Red Silver von minowari (Vampire AU) ================================================================================ Kapitel 13: Hierarchy --------------------- Zuerst ist es immer wie im Rausch. Alles war vergessen. Alles fühlt sich zeitlos an. Schwerelos. Leicht. Sanft. Als ob die Welt stehen geblieben wäre. Doch nach einer Weile wurde es realer. Lebendiger. Schmerzerfüllter. Härter. Der Druck nahm zu und es fühlte sich an wie mehrere Explosionen im Kopf. Dann kamen die Geräusche, die sich dreifach so laut anhörten, wie er es gewohnt war. Und zu guter Letzt das Licht. Dieses grelle, blendende Licht, dass seine Sicht erschwerte, als er die Augen öffnete. „Was zum…“, murmelte Izaya und packte die Hand an seine Stirn. Seine Beine und Arme fühlten sich taub an. Tot. Nicht lebendig. Als hätte man sie von ihm getrennt. Es vergingen weitere zehn Minuten, als der Informant die Augen öffnen konnte, ohne gleich Gespenster zu sehen. Trotzdem waren da bislang nur unbekannte Formen zu erkennen. Was zum Teufel war passiert? In seinem Kopf herrschte noch Nebel und verhinderte den Zugang zu seinen Erinnerungen. „Willkommen zurück, Orihara-san. Entschuldigen Sie die törichte Maßnahme, die Yashima-kun ergriffen hat. Er sagte, es sei unvermeidbar gewesen.“ Eine Frauenstimme hatte gesprochen. Eine dunkle, sanfte Stimme. Eine Stimme, die Izaya sofort erkannte. Zugleich prasselten die letzten Erinnerungen auf ihn ein. Yukio Oshiro. Die Suite. Kasane Kujiragi und Saika. Und schließlich Keigo Yashima. Dieser Bastard… Izaya zischte, als er an den Vampir denken musste, der ihn mit seiner Nadel betäubt hatte. Na ganz wunderbar. Aber nun musste er sich anderen Dingen widmen. Izaya entschied erstmal der Frauenstimme zu antworten. „Watanabe-san, wie immer eine freudige Überraschung.“ Der Informant richtete sich langsam auf und stellte durch Betasten fest, dass er auf einer seltsamen Liege gelegen hatte. „Sie sind wie immer guter Dinge, Orihara-san. Deswegen hoffe ich sehr, dass Sie Yashima-kun für seine Tat vergeben können.“ Izaya begann zu lachen. „Aber natürlich Watanabe-san~“, säuselte Izaya „Bloß leider erscheinen mir seine Taten eher absichtlich, wenn Sie mich fragen. Immerhin ist es bereits das dritte Mal, dass er mich betäubt hat.“, antwortete Izaya und konnte durch ihr scharfes Luftholen beinahe sogar hören, wie Watanabe vor Scham errötete. „Ich werde ihn rechtmäßig bestrafen, seien Sie unbesorgt. Es wird das letzte Mal gewesen sein.“, sagte die Frau und nun klang ihre Stimme kühl. Ein Grinsen zierte Izayas Gesicht. So sehr er es auch schätzte, dass sie Keigo aufhalten wollte, es war nichts weiter als vergebene Liebesmüh. Watanabe hatte ihn sicherlich bereits für jedes einzelne Mal bestraft, doch in dieser Beziehung hörte er nicht auf sie. Und sie konnte ihn nicht aus dem Militär entlassen, weil er einer ihrer besten Rekruten war. Und sie brauchte dringend gute Rekruten. Ein Teufelskreis, der sich wiederholen würde. „Geben Sie sich keine Mühe. Ich schätze, ich bin aus anderen Gründen hier wach geworden, nicht wahr?“ So langsam lichtete sich das seltsame Grau vor Izayas Augen und wurde zu den wunderbaren Farben, die die Welt zu bieten hatte. Dadurch konnte er sein Gegenüber nun besser erkennen. Watanabe Yui war eine schlanke, kleine Frau, die ihre dunkelbraunen Haare zu einem Dutt geflochten hatte. Ihre große Brille rutschte ihr alle paar Minuten hinunter und sie musste sie sich immer wieder richten. Eine Sache, die sie immer noch nicht korrigieren lassen hatte. Sie trug den typischen Business-Look einer Angestellten: Eine weiße Bluse und mit einem schwarzen Rock, Blazer und Schuhe. Ihre Haltung war kerzengerade und für andere Menschen würde diese Haltung von Würde, Rang und Stolz sprechen. Doch Izaya als Vampir sah im Inneren in Wahrheit die Anspannung brodeln. In ihrer Hand hielt sie ein Dokumentenbrett, darauf vermutlich Akten, die sie mit ihm besprechen wollte. „Sie haben Recht, Orihara-san. Yashima-san und seine Männer haben mir so einiges berichtet. Wir sollten uns unterhalten. Aber nicht hier.“, gab sie zu und machte eine bestimmte Handbewegung. Dadurch setzten sich zwei Soldaten aus der Ecke in Bewegung, welche Izaya erst jetzt wahrnahm. Watanabe’s persönliche Leibwächter. Der linke Mann war groß und kräftig gebaut, sonnengebräunt, von ausländischer Abstammung, und offenkundig ein Mensch. Er roch nach Schweiß und Metall. Jemand Unbekanntes. Watanabe musste ihre Leibwächter ausgetauscht haben… Der rechte Mann dagegen war das genaue Gegenteil. Er wirkte gegen den Muskelprotz beinahe schmächtig und klein. Doch Izaya spürte die Gefahr, die von diesem Mann ausging wie spitze Nadeln. Ein Vampir. Izaya lachte innerlich. Zu komisch, dass sich Watanabe einen Vampir als Leibwächter ausgesucht hatte. Der fremde Vampir kam auf ihn zu, während der Muskelprotz Watanabe folgte wie ein Schatten. „Willkommen, Orihara-sama. Mein Name ist Kao Kawashima. Ich möchte Sie als erstes darauf hinweisen, dass wir keine Ausbrüche dulden. Es wird weder getrunken, noch gemordet. Sie möchten sich vermutlich stärken, bevor wir fortfahren.“ Izaya lachte unwillkürlich auf. Witziges Kerlchen. „Glauben Sie wirklich, dass ich so wenig Selbstbeherrschung habe, Kao-tan?“ Izaya schüttelte dramatisch den Kopf. Der andere Vampir hingegen hob bei Nennung des Spitznamens nur argwöhnisch die Augenbraue. „Es ist unhöflich, fremde Menschen direkt einen Spitznamen zu geben. Ich heiße für Sie Kawashima-kun. Und was Ihre Selbstbeherrschung angeht, sollten Sie vielleicht erstmal einen Blick in den Spiegel werfen.“, sagte Kawashima und deutete auf eine Tür im hinteren Bereich, wo sich ein Schild mit der englischen Aufschrift „Restrooms“ befand. „Ich warte hier im Foyer auf Sie. Bitte geben Sie mir anschließend Bescheid, wie Sie Ihr Mahl einnehmen wollen.