Red Silver von minowari (Vampire AU) ================================================================================ Kapitel 15: Coffee klatch ------------------------- Unruhig taperte er hin und her. Von links nach rechts. Dann blieb er stehen. Bis er drei Sekunden später wieder im Kreis lief. Wie ein Tiger in seinem Käfig. Namie beäugte ihn, als ob ihm Hörner gewachsen waren. Doch sie ließ es sich nicht anmerken. Stattdessen blickte sie immer mal wieder unauffällig über den Bildschirm ihres Laptops zu ihm herüber. Nach weiteren zehn Minuten hielt sie es nicht mehr aus. „Setz dich endlich hin! Das macht mich ganz kribblig, so wie du dich aufführst.“, sagte sie irgendwann schnippisch. Izaya blieb tatsächlich stehen und blickte sie überrascht an, so als ob er plötzlich bemerkt hatte, dass er nicht alleine im Raum war. „Durch herumlaufen wird er sich auch nicht schneller melden.“, entgegnete Namie patzig und verschränkte die Arme. Izaya lachte trocken, doch erwiderte nichts. Wenn Namie wüsste, was von diesem Anruf abhängig war… Sie hatte jedoch Recht. Durchs Herumlaufen käme auch nichts zustande. Also setzte Izaya sich an seinen Laptop. Seit dem Überfall von Kasane Kujiragis Vampiren vor sechs Tagen hatte sich Oshiro noch nicht bei ihm gemeldet. Weder auf normalen Wege noch über geheime Botschaften. Er hoffte sehr, dass er und Rosi unbeschadet entkommen waren. Izayas Kundschafter hatten nämlich keine brauchbaren Spuren von den beiden finden können. Das könnte natürlich bedeuten, dass Oshiro seine Spuren so gut verwischt hatte, damit selbst die Regierung ihn nicht verfolge konnte. Doch es konnte auch darauf hinweisen, dass sich die Regierung die beiden geschnappt und stattdessen ihre eigenen Spuren verwischt hatten… Zudem war Shizuo von seinem Radar verschwunden. Genau zum selben Zeitpunkt. Izaya seufzte, als sein Hals erneut zu schmerzen begann. Es kostete ihn alle Mühe, es vor Namie und den anderen aus seinem Clan zu verheimlichen. Doch lange würde er sein Ernährungsproblem nicht mehr verstecken können. Vor allem nicht vor Namie. Izaya klickte unbewusst auf sein Postfach und scrollte den leeren Posteingang auf und ab. Keiner seiner Spitzel hatte Shizuo gesehen. Keine Sicherheitskamera hatte Shizuo aufgenommen. Bei Tom oder beim Russia Sushi war er nicht aufgetaucht. Er selbst hatte Ausflüge Richtung Ikebukuro unternommen, war unauffällig an Orten vorbei gestreunt, an die sich das Monster öfters aufhielt. Doch nichts. Selbst Kasuka schien ratlos zu sein, zumindest hatte er ihm keine weiteren Informationen liefern können. Izaya wusste, Shizuos Bruder sprach die Wahrheit. Denn inzwischen hatte bereits eine ganz eigene Vermutung, wo genau Shizuo steckte. Izaya biss sich auf seine Lippe, während sein Blick sich verdunkelte. „Wann sagst du uns endlich, was bei der Regierung neu verhandelt wurde?“, fragte Namie irgendwann und wandte sich samt ihrem Schreibtischstuhl zu ihm um. „Regierung?“, hinterfragte Izaya zwitschernd. „Tu doch nicht so scheinheilig. Wir wissen, dass du dort warst.“ „Dann wisst ihr auch, dass ich nicht freiwillig dort war. Und dass mich diese Sesselfurzer betäubt haben.“ Für einen Moment kursierte auf Namies Gesicht Überraschung, doch dann wandelte es sich in ein gehässiges Lächeln. „Zu Recht, würde ich sagen.“ „Ich fühle mich wahrhaftig gekränkt~“, säuselte Izaya theatralisch. Seine Sekretärin blickte ihn unverhohlen an. „Und?