den rothaarigen Ritter an, der jedoch unbeeindruckt fortfuhr: „Genügt Euer Mana überhaupt, damit Caster ihr Noble Phantasm benutzen kann?“ Allein für diese unverschämte Frage hätte ich ihm zu gerne eine gelangt, auch wenn er mit seinem Verdacht natürlich Recht hatte. Elisabeths Mana genügte nicht. Das so direkt zu fragen, war aber schon ziemlich fies. Die arme Eli! Aber er wusste schon noch, dass wir seinen verdammten Arsch gerettet hatte, ja? Eli wollte gerade antworten, als sich Merlin einschaltete. „Na, na. Das ist aber eine wirklich unhöfliche Frage, Archer“, tadelte er mit einem Lächeln, das einen beinahe glauben lassen konnte, es ginge hier wirklich nur um Höflichkeit. „Und immerhin hat Casters Noble Phantasm dir doch zum Sieg verholfen, nicht wahr?“ Normalerweise sorgte genau das Lächeln, das Merlin nun zur Schau stellte, dafür, dass ich den intensiven Wunsch verspürte, ihn zu packen und zu schütteln, aber in diesem Moment war ich ihm fast dankbar, dass er sich schützend vor Elisabeth stellte. „Dann gibt es doch gewiss auch eine Erklärung, wie das möglich war“, setzte Tristan nach und erntete einen tadelnden Blick seines Masters, deren Hand er vorsichtig ergriff, als wolle er sie beschwichtigen. Merlins Lächeln wurde eine Spur breiter. „Natürlich. Wie fühlte sich denn das Mana an?“, entgegnete der Magier der Blumen. Ich konnte sehen, wie Tristan die Stirn runzelte und stutzte, als Merlin meinte: „Nach Caster oder womöglich einer anderen, alten Bekannten?“ Ich verstand kein Wort, doch dass Tristan nun schwieg und die Marys Hand fester drückte, gab mir zu denken. Was wurde hier gespielt? Wie erwartet, erzählte Tristan mir überhaupt nichts und als ich versuchte, nachzuhaken, blockte der rothaarige Archer direkt ab und sah mich dabei so finster an, als habe ich ihn gebeten, etwas höchst Anstößiges preiszugeben. Genervt ließ ich es gut sein. Es würde wohl wenig bringen, unser Bündnis schon so früh zu strapazieren, zumal es ohnehin nicht unter dem besten Stern zu stehen schien. Vielleicht hätte ich doch lieber eines mit Cú Chulainn und El-Melloi aushandeln sollen. Zumindest war ich mir bei Cú sicher, dass er nicht scharf drauf war, mich hinterrücks zu erschießen. Bei Tristan hingegen war ich mir da nicht so sicher. Beinahe war ich froh, als Mary meinte, sie müssten langsam los. „Machs gut, kleine Elisabeth. Bis dann, Caster“, verabschiedete sich Mary von uns, ehe sie auch Merlin und Diogenes noch einen schönen Tag wünschte. Auch jetzt stand Tristan nur neben ihr, die Miene verkniffen und den Blick unentwegt auf Merlin gerichtet, der entweder absolut ignorant war und es nicht bemerkte, oder aber das sehr gut vorspielen konnte. Das Geräusch der Tür, die ins Schloss fiel, änderte mit einem Schlag die ganze Atmosphäre. „Caster“, wandte sich Merlin an mich und blickte so ernst drein, dass ich erst gar nicht wusste, wie ich reagieren sollte. Bisher war er immer so döspaddelig daher gekommen. Das konnte doch bestimmt nichts Gutes bedeuten. „Es gibt da etwas, über das wir beide unter vier Augen sprechen sollten“, erklärte er ruhig und winkte mir zu folgen, doch Elisabeth klammerte sich an meine Hand. „Ich will auch mitkommen“, protestierte sie, doch Merlin schüttelte mit sanftem Lächeln den Kopf. „Dieses Mal nicht. Sei artig und pass für mich auf Diogenes auf, ja? Sonst überwässert er mir wieder alle Pflanzen, die doch so hübsch geblüht sind, nachdem du dich um sie gekümmert hast.