Moonlight Shadow von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: Nothing but loud thoughts, boredom and sleeplessness --------------------------------------------------------------- Stille.   Nichts als Stille.   Naja, außer Yuu’s lauten Gedanken, die nur von ihm gehört werden konnten und die ihm immer und immer wieder durch den Kopf gingen, als er in dem alten knarzenden Bett in seinem kleinen Zimmer lag, in dem er die Nacht verbringen sollte, während ihrem Aufenthalt in einem verlassenen Haus.   Wartend auf irgendeine Art von Nachricht von Guren, der sich mit seinem Team nach Sanguinem aufgemacht hatte um die Umgebung auszukundschaften, so dass sie endlich Krul aus ihrer Misere befreien konnten. Und auch Crowley und Ferid hatten sie begleitet, da sie besser wussten wie sie unbemerkt dort hineinkommen würden.   Nur Yuu und die anderen waren in der Nähe von Kyoto zurückgeblieben, um mit einer so großen Gruppe nicht so viel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, bis sie ein Signal bekommen würden, dass es sicher für sie war, auszurücken und zu ihnen zu stoßen.   Bis dahin wurde ihnen befohlen dort in Position zu bleiben und sich leise zu verhalten, aber vor allem unauffällig. Geduld zu haben.   Und das war etwas, zu dem Yuu absolut nicht imstande war.   Also war es eigentlich gar nicht so verwunderlich, dass er in dieser Nacht keinen Schlaf finden konnte, sich nur immer und immer wieder von einer Seite auf die andere drehte, während er nicht anders konnte als über alle möglichen Dinge nachzudenken.   Ob es Guren und seinem Team gut ging…wann sie das besprochene Signal erhalten würden…ob alles glatt laufen würde…ob sie die Vampirköngin ohne Zwischenfälle retten könnten…oder ob er wieder Gebrauch vom Seraph in ihm machen müsste…ob er es schaffte alle zu beschützen, wenn es darauf ankommen würde…   Alle diese Gedanken gingen ihm ständig durch den Kopf, erlaubten ihm nicht sich eine Pause zu gönnen und ließen ihn sich unruhig fühlen, sogar irgendwie nervös…und obwohl er den ganzen Tag auf den Beinen gewesen war und er ziemlich müde und erschöpft war…konnte Yuu einfach nicht einschlafen, egal wie sehr er es auch versuchte, oder wie sehr er es wollte.   Mit dem gefühlten hundertsten Seufzer binnen nur einer Stunde, drehte er sich auf den Rücken und öffnete die Augen.   Er schaute die Decke über ihm für einen kurzen Moment an, bevor er seinen Kopf erneut dabei ertappte, wie er sich mit allen möglichen Gedanken, Fragen und Sorgen füllte. Mit einem weiteren Seufzer, der kurz darauf folgte, hatte er endlich genug und setzte sich auf.   Yuu sah sich im pechschwarzen Zimmer um, bemerkte wie überraschend klar ihm alles vorkam, aufgrund seiner schärfer gewordenen Sinne, dank der Tatsache, dass er sich langsam in einen Dämon verwandelte.   Da er nur zu gut wusste, dass es sowieso nichts brachte zu versuchen einzuschlafen, entfernte Yuu die Decke von sich, bevor er aus dem Bett stieg und sich dazu entschloss einen kleinen Spaziergang zu machen, in der Hoffnung, dass er sich so auf andere Gedanken bringen konnte.   Nachdem er sein Zimmer verlassen und leise die Tür wieder hinter sich geschlossen hatte, fing er an, ohne ein wirkliches Ziel, durch’s Haus zu wandern, sah in jeden Raum, außer in die, in der die anderen schliefen um sie nicht aufzuwecken, und schaute in einige Schubladen und Schränke, da er hoffte darin etwas Interessantes zu finden.   Aber alles, was er fand, waren nur einige alltägliche Sachen, die von den Leuten, die vorher dort gewohnt hatten, vor acht Jahren zurückgelassen wurden wie Kleidung, Geschirr, Krimskrams, oder sogar alte Fotos, die eine glückliche Familie zeigten, was Yuu ein kleines Lächeln auf die Lippen zauberte, als er sie ansah.   Ein bisschen enttäuscht bei dieser nicht ganz so aufregenden Entdeckung, führte Yuu seinen kleinen Spaziergang fort, bis er irgendwann das Wohnzimmer erreichte.   