“ Izaya verengte die Augen. „Erinnerst du dich an Anri Sonohara?“, fragte er. Die schwarzhaarige Frau hob fragend eine Augenbraue. „Dieses Mädchen, das Mikado-kun auf unserer letzten Versammlung mitgebracht hat und das dich umbringen wollte?“, antwortete sie, „Wie könnte ich das vergessen? Wirklich schade, dass sie nicht erfolgreich war.“ Namies raue Art ihn zu ärgern hob seine Laune etwas. Er lachte. „Sie war das Werkzeug von Kasane Kujiragi.“, sagte Izaya schließlich. Stille. Dann öffnete sich Namies Mund, doch nichts kam daraus hervor. Sie blickte ihn nur ungläubig an. „Namie, du starrst.“, sagte Izaya grinsend. „Kasane Kujiragi?!“, rief Namie nun laut und stand polternd auf. „Du meinst die stärkste Vampirclan-Anführerin in ganz Japan?!“ „Zweitstärkste.“, korrigierte Izaya spielerisch und hob einen Finger an. „Hör auf damit! Das ist nicht witzig!“ Namie wurde immer lauter und gestikulierte wie wild mit ihren Händen durch die Luft. Izaya wusste, dass sein Clan diese Nachricht nicht gut aufnehmen würde. Aber er wollte diese Gefahr nicht länger vor ihnen verheimlichen. Immerhin waren sie ein leichtes Ziel, um ihren Anführer zu schwächen. „Warum hast du uns davon nichts gesagt?“, fragte seine Sekretärin, welche ihn nun ruhiger aber auch hitzig anblickte. „Was hätte dies bezweckt, Namie-san? Höchstens Tuscheleien vonseiten Aoba-kun, der ja nicht immer seinen Mund halten kann. Und ich brauche nun wirklich nicht noch weitere Feinde, die sich Kasane Kujiragi anschließen, um mich zu vernichten. Davon gibt es bereits reichlich genug...“ Izaya funkelte seine Sekretärin an. Sie schluckte zwar, als sie Izayas eisige Aura in der Luft spürte, doch ihre Augen blitzten wütend zurück. „Es hätte bezweckt, dass wir uns bedeckt halten! Dass wir im Notfall darauf gefasst sind!“ Inzwischen war sie direkt vor ihn getreten und sah auf den Informanten hinab. Izaya betrachtete sie milde. Sie schüttelte den Kopf, so als könne sie nicht glauben, dass ihr Anführer so eine wichtige Sache vor ihnen verheimlicht hatte. „Und was hat die Regierung mit ihr zu tun? Haben sie spitzgekriegt, dass du einen heimlichen Krieg gegen sie führst?“ Izaya musste gegen seinen Willen lachen. Namie traf den Nagel auf den Kopf. „Wow! Namie-san, ich bin beindruckt über deine Klügelei.“ „Tch.“, knurrte sie, „Red schon weiter. Oder muss ich dir alles einzeln aus der Nase ziehen?“ Für einen Moment flackerten Bilder von dem Kongresssaal in Izayas Kopf auf. Wie sie ihn alle ängstlich angeblickt haben. Izaya grinste bitter. „Sie verbieten mir den Kampf gegen sie. Sie wollen, dass ich keinen Krieg gegen sie führe.“ Die Vampirin blickte ihn schweigend an, so als könne sie nicht glauben, dass Izaya sich dies gefallen ließ. „Und du hast zugestimmt?“ Izaya lachte wieder. „Natürlich. Ich muss sie zufrieden stellen.“ Namie murmelte ein paar Flüche und lehnte sich nun mit verschränkten Armen gegen Izayas Schreibtisch. Nachdenklich starrte sie vor sich hin. „Wie gefährlich ist es?“, hakte sie dann nach einigen Sekunden nach und schien ihre Fassung wieder gewonnen zu haben. „So gefährlich, dass Oshiro sich seit Tagen nicht mehr gemeldet hat. Ich habe die Befürchtung, dass Kujiragi-san auf meine Verbündeten losgegangen ist.“ Für einen Moment flackerte Angst in Namies Augen und Izaya sah, dass sie verstand. Er lächelte sanft. „Warum bist du dann noch nicht unterwegs zu ihm und schaust selbst nach?