Nicht Zu Spät von scippu ================================================================================ Kapitel 1: Kapitel 1 -------------------- Das erste Mal hörte sie von ihm an ihrem fünften Geburtstag. In einer Geschichte, die ihre Mutter ihr erzählte. Eine Geschichte von dem großen Bösen und der Prinzessin, die mit einem Helden auszog, um Hyrule zu retten. Eine Geschichte die sie niemals je würde vergessen können. Als sie das erste Mal von IHM hörte, durchquerte sie gerade die ehrwürdigen Gänge des ehrwürdigen Schlosses von Hyrule, das sich nach dem Tod ihrer Mutter nie wieder wie ein Zuhause angefühlt hatte. Und es erschreckte Zelda bis in die Tiefe ihrer Seele. Das Schwert dass die Dunkelheit besiegt hat seinen Meister erwählt. Ein Ritter, ein Sohn Hyrules, der beste Schwertkämpfer des Landes. Gerufen vom Schwert. So wenige Worte und sie bedeuteten so unendlich viel. Das Schwert schlief nicht mehr. Ihre Hoffnung, dass die Wahrsager falsch gelegen hatten, zunichte gemacht. Es würde geschehen. Die Verheerung Ganon würde zurückkehren. In diesem Leben. Sie hatte keine Zeit mehr. An diesem Abend erlaubte sich Zelda zum ersten Mal seit vielen Jahren zu weinen. Tränen der Angst, der Verzweiflung, der Hoffnungslosigkeit. Nach einer schlaflosen Nacht verpasste sie ihr Morgengebet. Dann das Abendgebet. Erst als ihr Vater, der König Hyrules, mit seiner strengen Erinnerung an die Selbstbeherrschung einer Prinzessin keinen Erfolg hatte, schickte er nach der alten Vertrauten ihrer Kindheitstage. Als diese die Prinzessin in ihre Arme schloss, brach die klammernde Starre der Angst, die Zeldas Herz umschlossen hatte. Und erst als Impa versicherte, dass der Ritter nicht mehr im Schloss weilte, dass er aufgebrochen war, um dem Schwert und Hyrule zu dienen, erhob sich die Prinzessin. Die nächsten Tage verbrachte sie tief im Gebet versunken, mit sich, ihrem Schicksal, der Zeit und der Göttin hadernd, doch an der Situation änderte das nichts. Das Schwert hatte seinen Helden erwählt. Es bereitete sich auf die Wiederkehr des Bösen vor, das Zeldas Albträume durchzog, die Verheerung, die diese Welt seit Jahrtausenden von Jahren heimsuchte. Und in ihr – Zelda – der Prinzessin Hyrules, dem Gefäß der Göttin, dem Quell der Weisheit, hatte sich immer noch kein Fünkchen der Macht gezeigt die nötig wäre, um dieses Böse aufzuhalten. Die Kraft mit der sie angeblich geboren, die zu erwecken und zu verwenden ihr Schicksal war. Eine Kraft die jede Prinzessin Hyrules in sich trug. Die Kraft des Siegels, die als einzige Macht dazu imstande war das verkörperte Böse daran zu hindern die Welt – Hyrule – in Stücke zu reißen. Die genau das verhindert hatte. Dutzende, vielleicht hunderte Male zuvor. Die Kraft die ihre Großmutter besessen, die auch ihrer Mutter innegewohnt hatte. Und das, obwohl keine der Beiden sie je gebraucht hatte. Die Kraft die sich in Zelda einfach nicht offenbaren wollte. Als sie ihn das erste Mal sah, ein Jahr nachdem er das Schwert aus seinem Sockel am Fuße des großen Baumes gezogen und es ihrem Vater zu Füßen gelegt hatte, erweckte sein Anblick glücklicherweise nicht dieselbe niederschmetternde, Nerven zusammenbrechende Reaktion wie zuvor nur die Erwähnung seiner Existenz. Sondern nur die altbekannte Scham. Und ein wenig Neid. Und, da Zelda schon dabei war sich selbst zu analysieren, eine ganze Menge Wut. Wie schön es doch wäre, wenn sie ihr Geburtsrecht auch erwecken könnte, in dem sie mit einem Baum sprach. Vielleicht war auch ein wenig Bitterkeit dabei. Er kniete vor dem König, gekleidet in eine einfache dunkelgrüne Tunika, staubige, sandfarbene Hosen und braune Stiefel. Der Schein der wandernden Nachmittagssonne verwandelte sein helles Haar in eine Fackel aus goldenem Licht. Ein Anblick, der eine Erinnerung in Zelda heraufbeschwor. Ihre Mutter, die vom Glanz Hylias erfüllt, leuchtend im Mondlicht stand. Schmerz um den Verlust, vermischt mit der Furcht, die seit dem Tod ihrer Mutter Zeldas ständiger Begleiter war, zuckte in ihrem Herzen auf. Sie ballte ihre Hände zu Fäusten, um sich wenigstens ein wenig Standhaftigkeit gegenüber dem übermächtigen Gefühl geben zu können. Ihr Blick fiel auf den Rücken des Jungen, auf die Umrisse des Schwertes das dort ruhte. Niemals wäre es ihr möglich gewesen nicht zu erkennen worum es sich bei dieser Waffe handelte. Das Symbol, in seiner Ganzheit auf der Scheide abgebildet und in seinem Fragment auf dem Griff, schrien ihr förmlich entgegen. Verhöhnten sie. Das Dreieck des Triforce, das beinahe jeden Winkel des Schlosses verzierte, selbst ihren eigenen Körper, kunstvoll gestickt am Saum der königlichen Robe die sie trug und verarbeitet in einem goldenen Gürtel, der oberhalb ihrer Taille ruhte. Das Dreieck von dem sie einen Teil verkörpern sollte, aber einfach nicht wusste wie. Während es diesem Jungen, der hier auf dem kalten Boden vor dem Thron ihres Vaters kniete, einfach zu geflogen war. In seinen Träumen. Junge – in Gedanken nannte sie ihn so. Und doch wusste sie es besser. Auch wenn Zelda ihn nicht kannte, ihm nie begegnet war, so hatte sie doch einiges über ihn in Erfahrung gebracht. Selbst wenn sie es nicht getan hätte, Klatschmäuler gab es genug, die scheinbar nichts lieber taten, als ihr all die Geschichten seiner großen Taten vorzutragen. Sein Name war Link. Er war der Sohn eines Ritters und einer Frau aus Hateno, die am Hofe noch niemand je gesehen hatte. Als Knappe seines Vaters war er früh mit dem Schwert ausgebildet worden und hatte außergewöhnliches Talent gezeigt. Er hatte bereits Erwachsene im Kampf besiegt, als Zelda noch selig in den Armen ihrer Mutter von der rosaroten Farbe der Welt überzeugt gewesen war. Kurz bevor er selbst Teil der königlichen Garde geworden war, hatte das Schwert begonnen ihm Träume zu schicken. Hatte ihn zu sich zu gerufen. Wie seltsam, dass er ohnehin in ihr Leben getreten wäre. Auch wenn sich nicht als Held Hyrules offenbart hätte. Mit kaum siebzehn Jahren war er dem Ruf des Schwertes gefolgt und hatte es kurz danach dem König zu Füßen gelegt. Es in den Dienst Hyrules gestellt. In Zeldas Dienst. Wie gern hätte sie darauf verzichtet. Nun war er zurück gekehrt, ein Jahr war vergangen und er wohl kaum mehr ein Junge. Er hatte das Reich bereist, hatte bei den Zoras gelebt und war von den Shiekah ausgebildet worden. Hatte mit den Kriegerinnen der Gerudo gekämpft, hatte Hyrule vor Gefahren bewahrt, zahlreiche Monster besiegt, dem Reich und dem Schwert gedient. Nicht nur die Klatschbasen des Schlosses und Hyrule Stadts liebten ihn. Auch die Barden sangen Lieder über seine Taten. Mehr als einmal hatte Zelda die Tafel bei einer Festlichkeit verfrüht wegen solcher Gesänge verlassen, weil sie das ewige Lobpreisen nicht länger hatte ertragen können. Sie war wegen dieser weiteren Schwäche nicht stolz auf sich. Vor allem da dieses Verhalten zunehmend auffälliger wurde. Einer der Barden hatte sie forschend mit dem Blick verfolgt, während er ein Lied darüber sang, wie der Held einen Goronen vor einem Hinterhalt bewahrte und danach mit ihm Freundschaft schloss. Er hatte sie dabei beobachtet, wie sie mal wieder durch die hohen Türen aus dem Saal flüchtete. Danach hatte er nie wieder die Taten des Helden zum Thema seiner Lieder gemacht. Doch für die anderen Darsteller war der Träger des Bannschwertes weiterhin das Lieblingsthema. Sein Ruhm hatte das Schloss längst erreicht. Und nun war er wieder da. Und die Zeit in der sie ihn ignorieren konnte vorbei. „Nun, jedenfalls bin ich froh dass du nun wieder hier bist, Held von Hyrule.“ Zelda war sich ziemlich sicher, dass sie nicht allzu lange hier gestanden und die Szenerie betrachtet hatte, in ihren eigenen bitteren Gedanken versunken. Aber wohl lange genug, um das Gefühl für Zeit und Raum fast vollständig zu verlieren. Und lange genug, um die irritierten Blicke der Leibgarde ihres Vaters auf sich zu ziehen, die in all ihrem Pomp so schweigend wie üblich neben dem Thron stand. Der König selbst allerdings schien ihre Ankunft nicht bemerkt zu haben. Er stand auf der unteren Ebene des Thronsaals und vielleicht verbarg das Licht der tiefstehende Sonne ihre Gestalt. Sie war nicht durch den Haupteingang getreten, sondern hatte sich an den vielen Säulen die den Thronsaals zierten, vorbeigedrückt. In der Hoffnung großen Aufhebens um ihre Erscheinung zu entgehen. Immerhin war sie einige Zeit nicht am Hof gewesen und hätte mit einer offiziellen Ankündigung ihrer Wiederkehr rechnen müssen. Die Ungeduld hatte Zelda hierher geführt. Mit Reisestaub an den Stiefeln und aufgeregter Freude im Herzen. Die Suche nach den Recken Hyrules, die die nun seit einiger Zeit wiederentdeckten Titanen steuern und damit im bevorstehenden Kampf gegen die Verheerung Ganon unersetzlich sein würden, war abgeschlossen. Die Prinzessin der Zoras, Mipha, hatte Zeldas Bitte als letztes erhört und sich der Prüfung gestellt. Und hatte sich glanzvoll qualifiziert. Nun gab es so viel zu tun. Die Recken mussten lernen die Titanen zu steuern. Sie würden mit ihnen üben müssen, mussten lernen eins mit ihnen zu werden. Und sie, die anderen, mussten mehr über die Titanen heraus finden. Würden Tag und Nacht forschen müssen, um die Geheimnisse der vergangener Zeit alten Schriften und kaltem Stein zu entlocken. Eine Aufgabe, die Zelda hoffte selbst erledigen zu können. Denn die Erforschung der antiken Technologien die man seit ihrer Geburt in ganz Hyrule fand, ausgrub und zu verstehen versuchte, war etwas, in dem Zelda einmal nicht versagte. Im Gegenteil. Seit sie sich der Forschung widmete, hatten man viele Fragen klären, viele Funktionen entdecken und wieder erfolgreich einsetzen können. Ihre größte Errungenschaft war der Shiekah-Stein. Das Meisterwerk antiker Technologie, das der Schlüssel zu beinahe allen anderen war. Ihrer eigenen Forschung war es zu verdanken, dass sie den Stein hatten finden können. Und nicht nur dass das Suchen und Untersuchen ihr Spaß bereitete, das Gefühl in etwas gut zu sein, etwas zur Sicherung des Friedens in Hyrule beisteuern zu können, das Gefühl über irgendetwas Kontrolle zu haben, gab Zelda ein wenig Seelenfrieden. Das Lachen ihres Vaters holte Zelda erneut in den Thronsaal zurück. Zwischen die Säulen, wo sie stand wie ein Lauscher, immer noch gehemmt hervorzutreten und sich dem Unausweichlichen zu stellen, aber auch zu gebannt um zurück zutreten und ungesehen zu verschwinden. Das Lachen war ihrem Vater vor dem drohenden Untergang seines Reiches und seiner wachsenden Sorge um die Unfähigkeit seiner eigenen Tochter fremd geworden. Zelda hatte das Geräusch so lange nicht mehr gehört, dass es in ihren Ohren ganz fremd klang. Und doch fühlte sie, wie sich ihr Herz ein wenig erwärmte, als das donnernde Poltern den Thronsaal erfüllte. Sie spürte wie sie lächelte. „Das ist gut“, hörte sie den König sagen. Hatte der Ritter gesprochen? Zelda beugte sich unbewusst ein wenig nach vorne. War sie gespannt darauf seine Stimme zu hören? „Vielleicht kannst du mit deiner Anwesenheit ein wenig von der Kraft Hylias auf unsere Zelda abfärben.“ Noch in der Bewegung nach vorn versteifte sich Zelda. Ihr Lächeln verkümmerte und erschrockene Scham rollte in einer heißen Woge über sie hinweg. Ihr Herz krampfte sich zusammen. Verletzt und schockiert darüber, dass ihr Vater hier vor seine Leibgarde so von ihren Verfehlungen sprach, vor IHM so von ihr sprach, wollte Zelda sich in den Schatten der Säulen zurück ziehen wie ein Schmetterling nach dem man geschlagen hatte. Doch der Blick den einer der Gardisten ihr zu warf, hielt sie davon ab zu fliehen. Sie würde sich nicht verkriechen. Selbst wenn ihr Vater keinen Respekt vor ihr hatte und sie für schwach und nutzlos hielt. Sie war eine Prinzessin Hyrules. Und auch sie besaß ihren Stolz, wenn der auch so häufig geschlagen und in den Boden getrampelt worden war, dass es nicht mehr all zu viel davon gab. Zelda atmete tief ein und trat dann, einige Kraftreserven aktivierend, die aufzuladen ihre täglichen Gebete sie lehrte, aus dem Schatten heraus in das helle Licht des Nachmittags. In die Aufmerksamkeit ihres Vaters hinein. Er sah auf und erstaunt zogen sich seine weißen Brauen über Augen zusammen, von denen Zelda als kleines Mädchen gedacht hatte sie seien gütig. „Zelda, Tochter, du bist zurück gekehrt“, stellte er fest und suchte augenblicklich den Raum hinter ihr nach den Rittern ab, die sie auf ihrer Reise zu den Völkern Hyrules begleitet hatten. Nun, die würde er nicht finden, denn Zelda hatte sie in die Kaserne geschickt um allein mit ihrem Vater sprechen zu können. Wenn dieser Plan auch offensichtlich einen Haken hatte. Der Ritter zu des Königs Füßen hatte zu den verletzenden Worten über Zeldas Fähigkeiten geschwiegen. Doch als ihr Vater ihre Ankunft bemerkte, erhob er sich. Zelda versucht ihn zu ignorieren als sie dem König entgegen trat. „Ja“, antwortete sie ohne zu lächeln, legte ihrem Vater allerdings zur Begrüßung eine Hand an den Arm. Aus dem Augenwinkel sah Zelda, wie der Ritter sich verbeugte. Sie entschloss sich auch diese Geste zu ignorieren. „Ja, ich bin eben eingetroffen. Ich wollte dir gleich die gute Nachricht überbringen.“ Sie sah wie die implizierte Bedeutung ihrer Worte das Gesicht ihres Vaters erneut verwandelte. Ein Abbild der alten Freundlichkeit zeigte sich in seinen Zügen und um seine Augen bildeten sich kleine Fältchen. „Also hat Mipha offiziell angenommen?“ Ein fröhliches Glucksen durchrumpelte seine ungeübte Kehle und er lächelte nun uneingeschränkt. „Das sind in der Tat gute Nachrichten.“ Er drehte sich zu dem Ritter herum, so dass Zeldas Hand von seinem Arm rutschte. Wie symbolisch. „Hast du gehört, Ritter Link? Mit Mipha, der Prinzessin der Zoras, sind die Recken Hyrules nun komplettiert. Aber ich vergaß, du bist mit Mipha bekannt, nicht wahr?“ Er und Mipha kannten sich? Wieso hatte Mipha nichts davon gesagt als sie Zelda danach gefragt hatte, wer der fünften Recken werden würde? Zelda hatte Miphas Reaktion und ihr Schweigen als sie ihr die Antwort gab – der Ritter mit dem heiligen Bannschwert – nicht auffällig gefunden, sondern als Ausdruck der grazilen Beherrschtheit gesehen, die Teil des Wesens der Zora Prinzessin zu sein schien. Da ihr Vater ein zustimmendes Geräusch verlauten ließ, hatte der Ritter wohl eine angemessene Reaktion auf die Frage gezeigt. In einem Versuch die Aufmerksamkeit ihres Vaters zu erlangen, legte Zelda ihm erneut eine Hand auf den Arm. Die Vitalität des Königs schien durch sein königsblaues Gewand zu sickern, doch konnte sich seine Wärme nicht auf sie zu übertragen. „Nun da ich zurück gekehrt bin, möchte ich mit euch über die Ernennungszeremonie sprechen Vater“, sagte Zelda, als er ihr den Blick zu wandte. Je schneller die Recken offiziell zu den Piloten der Titanen ernannt wurden, desto eher konnten sie damit beginnen deren Steuerung zu erlernen. Und damit wären sie alle besser für den Kampf gegen die Verheerung Ganon gerüstet und müssten der Zukunft vielleicht nicht ganz so sorgenvoll entgegen sehen. Natürlich müsste man der Zukunft überhaupt nicht sorgenvoll entgegen sehen, wenn man eine Prinzessin hätte, die in vollem Inbegriff ihrer Siegelkräfte wäre. Aber war es nicht töricht darauf zu vertrauen, dass sie rechtzeitig schaffen würde, was sie in Jahren pflichtvoller Übungen und Rituale nicht geschafft hatte? Kam es dem Aufgeben gleich, wenn sie sich nach einer anderen Lösung umsah? Oder war es nicht ihre Pflicht als Prinzessin Hyrules, ihr Volk mit allen Mitteln zu beschützen? Wenn also die Hoffnung schwand, musste sie dann nicht alle Möglichkeiten in Betracht ziehen? „Ja“, sagte ihr Vater nickend. „Ja, natürlich.“ Er griff mit seinem linken Arm quer über seine Brust und tätschelte mit der Linken Zeldas Hand, die immer noch auf seinem Ärmel ruhte. „Link“, richtete er das Wort erneut an den Ritter, der weiterhin schweigend und unbeweglich neben ihnen gestanden hatte. „Ich nehme an du wirst zuerst mit deinem Vater sprechen und ihm von deiner Rückkehr berichten wollen.“ Aus dem Augenwinkel sah Zelda, wie der Ritter nickte. So langsam, das musste sie zugeben, kam sie sich ein wenig albern vor ihn so offensichtlich zu ignorieren. Zumal ihr Vater sich und Zeldas Arm so gedreht hatte, dass sie den Blick direkt abwenden musste, um dies zu bewerkstelligen. Und so verlief der erzielte Effekt hoheitsvoller Ignoranz leider einigermaßen im Sand. „Da du nie offiziell in die Garde aufgenommen wurdest und du bis zur Ernennung als Recke keinerlei Verpflichtungen hast, stelle ich dich einige Tage frei, so dass du deine Angelegenheiten regeln kannst“, fuhr der König fort. Wenn der Ritter überrascht davon war, dass sein König ihn fortschickte und ihn – so wie Zelda vermutete – nach Hateno schickte (hatte nicht jemand erwähnt seine Mutter würde aus Hateno stammen?), so ließ er sich nichts davon anmerken. Zumindest nicht verbal. Alles andere hätte Zelda mit ihrer starr-in-die-Luft Strategie ohnehin nicht bemerken können. „Du bist entlassen“, sprach ihr Vater. Die eiserne Bemühung den Ritter mit dem Bannschwert nicht anzusehen riss wie ein gespannter Faden, als Zelda das Geräusch sich rasch entfernender Schritte wahrnahm. Der Atem, von dem sie gar nicht gewusst hatte, das sie ihn anhielt, entwich ihrer Brust in Form eines leisen Seufzens. Nur um ihr wieder in der Kehle stecken zu bleiben, als der König den Ritter dazu brachte sich erneut umzudrehen. „Ach und Link?“ Es ging viel zu schnell. In einer einzigen fluiden Bewegung hatte der Ritter sich um seine eigene Achse gedreht. Blickte ihr und ihrem Vater mit unbeweglicher Miene entgegen. Und nun war es sowieso zu spät. Ihre Blicke trafen sich. Zumindest traf Zeldas Blick den seinen. Wohin er blickte, mit diesen stoisch nach vorn gerichteten Augen, mochte Hylia allein zu sagen. „Wie lange wirst du benötigen?“ Eine Weile geschah gar nichts. Ging irgendetwas vor sich hinter dieser stillen Fassade? Es war beinahe faszinierend. Und ließ Zelda genug Zeit ihn genauer zu betrachten. Er war wahrlich nicht groß. Vielleicht genauso groß wie sie selbst. Er besaß denselben schlanken Körperbau der für die Hylianer so typisch war und hätte beinahe zart gewirkt, hätten sich nicht drahtige Muskulatur an seinen Unterarmen und im Nacken gespannt, dort wie seine Haut nicht von Kleidung verborgen war. Er war unübersehbar wohl proportioniert und hübscher als so manches Mädchen. Eine Entdeckung, die Zeldas Selbstbewusstsein endgültig die Treppe hinunter stolpern ließ. Wahrscheinlich sang er morgens mit den Vögeln um die Wette, hatte nie Mundgeruch und seine Hinterlassenschaften ließen von Aussterben bedrohte Blumen sprießen. Oh wie unfair die Welt doch selbst für eine Prinzessin war. „Nicht mehr als eine Woche, euer Majestät.“ Es hatte beachtlich lange gedauert bis er das erste Mal gesprochen hatte. Zelda ertappte sich dabei wie sie beim Klang seiner Stimme den Atem anhielt. Sie war rauer als erwartet und nur für so kurze Zeit zu hören, dass Zelda nicht ganz sicher war, ob sie es sich eingebildet hatte. „Dann verliere keine Zeit und mach dich auf den Weg.“ Der König gestikulierte zum Ausgang des Thronsaals, der sich keine zehn Schritte hinter dem Ritter auftat. Eine Geste des Abschieds. Und der Entlassung. Der Ritter antwortete mit einem kurzen Nicken und einer Verbeugung, die sie ebenso einschloss wie den König. Denn drehte er sich erneut um und war mit einigen schnellen, leisen Schritten in der Lichtspiegelung verschwunden. Unter ihrer Hand spürte Zelda, wie ihr Vater sich ihr zuwandte. Dafür dass sie den Ritter vorher nicht hatte ansehen wollen, ihm ihr offensichtliches Desinteresse an seiner Person zeigen wollte, weilte ihr Blick ausgesprochen lange auf dem Torbogen, durch den hinaus er verschwunden war. Der Gedanke allein reichte aus, um sich abrupt loseisen zu können. Sie spürte dass ihr Vater sie ansah und sie hob den Kopf um seinen Blick zu begegnen. Von der vorher gezeigten Fröhlichkeit war nicht mehr viel in seinen Zügen auszumachen. Er betrachtete sie mit einer Version des nachdenklichen Stirnrunzelns, mit der er sie in den letzten Jahren beinahe ausschließlich angesehen hatte. Nun meinte sie einiges an Missbilligung darin lesen zu können. Wohl wegen des mangelnden Respekts seinem neuen Lieblingsuntertanen gegenüber. Oder bildete sich ihr eigenes Gewissen das nur ein? Um sich nicht inmitten einer Diskussion darüber wieder zu finden wie sich eine Prinzessin zu benehmen und nicht zu benehmen hatte, deutete sie mit der Hand in Richtung des Treppenaufgangs. „Wie wäre es mit einem Blick über die Stadt?“, fragte sie lächelnd und trat einen Schritt nach vorn um ihren Vater um Gehen zu bewegen, ihre Hand immer nur auf seinem Arm. Der König folgte ihrem Impuls und sie stiegen nebeneinander die Treppe hinauf, folgten dem gemauerten Weg um die hohen Säulen und traten schließlich hinaus ins Tageslicht. Zelda atmete die laue Brise ein, die an diesem sonst windstillen Tag hier oben wehte und spürte wie sie sich ein wenig beruhigte. Der Ausblick war wunderschön. So wie an fast allen Orten Hyrules, doch irgendetwas an der funkelnden Einheit der blauen Dächer der friedlich daliegenden Stadt war besonders für Zelda. Ob ihren Vater der Anblick ebenso berührte, war für Zelda schwer auszumachen. Er stand da, unbewegt, mit gerunzelter Stirn und sah starr auf die Stadt hinab. Dachte er daran dass all dies verloren wäre, wenn seine Tochter es nicht schaffen würde die Siegelkräfte zu erwecken? Zelda wandte den Blick ab, betrübt über ihren eigenen Vermutungen, die vielleicht zutrafen und vielleicht nicht. Die sie selbst aber oft genug begleiteten, wenn sie auf die Ebene hinaus sah. „Nun da sich vier geeignete Piloten gefunden und qualifiziert haben, finde ich, dass wir so schnell wie möglich mit deren Einweisung beginnen sollten“, begann Zelda, um die deprimierenden Gedanken abzuschütteln. „Also sollte auch die Ernennungszeremonie so schnell wie möglich stattfinden. So schnell wie es die Vorbereitungen zulassen.“ Sie schwieg um ihrem Vater Zeit für seine eigenen Schlüsse zu lassen. Im Augenwinkel sah sie wie er langsam nickte, dann hörte sie sein tiefes Seufzen. „Zelda“, begann er schließlich nach einem Moment und wandte sich ihr zu. Er klang zur Abwechslung einmal nicht ungeduldig oder angespannt, unterdrückte keine harschen Worte und Gesten. Aus seiner Stimme hörte sie Sorge und Zuneigung und eine tiefe Trauer, die ihr beinahe das Herz brach. Zelda ballte die Hände zu Fäusten, griff in sich hinein nach den geistigen Reserven die ihre Gebete ihr verschafften und setzte ein strahlendes Lächeln auf. Sie wandte den Blick ab von Hyrule Stadt und sah ihren Vater an. Blendete ihn mit der Fröhlichkeit ihres Lächelns. Eine Fröhlichkeit die sie nicht empfand, aber dennoch gut genug imitieren konnte, dass es ihn irritierte. Ausreichend, um ihn am Weitersprechen zu hindern. „Weißt du, ich finde wir sollten sie alle mit einem Symbol versehen. Etwas das sie auch aus der Ferne als Recken Hyrules ausmacht. Etwas das sie mit Stolz tragen können.“ Ihr Vater öffnete den Mund, vielleicht um zu antworten, vielleicht auch nur um sein Erstaunen darüber auszudrücken, dass ihm die Idee gefiel. Denn dass sie das tat, da war sich Zelda sicher. Der König liebte große Symbole. Nicht nur Symbole, die groß waren. Nicht umsonst musste sie selbst seit dem Tod ihrer Mutter all das tun, was ihr Vater jemals seine Königin hatte tun sehen. Die Gebete, die rituellen Reinigungen in den heiligen Quellen. Er liebte die Uniformen seiner Leibgarde und der Ritter Hyrules. Und Zelda hatte ihn schon unzählige Mal dabei beobachtet, wie er die Insignien des Triforce betrachtete, die überall im Schloss zu sehen waren. Die in beinahe lächerlich großer Ausführung über seinem eigenen Thron prangte. Sie wandte ihren Blick ab und sah wieder in die Ferne über die Ebene hinaus. Konnte die Schönheit dessen was vor ihr lag jedoch kaum noch wahrnehmen. War zu sehr auf die Reaktion ihres Vaters konzentriert. „Ich dachte daran, sie mit dem königlichen Blau Hyrules auszustatten. In Gewänder die sie als Verbindung zwischen den Völkern Hyrules und des königlichen Blutes auszeichnen.“ Sie selbst trug ein solches blaues Gewand, ebenso ihr Vater. Selbst die robustere, bequeme Tunika, die Zelda auf ihren Reisen trug, war von demselben durchdringenden Blau, das sie als Mitglied der Königsfamilie auszeichnete. Ein Symbol für das blaue Blut im Zyklus der Auferstehung. Zelda spürte den Blick des Königs auf ihr ruhen. Gespannt fühlte sie ihren eigenen Herzschlag, schneller als sonst und versuchte gleichmäßig zu atmen. „Und vielleicht“, begann sie nach einem kurzem Moment erneut, „Wäre es klug diese Gewänder mit dem Zeichen des jeweiligen Titanen zu versehen, zu dem der Recke von dem Tage der Zeremonie an offiziell zugehörig sein wird“, sagte sie und ließ es dabei so klingen, als würde ihr der Einfall jetzt gerade kommen und als hätte sie nicht bereits seit Monaten darüber nachgedacht. Als hätte sie nicht bereits in ihren Gedanken an den Entwürfen für solche Gewänder gearbeitet. „Was hältst du davon?“ fragte sie ihren Vater, um die Grazie und stille Teilnahme bemüht, die ihr Vater so gerne an ihr sah. Nun da sie allein waren, sprach sie ihn als Vater, nicht als König an. Verbannte die Euphorie, die der König nicht all zu sehr schätzte, da er der Meinung war, dass einzig und allein ihre Gebete zur Göttin diese Art der Aufregung verdienten, aus ihrer Stimme. Zeigte Zelda zu viel Interesse an der Ernennungszeremonie, der Ausstattung der Recken und den Titanen im Allgemeinen, würde ihr Vater diese Aufgabe sicherlich jemand anderem übertragen. Purah oder Robelo vielleicht, die seit Jahren an der Ausgrabung und Erforschung der antiken Technologien beteiligt waren. Das konnte sie nicht zu lassen. Zumal weder Purah noch Robelo sich allzu sehr für die antiken Relikte interessierten. Purah legte all ihren Enthusiasmus in die Erforschung des Leitsteins und antiker Energieversorgung, während Robelo sich fast ausschließlich auf die Wächter und Verteilungsmechanismen konzentrierte, die sie mit der Zeit freigelegt hatten. Und so lächelte sie ein zartes Lächeln ohne zu viel Begeisterung, als würde sie einfach nur ihren Pflichten nachkommen, was sie, als pflichtbewusste Prinzessin Hyrules, natürlich gern tat. Ob ihr Vater Verdacht schöpfte, konnte Zelda nicht mit Sicherheit ausschließen. Er betrachtete sie mit einem schwer lesbaren Blick. Doch Zelda ließ es darauf beruhen. Wenn sie nicht wollte, dass er sie ohne etwas zur Ernennungszeremonie beitragen zu dürfen in ihr Gemach schickte, dann durfte sie nichts mehr sagen. „Also gut“, sagte der König schließlich und Zelda musste ein kleines Geräusch des Triumphes hinunter schlucken. „Kümmere du dich darum. Die Zeremonie wird ein vierzehn Tagen stattfinden.“ Es war Zelda ziemlich egal wann die Zeremonie stattfand, so lange es nur bald war. „Ich werde mich mit der Hofschneiderin beraten“, teilte sie ihrem Vater wohl ein wenig zu begeistert mit, denn der bedachte sie daraufhin mit einem missbilligenden Blick. „Morgen“, beeilte sie sich deswegen zu sagen. „Nachdem ich mich von der Reise gereinigt und die Nacht im Geben verbracht habe.“ Das Stirnrunzeln verschwand vom Gesicht ihres Vaters. Doch bevor Zelda sehen konnte, womit es ersetzt worden war, hatte sie schon eine Verbeugung in des Königs Richtung angedeutet und war zwischen den Säulen verschwunden, auf dem Weg zu ihrem Studierzimmer. Kapitel 2: Kapitel 2 -------------------- „Sie sind wirklich wunderbar geworden.“ Etwas verträumt fuhr Zelda über den blauen Stoff. Sie hatte ihn selbst ausgesucht und in genau dem selben Blau färben lassen, das ihre eigene Robe zierte. Er war fein gewebt und leicht, aber dennoch widerstandsfähig und besaß kühlende und zugleich wärmende Eigenschaften – bis zu einer gewissen Temperatur natürlich. Gegen die eisige Kälte Hebras oder das extremen Schwankungen unterworfene Wüstenklima wären nur eigens für diese Orte entworfene Kleidung gefeit.   „Es freut uns, dass sie Euren Vorstellungen entsprechen“, sagte die Schneiderin hinter Zelda. „Meine Damen haben fast ununterbrochen daran gearbeitet, seit Ihr den Auftrag erteilt habt. Ich selbst habe die Stickereien gefertigt, wie Ihr es gewünscht habt.“ Zelda erlaubte sich ein Lächeln, das sie über ihre Schulter an die Näherinnen richtete. Dann betrachtete sie die stilisierte Abbildung von Vah Naboris, die in dunklem Garn auf eine große rechteckige Stoffbahn gestickt worden war. Sie hatte einen Maler in Hyrule Stadt aufsuchen müssen, der ihr dabei half ihre Ideen zu den Entwürfen auf Papier zu bringen, als Vorlage für die Schneiderin. Und nach langer Beratung mit dieser, hatte Zelda sich dazu entschieden keine Gewänder für die Recken der vier anderen Völker Hyrules anfertigen zu lassen. Stattdessen sollten vier verschieden große Stoffbahnen Daruk, Revali, Mipha und Urbosa die Freiheit geben sie auf eigene Weise in die traditionelle Kleidungsart ihres Volkes zu integrieren. Es sollte eine Geste des Respektes sein. Der Anerkennung und der Gleichberechtigung. Es bedeutete, dass man, auch wenn die Herrscherfamilie Hyrules hylianischer Abstammung war, den anderen Völkern nicht die hylianische Lebensart und schon gar nicht deren Kleidung aufdrängen wollte. Zumal es sehr schwer gewesen wäre für die jeweiligen, teilweise sehr unterschiedlichen Anatomien eine passende Schnittform zu entwerfen – das waren die Worte der Schneiderin. Doch es ergab Sinn.   „Sie sind wunderbar“, wiederholte Zelda leise und ließ das Reckenstück das für Urboas bestimmt war, zurück in das eigens dafür angefertigte zeremonielle Holzkästchen sinken. Die Ernennungszeremonie ließ die lokale Ökonomie florieren – die fünf Schachteln hatte Zelda bei einem Schreinermeister fertigen lassen. Hübsche kleine Boxen aus fünf unterschiedlichen Hölzern, aus fünf verschiedenen Ecken Hyrules, jeweils der Heimat eines der Recken.   „Wir sind wirklich überglücklich dass Ihr zufrieden seid, Euer Hoheit.“ Wenn die Hofschneiderin es seltsam fand, dass die Prinzessin so viel Aufhebens um die Einkleidung der Recken machte, so ließ sie es sich nicht anmerken. Sie stand einige Schritte entfernt und hielt den Blick gesenkt, ebenso wie die zwei Näherinnen die sie flankierten. Und beharrlich schwiegen.    Zelda mochte diese steife Förmlichkeit nicht besonders. In ihrem Leben gab es bereits genug Leere und Kälte und sie wünschte, man würde ihr mit ein wenig mehr Wärme und Herzlichkeit begegnen. Sie nahm einen tiefen Atemzug und versuchte die negativen Gefühle mit der Ausatmung loszulassen. Doch außer einem stechenden Schmerz in der linken Schläfe hatte es keinen Effekt. Sie unterdrückte den Impuls sich an die Stirn zu fassen. „Ja, nun“, begann sie um die ihr unangenehme Stille zu füllen und drehte sich um. „Ich danke dir. Die Recken, Hyrule, dankt dir.“ Sie ließ ihren Blick über die Näher schweifen. „Dankt euch“, schloss sie mit einem Halbkreis ihrer rechten Hand, der die ganze Bande einschloss und kam sich dabei unerträglich pompös vor. Wie erfrischend anders doch der Umgang mit Urbosa war. Selbst mit Daruk und Revali, die sie nicht vor allzu langer Zeit wegen der Bitte die Titanensteuerung zu übernehmen aufgesucht hatte, waren ihr gegenüber nichts als sie selbst gewesen. Sogar in Miphas Beisein, die in ihrem Wesen eher zurückhaltend war, hatte Zelda sich wohler und freier gefühlt. Sie fühlte wie ein Seufzen in ihrer Brust aufstieg. Oh wie sehr sich Zelda auf ein Wiedersehen mit ihnen allen freute. Selbst wenn das hieß dass ER auch dabei sein würde. Ohne dass sie sich dagegen wehren konnte, beschwor der Gedanke die Erinnerung an den gestrigen Morgen herauf.   Zelda war für ein Experiment, das Robelo an einem Wächter plante, den Abgesandte der Shiekah zu Forschungszwecken zum Schloss gebracht hatten, die Treppe von ihrem Gemach hinunter gestiegen. Der Anblick der starren, leblosen antiken Beweise für die unglaubliche Fortschrittlichkeit dieser Technologie, hatte ihr wie immer eine Gänsehaut beschert. Voller Bewunderung hatte sie Robelo dabei beobachtet, wie er mit seinen selbst entworfenen Werkzeugen an der Maschine herumschraubte. Es war nicht das erste Mal, dass er versuchte einen Wächter wieder funktionstüchtig zu machen. Womit keiner rechnete, war, dass es ihm dieses Mal gelang. Und so hatten allen Anwesenden ein wenig die Worte gefehlt, als der Wächter mit einer Abfolge metallisch klingender Piptöne zum Leben erwachte.   Zelda mochte ein kleines Kreischen entflohen sein.   So ganz konnte sie das nicht mehr rekapitulieren, da der Wächter begonnen hatte, Salven von explodierendem Licht abzufeuern. Das letzte woran sie sich wirklich erinnerte, war der helle Strahl aus dem bisher kalten Auge des Wächters, der sie blendete. Dann ein Rücken der sich vor sie schob. Die Umrisse eines Schwertes. Ein furchtbar lautes Geräusch. Dann war die Welt in Flammen aufgegangen.   Erst als man Zelda von dem Geschehen fortgebracht und ein Heiler sie für unverletzt, aber etwas verwirrt erklärt hatte, fingen die Worte der anderen an Sinn zu ergeben. Der Wächter hatte nach seinem Erwachen erst ziellos in die Luft geschossen und dann Zelda ins Visier genommen. In der allgemeinen Aufregung war alles zu schnell gegangen, um die Gefahr als solche einzuschätzen. Niemand hatte so wirklich begriffen was der Wächter tat oder Zeit gehabt Angst zu haben. Und dann war ER gekommen. Mit unmöglicher Schnelligkeit. Hatte einem der beistehenden Ritter sein Schild entrissen und sich vor Zelda gestellt. Genau in das Zielfeld des Wächters. Er hatte den zerstörerischen Strahl reiner Energie von ihr abgelenkt und zurück auf den Wächter gefeuert. Und ihn zum Explodieren gebracht. Die Schnelligkeit der Shiekah hatte nicht ausgereicht um den herumfliegenden Wächterteilen auszuweichen. Was durch die vielen bläulichen Blessuren in Schraubenform bewiesen wurde, mit denen einige der Forscher nun herum liefen. Nur diejenigen die traditionellen geschwungenen Hüte getragen hatten, waren verschont geblieben und so unverletzt wie Zelda.   Zelda hatte die Geschehnisse nicht einmal ansatzweise verarbeiten können. Nicht einmal in ihrem Tagebuch hatte sie es erwähnt. Normalerweise half es ihr, ihre Erlebnisse niederzuschreiben. Aber für das was geschehen war, hatte sie keine Worte. Frustrierende Schuldgefühle dafür dass sie dankbar sein sollte, es aber irgendwie nicht konnte, paarten sich mit dem Gefühl etwas verpasst zu haben und unendlicher Enttäuschung. Es hatte einen funktionierenden Wächter in Hyrule Schloss gegeben. Und nun war er zerstört.   Es war verdammt leicht, IHM die Schuld daran zu geben. Weiß der Kuckuck wo er auf einmal her gekommen war. Zelda hatte ihn seit dieser ersten, völlig überfordernden Begegnung im Thronsaal nicht gesehen. Hatte ihn weit weg, in Hateno geglaubt, hatte nicht mal davon gehört, dass er wieder zurückgekehrt war.   Sie hatte nicht mal in ihrem Forschungsjournal von der Wächterfehlfunktion berichtet. Robelo weigerte sich vehement sie als solche zu bezeichnen. Seine Euphorie ob des Erfolges war ungebrochen. Seiner Meinung nach bedurfte es nur einer kleinen Kalibrierung sobald die Wächter angeschaltet wurden – eine Art Ausrichtung, damit die Maschinen wussten, was sie als Feind und was als Freund einzuschätzen hatten. Wie genau er das anstellen wollte, stand in den Sternen. Der König hatte seinem Gesuch um eine Forschungseinrichtung weit weg vom Schloss rekordverdächtig schnell stattgegeben. Sobald es ihm gelingen sollte den Wächtern beizubringen nicht auf Hylianer und deren Verbündete zu feuern, würde er sie zum Schloss bringen lassen, damit die Shiekah weiter mit ihnen experimentieren konnten. Die Shiekah. Nur zu gern hätte Zelda einen Blick auf eine der schraubenförmigen Blessuren geworfen, über die im Schloss getuschelt wurde.   Unwillkürlich suchte ihr Blick den silbrig eingefassten Ausschnitts des einzigen Reckengewandes nach hylianischer Art. Das heilige Bannschwert, dessen Umriss als die Grundlage für die Stickereien der Tunika diente, sah ihr unspektakulär entgegen. Völlig unberührt von den Scherereien die sie seinetwegen hatte. Zelda spürte wie ihre Augenbrauen sich zusammen zogen. Sie würde heute sehr viel eher mit ihren abendlichen Gebeten beginnen müssen um sich ausgiebig bei der Göttin für diese törichten, eigensüchtigen Gedanken zu entschuldigen. Sie trat vor und ließ die Kiste kurzentschlossen zuklappen. „Schickt die Boxen bis heute Abend zum Schloss. Der Zeremonienmeister wird sie in Empfang nehmen“, wies sie die Hofschneiderin an und brachte ein kleines Lächeln hervor, als diese ihr versicherte sich selbstverständlich darum zu kümmern. In ihrer rechten Wange begann ein Muskel zu zucken.   Da die königliche Schneiderei mit der dazugehörigen Färberei und Weberei Räumlichkeiten in Hyrule Stadt benötigte, war Zelda zusätzlich zu ihren zwei Hofdamen (sie weigerte sich mehr davon zu beschäftigen), auf die Begleitung mehrerer Ritter der königlichen Garde angewiesen. Der kleine Hofstaat folgte ihr, als sie aus den Empfangsräumen der Schneiderei hinaus auf die Straße trat. Die Wachen an den Mauern der Stadt würden mit einiger Wahrscheinlichkeit größere Gefahren fernhalten, aber da Zelda scheinbar so verteidigungsfähig wie eine Blume war – leicht pflücken und noch leichter zu zertreten – bestand ihr Vater auf diese Sicherheitsmaßnahme. Sogar inmitten ihres eigenen Volkes, einen Steinwurf vom Schloss und einer kleinen Armee entfernt. Seit einiger Zeit hatte er sich sogar in den Kopf gesetzt, dass sie ihre eigene Leibwache benötigte, nicht nur eine kleine Garde die ihr an den Fersen klebte, wenn sie das Schloss verließ. Ihren eigenen Ritter, die sie überall hin begleiten würde. Zelda würde sich mehr denn je wie eine Gefangene fühlen. Sie bezweifelte dass der gestrige Vorfall irgendwie dazu beigetragen hatte, dass der König von dieser Überzeugung abrücken würde.   Der Gedanke ließ sie innehalten. Würde dieser Leibwächter auch im Schloss die ganze Zeit bei ihr sein? Daran hatte sie noch gar nicht gedacht. Wut stieg ihrem Inneren auf wie ein Gas befüllter Ballon. Während ihrer Gebete? Ihrer Studien? Wie sollte sie sich denn dann jemals wieder konzentrieren können? „Prinzessin“, erklang eine Stimme rechts hinter ihr. Mina, die Jüngere und Mutigere ihrer beiden Hofdamen. „Alles in Ordnung mit Euch?“ Nein! War es nicht. Nichts war in Ordnung. Das heilige Bannschwert hatte seinen Meister gewählt. Die Wiederkehr der Verheerung Ganon zeichnete sich ab. Sie hatte ihre Kräfte nach Jahren der Gebete, Rituale und Bitten immer noch nicht erweckt und der erste große Fortschritt den sie in der Erforschung einer anderen Möglichkeit Ganon aufzuhalten gemacht hatten, war zerstört worden. Und sie hatte einen vermaledeiten Stein im Schuh. Dämliche Pantoffeln. Sie vermisste ihre Stiefel. Ihre weichen, bequemen, stabilen Stiefel. Die Stiefel in denen sie frei war. Zumindest ein wenig.   Natürlich sagte Zelda nichts von alledem. Stattdessen sah sie auf. Sie war mitten auf der Straße stehen geblieben. Ähnlich wie ein Stein der vom Wasser umflossen wird, teilte sie den langsam dahin plätschernden Strom an Passanten. Neugierige Blicke wurden ihr zugeworfen, doch die Ritter die sie begleiteten verhinderten, dass ihr jemand zu nah kam. Zelda spürte wie sich eine Hand auf ihre Schulter legte und dann einen sanften Vorwärtsschub, der sie nach vorn drängte. Die Berührung jagte ihr einen Schauer den Nacken hinauf. Es kam nicht mehr häufig vor, dass sie jemand berührte und etwas beschämt stellte Zelda fest, dass sie der Richtungsweisung nachgab um das Gefühl noch etwas länger zu spüren. „Ihr solltet besser weiter gehen, Prinzessin“, sagte Mina, nachdem Zelda ihr nicht geantwortet hatte. „Sonst gibt es hier noch einen Tumult.“ Die Sorge war mehr als nur übertrieben, denn mehr als einige Blicke schien sie bei den Bewohner Hyrule Stadts rein gar nichts auszulösen, aber dennoch spürte Zelda wie sie automatisiert nickte und sich weiter nach vorn schieben ließ.   Minas Hand verließ ihre Schulter, als sie die Brücke zum Schlosstor betraten und Zelda zwang sich, sie nicht zu vermissen. Eine Prinzessin Hyrules war nicht so erbärmlich sich Berührungen herbeizusehnen. Selbstbeherrschung, Disziplin und emotionale Unabhängigkeit sollten dasWesen einer Prinzessin beherrschen. Selbst wenn das für ein kleines Mädchen, oder auch ein großes Mädchen, streng schien, so waren es doch die einzigen Leitbilder deren Zelda folgen konnte. Es standen ihr keine anderen zur Verfügung. Und sie hatte bereits einmal kolossal darin versagt diese Qualitäten zu verkörpern. Damals, vor einem Jahr, als Impas Umarmung sie aus dem tiefen Loch der Verzweiflung hatte herausheben müssen, in dem sie versunken war. Seit dem war Zeldas Streben nach der Verkörperung dieser drei Eigenschaften entschlossener denn je.   Die diensthabenden Wachen deuteten respektvolle Verbeugungen an, als ihre kleine Kolonne das Tor passierte. Zelda antwortete mit einem verhaltenen Nicken, kühler als sie es sonst getan hätte, aber die Erinnerungen die sie verfolgten, nahmen ihr die Kraft nicht empfundene Herzlichkeit zu zeigen. Alles was sie wollte, war sich in ihre Gemächer zurückzuziehen und hoffentlich ein kleines Bisschen Trost in ihrer Abendandacht finden zu können.   Die Ritter begleiteten sie bis zu den Stufen der Treppe, die zu ihrem Gemach hinauf führten, wo bereits eine Nachricht ihres Vaters auf sie wartete. In Form einer kleinen Schriftrolle mit dem königlichen Siegel – dem Triforce. Seufzend entließ Zelda ihre Hofdamen mit der Versicherung dass sie ihre Dienste für heute nicht mehr benötigen würde. Was auch immer ihr Vater von ihr wollte – sein Wunsch war es, dass sie ihn aufsuchen solle, sobald sie von ihren Erledigungen in der Stadt zurück kehren würde – Zelda vermutete dass sie danach niemandes Anwesenheit würde ertragen können.   Ihr Vater erwartete sie im Thronsaal. Lächelnd. Was verdächtig genug erschien, angesichts der Sorgen umwölkten Miene, die er sonst der Welt zeigte. „Ah, Zelda. Gut, gut“, begrüßte er sie und Zelda musste unwillkürlich daran denken, dass sie die beiden Worte Zelda und gut noch nie in einem Zusammenhang gehört hatte. Vor allem nicht von ihm. Ihre Vorsicht war geweckt. Er winkte sie näher zu sich heran. „Wie war dein Ausflug, meine Tochter?“ Er schien außerordentlich zufrieden mit sich zu sein. Doch Zelda traute dem Frieden nicht ganz. Zögernd kam sie näher. Beschwor ein Lächeln herauf, das wie sie hoffte, nicht allzu gequält aussah. „Die Schneiderin hat die Kleidungsstücke für die Recken fertig gestellt. Sie entsprechen genau meinen Vorstellungen“, antwortete sie und kam neben ihm zum stehen. Der König nickte, wirkte von der Information allerdings eher unberührt. „Gut“, sagte er jedoch und schien es so zu meinen, denn sein Blick weilte wohlwollend auf ihr. Zelda spürte wie ein klitzekleiner Blitz der Verwirrung ihr in den Nacken schoss. Dann begann sie zu schwitzen. Was unangenehm war und ziemlich nervig. Allerdings war es so lange her, dass ihr Vater sie auf so eine Weise angesehen hatte, dass Zelda damit nicht einmal Ansatzweise umgehen konnte. Und so musste sie sich über die Automatismen ihres Nervensystems wundern, und die Augenbrauen hochziehen, als auf dem Gesicht des Königs ein Ausdruck erschien, den man nur schlicht und ergreifend als breites Grinsen bezeichnen konnte. Jedoch richtete sich dieser Beweis der Freude nicht an sie. Sondern an die Wand hinter ihr. Fragend folgte Zelda seinem Blick. Und spürte wie ihre Brauen ihre hochgezogene Position verließen, um, einer fallengelassenen Zugbrücke gleich, in die Tiefe zu stürzen. Ihre Miene verdunkelte sich im gleichen Tempo, wie ihre Laune gen Nullpunkt sank. Im großen, hohen Torbogen, der den Eingang zum Thronsaal markierte, war eine Gestalt erschienen. Eine verflucht bekannte Gestalt mit auffällig aufrechter Haltung, einem über der linken Schulter hervorragenden Schwertgriff und einer Frisur die sich in Auflösung befand. Wie erstaunlich, wie gut sich ihr Unterbewusstsein die Merkmale seiner Person bereits eingeprägt zu haben schien. Nach ein paar Schritten die er in den Raum hinein getan hatte, kniete er nieder. Wortlos. Zelda unterdrückte ein Augenrollen. Man konnte es mit der Ehrerbietung auch übertreiben. Vor allem wenn man bereits die Sympathie des Königs besaß. Und die Wertschätzung des gesamten verdammten Königreiches. Und den Segen der Göttin, der Zelda, trotz Jahre der Gebete immer noch versagt blieb. Sie spürte wie sich ihre Fäuste gegen ihren Willen ballten. Nun, vielleicht nicht gegen ihren Willen, jedoch konnte sie die Reaktion nicht unterdrücken. Der König bedeutete dem Ritter sich zu erheben und ging selbst einige Schritte in Richtung der Treppe die die Empore auf der der Thron stand, mit der unteren Ebene verband. Wie ER die Geste ihres Vaters bemerken konnte, so nah wie seine Nase dem königlichen Teppich war, wussten nur die Göttinnen. Da er seine kniende Position allerdings aufgab, schien er, zusätzlich zu seinen enormen Fähigkeiten mit dem Schwert, auch noch über Augen mitten an den Ohren zu verfügen. Oder irgendwo anders. Zelda presste die Lippen aufeinander und willte ihre Hände, die angespannte Fausthaltung zu lösen, bevor sie sich noch mit den Fingernägeln die Haut aufgekratzte.   Mit einigen federnden Schritten, jemand Unfreundliches hätte es als Hüpfen bezeichnet, erklomm er die Treppe und kam vor ihrem Vater zum stehen. Wo er erneut Anstalten machte auf die Knie zu sinken. Doch der König winkte mit einem tief in seiner Brust erklingenden Lachen ab, das den ganzen Thronsaal zu erfüllen schien. Also wurden sie nur einer formvollendeten Verbeugung ansichtig. Zelda zwang sich tief einzuatmen und ihre Augenbrauen in eine neutralere Position zu bringen. Sie verhielt sich einfach lächerlich. Dieser Ritter war von der Göttin dazu auserwählt Zelda im Kampf gegen die Verheerung beizustehen, sollte die Weissagung sich erfüllen und Ganon während ihrer Lebzeiten wiederkehren. Was ziemlich wahrscheinlich war, wenn man sich den Anzeichen gegenüber nicht völlig blind verhielt. Ihr war wohl bewusst, dass dieser Junge keine Schuld an ihrem eigenen Versagen trug. Und sie würde es sich weiter bewusst machen. Bis es ihr nicht mehr unmöglich sein würde seinen Namen zu denken.   „Ich nehme an, du hast erledigt was du auszogst zu tun?“, richtete ihr Vater das Wort an den Ritter. Es dauerte eine Weile bis dieser nickte. Es schien sich eine ganze Welt unter den stillen Wassern seines Habitus' abzuspielen. War da ein Muskelzucken in seiner Wange zu sehen? Eine winzige Bewegung an seinem unteren Wimpernkranz, als würden seine Augen sich auf lupenartig kleine Weise zusammen ziehen? Oder waren das Trugbilder die Zeldas Verstand heraufbeschwor, weil sie einfach nicht einsehen wollte, dass es einem Hylianer, irgendeinem Bewohner Hyrules, möglich sein konnte, so still zu stehen.   „Gut“, antwortete der König auf das Nicken und Zelda fragte sich unwillkürlich, was es denn eigentlich gewesen sein mochte, dass Link erledigt hatte. „Nun da ich euch Beide hier habe, werde ich euch meine Entscheidung mitteilen.“ Urplötzlich fühlte Zelda sich am Arm gepackt und näher an den Ritter heran gezogen. Sie konnte gerade noch ein erschrockenes Quietschen unterdrücken, da hatte ihr Vater sie auch schon wieder losgelassen. Sie stand nun vor ihm, neben dem Recken. So nah, dass sie seinen Atem hörte und aus dem Augenwinkel wahrnahm, wie einige seiner feinen blonden Haarsträhnen im Takt des ausweichenden Luftstromes auf und nieder sanken. Unwillkürlich griff sie nach ihrem eigenen Haar, strich es über ihre Schulter zurück. Dann wich sie ein Stück ab, zurück in den Raum und aus der Reichweite ihres Vaters. Sicherheitshalber. Ihre Hände fanden hinter ihrem Rücken zueinander. Mehr um sich selbst Halt zu geben, als eine hoheitsvolle Haltung einzunehmen, doch wenn das der Nebeneffekt war, so konnte das nicht schaden. Ein unheiliges Gefühl begann in Zelda zu wachsen. Zwar mochte Hylia sich weigern mit ihr zu kommunizieren, dennoch hatte Zelda für so manches ein recht feines Gespür entwickelt. Und hier war irgendetwas im Gange. Dass der Ritter mit dem heiligen Bannschwert ebenfalls anwesend war, verhieß nichts Gutes. „Eigentlich war es nicht wirklich eine Entscheidung“, fuhr der König fort und sein Blick blieb für einen Augenblick auf dem, über der grün gekleideten Schulter hervorragenden Knauf, des legendären Schwertes hängen, „Als mehr eine Folgerichtigkeit.“ Und mit einem Stich im Herzen stellte Zelda fest, dass ihr Vater den Ritter zu dem die grüne Schulter gehörte, mit unverhohlenem Stolz betrachtete. „Zelda“, sagte der König und fixierte sie mit seinen hellen braunen Augen. „Die Suche nach deinem Leibwächter ist beendet. Das wird dich hoffentlich freuen.“ Er lächelte und wirkte erneut ziemlich zufrieden mit sich selbst. Er verschränkte die Hände hinter seinem Rücken und atmete tief ein.   Zeldas Denken setzte für einen Moment aus. Dann machte es Klick und die Bedeutung seiner Worte rasten mit der Geschwindigkeit herabfallender Gebirgssteine auf sie zu. Was? Nein! Was?! Ihr Kopf flog mit einem leider sehr hörbaren Ächzen herum. Sie sah zu dem Ritter, der so bewegungslos wie eh und je da stand. Die Ankündigung schien ihn nicht zu berühren. Obwohl sie sein Leben doch ebenso stark verändern würde, wie die Berufung durch das Bannschwert und die Ernennung zum Recken Hyrules, die ihn immerhin dazu verpflichteten gegen die Verheerung Ganon zu kämpfen. Nun würde zusätzlich auch noch auf die Prinzessin Hyrules achten, sie mit seinem Leben beschützen müssen. Wo er doch sein Leben brauchen würde, wenn er sein Schicksal erfüllen und gegen die Verheerung in den Kampf ziehen wollte. Es war nicht fair. Weder ihr, noch ihm gegenüber.   Hatte er es gewusst? Zeigte er deswegen keine Regung, obwohl sein König ihm gerade offenbart hatte, dass zu seinen Verpflichtungen gerade noch dazu gekommen war, eine Prinzessin beschützen zu müssen, die nicht dazu in der Lage war auf sich selbst aufzupassen? Die zu schwach war, um für ihren eigenen Schutz zu sorgen? War seine Ernennung zu ihrem Leibwächter wirklich so folgerichtig, wie ihr Vater es ausgedrückt hatte? Kam die Entscheidung nur für sie so plötzlich?   „Selbst vor dem Kunststück mit dem Wächter war ich mir sicher, dass es keinen geeigneteren Kandidaten für den Posten geben würde“, fuhr ihr Vater fort. Unwissend über den inneren Tumult, den seine Worte in Zelda ausgelöst hatten. „Doch ich wollte ihm zu seinen Aufgaben als Recke und Träger des Bannschwertes nicht noch zusätzliche Pflichten auferlegen.“ Sein Blick ruhte auf dem Ritter, die den Kopf leicht gesenkt hielt. Aus Bescheidenheit? Aus Frustration? „Doch als ich sah, mit welcher Leichtigkeit du das Unheil von meiner Tochter abgewandt hast, Link, da wusste ich, dass du der doppelten Belastung gewachsen sein würdest.“ Ein kleines zufriedenes Geräusch gluckste aus ihm hervor. „Selbst bevor er das heilige Schwert hierher brachte, hatte ich ihn als Kandidaten ins Auge gefasst.“ Zelda war bewusst, dass ihr Vater sie ansprach, doch sie konnte den Blick nicht von dem zu Boden sehenden Ritter abwenden. „Du erinnerst dich, dass ich dir von ihm erzählte?“ Er war das gewesen? Er war der beste Schwertkämpfer des Landes? Wieso wunderte sie sich eigentlich darüber? Wieso wunderte sich Zelda denn eigentlich noch überhaupt irgendetwas? Es schien absolut vorbestimmt dass sie ihm begegnete. Diesem Rassehylianer, der alles was er tat zum Erfolg führte. Der alles war, was Zelda auch sein sollte, wovon sie aber nichts zu Stande brachte. Sie spürte wie ihre Augen von der Anstrengung das Blinzeln zu unterdrücken zu brennen begannen. Doch täte sie es, würden die heiß aufsteigenden Tränen überquellen und sie als Versager und als Heulsuse entlarven. „Nun wirst du dein Training an den heiligen Quellen wieder aufnehmen können. Ist es nicht so, Zelda?“   Wie lange schon? Wie lange hatte sie den Jungen mit dem Schwert angestarrt und damit einmal mehr bewiesen wie wenig sie doch der Rolle entsprach, für die sie geboren worden war? Nur schwer konnte sie ihren Blick von der immer noch unbeweglichen Gestalt losreißen. Langsam wandte sie den Kopf. Im Gesicht ihres Vaters las Zelda die altbekannten Anzeichen seiner Missbilligung. Angespannt bemühte sie sich um ein wenig Würde. „Ich bin sicher, er wird die Position so gut ausfüllen wie jeder andere.“ Ehe sie sich versah, waren die schnippischen Worte auch schon aus ihr hervor geplappert. Dabei war es doch so offensichtlich dass er die Position so gut wie kein anderer ausfüllen würde. Mit dem Bannschwert und als Recke, war sein Platz sowieso an ihrer Seite, zumindest im bevorstehenden Kampf gegen Ganon. Es zu bestreiten war nichts weiter als der kindische Versuch seine Erfolge klein zu reden, sie als unbedeutender darzustellen als sie waren. Es war mehr als kindisch. Es war peinlich. Und in ihren Gebeten würde sich Zelda dafür, wenn schon nicht bei Link, bei der Göttin entschuldigen. Sie blickte zur Decke um die immer noch drohenden Tränen zurück zu blinzeln, ohne dass sie ihr aus den Augen liefen.   Doch selbst ihre herablassenden Worte schienen keine Reaktion in dem Jungen zu wecken. Was war los mit ihm? War er taub? Nun, das konnte ja wohl nicht sein, oder? Dummheit wohl auch nicht. War es Ignoranz? War er so sehr von seiner eigenen Überlegenheit überzeugt, dass ihr rotzgöriges Verhalten ihm einfach über den Kopf flog? Lachte er insgeheim über sie? Der Gedanke ließ bittere Säure auf ihr Herz tropfen und Zelda presste die Lippen aufeinander.   „Entschuldigt mich“, beeilte sie sich zu sagen, so lange sie noch Heer über ihre Zunge war. „Vor der morgigen Zeremonie werde ich mich ausruhen müssen.“ Und bevor sie etwas sagen oder tun konnte, das sie bereuen würde, hatte Zelda sich umgedreht und stieg die Treppe hinab. Im Augenwinkel sah sie noch wie der Griff des Schwertes sich dem Boden näherte, als der Ritter sich vor ihr verbeugte. Sie konnte nicht genau sagen ob seine Respektbekundigungen ihr gegenüber das alles schlimmer oder besser machten. Sie wusste nur, dass sie hier raus musste. Weg von alledem. Weg von den bohrenden Blicken der Leibgardisten. Weg von der Missbilligung ihres Vaters. Weg von der stoischen Perfektion des Helden Hyrules. Nur vor sich selbst und ihrer Bestimmung konnte Zelda nicht fliehen. Wenn sie es auch nur zu gern getan hätte. Kapitel 3: Kapitel 3 -------------------- Zelda erwachte, von Jahren auf die Zeit vor der aufgehenden Sonne konditioniert, vor dem Morgengrauen. Sie erlaubte sich einen kurzen Moment der Freude – heute würde sie Urbosa, Daruk, Mipha und Revali wiedersehen – bevor sie die Federdecke zurückschlug. Der Steinfußboden war kühl, zu kühl für Zelda an diesem Morgen und sie huschte in Rekordgeschwindigkeit hinter den Paravent, um sich zu waschen und in das rituelle Gewand zu schlüpfen, das sie immer trug, wenn sie den Kontakt zur Göttin suchte. Und in die schmalen Schuhe, die wenigsten ein bisschen Schutz vor den frischen Temperaturen der sterbenden Nacht boten. Wie immer versuchte Zelda die Schritte des Auskleidens, der Waschungen und das Anlegen des weißen Kleides, das sie als Hohepriesterin Hyrules auswies, als Teil des Gebetes zu betrachten. Versuchte sich der rituellen Bedeutung mit jeder Bewegung ganz bewusst zu sein. Doch sie hatte Schwierigkeiten sich auf die vertrauen Handgriffe zu konzentrieren. Ihre Gedanken waren stets kurz davor abzuschweifen. Es gelang ihr kaum, die Bewegungen nicht automatisch, rasch und geistlos durchzuführen. Und so wollte sich die erwünschte tranceartige Versunkenheit nicht so recht einstellen. Dennoch hielt Zelda nicht inne. Entschlossen, vielleicht etwas kämpferischer als der Situation angemessen, stieg sie die Treppe zur zweiten Ebene ihrer Gemächer hinauf, der einem überdachten, kreisförmigen Balkon nicht unähnlich war. Versuchte mit jedem Schritt des Aufstiegs ein Stück der irdischen Zelda zurück zulassen, um mit jeder Stufe mehr zum leeren Gefäß zu werden, das die Göttin füllen konnte. Gen Osten blickend hielt sie inne, sah hinaus auf das dunkle Land, das sich, so weit sie blicken konnte, vor ihr ausbreitete. Sah zum Horizont, an dem sich das gedämpfte Farbenspiel der Sonne zeigte, die bald aufgehen würde. Seufzend kniete Zelda nieder. Es versprach kein besonders erfolgreicher Morgen zu werden – Göttinnen-weise. Ergeben faltete sie ihre Hände.   Göttin, Hylia, Schutzherrin unseres Landes. Ich bin hier. Ich bin bereit zu tun, was getan werden muss. Ich bitte dich. Was verlangst du von mir? Was soll ich tun? Bitte, sag es mir. Sag mir irgendwas … Hylia, ich ergebe mich deinem Willen.   Wie immer erhielt sie keine Antwort. Doch Zelda verharrte bis die Sonne am Himmel bereits hoch aufgestiegen war und die Sonnenstrahlen mit kitzelnden Finger begannen ihre Hände zu wärmen. Sie beendete ihr Gebet mit einer Danksagung und erhob sich. Schneller als gewöhnlich, aber ohne dem schlechten Gewissen, das deswegen in ihr hochstieg, viel Aufmerksamkeit zu schenken. Ihre Ungeduld würde sich heute eben nicht bremsen lassen.   Das Frühstück stand schon für sie bereit, als Zelda die Treppe hinab lief, um das rituelle Gewand abzulegen. Sie klaubte eine Wildbeere, die auf einer kleinen Pyramide Mitbeeren thronte, aufgestapelt neben einem Glas Milch und etwas, das verdächtig nach einem Stück Nusskuchen aussah. Von der zarten Säure begann Zeldas Zunge zu prickeln, als sie die Frucht an ihrem Gaumen zum Platzen brachte. Ihrer gewohnten königlichen Robe folgte der einfache Kranz aus Haar, den sie wie immer um ihren Kopf flocht, damit er ihr das Haar aus der Stirn hielt. Dann steckte sie ihn mit zwei himmelblauen Haarklammern fest. Eine kindliche Frisur. Vielleicht zu kindlich für jemanden der sechzehn Jahre alt war. Aber Zelda konnte sich nicht daran gewöhnen, ihr Haar anders zu tragen. Vielleicht als Erinnerung an ihre Mutter, die ihr immer genau diese Frisur geflochten hatte? Oder vielmehr als Erinnerung für ihren Vater. Daran, dass sie doch immer noch sein kleines Mädchen war. Ein Appell daran, dass er nicht so streng mit ihr sein sollte? Vielleicht war es auch etwas viel weniger Tiefgründiges. Vielleicht war es einfach nur praktisch. Es ermöglichte Zelda ohne Zofe auszukommen und damit mehr Zeit für ihre Forschungen zu haben. Oder ihre Gebete. Was wohl wichtiger war. Leider.   Letztendlich war es sowieso egal und so widmete sich Zelda unverhältnismäßig vergnügt ihrem Frühstück. Sie verbrachte den restlichen Morgen damit auf der Mauer ihres Turms zu stehen und abwechselnd die Luft, den Aufgang des Schlosses und die zuführenden Wasserstraßen zu beobachten. Und hoffentlich nicht völlig verrückt dabei auszusehen. Heute würde Zelda das jedoch in Kauf nehmen, wenn sie dafür die Ankunft der Recken nicht verpasste. Bei einem dieser Manöver blieb ihr Blick an einer vertrauten Gestalt im Schatten der Mauer hängen. Er stand am Aufgang zum dritten Wall und schien in ihre Richtung zu sehen. So ganz konnte Zelda das nicht erkennen, da die Sonne sie blendete. Nur an der vertrauten entspannt aufrechten Haltung und der Silhouette des Schwertes auf seinem Rücken, dem Fehlen der hylianischen Rüstung ließ sich ausmachen, um wen es sich handelte. Sie unterdrückte den Impuls mit der Hand die Augen zu beschatten, um ihn besser sehen zu können. Genauso gut hätte sie ihm zu winken können.   