Es war klein, aber dennoch der größte Raum des Hauses und enthielt einige hölzerne Schränke, einen Fernseher, der nicht mehr funktionierte, ein paar Regale voller Bücher, welche an der Wand standen…und eine alte benutzte Couch, auf der, sehr zu Yuu’s Überraschung, eine Person saß.   Sogar ohne seine geschärften Sinne, sondern einfach nur aufgrund eines nahegelegenes Fensters, durch das Mondlicht schien, konnte er deutlich die Person als Mika erkennen, der dort ganz alleine mit übereinander geschlagenen Beinen und einem Arm auf der Armlehne ruhend saß, und sein Gesicht mit der Hand stützte, während er derweil in einem Buch versunken zu sein schien.   Mit einem kleinen und liebevollen Lächeln, das sich bei diesem Anblick auf seinen Lippen bildete, blieb Yuu einfach nur dort stehen und lehnte sich schweigend gegen den Türrahmen.   Ob es nur für einen kurzen Moment, oder sogar Minuten, gewesen war, konnte er nicht sagen. Dafür war er zu sehr damit beschäftigt seinen besten Freund ein paar Meter vor ihm zu beobachten.   Die Art wie das Mondlicht sein Gesicht erleuchtete…wie seine blutroten Augen mit nichts als Sanftmut und Ruhe erfüllt waren, als sein Blick über die Seiten tanzte…wie sein blondes Haar in einem Goldton zu schimmern schien…wie ruhig und friedlich der Ausdruck auf seinem Gesicht aussah…   Yuu konnte nicht anders, als diesen Anblick zu bewundern, oder eher…konnte man sogar sagen, dass er sich langsam darin verlor.   Mika schien immer umwerfend…bezaubernd…sogar wunderschönen in seinen Augen zu sein. Mit einer Aura, die ihm um umgab und nicht von dieser Welt zu sein schien…fast engelsgleich.   Und ein Engel war er tatsächlich. Nicht, weil er eigentlich dasselbe Seraph Gen wie Yuu besaß…sondern eher, weil er ihn wirklich als Engel ansah.   Seinen Schutzengel.   Derjenige, der ihn vor der Einsamkeit und Trauer gerettet  hatte. Der ihm das Gefühl gab etwas wert zu sein…gebraucht und gewollt zu werden…ihn sich wieder menschlich fühlen ließ. Der ihm alles gab, nach dem er sich gesehnt hatte…Wärme, Geborgenheit, eine Familie, ein Zuhause…Liebe.   Derjenige, der wortwörtlich sein Leben gegeben hatte um seines zu retten und ihn sogar jetzt noch so gut er konnte beschützte. Der sich um ihn sorgte und an seiner Seite blieb, egal was auch passierte. Der sich um ihn kümmerte, wenn es ihm nicht gut ging und ihn bedingungslos unterstützte…dessen Stimme ihn immer erreichte, egal wie weit sie auch voneinander getrennt waren…der immer da war, wenn er ihn brauchte…   Derjenige…ohne den er sich sein Leben nicht mehr hätte vorstellen können…     …Wie sehr kann man sich eigentlich-     „Hast du da drüben Wurzeln geschlagen, Yuu-Chan, oder warum starrst du mich die ganze Zeit so an?“, riss ihn eine ruhige Stimme plötzlich aus seinen Gedanken und seiner Träumerei.   „H-huh? Oh, ähm…T-tja.“, entgegnete Yuu mit einem kleinen Lachen, während er sich leicht verlegen am Kopf kratzte, da er von ihm erwischt worden war und erst dann realisierte, dass sein Gesicht ziemlich warm war, aufgrund seiner vorherigen Gedanken über Mika, „Ich…bin nur gerade etwas weggetreten, das ist alles. Verrat mir lieber…wie du wusstest, dass ich es bin.“, wollte er wissen und ging dabei auf die Couch zu, bis er direkt daneben stand.   „Wer hätte denn sonst noch um diese Uhrzeit wach sein und hier rum wandern sollen?“, fragte Mika nüchtern und mit einem Seufzen, bevor er zu ihm hinüber sah, „Ich wusste es sofort, anhand des Geräuschs deiner Fußschritte und deines Atems. Und außerdem…haben deine Freunde sowieso zu große Angst vor mir um mir so nah zu kommen…“   „Mika, das ist nicht wahr.“   „…Sie meiden mich…“, sagte er mit leisem Ton, während er mit einem etwas traurig aussehendem Gesicht den Kopf hängen ließ.   „Nein, das tun sie nicht. Sie…wissen bloß nicht wie sie sich dir gegenüber verhalten sollen, und wollen dir etwas Freiraum lassen ohne sich dir aufzuzwingen, das ist alles. Oder denkst du etwa wirklich, dass sie so friedlich schlafen und dich Wache lassen halten würden, wenn sie dir nicht vertrauten?“   „…“   „Sie mögen dich, glaub mir. Und so wie ich es sehe, scheint das jetzt auch auf Gegenseitigkeit zu beruhen.“   „Was soll das denn bedeuten?“, fragte Mika, nach dem er wieder aufschaute und ihn ansah, während er irritiert eine seiner Augenbrauen hob.   „Sie sind dir ans Herz gewachsen, oder?“, fragte Yuu mit neckender Stimme und einem schelmischen Grinsen, da Mika die anderen zuvor als seine ‘Freunde’ bezeichnet hatte, etwas, was er sich bis dahin vehement geweigert hatte.   „S-sind sie nicht.“   „Doch, sind sie~“   „Nein, sind sie nicht!“   „Ach, komm schon, Mika. Du weißt, dass du mich nicht zum Narren halten kannst.“, sagte er mit einem kleinen Lachen, „Wir leben nun schon seit Monaten zusammen. Du kannst mir nicht erzählen, dass sich deine Meinung über sie überhaupt nicht geändert hat.“   „…“   Mika schaute ihn noch für einige Sekunden an, sah, dass er ihm offensichtlich nichts von dem, was er gesagt hatte, abkaufte, deshalb seufzte er, während er leicht verlegen seinen Blick abwandte und sich seine Niederlage mit schüchterner Stimme eingestand.   „…Okay. Vielleicht…sind sie nett. Irgendwie. Und…sie scheinen dir wirklich nicht wehtun zu wollen…“   „Siehst du? Ich wusste, dass du sie früher oder später mögen wir-“   „Aber sie sind noch immer viel zu lästig!“, unterbrach ihn Mika und sah ihn dabei wieder an, „Und außerdem, sag ihnen, dass ich auch sehr gut ohne ihr überaus ekelhaftes Blut auskomme! Also besteht kein Grund dafür, dass sie es mir anbieten! Ich nehm‘ es sowieso nicht an!“   „Sie wollen doch nur freundlich sein, Mika.“, seufzte Yuu, „Sie machen sich Sorgen um dich und wollen Rücksicht auf dich nehmen, das ist alles.“   „Das ist absolut nicht nötig, danke.“, entgegnete er sarkastisch.   „Tja, zu schade. Du bist nun Teil unserer Familie, also gewöhn‘ dich dran.“   Als Antwort, schnalzte Mika nur genervt mit der Zunge, als er erneut von ihm wegsah und leicht beleidigt aussah, bevor Yuu mit leisem Flüsterton bemerkte:   „Manchmal führst du dich echt wie eine Diva auf.“   „Das hab ich gehört!“   „Ups~“   „Wie auch immer.“, wechselte Mika das Thema, nachdem er sich geräuspert hatte und ihn wieder ansah, „Warum bist du immer noch wach und geisterst ganz allein durch’s Haus? Bist du denn gar nicht müde?“   „Bin ich, aber…ich schätze es geht mir gerade einfach zu viel durch den Kopf und…es lässt mich nicht recht schlafen.“   „…Ist alles in Ordnung?“, fragte er besorgt, „Ich meine…dein Dämon macht nicht schon wieder irgendwelche Probleme, oder? Und dieser Kampf mit diesem Seraph war auch ziemlich heftig…“   „Ernsthaft, Mika.“, entgegnete Yuu mit einem kleinen Lachen und einem Lächeln auf dem Gesicht, „Wie viele Male willst du noch fragen, ob es mir gut geht? Du machst das jeden Tag und es sind schon bereits zwei Wochen seit diesem Kampf vergangen. Mir geht’s gut, also kein Grund zur Sorge, okay?“   „…“   „Und außerdem, seit mir diese Medizin gegeben wurde, verhält sich mein Dämon jetzt auch ziemlich ruhig. Dank Ferid und-“   „Wag es ja nicht diesem kranken Bastard dankbar zu sein.“, unterbrach ihn Mika, während er ihm einen eiskalten Blick zuwarf, „Wäre er, oder Guren Ichinose nicht gewesen, würden wir jetzt nicht in dieser Situation stecken und du bräuchtest auch nicht von dieser verdammten Kraft in dir Gebrauch zu machen…“   „…“   Als er diesen schmerzlichen Gesichtsausdruck an ihm sah, konnte Yuu spüren wie ein stechender Schmerz seine Brust durchfuhr.   