“ Damit nickte der Vampir und wandte sich von ihm ab, bevor Izaya darauf antworten konnte. Izaya verengte die Augen. War es bereits so offensichtlich, dass man ihm den Hunger ansehen konnte? Gar nicht gut. Er notierte sich Kao Kawashima innerlich auf seiner potenziellen Verbündeten Liste. Dann stand der Informant auf und nahm nun bewusst seine Umgebung war, als er seine Augen anstrengte und alles innerhalb weniger Sekunden analysierte. Bei seinem letzten Besuch vor zwei Jahren schien sich wieder einiges verändert zu haben. Er befand sich in der riesigen Eingangshalle, die so protzig wirkte, als wäre sie für Hollywood Stars eingerichtet worden. Verschiedene Sitzmöglichkeiten (darunter sogar Massagesessel), große bunte Pflanzen, dessen Auswahl von Regenbogenfarn und Bambus bis hin zu Palmen reichten, detailreiche Bilder und Dekorationen jeglicher Art waren überall verstreut und zierten die große Empfangshalle. Mitten darin befand sich ein gigantischer Brunnen, dessen Fontäne beinahe die Spitze der gewölbten Decke erreichte. Und dann waren da noch die hohen Fenster, durch die das Tageslicht auf den glatt polierten Marmorboden traf und alles in einem seltsamen Glanz erstrahlen ließ. Es war durchaus scheußlich. Izaya hatte sich schon beim ersten Mal gefragt, wer der Architekt des Gebäudes war. Kopfschüttelnd wandte sich Izaya Richtung Toilette und beherzigte den Rat, sich frisch zu machen. Schließlich würde er gleich vor dem Rat sitzen. Erst als Izaya vor dem Spiegel stand und seine eigenen Augen sah, wusste er, was Kawashima mit Selbstbeherrschung gemeint hatte. Sie leuchteten. Wenn nicht sehr stark, aber sie taten es. Menschen würde es nicht wirklich auffallen. Vampiren jedoch schon. Tch. Izaya zischte. Er konnte es sich nicht leisten, vor der Regierung schwach auszusehen. Er drehte den Wasserhahn auf das Kälteste, das möglich war und klatschte sich eiskaltes Wasser ins Gesicht, auch wenn er die Kälte nicht spürte. Als er sein Gesicht abtrocknete, besah er sich selbst. Er trug immer noch seine alten Klamotten. Und zum Glück lagen seine Gegenstände wie gehabt in seinen Jackentaschen. Izaya lachte kurz auf. Zumindest eine seiner Regeln schienen sie einzuhalten… Erstaunlich. Als nächstes checkte er sein Handy. Es waren fast zwölf Stunden vergangen, seitdem er betäubt wurde. Das war kürzer, als er erwartet hatte. Damit konnte er leben. Mehrere Abrufe in Abwesenheit, acht neue E-Mails. Davon gehörten einige zu Shiki, ein paar Namie und einige seiner Klienten. Doch er hatte keine Zeit zu Antworten. Blieb nur noch abzuwarten ob Oshiro seine Schwester gefunden und sie zurück nach Yūbari geflüchtet waren…  Doch sein Akku war schwach und um ihn zu schonen, schaltete Izaya sein Handy aus. Als der Informant hinaus trat, wartete Kawashima bereits einige Schritte entfernt. „Haben Sie sich entschieden?“, fragte er sogleich. Izaya lächelte ihn gefakt an. „Vielen Dank, dass Sie so sehr an mich denken, Kao-tan. Aber nein, ich benötige kein Mahl.“ Der andere Vampir seufzte tief. „Bitte nennen Sie mich nicht Kao-tan.“, erwiderte er mit leicht gereiztem Unterton, „Und sind Sie sicher, dass Sie sich nicht nähren wollen? Wir können Ihnen einen Menschen Ihrer Wahl beordern lassen, falls sie wollen. Oder bevorzugen Sie lieber-“ „Hören Sie etwa nicht gut?“, fragte Izaya gespielt theatralisch und legte fragend einen Finger an den Mund. „Oder habe ich mich missverständlich ausgedrückt?“ Bei seinem letzten Satz, mischte sich ein kalter Ton in seine Stimme. Kawashimas Augen weiteten sich kaum merklich. „Nein, Orihara-sama.“, antwortete er, wie bei einem Frage-Antwort-Spiel. Doch Izaya sah seinen nachdenklichen Blick. Er fand es ungewöhnlich. Sollte er ruhig. Aber es war besser, als wenn er ein Mahl einnahm und seine Augen immer noch rot leuchten würden. Das schöpfte nur noch mehr Verdacht. Außerdem kannten die anderen Ratsmitglieder seine Vorgehensweise bei Opfern. Izaya würde nicht einfach so jemanden beißen. Das wussten sie alle. Ein klarer Vorteil, der seine derzeitige Situation mit Shizu-chan vertuschen würde. „Wie Sie wünschen.“, sagte Kawashima schließlich und ging voraus. „Folgen Sie mir. Der Rat wartet bereits auf Sie.“ Izaya begann zu grinsen. Der nächste Raum, den sie betraten war kleiner, doch genauso luxuriös eingerichtet wie die Eingangshalle. Der Unterschied war ein langer glatt polierter Tisch, der für Konferenzen gedacht war. Daran saßen bereits einige der Abgeordneten der Regierung. Einige sahen auf, als er eintrat, andere wiederum, schienen dies nicht einmal für nötig zu halten. Watanabe saß am anderen Ende des Tisches und behielt somit den Überblick über das gesamte Geschehen. Sie hatte beide Hände nachdenklich vorm Gesicht verschränkt. „Setzen Sie sich Orihara-san. Wir haben einige Sachen zu besprechen.“ „Oh wie reizend!“, rief Izaya mit trällernder Stimme, „Eine außerordentliche Versammlung nur meinetwegen. Ich fühle mich wahrlich geschmeichelt.“ Er verbeugte sich spielerisch und konnte bereits genervtes Grummeln im Saal hören. Kawashima leitete ihn wortlos an seinen Platz und postierte sich hinter seinem Stuhl wie eine Wache. Also war der Fluchtweg schon mal gesperrt. Klasse. „Was wird denn gefeiert? Bekomme ich eine Auszeichnung? Darauf habe ich ja schon seit Jahren gewartet! Und zusätzlich bekomme ich eine Medaille nicht wahr? Nein Moment! Einen Pokal. Einen goldenen Pokal!“ Izaya lachte gefakt und grinste in sich hinein. „Unsere Zeit ist begrenzt, Orihara. Wir haben keine Zeit für Ihre unnötigen Floskeln.