Zelda hatte noch nicht ansatzweise verarbeitet, dass er ihr nun nicht nur durch seine Taten als Held des Schwertes ihr eigenes Versagen vor Augen halten würde. Als ihr eigener Ritter, ihr Leibwächter, würde er bald ständig in ihrer Nähe sein. Sie hätte keinen Moment der Ruhe vor ihm und vor den Gefühlen des Scheiterns. Was für Zukunftsaussichten. Zelda wusste nicht, ob die Tatsache, dass er wohl auch wenn das Schwert ihn nicht auserwählt hätte zu ihrem Leibwächter ernannt worden wäre, das Ganze einfacher oder schwerer zu ertragen machte. Sie stellte sich die Frage, ob das Schwert ihn wegen seines Talents zu sich gerufen hatte, oder er so talentiert war, weil es ihm bestimmt war das Schwert zu führen. Keine der Varianten war besonders tröstend. Übermorgen, am Tag nach der Ernennung der Recken vor ganz Hyrule, würde er offiziell zu ihrem Leibwächter werden. Eigentlich sollte sie die Zeit des Friedens die ihr noch blieb besser nutzen, als hier zu stehen und Trübsal zu blasen. Dafür würde sich ihr noch Gelegenheit bieten. Zum Beispiel könnte sie in den alten Schriften die Impah ihr zur Untersuchung überlassen hatte, nach einer Verbindung zwischen dem Shiekah-Stein und den antiken Schreinen forschen, die man überall in Hyrule fand. Bisher hatte Zelda darüber nicht viel herausfinden können und war immer nur auf den wiederkehrenden Hinweis auf den erwählten Helden gestoßen. Was zugleich interessant und unglaublich frustrierend war. Er war überall. Sogar in ihren Forschungen. Und nun auch unten am Wall und machte es ihr unmöglich, nicht über ihn nachzudenken. Selbst jetzt fragte sie sich, ob er sie wohl heimlich beobachtete. Insofern man etwas heimlich tun konnte, wenn man im offenen Blickfeld des potentiell heimlich Beobachteten stand. Zelda runzelte die Stirn. Vielleicht nahm sie sich auch viel zu wichtig und er hielt im Stehen einfach nur ein Nickerchen. Oder zählte am Himmel die Vögel. Es war kein angenehmer Gedanke. Der, dass sie sich so wichtig nahm, nicht der mit dem Nickerchen. Peinlicherweise fühlte sich Zelda dabei seltsam missachtet. Wenn er schon so viel Raum in ihren Gedanken einnahm, war es doch das Mindeste, dass es ihm ähnlich ging. Bevor sie gezwungen war, sich tiefer mit dieser beunruhigenden Erkenntnis auseinander zu setzen, wurde Zelda durch das Geräusch großer Flügel abgelenkt, die die Luft mit lautem Rauschen zerteilten. Der plötzlich aufkommende Wind wehte ihr das Haar ins Gesicht und Zelda streckte unwillkürlich die Hand nach der Balustrade aus, um nicht von der Mauer gefegt zu werden. Mit großem Trara landete Revali mitten auf dem Wehrgang, einige Schritte von ihr entfernt. Während Zelda noch dabei war ihre Frisur zu richten, hatte er sich bereits aufgerichtet und sich in die Brust geworfen. „Prinzessin“, begrüßte er sie mit demselben Schnarren, das Zelda vom ersten Moment an heimlich amüsiert hatte. Er war so ein stacheliger Charakter. Stolz und aufbrausend. Ein wenig angeberisch vielleicht, allerdings mit gutem Grund. Entschlossen und voller Kraft. Für sein Können hatte er mehr gekämpft, als er es jemals zugeben würde, das hatte Zelda bereits in der kurzen Zeit ihrer Bekanntschaft über ihn gelernt. Das, und dass er es nicht leiden konnte, wenn man sich ihm ohne Ankündigung näherte. Er gab einen prächtigen Recken ab.   „Revali“, antwortete Zelda lächelnd und konnte ihr Erstauen darüber, dass er gerade hier gelandet war und ihre Freude darüber, nicht ganz aus ihrer Stimme fernhalten. Jedoch war der Recke der Orni jemand der von Schmeichelei lebte – selbst wenn er es selbst war, der sie aussprechen musste – und so glätteten sich die steil aufgestellten Brauen ein wenig und der stechende Blick seiner Augen wurde weich. Er deutete eine Verbeugung an. Etwas, das sie ihn noch nie hatte tun sehen. „Ich freue mich so sehr, dass du hier bist. Und so früh“, sagte Zelda und meinte es ernst. Fast vergessen war ihr baldiger Leibwächter und ihre düsteren Gedanken. Stattdessen lief sie nun beinahe in Gefahr vor Euphorie und alberner Freude überzusprudeln wie der Zierbrunnen im Park unterhalb ihres Turms. Endlich würde es losgehen. Endlich! Und so musste sie an sich halten, um nicht in die Hände zu klatschen wie ein kleines Kind. „Tja, nun“, begann Revali und fuhr sich mit einem Arm – Flügel? – in den Nacken. „Ich bin eigentlich spät aufgebrochen. Wahrscheinlich habe ich meine eigene Geschwindigkeit mal wieder unterschätzt. Tiba habe ich auch abgehängt, er wird sich hoffentlich nicht verflogen haben.“ Zelda lächelte. Und dann lächelte auch Revali. Es war ein kleines Grinsen. Beinahe schüchtern. Es sollte eigentlich nicht zu seiner sonst so hochtrabenden Art passen, tat es eigenartigerweise aber doch. „Ich werde dem Haushofmeister Bescheid geben, dass du angekommen bist. Wir haben den Turm für den Gesandten der Orni für die herrichten lassen.“ Zelda begann den Wehrgang entlang zugehen. „Es wird dir dort sicher gefallen“, sagte sie über ihre Schulter hinweg und winkte Revali zu ihr zu folgen.   Daruk war der nächste Recke der eintraf, begleitet von einem weiteren Abgesandten der Goronen. Kurz gefolgt von Mipha, die aus einem atemberaubend gefährlich aussehenden Sprung aus dem mittleren Wasserfall heraus, vor dem ersten Torhaus landete. Etwas weniger waghalsig, aber nicht weniger exotisch, entstieg ein weiterer, weit älterer Zora den zuführenden Gewässern. Am späten Nachmittag kam Urbosa mit ihrem wiegenden Schritt die Straße von Hyrule Stadt herauf, neben ihr eine stattliche Gerudo, die mit ihrer traditionellen Kriegerinnenmaske unnahbar und gefährlich aussah. Ihre Pferde hatten sie in einem der Ställe außerhalb der Stadt untergestellt, um ein wenig von der milden Temperatur und dem lauen Tag zu Fuß zu genießen, erklärte sie. Als Königin der Gerudo hatte sie kaum einmal einen ruhigen Tag für sich allein. Und Zeldas ungebändigte Freude darüber sie wieder zu sehen, wurde kurz von einer Welle des schlechten Gewissens überrollt. Doch das Gefühl schmolz in der mütterlichen Umarmung dahin, in die Urbosa sie zog. Seufzend schloss Zelda die Augen. „Mein kleines Mädchen sieht müde aus“, bemerkte Urbosa und hielt sie eine Armlänge von sich entfernt. Zelda lächelte vage und zuckte mit den Schultern. Urbosa schnalzte mit der Zunge und stemmte die Hand an eine Hüfte. Ihre golden funkelnden Waffen klapperten leise vom Schwung der Bewegung. „Nun, dann wollen wir uns diese anderen Recken einmal ansehen, meinst du nicht?“, fragte sie Zelda mit ihrer weichen, volltönenden Stimme und lächelte. Die andere Gerudo, die sich mit dem Namen Ekis vorgestellt hatte, stand mit grimmiger Miene neben ihnen. „Du wirst sie beim Fest heute Abend kennen lernen, das euch zu Ehren gegeben wird“, antwortete Zelda und sah auf in das ausdrucksstarke Gesicht der Gerudo Königin. Die alte Freundin ihrer Mutter lächelte immer noch, als Zelda ihre Arme hinter den Rücken verschränkte und eine mädchenhafte kleine Drehung vollführte. „Ich werde eure Ankunft erst einmal dem Haushofmeister bekannt geben. Dann könnt ihr euch in eure Quartiere zurück ziehen und ein wenig von der Reise ausruhen.“ Urbosa lachte, laut und aus dem Bauch heraus, wie es ihre Art war. „Ausruhen? Wer muss sich ausruhen? Ich bin es gewohnt durch den heißen Wüstensand zu laufen. Der Boden hier fühlt sich an als würde man auf Wolken gehen.“ Sie lächelte auf Zelda hinab, während sich Beide in Bewegung setzten. „Außerdem hat doch das Pferd die meiste Arbeit übernommen. Und ich habe nur faul oben drauf gesessen und mir die Landschaft angesehen.“ Sie beendete ihren Satz mit einer eleganten Geste ihres Armes und sandte ihrer Begleiterin einen vielsagenden Blick zu. Ekis nickte nur und glich dabei in ihrer Schweigsamkeit so sehr Zeldas baldigen Leibwächter, dass sie gegen ihren Willen lachen musste. „Du hast es verdient, ab und an auch einmal faul zu sein, Urbosa.“ Sie strahlte zu der großen, schönen Frau auf, badete in der wärmenden Präsenz der Gerudo Königin wie eine Frühlingsblume in den ersten Sonnenstrahlen. Urbosa lachte erneut. Dann blieb sie stehen und legte den Kopf in den Nacken, um zur Spitze des Schlosses hinauf zu blicken. „Wo wird die Zeremonie stattfinden?“ Sie wandte sich Zelda zu. „Im Thronsaal“, antwortete die Prinzessin und nickte zum besagten Ort hinauf. „Unter der Anwesenheit aller Würdenträger des Schlosses und den anderen Edlen. Und wir freuen uns besonders, dass weitere Vertreter der vier Völker Hyrules anwesend sein werden.“ Sie schenkte Ekis ein scheues Lächeln, denn anders als Urbosa, die Zelda stets mit mütterlicher Zuneigung begegnete, schüchterte die andere Gerudo sie ein wenig ein. Ekis senkte langsam den Kopf, eine Hand auf ihre Brust gelegt und Zelda fasste es als Geste der Ehrerbietung und Dankbarkeit auf. Ein wenig erleichtert setzte sie sich wieder in Bewegung. „Erzähl mir von den Neuigkeiten aus Gerudo Stadt“, sagte Zelda nach ein paar Schritten. „Habt ihr herausfinden können, wie dieser Hylianer es geschafft hat sich in die Stadt zu schleichen?“ Urbosa hatte Zelda bei ihrem offiziellen Besuch vor einigen Wochen von einem vorwitzigen Vooi hylianischer Abstammung erzählt, den man unlängst in der Waffenkammer gefunden hatte. Die Gerudo Königin lächelte bei der Erinnerung, während Ekis die Augenbrauen zusammenzog. „Ich hatte dir davon erzählt, hm?“, fragte sie und strich sich mit dem Handrücken elegant über die Wange. „Nun, es stellte sich heraus, dass der Schlawiner sich in einem Fass versteckt hatte, in dem Weizen aus Tabanta angeliefert werden sollte.“ Urbosa stieß ein Lachen aus. „Der Kleine war derart entschlossen, dass er den ganzen Weg von seinem Dorf aus in diesem Fass gesessen hat.“ Sie drehte den Kopf und grinste Zelda an. „Er wäre auf der Strecke zwischen der Oase und Gerudo Stadt beinahe an einem Hitzeschlag gestorben, weile er seine Kühlungstränke falsch dosiert hatte.“ Sie seufzte, während Ekis neben ihr spöttisch schnaubte. „Ach, so jung und töricht zu sein.“ Urbosa schien sich über die ständigen Versuche fremder Voois, in die für Männer verbotene Stadt einzudringen, eher zu amüsieren. Zelda hatte bei ihrem Besuch dort ihre männlichen Wachen vor den Mauern zurück lassen müssen und hatte nur mit ihren Hofdamen einreisen dürfen. Bei dem Gedanken verdüsterte sich Zeldas Miene und das Lachen über Urbosas Vergnügtheit blieb ihr im Hals stecken. Bald würde es mehr benötigen als eine Stadt voller grimmiger Kriegerinnen, um ihre zukünftige Wache loszuwerden. Wenn es überhaupt möglich war. Gemeinsam traten sie in den Schatten des ausgehöhlten Felsens ein, in den Zeldas Turm hineingebaut war. Zelda verschränkte die Arme gegen die plötzliche Kühle. Die Bewegung fesselte Urbosas Aufmerksamkeit. Einige Schritte schwieg sie, bis Zelda ihren Blick erwiderte. „Möchtest du mir erzählen, was dich so betrübt, kleiner Vogel?“ Urbosas Stimme war sanft und leise. Die Verwendung des Kosenamens, den Zeldas Mutter ihr schon als kleines Mädchen gegeben hatte, löste ihre verschränkten Arme. Mit einem Mal spürte sie die Anspannung der letzten Tage, der letzten Wochen, der letzten Jahre, in jedem einzelnen ihrer Knochen. Sie fühlte kraftlos. Und ihre Vorbehalte erneut die Last ihrer Sorgen auf Urbosas Schultern abzuladen – Schultern die so stark, so unerschütterlich wirkten – schmolz dahin wie sonnenbeschienener Schnee. „Der König hat mir einen eigenen Leibwächter zugeteilt“, begann Zelda. Ihre Stimme klang seltsam hoch und ein wenig atemlos, als würde es ihr körperliche Schwierigkeiten bereiten die Worte auszusprechen. Urbosa schwieg und blickte taktvoll geradeaus, hatte aber die Geschwindigkeit ihrer Schritte gedrosselt, so dass sie hinter der stramm voran schreitenden Ekis ein wenig zurück fielen. „Ich weiß dass diese Maßnahme notwendig ist“, fuhr Zelda fort, da sie Urbosas Schweigen als Zustimmung zu dieser Entscheidung ihres Vaters deutete. „Durch die vielen Monsterübergriffe ist es mir unmöglich geworden nur mit meinen Hofdamen zu den Quellen zu reisen. Und Hyrule kann nicht ständig Ritter für meinen Schutz entbehren.“ Zelda sah zu Boden. Sie waren beinahe bei Ekis angelangt, die bereits am Seiteneingang zum Schloss auf sie wartete. Zelda blieb stehen. Sie wollte vor dieser so stark und unabhängig wirkenden Frau nicht von den Sorgen und Nöten sprechen, die sie eigentlich gar nicht haben dürfte. „Wer?“ fragte Urbosa nach einem Moment. „Das ist es ja gerade“, brach es aus Zelda hervor. „Der Ritter mit dem heiligen Bannschwert“, sagte sie und konnte ihre Stimme nicht ganz frei von Bitterkeit halten. „Vater wird es nach der Zeremonie der Recken offiziell bekannt geben.“ „Link?“ Zelda blieb stehen. „Du kennst ihn?“ Bestürzt sah sie zu Urbosa hoch. Oder eher zu ihrem Rücken, denn die Gerudo war nicht stehen geblieben. „Nein. Ich habe ihn getroffen“, sagte diese über ihre Schulter hinweg und sah dann wieder nach vorne. „Einige meiner Kriegerinnen … kennen ihn.“ Zelda runzelte die Stirn und setzte sich wieder in Bewegung. Betrachtete skeptisch Urbosas Hinterkopf. Was meinte sie damit, einige ihrer Kriegerinnen kannten ihn … ? Meinte Urbosa, dass sich Krieger auf eine andere Art kennen lernten? Wurde er dort nicht gemocht? Die Möglichkeit verschaffte ihr ungeahnte Glücksgefühle. „Das ergibt Sinn, Zelda“, sagte Urbosa vorsichtig. „Auch wenn ich noch keine Ahnung davon habe wie man dieses Blitze schleudernde Monstrum kontrolliert, bin ich mir ganz sicher, dass es meine volle Konzentration fordern wird.“ Sie drehte sich erneut zu Zelda um. „Wir alle werden unsere Titanen zu steuern haben. Und er wird sowieso da sein und Ganon zusetzen, sollte es so weit kommen. Er wird da sein, um die Verheerung mit dem heiligen Schwert zu bannen, damit du Ganon versiegeln kannst.“ Urbosas Stimme klang weich und beruhigend, als würde sie auf einem verängstigtem Kind erklären, dass unter dem Bett wirklich kein Monster lauern konnte. Was im weitesten Sinne wohl eine ähnliche Situation war. Sie ließ ihren Blick über Zelda schweifen und sah dann in die Ferne, in die ungefähre Richtung in der ihre Heimat lag. Die Wüste, dieser Ort voller Gegensätze. „Es ist nur logisch dass er dich dabei auch beschützt.“   Urbosas so einfach ausgesprochenes Vertrauen in Zeldas Fähigkeit die Verheerung versiegeln zu können, legte sich wie ein sanfter Regen über die schwelende Glut in ihrem Inneren. Berührt und ein wenig desorientiert blinzelte sie. „Aber“, begann Zelda, hatte aber vergessen was sie sagen wollte. Sie war so sehr daran gewöhnt, dass ihr bisheriges Unvermögen die Kräfte Hylias in sich zu erwecken thematisiert wurde, dass Zelda Schwierigkeiten hatte mit dieser Zuversicht in ihre Fähigkeit umzugehen. Aus dem Segel ihres frustrierten Missmuts war die Luft entwichen und nun hing es schlapp herab. Ähnlich wie ihre Schultern. „Aber es sollte nicht nötig sein“, beendete Zelda ihren Satz kaum hörbar. Und obwohl es der Wahrheit entsprach, schließlich sollte die Kraft des Siegels von unendlich großer Macht sein, so fehlte Zelda für den Moment tatsächlich das bisher so flammenartig aufgebrauste Gefühl unfair behandelt worden zu sein. „Was hältst du denn von ihm?“ fragte Urbosa gnädigerweise, als wüsste sie um Zeldas Dilemma. Zelda seufzte. „Ich beneide ihn“, gestand sie und blickte nach vorn. Was hatte es auch für einen Zweck unehrlich zu sein? „Ich hätte auch gern etwas so Greifbares wie ein Schwert, um mich zu beweisen. Unglücklicherweise liegt der Schlüssel zu meinem Schicksal nicht in der materiellen Welt.“ Sie sprach leise, denn sie hatten den seitlichen Eingang zum Schloss erreicht, in deren Gang Wachposten patrouillierten. Anstatt einer Antwort legte Urbosa ihr eine sanfte Hand auf die Schulter. Zelda konnte Mitgefühl und Zuneigung in der Geste spüren und fühlte wie sie sich ein wenig entspannte. „Wie wäre es, wenn du uns doch diese Quartiere zeigen würdest, Prinzessin?“ Urbosa legte den Kopf schräg und wies Zelda an vorzugehen. „Nachdem ich euch bei dem Haushofmeister angekündigt habe“, versprach Zelda. „Sonst lässt er euch im hohen Bogen wieder aus dem Schloss werfen, egal ob du nun eine Königin oder Hylia persönlich bist“, fügte sie als Erklärung hinzu. Ekis, die nun wieder dicht bei ihnen ging, zog die Augenbrauen hoch. Die Maske, die manche der Gerudo Kriegerinnen trugen um den feinen Wüstensand nicht einzuatmen wenn sie ihre Kampfschreie ausstießen, ließ ihr Gesicht im Halbdunkeln des Ganges seltsam artifiziell wirken. Zelda hoffte, dass sie sich, wenn schon nicht für die morgige Zeremonie, vielleicht für die abendliche Feierlichkeit dazu überreden ließ das Ding abzunehmen. Und überhaupt, wie wollte sie damit essen? Urbosa lachte über Zeldas Darstellung des Haushofmeisters, die leider nur ein klein wenig übertrieben war. „Nun“, sagte sie amüsiert, „dann bin ich sehr gespannt ihn kennen zu lernen.“       Die Feierlichkeiten zur Ehren der Recken Hyrules war ein Fest wie kein anderes das Zelda je erlebt hatte. Zumal, seitdem sich die Vorhersagen der Wahrsager immer häufiger bewahrheiteten, kaum noch etwas gefeiert wurde. Doch an diesem Abend würzte Hoffnung die Luft im Saal und es wurde mehr gelacht als Zelda in ihrem Leben dort gehört hatte. Dabei schien Daruk Urbosa noch zu übertreffen. Die wiederum immer wieder den König selbst zu tiefen, polternden Bekundigungen seiner Belustigung veranlasste, während sie ihn mit Geschichten über die mannigfaltigen kreativen Einfälle männlicher Draufgänger unterhielt, die versuchten in Gerudo Stadt einzudringen. Sie saß direkt neben ihrem Vater, an dessen rechter Seite – ein ehrenvoller Platz, der ihr als enge Freundin der verstorbenen Königin zugeteilt worden war. Neben ihr saß Revali, der zwischen lauten Erzählungen über seine Heldentaten immer wieder vernichtende Blicke zu Link hinüber warf, der ihm direkt gegenüber platziert war, eingekeilt zwischen Daruk und Mipha. Zelda ertappte sich dabei, wie sie selbst von ihrem Sitzplatz an der Stirnseite der Tafel, neben dem König, immer wieder verstohlen zu dem Trio hinüber warf. Es stellte sich heraus, dass nur Revali und Zelda vor Links Auserwählung durch das Bannschwert noch nie von ihn gehört hatten. Sowohl Daruk, als auch Urbosa hatten ihn getroffen, als er noch schlichtweg nur der beste Schwertkämpfer des Landes gewesen war. Und Mipha … nun, Mipha kannte ihn wohl schon seit sie beide Kinder gewesen waren. Zelda hatte Schwierigkeiten sich das vorzustellen. Der Held Hyrules als kleiner Junge. Wie er wohl gewesen war? War er je hingefallen und hatte weinend bei seiner Mutter Trost gesucht? Der Gedanke war verstörend und gleichzeitig merkte Zelda, wie sie sich nach irgendeinem Anhaltspunkt sehnte, der es ihr möglich machte ihn einzuschätzen. Daruk lachte immer wieder laut und grollend und schlug ihm herzhaft auf die Schulter. Was schmerzhaft sein musste, denn Mipha stürzte immer wenn es geschah entrüstet die Lippen. Link jedoch schien einigermaßen unbeeindruckt von dieser schlagkräftigen Geste der Zuneigung. Nicht mal als der Schwung eines besonders freundlich gemeinten Schlags seinen Oberkörper nach vorne katapultierte und er sich an der Tischkante abfangen musste, zeigte er eine großartige Reaktion. Keine Regung auf seinem Gesicht, nur ein Blick hinauf zu dem hünenhaften Goronen, der sich immer noch meisterlich amüsierte. Eine Geste Miphas, die ihre Hand auf Links Unterarm legte, nahm seine Aufmerksamkeit gefangen und er wandte sich von seinem alten Freund – wie Zelda nun wusste – ab. Mipha flüsterte irgendetwas, es war über das Stimmengewirr, das in der Halle lärmte, kaum zu verstehen, doch Zelda meinte zu hören, wie sich die Zora Prinzessin nach seinem Wohlergehen erkundigte. Der Ritter schien ihr zu antworten, doch zu Zeldas unendlicher Frustration konnte sie nicht einmal seine Stimme hören. Es überraschte sie, wie angestrengt sie es jedoch versuchte. Zelda presste die Lippen aufeinander. Zum Kuckuck noch mal! In diesem Augenblick sah er auf und ihre Blicke trafen sich. Für einen Moment war es, als würde sich die Zeit verlangsamen. Um Zelda herum wurde es still. Ihre gesamte Wahrnehmung konzentrierte sich auf dieses Gesicht. Diese Augen. Diese unergründlichen, blauen Augen, die ihren Blick erwiderten. Stoisch. Emotionslos. Was sah er, wenn er sie ansah? Was dachte er? Verbarg sein flacher Gesichtsausdruck seine Verachtung für die missratene Prinzessin? Verabscheute er diese neue Aufgabe, die sein Herrscher ihm aufgedrückt hatte? Empfand er es als Schande das heilige Schwert in die Dienste ihrer Verfehlungen stellen zu müssen? Die Gedanken erschreckten, demütigte sie. Und dennoch wäre es Zelda lieber gewesen, wenn sie darüber Gewissheit gehabt hätte. Es ihn hören sagen würde. Der Moment riss entzwei, als Miphas Kopfschmuck sich in Zeldas Blickfeld schob. Die Geräusche kehrten zurück, mit einer ohrenbetäubenden Lautstärke und Zelda atmete zitternd aus. Sie sah hinab auf ihren unberührten Teller. Wenn sie den ganzen Abend nichts aß, würde das ihren Hofdamen auffallen. Und Zelda würde sich einmal mehr eine Predigt über die Wichtigkeit guter Gesundheit anhören müssen. Ihre Hand fand den silbernen Löffel neben ihrem Teller und mit langsamen Bewegungen begann sie zu essen. Darauf bedacht ihren Blick nicht noch einmal an der linken Tischseite entlang gleiten zu lassen.   „Das war ein wunderbares Mahl“, sagte Urbosa genießerisch und streckte sich herzhaft. Der Schwung ihrer Hüften ließen ihren goldenen Gürtel sanft klirren, ein Geräusch das Zelda gefiel. Sie beschwor ein Lächeln herauf, lief jedoch schweigend neben der Gerudo Königin her, die Hände vor dem Bauchnabel verschränkt. Sie waren auf dem Weg zu Zeldas Gemächern, Urbosa hatte sie dorthin begleiten wollen. Um Zelda sicher in ihrem Bett zu wissen und einen Blick auf den Shiekah Stein werfen zu können. Zelda hatte während ihres Besuchs in Gerudo Stadt davon erzählt und auch beim Festmahl kaum aufhören können darüber zu sprechen, nachdem sowohl Urbosa als auch Revali daran Interesse gezeigt hatten. „Urbosa?“ begann Zelda nachdenklich, als sie in den halbdunklen Gang eintraten, der zu ihren Turmgemächern führte. „Ja, Vögelchen?“ Der Kosename sandte wie immer eine Welle der Zuneigung und der Sehnsucht durch Zeldas Herz. Um den süßen Schmerz zu vertreiben, vergrub sie ihre untere Zahnreihe in ihrer Oberlippe. „Wie schlimm ist es wirklich.“ Zelda schluckte. „In der Wüste, meine ich.“ Sie sah auf. „Mit den Yiga?“ Den letzten Teil der Frage hatte sie geflüstert. Zelda war den Yiga erst ein einziges Mal begegnet. Unterhalb des Thronsaals von Gerudo Stadt, als zwei magisch verkleidete Clanmitglieder aus dem Hinterhalt hatten angreifen wollen. Urbosa hatte kurzen Prozess mit ihnen gemacht, sodass die Gefahr Zelda nicht real vorgekommen war. Ihre Furcht vor den abtrünnigen Shiekah rührte nicht allein von deren Angriffskraft, sondern vielmehr von dem Plan her, die Verheerung Ganon wiederzubeleben. Urbosa schwieg eine Weile, während sie sich der Tür zu Zeldas Gemächern näherten. „Sie sind dreist“, sagte die Königin. Ihre Stimme klang ernst und ihr Blick schien in die Ferne zu wandern. Wahrscheinlich über die Weite der Ebene hinweg, über die Berge zurück zu ihrem Volk. Sie schwieg, bis Zelda die Tür zu ihren Gemächern öffnete und hineintrat. Urbosa folgte ihr. Immer noch abwesend strich sie über den Kaminsims und wanderte hinüber zu dem Spiegel, vor dem Zelda sich immer das Haar flocht. Mit einem tiefen Seufzen drehte die Gerudo sich um. Auf ihrem Gesicht zeigte sich erneut ein Lächeln. „Zeig mir diesen Wunderstein, von dem du den ganzen Abend gesprochen hast, kleiner Vogel. Je eher du mir diese Zauberfunktion vorführst, desto eher kann ich zurück zu meinem Quartier und mir Ekis Beschwerden darüber anhören, dass man sie so weit weg gesetzt hat.“ Zelda sah zu Boden. Sie hatte verstanden. Urbosa würde nicht weiter mit ihr über die Yiga sprechen. Und in ihrer Miene und in ihrer Stimme war deutlich zu lesen, dass diese Entscheidung fest stand. „Ich gehe ihn holen“, sagte Zelda leise und lief mit eiligen Schritten zur Treppen.           „Krieger von Hyrule! Ihr habt euch alle fünf dazu bereit erklärt, eine lebensgefährliche Mission auf euch zu nehmen. Ich danke euch!“ Die Stimme ihres Vaters erfüllte den Thronsaal. Zelda konnte es nicht immer sehen. Aber er gab wahrlich einen prächtigen König ab. Die Autorität seines Blutes umhüllte ihn wie eine Aura aus Stahl und seine mächtige Präsenz erhellte jeden Teil des riesigen runden Raumes.   „Vom heutigen Tage an seid ihr die Recken von Hyrule. Tragt eure Gewänder mit Stolz! Ihre blaue Farbe ist seit alten Tagen das ehrwürdige Symbol unseres Königshauses.“   Bei seinen Worten musste Zelda den Impuls unterdrücken sich zu den fünf Recken umzusehen, die in einem feierlichen Halbkreis einige Schritt hinter ihr standen. Sie selbst befand sie genau in der Mitte des Thronsaals, direkt auf dem Emblem des Triforce positioniert, das in den Boden gemeißelt war. Daruk, Mipha, Link, Urbosa und Revali, das erste Mal in ihren Reckengewändern. Sie konnte sich gar nicht satt an ihnen sehen. Wie beabsichtigt trugen alle vier die Gewänder auf andere Weise. Daruk und Mipha hatten die Stoffbahnen um den Körper geschlungen, über einer Schulter mit eine Spange gehalten oder einfach geknotet. Urbosa hatte damit den asymmetrischen Rock ersetzt, den sie trug seid Zelda sie kannte und um Revalis Hals hing das Reckenzeichen wie ein Schal. Deutlich zu sehen prangten die Abbildungen der Titanen auf den Stoffen. Stolz. Stark. Hoffnungstragend. In ihrer Mitte, direkt hinter Zelda, stand Link. Mit dem hylianischen Gewand, das heilige Bannschwert direkt auf der Brust prangend. Trotz des überfüllten Thronsaals, der unzähligen Augenpaare, waren es seine Blicke, die in ihrem Rücken zu brennen schienen. Die Zeremonie hatte am Vormittag begonnen. Nach und nach hatte Zelda die Recken, an derselben Stelle stehend wie auch im jetzigen Augenblick, feierlich und schweigend begrüßt. Der Zeremonienmeister hatte ihnen die Plätze zugewiesen und so lange an ihnen herum geschoben, bis er zufrieden mit dem Gesamtbild war. Mit jedem Eintreten eines neuen Recken war die Spannung im Thronsaal gestiegen, bis ihre Gesamtheit, der Anblick aller fünf Champions in ihren Gewändern Zelda eine Gänsehaut verschaffte. Einige ausgewählte Ritter waren anwesend, ebenso die königliche Leibgarde. Edle von Schloss und Stadt und die mitgereisten Würdenträger der anderen Völker, die wiederum neben Bannern an hohen Lanzen standen, aufwändig bestickt mit dem Wappen der Goronen, Zora, Orni und Gerudo. Über Link wehte der Banner mit dem Triforce Symbol und ein Leibgardist der Zelda bekannt vorkam, komplettierte seine Aufstellung.   „Die Idee, euch diese Gewänder zu verleihen, stammt von meiner Tochter Zelda“, fuhr der König fort und ließ seinen Blick über die Menge schweifen. Zelda hatte nicht damit gerechnet dass der König erwähnen würde, dass es ihre Idee gewesen war. Sie wusste nicht ob es Stolz war, der ihn leitete. Vielleicht wollte er auch nur das Volk von dem Wert ihrer Prinzessin überzeugen. Nein. Nicht heute. Sie war die Prinzessin Hyrules. Stark angesichts des Schreckens. Das Gefäß der Göttin. Eigentlich. Sie würde sich an diesem Tag nicht von spekulativ verletzenden Gedanken in die Knie zwingen lassen. Für diesen Tag hatte sie gekämpft. Und gewonnen. Dieser Tag war wichtig.   „Dich, meine Tochter, möchte ich darum bitten, die Pflicht zu erfüllen, die dein königliches Blut dir auferlegt“, sprach der König Zelda nun direkt an. Es war Teil der Zeremonie, etwas das diskutiert und entschieden worden war, dennoch war es kraftvoll zu hören. Und natürlich würde sie ihre Pflicht erfüllen. So gut sie konnte. Sie atmete tief ein und schloss bestätigend die Augen in einem stummen ja, das sie an die Göttin, an Ganon, an Hyrule aussandte. Ja, sie würde tun was in ihrer Macht stand. Ihr ganzer Körper richtete sich auf, als sie von einer Zuversicht erfüllt wurde, die sie lange nicht empfunden hatte. Der König erhob die Hände, streckte sie zur Seite, hin zu den riesigen Schalen, in denen hohe Feuer brannten.   „Führe diese wackeren Recken in den Kampf. Beschütze Hyrule und besiege die Verheerung Ganon. Damit unser Land eine Zukunft hat!“   Die Dramatik des Augenblicks gipfelte in dem Krachen des Feuerwerks, das zeitgleich mit Beendigung seiner Rede gezündet wurde. Durch die hohen Fensterbögen drangen Lichter in allen Farben Hyrules und erhellten den Thronsaal in einem prächtigen Mosaik. Wie die Scherben eines Spiegels brachen sich die frohen Schatten an den Mauern und auf den Gesichtern der Anwesenden. Die Hoffnung, die Zuversicht war greifbar. Jeder schien es zu fühlen. Die Glocke in der Turmspitze begann zu läuten. Zelda lächelte. Es war wunderbar. Dann senkte der König seine Hände und ihre Blicke trafen sich. Seine Miene war ernst und feierlich. Sie sandte ihm ein stummes Nicken, das er ihr auf die gleiche Art beantwortete. Sie war ihm dankbar dafür, dass er die Wichtigkeit der antiken Technologien begriff. Dass er nicht all seine Hoffnung auf ihr ablud. Es war nicht allein die Abwesenheit ihrer Siegelkräfte. Denn bereits vor dem Tod ihrer Mutter hatte ihr Vater die Shiekah mit der Erforschung und Ausgrabung der verschollenen Technologien betraut. Es sollte sie unterstützen. Ihr ein wenig von der Last nehmen, die ihre Aufgabe bedeutete.   Auf einmal wurde es heller und Stimmen drangen an ihr Ohr. Jemand hatte die großen Türen aufgestoßen und die Massen strömten hinaus ins Freie. Ein wenig verwirrt drehte Zelda sich um. Es fühlte sich seltsam antiklimaktisch an. So vieles schien in diesen Augenblick gegipfelt zu haben. Dass er nun einfach vorbei sein sollte, nach so viel Planerei, schien ihr unwirklich.   „Prinzessin“, sagte eine Stimme hinter ihr und Zelda zuckte zusammen. Sie fuhr herum. Neben ihr stand Mina, die sie ein wenig verlegen ansah. „Verzeiht mir, Euer Hoheit“, sagte ihre Hofdame entschuldigend. „Meister Robelo ist eingetroffen, ich sollte Euch doch mitteilen, sobald er-“ „Ja“, fiel Zelda ihr ins Wort. „Ja“, wiederholte sie aufgeregt. Robelo war da. Früher als geplant. Aber das war wunderbar. Denn Purah, die für die Zeremonie eingetroffen war, um danach den Recken die nächsten Schritte in der Operation Vernichte Ganon mitzuteilen, würde bereits auf sie warten. Wie großartig, dass Robelo an dem Treffen würde teilnehmen können. Erneut drehte sich Zelda um. In Richtung Tor, durch das immer noch die Gäste nach draußen strömten. Dann stoppte sie unwillkürlich, als ihr Blick auf die fünf Recken fiel, die immer noch, mehr oder weniger, am selben Fleck standen. Daruk war im Inbegriff sich zu strecken, so gewaltig, dass sie das Knacken seiner Gliedmaßen hören konnte. Urbosa betrachtete ihre Fingernägel und Revali sprach mit dem Orni seines Dorfes, stand von ihr abgewandt. Nur Mipha und Link sahen geradeaus. Zu ihr. Mipha mit verschränkten Händen und geduldiger Miene. Und Link … Nun, Link war … Zelda stockte der Atem. Seine Augen schien durch sie hindurch zu bohren. Die Intensität seines Blicks traf sie völlig unvorbereitet. Heiß lief ihr die Vorahnung durch die Arme, die Schultern hinauf. Sie spannte sich an. Versuchte einen klaren Kopf zu erlangen. Doch bevor sie so recht verstanden hatte, was da vor sich ging, war es auch schon vorüber. Es schien, als würde sie beobachten, wie er einen Teil seines Selbst mit einem Netz einfing und wieder zu sich heranzog. Bis es mit der bewegungslosen äußeren Hülle verschmolz und dahinter verschwunden war. Er blinzelte kurz. Schien einen tiefen Atemzug zu nehmen und dann war alles so, wie es bisher immer gewesen war. Wie sollte sie damit umgehen? Was war das gewesen? Hatte sie sich das eingebildet? Worauf hatte er reagiert? Die Zeremonie. Ihr Anblick? Sah er sie immer so an, wenn sie ihn nicht sehen konnte? Rasend schnell feuerte ihr Hirn Fragen ab. Was erst aufhörte, als Link mit einem leichten Nicken seines Kopfes eine Verbeugung andeutete und seine Augen niederschlug. Zeldas Augenbrauen zogen sich zusammen. Was, bei Hylias Laute, war da gerade passiert? Sie zwang sich langsam und gleichmäßig auszuatmen. Nicht heute. Sie würde sich heute auch nicht von dem Urteil, das Hyrules am hellsten scheinender Held, zu den Verfehlungen der Prinzessin abgab, einschüchtern lassen. Zelda reckte das Kinn in die Höhe. Nur ein ganz kleines Bisschen. Genug um sich das Gefühl zu geben, aufrecht und kontrolliert zu erscheinen, nicht so viel um sich ansehen zu lassen, dass sie ihr Kinn mit einer bestimmten Absicht hob. Dann legte sie Mina, die immer noch ein wenig abseits stand und sie unsicher beobachtete, eine Hand auf den Arm. „Ich danke dir. Für den restlichen Tag werde ich deine Dienste nicht benötigen.“ Sie brachte sogar ein kleines Lächeln zustande, das Minas Gesichtsausdruck entwölkte. Die Hofdame nickte und knickste. Dann war sie verschwunden. Erneute atmete Zelda tief ein. Dann trat sie vor, die Arme für ihr Empfinden ein wenig zu steif haltend, aber immerhin aufrecht und graziös. „Ich freue mich euch als Recken Hyrules an meiner Seite zu wissen“, begann Zelda mit ernster Stimme, die nur ein klein wenig zitterte. Sie ließ ihren Blick von Daruk zu Mipha und über Link weiter zu Urbosa und Revali wandern, die ihr beim Klang ihrer Stimme ihre Aufmerksamkeit zuwandten. Zelda zwang ihre Mundwinkel in die Höhe. Erst jetzt spürte sie, wie sehr der Moment sie bewegte. Dies waren ihre Recken. Nicht nur für Hyrule und für ihre Völker würden sie kämpfen. Sie würden an ihrer Seite stehen. Ihr dabei helfen, sich der Verheerung entgegen zustellen und – mit Hylias Hilfe – zu besiegen. Ein schier unerträgliches Kribbeln durchfuhr ihren Körper und sie musste sich gegen das kleine Schütteln wehren, das in ihr aufstieg. Nicht nur die Auswüchse ihrer Phantasie, die Gedanken was der Ritter mit seinem heiligen Schwert von ihr denken mochte, plagten sie. Hoffnung, Dankbarkeit, Zuversicht. Die Angst zu enttäuschen Diese wunderbaren Vertreter der Völker Hyrules, die so vieles zu opfern bereit waren, zu enttäuschen, war um so viel stärker als die Angst vor einem Jahrtausende alten Fluch. „Ich danke euch“, brachte sie hervor. Mit deutlich stärkerem Zittern in der Stimme. Viel emotionaler, als sie es gewollt hatte. Es war ihr jedoch unmöglich das starke Gefühl zu unterdrücken. Jeder einzelne von ihnen schien es zu spüren. Selbst der starrköpfige Ausdruck auf Revalis strengem Gesicht schien sich zu lösen. Mipha betrachtete sie mit demselben rührseligen, melancholischen Blick, mit dem Zelda sie ihren Bruder Sidon hatte ansehen sehen. Tränen der Rührung stiegen in ihr auf und panisch versuchte Zelda sie hinunter zu ringen. Bevor sie sich vor den tapfersten Gestalten Hyrules blamieren konnte, räusperte sie sich und setzte sich in Bewegung. „Kommt, es wird Zeit sich zu beraten.“ Ohne sich noch einmal umzusehen ging Zelda an ihnen vorbei. Streifte mit einem langen Ärmel ihrer Robe Links Seite. Trotzdem verlangsamte sie ihre Schritte nicht. Hinter ihr hörte sie, wie sich mehrere Paar Füße in Bewegung setzten. Und mit ihrem Trupp Helden im Rücken, trat Zelda in den hellen Sonnenschein.     Auf halbem Weg hinunter zum Schlossgarten, wo sich Zelda ein wenig Abgeschiedenheit für die Besprechung mit den Recken versprach, trafen sie auf Purah. Sie stand vor dem Eingang zum zweiten Torhaus und sah ihrer kleinen Gefolgschaft entgegen, die Hand erhoben, um sich gegen die blendend hoch stehende Mittagssonne zu schützen. Wie immer konnte man die Energie, die von der Shiekah Forscherin ausging, beinahe greifen. Vor Begeisterung schien sie wie gewöhnlich kurz davor, ein Loch in den Boden zu vibrieren. „Meine Güte hat das lange gedauert.“ Sie klang eher ungeduldig als unverschämt, mit ihrer hellen Kleinmädchenstimme. „Kommt schon, kommt schon“, sagte sie und wedelte mit ihrer Hand in Richtung der schattigen Toröffnung. „Ich will endlich hören, was Robelo zu sagen hat.“ Dann, dem Anschein nach vollkommen überzeugt davon, dass Zelda und die Recken ihr in gerader Linie folgen würden, ging sie voraus. Sie war schneller im Schatten des Eingangs zum Torhaus verschwunden, als Zelda den Mund öffnen konnte, um sie zu begrüßen. Aber Purah schien ihr immer einen Schritt voraus zu sein. Zelda lächelte und sah über ihre Schulter nach hinten. Direkt in wache, blaue Augen, deren Anblick sie kurz aus dem Konzept brachten. Natürlich würde er direkt hinter ihr sein. Sie atmete kurz ein, unterdrückte den Impuls die Augen zu verdrehen. Mipha kam mit sanft klirrendem Kopfschmuck neben Zelda zum stehen, während Urbosa mit ihrem gemächlichen, wiegenden Gang einige Schritte hinter ihnen herab gelaufen kam. Daruk sprach mit Revali, gestikulierte heftig in alle Richtungen und schien immun gegen die spöttischen Blicke zu sein, die der Orni ihm zuwarf. Zelda seufzte, setzte sich dann aber wieder in Bewegung. Ihr Ziel war der hübsche Pavillon im Schlossgarten unterhalb ihres Turms. Dort würden sie ein wenig Abgeschiedenheit finden, ebenso wie ein bisschen Schatten vor der unbarmherzigen Sonne die auf sie nieder brannte.       Purah winkte ihnen erneut ungeduldig entgegen, als Zelda mit den Recken im Rücken über das Gras zu dem überdachten Platz schritt, der idyllisch neben einem malerischen kleinen Teich über den tiefen Graben um Schloss Hyrule blickte. Da der Pavillon nur einen Eingang besaß, den man über einen Treppenaufgang erreichte, mussten sie ein Stück um das steinerne Geländer herumgehen, um eintreten zu können. Purah seufzte. „Da seid ihr ja endlich.“ Purah ließ einen Blick über die Gruppe schweifen. „Gute Idee, das mit dem Blau“, meinte sie lächeln. Bevor Zelda sich geschmeichelt fühlen konnte, weitete sich Purahs Lächeln zu einem breiten Grinsen. „Passt zu deinen Augen, Linky“, sagte sie, mit gutmütigem Spott in der Stimme. Zelda folgte ihrem Blick stirnrunzelnd. Angesprochener zeigte bis auf ein kleines Zucken seiner Mundwinkel keine Reaktion. Dennoch war es mehr Mienenspiel als Zelda je an ihm gesehen hatte. Linky? Sie sah zurück zu Purah, die immer noch grinste. Hinter ihren runden Brillengläsern funkelte es fröhlich. Zelda hörte Revali spöttisch schnauben. Wahrscheinlich würde sie ihn irgendwann dazu auffordern müssen, seine offensichtliche Feindlichkeit Link gegenüber aufzugeben, oder zumindest erfolgreicher zu verhehlen. Von Anfang an hatte er auf die Stellung des Helden mit dem Bannschwert so stachelig reagiert wie ein Igel, den man mit einem Zweig piekste. Revali war niemand der seine Sonderstellung gern teilte. Dass jemand anderes eine wichtigere Rolle spielen konnte als er, war etwas, das er scheinbar kaum ertragen konnte. Ein Tag in Zeldas Schuhen würde ihn von dieser Eingenschaft heilen. Und Zelda würde ihn ermahnen, wenn seine Feindseligkeit zunehmen würde. Bis dahin würde sie die kleinen Sticheleien in die Richtung des so fehlerlosen Ritters still und heimlich genießen. „Linky?“, wiederholte Mipha, in erstaunlich skeptischem Tonfall. Zelda hatte sie nie anders als in ihrer gewohnten ruhigen, zarten Stimme sprechen hören. Der Ritter hob die Schultern. Nur ganz leicht. Dann ging Zelda ein Licht auf. Hateno. Seine Mutter lebte in Hateno. Purah kannte ihn. Natürlich. Scheinbar kannte jeder den großen Helden Hyrules. Außer Zelda. Und Revali. Das war jedoch nicht wirklich ein Trost, wo sie doch die beiden einzigen im Land zu sein schienen, die mit der goldenen Perfektion Links ein Problem hatten. „Wie war die Zeremonie?“, fragte Purah, drehte sich dann um und griff nach etwas, das hinter ihr auf der Balustrade lag. Der Shiekah Stein. Purah musste ihn aus Zeldas Labor geholt haben, während sie alle im Thronsaal waren. Das war nicht wirklich überraschend. Zeldas Labor war so gut wie auch Purahs Labor, wenn diese im Schloss weilte. Sie alle waren Teil desselben Forschungsteams. Automatisch streckte Zelda die Arme danach aus. Die vertraute Glattheit des unbekannten Materials aus dem der Stein gefertigt war, verlieh ihr ein wenig innere Ruhe. „Ich werde mal Robelo holen gehen, den alten Tunichtgut. Er sollte uns eigentlich hier treffen. Ich wollte, dass er mir ein wenig von seinen Fortschritten an dem hier präsentiert.“ Bei diesen Worten deutete Purah mit dem Daumen über ihre Schulter, nach hinten zu einem leblos dastehenden Wächter. Mittlerweile löste dieser Anblick in Zelda kein Herzrasen mehr aus. Unwillkürlich warf sie einen Blick auf Link. Wurde jedoch sogleich wieder von Purah abgelenkt, die mit großer Geste an ihnen vorbeihastete und die Treppen hinunter sprang. In diesem Moment streckte sich Daruk und bewegte seinen linken Arm, als würde er mit einer Steinschleuder ausholen. Dann knackte er geräuschvoll mit dem Nacken und stöhnte. „Mannoman … Ich dachte schon, wir müssen den ganzen Tag da stillstehen.“ Link, der neben Daruks mächtiger Gestalt schmaler und kleiner wirkte als sonst, sah zu ihm auf. Seine Miene ausdruckslos wie eh und je. Doch Zelda meinte sich einzubilden, dass er entspannter wirkte als sonst und sein Gesicht der Sonne entgegen drehte. „Hm …“, entgegnete Revali, der nicht so weit abseits, neben Mipha und Urbosa stand. „Das ist also der Shiekah Stein“, stellte er fest und betrachtete das Relikt, das Zelds zwischen ihren beiden Händen hielt. Bisher hatte er außer an Vah Medoh nie Interesse an den anderen technologischen Wunderwerken gezeigt. Dennoch hatte er beim Festmahl am Abend zuvor aufmerksam zugehört, als Zelda davon erzählte. Sie zuckte leicht zusammen, als er ihr den Stein plötzlich abnahm. In seinen Händen – Flügeln? – wirkte das Relikt seltsam klein. „Er steckt bestimmt voller praktischer Funktionen“, erklärte Zelda, die sich dazu verpflichtet fühlte, die Recken so viel wie möglich über das aufzuklären, was sie bisher über die alte Shiekah Kultur herausfinden hatten können. „Aber leider übersteigt diese Technik unser derzeitiges Verständnis“, gestand Zelda wahrheitsgemäß, während der Ornikrieger die mit antiken Shiekah Runen bedeckte Rückseite des Steins betrachtete. Das weinende Auge der Shiekah leuchtete in einem satten Blau. Dunkler als die Farbe auf seinem, in der lauen Brise sanft wehenden Schal. Seine unnatürlich grünen Augen funkelten. Dann ließ er den Stein achtlos in Miphas Hände fallen, die gerade noch rechtzeitig reagieren konnte, um ihn aufzufangen. Die Zora Prinzessin hielt ihn beinahe ehrfurchtsvoll auf ihren offenen Handflächen. Ein beinahe komischer Gegensatz verglichen mit Revalis beinahe aufgesetzt wirkender Gleichgültigkeit. Urbosa, die zwischen Zelda und Mipha stand, stellte ihre linke Hand in die Hüfte und beugte sich ein wenig nach unten, um den Shiekah Stein besser betrachten zu können. Der würzige Duft der von ihrem roten Haar ausging, streifte Zelda in einer sanften Wolke. Es war der Geruch von Heimat. „Eine Funktion hat die Prinzessin mir schon mal vorgeführt“, sagte Urbosa. „Das Ding … macht Bilder die aussehen wie im echten Leben!“ Die Bildfunktion hatte Zelda selbst freigeschaltet und auch wenn sie noch nicht so ganz den ursprünglichen Zweck dafür verstand, so war sie dennoch mächtig stolz darauf. Vor allem da selbst Urbosa davon so entschieden beeindruckt wirkte. „Wirklich?“ fragte Mipha und hob den Stein näher an ihr Gesicht heran, als könnte sie, wenn sie nur noch mehr sah, seine Geheimnisse besser ergründen. „Das würde ich zu gern mal sehen“ gestand sei und sah auf, ein sonderbarer Ausdruck in den großen goldenen Augen, die so anders waren wie die der Hylianer.   „Prinzessin“, begann sie nach einem tiefen Atemzug. „Also, äh ...“ Sie stockte. „Würdet ihr mir das einmal zeigen?“ fragte sie und zu Zeldas Verwirrung, drehte sie sich dabei um. Sie folgte Miphas Blick. Zu Link. Der nicht länger abgewandt stand und sein Gesicht in die Nachmittagssonne hielt, sondern den Blick erwiderte. Und beinahe ein wenig überrascht wirkte. Aber war das die richtige Bezeichnung? Es war so frustrierend zu versuchen in seinem Gesicht irgendeine Regung zu erkennen, geschweige denn, sie den passenden Emotionen zuzuordnen. Neben Daruks gewaltiger Gestalt wirkte er, ohne den vertrauten Griff des Bannschwertes, der über seiner rechten Schulter hervorragte, seltsam verletzlich. Nackt. Zelda blinzelte. Und spürte wie sie augenblicklich errötete. Ein verstörender Gedanke. Daruk selbst sah ebenfalls zu dem Hylianer herab. Bruder hatte er Link genannt. Zelda wünschte sie wüsste welche Geschichte die Beiden verband. Gleichzeitig fand sie sich damit ab, dass sie es wohl nie erfahren würde. Denn sie hatte nicht vor ihn zu fragen. Der Wind wehte Strähnen seines hellen Haares umher, spielte Kuckuck mit seinen Ohren. Das Blitzen blauer Farbe neben seinem Gesicht irritierte Zelda. Hatte er etwa … trug er Schmuck an seinen Ohren? Wieso diese Entdeckung sie so schockierte, konnte Zelda beim besten Willen nicht sagen. Vielleicht weil es so … so eitel war. Sofort fühlte sie sich ein klein wenig besser. Eitel. Oh ja. Daran würde sie festhalten. An diesem kleinen Makel. Der keiner war. Dennoch. Sie würde ihn nicht wieder hergeben. „Ja“, hörte sich Zelda sagen und sie war überrascht vom lächelnden Klang ihrer Stimme. „Ja natürlich“, wiederholte sie und wandte den Blick nicht ab von Link, der immer noch zu ihr und den drei anderen Recken herüber sah. Zu Mipha, die wie gebannt schien von seinem Anblick. Konnte es sein, dass … „Prinzessin“, rief in dem Moment eine männliche Stimme und Zelda sah auf. Zu Robelo, der mit Purah zusammen am Treppenabsatz auftauchte. Wie immer standen seine Haare in alle Richtungen, woran auch die Brille, die er sich auf die Stirn geschoben hatte, nichts ändern konnte. „Robelo, wie schön dass du hier bist“, begrüßte Zelda den Shiekah freudig. Seit Impah sie mit den beiden Forschern zusammen gesteckt hatte, waren sie alle drei zu Höchstformen aufgefahren was die Erforschung der antiken Kultur der Shiekah und deren Technologie anging. Und sie hatten Unterstützung in den jeweils anderen gefunden, eine Freundschaft, die über Standesgrenzen hinaus ging. Doch heute würden sie wenig Zeit finden, über alte Schriften zu rätseln oder Theorien zu vergessenen Orten und Geschichten zusammen zutragen. Heute würden sie die Recken für die Zukunft anweisen und ihnen die ersten Hilfestellungen zur Steuerung der Titanen geben – auch wenn es nicht viel war, was sie darüber wussten. Doch zuerst - „Purah“, richtete sie ihr Wort an Impahs ältere und gleichzeitig viel jüngere Schwester. „Würdest du Mipha bitte die Bildfunktion des Shiekah Steins vorführen? Ich denke, es wäre durchaus passend diesen Moment für die Zukunft festzuhalten.“ Sie reichte den Stein an Purah weiter und ging die wenigen Schritte in Daruks und Links Richtung. Wo sie stehen blieb und den Beiden den Rücken zu wandte. Sie deutete den drei anderen sich neben sie zu stellen. Es folgte einiges Gerücke und Fußgescharre. „Natürlich“, meinte Purah ein wenig verzögert, da sie bereits damit begonnen hatte, am Shiekah Stein herumzudrücken, um die passende Rune zu aktivieren, die das Bildmodul zum Vorschein brachte. „Gut“, sagte sie schließlich. „Dann machen wir mal ein Bild von euch!“ Zelda spürte eine Bewegung dicht neben sich. Sie brauchte sich nicht umzublicken, um zu sehen wer es war, der kaum eine Handbreit von ihr entfernt stand. Das leuchtende Blau das sie aus dem Augenwinkel sehen konnte, reichte vollkommen aus um die Person zu identifizieren. Wäre das nicht gewesen, wäre ihre sofortige Anspannung Antwort genug gewesen. „Seht bitte alle den Shiekah Stein an“, forderte Purah sie auf, während sie sich den Stein direkt vor die Augen hielt. Zelda kam der Aufforderung nur zu gern nach. Hinter sich hörte sie Daruks Ketten klappern und sie konnte Urbosas Haar riechen, die an ihrer anderen Seite stand, wenn auch nicht so nah wie Link. Sie unterdrückte den Impuls von ihm abzurücken. „Daruk“, seufzte Purah nach einigen Augenblicken, „Kannst du dich nicht etwas kleiner machen? Du bist so groß wie der Todesberg.“ Der sanftmütige Riese machte ein verwirrtes Geräusch. Als wäre es für ihn eine vollkommene Nachricht, dass er riesengroß war. „Oh, gut“, sagte er und es folgte noch mehr Kettengeklappere, als er versuchte der Aufforderung nachzukommen. Ein Schatten fiel über Zelda und sie konnte im Augenwinkel wahrnehmen, wie Link sich zu Daruk umdrehte. Wieso musste denn ausgerechnet er neben ihr stehen. Und so herum zappeln … Er hatte nun schon das zweite Mal ihren Ärmel berührt. „Was ist denn das für eine Trauermiene, Prinzessin?“, fragte Purah mit einem nachsichtigen Lächeln und plötzlich war es Zelda, die sich im Zentrum der allgemeinen Aufmerksamkeit befand. Ertappt spürte sie, wie sie sich anspannte. Sie konnte seinen Blick fühlen. Und war um ein weiteres Mal froh, dass er nicht auch nicht die Fähigkeit besaß Gedanken zu lesen. „Ihr dürft ruhig lächeln“, meinte Purah. Dann legte sich eine Hand auf Zeldas rechte Schulter und sie zuckte zusammen. Als sie der Berührung folgte, sah sie hinauf in Urbosas gütige Miene und sie entspannte sich ein wenig. Woraufhin Revali genervt ausatmete. Er tat das ziemlich häufig. Purah war auch mit ihm nicht zufrieden. „Revali“, sprach sie ihn an. „Steh doch nicht so weit abseits.“ Worauf er zwar „Was für ein Staatsakt“ schnarrte, aber ohne zu zögern ihrer Aufforderung folgte. „Mipha“, sagte Purah gleich darauf, „Sei doch nicht so steif. Atme mal ganz tief durch!“ Neben Zelda bewegte sich Link immer noch. Korrigierte seinen Stand, während Mipha deutlich hörbar Luft holte. Und sie ertappte sich wie sie Purahs Anweisung ebenfalls folgte und tief einatmete. „So, alle bereit?“, fragte Purah. „Guckt alle hier her! Bitte recht freundlich!“ Zelda lächelte. Und so schwer war es eigentlich gar nicht. Bis Purah als Signal Ka-Tschikka! quietschte und Daruk entschied, dass es für diesen Tag genug Steifheit gegeben hatte. Mit einer schwungvollen Bewegung schloss er sie alle in seine mächtigen Pranken. Riss ihnen die Füße unter dem Boden weg. Genau in dem Moment, als Purah mit einem lauten Klick den Auslöser betätigte und das Bild festhielt. Das Klicken hörte Zelda nur im Hintergrund. Viel lauter war der erschrockene Japser Miphas und das empörte Tröten von Revali. Zelda selbst war viel zu geschockt, sich auf einmal Seite an Seite mit einem harten Körper zu befinden und feines, blondes Haar ihre Wange kitzeln zu spüren. Sie zappelte unbeholfen. Vermutete, dass sie Mipha, deren feuchte Haut sie durch den Ärmel ihrer Robe fühlte, einen Stoß versetzte, konnte aber nicht an sich halten. So schnell sie konnte, versuchte sie sich aus der beengten Situation zu befreien. Daruks lautes, bellendes Lachen schepperte in ihren Ohren. Bald übertönt von Revalis Fluchen. Dann stimmten Purah und Urbosa in das Lachen des Goronen mit ein, während Zelda sich befreien konnte und ihr Heil in der stolpernden Flucht nach vorn suchte. Ein wenig Abseits richtete sie sich wieder auf, endlich wieder im Gleichgewicht. Revali war dabei sich kopfschüttelnd über seine Federn zu streichen, die ein wenig aufgeplustert aussahen und von denen einige in die falsche Richtung abzustehen schienen. Mipha richtete verlegen ihren Kopfschmuck und Urbosa hatte mit einem amüsierten Lächeln die Arme über der Brust verschränkt. Daruk fasste sich mit einer Hand in den Nacken, immer noch laut lachend. Und Link, Link schien wie immer ausgesprochen unberührt. „Entschuldigt, Freunde“, sagte Daruk, „Das konnte ich mir einfach nicht entgehen lassen.“ Purah trat vor und überreichte Mipha grinsend den Shiekah Stein. „Na, das wird auf jeden Fall in Erinnerung bleiben“, meinte sie und kicherte. Schweigsam nahm Mipha das Relikt entgegen und betrachtete es mit staunend geöffneten Lippen. Zelda wollte lieber erst gar nicht nachsehen, was für eine Bildaufnahme entstanden war. Ein wenig unbehaglich rieb sie sich den linken Arm und suchte nach Worten, um die Situation unter ihre Kontrolle zu bekommen. Um zu zeigen, dass sie über das Geschehene erhaben war. Unberührt von der plötzlichen Nähe und der losgelösten Albernheit. Dann entfuhr ihr ein kleines Kichern. Revali sah einfach zu komisch aus, wie er sich entrüstet seine Federn glättete und den anderen Recken empörte Blicke zuwarf. „Sag mir, Ritter“, fauchte er Link an, der am allerwenigsten Reaktion zeigt, gemessen an Urbosas Lächen, Purahs Grinsen und Daruks dunklem Glucksen. Mit seiner schnarrenden Stimme wurde die Anrede zu einer Beleidigung. „Wenn ich dich in den Burggraben werfe, was würde dann passieren?!“ Es war keine wirkliche Drohung. Mehr ein Versuch die Machtverhältnisse zu verändern. Vermutlich bezog Revali sich aufs Links Unfähigkeit zu fliegen. Denn natürlich würde er, so wie jeder andere der hier Anwesendenen ebenfalls, hinunter fallen wie ein Stein. Revali war als Orni der einzige dem ein solches Manöver nichts ausmachen würde, weil ihm gegen die Schwerkraft Flügel gewachsen waren. Mipha sah erschrocken auf, schien ein wenig desorientiert, nachdem sie so lange den Shiekah Stein angehimmelt hatte. Sie betrachtete Revali schockiert, der immer noch mit zusammengezogenen Augen Link anstarrte, der seinen Blick ruhig erwiderte. Doch bei genauem Hinsehen, wozu Zelda mit erschreckender Regelmäßigkeit übergegangen war, konnte sie erkennen, wie sich seine blauen Augen kaum wahrnehmbar bewegten. Die kräftigen Flügel des Ornikrieger bemaßen, die Umgebung einer schnellen Bestandsaufnahme unterzogen. Er schätzte die Situation ein. Blitzschnell. Wog ab, ob tatsächliche Gefahr drohte, wahrscheinlich mit derselben schwindelerregenden Geschwindigkeit, wie es bei dem Vorfall mit dem Wächter geschehen war. Es war faszinierend. Nicht nur der Vorgang selbst. Sondern endlich etwas Greifbares beobachten zu können. Etwas, was es Zelda möglich machte, ihn ein wenig einzuschätzen. Ein Hinweis, dass hinter dieser stillen Fassade ein Wesen vorhanden war. Zelda bemerkte dass sie ihn anstarrte. Daruk hatte irgendetwas in seiner lauten Stimme gepoltert, während Mipha den Shiekah Stein senkte und an Links Seite trat. Revali gegenüber. Die Geste war unmissverständlich. Zum zweiten Mal stellte sich Zelda die Frage danach, was es nur mit Mipha und dem Ritter auf sich hatte. Konnte es sein, dass … „Einfach herrlich, diese Muskeln“, flötete Purah und störte Zelda in der Erkenntnisfindung, sodass der Gedanke abbrach und in den Fluten der Momenteindrücke versank. Die Shiekah Forscherin hatte eine Hand kokett in die Hüfte gestellt und betrachtete den Ornikrieger belustigt. Revali schienen ihre Worte und vor allem der leicht ironisch schmachtende Blick zu irritieren, denn sein Gesicht verlor ein wenig von der Schärfe die es immer zeigte. In diesem Moment erinnerte er Zelda an ihren Besuch im Orni Dorf, als sie ihm in der Kälte zu seinem Übungsplatz gefolgt war. Und gesehen hatte, wie er an seinen Versuchen sich selbst einen Aufwind zu erschaffen beinahe verzweifelte. Revali mochte stolz und selbstbezogen sein. Aber er besaß kein schlechtes Herz. Zelda hatte nicht ohne Grund ihn als Recke der Orni ausgewählt. Er besaß eine massive seelische Kraft. Man würde diese Kraft nur bündeln und ihrer Sache zuführen müssen. Dazu würde sie ihn dazu bringen müssen den Titanen als Vergrößerung seines Selbst zu betrachten. Zelda suchte Robelos Blick. Es war an der Zeit mit der Einweisung der Recken zu beginnen. Doch es stellte sich als schwierig heraus seine Aufmerksamkeit zu erlangen, da die ganz auf den bewegungslosen Wächter gerichtet zu sein schien, der hinter ihnen allen auf dem Gras stand. Sie seufzte. Also gut. Dann würde sie das selbst erledigen. Sie räusperte sich vernehmlich. „Nun, Recken“, begann sie förmlich, noch bevor sich alle Angesprochenen zu ihr gewandt hatten. „Jetzt da ihr offiziell zu den Piloten der Titanen erklärt worden seid, werden wir so schnell es geht damit beginnen, euch mit deren Steuerung vertraut zu machen.“ Sie vollführte eine entschuldigende Geste mit der Hand. „Auch wenn wir bisher nicht allzu viel darüber wissen.“ Zelda sah sich zu Robelo um, der endlich den Blick von dem Wächter abgewandt und sich umgedreht hatte. „So konnten wir bereits die Versiegelung der Titanen mit Hilfe des Shiekah Steins auflösen und sie auf die Kalibrierung auf euch als Piloten vorbereiten.“ Es war eine Menge Ausprobiererei nötig gewesen, um bis zu diesem Punkt zu gelangen. Und bis sie den Shiekah Stein gefunden hatten, waren sie alle kurz davor gewesen aufzugeben. „Wir werden euch also heute mit den ersten Steuerungsübungen vertraut machen“, fuhr Zelda fort. „Allerdings wird es einiges an Übung erfordern.“ Sie verschränkte ihre Hände vor sich und streckte ein wenig den Rücken durch. „Und wir sind auf eure Bereitschaft zum Experimentieren angewiesen“, sagte sie. „Die grundlegende Steuerung wird ähnlich sein, jedoch besitzt jedes dieser göttlichen Biester ganz eigene Eigenschaften und ist einem anderen Element zugeordnet. Es wird sich also nicht alles auf alle Titanen übertragen lassen. Dennoch werden wir euch zur Seite stehen und sicherstellen, dass jede neue Erkenntnis die wir erlangen, bei euch ankommt.“ Zelda sah in die Runde. Die Recken hatten ihren Worten konzentriert gelauscht, wirkten mehr oder weniger gebannt, Daruk ein wenig besorgt. „Die Prinzessin selbst wird als sechster Recke Hyrules das Bindeglied zwischen euch darstellen“, ergänzte Purah, bevor Zelda weitersprechen konnte und überraschte sie mit ihrer Bezeichnung als sechster Recke so sehr, dass sie vergaß was sie hatte sagen wollen. „Wenn wir etwas heraus finden, wird sie es euch mitteilen. Zumal es wahrscheinlich sowieso sie sein wird, die es herausfindet.“ Zelda blinzelte. So viel Vertrauen in ihre Fähigkeiten war sie nicht gewöhnt, schon gar nicht die Selbstverständlichkeit, mit der Purah ihr dies bezeugt hatte. Warm floss ihr eine jähe Zuneigung für diese verrückte Frau durch die Brust und Zelda spürte wie ihre Mundwinkel sich hoben. „Das ist ja schön und gut“, erhob Daruk das Wort. „Aber wie sollen wir das denn überhaupt anstellen? Ich hab keine Ahnung was ich mit diesem Steinhaufen anfangen soll, wenn ich zurück beim Berg bin.“ Purah zog eine Augenbraue in die Höhe. Steinhaufen. Das würde ihr gar nicht gefallen. Aber Daruk hatte nie dieselbe Art Faszination mit Rudania gezeigt, wie die anderen Recken zu den anderen Titanen. Vielleicht würde diese fehlende Verbundenheit noch zum Problem werden. „Es ist im Grunde nicht schwer“, beeilte sich Zelda zu sagen, bevor Purah dem Ausdruck verleihen konnte, was da ihre Augenbrauen so stark bewegte. „Die Titanen lassen sich nur von denjenigen steuern, die sich mit ihnen auf einer geistig-seelischen Ebene verbinden können. Jemand, der ihrer eigenen Stärke gewachsen ist, jemand, dem sie sich unterordnen und dem vertrauen können.“ Zelda hob die Schultern. „Wie genau das stattfinden soll, wissen wir auch nicht. Wir wissen nur, dass sie euch prüfen werden, wenn ihr sie betretet, nun da sie aktiviert worden sind. Doch wie-“, sie hob erneut die Schultern. „wie, wissen wir auch nicht“, wiederholte sie.   „Uns vertrauen?“, fragte Revali. „Das hört sich an als wären sie lebendig!“ Er klang ungläubig und ein wenig streiterisch. Seine grünen Augen blitzten.   „Subjekte verhalten sich Prinzessin und Biestern gegenüber ungebührlich, frage mich ob sie dieses Verhalten mit Synchronisation der Titanen ablegen werden ...