Er wusste nur zu gut wie Mika über ihre momentanen Umstände dachte. Dass er einen tiefen Groll gegen Guren hegte und das ihm dieser ganze Plan, die Menschheit wiederzubeleben, überhaupt nicht gefiel und Yuu konnte ihm das auch nicht ganz verübeln.   Es schien surreal, wie größenwahnsinnige Fantasien eines Verrückten, aber trotzdem…selbst, wenn es das war, konnte Yuu nicht anders, als es zu versuchen.   Akane und die Kinder…er wollte sie so sehr wiedersehen. Wollte ihnen sagen, dass sie eine Familie sind, wollte alles wieder gut bei ihnen machen…   Egal wie falsch es auch war…ob es wirklich am Ende funktionieren würde…oder wenn er nur einen einzigen Tag mit ihnen verbringen konnte…   Er war gierig, vielleicht zu gierig, aber selbst dessen war er sich mehr als bewusst.   Wenn es eine einzige Sache gab, die er in seinem Leben in dieser grausamen Welt gelernt hatte…nachdem er von seinen eigenen Eltern verstoßen und fast getötet worden wäre…mitansehen musste wie seine zweite Familie direkt vor seinen Augen umgebracht wurde…und eine neue fand, die er sich geschworen hatte um jeden Preis zu beschützen…war, dass nichts mehr wert war als seine Familie, nicht einmal die ganze Welt.   Wenn es das war, was es kostete um wieder bei seiner Familie sein zu können, war Yuu mehr als bereit dazu diesen Preis zu bezahlen, die Welt zu opfern, selbst wenn es am Ende in einem Misserfolg enden würde. Für seine Familie…würde er alles tun.   Und obwohl er verstehen konnte warum Mika sich so viele Sorgen machte…sich um ihn Sorgen machte. Dass sie sogar berechtigt waren…konnte er keinen Rückzieher mehr machen.   Aber seltsamerweise…egal wie sehr er eigentlich seinen Warnungen nicht zuhörte, sie mit einem seiner üblich sorgenfreien Lächeln in den Wind schlug, als ob sie nichts wären, ihm immer und immer wieder sagte, dass alles gut gehen würde…wie unfair er ihm gegenüber eigentlich war…   Mika hielt ihn dennoch aus. Seine Sturheit und Dummheit, seine Gier. Er hatte so eine unglaubliche Geduld mit ihm, dass Yuu nicht anders konnte, als sie zu bewundern…und vor allem…   War er noch immer dazu bereit an seiner Seite zu bleiben und ihn zu beschützen.   Mika war wirklich sein Schutzengel…   „…Tut mir Leid…“, entschuldigte sich Yuu, während er beschämt hinuntersah, aufgrund seiner Taktlosigkeit, die Mika offensichtlich traurig gemacht hatte.   „Vergiss es einfach. Man kann schließlich nichts daran ändern, dass es wirklich diese Medizin gewesen war, die deinen Dämon unterdrückt hat, also ist es schon okay. Aber es kotzt mich immer noch an, dass es ausgerechnet dieser Bastard sein musste.“   „Naja, manchmal kannst du halt nicht wählerisch sein, was?“, entgegnete Yuu, während er seinen Kopf wieder hob und ihn wieder mit einem Lächeln ansah.   Nicht ganz zufrieden mit dieser Aussage, aber da er sie auch nicht leugnen konnte, seufzte Mika nur, bevor er seinen Blick wieder auf das Buch in seiner Hand richtete.   „Wie auch immer, da wir nicht wissen, wann genau dieses so genannte ‘Signal’ uns erreichen wird, wäre es wirklich besser, wenn du wieder schlafen gehen würdest, weißt du?“   „Ich bezweifele, dass ich das kann…“   „Dann versuch es.“   „Hab ich schon seit Stunden, aber vergebens. Aus irgendeinem Grund kann ich einfach nicht aufhören…zu denken.“   „Wie wäre es, wenn du dir das für Zeiten aufsparen würdest, in denen du wirklich mal denken musst?“, entgegnete Mika mit sarkastischem Ton, während er ihn wieder ansah und Yuu damit zum Lachen brachte.   „Ich schätze, da hast du wohl Recht. Eigentlich…dachte ich, dass ich mich etwas ablenken könnte, indem ich für ne‘ Weile etwas rumwandere und nach was Interessantem Ausschau halte…“   „Und?“   „Nicht außer gewöhnlichem Zeug von Leuten, die hier vorher gelebt haben.“, seufzte Yuu, bevor er mit neckender Stimme hinzufügte, „Oder zumindest bis ich über einen gewissen Jemand gestolpert bin, der hier mutterseelenallein saß und ziemlich einsam zu sein schien, also dachte ich mir, dass ich ihn etwas aufheitern könnte und irgendwie…sind meine Gedanken seitdem leiser geworden.