“ Eine berechtigte Frage, die er nicht so recht beantworten wollte. Immerhin war er ein Meister des Spurenlesens und hätte schon lange nach Yūbari aufbrechen können. Wenn da nicht die Regierung in seinem Nacken hing. Zudem hatte er sein ungewolltes Ernährungsproblem, das ihn hier festhielt. Namie bemerkte Izayas Zögern und verengte die Augen. „Und warum schreibt mir Ginjo-kun immer wieder in den letzten Stunden, dass du ihn mit der Suche von Objekt 001 auf die Nerven gehst?“ Izaya seufzte. „Ich hätte ihn nicht damit beauftragen sollen…“, murmelte er gereizt. „Es steckt mehr dahinter, oder? Was genau hast du mit Shizuo Heiwajima auszufressen? Jetzt wo es wichtigere Dinge zu bedenken gibt?“ Izaya wusste nicht recht wie er ihr antworten sollte, doch da klingelte plötzlich sein Handy. Eines seiner vielen Handys. Izaya sprang gehetzt auf und sah sich nach der Geräuschquelle um. Namie zischte unzufrieden und für Izaya war es eine perfekte Gelegenheit ihren Fragen auszuweichen. Na endlich, Oshiro. Wurde aber auch Zeit! Sechs Tage waren lang genug… „Habt ihr es wohlbehalten rüber geschafft?“, ging er ganz unverblümt ans Telefon, als er das Gerät in einer Senke der Couch gefunden hatte. „Haben Sie jemanden anderes erwartet, Orihara-san?“, fragte jemand mit dunkler Stimme amüsiert. Izayas Gesichtsausdruck verdunkelte sich um mehrere Nuancen. Namie schauderte bei der bösartigen Aura, die ihr Chef ausstrahlte. Eilig schlich sie sich in den Nebenraum davon. „Welch freudige Überraschung, Muroko-san!“, überspielte Izaya seinen ungünstigen Fehler, „Es wundert mich doch sehr, dass Sie mit mir in Kontakt treten. Gibt es ein Problem zu lösen?“ Aber noch mehr wunderte es ihn, dass Muroko seine private Handynummer herausgefunden hatte. Diese wurde gut geschützt. Und es gab schließlich einen Grund warum er mehr als nur ein Handy besaß. Izaya zwang sich zu einem Grinsen, auch wenn ihn der andere gar nicht sehen konnte. „Hm, Problem würde ich nun nicht gerade sagen. Zumindest nicht für die Bruderschaft. Aber wie ich gehört habe, suchen Sie momentan jemand Bestimmtes.“ Izaya verengte die Augen. Es hatte keinen Sinn um den heißen Brei herum zu reden. „Welches vorlaute Vögelchen konnte denn seine große Klappe nicht halten?“, fragte Izaya zuckersüß. Innerlich jedoch, fluchte Izaya. Also war Oshiro bereits aufgeflogen. Es musste Keigo gewesen sein, der Watanabe von Oshiro erzählt hatte. Diese hatte es wiederrum heimlich an Muroko weitergegeben. Schließlich versuchten die beiden schon seit Jahren Izayas Verbündete zu dezimieren. Watanabe eher unauffällig, Muroko hingegen nahm sich kein Blatt vorm Mund. „Kein Vögelchen. Sie selbst waren es. Und zwar ziemlich schlampig, wenn ich das so sagen darf. Sowas hätte ich Ihnen nicht einmal zugetraut, Orihara-san.“ „Ich selbst?“, fragte Izaya verblüfft und begann zu lachen. „Oh ja. Ich bin erstaunt, dass Sie nach so vielen Jahren plötzlich ihr eigenes Kredo missachten.“ Was zum Teufel meinte Muroko damit, dass er- Und dann fiel plötzlich der Groschen. Izayas Augen weiteten sich. Doch ehe er darauf etwas erwidern konnte, schien Muroko Izayas plötzliche Stummheit als kleinen Sieg anzuerkennen, denn er fuhr einfach fort. „Sagen Sie, was ist so besonders an ihm? Haben Sie ihn etwa gern um sich, weil er ständig flucht? Weil er in jedem seiner wutgeladenen Sätze Beleidigungen ausspuckt? Stehen Sie auf sowas? Schmeckt sein Blut deswegen besonders feurig?