“, kam eine dunkle, rauchige Stimme und Izaya konnte es dem Ratsleiter der Vampire in Japan zuordnen. Yamamoto Yuuto. Er war bereits sehr alt für einen Vampir, vermutlich sogar älter als Shiki. Er hatte kurze schwarze Haare und immer einen ungepflegten Drei-Tage-Bart, der einen Tag zu viel gesehen hatte. Yamamoto hielt in seiner Hand ein Weinglas. Doch dessen rötlicher Inhalt war kein Wein. Manche Vampire empfanden es als kultiviert Blut aus Konserven zu trinken, statt frisch vom Menschen. Es sättigte miserabel bis gar nicht und war eigentlich nur als Snack anzusehen. Für Izaya ein definitives No-Go. Yamamoto ließ nicht immer mit sich reden, doch Watanabes Meinung war ihm wichtig und er respektierte sie. Also sollte Izaya in Schwierigkeiten geraten, musste er nur Watanabe-san überzeugen. „Und meine erst, Yamamoto-kun! Sie haben mir sogar gleich zwölf Stunden geklaut. Also wenn das nicht dreist ist…“, erwiderte Izaya als Antwort und schüttelte spielerisch den Kopf. Daraufhin klickte der alte Vampir mit der Zunge. „Yamamoto-san hat Recht.“, ertönte eine andere, ruhige Stimme und Izayas Blick flog zur gegenübersitzenden Person. „Wir werden mit Ihnen einige Themen durchgehen und ihnen dazu Fragen stellen, die Sie wahrheitsgemäß beantworten müssen.“ Der Ratsleiter der Menschen. Takahashi Kouki. Ein Bürokrat durch und durch. Ordentlich gekämmte schwarze Haare, Anzug und Krawatte. Ein scharfer Blick, niemals ein Lächeln. Seine Aura strahlte Autorität aus und Izaya bewunderte es, wie er so ruhig neben einem der ältesten Vampire Japans sitzen blieb. Doch sein hämmerndes Herz verriet ihn. Izaya grinste ihn an. Entweder war Takahashi nervös wegen seinem vampirlichen Nachbarn, oder aber er war wegen der Situation mit Izaya beunruhigt. Beides amüsierte den Informanten. Die restlichen Gesichter des Rates waren nicht einmal eine Würdigung wert. Sie waren alle Sesselfurzer, die sich durch Vitamin B, Geld und fiesen Tricks nach oben gearbeitet haben. „Dann schießen Sie mal los. Ich bin gespannt, Takahashi-san.“, sagte Izaya und legte Wert auf einen neugierigen Ton. Der Ratsleiter blickte ihn unverwandt an. „Als erstes müssen wir über Ihren Clan sprechen.“ „Meinen Clan?“, lachte Izaya. „Hat Yagiri-san wieder ihre Klauen ausgefahren?“ Sein Clan war alles andere, aber kein richtiger Clan. Und gerade deshalb uninteressant für die Regierung. Zumindest war dies Watanabe's Aussage von vor zwei Jahren. „Nein. Yagiri-san verhält sich unauffällig.“, beantwortete Yamamoto mit rauchiger Stimme, bevor er noch einen Schluck Blut zu sich nahm. „Es geht um den Neuzugang.“ Izaya verengte die Augen. Mikado-kun? „Laut unseren Unterlagen ist er in mehrere Fälle verwickelt, die mit Mord in Verbindung stehen.“ Izayas Augen weiteten sich kaum merklich. „Kann ich diese Unterlagen einsehen?“ „Ich fürchte nicht, Orihara-san.“, sagte Watanabe-san. Izaya grinste und lehnte sich zurück. „Abweisend wie immer. Sie trauen mir wohl immer noch nicht.“ „Verdenken Sie es mir?“, konterte sie selbstbewusst. „Natürlich nicht.“, sagte Izaya, als er sie mit seinen dunkel leuchtenden Augen anstierte. „Aber verraten Sie mir eines: Welche Beweise habt ihr, dass Ryūgamine-kun involviert ist?“ Izaya konnte sich nicht vorstellen, dass sich der Schüler nach seinem letzten Fauxpas mit Anri Sonohara überhaupt noch traute, einen Regelverstoß zu begehen. „Schauen Sie sich dieses Video an.“, sagte Takahashi und zog eine kleine Fernbedienung aus seinem Anzug. Dann drückte er den Kopf und zeigte auf die Leinwand, die hinter Watanabe-san hing und mit seiner gigantischen Größe beinahe den gesamten Raum einnahm. Das Video war zu Beginn sehr dunkel und präsentierte eine ranzige Gasse aus der Vogelperspektive. Einige Neonlichter leuchteten schwach im Hintergrund. Eine Überwachungskamera. Izaya konnte nicht sagen, wo genau dieser Ort war. Dafür war der Bereich zu sehr eingeschränkt. Nach einigen Sekunden sah man, wie Mikado mit einem Mädchen seines Alters um die Ecke kam. Beide trugen ihre Schuluniform. Zuerst unterhielten sie sich angeregt und es schien nichts zu passieren. Gelangweilt stützte Izaya seinen Kopf in seiner rechten Handfläche ab. „Passiert auch irgendwann etwas, das meine Aufmerksamkeit verdient?“, fragte Izaya provokant, was bei einigen Ratsmitgliedern ein Zischen auslöste. Watanabe jedoch war keineswegs beleidigt oder genervt. „Ein wenig Geduld.“, bat sie. Und tatsächlich, nach einer Minute lehnte sich Mikado-kun näher an das Mädchen heran. Izaya setzte sich aufrecht hin. Würde er sie nun endlich beißen und dabei ermorden? War es das, warum sie so einen Aufstand machten? Doch zu seiner Überraschung küsste Mikado das Mädchen. Izaya begann schallend zu lachen. „Haha! Ich würde sagen, das ist ein aussagekräftiger Beweis, Yamamoto-kun. Ein Liebesbeweis!“ Der alte Vampir stellte klirrend sein Glas auf den Tisch. Izaya liebte es, den alten Kauz zur Weißglut zu bringen. „Takahashi! Spul endlich vor!“, knurrte er den Ratsleiter der Menschen an, als wäre er sein Untergebener. Genannter zuckte tatsächlich zusammen, bevor er hastig auf die richtige Taste drückte. Die Bilder spulten schneller voran und es dauerte nur fünfzehn Sekunden, als Takahashi hektisch auf Play drückte und die Schnelligkeit wieder normal war. Plötzlich sah man, wie Mikado den Kopf des Mädchens wild zur Seite drückte und ihr in den Nacken biss. Das Video gab keinen Ton wieder, doch Izaya meinte den Schrei des Mädchens dennoch hören zu können. Sie hatte den Mund weit geöffnet und zitterte, während ihre braunen Augen zurückrollten. Immer noch nicht sicher darüber, was die Regierung so interessant an einem trinkenden Vampir fand, sah Izaya genauer hin. Doch dann machte es plötzlich Klick. Er trank nicht nur. Nein. Er verwandelte sie. Für einen Moment war Izaya sprachlos. Dann kam das Grinsen zurück und er fuhr sich mit der Hand über den Mund. Dieser Junge… Izaya wusste, etwas war besonders an ihm. Er enttäuschte ihn nicht. Er war wahrlich eine Überraschung! „Wie Sie sehen, hat er dieses unschuldige Mädchen verwandelt. In der Öffentlichkeitssprache: ermordet. Etwas, dass nicht erlaubt ist, wenn derjenige bereits einem Clan unterstellt ist.