“   „…“   „…Würde es dir was ausmachen etwas Gesellschaft zu haben?“, fragte Yuu mit einem Lächeln.   Beide sahen sich für einen kurzen Moment schweigend an, bevor ein kleines Lachen Mika’s Lippen entwich und er entgegnete, während er die Beine gerade machte.   „Denkst du wirklich, dass du fragen müsstest?“   Nachdem sein Lächeln bei diesen Worten etwas größer geworden war, setzte sich Yuu neben ihn auf der Couch…aber statt dort zu bleiben und bevor Mika überhaupt reagieren, oder etwas sagen konnte, legte er sich auf den Rücken, ließ seine Beine über die Armlehne baumeln und legte seinen Kopf in seinen Schoß.   „Ich…bin kein Kissen, weißt du?“, sagte Mika ausdruckslos und sah dabei zu ihm runter.   „Du hast mich auch ständig als eins missbraucht als wir noch Kinder waren, erinnerst du dich? Also betrachte es als Rache dafür. Und außerdem…bist du eigentlich obendrein noch sehr bequem.“   Mika schaute dieses strahlende Lächeln, das er ihm in diesem Moment schenkte, noch weiter an, bevor er sich seine Niederlage mit einem leisen Seufzen eingestand.   „Mach, was du willst.“   „Mit Vergnügen~“   „Und…wenn dir kalt sein sollte, dann sag es.“, sagte Mika, der erst dann bemerkte, dass er nur einen nicht so warm aussehenden Pyjama trug, ohne dabei irgendwelche Socken anzuhaben, „Dann leih ich dir meinen Umhang. Die Heizungen funktionieren schließlich nicht mehr und in diesem Aufzug wirst du dir nur ne‘ Erkältung holen.“, fügte er hinzu, während er seinen Blick wieder auf das Buch in seiner Hand richtete und dort weiterlas, wo er zuvor aufgehört hatte.   „Danke, aber…ich denk nicht, dass ich ihn brauche.“, lehnte Yuu mit einem liebevollem Lächeln ab und fügte sanft hinzu, „Eigentlich…ist mir immer warm, wenn ich bei dir bin…“   „…“   Eine mehr als komfortable Stille herrschte danach zwischen ihnen, in der sie nichts außer ihrem gegenseitigen beständigen Atmen und dem Umblättern der Seiten, ausgelöst von Mika, hören konnten.   Keiner von ihnen verspürte das Bedürfnis etwas zu sagen und sogar Yuu fühlte langsam wie sein Körper und Geist sich entspannte, als er wieder seinen besten Freund beobachtete, der erneut in seinem Buch versunken war.   Offenbar sogar so sehr…dass Mika es nicht einmal bemerkte, dass er irgendwann anfing Yuu auf beruhigende und zärtliche Art und Weise mit den Fingern durch’s Haar zu fahren.   Und als er es bemerkte, sah er nur flüchtig zu Yuu hinüber, der seine Augen mit einem zufriedenem Lächeln, das seine Lippen umspielte, geschlossen hatte, las dann aber einfach weiter und ließ ihn diese kleine Geste noch etwas länger genießen.   Eine Sache allerdings störte Yuu bei dieser Aktion, deshalb unterbrach er nach einem kurzen Moment diese Stille zwischen ihnen mit leiser Stimme:   „…Mika? Könntest du…deinen Handschuh ausziehen?“   „…Warum?“, fragte Mika leicht verwirrt bei dieser unerwarteten Frage.   „Will einfach nur deine Hand spüren…und das stört etwas, weißt du?“   „Dir…ist klar, dass meine Hand ziemlich kalt, aufgrund meiner generellen mangelnden Körpertemperatur, ist, oder? Und mit dieser allgemeinen Kälte in diesem Raum denke ich nicht, dass das eine so-“   „Das macht mir nichts. Deine Kälte ist eigentlich ganz angenehm…und fühlt sich schön an…also ist es okay.“   „…“   Es überraschte Mika noch immer ziemlich, wie sehr Yuu solche unnatürlichen Sachen nichts auszumachen schien, wie seine nicht existierende Körpertemperatur, da er jetzt ein Vampir war.   Alles an ihm war eiskalt. Von seinem Gesicht bis hin zu seinen Fingerspitzen und Zehen. Fast wie eine wandelnde Leiche. Nichts war mehr übrig von der Wärme, die er einst als Mensch besaß.   Jeder hätte ihn schon längst gemieden, oder wäre ihm zumindest nicht so nah gekommen…aber nicht Yuu.   