“ hörte man Purah murmeln und alle Blicke fuhren augenblicklich zu ihr herum. Zelda schloss ergeben die Augen. Purahs schlechte Angewohnheit in den unpassendsten Momenten Notizen zu machen, die sie meist laut vor sich hin sprach, würde ihr irgendwann noch mal den Kopf kosten. „Purah“, ermahnte Zelda die Forscherin, der ein wenig perplex von ihrem Notizbuch aussah. „Oh“, machte diese und lächelte verlegen. Nicht einmal halb so verlegen wie sie hätte sein sollen. „Entschuldigung. Schlechte Angewohnheit. Fahrt fort!“ Sie wedelte mit der Hand in der sie einen Federkiel hielt in ihre Richtung. Robelo hinter ihnen gluckste vergnügt. Ihn belustigten wirklich die seltsamsten Dinge. Zelda seufzte. „Ja, Revali“, sagte sie und hoffte dass weder er noch Daruk sich von Purahs Worten beledigt fühlten. „Das scheint auch so zu sein. Beinahe zumindest. Von Leben im eigentlichen Sinne kann man nicht sprechen, aber die Titanen können sich aufgrund ihrer Mechanik bewegen und scheinen eine Art eigenes Bewusstsein zu besitzen. Mit charakterlichen Eigenschaften und vor allem einem eigenen Willen.“ Zelda versuchte sich an einem Lächeln, das sich jedoch zittrig anfühlte, deswegen ließ sie es schnell bleiben. „Die Technologie der Shiekah war ausgesprochen fortgeschritten. Wir konnten bisher keinerlei Hinweise dazu finden, wie es ihnen gelang ein Bewusstsein in etwas Unbelebtes zu projizieren. Aber es ist ihnen gelungen. Die Titanen sind der Beweis dafür.“   Der Orni verlagerte sein Standgewicht ein wenig und zuckte kurz mit den Flügeln. Die Antwort schien ihn nicht ganz zu befriedigen, dennoch wirkte er nun nachdenklich und nicht mehr abwehrend.   „Ihr werdet also die Titanen betreten müssen, nachdem ihr wieder in eure Heimat zurückgekehrt seid. Ich würde euch empfehlen euch auf einige Nächte außerhalb einzustellen und euch dementsprechend vorzubereiten. Wir rechnen nicht damit, dass sie feindselig sein werden, denn schließlich seid ihr wegen eures Potentials aus eurer Gemeinschaft ausgesucht worden und habt euch antiken Prüfungen unterzogen. Wir sind überzeugt, dass die Titanen euch anerkennen werden.“ Zumindest hofften das alle. Es bestand immer die Möglichkeit, dass sie die Texte falsch übersetzt oder interpretiert hatten. Dennoch war Zelda tatsächlich zuversichtlich. Sie machte sich eher Sorgen darum, ob die Piloten die Titanen würden steuern können, nicht darum ob diese sie akzeptieren würden.   „Das ist alles?“, fragte Daruk ein wenig verblüfft. Zelda drückte ihre Hände fester ineinander. „Für den Anfang. Ja“, bestätigte sie und nickte. Der Gorone blinzelte mit seinen kleinen Käferaugen, dann zuckte er mit den Schultern. In Ordnung, schien diese Geste zu sagen und Zelda entspannte sich ein wenig. Urbosa wusste all das bereits, so dass sie das Gesagte nicht verarbeiten musste, sondern stattdessen die anderen Recken beobachtete. Mipha schien nachdenklich, sie hielt sich ein wenig abseits und betrachtete den Boden. Wahrscheinlich im Kopf von bei Ruta, zu dem sie, noch bevor sie von der Bedeutung der Titanen erfahren hatte, eine tiefe Verbindung gespürt hatte. Um Mipha machte sich Zelda am wenigstens Sorgen, obwohl sie am zartesten schien und eher sanftmütig war. Ihr Pflichtgefühl war ähnlich tief verankert wie das Zeldas und sie verband eine innige Liebe zu ihrem Volk. Mipha würde ein hervorragender Pilot für Vah Ruta sein. „Das ist nicht viel“, sagte Revali nachdenklich. Er hatte den einen Flügel an seinen Gürtel gestemmt und fuhr sich mit dem anderen überlegend über die Stirn. „Gar nicht viel.“ Über seinen Schnabel hinweg warf er Zelda einen schwer zu deutenden Blick zu. War er enttäuscht? Versuchte er seine Wut über ihre Unwissenheit zu unterdrücken? Sorgte er sich um seine Fähigkeit, den Titanen unter seine Hoheit zu bekommen?   „Das ist nicht alles“, meldete sich jedoch Robelo zu Wort, bevor Zelda gezwungen war, sich zu verteidigen. Bisher hatte er geschwiegen. Sie drehte sich zu ihm um. Der Forscher deutete auf den Wächter. „Wir haben es geschafft die antiken Verteidungsmaschinen in Betrieb zu nehmen. Es-“ „Ja“, unterbrach Daruk ihn. „Das habe ich gehört. Großartig in Betrieb genommen.“ Seine massigen Schultern bebten unter seinem grollenden Lachen. Mit der flachen Hand klopfte er Link auf den Rücken. Eine Geste die ohne Zweifel Respekt und Zuneigung ausdrücken sollte, den viel kleineren Hylianer allerdings völlig unvorbereitet traf. Link taumelte nach vorne, hatte sich allerdings viel schneller gefangen, als es Zelda für möglich gehalten hätte. Sie hielt immer noch den Atem an, als er sich schon dynamisch gedreht hatte und dann in einer Haltung innehielt, die Zelda bei Impah schon einige Dutzend Male beobachtet hatte. Natürlich. Er hatte bei den Shiekah gelebt. Und wahrscheinlich jede ihrer geheimen Techniken gemeistert. Daruk gluckste immer noch. „Die Geschichte mit dem Topfdeckel werde ich noch meinen Urenkeln erzählen“, sagte er und wischte sich die Tränen aus den Augen. Zelda runzelte die Stirn. Ebenso wie Robelo, der ebenfalls dabei gewesen war, als der Wächter um sich geschossen hatte. Topfdeckel? Glücklicherweise verstand Robelo viel eher, worauf Daruk hinaus wollte. „Was für ein Topfdeckel?!“, fragte er mit kaum verhüllter Verärgerung in der Stimme. Er wurde nicht gerne unterbrochen. Und außerdem reagierte er auf den Vorfall mit dem Wächter ein bisschen empfindlich. Daruk hob die Wagenrad großen Hände an seine runden Hüften. „Na der Topfdeckel“, sagte er, als würde das alles erklären. Er schien nicht wahrzunehmen, dass niemand sonst lachte. Er zeigte auf Link. Dann auf Zelda. Da verstand sie. „Es war kein Topfdeckel“, fauchte sie, bevor sie sich zurück halten konnte. Daruks Augen wurden groß. „Es war kein Topfdeckel“, wiederholte Zelda wesentlich ruhiger. Woher sollte er auch so plötzlich einen Topfdeckel her gehabt haben. „Es war ein Schild.“ Sie vermied es Link anzusehen, dem sie ihren Dank dafür immer noch schuldig geblieben war. Daruk sah aus, als wüsste er nicht wieso der Unterschied wichtig sein sollte. „Nun, wie auch immer“, fuhr Robelo deutlich kühler fort. „Ihr alle kennt den Plan – Ganon mit der Kraft der Titanen zu schwächen, damit Link und die Prinzessin ihn bannen und versiegeln können.“ Revali zischte und seine Miene verfinsterte sich, enthielt sich jedoch jeden Wortes. „Bis dahin haben wir hoffentlich eine Menge Wächter aktiviert und funktionstüchtig gemacht. Das, wie ich eben sagen wollte“, er warf Daruk einen bösen Blick zu, „uns nun endlich wiederholbar gelungen ist.“ Zelda unterdrückte den Impuls aufgeregt in die Hände zu klatschen. Das waren wunderbare Neuigkeiten. Auch Purah neben ihr ließ ein kurzes Geräusch der Freude ertönen. Kurz fragte sich Zelda, wieso Robelo ihnen das nicht schon viel eher mitgeteilt hatte, statt damit zu warten bis sie sich persönlich sahen. Aber vielleicht war es gerade das. Er hatte es ihnen ins Gesicht sagen wollen. „Du hast es geschafft?“, erkundigte sich Purah ein wenig atemlos. Aus Robelos Gesicht verschwand die Strenge und eine tiefe Zufriedenheit machte sich fort breit. Er grinste selbstgefällig. „Das Testgelände ist ein wenig an geschwelt, aber mittlerweile konnte ich jeden einzelnen Wächter aktivieren und kalibrieren. Unsere kleine Arme umfasst nun zehn mobile und fünf stationäre Wächter.“ Er hatte gerade noch Zeit überrascht zu sein, als Purah ihm auch schon begeistert in die Arme sprang. Aufgeregt begann sie um ihn herumzuhüpfen. Bei den quietschenden Geräuschen die sie machte, waren die vielen Fragen die sie stakkatoartig auf Robelo los ließ, kaum zu verstehen. „Wie hast du das gemacht? Wie hast du das raus gefunden? Hast du die Reaktorkerne austauschen müssen? Wie viele hast du noch da? Wann können wir sie sehen? Wirst du sie her bringen? Weiß es der König schon? Warum hast du uns nicht eher geschrieben? Wieso bist du so ein geheimniskrämerischer Mistkerl?“ Robelo versuchte sich vergeblich vor ihrer begeisterten Zuneigung zu schützen, in dem er sich wegdrehte und blind die Arme ausstreckte, um sie abzuwehren. Stockend antworte er, während er weiter versuchte Purah von sich wegzudrücken. „Ich … werde … den König … um Erlaubnis bitten … sie“, er ächzte und war kurz davor sich über die Balustrade des Pavillons davon zu machen, als Urbosa gnadenvoller Weise beschloss einzugreifen. Sie zog die hüpfende Wissenschaftlerin an ihrem springenden Haarknoten nach hinten, was Purah ins Stolpern brachte, aber Robelo ein wenig Luft zum Atmen verschaffte. „Danke“, sagte er atemlos und strich sich sein Shiekah Gewand glatt. Urbosa vollführte eine galante Bewegung mit dem rechten Arm. „Gern geschehen“, antwortete sie und ließ Purah los, die damit fortfuhr aufgeregt auf der Stelle zu treten. Robelo rieb sich den Arm, der in der Rauferei an eine der Säulen geschlagen war. „Ich hatte ein wenig Bedenken der König könnte seine ganze Armee auf mich loslassen, wenn ich mit zehn laufenden Wächtern in die Stadt einmarschieren würde. Ich dachte es sei geschickter ihm vorher persönlich davon zu berichten, dass sie nun für anstatt gegen uns kämpfen.“ Zelda unterdrückte ein Kichern und Urbosa neben ihr lachte. „Was nur deinen Verstand beweist.“ Sie nickte in Richtung des Wächters. „Wirst du ihn aktivieren?“, fragte sie interessiert. Robelo folgte ihrem Blick. Dann schüttelte er den Kopf. „Nein. Selbes Problem. Außerdem wird Link hier, mich vermutlich wieder zu Boden ringen, bevor ich es versuchen kann“, sagte er. Er suchte Links Blick und lächelte etwas matt. Unwillkürlich fragte sich Zelda, ob das geschehen war, als der Wächter die Fehlfunktion erlitten hatte. Davon hatte ihr keiner erzählt und sie konnte sie nicht erinnern. Sie sah ebenfalls hinüber zu Link, der aber keinerlei Reaktion zeigte. So wie immer. Zelda spürte wie ihre Mundwinkel sich verzogen und versuchte den Verdruss aufzuhalten, der sich auf ihrem Gesicht zu zeigen drohte.   Sie bemerkte wie Mipha an Link herantrat, ihm eine Hand auf den Arm legte, was ihn den Kopf in ihre Richtung drehen ließ. „Ich verstehe nicht“, begann sie und suchte seinen Blick, als würde sie darin die Antwort für alle Fragen dieser Welt finden. Daruk antwortete ihr, als keiner Anstalten machte Mipha aufzuklären. „Der Kleine hier hat sich vor die Prinzessin geworfen, als einer der Wächter bei einem Experiment eine Fehlfunktion hatte. Hat sich einen Topfdeckel geschnappt und das Feuer umgeleitet, dass er abgeschossen hat. Hat die Prinzessin gerettet, so mir nichts, dir nichts.“ In seiner polternden Stimme klang unverkennbarer Stolz mit, als wären es seine Verdienste und nicht die eines Hylianers, die er hier anpries. „Schild“, stöhnte Robelo kaum hörbar und fasste sich an die Stirn. Miphas Kopf ruckte so heftig zurück, dass ihr silbriger Zoraschmuck heftig wackelte. „Was?“, entfuhr es ihr, wesentlich schroffer als Zelda sie je hatte sprechen hören. Doch sie konnte es ihr nicht verdenken. Es auf diese Art berichtet zu hören, tat auch ihren Ohren weh. „Ja“, bestätigte Daruk und nickte mit klappernden Ketten. Zeigte wenig Empathie für die empfindliche Situation. „Der Zeremonienmeister hat mir erzählt, dass der König ihn deswegen zum Leibwächter der Prinzessin ernennen wird. Morgen, wenn ich mich recht erinnere.“ Zelda presste die Lippen aufeinander. Nicht dass es ein Geheimnis gewesen wäre. Dennoch hätte sie ein wenig Verschwiegenheit zu schätzen gewusst. Und wenn es nur dafür war, dass sie es bis zu dem Moment, in dem es tatsächlich geschah, ignorieren konnte. Mipha nahm ihre Hand von Links Arm und betrachtete ihn vorwurfsvoll. „Wieso hast du das nicht erwähnt?“ In ihrer Stimme schienen sich noch andere Emotionen auszudrücken. „Wie denn, wenn er den Schnabel nicht auseinander kriegt?!“, herrschte Revali und ließ Zelda damit keine Zeit Miphas Gefühlslage zu analysieren. Er sprach mit bewundernswerter Präzision genau das aus, was Zelda gedacht hatte. „Der Zeremonienmeister hat mir außerdem von einer alten Zeremonie erzählt, die wohl früher mal abgehalten wurde. Für das Schwert und so.“ Daruk hob die schweren Schultern, so dass der laue Nachmittagswind in das blaue Tuch fahren konnte, das seit heute über seiner Schulter hing. Es blähte sich und ließ Rudanias Abbild durch die Luft flimmern. In Zelda steig eine dunkle Vorahnung auf.   „Eine Zeremonie?“, wiederholte ausgerechnet Urbosa. Und schien interessiert. Zelda warf ihr einen drohenden Blick zu. Sie sollte es bloß nicht wagen einen weiteren Schritt auf diesem Pfad entlangzugehen. Doch dieses Mal schien ihre langjährige Freundin kein Einfühlungsvermögen für den so leicht zu zerstörenden Seelenfrieden einer Prinzessin zu haben. Urbosa legte den Kopf schief. „Was für eine Zeremonie?“, fragte sie und Zelda spürte wie ihr Nacken zu prickeln begann. Daruk schien zu überlegen. „Die offizielle Zeremonie zu Ehren des Schwertes und des Helden der es trägt“, antwortete er. „Auf dem heiligen Festplatz.“ Er deutete mit dem Daumen hinter sich, in Richtung des alten Festplatzes, der unweit vor den Toren Hyrule Stadts lag. Dem Platz der für die Ritter Hyrules von je her eine besondere Bedeutung gehabt hatte. Unfähig dazu einzuschreiten, beobachtete Zelda wie Urbosa überlegend ihre Finger ans Kinn legte. Scharf besah sie zuerst Link, der gerade leicht die Arme schüttelte und die Schultern kreisen ließ. Dann wanderte ihr Blick weiter zu Zelda. Ihre Miene wurde weich, als Zelda unmerklich mit dem Kopf schüttelte und versuchte ihr zu signalisieren, dass sie den Gedanken bloß nicht weiter führen sollte. Doch all die geheime Kommunikation war umsonst. „He, vielleicht ist das eine gute Idee“, rief Daruk begeistert. Und Zeldas Vorahnung bestätigte sich mit einem voll ausgewachsenen Schub der Panik. „Vielleicht wird diese alte Zeremonie dir helfen, Kontakt mit diesen heiligen Energien aufzunehmen, Prinzessin“ Er hatte eine Hand zur Faust geballt und boxte damit in die Luft vor ihm. Dann hielt er inne. Überlegte. „Oder was auch immer es ist, das bisher noch fehlt, für diese Siegelkräfte.“ Zelda schlug die Augen nieder. Es war nie genug, schien es. Es brauchte immer noch mehr von allem. Mehr Scham. Mehr Blamage. Mehr öffentliche Erniedrigung. Nun war es schon so weit, dass der Recke der am wenigsten über die göttliche Verbindung des Landes wusste, Vorschläge machte, wie Zelda ihre Verfehlungen ausgleichen konnte. Bei Hylia. Blieb ihr denn nichts erspart … So viel zu ihrem Vorhaben, sich den heutigen Tag durch nichts verderben zu lassen. Zelda hob ihr Kinn. Allen Widrigkeiten zum Trotz. Sie war Zelda. Sie war die Prinzessin. Und auch wenn sie es einem Credo gleich herunter beten musste, um daran zu glauben, sie würde tun, was man von ihr verlangte. „Ich weiß von welcher Zeremonie du sprichst, Daruk“, antwortete Zelda matt. „Wenn ihr es für nötig erachtet, dann-“ „Nichts von all diesem Pomp ist notwendig“, unterbrach Revali sie unwirsch. „Was soll es schon ändern, wenn alle in einem Kreis herum stehen und diesen Winzling zum König der Welt erklären.“ Für einen kurzen Augenblick hatte Zelda gehofft in Revali einen Unterstützer zu haben. Einen Verteidiger, der sie im letzten Moment davor bewahrte, Link, vor der ganzen Welt ihren Respekt zu zollen und ihre Dankbarkeit aussprechen zu müssen. Als Belohnung dafür, dass sie gegen diese erneute Prüfung des Schicksals nicht aufbegehrte. Doch am Ende war es sein verletzter Stolz der ihn sprechen ließ. „Es geht um das Schwert und den Segen der Göttin“, sagte Zelda schwach, um Revali zu korrigieren. „Nicht darum den Helden zum Landesführer zu erklären.“ Sie richtete den Blick starr in die Ferne. „Also gut. Wir treffen uns bei Anbruch des Tages. Und ich werde den Auserwählten des Schwertes segnen.“ Zelda vermied es irgendjemandem in die Augen zu sehen. Sie war sogar zu aufgewühlt um sich weiter mit Purah und Robelo zu beraten. Sie wollte allein sein. Sie würde es ihnen überlassen den Recken mehr über die Übungen zu erzählen, die sie gemeinsam ausgearbeitet hatten, um ihnen den Start zu erleichtern. „Entschuldigt mich“, sagte Zelda und setzte sich in Bewegung. „Diese Zeremonie wird besondere Vorbereitung von mir fordern. Ich werde mich ins Gebet begeben.“ Die Recken teilten sich um ihr Platz zu machen, als Zelda die wenigen Stufen des Pavillons hinunter stieg. Rasch überquerte sie das Grün, gewillt so schnell wie nur möglich allein zu sein. Sie hörte das Rascheln ihrer Robe auf der Grasfläche und versuchte sich darauf zu konzentrieren. Sie würde sich bei der Göttin für diese Lüge entschuldigen müssen. Ihr waren keine besonderen Gebete vor dieser Segnungszeremonie bekannt. Keine außer der besonderen mentalen Vorbereitung, die Zelda brauchen würde, um diese Aufgabe würdevoll bewältigen zu können. Sie atmete flach vor unterdrückter Emotionen, als sie die Treppe zu ihren Gemächern hinauf stieg. Als sie die Tür hinter sich schloss – betont vorsichtig – lehnte sich Zelda dagegen. Schloss die Augen. In der kühlen Einsamkeit ihrer Gemächer nun nicht länger unter Beobachtung und Bewertung. Doch auch wenn sie sich dieses Alleinsein herbei gesehnt hatte, um sich und die brodelnden Emotionen nicht länger unter Verschluss halten zu müssen, war es ihr auch jetzt nicht möglich, loszulassen. Wie auch, wenn es ihr doch gar nicht zu stand. Sie war die Prinzessin Hyrules. Und damit war lange bevor sie sich erinnern konnte, festgelegt, wer und was sie sein würde. Ihr eigener Vater und ihre eigene Mutter hatten mit ihrer Liebe dafür gesorgt, dass Zelda nie ein anderes Leben würde führen können. Und so stand es ihr einfach nicht zu, damit zu hadern, nur weil sie ihre Aufgabe nicht erfüllen konnte. Es bisher nicht konnte, korrigierte sie sich. Sie würde die Hoffnung nicht aufgeben. Und sie würde den Helden mit dem Bannschwert segnen. Sie würde nicht daran zerbrechen. Sie konnte stark sein.   Zelda stieß sich von der Tür ab und ging mit langsamen Schritten die Treppe zu ihrem Gebetsraum hinauf und von dort hinüber zu ihrem Labor. Bis es Zeit war für ihre Abendandacht, würde sie an ihren Forschungen weiterarbeiten. Wenn sie auch wenig Hoffnung hatte, eine bahnbrechende Entdeckung zu machen, so waren es doch die kleinen Schritte, die irgendwann zum Erfolg führten. Zumindest versuchte Zelda sich das zu sagen, als sie die alten Schriften hervorholte und sich in ihre Arbeit vertiefte.   Sie erhob sich beinahe zu spät. Die Nacht war bereits hereingebrochen und es blieb ihr nicht viel Zeit, sich in ihr zeremonielles Gewand zu kleiden, bis der Mond seinen Aufstieg in den Himmel beginnen würde. Zelda versuchte sich auf die heiligen Worte zu konzentrieren, versuchte die Ereignisse des Tages und das Grauen vor dem morgigen abzuschütteln. Doch es gelang ihr nicht.   Mit sich selbst im Unreinen, stieg Zelda aus dem weißen Kleid. Löste in missmutiger Stimmung versunken ihr Haar und schmeckte das Gericht kaum, das man ihr für das Abendessen auf den kleinen Tisch mitten im Raum gestellt hatte, während sie sich im Gebet befand.   Als sie ihr Tagebuch heranzog, um ein wenig von dem Druck der sich auf ihre Brust gesetzt hatte im geschriebenen Wort aufzulösen, brachte sie es nicht über sich ihre wahren Empfindungen auszudrücken. Aus Angst sie würde in ein Loch hinabsteigen, aus dem sie bis Morgen nicht wieder hervorkommen konnte. Der Eintrag den sie verfasste war knapp und reizlos. Wenigstens das passte zu ihren Gefühlen.   Nach meinem Treffen mit den Recken habe ich die Erforschung der Relikte fortgesetzt, aber bislang ohne Erfolg. Ich muss alles über die Relikte herausfinden, um so die wiederkehrende Verheerung aufhalten zu können. Wenn man der Prophezeiung des Weissagers Glauben schenken kann, bleibt nicht mehr viel Zeit … Diese Gedanken beunruhigen mich, aber heute fehlt mir die Kraft um weiterzuarbeiten. Ps.: Morgen tritt der Ritter seinen Dienst an, den mein Vater mir als Leibwächter zugeteilt hat. Kapitel 4: Kapitel 4 -------------------- „Held von Hyrule, vom heiligen Bannschwert erkoren. Du hast unerschütterlichen Mut und vollendete Schwertkunst unter Beweis gestellt. Ich segne dich im Namen der Göttin Hylia.“   Eine sanfte Brise bewegte die Ärmel an Zeldas langer Robe, während sie die überlieferten Sätze herunter betete. Sie versuchte sich darauf zu konzentrieren, anstatt auf das Brennen in ihrer Kehle, das die Worte beim Aussprechen verursachten. Hatte sie überhaupt das Recht, im Namen der Göttin Segnungen auszusprechen?   „Ob du durch die Lüfte fliegst, durch die Zeiten wandelst oder in die Schatten eintauchst. Das Schwert ist immer ein Teil deiner Seele, o Held.“   Zelda konnte hören, dass ihre Stimme nicht die nötige Feierlichkeit transportierte. Die Aggressivität die sie seit dem Morgengrauen fühlte, schien ihren Weg auf Zeldas Zunge gefunden zu haben und so klangen die heiligen Worte beinahe sarkastisch. „Du und das Bannschwert … Ihr möget von Kraft … von Mut und von Weisheit erfüllt sein.“ Seit wann ging irgendetwas von dem in Erfüllung um das Zelda bat? Bei dem Gedanken senkte sie ihre Hand, die sie bisher ausgestreckt gehalten hatte, wie es die überlieferte Zeremonie verlangte. Sie versuchte sich an einem beruhigenden Atemzug, doch leider hörte man ihr dadurch einmal mehr an, wie aufgebracht sie war. Link blieb wo er war. Auf einem Knie, den Kopf gesenkt. Der Wind spielte mit den Strähnen seines Haars, die irgendwie immer aus der Bündelung an seinem Hinterkopf herausfielen. Wenn er bemerkte, dass Zeldas Tonfall weder andächtig noch hingebungsvoll, sondern eher verärgert klang, so ließ er sich davon nichts anmerken. Er blieb völlig neutral und unbeweglich. Zelda spürte wie sich Hitze auf ihren Wangen ausbreitete und wahrscheinlich jedem der Anwesenden in rotem Leuchtfeuer von ihrer inneren Aufruhr berichtete. Glücklicherweise waren das nur die fünf Recken, von denen der eine starr auf den Boden blickte und ihre verräterische Miene nicht sehen konnte. Zelda musste sich zwingen ihre Hand wieder zu heben und mit der erniedrigenden Zeremonie fortzufahren.   „O Bannschwert“, fuhr sie fort, konnte aber immer noch keinen angemessen Ton finden, „das unvorstellbare Zeiten überdauert hat.“   „Mannomann“, murmelte Daruk während Zelda versuchte sich an die nächsten Sätze der Zeremonie zu erinnern. Was die Goronen anging, gab es bei ihnen kein leise. „Geht's noch dramatischer?“   „Beschütze Hyrule in der Hand des Helden“, betete Zelda und versuchte den ungehobelten Stein von einem Recken zu ignorieren.   „Was redest du da? Der edle Ritter ist jetzt ihr Leibwächter“, antwortete Revali spöttisch. Er schien ebenfalls keinen Sinn dafür zu haben, was Zelda hören und nicht hören konnte. Sie versuchte sich darauf zu konzentrieren weiter zu sprechen.   „Ich segne dich, im Namen der Göttin Hylia“, sagte Zelda, noch weniger bei der Sache als vorher. „Ob der Held die Meere überquert oder eine Verbindung mit der Vergangenheit eingeht-“     „Diese alte Zeremonie dafür nachzuäffen war doch deine eigene Glanzidee“, sprach Revali weiter, während es Zelda zunehmend schwer fiel ihn zu ignorieren. Aus dem Augenwinkel beobachtete sie, wie Mipha dem Orni einen genervten Blick zu warf. Ob sie ihn für unhöflich hielt oder sich über seinen mangelnden Respekt vor Link ärgerte, wusste nur die Göttin.   „Na ja“, begann der Orni erneut, während Zelda die letzten Worte des überlieferten Gebetes aus ihrem Gedächtnis hervorkramte: „Du mögest stets an seiner Seite sein.“   „Meine Meinung zu dem Burschen kennt ihr. Und die Prinzessin sieht auch nicht gerade begeistert aus, oder?“   Oh, bei der Göttin. Das hatte er nicht gerade gesagt, oder? Warum konnte Revali nicht einfach den Schnabel halten. Hatte Link ihn gehört? Es war kaum möglich, dass Zelda bessere Ohren haben sollte, als ein bei den Shiekah trainierter Schwertkämpfer der Superlative. Aber Zelda wusste es nicht, denn er zeigte ja nicht die geringste Reaktion!   Sie versuchte die Recken auszublenden und ihren Worten irgendeine Art von Stärke zu verleihen. „Du und der Held von Hyrule möget von Kraft erfüllt sein.“   Dann stieg Urbosa in die Unterhaltung mit ein. „Bei ihr ist es kein Wunder“, sagte sie und auf Zeldas Nacken brach Schweiß aus. „Er hat sein Schicksal erfüllt, sie hingegen konnte es nie.“   Zelda stockte. Konnte sich nicht länger auf die Worte konzentrieren, die sie zu sagen hatte.   „Tja“, fuhr Urbosa fort. Nicht ohne Mitgefühl, aber nicht minder verletzend. Wieso glaubten sie eigentlich, dass es ihnen zustand, auf diese Art über Zeldas Gefühlsleben zu sprechen?! „Er erinnert sie stets an ihr scheitern.“   Das war es. Zelda konnte nicht weiter machen. Mehr konnte sie nicht ertragen. Sie zog ihre Hand zurück. Betrachtete sie voller Zweifel. Schluckte den Ärger, die Trauer, die Bitterkeit herunter. Versuchte es zumindest. Ihr Blick fiel auf den vor ihr knienden Ritter. Es quälte sie, dass er Revalis und vor allem Urbosas Worte mit angehört hatte. Ihre Schäbigkeit vor ihm ausgebreitet. Link hatte die Augen geschlossen, den rechten Unterarm auf sein rechtes Knie gestützt. Sie sollte froh sein. Froh, dass das Schwert einen so würdigen Diener erwählt hatte. Jemanden so, so … bescheidenen und passenden. Die Möglichkeit dass sich nicht rechtzeitig ein Held des Schwertes zeigen würde, hatte als Schreckensvorstellung immer in ihrem Hinterkopf existiert. Da es doch auch möglich war, dass sich ihre Siegelkräfte nicht zeigten, schien das nie unmöglich. Doch das Problem hatte sich gelöst, bevor es wirklich real geworden war.   So konnte Zelda es aber nicht sehen.   Alles was er hatte tun müssen, war ein Schwert aus einem Wald zu holen.   Warum, oh heilige Göttin, warum, hatte es für sie nicht ebenso einfach sein können? Sie hatten Recht. Urbosa hatte Recht! Link war das lebendige Symbol für ihr eigenes Scheitern. Er war der Schwert-schwingende Beweis ihrer Misserfolge und er würde ihr von nun an überall hin folgen wie ein Schatten. Er wäre bei ihr, wenn sie Zuflucht von ihrem tagtäglichen Versagen suchte, während sie die Relikte erforschte. Sie hätte nie wieder ihren Frieden. Weder vor ihm, noch vor sich selbst.   Zelda erlaubte sich einen Moment lang tiefen Horror zu empfinden, während die Stille auf dem alten Festplatz in ihren Ohren drückte. Link allerdings, bewegte sich nicht. Er blieb auf einem Knie, den Kopf gesengt, schweigend. Und wartete.   Sie wollte ihn anschreien. Das Bedürfnis sollte sie erschrecken. Doch sie konnte nur daran denken, wie gern sie ihn geschüttelt hätte. Oder an seinen Haaren gezogen. Sie wollte ihn dazu zwingen zu reagieren, etwas zu sagen, irgendetwas zu tun. Er war der Auserwählte des Schwertes. Das Schwert sprach zu ihm. Was sagte es? Konnte er es wirklich hören? Musste er dafür kämpfen es zu hören? Hatte er dafür kämpfen müssen, um seinen Anspruch daran geltend zu machen? War es deswegen immer so verdammt schweigsam? So absolut irritierend stoisch? Hatte er die ganze Zeit eine Stimme im Ohr? Die Stimme des Schwertes, die zu ihm sprach, ihm die Wahrheit in allem offenbarte, was vor ihm lag? Die ihm den Wert der Dinge, seiner Gegenüber verriet?   Zelda trat einen Schritt zurück. Das Geräusch ihre Schuhe auf dem ausgetretenen und glatt polierten Stein des Festplatzes, ließ Link den Kopf heben. Er blinzelte gegen das plötzliche Licht, nachdem er seine Augen eine ganze Weile geschlossen gehalten hatte. Zelda fühlte das heiße Brennen ihrer geröteten Wangen. Am liebsten wäre sie einfach umgedreht und hätte ihn stehen lassen. Er erwiderte ihren starren Blick mit derselben Ruhe, die er auch während ihrer Segnung ausgestrahlt hatte. Allerdings erschienen ihr seine Augen weitaus wärmer als sonst. Der Anflug eines Lächelns? Einmal mehr verfluchte Zelda, dass er so schwer einzuschätzen war.   „Mein Leben gehört euch“, sagte er auf einmal, mit dieser überraschend rauen, ruhigen Stimme. Zelda erstarrte. Nicht nur weil er gesprochen hatte und der Klang so unerwartet war. Das war nicht Teil der Zeremonie. Nirgendwo war eine Antwort des Helden überliefert. Sie war so sehr daran gewöhnt, sich über seine Unnahbarkeit zu ärgern, dass es sie nun überforderte, dass er gesprochen hatte. Klar und deutlich für sie zu verstehen, aber zu leise, als dass die Recken seine genauen Worte gehört hatten. Eine Rüge dafür, dass sie gerade eben zu laut gesprochen hatten? Oder eher der Versuch die Illusion aufrecht zu erhalten, dass ihre Stimmen nicht bis zur Mitte des Platzes herüber geweht waren?   Zelda schluckte. Um eine passende Antwort verlegen. Was konnte sie denn auch schon sagen? Auf diesen perfekten Ausspruch tiefer Loyalität.   Mein Leben gehört euch.   Sein Leben konnte er behalten. Zelda wollte es nicht. Sie wollte nur ihr eigenes. „Ent-entschuldigt mich“, brachte Zelda hervor. „Ich habe andere Pflichten, denen ich mich zuwenden muss.“ Sie wandte sich von dem knienden Ritter ab. Griff im Drehen nach ihren Röcken. Hinter sich konnte sie hören, wie Link sich aufrichtete.   „So wie wir alle“, antwortete Revali leicht genervt, nicht verlegen seine Meinung über die Unnötigkeit des Geschehenen zum wiederholten Male auszudrücken. Zelda wünschte sie hätte dieselbe Freiheit.   „Wie fühlst du dich?“, fragte Urbosa und überbrückte die wenigen Schritte, die sie von Zelda trennten. Es war keine Frage nach Zeldas Wohlbefinden. Aber glaubte Urbosa denn tatsächlich, dass das Salz in Form dieser Zeremonie auf Zeldas Wunden gestreut, ihr dabei half die angeblich in ihr schlummernden Kräfte zu aktivieren? Dabei hatte Urbosa doch gerade deutlich gemacht, dass sie sie wusste, wie es um Zelda stand. Sie wusste es besser als jeder andere. Ihr hatte Zelda vor all den Jahren ihr Innerstes, all ihr Leid und ihre Verzweiflung offenbart. Wahrscheinlich hoffte Urbosa wider besseren Wissens. Klammerte sich an alle Strohhalme, genauso wie es der König, wie es wahrscheinlich das ganze Land tat. Zelda sah zu Boden. „Die Göttin hat zu diesen alten Worten geschwiegen.