The Night of Shooting Stars von Votani (Gray x Lucy) ================================================================================ Kapitel 1: The Night of Shooting Stars -------------------------------------- 1 Es war als hinge eine graue Sturmwolke über Lucys Kopf, die bereits aus weiter Ferne erkennbar war. Grays Stirn kräuselte sich, als er von seinem Sitzplatz am Tresen der Gilde einen Blick über seine Schulter riskierte. Lucy saß allein an einem der Tische in der Ecke und brütete über der morgendlichen Zeitung und ihrem Getränk. Ihre Hand war so fest um ihr Glas geschlossen, dass ihre Knöchel weiß hervorstanden. „Was ist denn in Lucy gefahren?“, erkundigte sich Gray schließlich, hielt seinen Ton jedoch vorsichtig desinteressiert. Mirajane schrubbte Gläser hinter dem Tresen nicht unweit von ihm entfernt. Ihre weißen Haare umrahmten ihr Gesicht, auf dem sich ein trauriges Lächeln bildete. „Das jährliche Sternschnuppenfest beginnt morgen.“ Dunkel erinnerte sich Gray an das Fest, dem er bisher nie wirkliche Bedeutung geschenkt hatte. Das Sternschnuppenfest begann stets im Spätsommer, wenn die Hitze langsam von kühleren Winden ersetzt wurde und die grünen Blätter der Bäume sich bunt färbten. Jedes Jahr um diese Zeit konnte man Tausende von Sternschnuppen für ein paar Abende über das Firmament sausen sehen, was in einem regelrechten Spektakel mit Musik, Essen und heißen Getränken endete. Das bevorstehende Fest erklärte auch das Chaos in der Stadt. Stände wurden aufgebaut und die Girlanden waren im Laufe der Woche aufgehangen worden. Gray kratzte sich am Kinn. „Und was ist daran so schlimm? Ist das nicht ein Grund zum Feiern?“ Doch der fehlenden Freude in Mirajanes Gesicht nach zu urteilen, konnte das nicht weiter von der Wahrheit entfernt sein. „Das Sternschnuppenfest in ein Fest, zu dem man mit Menschen hingeht, die einem viel bedeuten, um das Zusammensein zu feiern, während man sich die Sternschnuppen ansieht.“ Die Verwirrung musste auf Grays Gesicht erkennbar sein, denn Mirajane legte das Handtuch beiseite, um sich verschwörerisch zu ihm hinüber zu beugen. „Ich denke, Lucy wollte mit Natsu hingehen“, sagte sie. „Aber Natsu und Happy haben spontan einen Auftrag angenommen. Irgendwas mit zu vielen Fischen in einem See, der die Population von einer Krötenart reduziert, die für die Bewohner dort als heilig gelten.“ Mirajane zuckte mit den Schultern, als sei es das Normalste der Welt eine Kröte anzubeten. Umso länger sich Gray mit ihr unterhielt, umso verwirrter und auch irritierter fühlte er sich. „Dann soll sie halt mit Cana hingehen“, erwiderte Gray. „Cana ist ebenfalls unterwegs. Zusammen mit Gildarts“, erinnerte Mirajane ihn und die Freude erhielt nun doch Einzug in ihr Gesicht, obwohl Gray sich nur schwer vorstellen konnte, dass das gut ging. „Erza eben“, sagte Gray. „Oder Levy und Wendy.“ Mirajanes Lächeln wurde breiter. „Sie sind alle unterwegs. Erza mit Wendy und Levy hat sich Gajeel und Juvia angeschlossen, da sie einen Auftrag in der Nähe ihrer alten Gilde angenommen haben.“ Die Richtung, die diese Unterhaltung einschlug, missfiel Gray aus irgendeinem Grund. Ganz besonders, da Mirajanes Gesichtsausdruck von einem Moment zum anderen strahlender wurde. „Du könntest ja mit Lucy hingehen“, presste Gray hervor. Aber auch dafür hatte Mirajane eine Antwort parat. „Lisanna und Elfman wollen unbedingt hingehen. Wir gehen zu dritt. Aber Gray...", erklärte Mirajane und senkte die Stimme. „Ich bin mir sicher, dass Lucy sich freuen würde, wenn du sie begleiten würdest.