Wenn überhaupt…schien es sogar, dass er seine Nähe mehr als sonst suchte. Sagte immer, dass es für ihn in Ordnung ging, dass es ihm nichts ausmachte und jetzt hatte er sogar gesagt, dass es ‘schön’ und ‘angenehm’ wäre.   Mika wusste wirklich nicht, ob er es besorgniserregend…oder als eine Art merkwürdiges Kompliment ansehen sollte.   Aber da er annahm, dass er eher froh darüber sein sollte, dass er irgendwie normal von ihm behandelt wurde, etwas, von dem er befürchtete, dass es sich ändern würde, nachdem er ein Vampir geworden war, beschloss Mika diese Gedanken zunächst mit einem weiterem Seufzer beiseite zu schieben, bevor er schweigend seine Hand, die nur Sekunden zuvor mit Yuu’s Harren beschäftigt waren, zu seinem Mund führte und mit Leichtigkeit den Handschuh von deiner Hand mit seinen Zähnen entfernte.   Und nachdem er vorsichtig den Handschuh auf den kleinen Beistelltisch, der direkt neben der Couch stand, ablegte, begann Mika langsam seine nun entblößten Finger erneut durch die schwarzen Haare seines besten Freundes zu fahren, während er beobachten konnte wie sein Lächeln etwas größer wurde und bekam ein zufriedenes Seufzen von ihm als Reaktion.   „…Übrigens…was liest du da eigentlich?“, fragte Yuu kurz darauf neugierig und mit leiser Stimme, während seine Augen noch immer geschlossen waren.   „Irgend so ein Buch, das ich hier gefunden hab.“, antwortete Mika mit seinem Blick wieder auf die Seiten fixiert, „Da ich keinen Schlaf mehr brauche, musste ich schließlich andere Mittel finden um etwas Zeit totzuschlagen.“   „Und…worum geht’s?“   „Nur eine typisch normale Handlung, die man schon über tausendmal gelesen hat, mit einigen Comedy Elementen hier und da, aber im Großen und Ganzen eigentlich nichts Besonderes.“   „Warum liest du es dann?“   „Es…tut gut. Etwas Normales zu Lesen…über normale Leute, die normale Probleme in einer normalen Welt haben, zu wissen, dass…dies das Leben sein könnte, das wir hätten führen können, wenn die Welt nicht untergegangen wäre. Wie wir jetzt sein könnten…oder was für triviale Sorgen wir haben könnten. Es mag blöd klingen, aber…es lässt mich unsere momentanen Umstände für eine kleine Weile vergessen…“   „…“   Yuu öffnete seine Augen wieder und beobachtete ihn für einen kurzen Moment schweigend, bemerkte wie sein Gesicht, das vom Mondlicht, was von draußen hereinschien, angeleuchtet wurde, von Nahem sogar noch engelsgleicher aussah, während er seine Worte in sich einsinken ließ, die er nur allzu gut nachvollziehen konnte, da er dieses Gefühl der Realität entkommen zu wollen, auch wenn es nur für ein kleines Weilchen war, verstehen konnte.   „…Hey…Mika?“   „Hm?“   „Würde es dir was ausmachen…mir vorzulesen?“, fragte Yuu mit sanfter Stimme, „Du weißt schon…wie du es immer bei den Kindern damals in Sanguinem gemacht hast?“   Mika sah vom Buch weg und blinzelte ihn nur ein paar Mal leicht ungläubig bei dieser Bitte an, bevor er sarkastisch entgegnete:   „Sieh an, sieh an. Warst du nicht der, der sich immer darüber beschwert hat und lieber ganz allein in einer Ecke schmollte, statt ‘einer dummen kindischen Geschichte’ zuzuhören?“   „Hab ich wohl, was?“,  sagte er mit einem kleinen Lachen bei dieser Erinnerung, „Ich schätze…ich war zu dieser Zeit echt nervtötend, aber…alles, was ich darüber gesagt hab, dass ich es hassen würde, wenn du uns Geschichten vorliest…war nur ne‘ Lüge. In Wahrheit…hab ich es eigentlich gemocht. Und das wirklich…wirklich sehr. Selbst, wenn ich immer weggegangen bin…Von weitem…gab es kein einziges Mal, wo ich dir nicht zugehört hab.“   „…“   „Würdest du?“, fragte Yuu noch einmal mit einem zärtlichen Lächeln auf dem Gesicht.   Nachdem er in seine strahlenden und zugleich bittenden smaragdgrünen Augen für einige Sekunden schaute, erwiderte Mika das Lächeln, bevor er seinen Blick erneut auf das Buch richtete und anfing laut vorzulesen.   