“, erklärte Takahashi-san, „Es sei denn, sein Clanleiter hat es ihm erlaubt. Was auch nur möglich ist, wenn die Clanleiter unsere Einwilligung haben.“ Das Video wurde pausiert. „Also, Orihara-san…haben Sie es ihm erlaubt?“ Wegen so etwas Banalem machte sie so ein Aufsehen? Es passierte schon mal hin und wieder das Vampire ohne eine Erlaubnis Menschen verwandelten. Meistens taten sie es, um mit ihren Liebsten auf ewig zusammen zu sein. Andere Gründe hatten mit Rache und Hass zu tun. Wie merkwürdig Vampire sein konnten. So sehr sie sich von einem Menschen unterschieden…die Gefühle blieben gleich. Izaya konnte Mikados Regelverstoß akzeptieren, auch wenn ihn dies diese unangenehme Situation beschert hatte. Vielleicht sollte er nächstes Mal noch deutlicher werden… „Ich habe es ihm nicht erlaubt.“, antwortete Izaya wahrheitsgemäß mit einem Grinsen, woraufhin Gemurmel unter den Anwesenden zu hören war. Watanabe starrte unterdessen nachdenklich auf ihre Unterlagen. „Aber seid unbesorgt. Ich werde ihn zur Rechenschaft ziehen.“, erklärte Izaya und hoffte, schnell zum nächsten Thema übergehen zu können. Denn so langsam langweilte ihn die Situation. „Wenn es nur bei diesem einem Mal geblieben wäre, hätten wir uns sicher drauf einigen können.“, sagte Watanabe und hob nun ihren Blick und starrte ihm direkt in die dunklen Augen. „War Mikado-kun etwa unartig und hat sich gleich zwei Mädels geschnappt? Ach kommt schon! Ihr wart auch mal in diesem Alter. Ihr müsst ihm verzeihen. Er ist immerhin noch ein Schüler und gegenüber des weiblichen Geschlechts sicherlich neugierig. Wie kann ich ihm das verübeln?“, lachte Izaya. „Er hat auch zwei Jungen verwandelt.“, konterte Yamamoto. Aus irgendeinem Grund brachte das Izaya erst zum Stocken und dann zum Lachen. „Von mir aus kann er auch mit Jungen verkehren. Seine Sexualität geht uns nichts an.“, sagte der Informant, dabei versuchte er das Thema zu verharmlosen. Schließlich war es nun überdeutlich, was Mikado da versuchte, wenn er nicht nur dieses eine Mädchen verwandelt hatte… Er baute sich seinen eigenen Clan auf. Etwas, das nicht erlaubt war, solange man selbst unterstellt war. Mikado-kun! Mikado-kun…wahrlich ein Spaß. Wie hatte er dies vor ihm verheimlichen können? War er so sehr mit Shizu-chan beschäftigt gewesen, dass er nicht mal bemerkt hatte, was sein neuster Schützling hinter seinem Rücken trieb? Da hatte er sich aber ein schlaues Kerlchen ins Team geholt… Izayas Grinsen vertiefte sich zum Missfallen aller. Vor allem Yamamoto musste ein Knurren unterdrücken, als er spürte, dass dieses Thema den Informanten amüsierte, statt ihn nervös zu machen. „Orihara-san. Sie wissen, was dies bedeutet.“, sagte der alte Vampir. „Oh natürlich weiß ich das~“, flötete Izaya betont gut gelaunt. „Entweder Sie vernichten alle verwandelten Vampire und bestrafen Ryūgamine Mikado für sein Vergehen, oder wir werden es tun, indem wir ihn und seine Vampir Armee beseitigen.“, brachte Watanabe auf den Punkt und verzog keine Miene. „Aber aber! Keine Sorge. Ich werde mich schnellstmöglich darum kümmern.“, beruhigte Izaya und bewegte beide Hände hoch und runter, „Ihr wisst ja, dass ich Regelverstöße nicht leiden kann~“ Die letzten Worte waren zuckersüß. So süß, dass plötzlich Yamamoto das Weinglas zersprang. Niemand sagte etwas, nur Yamamotos Hand, die voller kleiner Glassplitter war, knirschte auf dem Tisch. Ein Bediensteter kam sofort heran geeilt und stellt ein neues Glas Blut auf den Tisch. Als der Mann die Scherben wegmachen wollte, scheuchte Yamamoto ihn mit einem wilden Handwink davon. „Ihr Sarkasmus ist unnötig.“, sagte Watanabe, als wäre es Gesetz, „Yamamoto-san. Ich beauftrage Sie damit, sich dieser Angelegenheit anzunehmen und der Prüfung zu unterziehen. Beobachten Sie das Verhalten der verwandelten Vampire, einschließlich Ryūgamine Mikado.“ Natürlich beauftragte sie Yamamoto. Er würde jede Kleinigkeit ausnutzen, um sie Izaya an den Hals zu hängen. Wantanabe wandte sich wieder an den Informanten. „Sollten Sie nicht innerhalb von zwei Wochen das Problem geregelt haben, werden wir die vorhin besprochene Maßnahme ergreifen und die Vampire vernichten.“ Die Frau pausierte kurz und rückte ihre Brille zurecht. „In dem Zusammenhang würde eine Ihrer Bedingungen entfallen. Welche das sein wird, werden wir in der nächsten Sitzung besprechen.“ Izaya lachte innerlich. Sie wollten tatsächlich eine seiner Bedingungen entfallen lassen? Dass er nicht lachte. „Versuchen Sie es ruhig. Wenn es Ihnen Spaß macht zu verlieren, natürlich.“, erwiderte Izaya unschuldig lächelnd. Doch niemand sagte etwas. „Gehen wir zum nächsten Anliegen über.“, schnitt Watanabe in die unangenehme Stille hinein, in der es keiner wagte, Izaya Orihara Kontra zu bieten. Watanabe nahm ihr Dokumentenbrett in die Hand und blickte zu Takahashi. „Wir müssen uns über ihr letztes Opfer unterhalten.“, erwiderte er. Izaya stockte. Für einen Moment musste er sich innerlich sammeln. Warum war nun Shizu-chan involviert? Das hatte Izaya als allerletztes erwartet. Izaya verengte die Augen. Sie konnten nichts wissen. Unmöglich. „Sie haben Shizuo Heiwajima in einer Gasse blutend liegen lassen ohne Ihre Spuren zu verwischen. Eine Unachtsamkeit, die wir Ihnen nicht zugetraut haben.“, sagte Watanabe mit einem traurigen Unterton, der irgendwie Enttäuschung ausdrückte. Sie blickte ihn scharf über ihren Brillenrand an, genauso wie Yamamoto. Der irgendwie zwischen Entrüstung und Verwirrung hin und her wechselte. Izaya lachte. „Habe ich das?