“ Obwohl man ihm oft vorwarf, dass er Dinge nicht sofort aufschnappte und verstand, las er diesmal furchtbar einfach zwischen den Zeilen. Um Lucy auf das Sternenstaubfest begleiten zu können, musste er sie fragen, ob sie mit ihm hingehen wollte. Grays Gesicht verfinsterte sich bei dem Gedanken, doch sein Unmut perlte an der weißhaarigen Barkeeperin ab, die summend weiter Gläser abtrocknete. Als er sicherging, dass Mirajane ihm keine Aufmerksamkeit mehr schenkte, schielte Gray abermals über seine Schulter zu Lucy hinüber, die wirsch die Seite ihrer Zeitung umblätterte. Gray schluckte schwer. 2 „Lucy“, erklang eine Stimme hinter ihr. Sie blinzelte und kam zum Stillstand, um sich zu Gray umzudrehen, der im Türrahmen zu ihrer Gildenhalle stand. Seine Augenbrauen waren zusammengezogen und Lucy fand auch nicht die gewohnte Lässigkeit in seiner Haltung. Wenigstens sein T-Shirt war bis zur Hälfte zugeknöpft, was ihr bestätigte, dass es nicht so ernst sein konnte. „Hey, Gray“, begrüßte sie ihn dennoch und setzte ein freundliches Lächeln auf. Gray war schließlich nicht der Grund für ihre schlechte Laune und daher wäre es nicht fair, sie an ihm auszulassen. „Es gibt da etwas, was ich mit dir besprechen wollte", sagte Gray, sah jedoch über seine Schulter zurück in die Gildenhalle, in der schon wieder irgendetwas schepperte. Ein Schwall Gelächter folgte. Gray verzog das Gesicht, seufzte und zog die Tür hinter sich zu, bevor er in Lucys Richtung geschlendert kam. Obwohl es weniger nach einem Schlendern und mehr nach einem Marschieren aussah, was Lucy abermals vorwarnte, dass etwas nicht mit rechten Dingen vor sich ging. Sie hätte fast darauf gewettet, dass es etwas mit Juvia zutun haben könnte, doch diese war mit Gajeel und Levy auf einem Auftrag unterwegs. Was war es also? „Gray... ist alles okay bei dir?“, fragte sie daher mit einem Zögern, als er vor ihr zum Stehen kam, ihrem Blick jedoch auswich. Die altbekannten Bäume und Sträucher schienen interessanter als sie zu sein, dabei war es inzwischen zu dunkel um viel zu erkennen. Grays Gesichtsausdruck verfinsterte sich und Lucy drängte sich unwillkürlich die Frage auf, ob sie etwas Falsches gesagt hatte. Andererseits hatte er ihre Nähe gesucht und nicht umgekehrt. Das allein war bereits verdächtig. Für einen Moment fand sein Blick den ihren, ehe seine Augen abermals auf Wanderschaft gingen. „Ich wollte wissen, ob du zum Sternschnuppenfest gehen möchtest.“ Gray räusperte sich, ehe er ein paar Worte heranhing. „Mit mir.“ Es dauerte einige Sekunden, bis diese Einladung Lucy erreichte, deren Augen sogleich tellergroß wurden. Ihr Mund klappte auf und Hitze schoss in ihre Wangen, bis sich ihr Gesicht anfühlte, als ob es Feuer gefangen hätte. „Mit dir? Zum Sternschnuppenfest gehen? Zusammen?“, stammelte sie und trat einen Schritt zurück. Erst anhand der anwachsenden Falte, die sich zwischen seine Augenbrauen grub, wurde Lucy klar, wie er ihre Reaktion interpretieren musste. Lucys Hände schossen in die Höhe. „So war das nicht gemeint! Ich meine...“, begann sie, hielt jedoch inne. Denn was meinte sie eigentlich? Was dachte sie über dieses Angebot? Diese unerwartete Einladung? „Es war nur eine Frage“, brummte Gray und schob seine eigenen Hände in die Hosentaschen. „Du kannst auch einfach nein sagen.“ Sein Gesicht war schattenbesetzt und nur vom fahlen Licht einer Laterne erhellt, doch nach all den Jahren, die sie hier in Fairy Tail bereits gemeinsam verbracht hatten, war es ihr dennoch so furchtbar vertraut, dass sie jede noch so kleine Veränderung bemerkte. In diesem Moment fiel ihr die Errötung seiner Wangen und seines Nasenrückens auf, sowie die zusammengepressten Lippen, die eine schmale Linie formten. Sein Blick galt inzwischen ihren Schuhen - und Lucy spürte wie ihre eigene Verlegenheit sich bei seinem Anblick legte. Gray war niemand, der freiwillig oder gerne kitschige Feste mit jemandem besuchte. Daher