“ Merlins Schmeicheleien taten ihren Dienst, denn auch wenn Eli erst zögerte und etwas schmollte, weil man sie ausschloss, nickte sie dann doch und wandte sich unversehens Diogenes zu, dem wieder die Aufgabe als Babysitter zufiel, während ich Merlin nach nebenan in die Küche folgte. Zumindest wusste ich Elisabeth bei Diogenes gut aufgehoben, während Merlin was auch immer mit mir klärte. Müsste ich raten, ging es um die Bemerkung, die er Archer gegenüber gemacht hatte. Gut so, denn das interessierte mich auch brennend. Wessen Mana hatte Archer gespürt, dass er diese Person kannte und obendrein so reagierte? Hatte etwa Merlin auch hier seine Finger im Spiel? Ausschließen konnte ich es nicht. Ähnelte sich das Mana von Verwandten? Ich schob diesen Gedanken erst einmal beiseite, denn was immer mir der Magier der Blumen zu sagen hatte, wollte er vor Elisabeth geheim halten. Noch ein Punkt, der mich stutzig machte. Welches Geheimnis, glaubte er, müsse ich kennen, während Eli es nicht wissen durfte? „Es geht um Elisabeth“, begann Merlin unvermittelt. Ach nee. Das hatte ich mir auch schon gedacht. Ich verschränkte die Arme und nickte ihm zu, damit er fortfuhr. Da war ich ja mal gespannt, was Merlin nun ausspuckte. Dennoch gab es mir sehr zu Denken, dass er so ernst guckte und sprach. So hatte ich ihn bisher noch nie erlebt. „Deine Entscheidungen haben großen Einfluss auf Elisabeth, darum ist es wichtig, dass du weißt, dass sie die Nachfahrin zwei sehr mächtiger Magier ist und keine Magierin erster Generation“, erklärte er betont ruhig, meinen Blick suchend. „Aber ihre Manakreisläufe“, wollte ich widersprechen, doch Merlin hob eine Hand, um ich zu unterbrechen. „Diverse Kreisläufe sind bei ihr blockiert. Deshalb kann sie dir nicht ihr volles Mana zur Verfügung stellen. Allerdings werden diese Kreisläufe genutzt, wenn sich eines ihrer anderen beiden Gesichter zeigt.“ Entgeistert starrte ich ihn an. Gut, das auch mal zu erfahren. Ein paar mehr Details wären aber wohl schon zu viel verlangt gewesen, mh? Er hatte weder ein Wort über Elis Eltern verloren, noch darüber was er mit den „Gesichtern“ meinte. Wie sollte mir diese Erklärung bitte in irgendeiner Form helfen? Er seufzte melodramatisch. „Darum musst du gut aufpassen, was du sagst und tust. Jede Handlung hat Konse- he!“ Mir reichte es. Immerhin dieses Herumgerede und diese Rätsel. Konnte dieser Kerl nicht einfach mal zum Punkt kommen und klar sagen, was Sache war? Energisch hatte ich ihn an den Schultern gepackt und starrte ihn eindringlich an, als ich fragte: „Was für Gesichter? Eine Art dissoziative Persönlichkeitsstörung? Sind es andere Seelen, die sich in ihrem Körper eingenistet haben? Sprich Klartext!“ „Ich kann dir wirklich ni-“, begann Merlin mit einem Lächeln, das im nächsten Moment auch schon erstarb. Ich hatte die Nase gestrichen voll und schüttelte den Magier der Blumen ein paarmal kräftig. „Beantworte einfach meine Fragen, Merlin!“, verlangte ich zischend im Versuch, nicht zu laut zu sprechen, sodass Elisabeth uns nicht hören würde. Schweigend starrte er mich an. Wie gerne hätte ich ihn einfach nochmal geschüttelt. Dieser Typ trieb mich in den Wahnsinn, sehr viel mehr, als es Cú Chulainn tat. Bei dem wusste man wenigstens irgendwie, woran man war und er machte nicht immer nur irgendwelche Andeutungen. Eindeutig eher ein Mann der Tat, wenn auch manchmal ein wenig zu sehr. „Aber sei versichert, sie ist gesund und wohlauf“, lächelte Merlin mir entgegen. Aller Ernst war aus seiner Miene verschwunden. Wie gerne hätte ich ihn geschlagen. Er hatte mir zwar etwas Neues offenbart, doch dafür mindestens genauso viele Fragen eröffnet. War er vielleicht