“, säuselte Izaya und grinste amüsiert in die Runde. „Ich kann mich nicht daran erinnern.“ Takahashi schien inzwischen mehr als verärgert, das konnte der Informant aus den Augenwinkeln sehen und sogar spüren. Er sollte das Ganze auf die lächerliche Tour versuchen und das Thema anders angehen. „Bitte lassen Sie die Spielereien, Orihara-san.“, forderte Watanabe, „Je eher Sie unsere Fragen beantworten, desto schneller können wir alle wieder unseren eigenen Verpflichtungen hinterher kommen.“ Oh ja. Weil die Regierung auch so viel zu tun hatte. Izaya konnte sich dieses Mal ein Kichern nicht verkneifen. Yamamoto lehnte sich knurrend in Izayas Richtung. „Ja, lachen Sie ruhig! Ihnen wird das Lachen bald vergehen…“, drohte der alte Vampir. Das brachte Yamamoto einen warnenden Blick von Watanabe ein, die es sogar schaffte den Ratsleiter mit ihrem scharfen Blick zum Schweigen zu bringen. Zwei Sekunden vergingen, in denen keiner was sagte, dann lehnte sich der Vampir zischend zurück. „Hören Sie, Orihara-san. Sie haben gewisse Privilegien und genießen dadurch einen besonderen Schutz von uns. Und der gilt nur, wenn Sie sich an die Regeln halten.“, erwiderte Takahashi und beinahe hätte Izaya laut gelacht. „Sie wissen genau, dass Sie Fragen zu Ihrem Mahl beantworten müssen. Sie können immer noch Ihre und die Existenz aller Vampire gefährden. Vor allem wenn Sie ein Opfer zurücklassen, dass noch genau weiß, was ihm zugestoßen ist.“ Gewisse Privilegien… Dass Izaya nicht lachte. Hätte er nicht gerade die halbe Welt auf seinen Fersen, würde er auch ganz sicher nicht hier sitzen und über seine Privilegien sprechen. Er musste sich mit Shiki treffen, schauen ob Oshiro entkommen war und wissen wo zum Teufel Kasane Kujiragi als Nächstes ihr Unwesen trieb. Die Regierung schien zum Glück in Shizuo Heiwajima nur ein zufälliges Opfer zu sehen, dass er beinahe hatte sterben lassen. Und sahen nicht die Verbindung die zwischen ihnen bestand. „Also, Orihara-san…“ Watanabe sah ihn wieder an, „Beantworten Sie uns die Frage: Haben Sie Heiwajima Shizuo gebissen und ihn blutend zurückgelassen?“ „Sie kennen meine Herangehensweise. Denken Sie wirklich ich würde mein Opfer in irgendeiner primitiven Gasse beißen?" "Beantworten Sie uns lediglich die Frage. Ja oder nein.", erwiderte Takahashi. Izaya sprach weiter, als hätte er ihn nicht gehört. "Wie kommen Sie eigentlich darauf, dass ich ihn blutend zurück gelassen habe?“ "Orihara-san.", warnte Watanabe. Izaya seufzte. "Nein, natürlich nicht.", antwortete er und erntete misstrauische Blicke. Daraufhin wurde es still im Raum. Wie Izaya erwartet hatte. Dann erhob sich unerwartet einer der Sesselfurzer. Es war der jüngste Vampir aus dem Rat. „Wir alle wissen, wie Izaya Orihara sein Mahl nimmt. Er hält sich immer in Restaurants, Hotels, Bars oder manchmal auch Kasinos auf, um sich sein Opfer auszusuchen. Dabei verlässt er diesen bestimmten Ort nicht, denn er verkehrt beinahe den gesamten Abend mit seinem Opfer.“, erklärte der Vampir und Izayas Grinsen vertiefte sich, denn er hatte mit keiner Aussage gerechnet, die zu seinem Vorteil war. Yamamotos grimmiger Gesichtsausdruck amüsierte Izaya so sehr, dass er sein Lachen gerade so zurückhalten konnte. „Ich kann mir also ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass Izaya Orihara sich auf dieses Niveau herab lässt und jemanden in einer…Gosse beißt.“ Er würde diesem Vampir einen Pokal schenken. Oh ja. Einen goldenen! Izaya konnte nun sein Kichern nicht mehr zurückhalten. Yamamoto knurrte. „Ach ja! Stimmt. Sein Niveau ist so hoch, dass er über uns alle steht und sich niemals zu den Vampiren herablassen würde, die jemanden in einer Gosse beißen.“, knurrte der Ratsleiter wütend. Izaya zuckte grinsend mit den Schultern. Sollten sie dies ruhig denken. Besser, als wenn sie seinem Geheimnis auf die Spur kamen... „Er ist genauso ein Vampir wie jeder andere. Natürlich kann und wird er jemanden in einer Gosse gebissen haben.“, unterstütze Takahashi den Vampir. „Solche Instinkte kann man nicht ausschalten. Egal wie zivilisiert man sich verhalten mag.“ Izaya lachte. Wenn das so weiter ging, konnte er seine abendlichen Termine auch absagen… Watanabe schien ähnlich zu denken, denn sie fuhr eilig fort. „Fakt ist, dass Shizuo Heiwajima seit dem Tag verschwunden ist, an dem er zuletzt mit ihnen gesehen wurde.“, sprach Watanabe und schob sich ihre große Brille höher ins Gesicht. „Zudem wurden Blutspuren in jener Gasse gefunden, welche eindeutig dem Opfer zugewiesen werden konnten. Was an dem Abend geschah, können Sie uns mit Sicherheit erläutern und jeglichen Verdacht von sich schieben.“ Sie sagte es, als ob sie ihn ärgern wollte. Izaya grinste sie provokant an. Alle Personen des insgesamt achtzehn köpfigen Rates drehten sich zu ihm um. Selbst die Sesselfurzer, da auch sie die gebannte Atmosphäre spürten, die sich in dem Raum ausbreitete wie eine Seuche. Sie forderten ihn also tatsächlich heraus? „Haben Sie etwa nichts auf Kamera aufgenommen, um es zu präsentieren? Damit ihr eure Anschuldigung gegen mich beweisen könnt?“, schleuderte Izaya zurück und gestikulierte mit seinen Händen in die Runde und schließlich auf den riesigen Bildschirm. Gemurmel trat wieder ein. Takahashi wechselte einen kurzen Blick mit Watanabe, doch Izaya und Yamamoto hatten es gesehen. Niemand entging den Augen eines Vampirs. Es gab Beweise. Sie zeigten sie bloß nicht, weil die Bruderschaft involviert war. Schließlich waren die Rekruten dabei gewesen ihn umzubringen, als er Shizuo gebissen hatte. Etwas, dass eigentlich nicht stattfinden dürfte. Weil sie es vertraglich vereinbart hatten. Damit würde sich die Regierung ins eigene Knie schießen. Izaya lachte laut auf. „Scheint so als gäbe es keine Beweise. Das ist eine harte Anschuldigung, meine Herrschaften~“, säuselte Izaya und grinste diabolisch. Selbst schuld, wenn ihr versucht den besten Informanten Tokyos zu bekämpfen. Takahashi kniff wütend die Finger ins Papier. Izaya setzte ein betont unschuldiges Gesicht auf und lächelte in die Runde. „Wir haben Augenzeugen.