“ Wie zu allen anderen, die Zelda je an sie gerichtet hatte. „Naja“, sagte Daruk gutmütig. Und unendlich laut. „Es war ja auch keine Zeremonie für die Göttin. Sondern für Link.“ Zelda richtete ihren Blick nach vorne. In die Ferne, zu den im Wind wehenden Flaggen an der Stadtmauer. Sie hielt die bitteren Worte zurück, die Daruk belehren wollten. Der Held und das Schwert waren ebenso eng mit der Göttin verbunden wie Zelda selbst. Es war das heilige Schwert das die Göttin einst selbst geschaffen hatte. Und nur deswegen hatte Zelda dieser Farce zugestimmt. Weil auch sie jeden Strohhalm ergriff. Es war ihre Pflicht das zu tun. Auch wenn sie kaum gehofft hatte. Es war dennoch niederschmetternd, erneut keinen Erfolg gehabt zu haben. Aber womöglich war das ihre eigene Schuld. Sie hatte sich nicht auf die Zeremonie einlassen können. War zu gefangen in ihren brennenden Emotionen und finsteren Gedanken gewesen. Zweifellos hätte die Göttin keinen Zugang zu ihr finden können, selbst wenn sie es gewollt hätte. Zeldas irdische Beschränkungen hätten ihr den göttlichen Atem geraubt. Wahrscheinlich waren Daruks Worte tröstend gemeint. Er musste zumindest eine Ahnung davon haben, was diese Zeremonie bedeutet hatte. Der Zeremonienmeister musste es ihm gegenüber erwähnt haben, sonst hätte er es bestimmt nicht vorgeschlagen.     Zelda warf einen kurzen Blick auf die Recken, sah aber gleich darauf wieder zur Stadt; runzelte die Stirn. Sie wünschte, sie hätte dieser Zeremonie nie zugestimmt. Dann würde sie jetzt wenigstens nicht an diesem Platz stehen, der eigentlich für Ruhmesgesang gedacht war und von den größten Kriegern Hyrules bemitleidet werden.   Urbosas Hand an ihrem Ellenbogen durchbrach die aufgeladene Stimmung, in dem sie das Thema wechselte. Gesegnet sollte sie sein. „Ich werde mich hier von dir verabschieden“, teilte sie Zelda mit. „Ekis wird bereits am Stall auf mich warten. Bis dahin ist es noch ein gutes Stück zu gehen.“ Sie lächtelte. „Wenn ich nicht möchte, dass die Jungspunde mich in den Schatten stellen, werde ich früh beginnen müssen, diesen Titanen zu steuern.“ Zelda nickte traurig. Aber das hatte sie erwartet. Es gab so viel für Urbosa zu tun. Sie hatte ein Volk zu führen. Eine Gruppe abtrünniger Verräter zu jagen. Einen Titanen zu bändigen. „Du wirst mir fehlen“, sagte Zelda. „Du mir auch, kleiner Vogel“, antwortete Urbosa und zog Zelda in eine Umarmung. „Ich werde dir schreiben, wie ich mit Naboris vorankomme“, versprach sie und strich Zelda über die Wange. Nickte dann, als Zeldas Mundwinkel in einem kurzen Lächeln zuckten. „Ja“, sagte Urbosa und seufzte. Mit einem letzten ernsten Blick auf Zelda verabschiedete sie sich in einer eleganten Verbeugung und mit einer Hand auf ihrer Brust – eine Geste des Respektes – von den anderen Recken. „Bis auf bald. Versucht Hyrule nicht zu zerstören, wenn ihr die Titanen besteigt.“ Ein ironisches Lächeln, eine wegwerfende Geste. „Und du …“ Mit einem scharfen Blick nahm sie Link ins Visier. „Du wirst gut auf sie aufpassen, hörst du!“ Sie stemmte eine Hand an ihre Hüfte und ihr blauer Reckenrock schwang ihrer Bewegung hinterher. Innerlich stöhnte Zelda. Warum musste sie das sagen? „Sonst bekommst du es mit mir zu tun.“ Urbosa zog eine dramatische Augenbraue hoch, dann zog sie eine belustigte Miene. „Oder meiner gesamten Stadtwache.“ Dann lachte sie. Ein schräger Blick auf Link sagte Zelda, dass diese Drohung Urbosas ihren Leibwächter nicht ganz unbeeindruckt ließ. Er schien tief Luft zu holen, oder … zu seufzen? Dann schüttelte er leicht den Kopf. Und war das ein Lächeln? Zelda erinnerte sich, dass Urbosa bereits einmal erwähnt hatte, dass die Kriegerinnen von Gerudo Stadt nicht ganz unvertraut mit ihrem neuen Leibwächter waren. Was hatte es damit auf sich? In ihrem Grübeln darüber verpasste sie beinahe Urbosas Winken. Und als sie schon einige hundert Meter weit gelaufen war, unterbrach Revalis Flügelschlag Zeldas Deutungsversuche. „Ich bin schneller, wenn ich fliege“, unterrichtete Revali sie ein wenig herablassen.   So schnell zerbrach also die Gemeinschaft.   „Ich werde keine Probleme mit Medoh haben“, meinte er selbstsicher. „Deswegen werdet ihr kaum von mir hören, Prinzessin.“ Er nickte ihr zu und war mit einem letzten scharfen Blick auf Link auch schon in die Höhe geschossen. Urbosa sah auf, als der Wind sie streifte und nutzte die Gelegenheit, noch einmal über ihre Schulter hinweg zu winken. „Wir sollten uns auch aufmachen“, meldete sich Mipha mit ihrer sanften Stimme zu Wort. „Mein Vater wird sich sorgen, wenn ich nicht spätestens morgen im Dorf angekommen bin.“ Schweigend setzte Zelda sich in Bewegung. Hin und her gerissen zwischen dem Gedanken daran, wie seltsam diese väterliche Sorge für eine Prinzessin war, die fast jedes Monster mit ihrem Speer im Alleingang besiegen konnte. Die dafür ausgewählt war, einen unsterblichen Dämon mit einer riesenhaften Maschine zu bekämpfen. Und wie schön es sein mochte, Mittelpunkt dieser umsorgenden Liebe zu sein. Hinter ihr begann Daruk ein einseitiges Gespräch mit Link, der entweder gar nicht antwortete, oder es auf eine Art tat, die Zeldas Sinne nicht wahrnehmen konnten.   Daruk und Mipha blieben den ganzen Weg bis zum Fuße von Zeldas Turm in ihrer Gesellschaft. Daruk verabschiedete sich zuerst. Mit einigen herzhaften Klopfern auf Links Schulter und einigen guten Wünschen an Zelda und Mipha gewandt. Er würde zuerst in die Quartiere gehen, in der er die letzten Nächte verbracht hatte. Dort hatte er seine enorme Waffe und seinen Goronenfreund zurückgelassen. Auch er hatte es recht eilig, zurück zum Todesberg zu gelangen. Obwohl das wohl eher an der kulinarischen Versorgung im Schloss lag. Und an den zu kalten Betten.   Es war Mipha, die sich nicht loszueisen können schien. Zelda sah die scheuen Blicke, die sie Link zuwarf und fühlte sich seltsam fehl am Platz. Es war ein neues Gefühl das fünfte Rad am Wagen zu sein und Zelda war sich sicher, dass es ihr nicht gefiel. Deswegen klangen ihre Worte schnippischer als beabsichtigt, als sie das Wort an Link richtete: „Ich werde deine Dienste im Schloss nicht benötigen. Also steht es dir frei zu tun was du willst.“ Sie mied seinen Blick und sah stattdessen Mipha in die Augen. „Ich wünsche dir eine ereignislose Reise, Mipha. Ich danke dir, für alles.“ Miphas Abschiedsworte wehten Zelda hinterher, als sie die Treppe zu ihren Gemächern so schnell hinauflief wie es ihr möglich war, ohne dass es aussah als würde sie fliehen.   Als die Tür hinter ihr zu fiel, wurden Zeldas Knie weich. Sie war es so müde, zu versuchen dem Bild einer Prinzessin zu entsprechen, die sie einfach nicht zu sein schien. Und vielleicht musste sie noch härter daran arbeiten, sich noch mehr Mühe geben. Doch für heute hatte es sie genug Kraft gekostet, die zeremoniellen Worte zu sprechen und ihre große Abwehr dabei nicht allzu deutlich zu zeigen.   Zelda seufzte und streckte eine Hand nach der Wand neben ihr aus. Der Stein fühlte sich kühl und unnachgiebig an. Vermittelte ihr eine Sicherheit, die sie in ihrem Inneren nicht fühlte. Kurz überlegte sie, ob sie die Ereignisse und ihre Gefühle in ihrem Tagebuch niederschreiben sollte. Doch sie verspürte wenig Lust, sich in die Untiefen ihrer Seele hineinzubegeben.   Mit den Fingerspitzen fuhr sie eine der Vertiefungen zwischen den Mauersteinen entlang. Sie fragte sich, was Mipha und Link zu bereden hatten. Welcher Art waren die Bande zwischen den Beiden? Zeldas Finger krallten sich in die Mauerfuge. Das konnte ihr egal sein, oder nicht? Je mehr er geheime Dinge mit einer anderen Prinzessin besprach, desto weniger würde Zelda mit ihm zu tun haben. Sollte er doch Miphas Leibwächter werden. Dann wäre Zelda ihn los. Nur dass Mipha keinen Leibwächter brauchte. Mipha hatte in frühen Jahren gelernt, absolut tödlich mit einem Speer zu werden. Während Zelda die meiste Zeit ihrer Vergangenheit auf den Knien verbracht hatte.   Und jetzt projizierte Zelda ihre Missgunst auch noch auf ein sanftmütiges Wesen wie die Zora Prinzessin. Sie konnte sich glücklich schätzen, wenn die Göttin sie nicht mit einem Blitz niederstreckte. Obwohl das natürlich implizieren müsste, dass die Göttin sich überhaupt für Zelda interessierte.   Das ging zu weit. Diese Gedanken brachten sie nicht weiter. Diese Ernennung Links zu ihrem Leibwächter, diese alte Zeremonie, das alles hatte Zelda schwer auf das Gemüt geschlagen. Morgen würde die Welt anders aussehen. Heute Abend, während ihrer Gebete, würde die Welt anders aussehen. Sie durfte die Hoffnung nicht verlieren. Worum sollte sie denn dann noch kämpfen.   Zelda warf einen Blick auf ihr Tagebuch, überdachte kurz ihre Entscheidung, konnte sich aber erneut nicht dazu durchringen, etwas zum heutigen Tag niederzuschreiben. Stattdessen machte sie auf dem Absatz kehrt und erklomm die Treppe zur Wehrmauer mit raschen Schritten. Sie hielt inne, bevor sie aus dem Schatten heraus trat. Unten, am Fuß des Turms würden immer noch Link und Mipha stehen. Doch dann machte sie einen Schritt nach vorn. Hoch aufgerichtet und zielorientiert, ohne einen Blick nach unten zu werfen.   In der Abgeschiedenheit ihres Labors atmete Zelda tief durch. Genoss die Ruhe und den Geruch von altem Pergament. Rundherum auf mehreren Regalböden stapelten sich alte Bücher, Schriftsammlungen und einzelne Pergamentrollen. Neben einem Mikroskop lagen einige Pflanzenexemplare und Zeldas Notizen dazu. Es war ihr ein Trost, die belebte Umwelt zu erforschen, etwas, das so unberührt von der Verheerung zu sein schien. Und Zelda verbrachte gern ihre Zeit damit, wenn sie in den alten Schriften nicht weiter kam, oder die verstrickten Hinweise auf verschwundene Relikte keinen Sinn mehr ergaben. Es füllten ihre erzwungenen Pausen mit etwas Sinnvollem, etwas, das ihr Ruhe verschaffte und das nichts mit der Göttin und ihren eigenen Verfehlungen zu tun hatte. Doch als Zelda sich an den hölzernen Tisch setzte, schob sie die langsam trocknenden Blätter und die vergilbten Blüten beiseite und zog eine besonders empfindsame Schriftrolle hervor. In dieser hatte Zelda zum ersten Mal einen Hinweis auf die Kontrolle des Leitsteins gefunden, der Hinweis der sie zu dem Shiekah Stein geführt hatte. Vielleicht waren hier noch weitere Lösungen versteckt, die sie nur entdecken musste.   Sie erhob sich beinahe zu spät von ihren Studien. Um in das weiße Kleid zu schlüpfen, würde ihr nicht mehr viel Zeit bleiben. Der Himmel hatte sich längst verdunkelt und anhand der Sternenposition erkannte Zelda, dass der Mond bald aufsteigen würde.   Schnell überquerte sie den gemauerten Weg zu ihrem Turmgemach. Es erschien ihr wie ein Wunder, dass sie die Zeit so hatte vergessen können. Vielleicht hatte sie es ein klein wenig darauf angelegt. Hatte die Zeit, der Tag vergessen wollen. Bei diesem Gedanken fiel ihr Blick unwillkürlich auf den Boden unterhalb ihres Turms. Niemand war zu sehen. Da sie ihn so gut hatte vergessen können, würde sie es jetzt nicht darauf anlegen wieder an ihn zu denken. Ihre Füße fanden die glatten Stufen der Treppe und kurze Zeit später eilte sie sie bereits wieder hinauf. Nun im weißen Kleid und offenem Haar. Rein und bloß und unverhüllt, für die Göttin.   Als sie niederkniete, war der Mond bereits ein paar Fingerbreit über der Ebene aufgestiegen. Ihre Finger falteten sich zu der erprobten Haltung und Zelda wandte ihr Gesicht der Sichel zu, die Hyrule in fahles Licht tauchte.   Verzeih mir, Hylia. Ich habe dir heute keine guten Dienste erwiesen. Es scheint mir manchmal kein Wunder, dass ich dich nicht hören kann. Ich weiß, dass ich es falsch anstelle. Aber ich weiß nicht, was ich anders machen kann. Bitte hilf mir. Bitte. Ich würde alles tun. Nur musst du es mir sagen. Ich komme alleine einfach nicht weiter.   Wolken waren aufgezogen und verschluckten jedes Licht, als Zelda sich aus der Zwiesprache löste. Die Zeit musste schneller vergangen sein, als es sich für sie angefühlt hatte, denn die vertrauten Geräusche der Wachablösung drangen vom ersten Torhaus zu ihrer erhöhten Position herauf. Für gewöhnlich hatte Zelda ihre Andacht bis dahin lange beendet. Es war mitten in der Nacht. Ein wenig desorientiert blinzelte Zelda in die Dunkelheit hinaus. Versuchte in dem Flackern der aufgestellten Feuerschalen und der Fackeln in den Wandhalterungen, etwas von dem Geschehen auf und vor den Mauern zu erkennen. Mehr als Schatten die sich bewegten, waren für sie jedoch nicht auszumachen. Sie wandte ihre Augen ab und erhob sich.   Es war mehr ein Gefühl als eine Sinneswahrnehmung, das sie einen Blick zu ihrem Labor hin werfen ließ. Und es war einem Loch in der Wolkendecke zuschulden, dass sie dort oben, an der Stelle an der sich das spitze Dach zum Ablauf für den Regen formte, überhaupt etwas erkennen konnte. Eine Gestalt, hockend, den Kopf ihrem Turm zugewandt. Ihr zugewandt. Ein kalter Schauer plötzlicher, purer Panik durchfuhr Zelda. Ein Eindringling! Dann holte ihr langsam aus der Trance erwachendes Gehirn ihre Schreckreflexe ein und Zelda verstand. Link! Auf dem Dach ihres Labors. Ihre Hand ballte sich zur Faust. Hatte er sie beobachtet? Hatte er schon vor Stunden dort gehockt, als sie zu ihrem Gebet geeilt war? Hatte er während ihrer Studien über ihrem Kopf gesessen, die Beine baumeln lassen? Oder war er erst während ihres Gebetes dort hinauf … ja, was? Wie bei den Göttinnen war er dort hinauf gekommen? Hatte er sich an ihr vorbei geschlichen? Eine neue Welle der Panik durchrollte sie. Konnte er sich so lautlos bewegen? Oder war sie heute Abend nur besonders versunken gewesen?   Die Antwort auf diese verstörende Frage erhielt Zelda einige Tage später, als sie von ihrem normalen Tagesablauf abwich, da ihr penetrant knurrender Magen ihre Studien störte. Bis dahin hatte sie in permanentem Unbehagen gelebt. Ständig in der Erwartung Link irgendwo auftauchen, in irgendwelchen Ecken lauernd zu sehen. Es waren keine besonders geruhsamen Tage gewesen.   Dabei war die Wahrheit auf eine ganz andere Art verstörend.   Er kletterte!   Wie eine Bergziege, nur schwerer beladen. Und wesentlich agiler. Mit Schwert und Schild und Bogen. An ihrem Turm hinauf. Fand Halt an den unmöglichsten Stellen, im glatten, beinahe fugenlosen Stein. Dabei musste seine Ausrüstung beinahe so viel wiegen, wie er selbst. Bei seinem Anblick blieb Zelda die Luft weg. Sofort sah sie ihn vor sich. In den Abgrund stürzend. Und wenn Link ihr auch viel emotionale Scherereien bereitete, so wünschte sie ihm nichts Schlechtes. Zelda musste an sich halten, um den Schrei zurückzuhalten, der in ihr aufstieg. Bei allen törichten, waghalsigen Draufgängern. Er würde sich den Hals brechen. Doch das tat er nicht. In ungeheuerlicher Geschwindigkeit hatte er die Höhe ihres Balkons erreicht und war daran vorbei geklettert. Zog sich dann schwungvoll nach oben auf das Dach. So bewegte er sich also fort. Ungesehen und unbemerkt. Er kletterte.   Der Wind verwehte sein Haar und zerrte an seiner Tunika. Er trug das Reckengewand, als hätte es für ihn nie etwas anderes gegeben. Zelda setzte sich wieder in Bewegung. Versuchte sich weder ihren Schreck, noch den angestauten Verfolgungswahn der letzten Tage anmerken zu lassen. Versuchte unbeeindruckt zu wirken. Und nicht irritiert und wütend und … beeindruckt. Obwohl sie es war. Gegen ihren entschiedenen Willen. „Du solltest dir eine Leibgardistenuniform geben lassen“, rief sie ihm im Vorbeigehen zu. Nicht ohne Schadenfreude. Auch wenn es wohl das Reckengewand und sein Auftritt als Held Hyrules bleiben würde, hätte sie ihn doch zu gern in diesem dämlichen Hut gesehen. Der Anflug eines Lächelns glättete ihr die Fältchen auf der Stirn und Zelda spürte, wie sich der graue Schleier ein wenig lichtete, der über ihrem Herzen lag. Es war das erste Mal dass sie das Gefühl hatte, in einem ihrer Zusammentreffen die Oberhand behalten zu haben.   *   Link schien ihren Tagesablauf verinnerlicht zu haben, ohne dass Zelda ihm in irgendeiner Weise darüber Auskunft geben musste. Sie sah ihn kaum. Er schien sich so unsichtbar wie möglich zu machen, wann immer sie auf den Übergang von ihrem Turmgemach zu ihrem Labor trat. Und er zeigte sich auch sonst nirgendwo. Doch Zelda spürte, dass er da war. Irgendwo wo er sie sehen konnte und sie ihn nicht. Reichlich unausgewogen. Aber es hatte keinen Zweck sich darüber zu beschweren. Zelda hatte es versucht. Der König hatte sie kaum zu Wort kommen lassen. Aller Logik zum Trotz. Und sei es, dass ihr im Schloss, bewacht von einem ganzen Heer von Rittern, kaum etwas geschehen konnte. Mal ganz davon abgesehen, dass ihr Leibwächter Schlaf und Nahrung brauchen musste. Zeldas Phantasie reicht nicht aus, um sich zu erklären, wie Link das regelte. Und sie versuchte sich davon zu überzeugen, dass es sich auch nicht interessierte.   Sie sollte froh sein, dass er ihr nicht ständig auf den Leib rückte. Die Räume erkundete bevor sie eintrat, nicht in ihre Privatsphäre eindrang. Dass er nichts von den Dingen tat, die Zelda sich vorher ausgemalt hatte. Aber das Wissen darum, dass er dennoch da war, irgendwo im Verborgenen, war kaum weniger irritierend. Sie versuchte keinen Gedanken daran zu verschwenden, doch das war ihm kaum möglich. Wie denn, wenn sie sich immer dann, wenn sie den Nachttopf benutzen musste – was sie nur noch hinter ihrem Paravent tat –, fragte, ob er sie auch dabei beobachten konnte.     Zelda bekam ihn meist nur dann zu Gesicht, wenn sie von ihrer Routine abwich. Und sie begann innere Streitgespräche mit sich darüber auszufechten, wann immer sie vor der Entscheidung stand genau dies zu tun. Sie wollte sich nicht in ihrem Leben einschränken lassen, nur aus der Abneigung ihn sehen zu müssen. Sie wollte überhaupt nicht darüber nachdenken müssen. Es sollte ihr vollkommen egal sein. Er sollte überhaupt nicht da sein. Gleichzeitig, wollte sie ihn nicht sehen. Wollte nicht mit den Gefühlen konfrontiert werden, die sein Anblick in ihr auslöste. Doch war diese Mühe nicht vollkommen umsonst, wenn alleine das Nachdenken darüber, diese Gefühle bereits zu Tage beförderte? Sie verbrachte viel mehr Zeit damit über ihn nachzudenken als ihr lieb war. Viel viel mehr.   Doch es half alles nichts. Sie hatte kein Briefpapier mehr. Also würde sie welches besorgen müssen. Gegen Mittag war ein Brief von Impah eingetroffen, in dem sie Zelda auf die Frage bezüglich der Anfrage des Dorfältesten der Orni antwortete. Dort hatte man um den Segen gebeten, Vah Medoh zu dem Schutzheiligen des Dorfes ernennen zu dürfen, in Erinnerung an eine alte Legende. Zelda hatte nichts daran auszusetzen, jedoch Impahs Antwort dazu abwarten wollen, da die Relikte und damit auch die Titanen im Grunde genommen den Shiekah gehörten. Und nun wollte Zelda den Orni ihre Antwort zukommen lassen. Sie hatten um einen offiziellen Besuch gebeten, egal ob die Antwort auf ihr Anliegen positiv ausfallen sollte, oder nicht. Und Zelda würde kommen. Und genau das wollte sie dem Dorfältesten der Orni mitteilen. In einem Brief. Für den sie Papier benötigte. Seufzend trat Zelda hinaus ins Freie, ihren Blick starr gerade aus gerichtet. Doch die ungewohnten Bewegungen, die sie in ihrem Augenwinkel wahrnahm, brachten sie dazu, inne zu halten.   Er war dort unten. Und er schwang sein Schwert. Das sie so häufig verhöhnend stille Bannschwert, das im Schein der Nachmittagssonne immer wieder gefährlich aufblitzte.   Zelda blieb stehen. Unfähig weiter zu gehen. Ihre Lippen öffneten sich, als ihr staunend ein Atemhauch entwich.   Sie verstand es nun.   Er bewegte sich mit unübersehbarer Anmut. Einer faszinierenden Eigenart, von der sie sich nicht losreißen konnte. Zelda erkannte Kampftechniken der Shiekah in seinen beinahe lautlosen Bewegungen. Sah den Einfluss der Zora in deren Fluidität. Einen Tanz mit der Luft. Und als er aus dem Sprung das Schwert über den Kopf schwang und beidhändig auf den Boden katapultierte, seine enorme Stärke.   Er war ebenso elegant wie tödlich. Und seine Fähigkeiten hier, hinter den hohen Mauern absolut vergeudet. Wie bitter musste es sein, Tag für Tag im Schloss auszuharren. Zu wissen, wie viel besser man an anderer Stelle dienen konnte.   Nur dass Zelda genau wusste wie bitter es war. Auch sie saß hier fest. Gezwungen den Tagesablauf ihrer Mutter zu imitieren, weil das der einzige Anhaltspunkt war der ihr blieb. Ihre Mutter hatte Tag für Tag gebetet, also musste Zelda beten. Ihr Mutter hatte regelmäßig die Quellen der Kraft, des Mutes und der Weisheit besucht, sich dort gereinigt und gebetet. Also musste Zelda das auch tun. Und sie würde es mit Freude tun, wenn sie nur wüsste, ob es wirklich der richtige Weg war. Ob es überhaupt einen Sinn hatte. Denn, hatte es den nicht, gab es so viel anderes zu tun.   Zum Beispiel in Dorf der Orni zu reisen. Auf diese Weise könnte sie sich außerdem nach Revalis Vorankommen mit Vah Medoh erkundigen. Einen Brief von Mipha hatte Zelda bereits erhalten. Er berichtete von großer Leichtigkeit mit dem Titanen zu verschmelzen, einer beinahe mystischen Verbindung. An Daruk und Urbosa hatte Zelda Nachfragen ausgesandt, deren Antworten hoffentlich bald eintreffen würden.   Sie beobachtete, wie Link aus dem Schwung eines Vorwärtssprungs einen schwindelerregenden Rückwärtsüberschlag vollführte. Zelda verzog den Mund. Sie würde ihn mitnehmen müssen, wenn sie sich eine Erlaubnis für diese Reise erhoffte. Mehrere Tage allein mit ihm. Auf engstem Raum. Was für ein Spaß. Bei dieser Vorstellung fiel Zelda auf, dass sie absolut keine Ahnung hatte, wie Link seine Nächte verbrachte. Manchmal auf ihrem Dach, so schien es. Aber wo schlief er? Bei den anderen Rittern? Zelda hatte ihn nie mit einem Mitglied der Garde agieren sehen. Zugegeben, sie versuchte ihn so gut sie konnte zu ignorieren. Link war mit den Rittern ausgebildet worden. Er musste sie kennen, die anderen Krieger Hyrules. Sein Vater war Ritter im Schloss. Und er musste schlafen. Wo also? Und wann? Wo verbrachte er die Nächte?   Wohl nicht in der Kaserne. Denn als Zelda einige Tage später, kurz vor dem Einschlafen eine Idee kam, die sie unbedingt überprüfen musste, stand er dort. Auf ihrer Mauer. Im Eingang zu dem rondellartigen Raum, in den die Treppe mündete, die Zelda auf nackten, schnelle Füßen empor geeilt war. Wie angewurzelt blieb sie stehen. Anscheinend war ein Angriff aus der Luft wesentlich wahrscheinlicher, als dass ihr Gefahr vom Boden drohte. Würde er sonst nicht vor ihrer Tür Wache halten? Ein schockierender Gedanke ließ Zelda leise nach Luft schnappen. Hatte er etwa immer hier oben gestanden? Nur eine Treppe von dem Ort entfernt, an dem sie schlief, beinahe über ihrem Kopf? Seit er den Dienst als ihr Leibwächter angetreten hatte? Ein seltsames Gefühl von verspätetem Grauen überkam sie. Für all die Tage, in denen sie nicht gewusst hatte, wie nah er ihr war, wenn er über ihren Schlaf wachte. Selbst wenn er es nicht jede Nacht tat – denn war das denn überhaupt möglich? – so wäre es zumindest diese Nacht so gewesen.   Eine Drehung des Kopfes und der seitliche Blick den er ihr zuwarf, zeigten Zelda, dass er wusste dass sie da war. Was sollte sie nun tun? Seit der Zeremonie hatte sie keine zehn Worte mit ihm gesprochen. Ihm einen guten Abend wünschen und im Nachthemd an ihm vorbeispazieren? Gute Göttin. Ihr Nachthemd! Zelda verfluchte sich und ihre kopfüberstürzte Eile. Sie hatte sich keine Schuhe angezogen, geschweige denn daran gedacht, einen Mantel, oder eine Decke überzuwerfen. Dabei hätte jeder im Burghof sie über die Brücke huschen sehen können. Und nun stand sie hier. In ihrem Nachthemd. Vor Link.   Sollte sie einfach umdrehen und ihm zeigen, dass er sie eingesperrt halten konnte. Und das nur mit seinem Rücken? Wohl kaum.   Er nahm ihr die Entscheidung ab. Indem er sich zu ihr umdrehte und mit einem kurzen Griff eine Decke aus der kleinen Tasche auf seiner Schulter zog. Zelda starrte die Decke an. Sie war aus Wolle. Schmucklos. Heimelig. Wie es eine Mutter für ihr Kind weben mochte. Aber deswegen starrte sie nicht. Er hatte die Decke aus einer Tasche gezogen, die gerade groß genug schien, um einen Apfel zu transportieren. Wie, bei Hylia, war das möglich? Bevor Zelda weiter darüber nachdenken konnte, hatte Link die Decke auseinander gefaltet und war einen Schritt näher getreten. Als Zelda zurückwich, hielt er inne, die Decke mit beiden Händen ausgestreckt. Sein Blick flackerte an ihrer Gestalt herab. Sehr kurz nur. Aber es reichte. Sofort riss Zelda ihm die Decke aus den Händen. Hielt sie sich vor die Brust.   Sie sahen sich in die Augen. Ihr Blick skeptisch, peinlich berührt, fragend. Seiner … nun, sie wusste es nicht. Belustigt? Genervt? Hungrig? Gelangweilt? Es konnte all das oder gar nichts davon sein.   Zelda schlang die Decke um ihre Schultern. Dann drehte sie sich um und verschwand wortlos in Richtung ihres Labors.   Sie arbeitete die gesamte Nacht. Und am nächsten Morgen hatte sie zumindest einen neuen Ansatz. Sie mussten nach der Quelle suchen, die den Funken setzen würde, in der Aktivierung der brach liegenden antiken Gebäude. So wie der Shiekah Stein den Leitstein kontrollierte, musste etwas anderes die alten Heiligtümer kontrollieren. Deren Erwachen triggern, wenn der Shiekah Stein alleine es nicht tat. Es war nicht viel, aber ein völlig neuer Ansatz. Und er würde ihre Forschungen in eine ganz andere Richtung lenken als bisher. Sie würde diesen Trigger nur finden müssen.   Zuversichtlicher als seit Tagen erhob Zelda sich. Zwar hatte sie kein Bisschen geschlafen, aber das war ihr egal. Mit einem herzhaften Gähnen streckte sie sich. Dabei fuhr ihr ein kalter Luftzug unter den wadenlangen Rock ihres Nachthemdes. Vertieft in ihre Übersetzungen hatte Zelda die Kälte nicht bemerkt, aber nun, in der letzten Stunde vor dem Morgengrauen, war sie spürbarer als zuvor. Während sie gearbeitet hatte, war die Decke von ihren Schultern gerutscht. Zelda hatte sie vollkommen vergessen. Sie bückte sich danach. Das Material war weich. Zeigte aber deutliche Spuren von Benutzung. Wie eine Mutter es für ihr Kind weben mochte – hatte sie intuitiv gedacht. Vielleicht war genau das der Fall? Ein Ritter würde so ein Stück kaum mit sich tragen – nicht groß genug um sich wirklich darin einzuwickeln, nicht warm genug um tödliche Kälte wirklich abhalten zu können – wenn sich keine Geschichte dahinter verbarg. Zelda seufzte. Und sie hatte die Decke einfach auf den Boden fallen lassen. Ein Strich mehr auf der Liste ihrer Gemeinheiten. Die Geste war freundlich gewesen. Wenn auch aus Links Pflichten heraus geboren. Er hätte sie auch einfach zurück in ihr Zimmer scheuchen können. Auch wenn Zelda Schwierigkeiten hatte, sich das vorzustellen. Er war ihr gegenüber nie etwas anderes als respektvoll gewesen. Auch wenn sie andere Gedanken hinter seiner Stirn vermutete, hatte er sie nie offen gezeigt. Weswegen sie sich doppelt und dreifach wie ein Biest vorkam. Aber sie konnte nicht anders. Selbst wenn sie es sich vornehmen würde: ein Blick auf das Schwert genügte und ihre Laune stürzte in die Tiefe, wie ein losgelassener Brunneneimer.   Zelda fuhr sich mit der freien Hand in den Nacken, um dort über eine verhärtete Stelle zu reiben. Wie gewöhnlich hatte sie während des Lesens eine Haltung eingenommen, die ihr nun weh tat. Das lange Knien auf dem Steinboden, das ihr bevorstand, würde das nicht unbedingt heilen. Kurz überlegte sie, ob sie das Morgengebet auslassen sollte. Doch sie wusste nich,t zu wie viel Berichterstattung Link beordert worden war. Sollte ihr Vater erfahren, dass Zelda die Forschung über ihre spirituellen Übungen stellte, würde sie die Titanen nicht mal mehr von außen sehen dürfen.   Ihr Leibwächter war nirgendwo zu sehen, als sie aus dem Labor hinaus, in das dämmrige Licht des baldigen Morgens trat. Im Gehen faltete Zelda die Decke zu einem ordentlichen Rechteck und legte sie dann im Schutz der Turmmauer auf die Balustrade. Angestrengt lauschte sie, während sie die Treppe hinunter in ihre Gemächer nahm und sich in das weiße Gewand der Priesterin kleidete. Die Welt um sie herum blieb still. Und doch war die Decke verschwunden, als Zelda wenige Zeit später wieder heraufkam. Verdrossen starrte sie an die leere Stelle.   Gruslig war das.   *   Am nächsten Tag brachte ein Ornibote einen Brief von Daruk. Er musste ihn in einer Herberge am Fuße des Berges aufgegeben haben, denn er war auf Papier geschrieben, nicht dem schweren, feuerfesten Material, das die Goronen in ihrer Stadt verwendeten. Wahrscheinlich weil die Boten sich weigerten, solche Briefe transportieren. Der Inhalt zeugte von einigen Schwierigkeiten mit den Kontrollübungen, die den Recken gegeben worden warn. Die Kalibrierung von Rudania war ihm scheinbar gelungen, der Titan ließ sich nur teilweise nicht steuern. Aus der Ferne konnte Zelda nicht beurteilen, ob das es an Daruk lag, oder an den Eigenheiten Rudanias. Doch vielleicht konnte sie ihm helfen …   Nun, damit gab es schon zwei dringende Angelegenheiten, die ihrer Aufmerksamkeit bedurften. Doch eine Reise ins Dorf der Orni und dann quer durch Hyrule zum Todesberg, würde ihr Vater kaum gutheißen. Es sei denn, Zelda senkte den Brief und starrte auf die überfüllten Regale über ihrem Schreibtisch, wo sie sich bei Empfang der Nachricht niedergelassen hatte, es sei denn, sie verband es mit einem Reiseziel, dem ihr Vater aufgeschlossen gegenüber sein würde. Und was das war, wusste sie bereits.   „Das erscheint mit ein unnötig langer Umweg, Zelda.“ Ihr Vater betrachtete sie skeptisch. „Warum reist du nicht auf geradem Wege zum Tempel der Zeit?