Zeit schien in diesem Moment plötzlich stillzustehen.   Und während er den Worten, die von Mika’s Lippen mit ruhiger und sanfter Stimme fielen, nur für ihn und niemanden sonst bestimmt zu hören, lauschte, und noch immer die überaus beruhigende Berührung in seinen Haaren spürte, schlossen sich Yuu’s Augen und er atmete dabei tief aus.   Sein Körper fühlte sich so leicht an, fast als ob er schweben würde, während alles um ihn herum Stück für Stück verschwand, was ihn sich so fühlen ließ, als ob sie die einzigen Personen auf der Welt wären.   All diese Gedanken und Sorgen, die ihn zuvor für Stunden wach gehalten haben und ihn nicht einmal einen Moment der Ruhe finden ließen…wurden augenblicklich allmählich fortgespült…und Yuu konnte spüren wie sein Bewusstsein dahinschwand, als er langsam immer mehr und mehr, mit jedem Moment, der verging, einschlief.   Mika’s Stimme war bereits weit, weit entfernt, nur Fragmente drangen zu diesem Zeitpunkt an sein Ohr und er war vielleicht ein, oder zwei Sekunden davon entfernt in einen lang erwarteten Schlummer zu fallen…als ihr kleiner intimer Moment unerwartete ein Ende nahm, als die Hand in seinem Haar plötzlich stoppte und Mika über Worte stolperte, während seine Stimme anfing zu zögern, sogar aus unbekannten Gründen schüchtern wurde.   Da er von dieser seltsamen Verhaltensänderung so abrupt aus seinem Halbschlaf gerissen wurde, konnte Yuu wieder deutlich seine Stimme hören, die versuchte Worte zu formen um einen scheinbaren romantischen Moment zwischen zwei Charakteren, oder genauer gesagt, eine Kussszene, aus dem Buch vorzulesen   Yuu öffnete seine Augen wieder und sah zu Mika hinauf, da er sich fragte, was mit ihm auf einmal los war…nur um einen mehr als nur seltenen und zur gleichen Zeit faszinierenden Anblick über ihm zu erblicken…   „…Sag mal, Mika…“, unterbrach er sein Stottern und klang dabei recht erstaunt, bevor er mit einem kleinen Lachen fragte, nicht ganz seinen Augen trauend, „…Wirst du etwa gerade rot?“   Bei dieser unerwarteten Bemerkung, die ihn ganz schön überraschte, wurde Mika’s Gesicht sogar noch ein paar Töne roter, als es ohnehin schon war, bevor er seinen Kopf zur Seite drehte.   „Hey, schau doch nicht weg.“, sagte Yuu mit einem amüsierten Lächeln und streckte dabei die Hand nach ihm aus.   Nachdem er sie an sein Kinn gelegt hatte, drehte er langsam seinen Kopf wieder rum und brachte ihn somit dazu ihn wiederanzusehen, wobei er erneut sah wie seine sonst so blassen Wangen in ein tiefes rot gefärbt waren.   „Du wirst ja wirklich rot.“, bemerkte er, während er die Hand wieder zu sich zurückzog, „…Warum?“   „…Wer würde das nicht…“, entgegnete Mika leise und wandte dabei sichtlich verlegen den Blick von ihm ab.   „Komm schon, es ist nur ne‘ Kussszene, nichts Besonderes und nicht einmal halb so gut, oder aufregend, wie ein guter Kampf, der in einem Buch beschrieben wird.“   Als er das hörte, seufzte Mika nur schwer, bevor er seinen Blick wieder auf ihn richtete und fragte:   „Ernsthaft, ist Kämpfen denn alles, an das du je denkst, Yuu-Chan? Warst du denn noch nie in jemanden verliebt? Ich meine, so richtig?“   „…“   Statt diese Frage zu beantworten, sah ihn Yuu nur weiterhin mit einem warmen Lächeln an, das sich langsam auf seinen Lippen bildete und das aus irgendeinem Grund seltsamerweise zu diesem Moment nicht ganz passte, bevor er seinen Kopf zur Seite drehte und aus einem der Fenster sah.   „Mann, der Mond…scheint heute Nacht echt hell, oder? Irgendwie…wunderschön…denkst du nicht?“   „Du weichst aus.“, bemerkte Mika, „Und obendrein noch ziemlich schlecht. Also, warst du es schon mal, oder nicht?“   „…Ist es wirklich nötig jetzt darüber zu reden?“   „Ja.“   „Warum?“   „Weil ich es ganz einfach wissen will, deshalb.“   „Und dürfte ich erfahren, warum das auf einmal so wichtig ist?