“, erwiderte Watanabe, als würde dies alles beweisen. Eine notdürftige Aussage, die vermutlich nicht einmal der Wahrheit entsprach. „Deshalb glauben Sie also, ich hätte ihn blutend zurück gelassen? Wegen ein paar Augenzeugen?“, fragte Izaya ungläubig und schüttelte gespielt den Kopf, „Ich dachte, wir hätten uns schon letztes Mal darauf geeinigt, dass eure… Zeugenaussagen unglaubwürdig sind.“, konterte Izaya und erinnerte damit an das letzte Mal, als die Regierung ihm ein Verbrechen anhängen wollte, in dem er nicht einmal involviert war. Keine gute Idee, sich mit einem Informationshändler anzulegen. Watanabe blieb daraufhin still, weil sie wusste, dass Izaya ihr momentan jedes Wort im Munde umdrehen würde. Sein Grinsen vertiefte sich. Ja…so langsam kam er in Fahrt! Yamamoto stöhnte plötzlich auf. „Wir wissen, dass Sie es getan haben. Also hören Sie auf es zu leugnen!“ Der alte Vampir wurde langsam grantig. Er wollte Izaya um jeden Preis etwas anhängen, sodass es ihm sogar egal war, dass Watanabe das Beweismaterial in Form eines Videos vorenthielt. Er schien Watanabe auch so zu glauben. Ein starrsinniger Vampir, der leider seinen Verstand nicht einsetzte. „Sie sind wirklich hartnäckig…“, seufzte Izaya gespielt und schüttelte den Kopf. „Haben Sie nicht wichtigere Dinge zu erledigen? Zum Beispiel Aktenordner sortieren?“ Der gesamte Saal füllte sich mit empörten Ausrufen. Izaya kicherte. Yamamoto knurrte gefährlich, doch Watanabe hob lediglich die Hand. Das Stimmengewirr verstummte augenblicklich und alle sahen zu ihr herüber. Die junge Frau musterte ihn mehrere Sekunden lang. Izaya erwiderte den Blick. Sie bemerkte, dass ihm das Thema langsam unangenehm wurde. Sie wusste, dass etwas im Busch war. Sie würde versuchen sein Geheimnis herauszufinden. Doch das würde nie passieren. „Shizuo Heiwajima ist vor knapp einer Woche verschwunden. Und er wurde zuletzt mit ihnen gesehen. Vor der Bar Magic Moments.“, erklärte Watanabe, „Und einer der Augenzeugen-“ „Ich werde diese Augenzeugen nicht akzeptieren.“, schnitt Izaya dazwischen; seine Stimme eisig. Der gesamte Raum war totenstill; die Atmosphäre angespannt. Alle Vampire waren auf Alarmbereitschaft, während die Menschen des Rates es kaum wagten zu atmen. Schließlich war es Takahashi, der es mit seinem hämmernden Herzen wagte, wieder zu sprechen. „D-Dann sagen Sie uns wo er ist. Beweisen Sie uns, dass er am Leben ist, und dass er nicht von Ihnen gebissen wurde.“ „Na endlich mal eine Frage, die ich einigermaßen beantworten kann! Obwohl…eigentlich müsste ich dafür Geld verlangen. Schließlich bin ich Informant~“ Yamamotos Gesichtsausdruck verdunkelte sich und er umklammerte mit seinen Fingern den Mahagoni Tisch. Dieser knackte und es bildeten sich ein paar Risse. Er hätte sich doch lieber sein neues Glas Blut nehmen sollen, statt den edlen Tisch zu schädigen. „Treiben Sie es heute nicht auf die Spitze!“, rief der alte Vampir und hob seine Stimme an. „Sie-“ Watanabe brachte ihn mit einer Handbewegung zur Ruhe. Ihr Gesichtsausdruck wirkte überhaupt nicht genervt über Izayas ständiges Ausweichmanöver. Stattdessen sprach sie ganz ruhig. „Beantworten Sie die Frage. Eher werden wir Sie nicht gehen lassen.“ Izaya bewunderte ihren Mut und ihre Stärke. Sie schaffte es selbst in den brenzligsten Situationen ruhig zu bleiben. „Na schön. Ich will mal nicht so sein, und gebe euch die Information gratis.“, versprach der Informant und erntete von einigen Mitglieder offensichtliches Missfallen in Form von Augenverdrehen und genervtem Zischen. „Shizuo Heiwajima ist nicht verschwunden.“, begann der Informant verheißungsvoll und hob den Zeigefinger. Izaya wartete einige Sekunden, bevor er laut verkündete: „Die Bruderschaft hat ihn aufgenommen.“ Takahashi hob eine Augenbraue, während Yamamoto sich beinahe an seinem neuen Glas Blut verschluckte. „Die Bruderschaft? Erläutern Sie das, Orihara-san.“, forderte Watanabe. Izaya entschied sich für die halbe Wahrheit. „Sie hatten Recht. Shizuo Heiwajima wurde tatsächlich von einem Vampir gebissen.“, begann Izaya und sah aus den Augenwinkeln, wie Yamamoto erst überrascht aus der Wäsche glotzte, sich später aber sein Gesicht in eine Maske voller Triumph wandelte. „Von wem?“, fragte Watanabe. „Den Namen darf ich aus Schutz meines Klienten gegenüber nicht nennen.“ Yamamoto schnaubte überdeutlich genervt. „Selbstverständlich! Der Vampir ist Ihr Klient…“ „Die Bruderschaft hat Shizuo Heiwajima unter seine Fittiche genommen und ihn sogar aufgepäppelt.“, fuhr Izaya fort, als hätte er Yamamoto gar nicht gehört. Dann zeigte er mit einem Schulterzucken Richtung Watanabe. „Aber das brauche ich Ihnen gar nicht alles zu erzählen, denn das wissen Sie ja schon längst, nicht wahr, Watanabe-san?“ Die kleine Frau schnappte kaum hörbar nach Luft. Der gesamte Raum wurde still. Keine Menschenseele wagte es zu atmen. Dann setzte plötzlich lautstark Gemurmel ein. Izaya grinste amüsiert. Dass Watanabe Yui im stetigen Kontakt mit der Bruderschaft, genauer gesagt mit Muroko Akaguchi stand, war ein wohlgehütetes Geheimnis. Wenn es Izaya thematisch unangenehm wurde, konnte er damit gut Druck ausüben. Es kam bei den Vampiren im Rat keinesfalls gut an, dass Watanabe im Kontakt mit der Bruderschaft stand. Momentan wurde diese Gesellschaft geradeso toleriert, genau wie das Morden von Menschen durch Vampire geduldet wurde. Es war ein Geben und Nehmen. Die Regierung durfte auf keinen Fall Izayas Ernährungsproblem bezüglich Shizuo Heiwajima herausfinden. Auf gar keinen Fall. „Was meint er damit, Watanabe-san?