konnte es nur zwei mögliche Gründe für seine Einladung geben: Entweder er wollte ihr einen Gefallen tun, weil er wusste, wie gern sie das Sternschnuppenfest besuchen wollte, oder aber er hatte Gefühle für sie entwickelt. Ihr Herz flatterte bei diesem Gedanken aufgeregt in ihrer Brust, denn er war... nun ja, unerwarteter als die Einladung, aber gleichzeitig irgendwie aufregend. Ganz egal, was letztendlich der Grund war, sie wollte unheimlich gern mit jemandem zu dem Fest gehen und Gray erfüllte definitiv die nötigen Qualifikationen, um ihr Begleiter zu werden. Sie standen sich nah und er bedeutete ihr mindestens genauso viel wie Natsu, Happy, Wendy oder Erza. „Ich würde sehr gern mit dir hingehen, Gray“, antwortete sie daher lächelnd, die Wärme ihrer Wangen und das plötzliche Brennen ihrer Augenwinkel ignorierend. Grays Gesichtsmuskeln lockerten sich, bevor sein Mund sich mehrmals öffnete und schloss, als suchte er nach den passenden Worten. Er sah genauso überrascht aus, wie Lucy sich in diesem Moment fühlte. „Okay“, brachte er schließlich hervor. „Dann treffen wir uns bei der Abenddämmerung genau hier vor Fairy Tail.“ Lucy nickte. „Einverstanden“, stimmte sie zu, bevor sie sich rasch verabschiedete und den Weg nach Hause einschlug, geneigt nach einem ganz speziellen Schlüssel an ihrer Hüfte zu greifen. Aber sie wusste, dass wenn sie Loke etwas erzählte, dieser sie nur aufziehen würde und fortan nur noch Anspielungen machen würde, wenn Gray in der Nähe war. Doch obwohl Loke ein Möchtegerngentleman und der größte Flirt in der Weltgeschichte war, so ahnte sie dennoch, dass er etwas mehr Erfahrung in diesen Dingen hatte. Vielleicht hätte er ihr sagen können, ob diese Verabredung nun ein Date war oder nicht. 3 Die Nacht wirkte dunkler als jede andere. Kein Mond stand am wolkenlosen Firmament und die Lichter in den Häusern ebenso wie das der Straßenlaternen war gelöscht worden. Nur vereinzelte Lampions, die an schmalen Holzstangen hingen, die aus dem sandigen Boden ragten, erleuchteten spärlich die Wege Magnolias. Märkte und andere öffentliche Orte, die genügend Platz für zahlreiche Besucher boten, waren dunkel gehalten, so dass man den Sternenhimmel besser sehen konnte. Aus verschiedenen Lakrima drang Musik, die durch die gesamte Stadt zu hören war, da an diesem späten Abend niemand schlief. Keiner wollte das Fest verpassen, noch weniger die Sternschnuppen und die Wünsche, die sie einem eventuell erfüllen konnten. Gray hörte die Musik bis zu Fairy Tails Gildenhalle, die ausnahmsweise ebenso dunkel und verlassen wie sämtliche anderen Gebäude war. Nur eine einzelne Person hatte sich dort eingefunden und schien bereits auf ihn zu warten: Lucy. Gray räusperte sich, woraufhin sie erschrocken herumfuhr. Ihre blonden Haare wallten ihr über die nackten Schultern, da ihr dunkelblaues Kleid ärmellos war. Der seidene Stoff reichte bis zu ihren Knien hinunter, offenbarte jedoch einen kurzen Schlitz an der Seite, der einen Blick auf ihren Oberschenkel gewährte. Gray wusste nicht, wieso seine Augen ausgerechnet an diesem hängen blieben. Er stieß ein Schnaufen aus, als er sich selbst dabei erwischte. Die Hände wurden in die Hosentaschen geschoben und Gray unterdrückte den Impuls an seinem dunklen T-Shirt zu zupfen. „Wollen wir dann?“, erkundigte er sich und Lucy nickte mit einem wackeligen Lächeln auf den Lippen. Vielleicht war diese Verabredung für sie genauso überfordernd wie für ihn, ging es Gray unwillkürlich durch den Kopf. Gleichzeitig setzte dieser Gedanke seiner Irritation nur noch eins zu, weshalb er sich umdrehte und den Weg zur Innenstadt einschlug. Lucy holte binnen weniger Momente zu ihm auf, die Finger ihrer Hände ineinander verhakt. „Ich wollte mich noch mal bedanken, Gray. Es ist wirklich nett, dass du mit mir hingehst, obwohl ich ja weiß, dass dir solche kitschigen Feste eigentlich nicht zusagen.