selbst Elisabeths Vater? Verdammter Incubus. Ich traute es ihm zu. Dann käme als Mutter wohl durchaus sein früherer Master in Frage. Ob die beiden ihren Krieg gewonnen hatten und Merlin deshalb hier war und als Master teilnahm? Um seine Tochter zu beschützen? Whoa, so langsam glitt ich ab. Zu viele Theorien, zu wenig Fakten und auf Letztere sollte ich mich konzentrieren. Ganz egal, wer Elis Eltern waren, sie war mein Master und brauchte mich, also würde ich mich anstrengen, damit sie in mir eine zuverlässige Erziehungsberechtigte hätte. „Die Blumen haben jetzt alle genug zu trinken, Onkel Marlin!“, ertönte Elisabeths muntere Stimme von der anderen Seite der Tür. Sie war so arglos, dass es mir gleich doppelt leidtat, das Opfer von Merlins komischen Plänen zu sein. „Caster?“ Grimmig sah ich zu Merlin hoch und verschränkte die Arme, als er nun die Hände auf meine Schultern legte. „Ich vertraue darauf, dass du dich gut um Elisabeth kümmerst und auf sie aufpasst“, ließ mich Merlin wissen. So richtig wohl fühlte ich mich unter seinem Blick nicht, also nickte ich nur und wandte mich dann um. „Natürlich. Sie ist mein Master.“ Und obendrein ein unschuldiges Kind. So oft ich auch betonte, Kinder nicht zu mögen, hieß das noch lange nicht, dass ich Wehrlose einfach im Stich ließe. Auf eine Erwiderung des Magus wartete ich nicht mehr, sondern öffnete einfach die Tür vor Elisabeth und widmete ihr mein bestes Lächeln. „Es ist wirklich lieb von dir, dass du dich so um Onkel Marlins Blumen kümmerst, Master“, lobte ich sie und tätschelte ihr sacht den Kopf. „Was hältst du davon, wenn wir für unser Zuhause auch eine hübsche Blume kaufen und sie zusammen großziehen?“ Das würde zwar in erster Linie ihre Aufgabe, denn ein grüner Daumen war an mir mal so gar nicht verloren gegangen, doch sicherlich lenkte es Elisabeth ein wenig von der Vorstellung ab, dass ich nicht ewig an ihrer Seite wäre. So hätte sie später eine kleine Erinnerung, ganz egal, wie diese Sache für mich ausginge. Schlimm genug, dass sie überhaupt in diesen Krieg gezwungen wurde. Welcher Spast sich das auch gewünscht hatte, dem würde ich ja auch zu gerne mal kräftig die Meinung geigen. „Au ja! Ich möchte eine blaue!“, ereiferte sich Elisabeth prompt und war dann so Feuer und Flamme, dass sie mich förmlich aus dem Labor zerrte, sich nur im Gehen verabschiedend. Im Blumenladen brauchten wir zu meiner Überraschung jedoch gar nicht lange. Schon am Eingang hatte Elisabeth ihre Entscheidung praktisch sofort getroffen. Eine exotisch wirkende, rosafarbene Blüte hatte es geschafft, Masters Aufmerksamkeit direkt auf sich zu ziehen. Vom Verkäufer erfuhren wir, dass es sich um eine Medinilla handele. Davon hatte ich noch nie gehört, doch soweit die Anleitung es hergab, war das Pflänzchen recht pflegeleicht und da Elisabeth sowieso schon total verliebt in die Blume war und sogar mit ihr sprach, gab es wohl ohnehin nicht viel zu diskutieren. Vielleicht sollte ich froh sein, dass sich Eli bei ihrer Namenswahl auf Conny beschränkt hatte und ihre Wahl nicht auf Audrey II gefallen war, sonst hätte ich wohl direkt den Flammenwerfer gezückt, ehe wir in einen kleinen Horrorladen lebten. „Meinst du, es wird ihr im Schlafzimmer gefallen?