“ Durch das Mobiltelefon schallte Murokos tiefes Lachen. „Denn anderes kann ich mir nicht erklären, warum Sie ihn so verzweifelt suchen.“ Er sprach nicht von Oshiro. Es sollte Izaya erleichtern, dass sie Oshiro nicht geschnappt hatten. Doch gleichzeitig pochte die kalte Wut in seinen Adern. „Ich wüsste nicht, dass ich so jemanden suche.“, stieß Izaya ungelenk hervor und verfluchte bereits die gesamte Bruderschaft. „Ach nein? Dann habe ich also ihre Lieblingsnahrungsquelle ganz umsonst eingesperrt?“, höhnte Muroko. „Nahrungsquellen gibt es genug in Tokyo.“, entgegnete Izaya kalt und so langsam irritierte ihn das Gespräch. Er schien zu wissen, dass er mehrmals von Shizuo Heiwajima getrunken hatte. Vielleicht wollte Muroko ihn nur aus der Reserve locken. Eine Theorie an ihm testen, um die Informationen aus ihm heraus zu quetschen. „Jetzt kommen Sie schon zum Punkt. Was wollen Sie, Muroko-san?“ Er hörte ein Seufzen am anderen Ende der Leitung. „Sie glauben mir nicht, dass ich ihn habe, oder? Na schön, um es einfacher zu machen, schicke ich ihnen ein Beweisstück zu.“ Ein paar Sekunden später piepste sein Handy und eilig tippte Izaya auf die Datei. Es war ein Video. Darauf zu sehen war ein weißer Raum in dessen Mitte eine Gestalt saß. Festgebunden an einen Stuhl. Ohne Zweifel. Es war Shizuo. Izaya konnte seine gefärbten blonden Haare erkennen, seinen Drei-Tage-Bart, sein wutverzerrtes Gesicht, als er stumm etwas zu brüllen schien, das Izaya nicht hören konnte. Der Informant biss sich auf die Lippe. Das war absolut ungünstig. Wie konnte sich Shizuo bloß gefangen nehmen lassen? Dieser elendige Muskelprotz! Er hatte bereits genug Probleme zu lösen. „Sie erkennen Shizuo Heiwajima-san, nehme ich an?“ „Was ist mit ihm?“, entgegnete Izaya so neutral wie möglich. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Erst war Oshiro tagelang verschwunden, Kasane Kujiragi plante bereits den nächsten Angriff und nun war auch noch seine einzige Nahrungsquelle im Hauptquartier gefangen. Was sollte als Nächstes passieren? „Tun Sie nicht so scheinheilig. Sie sind von ihm abhängig.“, sagte Muroko. Izayas Adern gefroren zu Eis. Er konnte es unmöglich wissen! „Abhängig? Von dem Monster?“, lachte Izaya gefakt auf, „Niemals.“ Izaya ballte unbewusst die Hände zu Fäusten. Muroko schien nicht zu wissen, dass er ohne Shizuo sterben würde. Doch er ahnte etwas. Sein Geheimnis war nicht mehr lange sicher. Vor allem nicht, wenn Shizuo noch länger dort gefangen gehalten wurde. „Oh ja, das sind Sie. Auch wenn Sie es nicht zugeben wollen.“, sagte Muroko, „Wir werden vorbereitet sein, wenn Sie zu uns kommen. Und dieses Mal erwische ich Sie.“ Izaya schnaubte. Muroko präsentierte ihm offensichtlich eine Falle und erachtete es nicht einmal für nötig, es geheim zu halten. „Sie laden mich also auf ein Kaffee-Kränzchen ein? Warum haben Sie das nicht gleich gesagt, Muroko-san?“ „Ohne die Hauptspeise kommen Sie ja nicht zu uns.“, blaffte Muroko zurück. „Selbst mit Hauptspeise komme ich nicht zu Ihnen, denn so leid es mir tut, ich muss Ihre Einladung ausschlagen. Shizuo Heiwajima ist es nicht wert, dass ich mich in eure primitive Höhle begebe.“ Izayas Knöchel traten inzwischen weiß hervor. Er durfte nicht so viel reden. Muroko kannte ihn gut. „Dann wird es für Sie ja keinen Unterschied machen, wenn ich ihn umbringe.“, entgegnete Muroko kalt, „Mal sehen, was Sie dann tun werden. Das wird ein interessant.