“ „Vergiss es“, brummte Gray. „Es ist kein Beinbruch. Schließlich sind wir ja in einer Gilde.“ Und wenn nun mal niemand anderes da war, um Lucy zu dem Sternschnuppenfest zu begleiten, dann tat er dies halt. Jedenfalls fühlte er sich nach seiner unheimlich logischen Erklärung sehr viel besser und das Schweigen zwischen ihnen war nicht drückend oder seltsam. In der Stadt herrschte bereits ein festlicher Tumult. Stände und Imbisse waren auf den Wegen erbaut worden, die Süßigkeiten, Getränke und allerlei andere Knabbersachen verkauften, während Stehtische aufgestellt worden waren. Durcheinander gewürfelte Stuhlreihen befanden sich stattdessen auf dem breiten Marktplatz und anderen dunklen Orten, bis zu denen das Lampionlicht nicht heranreichte. „Wir sollten uns Stühle sichern, bevor keine mehr frei sind“, murmelte Gray, denn bei all den Menschen, die hier herumwuselten, war die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie sonst keine mehr abbekommen würden. „Lass uns zuerst etwas zu essen kaufen“, konterte Lucy und zückte ihren Geldbeutel. „Ich habe extra ein bisschen Geld hierfür gespart.“ Gray öffnete den Mund, aber schluckte seinen Kommentar hinunter. Anders als Lucy musste er nicht regelmäßig Miete zahlen, da er in der Gildenhalle lebte, weshalb er durchaus den einen oder anderen Geldschein zur Verfügung hatte. Doch es war der Stolz in ihrer Stimme, der ihm Einhalt gebot. Gleichzeitig erinnerte es ihn an die Unterhaltung mit Mirajane. Scheinbar hatte sie Recht gehabt, denn das Sternschnuppenfest schien ihr tatsächlich eine Menge zu bedeuten. „Okay“, stimmte Gray ihr zu und hob die Hand, um zu einem Essensstand hinüber zu deuten, an dem sich keine dieser endlosen Warteschlangen angesammelt hatte. „Wie wäre es mit Waffeln?“ Er konnte nicht sagen, dass er wusste, was sie gerne aß. Darauf hatte er noch nie geachtet. Aß sie nicht alles, was man ihr vorsetzte? „Gern“, erwiderte Lucy und sie schlugen den Weg zum besagten Imbiss ein, um sich dort einzureihen. Grays Blick wanderte umher, doch er konnte niemanden aus ihrer Gilde erspähen, obwohl er ziemlich sicher war, dass sie sich alle hier in der Gegend herumtrieben. „Hältst du Ausschau nach den anderen?“, erkundigte sich Lucy und ihre Mundwinkel hoben sich. „Ja, aber nicht weil ich sehen will“, antwortete Gray, bevor sie an der Reihe waren und ein paar Waffeln bestellten. „Ich meine, es ist angenehm, dass es mal relativ ruhig ist. Ohne Natsu, meine ich.“ „Er fehlt mir auch schon“, sagte Lucy und nahm die Plastikschale entgegen, welche die warmen Waffeln hielt, die mit Puderzucker bedeckt waren. Gray schnappte nach Luft, doch Lucy drehte sich um und spazierte davon. „Er und Happy“, fuhr sie fort, bevor Gray protestieren konnte. „Auch wenn es mal nett ist nach Hause zu kommen und allein zu sein.“ Mit Lucy aufschließend steuerten sie gemeinsam den Platz an, an dem die Stühle aufgestellt waren und kein Licht den Blick auf das Firmament stahl. Musik und Stimmengewirr lagen in der Luft, wobei die meisten Stimmen zu einem Flüstern gesenkt waren und ihre Besitzer die Köpfe bereits in die Höhe gereckt hatten, obwohl noch keine Sternschnuppen zu sehen waren. Zusammen mit Lucy schlängelte er sich durch die bereits sitzenden Einwohner Magnolias, bis sie zwei leere Stühle entdeckten. „Ich schätze, dass selbst Nervensägen einem irgendwann fehlen...“, entwich es Gray. Auch wenn er es nicht zugeben wollte, so war es verdächtig friedlich, fast langweilig, in der letzten Woche gewesen. Neben ihm stieß Lucy ein leises Lachen aus, das Gray aus irgendeinem Grund überraschte, letztendlich jedoch ein schiefes Grinsen abrang. 