“, wollte Elisabeth von mir wissen. „Bestimmt. Am besten wäre wohl auf der Fensterbank, dann kann sie die Sonne genießen“, gab ich lächelnd zurück. Es war wirklich süß, wie leicht Elisabeth sich begeistern konnte, doch Merlins Worte spukten mir noch im Kopf herum und so sehr ich mir das Hirn auch zermarterte, ich wurde nicht so richtig schlau daraus. Eines von Elis anderen Gesichtern hatte ich wohl schon kennengelernt. Die Dunkle, wie ich sie Gedanken nannte. Sie war viel erwachsener als Elisabeth, sehr viel entschlossener und offenbar mit Tristan bekannt. Warum sonst hätte sie ihn retten sollen? Außerdem passte die Bemerkung von Merlin viel zu gut dazu. Blieb nur die Frage: Wer war diese Person, dass sie beide diese Persönlichkeit in Elisabeth kannten - und wollte ich das überhaupt wissen? „Da hatten wir richtig Glück!“, freute sich Elisabeth, als sie vor mir durch die Haustür huschte. Ich nickte ihr zu und warf einen Blick zurück. Draußen ging jetzt ein wahrer Sturzbach nieder. Schwein gehabt. Nur eine Minute später und wir wären wohl beide bis auf die Haut durchnässt. „Ich zeige Conny erstmal ihr neues Zuhause.“ Dass Conny das alles wohl ziemlich egal wäre, sparte ich mir einfach. Besser, mein kleiner Master war glücklich und umsorgte diese Pflanze, als dass sie aus Angst vor dem Gralskrieg in einer Ecke kauerte und weinte. Mit einem Schmunzeln folgte ich Eli ins Wohnzimmer. Dort jedoch erstarb das Lächeln auf meinen Lippen sofort. „Da ist ja mein Schatz“, begrüßte uns eine Stimme, die ich sofort erkannt hätte, auch ohne das dazugehörige Gesicht zu sehen. Gilgamesh. Als hätte das Schicksal ausgeprägten Galgenhumor, war der König der Helden auch noch ausgerechnet in seiner Archer-Manifestation hier aufgelaufen - und nicht gerade in der entzückenden Version in etwa Elisabeths Alter. Entgeistert starrte ich den golden gerüsteten Servant an, der es sich auf dem Sofa für meinen Geschmack etwas zu bequem gemacht hatte. Was wollte der denn bitteschön hier? Wenn ich bisher gedacht hatte, vor einem schier unüberwindbaren Berg an Problemen zu stehen, lag ich damit nicht falsch, doch dieser Berg kam mir auf einmal erstaunlich überschaubar vor. Instinktiv schob ich mich vor Eli. Was immer dieser arrogante Pisser hier wollte, er sollte sich gefälligst von meinem Schützling fernhalten. Wenn ich auch nicht glaubte, dass er ein unschuldiges Kind einfach tötete, hielt ich ihn doch definitiv nicht für guten Einfluss. Von dem sollte sich Elisabeth besser nichts abschauen. Offenbar wurde es hier wirklich Gewohnheit, dass Leute einfach so reinkamen und es sich bei uns bequem machten. „Kennt ihr euch?“, riss mich die Stimme meines Masters aus meiner Schockstarre. „Nein“, platzte ich sofort heraus, vielleicht ein bisschen zu schnell. „Nicht persönlich.“ Unsicher starrte ich zu Gilgamesh herüber, der nicht den Anschein machte, als würde er sich einfach wie eine Fata Morgana in Luft auflösen. Hoffentlich wollte er nichts Wichtiges, denn dann sollte er es halt kriegen und sich dann bitteschön gleich wieder verpissen. Neugierig lugte Elisabeth an mir vorbei, um einen besseren Blick auf Gilgamesh zu erhaschen, dessen amüsierter Blick auf mir lag. „Mir scheint, es liegt ein Missverständnis vor“, erklärte ich nervös. Von seinen Schätzen wusste ich wenig und ganz sicher hatte ich keinen. Gleiches galt für Eli. Ich betete stumm, dass sich das schnell klären würde, denn in einem Kampf hätte ich nicht den kleinsten Hauch einer Chance gegen ihn. Besser also, ich stellte mich vorerst gut mit ihm. Vielleicht würde es ja gar nicht so übel? Okay, damit konnte ich mich selbst nicht belügen, aber welche Wahl hatte ich? „Wieso bringst du Conny nicht schonmal an ihren Platz, Master?