“, hinterfragte Yamamoto dunkel. Izaya lachte innerlich. Misstrauisch wie immer, der Alte. Nun war Izaya gespannt, was die Ratsleiterin erwähnen würde, um aus ihrem Schlamassel wieder hinauszukommen. Die zierliche Frau schien sich zu sammeln, bevor sie dem alten Vampir antwortete. „Orihara-san meint damit, dass er es mir bereits erläutert hat, als wir das letzte Mal telefonierten.“, begann die Frau ihre Lüge und Izayas Grinsen vertiefte sich, „Aber ich habe ihm nicht geglaubt. Ich nahm an, dass er Shizuo Heiwajima‘s Leiche verschwinden ließ, um sein Verbrechen zu vertuschen. Dann jedoch wurde Heiwajima einige Tage später in einer U-Bahn gesichtet.“ „Shizuo Heiwajima wurde gesichtet?“, rief Yamamoto erstaunt, „Warum haben Sie dies nicht erwähnt?“ „Weil diese Information nicht zu hundert Prozent sicher war.“ Eine perfekte Lüge, die man ihr selbst als Vampir nicht ansehen konnte. Kein unregelmäßiger Herzschlag wie es bei Takahashi war, keine nervösen Zuckungen, kein flacher Atem. Sie war eine Meisterin des Lügens, genau wie er selbst. „So wie ihre Augenzeugen, nicht wahr, Watanabe-san?“, stichelte Izaya absichtlich. Sie kniff verärgert ihre Augen zusammen, doch jemand anderes ergriff für sie das Wort. „Halten Sie sich zurück!“, rief Takahashi wütend. „Sind sind hier nicht in der Position um-“ „Schon gut.“, unterbrach Watanabe scharf und Takahashi verstummte beschämt, „Wir haben nicht viel Zeit, also lassen Sie uns zum nächsten Anliegen übergehen. Yamamoto sagte nichts, doch sein dunkler Blick war verwirrt. Er starrte erst Watanabe und dann Izaya misstrauisch an. Der Versuch, dem Informanten ein Verbrechen zu unterstellen, war fehlgeschlagen. Und auch der Versuch, herauszufinden, warum er in einer Gosse ausgerechnet Shizuo Heiwajima gebissen hatte und ihn sogar blutend zurückließ. Watanabe wusste davon. Sie und vermutlich Takahashi. Er musste auf jeden Fall das Beweismaterial ausfindig machen und löschen. Izaya grinste diabolisch. Sein letzter Hackerangriff war lange her. Das würde interessant werden… „In Ordnung. Fürs Protokoll notieren wir uns einen unbekannten Vampir, der Shizuo Heiwajima gebissen hat.“, sagte Watanabe und Takahashi schrieb daraufhin grummelnd auf seinem Papier. Die Tatsache, dass es angebliche Zeugenaussagen gab, wurde ignoriert und auch von niemanden mehr in den Raum geworfen. Ein Zeichen, dass ihm sagte, dass auch diese Aussagen keine echten waren. „Nun gut.“, sagte die Ratsleiterin schließlich, nahm weitere Zettel in die Hand und sortierte sie, „Gehen wir zum nächsten Anliegen über.“ Izaya grinste. Eins zu Null. Sie nickte Takahashi zu, der sich zwingen musste, nicht laut zu protestieren, denn Izaya sah, wie es innerlich in ihm vor Ungerechtigkeit brodelte. Vor Izaya und den anderen Ratsmitgliedern jedoch wollte er seine Haltung wahren. Etwas, dass für ihn vermutlich die größte Herausforderung des Tages war. „Zum nächsten Anliegen? Ich hoffe, es wird der letzte Punkt auf der Agenda sein. Dank ihrem Betäubungswahnsinn habe ich bereits einige Treffen mit Klienten verpasst.“, meckerte der Informant gespielt und schüttelte theatralisch den Kopf. Einer der Sesselfurzer seufzte genervt. „Sie sollten sich hier nicht so aufspielen, Orihara-san…“ „Ach, und warum nicht? Wollen Sie mir das fehlende Geld nachzahlen, das ich nur dank Ihnen verloren habe? Ich glaube, das wäre nur gerecht.“ Der korpulente Mann, den Izaya als bekannten Unternehmer im Gedächtnis hatte, knirschte mit den Zähnen. „Ich bitte um Ruhe.“, sagte Watanabe mit kräftiger Stimme. „Takahashi-san. Wenn ich bitten darf.“ Genannter räusperte sich. „Bislang haben wir es toleriert, wenn Sie Kämpfe mit anderen Clans auf brutale Weise austragen mussten. Jedoch würden wir es begrüßen, wenn Sie ihre Kleinkriege mit anderen rivalisierenden Clans komplett einstellen. Besonders ihre Rivalität gegenüber Kasane Kujiragi.“ Erneut brachten sie ihn dazu, innezuhalten. Kasane Kujiragi? Woher wusste die Regierung von ihr? Von dem Krieg zwischen ihnen? Außerdem war es normal, dass sich einige Clane untereinander rivalisieren und bekriegen. Wie kamen sie bitte auf die lächerliche Idee, ihm – Izaya Orihara – so etwas zu verbieten? Bislang haben sie nie etwas dagegen gehabt. Izaya hob verwundert eine Augenbraue. „Ihr werdet auch immer pingeliger, kann das sein?“ Izaya schüttelte den Kopf. „Es wird immer Kriege und Kämpfe zwischen Clans geben. Vor allem in Tokyo. Ich wüsste nicht was es euch bringt, mir so einen Unsinn zu befehligen.“ Ein paar Sekunden lag blickte Izaya ungläubig in die Runde, doch dann wurde Izayas Stimme dunkler und seine Aura eisig. „Oder soll ich darunter etwa verstehen, dass ich mich nicht mehr verteidigen darf?“ Die Atmosphäre in dem Raum begann zu knistern. Yamamoto verharrte bewegungslos in seiner Position, bereit für einen Angriff. Watanabe schluckte nur kurz, während Takahashis Herz beinahe aus seiner Brust zu springen schien. Izayas Energie pulsierte und das merkte jeder Vampir in diesem Raum. Wenn sie ihn weiter verärgerten, dann wusste er nicht, ob er Kawashimas Regeln wirklich einhalten konnte. Die Versuchung war groß, jetzt, genau jetzt ein Blutbad anzurichten. Das letzte Mal war viel zu lange her… Izaya lachte laut und erhob sich. Kawashima blickte ihn mit geweiteten Augen an, doch hielt ihn nicht auf. „Was schaut ihr denn so entsetzt? Ihr wisst genau, dass ich nicht gerne nach eurer Pfeife tanze. Also erzählen Sie mir nun endlich, was das Ganze für einen Sinn und Zweck hat. Takahashi-san, wenn ich bitten darf.