4 Es war so dunkel um sie herum, dass Gray bloß eine schemenhafte Gestalt neben ihr darstellte. Als sich Lucys Augen vollends an die Finsternis gewöhnt hatten, konnte sie ihn besser erkennen, genauso wie die Schale mit den Waffeln, die sie auf ihrem Schoß balancierte. Die Hitze des Essens konnte sie durch das Plastik auf ihren Oberschenkeln wahrnehmen und auch die sommerliche Wärme in der Luft machte den Abend angenehm, um sich im Freien aufzuhalten. Grays Kopf war ein wenig in ihre Richtung gedreht und er beobachtete sie beim Aufteilen des Essens, während er sich in seinem Stuhl zurücklehnte und die Arme auf den Lehnen bettete. Die Lichter der Lampions, die ihren Weg erhellt hatten, waren von hieraus nicht sichtbar. Stattdessen war der Blick auf das Firmament uneingeschränkt und die Sterne glänzten wie Diamanten über ihren Köpfen. Ausnahmsweise spielte ihnen das Wetter keinen Streich, sondern gab ihnen freie Sicht auf das kommende Spektakel. „Ich war noch nie auf diesem Fest, obwohl ich immer hingehen wollte“, kam es über Lucys Lippen, ehe sie es registrierte. Sie lächelte über sich selbst und griff nach den Servietten, die sie vom Imbissstand mitgenommen hatten. Vorsichtig wickelte sie eine Waffel in ihr ein, um sie Gray zu reichen. „Du bist bestimmt schon oft hier gewesen, oder?“ Gray antwortete nicht sofort, sondern wog die Waffel in der Serviette hin und her, als sei sie besonders interessant. „Einige Male“, sagte er dann und zuckte mit den Schultern. „Aber ich war nie hier.“ Er gestikulierte mit der Hand und deutete auf sie beide auf ihren Stühlen unter dem schwarzen Himmel und zwischen den anderen herumsitzenden und flüsternden Besucher. „Also... hast du nie die Sternschnuppen gesehen?“, fragte Lucy. „Nicht wirklich. Ich meine, ich hab schon mal eine Sternenschnuppe gesehen, aber nie so“, antwortete Gray und sein Kopf legte sich in den Nacken, um zum Firmament hinaufzuschauen. Lucy folgte seinem Blick instinktiv. Was Gray genau damit meinte, wusste sie nicht, aber sie nahm an, dass er mit Natsu und den anderen aus ihrer Gilde oft auf dem Fest gewesen war. Wahrscheinlich hatten sie es aber nie weiter als die Imbissbuden geschafft, bevor sie sich den Magen vollgeschlagen oder sich versucht hatten die Köpfe einzuschlagen. Es musste sicherlich schön sein, mit allen zusammen das Sternschnuppenfest zu besuchen. Zusammen mit Natsu und Happy und Erza und Wendy, ebenso wie mit dem Rest ihrer Gilde. Doch die Traurigkeit darüber, dass die anderen sich nicht mit ihnen hier befanden, erreichte Lucy nicht. Schließlich war sie nicht unglücklich, sondern dankbar für Grays Gesellschaft. Abermals kehrten ihre Gedanken zu der Einladung zurück und wie unerwartet sie gewesen war. Wäre es jemand anderes gewesen, hätte sie angenommen, dass es sich hierbei um eine richtige Verabredung handelte - und Lucy fragte sich immer noch, was sie davon gehalten hätte. Was sie hiervon hielt. Gray war ein enger Freund und Kamerad für sie und sie hatte immer angenommen, dass er Gefühle für Juvia hatte, da er sie trotz ihrer quirligen Art an seiner Seite duldete. Doch plötzlich war er nicht mehr nur der Gray, der mit Natsu stritt oder seine Kleidung blitzschnell verlor, wenn man mal nicht hinschaute, sondern er konnte auch ein richtiger Gentleman sein. Lucys Wangen fühlten sich hitzig bei dieser Erkenntnis an und sie widmete sich dem Essen. Der erste Bissen von der Waffel war warm und ließ einen Schauer durch ihren Körper wandern. Ein Lächeln breitete sich ungewollt auf ihren Lippen aus und sie war der Dunkelheit dankbar, die ihr ein wenig Privatsphäre schenkte, obwohl sich Gray direkt neben ihr befand. Die Armlehnen ihrer Stühle berührten einander, fiel ihr auf, und Grays Arm, der auf seiner abgestützt war, war zum Greifen nah. „Lucy, hey, Lucy“, riss Gray sie aus ihren Gedanken und sie zuckte ertappt zusammen. Doch Gray deutete mit dem Finger zum Firmament hinauf, den Blick selbst dorthin gerichtet. „Es hat angefangen.