“, forderte ich Elisabeth auf, die einen kurzen Moment zögerte, weil sie neugierig war, wer Gilgamesh war - oh, wenn sie wüsste - und schließlich nickte. Zumindest hatte ich meinen Schützling damit erst einmal in Sicherheit gebracht, wenn auch nur für einen kurzen Moment. Was immer der König der Helden wollte, ich mochte wetten, dass ich das besser klären könnte als Elisabeth. Ich wusste nicht, ob ich hoffen oder fürchten sollte, dass es mit Merlin zusammenhing. Der Magier der Blumen wirkte auf mich durchaus wie der Typ Mensch, der auch nicht davor Halt machte, Leuten auf den Sack zu gehen, denen man eben besser nicht auf den Sack ging. Zum Beispiel Gilgamesh. „Was immer Marlin getan ha-“, begann ich, doch unterbrach mich selbst, als der König der Helden sich mit abschätzender Miene dazu herabließ, mich mit einer Hand heranzuwinken. Aber sonst ging es ihm gut, ja? Grimmig schluckte ich meinen Ärger herunter, bewegte mich aber keinen Schritt auf ihn zu. „Dieser Marlin interessiert mich nicht“, verkündete Gilgamesh nach einigen Augenblicken, in denen er mich einfach nur angestarrt und damit dafür gesorgt hatte, dass ich mich reichlich unwohl fühlte. „Ich bin wegen dir hier.“ Scheiße. Mehr wollte ich wirklich nicht hören. Wenn sich der König der Helden meinetwegen hierher bewegte, dann konnte es dafür schlicht und ergreifend keinen Grund geben, der mir gefiel. Absolut ausgeschlossen. „Wegen… mir?“, fragte ich heiser nach. Dass meine Hoffnungen, es läge wirklich nur ein blöder Irrtum vor, bald zerstört würden, ahnte ich schon jetzt. „In der Tat, Caster“, betonte er meine Klasse ungewöhnlich und lachte dabei, dass es mir eisig den Rücken herunterlief. Hatte ich den Witz verpasst? Gerade als ich weiter nachhaken wollte, lehnte sich der König der Helden entspannt zurück. Ein süffisantes Schmunzeln zierte seine Züge, während er mich noch einmal musterte. „Du gehörst nun mir.“ Von dieser Aussage war ich so dermaßen unterwältigt, dass mir nicht einmal eine spitzfindige Bemerkung einfallen wollte. Fassungslos starrte ich ihn an. Bitte was? Ich gehörte ihm? Was hatte er bitte genommen, um zu so einer völlig bescheuerten und absurden Schlussfolgerung zu kommen? Er sollte wirklich weniger Wein trinken. Der bekam ihm offenbar nicht. Oder nahm er neuerdings Drogen, um der harschen Wirklichkeit zu entfliehen, in der eben keiner mehr vor ihm buckelte, seit Tokiomi Tohsaka das Zeitliche gesegnet hatte? Es dauerte einige Momente, bis ich mich etwas gefangen hatte. Das Ganze war so absurd, ich wusste wirklich nicht mehr, ob ich lachen oder weinen sollte. „Also eigentlich“, widersprach ich und lächelte eben das künstliche Lächeln, das ich für meinen ehemaligen Chef reserviert hatte, „gehöre ich wohl am ehesten meinem Master.“ Und selbst das war Blödsinn. Ich war doch kein Ding, das man herumreichen konnte. Im Stillen mahnte ich mich dazu, höflich zu bleiben. Ihn zu provozieren könnte immerhin meinen Tod bedeuten und darauf war ich nicht so wirklich scharf. Dass meine Bemerkung den König der Helden nicht wirklich interessierte, stand ihm ins Gesicht geschrieben. Gelassen winkte er mit einer Hand ab, ehe er mich erneut heranwinkte. „Es scheint, du bist nicht gut informiert, Caster“, meinte er hörbar amüsiert. Himmel, wie gerne hätte ich ihm eine gelangt. In gewisser Weise hatte er da die gleiche Wirkung wie Merlin, wenngleich den zu schlagen wenigstens nicht gleich Selbstmord glich. Misstrauisch trat ich näher. „Inwiefern?