“ Izaya verharrte in seiner Position. Muroko war tatsächlich bereit, so weit zu gehen, und würde Shizuo umbringen, nur um eine Theorie zu testen. Wie weit konnte dieser Mann noch sinken? Izaya konnte sich ein Lachen nicht verkneifen, selbst wenn er momentan im Nachteil war. Dieser Muroko war ein Beispiel an wahnsinniger Verbissenheit! „Aber aber, Muroko-san! Das wäre nun wirklich eine Vergeudung von potenziellen Rekruten. Benimmt sich Shizu-chan wirklich so unmöglich bei ihnen? Oder warum wollen Sie ihn tot sehen?“ „Ich wusste Sie würden das sagen, Orihara-san.“ Murokos Stimme klang zufrieden. „Seien Sie heute pünktlich zum Kaffee-Kränzchen da. Sonst stirbt er.“ Damit war das Gespräch plötzlich beendet. Izayas gesamtes Gesicht verzog sich zu einer grimmigen Maske eiskalter Wut und starrte auf sein Mobiltelefon, das immer noch den durchgehenden Ton abspielte. Shizuo war in Gefangenschaft im Hauptquartier der elendigen Vampirjäger. Das würde eine verdammte Herausforderung werden. Diese riesige Anlage konnte er unmöglich alleine bewältigen. Vor allem nicht, wenn der Hunger an ihm nagte wie ein Drache der Feuer speien wollte. Es machte ihn wahnsinnig. Dieser Durst. Izaya begann bitter zu grinsen und packte sich an den Hals. Wild sprang er auf, kramte ein anderes Handy hervor und wählte in der nächsten Sekunde eine andere Nummer. Es läutete nur kurz, bevor sich bereits jemand meldete. „Was gibt es, Informant-san?“, nahm jemand das Gespräch an, dessen Stimme an Izayas Ohr kratzte. „Ich brauche deine Männer, Shiki-san.“, erklärte Izaya kurz angebunden und blickte auf seine Uhr im Wohnzimmer. „Für heute Nachmittag.“ „Das wird wohl kaum möglich sein. Wir haben ein Dutzend Aufgaben für heute angesetzt und die Hälfte meiner Männer sind bereits in anderen Aufträgen verwickelt.“, antwortete der ältere Vampir so neutral wie möglich, doch Izaya hörte den empörten Ton in seiner Stimme. Izaya mochte gerade ziemlich dreist erscheinen, doch ihm blieb kaum eine andere Wahl. „Es wird möglich sein. Es ist absolut dringend.“ „Nur weil es dringend ist, ist es nicht mein Problem, Orihara-san.“ Izaya zischte wütend. „Es wird deines werden, wenn du mich nicht unterstützt. Das kann ich dir versichern.“, zwitscherte Izaya lässig, doch der eiskalte Ton in seiner Stimme erreichte selbst Shiki durchs Telefon. Einen Moment zögerte der ältere Vampir. Er schien nachzudenken. Dann sprach er wieder und Izaya wusste, er hatte gewonnen. „Wir werden Verluste in Millionenhöhe zu beklagen haben, Orihara-san. Ich hoffe du weißt, was auf dich zukommt.“ Izayas Grinsen kehrte zurück. „Lass die Millionen mal meine Sorge sein. Ich benötige so viele Vampire, wie du mir entbehren kannst.“ Es erklang ein Seufzen. „Reichen dir hundertfünfzig?“ „Besser als gar nichts. Sie sollen sich vorm Hauptquartier in Shibuya bereithalten. Ich werde in ungefähr einer Stunde zu ihnen stoßen.“ „Hauptquartier?“, kam es überrascht von Shiki, „Du willst die Bruderschaft stürmen? Das Leben meiner Männer ist dieses dumme Gefecht nicht wert!“ Eines musste Izaya ihm lassen. Shiki schaltete schnell. „Mach dir keine Sorgen. Es sind deine Männer. Sie sind mehr als nur ausgebildet.“ „Selbst der härteste Vampir kann es nicht mit Hunderten von Rekruten aufnehmen! Das ist Wahnsinn, Orihara-san! Wir stürmen ihr Lager und nicht eine Geburtstagsparty! Du wirst mich und meine Männer in den Ruin treiben!