“ Tatsächlich war es merkwürdig still um sie herum geworden. Die Musik war verstummt und nur gelegentlich war ein Flüstern und erstauntes Gemurmel zu vernehmen, während das Spektakel am Himmel lautlos stattfand. Lucy vergaß ihre Waffel, die wieder in der Schale landete, in der sie serviert worden waren. Stattdessen waren ihre Augen geweitet, als sie die hellen Punkte am Firmament beobachtete, die zwischen all den glitzernden Sternen auftauchten und in ihrem Flug verglühten, um Schweife hinter sich her zu ziehen, ehe sie komplett verschwanden. Das Herz klopfte ihr in der Brust bei der Schnelligkeit, in der immer mehr Sternschnuppen über das dunkle Himmelszelt zischten. Es mussten Hunderte sein, obwohl es unmöglich war, überall zur selben Zeit hinzuschauen und alle Sternschnuppen wenigstens kurz mit dem Blick einzufangen. „Sie sind wunderschön!“, murmelte Lucy und Gray stieß ein Brummen aus, das sie als Zustimmung wertete. „Ich bin so froh, dass wir hier sind...“, wiederholte sie. „Hör zu, Lucy“, begann Gray neben ihr und es war der ernste Unterton, der Lucys Aufmerksamkeit weg von den unzähligen Sternschnuppen und auf seine Person lenkte. „Ich will nur nicht, dass du denkst, dass ich dich nur aus Mitleid eingeladen habe. Das stimmt nämlich nicht.“ Lucy blinzelte einige Male und Verwirrung brach über sie herein wie ein unerwarteter Platzregen. „Das dachte ich nicht“, gestand sie und ihr Mund fühlte sich plötzlich furchtbar trocken an. Sie hätten sich auch irgendwelche Getränke kaufen sollen. Doch dieser Erkenntnis wurde schnell von einem anderen Gedanken verdrängt. „Warum sollte ich das denken? Immerhin bist du Gray“, sinnierte sie. „Du machst nie etwas, dass du nicht willst. Nur Erza kann dich zu etwas zwingen und sie ist gerade nicht in der Stadt.“ Oder hatte sie etwas missverstanden? Hatte sie etwas nicht mitbekommen? Gray stieß einen Seufzer aus, der furchtbar schwer klang. „Erza vermisse ich nicht.“ „Das glaub ich dir nicht“, erwiderte Lucy mit einem Kichern. Erza lag ihm am Herzen, das hatte er in der Vergangenheit oft genug unter Beweis gestellt. „Aber weißt du, Gray“, räumte sie dennoch ein und abermals fühlten sich ihre Wangen hitzig und ihr Herzschlag holprig an. „Obwohl ich die andere vermisse, bin ich irgendwie froh, dass nur wir beide hier sind.“ Lucy sah wieder hinauf zu den unzähligen Sternschnuppen, die mit rasanter Geschwindigkeit über den Himmel jagten und magischer als jede Magie wirkten. Grays Schweigen wog schwer wie Blei, noch schwerer war sein Blick, da sie aus den Augenwinkeln sehen konnte, wie er den Kopf in ihre Richtung drehte. Ihr Herz klopfte schneller, denn zum ersten Mal wurde ihr bewusst, dass ein kleiner Teil von ihr doch instinktiv angenommen hatte, dass dies eine richtige Verabredung sein könnte. „Ess deine Waffel, bevor sie kalt wird“, brummte Gray schließlich und sein Ton wirkte merkwürdig belegt. Lucy hätte zu gern sein Gesicht gesehen, um zu wissen, ob es genauso errötet war, wie sich ihres im Moment anfühlte. Doch als sie einen Blick in seine Richtung stahl, konnte sie nur Grays nackten Oberkörper erkennen, da von seinem Hemd nichts mehr zu sehen war. Mit einem schmalen Lächeln griff Lucy nach der Schale auf ihrem Schoß, die ihre Waffel hielt. „Du aber auch, Gray. Und wünsch dir etwas. Das gehört zum Fest dazu“, sagte sie, da sie ihren eigenen Wunsch bereits parat hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)