“ Izaya streckte seinen Arm in Richtung Ratsleiter der Menschen. Dieser sammelte nun nervös seine Unterlagen ein. „E-Es geht in erster Linie darum, dass Sie immer wieder unnötig für Aufruhr in Tokyo sorgen. Die Menschen fragen sich, warum es keine Opfer gibt, bei solch verheerenden Unfällen. Erst gestern mussten wir das ein komplettes Viertel in Shibuya lahm legen. Nur weil Sie ihren Kampf mit Kasane Kujiragi austragen mussten.“ Natürlich. Eine bessere Geschichte hatte der Ratsleiter der Menschen nicht auf Lager? Langweilig. Der schwarzhaarige Vampir zuckte daraufhin mit den Schultern. „Es ist doch nicht mein Problem, wenn Sie keine Leichen zur Verfügung haben, um ihre süßen Menschlein zu täuschen.“ Empörtes Einatmen war zu hören. Größtenteils von dem Rest des Rates, den Izaya gekonnt ignorierte. Das war nicht der wahre Grund, warum sie ihm das Kämpfen gegen andere Clane verbieten wollten. Es soll ihn einschränken. Ihn verwundbar machen. „Außerdem frage ich mich, woher Sie von Kasane Kujiragi wissen. Ich wüsste nicht, dass ich euch meine beste Freundin vorgestellt habe.“, sagte Izaya scherzhaft und vergrub seine Hände in den Taschen seiner Plüschjacke. Ein dunkles Lachen kam von Yamamoto und er setzte sein Weinglas ab. „Als ob wir nicht von Kasane Kujiragi wüssten. Sie hat sich uns gegenüber ziemlich präsent gezeigt. Und um ehrlich zu sein, hat sie uns so einiges über Sie erzählt.“ Der alte Vampir erhob sich nun auch und blickte herausfordernd in seine Richtung. „Ach wirklich? Was denn zum Beispiel?“, provozierte der Informant und ging ein paar Schritte um den Tisch herum. Alle Augen folgten ihm. „Zum Beispiel, dass Sie gerne vom Thema ablenken.“, grätschte Watanabe dazwischen, „Orihara-san. Wir bitten Sie lediglich darum, ihren Krieg gegen Kasane Kujiragi aufzugeben. Es sind bereits zu hohe Schäden entstanden, die sich nur noch summieren, falls sie Ihren Kampf fortführen. Es wird immer schwieriger, der Bevölkerung eine gute Begründung zu geben.“ Izaya lachte bitter. „Sie haben ja keine Ahnung…“, murmelte Izaya leise. So leise, dass es nur Yamamoto und die anderen Vampire im Rat es verstehen konnten. Das einzige Argument, dass er ihnen entgegenwerfen konnte, würde ihn schwach dar stehen lassen. Das Argument, dass Kasane Kujiragi momentan ihn angriff und nicht umgekehrt. Obwohl er für die Zukunft bereits Pläne hatte, diese Vampirin in die Finger zu kriegen und langsam aber sicher zu zerstören. Angefangen bei ihrem Clan. Doch nun machte die Regierung ihm einen Strich durch die Rechnung. „Das kann ich nicht versprechen, Watanabe-san, und dass wissen Sie auch.“, begann Izaya und trällerte weiter, „Aber für Sie werde ich mein Bestes geben und versuchen keinen Krieg gegen Kasane Kujiragi zu führen. Zumindest keinen, der bleibende Schäden für die Bevölkerung verursacht. Schließlich habe ich genauso wenig Interesse daran Tokyos Lebensraum zu beschädigen und potenzielle Klienten zu verscheuchen, wie Sie.“ Daraufhin stand nun auch Takahashi ruckartig von seinem Stuhl auf. „Nichts als leere Worte, Watanabe-san!“, rief er und zeigte mit seinem Finger auf den grinsenden Informanten, „Wir sollten ihn seiner gerechten Strafe zuweisen und endlich vor Gericht verurteilen!“ Die zierliche Frau richtete sich genervt ihre Brille, während sie erst Yamamoto und schließlich Takahashi vorwurfsvoll anblickte. Izaya musste sich das Lachen verkneifen. Das würde Watanabe gar nicht gefallen. Sein Grinsen wurde breiter. „Das wäre der falsche Ansatz, Takahashi-san. Wir suchen eine Konfliktlösung, keine Herbeiführung.“ Gut gesprochen, dachte sich Izaya. „Sie hat vollkommen recht, Gentlemen.“, säuselte Izaya zufrieden und stolzierte Richtung Kawashima. „Ich denke, damit haben wir alles gesagt, was gesagt werden muss. Es warten bereits die nächsten Termine auf mich. Einen angenehmen Tag den Herren, der Dame~“ Er schenkte der jungen Frau ein schelmisches Zwinkern. „Eigentlich ist noch nicht alles gesagt, Orihara-san.“, erwiderte Watanabe, völlig ungerührt über Izayas Gestik, „Doch wir alle haben einen vollen Terminplan. Deswegen lassen wir Sie für heute gehen. Aber denken Sie daran…“ Die zierliche Frau stand nun auch auf und blickte ihn durch ihre große Brille scharf an. „…wir behalten Sie im Auge.“ „Was anderes habe ich auch nicht erwartet~!“, zwitscherte Izaya und winkte vergnügt in die Runde. Yamamoto blieb stumm, doch sein kalter Blick sagte alles, was Izaya wissen musste. Takahashi schämte sich momentan zu sehr um etwas zu sagen, sodass sein Herz noch schneller schlug als vorhin. Izaya konnte sich dieses Mal ein Kichern nicht verkneifen. Irgendwie war das ja ganz niedlich. Er wandte sich um. Sein Durst brannte wieder stärker. Er musste dringend trinken… Kawashima Kao blickte ihn mit gerunzelter Stirn an, als der Informant näher kam. „Zeigen Sie mir doch bitte den Ausgang, Kao-tan.“ Der Leibwächter verengte bloß genervt die Augen. „Ich habe Ihnen bereits gesagt, dass Sie mich Kawashima-kun nennen sollen.“ „Aber Kao-tan ist doch viel kürzer! Außerdem ein wirklich süßer Name!“ „Sie sind wirklich unverschämt...“, grummelte der Vampir, während er Izaya bis zu den Fahrstühlen am anderen Ende der Eingangshalle begleitet hatte. „Also dann, Kao-tan... Ich werde Sie bestimmt bald wiedersehen.“, verabschiedete sich Izaya verheißungsvoll und trat in den Aufzug. Kawashima blickte ihn unverhohlen an. „Ich hoffe nicht, Orihara-sama.“ Izaya lachte kurz und drückte die Erdgeschoss Taste. Doch kurz bevor die Fahrstuhltüren endgültig zufallen konnten, sah der Leibwächter, wie Izaya seine Maske fallen ließ und ihn mit eisiger Kälte anblickte. Kawashima wich zitternd zurück. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)