“, fragte Yuu mit einem kleinen Lachen, während er den Kopf wieder umdrehte und ihn erneut ansah.   „Weil du dann sicherlich schon mal irgendwann darüber nachgedacht hättest diese Person zu küssen, wenn du es schon mal gewesen wärst.“   „Mika, ernsthaft, ich sehe überhaupt nicht den Sinn darin. Ich meine…ist nur bloßes Lippenberühren. Mehr nicht. Wenn du mich fragst, scheint es trivial und obendrein auch noch verdammt langweilig zu sein. Überhaupt nicht aufregend. Reine Zeitverschwendung.“   Ein weiterer Seufzer entwich Mika, als das hörte, aber bevor etwas dazu sagen konnte, ergriff Yuu plötzlich das Wort.   „Wie sieht’s überhaupt mit dir aus?“   „H-huh?“   „Warst du schon mal in jemanden verliebt?“, fragte er geradeheraus und mit einem schelmischen Lächeln, ohne auch nur einen Hauch von Verlegenheit sichtbar auf seinem Gesicht.   „…“   Aber auch Mika antwortete nicht darauf, sondern wandte seinen Blick mit einem leichten Rotschimmer, der langsam erneut anfing seine Wangen zu bedecken, von ihm ab.   Leicht überrascht von dieser verlegenen Reaktion und da er ganz genau wusste, was es bedeutete, erschien ein kleines, aber auch ein etwas erzwungen scheinendes Lächeln auf Yuu’s Gesicht, bevor er ihn mit einer Singstimme aufzog:   „Mika ist verliebt~“   „Q-quatsch!“, stotterte Mika und spürte wie sein Gesicht erneut wärmer wurde, „Vampire verlieben sich nicht! Sie können es einfach nicht, oder eher…sie sollten es nicht können…“, fügte er mit leiser und traurig klingender Stimme hinzu.   „Mika.“, sagte Yuu seinen Namen mit sanfter Stimme, „Wie oft hab ich dir das schon gesagt? Hör auf mit dem ganzen ‘Vampire sind dazu nicht in der Lage, oder können dies und das nicht tun’. Selbst, wenn es wahr ist, bedeutet das noch lange nichts. Und es bedeutet auch nicht unbedingt, dass es auch auf dich zutrifft.“   „Natürlich trifft das auch auf mich zu.“, widersprach er mit einem schweren Seufzen, während er seinen Blick wieder auf ihn richtete, „Ich bin schließlich ein Vampir, Yuu-Chan. Wie jeder anderer. Oder willst du mir etwa erzählen, dass ich das nicht bin? Das ich etwas anderes bin?“   „Ja.“   „Und was bin ich dann deiner Meinung nach?“   „Du bist Mika.“   „…“   Mika sah ihn nur überrascht an, als er ihn das sagen hörte, begleitet von einem seiner atemberaubenden warmen Lächeln.   „Vielleicht bist du jetzt ein Vampir.“, fuhr Yuu fort, „Aber du bist trotzdem immer noch Mika. Und der Mika, den ich kenne ist sehr wohl dazu fähig andere zu lieben. Und egal was passiert, das wird sich auch nie ändern. Nicht für mich.“   „…“   Es war eine solch einfache, aber auch naive Sache zu sagen.   Niemand konnte vorhersagen wie lange Mika sich noch den Teil seiner verbliebenen Menschlichkeit bewahren konnte, bis er wirklich endgültig verschwinden würde und ihn in ein Monster ohne Verstand, das sich um nichts außer Blut kümmerte, verwandeln würde.   Und es gab nichts, was verhindern könnte, dass es früher oder später passieren würde.   Aber dennoch…lag etwas in Yuu’s unschuldigen Worten, das Mika’s nicht schlagendes Herz, trotz ihrer Naivität, bewegte. Etwas, das ihm Hoffnung schenkte, Stärke und ihn extrem beruhigte.   Wie eigentlich alles, das Yuu ihm je sagte.   Vielleicht lag es am Thema, über das sie in diesem Moment redeten…vielleicht lag es an dem Lächeln, das Yuu ihm schenkte…seinem zärtlichen und sanften Blick…oder seinen berührenden Worten…vielleicht war das Mondlicht Schuld, das diesen wunderschönen smaragdgrünen Ton seiner Augen sogar noch mehr betonte …   Oder vielleicht waren keine dieser Dinge überhaupt von Bedeutung und es gab eigentlich keinen besonderen Grund dafür, dass Mika seine Augen schloss, während er sich langsam zu Yuu hinunterbeugte und kurz darauf…ganz sanft seine Lippen auf seine legte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)