Ein letzter Augenblick von Jonouchi (Stay) ================================================================================ Kapitel 1: One Shot ------------------- „Wenn es gewünscht wird, reise ich an jeden Ort, an dem ich gebraucht werde. Ich bin ihre Autonome Korrespondenz Assistentin. Mein Name ist Violet Evergarden. Zu ihren Diensten.“ Eine junge Frau verbeugt sich tief, eine schwere Tasche in den Händen, mit einem perfekt gehaltenen, geraden Rücken. Sie schließt einen Moment ihre Augen. Wartet auf eine Antwort. Langes Blondes Haar, hochgebunden zu einem doppelt-geflochtenen Dutt. Augen so Blau, als hätte der Himmel sie geküsst. Ein langes weißes Kleid, verziert mit braunem Leder. Ein seltsam geschnittenes Damen-Jackett, in der Farbe Tiefblau. Am Kragen eine grüne Brosche, in der man seinen Blick und das Gefühl für die Zeit verliert.   „Was soll das? Ich weiß wer du bist!“, antwortet eine erzürnte Stimme.   Gerade als Violet sich aufrichten will, greift der Besitzer der erzürnten Stimme nach ihrer Hand und zieht sie in das prächtige Haus: „Deine Vorstellung ist zu lang. Du solltest sie kürzer halten und nicht die kostbare Lebenszeit anständiger Menschen vergeuden.“, sagt die erzürnte Stimme: „Außerdem kommst du viel zu spät. Ich habe dich bereits vor einer Woche angefordert. Du kannst deine Kunden nicht so lange warten lassen! Das ist ein ausgesprochen schlechter Service.“, die Person geht eine Treppe hoch und zieht noch ein bisschen kräftiger an den schmal wirkenden Arm der Autonomen Korrespondenz Assistentin: „Des weiteren solltest du dir eine angemessenere Kleidung organisieren. So siehst du aus, wie Hündchen, dass zu lange in eine Pfütze vor dem Ha–“ „Verzeiht, wenn ich euch unterbreche“, äußert Violet da bestimmt, aber mit einem Lächeln und befreit ihre Hand aus dem festen Griff. Ihr Handschuh bleibt in der Hand der anderen Person stecken und man sieht die metallene Hand Violets.   „Ich möchte wirklich nicht unhöflich sein, aber wenn sie so an meinem Arm ziehen, könnte die Mechanik beschädigt werden und ich wäre nicht in der Lage ihren Auftrag zu erfüllen.“ Violet besah sich die Hand, an der die ganze Zeit gezogen wurde, etwas genauer und bewegte sie vorsichtig hin und her: „Es wäre Schade, wenn ich ihre Worte, nach all der Wartezeit nicht zu Papier bringen könnte und sie nicht die gewünschte Person erreichen würden. Was sie zu sagen haben ist sicherlich sehr wichtig für sie.“ „Was bildest du dir eigentlich ein? Ich könnte jede x-beliebige Ancora hierher bestellen und diesen Auftrag erfüllen lassen.“ „Ich wollte nicht sagen, dass ich die Einzige bin, die ihren Auftrag zu ihrer Zufriedenheit erfüllen kann. Mir ist bewusst, dass sie eine meiner talentierten Kollegen beauftragen können und diese ihre Anforderungen zu ihrer vollsten Zufriedenheit erfüllen würden – ich danke Ihnen, dass sie mir die Gelegenheit geben.“, sagt Violet und verneigt sich leicht. „Meine Mutter hatte Mitleid mit dir und hat mich dazu gedrängt, dir diesen Auftrag zu erteilen.“ „Ich danke ihnen für ihre Sorge. Bitte grüßen sie ihre Mutter von mir und bedanken sich in meinem Namen. Möchten sie mir nun mehr über ihren Auftrag berichten, Kapitän Dietfried Bougainvillea?“ Ein abfälliges Tz ist aus dem Mund des hochgewachsenen Mannes zu hören. Lange Blaue Haare, die zu einem eher unordentlichen Zopf geflochten sind. Augen, so grün wie eine saftige Wiese im Frühling – und ein kleines Muttermal unter dem linken Auge. Eine graublaue Uniform der See. Ein weißes Hemd. Am Kragen eine Meer-Blaue Schleife. „Du kannst wohl doch nur auf die Befehle anderer warten.“, knurrt Dietfried, beißt die Zähne zusammen und packt Violet an der Prothese um sie weiter hinter sich her zu ziehen. „Kapitän Bougainvillea..