“, fragte ich skeptisch und erntete genau das wissende Grinsen, das ich nicht hatte sehen wollen. Hier gab es einen Haken. Ich kannte ihn nur noch nicht. Unsicher verschränkte ich die Arme, Gilgamesh abwartend anblickend. Beinahe hatte ich befürchtet, er würde mir nicht antworten, doch tatsächlich erklärte er sich sogar ziemlich ausführlich. Vielleicht hörte er sich aber auch nur gerne selbst reden. „Das Buch, das du bei dir trägst, ist mein Eigentum“, verriet Gilgamesh ohne Umschweife, mich nicht eine Sekunde aus dem Blick lassend. „Die erste Person, der ich es überließ, war ungewöhnlich überzeugend, darum habe ich dereinst einem Handel zugestimmt.“ Oh, wollte ich das überhaupt wissen? Vermutlich nicht, doch Gilgamesh sprach unbeirrt weiter. „Wer immer das Buch trägt, wird mein Diener, sofern ich dies wünsche.“ Nein, das hatte ich wirklich nicht wissen wollen. „Warum sonst hätte ich einen solch wertvollen und mächtigen magischen Schatz herausgeben sollen, wenn nicht für eine angemessene, unterhaltsame Gegenleistung?“, schmunzelte Archer gelassen, während er zugleich mit einer Hand eines seiner Tore von Babylon öffnete, um einen Kelch und eine Karaffe herauszuziehen. Ich fühlte mich wie mit Eiswasser übergossen. War das sein verfickter Ernst? Mein erster Gedanke war, ihm das Buch an den Kopf zu pfeffern und ihm zu verklickern, dass er sich damit gerne vom Acker machen könnte. Doch ich brauchte das Buch. Ohne es wäre ich absolut nutzlos für meinen Master. Ein Servant ohne jegliche Fähigkeiten, ohne Kräfte, ohne Magie, ohne Noble Phantasm. Auf meine einzige und so mächtige Waffe konnte ich nicht verzichten, wenn ich hoffen wollte, Elisabeth zu beschützen. Das wiederum hieß, dass ich mich irgendwie mit dem Gilgamesh arrangieren musste, damit er das Buch nicht zurückforderte. Das musste ein Alptraum sein. Seine Dienerin. Das war für ihn doch garantiert gleichbedeutend mit Spielzeug. War ich jetzt die neue Tokiomi und würde auf Knien vor ihm herumrutschen und ihm eine Weinflasche nach der anderen anschleppen? Das konnte er sich auf jeden Fall gepflegt abschminken. „Als dein König“, sinnierte er völlig entspannt, als ich nichts sagte, „verlange ich selbstverständlich, dass du mich mit gebührendem Respekt behandelst.“ Ich verzog vielsagend die Miene. Mein König? Konnte mich nicht erinnern, ihn gewählt zu haben. „Ein König?!“, erklang in diesem Moment Elisabeths aufgeregte Stimme neben mir. Ich hatte gar nicht gehört, wie sie zurückgekommen war. „Oooh, so richtig mit Krone?“, wollte sie wissen und entlockte Gilgamesh damit ein leises Lachen. „Manchmal auch das“, gab er schließlich zurück, während ihn mein Master nur mit großen, leuchtenden Augen anstarrte. Klasse. Da hatte sie sich ja ein Idol gesucht. Konnte statt ihm nicht doch bitte wieder einfach Caster Cú hier herumlungern? Das schien mir jetzt doch etwas weniger verfänglich. Ich hatte diesen Gedanken gerade zu ende gedacht, als Elisabeth einen Knicks machte. „Ich freue mich, dich kennenzulernen, Eure Hoheit.“ Gilgamesh lachte leise. „Wie lautet dein Name, kleines Mädchen?“, wollte er wissen, ehe sein Blick zu mir wanderte. „Und auf welchen Namen hört meine Dienerin?“ „Mein Name ist Elisabeth“, stellte sich mein Master unversehens vor und strahlte noch immer über das ganze Gesicht, dann sah sie mich abwartend an. Missmutig starrte ich den König der Helden an. „Caster genügt“, erklärte ich kurz angebunden und erntete einen empörten Blick Elisabeths. „Das ist aber nicht höflich! Du solltest dem König deinen Namen sagen“, befand sie in dem gleichen tadelnden Tonfall, indem sie selbst wohl schon so manches Mal zurechtgewiesen worden war. Das war‘s. Ich war raus. Ich hatte keine Ahnung, wie ich aus dieser Nummer wieder herauskommen sollte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)