“   Der Tempel der Zeit – ihr letzter Besuch lag eine Weile zurück und Zelda wollte dorthin um zu beten. Und um an diesen historisch bedeutsamen Plateau Anhaltspunkte für ihre neue Theorie zu sammeln, dass es irgendwo einen Ausgangspunkt für die Aktivierung der antiken Bauten geben musste. Davon wusste ihr Vater natürlich nichts. Zelda legte eine Hand auf die Lehne des Throns und lehnte sich leicht nach vorne.   „Weil in dieser Angelegenheit jemand offiziell sprechen muss“, antwortete sie geduldig. „Und ich bei dieser Gelegenheit sehen kann, wie Revali mit dem Titanen zurechtkommt.“ Erwähnte sie die Titanen nicht, würde ihr Vater misstrauisch werden – schließlich kannte er sie gut genug. Sprach sie zu interessiert davon, würde er sich ebenfalls sträuben sie gehen zu lassen. Zelda befand, dass eine kleine Dehnung der Wahrheit ihr in diesem Fall gute Dienste leisten würde. „Es scheint mit der Steuerung nicht ganz reibungslos zu verlaufen. Und ich brauche mehr Informationen, um mich mit Purah und Robelo beraten zu können. Um den anderen Recken zu helfen.“ Ihr Vater zog die Brauen zusammen. „Es gibt Schwierigkeiten mit den Titanen?“ Sein Tonfall klang aufgebracht. Besorgt. Ein wenig schockiert. Auf eine brummige, sonore Art. Zelda lächelte, um ihn zu beruhigen. „Nicht direkt. Nur mit der Feinjustierung.“ Und auch nicht bei allen. „Aber das werde ich beheben können.“ Sie war sich nicht einmal halb so sicher wie sie tat, aber ihre Worte schienen ihren Vater dennoch zu überzeugen. Er brummte, war nicht begeistert, zeigte aber auch keine Anstalten sie von ihrem Plan abzubringen. Innerlich begann sie zu jubilieren. Es kaum selten vor, dass sie ihren Willen durchsetzen konnte. „Link wird dich begleiten“, legte der König fest. Er warf ihr einen scharfen Blick zu. Wahrscheinlich rechnete er mit ihrem Widerstand. Doch Zelda hatte damit gerechnet. Dennoch entwich der Blase ihres Triumphs ein wenig Luft. „Natürlich“, antwortete sie, als wäre es das tatsächlich, doch ihr Lächeln fühlte sich mit einem Mal gezwungen an.   Ein kurzes Kopfzucken war alles was Zelda von ihm bekam, als sie Link nach ihrer Audienz beim König mitteilte, dass sie am nächsten Morgen nach Hebra aufbrechen würden.   Kapitel 5: Kapitel 5 -------------------- Link wählte einen Weg abseits der Straße. Und wie gern hätte Zelda seine Führung ignoriert und wäre auf der Straße geblieben, die vom westlichen Ende von Hyrule Stadt durch die Todbringer Schlucht nach Hebra führte. Doch wahrscheinlich hatte der Name dieser Schlucht nicht nur rein historische Bedeutsamkeit. Vor Wegelagerern wurde auf der ganzen Strecke gewarnt. Selbst eine so kurze Distanz von den Stadtmauern entfernt, mit den ständigen Patrouillen der Garde, war Hyrule längst nicht mehr so sicher, wie es vor einigen Jahren der Fall gewesen war. Zelda ergab sich also seufzend ihrem Schicksal. Sie hatte ihren Willen bereits darin durchgesetzt, dass sie ohne Pferde reisten. Eine lange Strecke. Mit dem Nachteil, dass Zelda sie mit ihm verbringen würde. Alleine. Aber sie sehnte sich nach der Freiheit des Landes. Der frischen Luft der Ebenen und Wälder. Seit sie von der Reise zum Dorf der Zoras zurückgekehrt war, hatte sie das Schloss nicht verlassen. Und all ihre Lebensgeister schienen hinter den Mauern und unter der Erwartung ihres Vaters zu verkümmern. Auch wenn sie dort zumindest ein bisschen Frieden in der Erforschung der antiken Relikte fand.   Die frische Luft brannte ihr in den Lungen. Um die Siedlung am Weg zur Schlucht zu umgehen, kam man um ein bisschen Kletterei nicht herum. Zelda zwang sich weiter zu gehen. Hinter sich konnte sie die Schritte ihres Leibwächters kaum ausmachen, so leise bewegte er sich. Aber sie wusste, dass er da war. Ein paar Schritte hinter ihr. Die ganze Zeit schon, seit dem heutigen Morgen. Anders als sonst, hatte er nicht im Verborgenen ausgeharrt, sondern war aufgetaucht, sobald sich Zelda von ihrem morgendlichen Gebet erhoben hatte. Als wollte er verhindern, dass sie ohne ihn abreiste. Was ihr in den Sinn gekommen war. So hirnrissig und aussichtslos es auch war.   Sie kamen nicht sehr schnell voran. Zelda hatte den Schimmel, den ihr Vater für sie hatte züchten lassen, nicht aus den königlichen Ställen hatte holen wollen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich mit dem temperamentvollen Pferd vollkommen vor Link blamiert hätte, war einfach zu groß. Nach zwei Jahren in ihrem Besitz, hatte das Tief immer noch sporadische Anflüge von Pferdewahnsinn, oder was auch immer es war, das Storm ständig dazu brachte so nervös zu sein.   Es näherte sich die Mittagsstunde und sie hatten noch nicht einmal die Hälfte der Strecke hinter sich gebracht. Allerdings würde der Weg in der Gegend um die Harzblutsümpfe leichter werden und sie bestimmt zügiger voran kommen. Zelda hatte Link mitgeteilt, dass sie plante die Nacht in einer Herberge vor der Tabantha Brücke zu verbringen, um es dann am nächsten Tag bis zum Dorf der Orni schaffen zu können. Zelda mochte die Wildnis, aber sie schlief lieber in einem Bett. Ihr Leibwächter hatte schweigend dazu genickt. Er schien nichts daran auszusetzen haben, allerdings war es auch die logischste Aufteilung der Strecke. Dass er eigene Gedanken bezüglich ihres Weges hatte, wurde klar, all er sie nach Überquerung der Corok Brücke überholt und die Hügel von West Hyrule hinauf getrieben hatte. Und zwar nur mit einem knappen „Prinzessin!“ und einer Geste zum Berg hinauf. Vielleicht sollte Zelda sich schämen, dass sie nicht ein bisschen Widerstand gezeigt hatte. Ein aufstampfender Fuß. Ein Augenrollen. Ein schlichtes Nein. Sie hätte auch einfach weiter gehen können. In die andere Richtung. Aber wem sollte das etwas nützen. Und außerdem war die Schlucht gefährlich. Und die Gegend vor den Hügeln dicht besiedelt. Selbst ohne ihre royale Robe und das Diadem war Zelda gerade hier viel zu bekannt und viel zu leicht zu erkennen. Der Weg durch das Dorf hinter der Brücke hätte sie unnötig aufgehalten.   Und so stampfte sie den Berg hinauf. Sich nur zu bewusst, welch lächerlichen Anblick sie von hinten bieten musste. Mit den kleinen Verschnaufpausen und den ungelenken Schritten. Sie versuchte sich damit abzulenken, die Landschaft zu betrachten. Die Bäume, die Pflanzen. Versuchte die Insekten zu identifizieren, die, von ihren Schritten gestört, aus dem dichten Pelz aus knöchelhohem Gras aufstoben. Spürte den Wind in ihrem Haar, auf ihrem Gesicht. Versuchte die Sonne zu genießen. Und es funktionierte. Zumindest ein wenig. Beinahe stellte sich so etwas wie Entspannung ein, nachdem sie den Anstieg hinter sich gebracht hatte. Eine Losgelöstheit, die damit zusammenhing, dass sie die Zivilisation für einen kleinen Augenblick hinter sich lassen konnte. Die weichen Stiefel und die Hosen halfen ebenfalls. Hier, auf den grauen Hügeln Hyrules, konnte sie einfach Zelda sein. Entdeckerin. Forscherin. Und der schweigsame Hylianer hinter ihr war … ihr Assistent.   Zelda stockte in der Montage ihres Fantasiebildes. Nein. Das passte nicht.   Ihr … sie suchte nach einer passenderen Rolle für ihren Schatten.   Er war ihr stiller Begleiter.   Ihre Brauen zogen sich zusammen.   Ihr … ihr … ihr Leibwächter.   Verdammt!   Zelda verzog das Gesicht. Ihr Schritte verlangsamten sich und sie warf einen verärgerten Blick über die Schulter. Sie sah blaue Augen, die sich ihr in den Rücken bohrten. Na toll. Scheinbar war sogar ihre Phantasie davon überzeugt, dass sie einen Leibwächter benötigte. Sie konnte sich nicht einmal eine andere Rolle für ihn ausdenken.   Nach diesem Rückschlag fiel es Zelda nicht mehr ganz so leicht, den Ritter hinter sich zu vergessen. Dann und wann sah sie sich nach ihm um, da sie seine Schritte auf dem Grasteppich nicht hören konnte. Es war gruslig wie leise er war.   Natürlich war er immer da. Eine Manneslänge hinter ihr. Den Blick starr geradeaus gerichtet. Er verzog keine Miene, auch wenn Zeldas eigene immer missmutiger wurde. Selbst als sie ihre Gedanken den alten Inschriften auf den Schreinen zuwandte, die sie katalogisiert hatte, seit die Ausgrabungen noch zahlreicher geworden waren, fiel ihr die Konzentration schwer.   Immer schwerer war auch das leere Gefühl in ihrem Bauch und die zunehmende Unlust ihrer Füße zu ignorieren. So langsam bereute Zelda die Entscheidung ihr Pferd zurück gelassen zu haben. Sie befanden sich in der Gegend der Harzblutsümpfe und die Sonne hatte ihren Zenit bereits überschritten. In der Ferne konnte Zelda die riesigen, pilzartigen Felsformationen ausmachen. Es war Zeit für eine Pause. Und zwar dringend.   Ungefähr eine halbe Stunde lang – die Zelda unendlich viel länger vorkam – rang sie mit sich und ihrem Bedürfnis, sich einfach auf den Boden fallen zu lassen. Aber sie wollte nicht diejenige sein, die zuerst eine Pause verlangte. Gleichzeitig fragte sie sich, wem sie eigentlich etwas vormachen wollte. Man musste kein Weissager sein, um zu wissen, wie dieser imaginäre Wettkampf ausgehen würde. Zelda seufzte und blieb stehen. Sie öffnete den Mund, um lautstark eine Pause zu verlangen, doch Link unterbrach sie, bevor die Worte sich formen konnte. „Da vorne“, sagte er und deutete zu einer Baumgruppe am Horizont. Zeldas Lippen schnappten zu. Irritiert gestattete sie, dass er sie überholte, an ihr vorbeilief und dann nach einigen Schritten wieder stehen blieb. Sich zu ihr umsah. Sie gab sich keine Mühe ihre Unzufriedenheit zu verbergen. Hatte er von Anfang an dort eine Pause geplant? Oder reagierte er nur auf Zeldas fehlende körperliche Ausdauer und hatte aus seinem Repertoire passender Rastplätze den nächstbesten aus dem Ärmel geschüttelt? Sie war kurz davor nun doch mit den Augen zu rollen. Sich bewusst, dass er sie immer noch ansah, setzte Zelda sich in Bewegung. Mit erhobenem Kinn und einigermaßen blasierten Gesichtsausdruck, für den sie sich später schämen würde. Eventuell. Link ließ sie vorbeigehen, um dann seinen Platz hinter ihr einzunehmen, eine Manneslänge entfernt. Absolut schweigsam.   Sie musste sich irgendetwas einfallen lassen, um damit zurechtzukommen. Sonst würde sie früher oder später durchdrehen.   Link führte sie zu einer kleinen Lichtung zwischen mehreren Baumgruppen, die von ein paar großen, von Moos überzogenen Felsen vor Blicken von der Straße aus geschützt war, die sich unweit von hier, am Sumpf vorbei schlängelte. Zelda ließ sich auf den Boden fallen, wenig elegant, doch sie versuchte sich einzureden, dass Links Urteil über sie sowieso keine Rolle spielte. Noch eine Sache in der sie sich etwas vormachte.   Bevor sie nach ihrer Tasche fragen konnte, die Link an sich genommen hatte, als sie am Schloss aufgebrochen waren, hatte er ihr schon eine Feldflasche gereicht. Und etwas, das in weißes Tuch eingeschlagen war und absolut himmlisch duftete. Wie genau er es anstellte, dass er große Gepäckstücke und Unmengen von Waffen einfach verschwinden lassen konnte, ohne dass sie tatsächlich verschwanden, war ein Rätsel, das Zelda in naher Zukunft zu lösen gedachte.   Ihr erster Impuls war beides abzulehnen, doch der Geruch vernebelte ihr kurzerhand die Zurechnungsfähigkeit. Sie griff nach Flasche und Wegzehrung, darauf bedacht, ihn dabei nicht zu berühren. „Danke“, murmelte sie, denn sie mochte verärgert sein, aber nicht manierenlos, und schlug die Augen nieder. Es kam keine Antwort. Oder vielleicht doch. In Form einer winzigen Veränderung seines stoischen Gesichtsausdrucks, des Luftdrucks oder auch seiner Haarfarbe. Aber Zelda war zu sehr damit beschäftigt durstig die Feldflasche anzusetzen und sich das angenehm kühle Wasser über die Kehle rinnen zulassen. Dieses Mal konnte es ihr gar nicht egaler sein.   Während sie das Tuch öffnete und das darin verborgene Stück flach ausgebackenen Teiges an die Nase hob, sah sie zu, wie Link sich ebenfalls setzte. Oder zumindest so etwas Ähnliches tat. Er hockte, mit beiden Füßen auf dem moosigen Boden, als wäre er jeder Zeit dazu bereit aufzuspringen. Wahrscheinlich, so überlegte Zelda, während sie von dem süß riechendem Fladen probierte, war genau das auch der Fall. Sie beobachtete die kleinen Bewegungen seiner Augen, mit denen er die Umgebung absuchte. Die permanenten Drehungen seines Kopfes, die introvertierte Art in der er kaute. Der sahnige Geschmack ihres Mittagsmahl überflutete ihre Zunge im selben Moment wie die Erkenntnis ihren Geist. Er lauschte. Nicht mal während einer Pause ließ er sich von seiner Aufgabe ablenken. Wahrscheinlich schlief er tatsächlich kaum. Geheime Shiekah Techniken und all das.   Die Erkenntnis war nicht leicht für sie.   Sie hatte keine Ahnung was er von ihr dachte. Und dennoch handelte er mit einer Loyalität, die Zelda, da sie nicht wusste woher sie stammte, kaum ertragen konnte.   Sie betrachtete ihn schweigend, während sie kaute. Er aß schnell, aber ordentlich. Ein, zwei, drei von den süßen Fladen verschwanden, bevor Zelda sich dazu durchgerungen hatte zu sprechen.   „Das ist gut“, sagte sie und gestikulierte kurz mit der halb verzehrten Mahlzeit auf ihrer Handfläche. Link folgte ihrem Blick, dann begegnete er kurz dem ihrem. Zuckte mit den Schultern und nickte einmal. Dann holte er einen Apfel aus seiner seltsamen Tasche hervor. Sie verfolgte die Bewegung. Sah die weißen Zahnreihen, die sich knackend in die Frucht bohrten. Betrachtete seine Lippen. Schnell sah sie nach unten. „Was ist das?“, fragte sie und hielt den Fladen erneut hoch. Beobachtete ihn unter den Lidern hervor. Link kaute und schluckte. „Crêpe“, antwortete er knapp und biss erneut in den Apfel. Es überraschte sie, wie befremdlich der Klang seine Stimme für ihre Ohren war. Er sprach so selten, dass Zelda jedes Mal ein wenig geschockt war, wenn er es dann tat. Mit dieser Stimme, die zu rau schien, um wirklich zu ihm zu gehören.   Den Rest ihrer Pause verbrachten sie schweigend, aber es war nicht einvernehmlich. Zumindest nicht für Zelda, die befangen an ihrem Crêpe – wie sie nun wusste – herum knabberte, bis nichts mehr davon übrig war. Sie leerte die Hälfte ihrer Flasche und versuchte sich damit abzulenken, die restliche Route mental durchzugehen. „Nach dem Überqueren der Tabantha Brücke, werden wir hoffentlich schneller voran kommen als heute“, begann Zelda, als sie die Stille nicht mehr ertragen konnte. „Sonst schaffen wir es nicht bis zum Dorf, bis die Nacht hereinbricht.“   Zelda hatte wenig Lust im Freien zu kampieren. Sie sah zu Link, darauf gefasst keine Antwort zu erhalten. Dementsprechend überrascht war sie, als sie ihn Luft holen sah. Doch dann schien er seine Kiefer gegen die Worte zu sperren, die er offensichtlich sagen wollte. Wie bereits einmal zuvor, konnte sie dabei zusehen, wie er sich in sich selbst zurückzog. Es war so schnell gegangen, sein scheinbarer Impuls zu antworten, dass Zelda es sich auch hätte einbilden können. So unberührt wie er einen zweiten Apfel vertilgte. Die Umgebung immer genau im Blick. Aber sie hatte es sich nicht eingebildet. Er hatte etwas sagen wollen. Hatte etwas zu sagen gehabt. Etwas, das er zurück gehalten hatte. Anspannung kroch Zelda den Nacken hinauf. Was? Was hatte er sagen wollen? Was war so unangebracht, dass er es hatte hinunter schlucken müssen? Zeldas Phantasie ließ einen bunten Straß der Paranoia erblühen, als sie versuchte, auf diese Fragen eine Antwort zu finden. Hatte er sie darauf hinweisen wollen, dass sie besser zu Pferde hätten reisen sollen? Dass sie diejenige war, die zu langsam war? Dass es ihre eigene Schuld war, wenn sie es bis morgen Abend nicht zum Dorf der Orni schaffen würden?   Zelda wollte auf die imaginären Anschuldigungen antworten. Etwas Verteidigendes erwidern, doch sie konnte sich nicht sicher sein, dass es das war, was er dachte. Immerhin war es genauso gut möglich, dass er etwas ganz anderes hatte sagen wollen. Und sie würde sich fürchterlich blamieren, wenn sie ihn jetzt auf eine reine Vermutung hin anblaffte. Zelda entschied sich zu tun, worin sie sich seit ihrem sechsten Lebensjahr übte. Sie verbarg Worte und Gefühle hinter einer Maske der Unberührtheit. Sprach weder während sie sich erhob und die kleinen Büschel getrockneten Moos' von ihrer Hose strich, noch als sie den Weg fortsetzten, sie vorne weg und Link hinter ihr; eine Manneslänge. Und sie blieb schweigsam, bis sie den warmen Schimmer von Fenstern in der Ferne wahrnahm, die in der hereinbrechenden Abenddämmerung schwach leuchteten.   *   Erleichtert seufzte Zelda. Ihre Füße taten weh, sie hatte Hunger und der Anstrengung, sich ihre aufbrausenden Gefühle nicht anmerken zu lassen, verdankte sie einen schlimmen Kopfschmerz. Die Gedanken an den morgigen Tag – dasselbe noch einmal – sollte sie lustlos, wenn nicht sogar verzweifelt stimmen, aber sogar dazu fehlte ihr die Kraft. Sie sehnte sich nach einem Bad und einer warmen Mahlzeit. Und heute würde sie die Abendandacht auslassen. Sie würde die Tür ihres Zimmers verriegeln und ihr Leibwächter hätte nicht die Spur einer Chance herauszufinden, was sie dahinter trieb. Oder nicht trieb. Also würde auch ihr Vater davon nichts erfahren.   Zelda kannte das Gasthaus bereits von ihren früheren Reisen nach Hebra – Revali war der Recke gewesen, der sich mit seiner Antwort am meisten Zeit gelassen hatte. Am Ende hatte sich Zelda dazu herabgelassen, ihn anzubetteln.   Es war ein großes Steingebäude, mit zwei Nebenbauten und einem Stall. Mehrere Tische standen auf einer Veranda rund um das Haus herum. Fast alle Fenster waren beleuchtet und aus dem Kamin waberten lustige Rauchwolken in den grau werdenden Abendhimmel.   Man begrüßte sie feierlich – natürlich war sie den Gastleuten bekannt – und führte sie die zwei Treppen hinauf in die Gemächer, die sie auch die letzten Male hier bewohnt hatte. Zwei schöne, gemütlich eingerichtete Räume, die zwar nicht prunkvoll, dafür aber heimelig waren. Und eine angrenzende Kammer, in der man den Nachttopf benutzen konnte. Zelda wollte sich gerade bei der Gastwirtin bedanken, als Link sich an ihr vorbei schob. So schnell, dass ihr die Worte in der Kehle stecken blieben, ebenso wie die Luft, die sie gerade hatte einatmen wollen. Überrumpelt sah sie ihm zu, wie er die Räume inspizierte. Die Fenster überprüfte, in Schränke, hinter die Kommode und unter Tisch und Bett schaute. „Link“, fauchte sie, so leise wie es ihr möglich war, in Anwesenheit der Gastwirtin, die ihren Leibwächter ebenfalls überrascht bei seinem Vorgehen beobachtete. Sein Vorgehen implizierte Misstrauen in die Fähigkeiten der Gastleute. Es kam einer Beleidigung gleich. Und auch wenn die Gastwirtin das nicht so zu empfinden schien, war es Zelda unangenehm. Sie musste an sich halten, um ihn nicht an ihre Seite zurückzuschnippen wie einen Hund. Dabei war er genau das. Ihr Wachhund. Beinahe hätte sie über den Gedanken gelacht. Dann klopfte Link an die Wände. Und die kurz aufgetauchte Belustigung, wehte mit Zeldas schnaufendem Ausatmen davon. Mochte sein, dass sie hier überreagierte. Aber es war erste Mal, dass er sich wie ihr Leibwächter benahm. So richtig zumindest. Und nachdem sie beinahe zwei Wochen davon verschont worden war, konnte Zelda nun nicht gut damit umgehen.   Sie wandte sich der Gastwirtin zu. Einer etwas rundlichen Hylianerin, die ihr Haar unter einem Tuch verborgen hatte, ähnlich wie es Zeldas zwei Hofdamen taten. „Ich bin überzeugt dass Sicherheit in diesem Haus hoch gehandelt wird“, sagte sie in entschuldigendem Ton zu der Wirtin. „Er“, sie deutete auf Link „ist nur dafür bekannt, sehr gründlich zu sein. Selbst dann“, sie sah hinüber zu dem Recken, der nun den Kopf in die Toilettenkammer hinein steckte, „wenn es absolut unnötig ist!“ Die letzten Worte hatte sie mit aufeinander gepressten Zahnreihen ausgesprochen, um ihnen eine deutliche Botschaft beizulegen.   Doch Link schien sich wie immer nicht daran zu stören, dass Zelda aufgebracht war. Vielleicht bemerkte er es auch gar nicht. Konnte man nur für Gefahren aufmerksam sein, nicht aber für die Gefühle anderer? Implizierte das eine nicht das andere? Man musste doch ein Gespür für Aggressivität, für Anspannung haben, um einschätzen zu können, wann eine Situation womöglich aus dem Ruder geriet. Scheinbar zufrieden mit seiner Inspektion, trat Link an die Tür. Er nickte Zelda zu und trat zur Seite. Dieses Mal konnte sie sich ein Augenrollen nicht verkneifen. Wie befriedigend es sich anfühlte, sollte sie wohl niemandem erzählen.   Lächelnd, wenn auch ein wenig gequält lächelnd, sah sie wieder zur Wirtin. „Ein Bad. So schnell wie es sich einrichten lässt. Dafür wäre ich unendlich dankbar“, sagte sie und die Wirtin nickte. „Aber natürlich, Euer Hoheit. Und ich werde Euch Eintopf und Brot hinauf schicken lassen.“ Zelda bedankte sich ebenfalls nickend und die Wirtin verschwand. Dann widmete sich Zelda dem Problem von Links Schlafplatz. Eine plötzliche Vermutung ließ sie erstarren. „Du schläfst doch nicht etwa auch hier?“ Man konnte die Panik deutlich in ihrer Stimme hören. Doch Link schüttelte nur den Kopf. Dann deutete er auf den Boden vor Zeldas Füßen. „Was?“, fragte sie irritiert und sah zur Stelle auf die er gezeigt hatte. „Mein Leben gehört Euch, Prinzessin“, antwortete er, als würde das alles erklären. Zelda blinzelte. Dann schob er sich an ihr vorbei. Kurz roch sie frische Luft und Metall. Dann stolperte sie einen Schritt in das Zimmer hinein, um der plötzlichen Nähe zu entfliehen. Unnötigerweise, denn Link stand bereits einige Schritte von der Tür entfernt im Flur und sah sie unbewegt an. Dann regte er sich. So überraschend in diesem seltsamen Moment zwischen Verwirrung und beinahe-Körperkontakt, dass Zelda erschrocken zusammen zuckte. Nicht viel, aber sie war sicher dass er es bemerkte, denn ihre Tasche, die er aus seinem Gepäck hervorzog, wurde ihr mit beinahe schmerzlicher Langsamkeit gereicht. Zelda nahm sie entgegen und fühlte sich unwillkürlich an die Nacht auf der Mauer erinnert, als er ihr erst vor ein paar Tagen die Decke gegeben hatte. „Danke“, sagte sie und hörte die Frage in ihrer Stimme. Eine Frage auf so vieles. Link nickte und drehte sich dann um. Wandte ihr und ihrer Tür den Rücken zu. Trat einen Schritt zur Seite, um direkt neben dem Eingang zu ihrem Zuhause für diese Nacht stehen zu bleiben. Er lehnte sich nicht mal an die Wand, oder verschränkte die Arme. Stand einfach nur da. Hatte er vor, die ganze Nacht dort zu stehen? Hatte er das gerade gemeint?   Zelda biss sich auf Lippe. Dann legte sie ihre Tasche auf dem bereitstehenden Tisch ab und ging die wenigen Schritte zu Tür, um sie sanft zu schließen.   Ihm Bad kam und ging. Es war herrlich heiß und unendlich entspannend. Aber sie hätte es mehr genossen, wenn sie nicht die ganze Zeit an Link hätte denken müssen, der vor ihrer Tür in der Kälte stand und wohl tatsächlich keinen Schlaf finden würde. Hätte sie ein Zimmer für ihn ordern sollen? Hätte er das überhaupt zu gelassen? Müsste sie morgen Abend, wenn sich die Situation wiederholen würde, einfach darauf bestehen?   Zelda aß einen Teller warmen Eintopf und kaute einen Kanten Brot im Stehen, während sie aus dem Fenster hinaus, auf die dunkel daliegende Schlucht blickte, über die sich die lange Holzbrücke spannte. Sie schlüpfte in ihr Nachthemd, bürstete ihr Haar und kämpfte währenddessen die ganze Zeit gegen den Impuls die Tür zu öffnen. Ein Kampf den sie am Ende verlor. Die gut geölten Scharniere gaben keinen Laut von sich, als sie die Tür einen Spalt breit öffnete. Der Flur und das Treppenhaus waren schwach beleuchtet, vom Schein des Feuers, das in einem Kamin unten im Eingangsbereich brannte. Und so sah sie seinen hellen Haarschopf sofort. Er hockte am Boden. In derselben Haltung die er auch während ihrer heutigen Pause eingenommen hatte. Bei der Zelda bestimmt nach kurzer Zeit die Füße eingeschlafen wären. Die Hände hatte er vor seinen Knien gefaltet und er bewegte den Kopf nicht, schien einfach nach vorne zu blicken. Doch als Zelda die Tür wieder schloss, war sie sich dennoch sicher, dass er sie bemerkt hatte.       Die nächste Etappe der Reise verlief ereignislos. Zelda sprach kaum, viel zu tief in Gedanken versunken, um etwas anderes zu tun, als vor sich hinzustarren. Sie behielt ihr Gepäck für diesen Teil der Wegstrecke bei sich, kramte zwischendurch einige Notizen hervor und besah sich die alten Schriftzeichen. Doch es kam ihr kein bahnbrechender Gedanke. Dennoch fühlte Zelda das Prickeln der Euphorie, als sie von dem Grad, den sie gerade überquerten, den steil aufragenden Felsen sehen konnte, um den das Dorf der Orni herum gebaut war. Der vogelähnliche Schrei Vah Medos, der geruhsame Kreise darüber hinweg flog, ließ ihr Herz schneller schlagen. Sie beschleunigte ihre Schritte. Also hatte Revali es geschafft. Er steuerte den vogelähnlichen Titanen. Und das scheinbar mit einigem Können.   Sie erreichten das Dorf mit dem schwächer werdenden Licht des Nachmittags. Eher als gedacht, jedoch auf Kosten von Zeldas Füßen. Der Anblick Medohs hatten ihr scheinbar Flügel verlieren. Eine Ironie die komisch genug war, um sie lächeln zu lassen.   Beinahe stolperte sie, als Zelda versuchte den Titanen nicht aus den Augen zu verlieren und gleichzeitig die Hängebrücke zu überqueren, die über die inselartigen Felsformationen zum Dorf führte. Sie fing sich rechtzeitig. Schnappte nach Luft und stieß ein ächzendes Geräusch aus. Weniger wegen des beinahe Sturzes, sondern ihrer mangelnden Kenntnis an Schimpfwörtern, mit denen sie die Situation hätte angemessen verfluchen können. Als sie sich wieder aufrichtete, ein wenig wacklig auf den Beinen – es ging ganz schön weit hinunter – zog Link im selben Moment seine Hand zurück. Zelda bemerkte die Bewegung aus dem Augenwinkel. Sah erst seinen Arm, dann sein Gesicht an. Wie immer wirkte er wenig berührt von der Gesamtsituation, wäre da nicht eine gewisse Intensität in seinem Blick gewesen.   Zelda sah wieder nach vorne. Ignorierte ihn und setzte einen Fuß vor den anderen. Vorsichtig. Mit der Hand am Geländer. Die Augen auf die Planken gerichtet, nicht in den Himmel. Und dachte daran wie seltsam es war, dass sie sich einbildete in dem Wenigen, das Link ausdrückte, Botschaften lesen zu können. Entweder begann ihre Wahrnehmung sich auf ihn einzustellen, oder sie litt an Wahnvorstellungen.   Sie erreichten die kleine Herberge im Dorf ohne Zwischenfälle, auch wenn Zelda sich sehr dazu zwingen musste, nicht jedes Mal den Kopf in den Nacken zu legen, wenn Vah Medoh über ihnen sein Mark durchdringendes Kreischen ertönen ließ.   Die Wachposten im Dorf begrüßten sie respektvoll und zuckersüße Orni Mädchen versuchten sich gegenseitig darin zu übertreffen, selbst gereimte Lieder über ihre Ankunft zu singen. Zelda versuchte für alle ein nettes Wort parat zu haben, trotz ihrer Müdigkeit.   Die Herberge selber, war auf ihr erwartetes Eintreffen hin geräumt worden, so dass sie Zelda allein zur Verfügung stand, so wie bei ihrem letzten Besuchen. Ebenso wie die Ritter, die sie die letzten Male begleitet hatten, wurde Link ein Lager auf dem Boden vor der Herberge errichtet, deren Eingang für Zeldas Privatsphäre mit Tüchern verhangen worden war. So konnte sie nicht sehen, ob ihr Leibwächter die temporäre Bettstatt überhaupt benutzte. Als sie sich, erschöpft von der Reise und dem selbstauferlegten Tempo der letzten Wegstrecke, in die weiche Federmatratze kuschelte, hörte sie leise gesungene Melodien durch die kühle Abendluft wehen. Und gedämpfte Stimmen die nicht weit entfernt miteinander sprachen. Rau und sanft. Der Klang wiegte Zelda in den Schlaf.   *   „Im Namen der Gemeinschaft der Orni, danke ich Euch, Prinzessin.“ Der Dorfälteste spreizte seine massigen Flügel in großer Geste. „Möge Vah Medoh mit Eurem Segen über dieses Dorf wachen, wie es ein Orni Mädchen aus längst vergangener Zeit tat.“ Der Wind frischte auf und fuhr durch das prachtvolle Gefieder des eindrucksvoll großen Orni, ließ es in allen Farben des Regenbogens aufleuchten. Zelda senkte den Kopf. Sie stand in der Mitte des luftigen Hauses am höchsten Ende des Dorfes. Um sie herum reihten sich die anderen Ältesten und Wichtigen des Dorfes, deren Gestalten allerdings eher der Revalis glichen. Weniger der ihres riesenhaften Anführers. Seit Sonnenaufgang hatten sie gesprochen. Die alte Geschichte Medolies in Liedern gehört, Respektsbekundungen und Versprechen ausgetauscht. Als Zelda wieder aufsah, neigten die anderen Orni ebenfalls ihre schönen Köpfe. Die Zeremonie war beendet.   Tiba, der Orni der bei der Ernennung der Recken im Schloss anwesend gewesen war, begleitete sie zurück zum Flugplatz. „Wo ist Revali?“ Zelda sah hinauf in den Himmel, konnte Vah Medoh jedoch nicht entdecken. Den ganzen Morgen über hatte er sie mit seinem lauten Kreischen verhöhnt. Vermutlich befand er sich jetzt auf der anderen Seite des Ornifelsens. „Bei Medoh“, antwortete der Orni und machte eine Geste mit seinem Flügel. Wegen des Windwiderstands fiel sie lang aus und elegant. „Er kommt kaum noch herunter“, fuhr Tiba fort. An seinem Tonfall war schwer auszumachen, ob er an dieser Tatsache etwas auszusetzen hatte. „Nicht mal der Älteste kann ihn dazu bewegen, häufiger hier vorbei zu schauen.“ Er schwieg eine Weile, während sie langsam die Stufen hinabstiegen. Noch eine Drehung der gewendelten Treppe und der Flugplatz würde in Sicht kommen. „Er hatte den Kleinen versprochen, ihnen bei den Übungen im Bogenschießen zu helfen.“ Seine Stimme verriet immer noch kein Gefühl, die Wortwahl und die Härte seines Blicks dafür umso mehr. Hier war jemand nicht gut auf den eigenen Recken zu sprechen. Zelda schwieg und sah hinunter auf die hölzerne Treppe. Die Worte wühlten sich in ihr Gewissen und zerrten etwas Dunkles hervor. Es war ihre Schuld, dass Revali so viel Zeit im Titanen verbrachte. Hätte sie ihre Siegelkräfte, würde alle Hoffnung Hyrules nicht mit so einer Verzweiflung auf den Titanen ruhen.   