“ sagt Violet, hat aber keine Wahl als den schnellen Schritten des Mannes zu folgen.   In der 1. Etage angekommen, zieht er sie an dem Treppengeländer, angebracht damit Niemand hinunter fallen kann, vorbei und bleibt vor einer Flügeltür stehen. Er stößt sie auf und zieht Violet mit in den Raum hinein. In der Mitte des Raumes lässt er sie los, drückt ihr ihren Handschuh in die Hand und geht weiter bis zu einem der großen Fenster, durch die die Sonne herein scheint. Violet atmet erleichtert aus und streift sich den Handschuh über ihre bloße Metall-Hand. Einen Moment lang betrachtet sie ihre Hand nachdenklich und richtet dann ihren Blick auf Dietfried. Dieser steht jedoch weiter mit dem Rücken zu ihr und schaut aus dem Fenster. Violet wartet einige Momente und wendet dann den Blick ab.   „Wann immer sie anfangen wollen, Kapitän.“, sagt sie, während ihr Blick nach rechts wandert. Ein wahrlich großes Zimmer auf dieser Hälfte. Sicher zwei Mal so groß wie das, welches sie bei ihrem Chef im Haus hat. Der Boden ist aus gut verarbeitet Eichenholz gemacht. In der Mitte des Raumes liegt ein weich aussehender, blass-blauer Teppich mit einem dunkelblauen Muster. Die Wände sind zu einer Hälfte aus eben jenem Eichenholz, wie auch der Boden. Die andere Hälfte verziert eine Tapete. Ein sanftes Hellblau mit einer dunkelblauen Musterung. Ganz in der rechten Ecke steht ein großer braun farbener Flügel – aufgeklappt. Gegenüber steht ein Tisch auf dem eine rot blühende Pflanze steht. Violet staunt über diesen schönen Raum. Neugierig dreht sie den Kopf nach Links, um seine volle Pracht erfahren zu können – und stockt in ihrer Bewegung. Ihr Herz setzt einen Schlag aus, ihr Mund klappt leicht auf, durch den sie erschrocken Luft einatmet, ihre Finger öffnen sich einen Moment, ehe sie sich zu Fäusten ballen.   „Major!“   Violet beißt sich auf die Lippen und unterdrückt jedes Geräusch. Sie darf nicht. Das ist ein Arbeitsauftrag. Sie darf sich nicht gehen lassen! Ehe sie die Tränen aus ihren Augen wischen kann, laufen sie über ihre Wangen. Eine. Zwei – ein kleiner Fluss klarer Tränen. Es gelingt ihr nicht, sie zurück zu halten. „Major!“, stößt sie etwas lauter aus und läuft zu der anderen Seite des Raumes. Sie hebt ihre Arme und berührt sanft den Oberkörper Gilberts. Ihre Hände streichen hoch, ehe sie erst die linke Hand und dann die rechte Hand über seine Schulter gleiten lässt. Vorsichtig nimmt sie ihre Hände weg, zögert einen Moment und berührt dann sanft das Gesicht des Majors.   Dietfried, der immer noch am Fenster steht, lehnt eine Hand gegen die Fensterscheibe und lehnt seine Stirn daneben gegen das Glas. Er schließt die Augen und wartet. Wartet, dass Violet sich beruhigt. Es vergehen Minuten, in denen er nur ihr Schluchzen vernimmt und das leise Geräusch ihrer Berührungen. Und ihre brüchige Stimme, die immer wieder 'Major' äußert. „Mein geliebter Major!“, sagt Violet da plötzlich und bewegt Dietfried dazu die Augen zu öffnen. Eine Sekunde lang sieht er in den Himmel, richtet sich dann auf und geht zu Violet. Er atmet tief durch und beugt sich zu der am Boden kauernden Violet. Er legt seine Hände auf ihre bebenden Schultern und lehnt seine Stirn an ihr weiches Haar. „Verzeih … Violet.“ – „Major!“ – „Verzeih meine groben Worte.“ – „Major Gilbert!“ – „Das ich dich nur als ein Werkzeug sah.“ – „Uh.. Ma...jor.“ – „Und das ich dich fortgestoßen habe, als du Gilbert verloren hast.“, Dietfrieds letzte Worte lassen Violet laut aufschluchzen und weinen. „Ich habe gelogen, als ich dir erzählte, dass meine Mutter mich gezwungen habe, dich zu engagieren. Ich habe befürchtet, dass du sofort wieder gehst, ob meiner ungeschickten Art, mich dir gegenüber auszudrücken.