“, knurrte Shiki und bemühte sich um eine ruhige Tonlage, die ihm immer mehr entglitt. Zu Recht. Izaya konnte ihn ja sogar verstehen. Shikis Clan war zwar nicht der Stärkste in Tokyo, dafür aber der größte. Fast eintausend Männer hatte er in seinem Gefolge und Izaya bewunderte den alten Vampir dafür, so viele Vampire in Schach halten konnte. Es waren unter seinen Männern keine Vampire mit besonderen Fähigkeiten. Dafür waren sie physisch auf einer ganz anderen Ebene. Und Izaya brauchte sie. Denn sein Überleben hing nun mal von jenem blonden Mann ab, der in diesem Bruderschaft-Bunker gefangen gehalten wurde. „Ich kann nicht anders. Muroko-san hat mich auf ein Kaffee-Kränzchen eingeladen.“, sagte Izaya und seine Stimme wurde etwas weicher, „Ich werde dich reichlich entschädigen, wenn es harte Verluste einzuräumen gibt, Shiki-san. Und das weißt du auch.“ Shiki mochte Izaya Orihara nicht sonderlich, doch selbst er hatte Respekt vor Muroko und seinen Rekruten. Sie beide teilten sich diesen Feind, denn auch Shiki hatte herbe Verluste durch die Bruderschaft zu beklagen. „Du hast dich wieder mit Akaguchi-san angelegt?“, hinterfragte Shiki mehr besorgt um seine Männer, als interessiert, was Izaya zu sagen hatte. „Nein. Er hat mich herausgefordert.“ Izayas Stimme war um mehrere Grad ins Minus gesunken. „Und Muroko wird sein Kaffee-Kränzchen kriegen.“ Shiki schien die kalte Stimmung selbst durchs Telefon zu spüren, denn er seufzte. „Auch wenn ich von dir nicht viel halte, Orihara-san… komm in einem Stück wieder. Ich kann es mir nicht leisten einen neuen Informanten zu suchen.“ Izaya schmunzelte und das Eis in seiner Aura verschwand. „Du wirst keinen Neuen brauchen, Shiki-san.“ „Das will ich-“ „Halte deine Männer bereit. So unauffällig wie es geht.“, unterbrach er das Gespräch mit Shiki. „Und denk an die-“ „Ich habe meine Männer im Griff, Informant-san.“, unterbrach dieses Mal Shiki kalt, „Sie werden bereit stehen.“ Damit legte er auf. Ein unerwartetes Kribbeln durchfuhr Izayas Körper, obwohl er sich bei den ganzen Dingen die sich momentan abspielten wohl eher ein unangenehmes Ziehen verspüren sollte. Und doch spürte er nur Adrenalin und sogar…Vorfreude. Es würde ihm einen Heidenspaß machen, Muroko und seine Rekruten in den Wahnsinn zu treiben. „Was ist passiert?“ Namie hatte sich inzwischen in den Raum zurück getraut und sprach ihn betont beiläufig an. Aber Izaya spürte ihre Neugierde wie ein loderndes Feuer. „Ich werde eine Menge Spaß haben!“, rief der Informant und begann schallend zu lachen. Seine Sekretärin, die ihn argwöhnisch betrachtete, seufzte nur. Der schwarzhaarige Vampir sprang energiegeladen auf seine Beine. Er holte sich alle seine Handys an den Schreibtisch und tippte energisch verschiedene SMS und E-Mails an seine Leute. „Versuche weiterhin Oshiro zu erreichen. Wenn du ihn erreichst oder er sich selbst meldet, sag ihm, ich benötige seine Anwesenheit im Hauptquartier der Bruderschaft.“ Namies Augen weiteten sich. „Bruderschaft?“, hinterfragte Namie ungläubig. „Ich mache einen kleinen Ausflug. Das wird lustig.“ Bei den lockeren Worten ihres Chefs, der nun sogar noch hinterhältig grinste, erschien es Namie, als wäre alles wie früher. Früher, als er noch… Namie verzog das Gesicht und wischte die Bilder aus ihrem Kopf. „Wenn das so ist…war nett, deine Bekanntschaft zu machen. Keine Sorge, ich werde jemanden finden, der mir endlich ein annehmbares Gehalt auszahlt.