“ Violet hickst – Schluckauf zwischen all den Tränen. „Verzeih mir, dass ich nicht gesehen habe, dass du brennst. Dass du darunter leidest, was du im Krieg alles getan, wie viele Leben du beendet hast. Entschuldige, dass ich dir die Schuld gab, an Gilb–“ „Es war meine Schuld! Ich konnte ihn nicht retten! Dabei wollte ich ihn doch nur beschützen! Ich wollte, dass er lebt! Ihn fortbringen von all diesen gefährlichen Sachen! Ich wollte bei ihm sein. Immer nur seine Befehle hören – immer nur seine Stimme hören. Aber...“, Violet hickst und schluchzt stärker; „... ich konnte ihn nicht beschützen! Ich habe versagt!“, ihre Hände liegen an den Beinen des Majors. „Nein! Violet!“, Dietfried schlingt seine Arme um Violet und drückt sie an sich: „Gilbert wollte dich beschützen. Er hat dich von sich gestoßen, als alles in die Luft ging, damit du nur lebst. Nichts war im wichtiger als das. Du weißt, was sein letzter Befehl war. Lebe und werde glücklich. Vielleicht mache ich es dir hiermit etwas schwerer, als es für dich bisher schon war, aber– … Violet?“   Dietfried löste die Umarmung, als er hört, wie Violet unregelmäßig nach Luft schnappt. Ihr ganzer Körper bebt und sie greift sich an den Hals. Verzweiflung tritt in ihre Augen, aus denen unaufhörlich Tränen strömen. Dietfried starrt sie einen Moment lang fassungslos an, beißt dann die Zähne zusammen, während er schwer seufzt, aufsteht und die Stirn kraus zieht. „Hast du den Verstand verloren?“, fährt er sie dann plötzlich mit zornender Stimme an, packt sie an den Schultern und zieht sie zu sich auf Augenhöhe. »Sie wiegt immer noch nichts und das trotz dieser schweren Prothesen« geht es ihm durch den Kopf, während er sie zwei mal schüttelt. Violet wehrt sich nicht und schnappt weiter nach Luft. Ihre Lippen laufen blau an. Dietfried setzt sie auf ihre Füße ab, als er merkt, dass die Rüge nichts bringt, holt weit aus und gibt ihr eine Ohrfeige die noch drei weitere Räume zu hören ist und Violet aus dem Gleichgewicht bringt.   Geistesgegenwärtig hält sich die junge Frau am Sessel neben ihr fest und greift nach ihrer Wange, als sie festen Stand hat, bevor ihre Augen die von Dietfried suchen und sie ihn geschockt anstarrt. Es vergehen zwei – drei – vier ellenlange Sekunden, bevor sie endlich normal ein- und ausatmet. „Ich dachte, dies wäre eine passende Entschädigung, für all die Dinge, die du durch meine Schuld durchleben musstest. Nimm es mit nach Hause, sobald du meinen Brief geschrieben hast.“ Dietfried geht um den Sessel herum, an dem sich Violet festhält und setzt sich auf den Sessel gegenüber hinter einem hübschen, runden Tisch. Violet sieht ihm sprachlos hinterher und starrt ihn lange an. Erst als er seinen Blick hebt und ihr in die Augen sieht, erst als sie sieht, dass sich ein kaum merkbares Lächeln auf seine Lippen gelegt hat, rührt sie sich und geht zur Mitte des Raumes. Sie nimmt ihre Tasche mit der Schreibmaschine darin und geht zurück zu Dietfried, der die Beine übereinander geschlagen und die Arme verschränkt hat. Sie setzt sich, packt die Schreibmaschine aus, legt Papier ein und bringt sich in die richtige Haltung. Ihr Blick wandert noch einmal nach Rechts zu dem Major. Sie schluckt die aufkommenden Tränen herunter und nickt kaum merklich. „Vielen Dank für diese Geste Kapitän Bougainvillea. Ich werde dieses Bild in Ehren halten.“ „Das weiß ich.“, entgegnet Dietfried mit einem Tonfall, der schlecht gelaunt wirkt. Violet lächelt und legt ihre Hände sanft auf die Tasten ihrer Schreibmaschine – sie weiß, dass Dietfried keineswegs schlecht gelaunt ist. Er versucht nur etwas zu kaschieren, was er nicht zu verstecken bräuchte.   „Der Autonome Korrespondenz Assistentinnen Service dankt ihnen herzlich für ihren Auftrag. Was möchten sie in diesem Brief erzählen?“   – Ende –  Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)