“, giftete seine Sekretärin. Izaya lachte über Namies Art, ihre Sorge um ihn zu vermitteln. „Dann kann ich endlich wieder viel Zeit mit Seiji-san verbringen!“, schwärmte sie und sie legte sich träumerisch die Hände ans Gesicht, „Wir könnten viel öfters zusammen kochen, zusammen fernsehen, zusammen-“ „Namie.“, unterbrach Izaya unvermittelt und die Vampirin kaum aus ihrer Traumwelt zurück. Unruhig runzelte sie die Stirn, als Izaya die Höflichkeitsfloskel bei ihrem Namen wegließ. Das hieß nie etwas Gutes. Izaya wandte sich zu ihr um und starrte sie mit einem merkwürdigen Blick an. Namie schluckte. „Während meiner Abwesenheit werde ich den Clan in deine Obhut geben.“ Überrascht weiteten sich ihre Augen. „W-Wie meinst du das?“ Izaya lächelte nach sehr langer Zeit wieder. „Nun schau doch nicht so entsetzt. Ich komme schon bald wieder~“ Das schien die Sekretärin aus ihrer Starre zu holen, denn sie blickte ihn wieder missbilligend an und verschränkte die Arme. Ihre Abwehrhaltung. „Tch. Besser du bleibst, wo du gedenkst hinzugehen.“ „Hmm. Das wäre keine gute Idee.“, murmelte Izaya. Dann herrschte für einige Sekunden Stille, die nur durch Izayas Tippen auf seinem Smartphone unterbrochen wurde. „Warum plötzlich die Bruderschaft?“, fragte sie dann leise. Für einen Moment lang spielte Izaya mit dem Gedanken, diese Frage zu ignorieren, doch dann entschied der Informant in einer einzelnen Sekunde, ihr die Wahrheit zu sagen. „Weil sie Shizu-chan gefangen halten.“   Der Wind preschte nun sogar noch stärker, als in den letzten Tagen. Izaya spürte von der herannahenden Kälte des Winters nicht viel, doch wenn er sich die Menschen auf den Straßen Shibuyas ansah, dann wusste er, dass es unter zehn Grad sein musste. Der Informant schlenderte um die Ecke. Von hier aus konnte er Shikis Männer bereits sehen. Sie hatten sich unauffällig um das graue Hauptquartier platziert. Mal saß einer mit einer Zeitung auf einer Bank, mal joggte der andere immer wieder denselben Zirkel um den kleinen Park oder ein ganz witziger Mann hatte sich als Hotdog Verkäufer ausgegeben. Izayas Grinsen vertiefte sich. „Einen Hotdog bitte mit ganz viel Ketchup.“, begrüßte Izaya Shikis Mann in dem Hotdog-Wagen. Dieser blickte ihn lediglich an und nickte. Shikis Männer kannten ihn alle. Sie waren darauf getrimmt alle Feinde und auch Verbündeten zu kennen. Nach ein paar Sekunden reichte der Mann ihm eine Serviette. Darunter verbargen sich ein Kopfhörer und ein kleines Mikrofon. Izaya tat so, als würde er sich am Ohr kratzen, und setzte sich den Kopfhörer ein. Das Mikro hingegen steckte er an seine Plüschjacke. „Test. Test. Eins, zwei, drei.“, sagte Izaya, während er sich von dem Hotdog-Verkäufer wegdrehte, „Ich nehme an, ihr könnt mich hören.“ „Klar und deutlich.“, antwortete eine tiefe Männerstimme, die Izaya nicht erkannte. „Ah, ein Neuling. Wie darf ich dich nennen?“ „Kein Namensaustausch. Befehl vom Chef.“ Izaya zog eine Schnute. Dieser alte Spielverderber. „Hm, na gut. Dann nenne ich dich eben Barry. Ein Spitzname, abgeleitet von Bariton, weil deine dunkle Stimme so schwingt~“ Der Mann am anderen Ende der Leitung schien davon ungewollt geschmeichelt und hüstelte. „W-Wenn Sie unbedingt wollen. Wie lauten die Befehle?“ Izaya grinste. „Auf mein Signal warten.“ Damit schlenderte Izaya seelenruhig auf den Eingang des Hauptquartieres zu und konnte seine kampfbereite Energie kaum zügeln. Warte nur ab, Shizu-chan. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)