Sie seufzte und sperrte sich gegen die Wolke aus Schwermut, die ihr die Sonne verdunkeln wollte. Es war Revalis eigene Entscheidung. Wie es aussah, kam er mit der Steuerung prima zurecht. Wenn er mehr Zeit bei Medoh verbringen wollte als bei seinem Volk, dann geschah das nicht auf Zeldas Befehl hin. Dennoch, vielleicht wäre er nicht mit so einer Begeisterung bei der Sache, wenn er mehr Vertrauen in Zeldas Fähigkeiten hätte.   „Er scheint sehr gut mit Vah Medoh zurechtzukommen.“ Der Orni antwortete nur mit einem Schulterzucken und einem Schnauben. Gern hätte Zelda nachgehakt. Hätte mehr über Revali und den Titanen gefragt; in Erfahrung gebracht, wie die Orni der Verheerung gegenüber eingestellt waren. Aber sie hatten den Treppenabsatz erreicht, auf dem der Flugplatz sich auftat und mit der Sichtung von Link, der genau dort stand, wo sie ihn zurückgelassen hatte, verschwand auch Zeldas Lust zu sprechen. Sie hatte die Stunden ohne ihn genossen. Wie sehr, bemerkte sie erst jetzt.   Er stand vom Felsen abgewandt, den Kopf in den Nacken gelehnt und sah in den Himmel. Hoch zum Titanen, den man von diesem Standpunk nun sehen konnte. Zeldas Schritte verlangsamten sich, als würde sich die Luft verdichten und es ihr physisch erschweren, die Distanz zwischen ihnen zu verkleinern. Er musste sie bemerkt haben, so laut wie Zeldas Schuhe auf dem Holz waren, aber er bewegte sich nicht. Tiba neben ihr seufzte und lockerte seine Schultern mit einer rollenden Bewegung. „Ich werde mal hinauffliegen und ihm sagen, dass Ihr ihn sprechen wollt“, sagte er. Zelda bezweifelte, dass er begeistert von der Idee war. Genauso wenig wie Revali es sein würde. Aber sie musste wirklich mit ihm sprechen. „Danke“, antwortete sie leise und lächelte. Sah dem Orni hinterher, als er sich vom Ende der Plattform in die Tiefe fallen ließ und kurze Zeit später in die Höhe schoss. Sie hörte die kräftigen Flügel Luft zerteilen. Sie fragte sich, ob die Fähigkeit zu fliegen irgendwie freier machte.   Link hatte sich von dem Abgrund abgewandt und war ihre einige Schritte entgegen getreten. Sie versuchte seinem Blick auszuweichen. Wehrte sich gegen die unangenehme, geladene Stille die sich augenblicklich zwischen ihnen auftat. Sie kratzte sich am Ellenbogen. Kaute auf der Unterlippe. Sah überall hin, nur nicht zu ihrem Leibwächter. Die Zeit verging. Und nichts veränderte sich. Außer, dass Zelda immer unruhiger wurde.   Irgendwann ließ sie die Hände an die Seiten fallen. „Es lief gut“, zischte sie schließlich. „Alles Bestens.“ Links Augenbraue wanderte nach oben. Ob wegen ihres Tonfalls oder der Information als solcher, war nicht zu sagen. Dann nickte er. Schien zufrieden. Als hätte er tatsächlich die Frage gestellt, auf die sie geantwortet hatte. Zelda verschränkte die Arme und sah zu Seite. Sie hörte dass er sich wieder umdrehte. Einige Schritte tat, sich entfernte.   „Er war hier“, hörte Zelda ihn auf einmal sagen. „Eben.“ Sie drehte den Kopf so schnell, dass ihr ein wenig schwindlig wurde. „Was? Revali?“ Sie machten einen Schritt nach vorne, ein wenig kopflos vor Überraschung, dass er die Information von sich aus preisgab. Zelda konnte sich nicht erinnern, dass er jemals von sich aus mehr zu ihr gesagt hatte. „Wann?“, wollte sie wissen, bevor er die erste Frage beantwortet hatte. Wahrscheinlich hätte er es ohnehin nicht getan. Und es gab nicht wirklich Zweifel, dass er von dem Orni Recken gesprochen hatte. Seine Augen waren immer noch auf die Flugbahn des Titanen geheftet. „Was hat er gesagt?“, fragte Zelda und verzog dann den Mund. Sie klang beinahe hysterisch. Link warf ihr einen Blick über die Schulter hinweg zu und sie bemühte sich um eine neutrale Miene. Unnötigerweise, denn er sah fast augenblicklich wieder in den Himmel. Die Muskulatur in seinen Wangen arbeitete. Als müsste er sich daran hindern, Worte auszusprechen, die ihm auf der Zunge lagen. Wie am Tag zuvor. Es dauerte eine Weile bis Zelda begriff, dass er nicht antworten würde.   *   Sie erreichten die Torstadt am Fuße des Plateaus nach Einbruch der Dunkelheit. Viel später als es Zelda lieb gewesen wäre. Doch als Link nach Verlassen des Orni Dorfes auf den Mietstall zugehalten hatte, war sie stur weiter gegangen. Wenn sie schon ihr eigenes Pferd nicht vor ihm reiten wollte, würde sie es erst recht nicht mit einem fremden versuchen und sich dann doch vor ihm blamieren.   Und so war der Weg zum Plateau beinahe unerträglich gewesen. Lang und anstrengend, drückend still und einfach nur eine grauenhaft. Zelda hatte irgendwann angefangen zu plappern, weil sie das aufgeladene Schweigen nicht mehr hatte ertragen können. Hatte die Landschaft kommentiert. Die Beschaffenheit des Weges. Hatte darüber philosophiert, wie lange sie noch zu laufen hatten und wann sie wohl am Plateau eintreffen würden.   „Es wird knapp, aber ich bin zuversichtlich, dass wir es vor dem Abend bis zur Zitadelle der Zeit schaffen werden.“   Bis zum Mittag hatten sie nicht einmal die Hälfte der Strecke bewältigt, aber mit sonnigem Optimismus hatte Zelda die Stille zwischen ihnen zu erhellen versucht.   „Und selbst wenn wir in der Stadt am Tor übernachten und den Weg auf das Plateau am nächsten Morgen starten, wir werden sicher ankommen.“   Als es immer düsterer wurde und Link nicht mehr nur eine Manneslänge hinter ihr, sondern so nah war, dass sie seinen Atem hören konnte, hatte sie einfach von etwas anderem gesprochen.   „Dort liegt der Satori Berg.“ Obwohl sie wusste dass ihm das sicherlich bekannt war. Er hatte das Land nämlich tatsächlich bereist. „Die Gegend ist bekannt für ihre schmackhaften Pilze.“   Sorgenvoll hatte Zelda die Sonne dabei beobachtet, wie sie am Horizont immer tiefer sank. Den Himmel in leuchtende Rottöne färbte und schließlich unterging. Das letzte Licht mit sich nahm. Das war der Moment in dem Link eine Fackel entzündete und ihr in die Hand drückte. Mit zitternden Fingern nahm Zelda sie entgegen. Er hingegen, hatte das Schwert gezogen. Was Zelda mehr als alles andere beunruhigte. Rechnete er mit einem Angriff? Oder war es nur eine reine Vorsichtsmaßnahme? Sollten sie von der Straße runter, oder war die gerade noch sicher? Würde eine Fackel Angreifer nicht anlocken? Wieso, oh bei der Göttin, wieso nur hatte sie so stur sein müssen und nicht reiten wollen? Zelda ermahnte sich tief durchzuatmen, einfach weiter zu gehen und ihrem Leibwächter zu vertrauen. Das war seine Aufgabe. Und bisher schien es nichts zu geben, dass er nicht bravourös meisterte. Also würde sie ihm vertrauen. Es blieb ihr sowieso nichts anderes übrig.   Zelda wurde vor Erleichterung beinahe schwindlig, als sie in der Ferne die Lichter der Stadt sah. Die schimmernde Glocke aus hellem Dunst, die über den Gebäuden hing und die Umgebung erhellte. Die Torstadt war geräumig. Nicht so groß wie Hyrule Stadt, aber beinahe.   Als sie die ersten Häuser und Wachposten passiert hatten, nahm Link ihr die Fackel aus der Hand. Zelda zuckte zusammen, als ihre Hände sich kurz berührten. Doch die Sensation war von so kurzer Dauer, dass es eher die Überraschung, als die tatsächliche Empfindung war. Link schien es nicht einmal bemerkt zu haben, denn er verstaute die Fackel in seinem Gepäck und wies ihr mit der Hand vorzugehen. Zelda folgte der Richtung in die er zeigte mit dem Blick und setzte sich dann in Bewegung. Das Gasthaus am Hauptplatz.   Lieber hätte Zelda in den königlichen Residenzen an der Zitadelle übernachtet, aber wegen ihrer Dickköpfigkeit, konnte sie das für diese Nacht vergessen. Sie hatte sich in Gefahr gebracht. Und bewiesen, dass ihre Entscheidungen nicht verantwortungsbewusst, sondern von kindlichem Trotz und anderen unreifen Gefühlen getrieben waren. Reuevoll und mit bitterer Selbstverachtung ging Zelda auf das hell erleuchtete Gasthaus zu. Sie sollte sich entschuldigen. Sie hatte Links Aufgabe entschieden erschwert und ihm nicht einmal eine Chance gelassen das Richtige zu tun. Was hätte er an diesem Morgen auch anderes tun können, als den Stall hinter sich zu lassen und ihr zu folgen? Sie auf ein Pferd zerren? Oder sie fesseln? Zelda konnte sich schwer vorstellen, dass er so etwas tun würde. Und sie war froh darüber.   Link bestellte ein Zimmer. Zelda war dankbar, dass sie nicht sprechen musste. Sie war unendlich müde. Ihre Füße schmerzten. Die Tunika klebte ihr am Körper. Aber vor allem brannte heiße Scham in ihr und sie hatte Angst, dass sie versuchen würde sich zu erklären, wenn sie einmal den Mund aufmachte. Und zu so einer Offenbarung war Zelda nicht bereit. Trotz aller Schuldgefühle. Schließlich war nichts Schwerwiegendes geschehen. Und der Muskelkater, an dem sie ohne Zweifel am nächsten Morgen leiden würde, wäre Strafe genug.   Der Gastwirt führte sie in großräumige Gemächer im obersten Stockwerk des Hauses. Mehrere Räume, eine Kammer für Bedienstete eingeschlossen, die Link zuerst durchsuchte und dann abnickte. Sie musste sich das eingebildet haben, aber für einen Moment hätte sie schwören können, dass ihr Leibwächter die Wände beschnüffelte.   Gern hätte Zelda die Ereignisse der letzten Tage niedergeschrieben. Den schweren Gefühlen Raum gegeben, die ihre Brust einengten, ihr die Luft zum freien Durchatmen nahmen. Es waren erst drei Tage. Doch das beinah ununterbrochene Zusammensein mit Link, lastete heute schwer auf ihr. Doch Zelda war zu müde, um zu schreiben. Viel zu müde.   Sie riss sich die Kleider vom Leib, als die Tür hinter ihr ins Schloss fiel. Stolperte auf das weich aussehende Bett zu und war eingeschlafen, bevor sie die drückenden Emotionen auch nur noch einmal hätte Revue passieren lassen können.     *   Eine Gänsehaut bildete sich auf Zeldas Armen, als sie in den kühlen Schatten des Durchgangs trat, der in die steile Felswand des Plateaus gehauen war. Unwillkürlich schlang sie die Arme um ihren Oberkörper. Statt ihrer blauen Tunika, trug sie das weiße Gewand der Hohepriesterin und fröstelte ein wenig, hier, in dem ewigen Schatten des Berges. Die Kälte war nur von kurzer Dauer, dann trat sie in den warmen Sonnenschein des späten Vormittags, der über die Stufen flutete, die zur Zitadelle hinaufführten. Zelda war den Weg unzählige Male gegangen. Doch heute stellte sich das bekannte Gefühl nicht ein, das sie sonst immer überkam, wenn sie das opulente Gebäude erblickte.   Zelda hatte nicht gut geschlafen und sie fühlte sich kein bisschen ausgeruht. Ein Klopfen an der Tür hatte sie heute Morgen wecken müssen. Links Klopfen wahrscheinlich, Zelda hatte nicht nachgefragt. Doch wer sollte es sonst gewesen sein … Wegen der fortgeschrittenen Stunde, hatten sie nicht unbemerkt zum Plateau aufbrechen können und nun folgte ihnen ein bunter Haufen aus Stadtbewohnern.   Genau das was Zelda an einem solchen Morgen gebrauchen konnte. Publikum. Die Untertanen ihres Vaters, ihr Volk, das ihr dabei zusah, wie sie erneut scheiterte. Auch wenn es für die Schaulustigen vielleicht nicht so deutlich zu erkennen war. Wie sollte Zelda an diesem Tag die nötige Feierlichkeit aufbringen, die gebotene spirituelle Ergebenheit. Wenn sie doch nicht mal rechtzeitig hatte aufstehen können.   Sie faltete die Hände und versuchte wenigstens einigermaßen feierlich auszusehen. Hinter ihr hörte sie aufgeregtes Stimmengemurmel. Sie unterdrückte den Impuls einen verärgerten Blick nach hinten zu werfen. Was glaubten die Leute denn? Dass die Göttinnenfigur in der Zitadelle zum Leben erwachen würde? Dass Hylia selbst durch die bunt beschienen Fenster hinein schweben und sie alle mit ihrer Herrlichkeit blenden würde?   Zelda kam gern auf das Plateau. Anders als an den Quellen, hatte sie hier immer ein wenig vom Geist der Göttin und der vergangenen Zeiten spüren können. Zumindest bildete sie sich das ein. Außerdem fiel es ihr hier besonders leicht, sich an ihre Mutter zu erinnern.   Zelda atmete tief ein. Schloss die Augen, während sie einige vorsichtige Schritte die Stufen hinauf tat. Versuchte die Anspannung hinter sich zu lassen. Am Fuße des Plateaus. Fern von der Zitadelle der Zeit, diesem heiligen Ort, der Geschichte mit Legende verband. Versuchte Kontakt aufzunehmen, mit den verborgenen Kammern geheimer Spiritualität in ihrem Inneren. Als sie die Augen wieder öffnete, ging ihr Atem ruhiger. Sie war sich der Vogelstimmen in der Luft gewahr, des kaum wahrnehmbaren Windes. Hörte die Stimmen hinter ihr kaum noch.   Sie überquerte den Vorplatz der Zitadelle, schritt an den königlichen Gebäuden vorüber, stieg die letzte Treppe empor. Und stand schließlich vor dem Eingangstor. Hinter ihr tat Link seinen letzten Schritt und kaum mit kaum wahrnehmbaren Geklirr seiner Waffen zum Stehen.   „Warst du schon einmal hier?“, fragte sie ihn. Er hatte den Blick nach oben gerichtet, zum endlos in den Himmel aufragenden Turm. Er senkte den Kopf, als sie sich zu ihm umdrehte. Ihre Blicke trafen sich und für einen kurzen Augenblick verspürte Zelda tiefen Frieden. Dann nickte Link und der Moment verflog. Es schien mehr hinter diesem Nicken zu stecken. Doch Zelda wusste nicht, wie viel sie in seine stummen Blicke und Gesten hinein interpretierte. Ohne noch einmal etwas zu sagen betrat sie den stillen, kühlen Ort. Ließ Link und seine stoische Verschlossenheit hinter der Tür zurück.   *     Zelda verbrachte den Tag zu den Füßen der uralten Göttinnenstatue im Inneren des Zitadellenschiffes. Sie spürte weder den harten Boden, noch den kühlen Stein. Lauschte nur ihrem eigenen Herzschlag. Versuchte sich zu öffnen. Wie immer. Für die Göttin. Für die Ströme von Energie, die ihre Mutter hier gespürt hatte. Versuchte irgendetwas zu fühlen.   Sie erhob sich lange nach Sonnenuntergang. Wankte ein wenig, aber fühlte sich ruhiger als am Morgen und geerdeter als in den letzten Tagen. Auch wenn eine Antwort auf ihre Gebete ausgeblieben war, so hatte Zelda dennoch viele Stunden in tiefer Andacht aushalten können, ohne dass ihre Gedanken abgeschweift waren. Eine Art Befriedigung erfüllte sie, als sie auf die Tür zuging. In der Leere der Zitadelle hallten ihre Schritte in dutzenden Echos.   Sie weigerte sich verzweifelt zu sein. Versuchte das Positive an der Erfahrung zu fühlen. Die Zeit hatte sich aufgelöst, während sie gebetet hatte. Das war ein gutes Zeichen, nicht wahr? Es sprach von einer Trancetiefe, die Zelda selten erreichen konnte und wenn, dann nie für so lange Zeit. Außerdem würde sie sich nun ohne störendes schlechtes Gewissen der Arbeit an Rudania widmen können. Ein Lächeln stahl sich auf Zeldas Gesicht. Vielleicht würde sie heute Nacht besser schlafen können.   *   Sie nahmen den Weg vorbei am Komolo See. Abseits von den Wegen, aber immer in deren Nähe. Ausgeruhter als sie es gewesen war, seit sie vom Schloss aufgebrochen waren, legte Zelda ein eher gemütlicheres Tempo vor. Nun, da sie ihre Pflicht in der Zitadelle erfüllt hatte, wartete nur noch Rudania auf Zelda. Und auch wenn sie es kaum erwarten konnte, mehr von Daruks Erfahrungen zu hören, so fühlte sie das erste Mal sei dem Start ihrer Reise keinen Zeitdruck.   Wäre da nicht Link gewesen.   Sie versuchte sich die Zeit zu vertreiben, in dem sie auf dem Shiekah Stein herum drückte. Ihn auf alle möglichen Pflanzen und Gesteinsformationen hielt und das Bild betrachtete, das durch den Stein entstand. Doch es nützte nicht viel. Zelda spürte seinen Blick stärker als je zuvor in ihrem Nacken. Zwischen ihren Schulterblättern. Hörte den Rhythmus seiner Schritte. Leise zwar, aber gleichmäßig und ganz nah. Immer eine Manneslänge hinter ihr. Sie unterdrückte den Impuls schneller zu laufen. Als ob sie vor ihm wegrennen könnte. Früher oder später würde er sie einholen.   „Als nächstes gehen wir nach Goronia“, sagte Zelda bevor sie sich zurück halten konnte. Ein Versuch das ewige Schweigen zu brechen, nicht wirklich um ein Gespräch zu beginnen. Er würde ohnehin nicht antworten. „Es gibt viel zu tun!“, plapperte sie. „Ich muss an dem Titanen dort arbeiten, damit Daruk ihn besser steuern kann. Auch wenn wir zahlreiche Tests durchgeführt haben, ist es trotzdem eine Gleichung mit vielen Unbekannten.“ Sie klang zuversichtlicher als sie sich fühlte. „Aber fest steht, diese Relikte wurden von unseren Vorfahren erschaffen. Das heißt, wir können sie verstehen und herausfinden, wie sie funktionieren.“ Warum erzählte sie ihm das? Versuchte sie sich zu rechtfertigen? Ihm zu versichern, dass sie doch zu etwas zu gebrauchen war und wenn auch nur dafür, um die hinterlassenen Technologien ihrer Vorfahren wieder nutzbar zu machen? „Du wirst schon sehen“, hörte sie sich sagen. „Wir werden die Verheerung... wir werden Ganon damit besiegen. Dafür sorge ich!“   Ja. Ja, es war eindeutig eine Rechtfertigung.   Aber die Relikte waren tatsächlich Zeldas große Hoffnung. Wenn es ihr nicht gelang, die Kräfte des Siegels zu erwecken, dann war das ihre einzige Chance im Kampf gegen Ganon zu gewinnen.   Wieso nur hatte die Göttin sie so gut darin gemacht, Dinge herauszufinden. Rätsel zu lösen. Wieso war sie so gut in etwas, das nicht von ihr verlangt wurde und so schlecht in der einen Sache, für die sie eigentlich geboren worden war?   Es wurde Zeit dass Zelda einige gute Schimpfwörter lernte, ihr momentaner Wortschatz reicht nicht aus für die derzeitige Tiefe ihrer Depression.   Und Link? Welche Hoffnung bot er? Was wusste er überhaupt über die Legenden? Ihre Vorfahren. Über das heilige Schwert, das ihn auserwählt hatte?   Zeldas Schritte verlangsamten sich und sie ließ den Shiekah Stein sinken. Bis sie schließlich ganz stehen blieb. Hinter ihr hörte sie Links Schritte verstummen. Auch er war stehen geblieben. Er schwieg. Wie immer. Seine Präsenz jedoch war ohrenbetäubend.   „Sag mir“, begann Zelda, ohne dass es ihr möglich gewesen wäre die Worte zurückzuhalten. Über ihre Schulter hinweg, sah sie nach hinten, wählte eine Formulierung, die ihn dieses Mal direkt aufforderte zu antworten. „Hat das heilige Bannschwert seine Geheimnisse mit dir geteilt? Die Stimme … die seinem Stahl innewohnt. Kannst du sie wirklich hören, Held?“   Es war nicht ihre Absicht gewesen den Ehrentitel mit solch einer Verachtung auszusprechen. Doch er war so emotional geladen. So vermessen. Machte ihn das Führen des Schwertes wirklich zum Helden?   Wirklich fragten wollte Zelda, was die Stimme über sie zu sagen hatte. Was er über sie dachte. Ob er sie für ihre Unfähigkeit verachtete, ihre Fixierung auf die Titanen, die alten Technologien als Zeitverschwendung ansah. Ob er ihr die Schuld daran gab, dass sie nutzlos war.   Doch sie tat es nicht. Natürlich nicht.   Er blinzelte, das Gesicht wie immer bar jeder Emotion. Zelda wartete. Sie würde darauf beharren, dass er ihr antwortete.   „Ein wenig“, sagte er. So lange nachdem sie die Frage gestellt hatte, dass es Zelda überraschte dass er sprach. „Ich höre keine Stimme. Aber ich spüre …“ Er hielt inne. Suchte nach Worten. Oder nach einem Weg ihrer Frage auszuweichen. Woher sollte sie das schon wissen. Es waren die meisten Worte, die sie ihn je hatte sprechen hören. „Es“, schloss er. Ließ Zelda im Ungewissen was Es genau war. Das Schwert? Die Stimme? Was?! Doch die Art wie sich sein Kiefer verhärtete, sprach deutlich davon, dass er alles gesagt hatte, wozu er bereit war. Mehr würde sie nicht erfahren. Und wieso sollte er auch mehr sagen? Er musste sich nicht rechtfertigen. Er hatte sich bereits bewiesen. Sie war die Versagerin. Eine Belastung.   Und er war dazu verpflichtet, ihr zu dienen. Sie zu beschützen, wenn sie doch selbst dazu in der Lage sein sollte. Verpflichtet durch seinen Herrscher und mit einem Eid gebunden. Gezwungen den Kopf zu beugen vor jemanden, vor dem er unmöglich Respekt haben konnte. Unmöglich echte Loyalität empfinden konnte. Nur wegen des Zufalls der Geburt.   Vielleicht war sie ein Fehler. Nicht die richtige Prinzessin Zelda. Bei der Geburt ausgetauscht und Links Aufgabe war es, die wahre Zelda zu finden. Hyrule zu retten und sie als eine Hochstaplerin zu entlarven.   Würde sie etwas anderes empfinden als pure Erleichterung? Nicht zum ersten Mal fragte Zelda sich, ob das wirklich das Leben war, für das sie bestimmt war. Doch diese Gedanken führten nirgendwo hin.   Zelda versuchte nicht noch einmal mit ihm zu sprechen. Sie setzten den Weg in dem gemächlichen Tempo fort, das sie am Morgen angeschlagen hatte und erreichten am Abend die Sümpfe in der Nähe des Zora Gebietes. Eine kleine Herberge im Dorf hatte nur ein kleines Zimmer frei, doch Zelda störte sich nicht daran. Ein unruhiges Kribbeln überkam sie, wenn sie daran dachte, dass Link in den letzten Nächten womöglich die Räumlichkeiten mit ihr geteilt hatte. Wenn auch durch Wände und Türen getrennt. Es schien zu intim. Intimer selbst, als wenn er auf dem Flur vor ihrer Tür Wache hielt, obwohl es dann sogar nur eine Wand war, die sie trennte. So wie jetzt, da er denselben Platz einnahm, wie bei ihrer Reise nach Hebra. Wahrscheinlich würde er wieder nicht schlafen.   Ihr Körper hatte sich an die Wegstrecken gewöhnt, zumindest fühlte sie sich nicht ganz so erschöpft wie zuvor. Deswegen zog Zelda ihr Tagebuch aus der kleinen Tasche an ihrem Gürtel, die sie Link nicht noch einmal zur Verwahrung überlassen hatte. Sie ließ sich mit einem undamenhaften Stöhnen auf das schmale Bett fallen und begann den Tag in einem wortkargen Guss aus reinem Selbstmitleid zusammenzufassen.     Wir sind auf dem Weg nach Goronia, um an Vah Rudania zu arbeiten. Die ganze Zeit spüre ich seinen Blick in meinem Nacken. Er ist wirklich schwer zu durchschauen. Kann er nicht einmal deutlich sagen, was er denkt? Die Vorstellung quält mich, was der vom Bannschwert auserwählte Held wohl von mit halten könnte. Die Prinzessin von Hyrule, die ihre Kräfte der Versieglung nicht gebrauchen kann... Ob er mich im Stillen verachtet?   Kapitel 6: Kapitel 6 -------------------- Daruk erwartete sie in Goronia und brachte sie direkt zum Titanen. Das riesenhafte, echsenähnliche Gebilde aus antikem Stein, das am Krater des Todesberges herumkrabbelte. Auf Zeldas erschrockenen Blick hin, erklärte Daruk entschuldigend, dass es Rudanias Lieblingsplatz war. Seine Antwort sprach von einer Verbundenheit mit dem Titanen, die Zelda nicht erwartet hatte. Es deutete darauf hin, dass die Biester tatsächlich so etwas wie eine Persönlichkeit besaßen. Zelda war so fasziniert davon, dass sie vergaß, wie wenig sie dem feurigen Quell all der Hitze und des geschmolzenen Steins nahekommen wollte. Sobald sie Rudania erreichten, begann Zelda mit der Arbeit. Wenig Worte wechselten die Besitzer – scheinbar begann sie sich ihrem schweigsamen Leibwächter anzupassen – und sonderbarerweise schien sich niemand daran zu stören.   Als Erstes versuchte Zelda die Steuerungseinheiten neu zu kalibrieren. Online zu bringen, wie Purah es nannte. Dafür benötigte man den Shiekah Stein, weswegen Daruk es nicht allein durchführen konnte. Er sollte an der Haupteinheit warten und nach einer Weile einige Steuerungsmanöver durchführen. Wie Zelda am Tag zuvor Link erklärt hatte, war es eine Gleichung mit unglaublich vielen Unbekannten. Sie begab sich hier auf Eis. Und das blind. Sie hatte nur ihre Intuition und einige wenige Überlieferungen über die Titanen zur Hilfe. Es war ja nicht so, dass es eine Anleitung für die göttlichen Biester gab. Bisher lief es vielversprechend. Zelda konnte spüren, dass Leben in dem Titanen war. Zumindest hatte sie kein besseres Wort dafür. Irgendeine Energie, die durch die Luft vibrierte. Irgendwas war hier. Etwas, das vorher nicht da gewesen war. Sie würde Daruk fragen, was er fühlte, wenn er Rudania steuerte. Vielleicht konnte er es besser erklären. Auch wenn er der Recke mit der am wenigsten spirituellen Konstitution war, so schien er dennoch eine Art Verbindung zu dem Titanen zu spüren.   Zelda war absolut fasziniert von der Kartenfunktion, die der Shiekah Stein zeigte, sobald er sich mit dem Titanen verknüpfte. Das war nicht da gewesen, als sie das letzte Mal hier gewesen war. Es musste Daruks Anwesenheit, seine Position als Pilot sein, die diese Funktion freigeschaltet hatte. Sie würde das bei einem anderen Titanen überprüfen müssen. Es konnte unmöglich eine besondere Eigenheit Rudanias sein. Auf der Abbildung auf dem Stein konnte Zelda die anderen Steuerungseinheiten sehen, ebenso die Haupteinheit auf dem Oberdeck, bei der sich Daruk befand. Zusammen mit Link, den der große Gorone kurzerhand einfach geschnappt und mit nach draußen gezerrte hatte, nachdem Zelda ihm ihr geplantes Vorgehen geschildert hatte. Nicht dass sie sich darüber beschwerte. Sie konnte so viel besser arbeiten, ohne Links Blicke im Rücken. Seine ewige Großartigkeit wie eine nervige, dunkle Wolke über ihr.   Gerade war sie überzeugt einen Weg gefunden zu haben, wie sie auf die Steuerung des Titanen Zugriff nehmen konnte, als der massige Leib um sie herum erzitterte. Zelda sah auf, versuchte sich zu orientieren und herauszufinden wo das Geräusch, das ächzende Rumpeln herkam. Dann hörte sie Daruks Brüllen. Selbst im Inneren von Rudania war es ohrenbetäubend laut, gefolgt von dem Krachen explodierenden Steins.   „Was zur ...“, murmelte Zelda und tat einige unwillkürliche Schritte in Richtung des Aufgangs zur Hauptsteuerungseinheit. Sie war hier sicher. So sicher, wie man im Inneren eines Feuer speienden Berges nur sein konnte. Vah Rudania war absolut unangreifbar für Flammen und Hitze. Im Inneren war es sogar so kühl, dass Zelda ohne die elenden Antibrandtränke, die Link ihr auf den letzten Etappen nach Goronia, fortwährend die Kehle hinunter geschleust hatte, ohne zu schwitzen ausharren konnte. Aber sie musste herausfinden, was die Ursache des Geräusches gewesen war. Vielleicht hatte sie es irgendwie ausgelöst, als sie so willkürlich Knöpfe und Runen am Shiekah Stein gedrückt hatte. Oder Daruk hatte etwas ausprobiert? War es ein Steuerungsfehler?   Zelda rieb sich die schmerzende Hüfte, die sie sich bei Rudanias Vibrieren an der Steuerungseinheit gestoßen hatte, und ließ die Wand los, die sie bisher als Stütze genutzt hatte. Die Hand ausgestreckt, falls der Titan sich erneut urplötzlich bewegen sollte, ging sie weiter zur Rampe, die nach draußen, zu Daruk und Link führte.   Auf dem halben Weg die Rampe hinauf kam er ihr entgegen. Ein wenig gehetzt und mit gezücktem Schwert. Als er sie bemerkte, hörte er auf zu rennen, atmete hörbar auf und verstaute die Waffe in der Halterung auf seinem Rücken. Er nickte. Scheinbar beruhigt.   „Was ist passiert?“, fragte Zelda. Gleichzeitig versuchte sie einen Blick nach oben zu erhaschen, konnte aber nichts erkennen.   „Kleines Erdbeben“, rief Daruk nach unten, der ihre Frage wohl gehört haben musste. Wieder starrte Zelda nach oben. Wo war er? Sie hörte sein röhrendes Lachen. „Manchmal vergesse ich, dass der Berg ein Vulkan ist.“ Er lachte wieder. „Heißt nicht umsonst Todesberg, was?“   Ein Erdbeben? Also hatte es nichts mit der Kalibrierung zu tun? „Was waren die anderen Geräusche?“, fragte sie nach oben, den Kopf in einem seltsamen Winkel verdreht, um einen Blick auf das Oberdeck zu erhaschen. Unbefriedigt davon, dass sie Daruk nicht sehen konnte, ihn aber doch so vieles fragen musste, machte Zelda einige Schritte die Rampe hinauf. Sie versuchte es zumindest, denn sie scheiterte an einer überraschend auftauchenden, unüberwindlich harten Barriere. Links Arm, der ihr urplötzlich den Weg versperrte.   Zelda stieß ein ächzendes Geräusch aus, als ihrer Lunge die Luft entrissen wurde. Sie taumelte rückwärts. „Was ...“, stammelte sie verwirrt und rieb sich schockiert das Brustbein. Empört starrte sie Link an.   „Keine gute Idee jetzt hochzugehen, Prinzessin“, hörte Zelda Daruks Stimme, jetzt näher als vorher. Er kam die Rampe herunter, sich den Nacken reibend. Er wirkte ein wenig verlegen. „Krater spielt ein bisschen verrückt heute. Ich bringe euch besser in die Stadt zurück.“   Bevor sie sich hätte bremsen können, schnaubte Zelda undamenhaft. „Und das hättest du nicht sagen können?“, fuhr sie Link an, der langsam seinen Arm senkte. Sie sah, wie er Luft holte, um etwas zu erwidern – endlich. Seine Augen zogen sich zusammen, als würde er gegen plötzliches Sonnenlicht blinzeln. Doch hier im Titanen gab es keines, nichts dass ihn blenden konnte und so war die einzige Erklärung für seinen Gesichtsausdruck Irritation. Wut vielleicht. Ihr Blut begann in Antizipation zu prickeln. Vielleicht könnte sie ihn einfach anschreien. Und er würde nicht nur stumm und stoisch zurück starren, so dass sie sich hinterher fürchterlich fühlen musste. Vielleicht konnte sie endlich etwas von dieser aufgestauten Frustration freilassen. Ein wenig die stehende Luft klären. Es was höchste Zeit für ein Gewitter. Aber es war vorüber, bevor es begonnen hatte. Daruk versetzte Link einen seiner gutmütigen Hiebe auf den Rücken und ihr Leibwächter ging in die Knie. Sie war eine zu schwache Persönlichkeit, als dass sein Schwanken ihr schadenfrohes Herz nicht erfreut hätte. Es dauerte nur einen kurzen Augenblick, aber während er versuchte sich zu stabilisieren, warf er ihr einen unter halb geschlossenen Lidern verborgenen Blick zu. Sein Kiefer bewegte sich, so wie Zelda es schon das ein oder andere Mal gesehen hatte, wenn er sich körperlich davon abhalten musste etwas zu sagen. Was hielt er zurück? Was für fürchterliche Dinge wollte er ihr an den Kopf werfen? Es musste etwas wirklich Schlimmes sein, wenn er sich immer und immer wieder daran hindern musste es auszudrücken.   Zeldas Nacken prickelte. Ein Teil von ihr wollte, dass er endlich den Mund aufmachte. Nichts konnte so schrecklich sein, wie diese Ungewissheit. Der andere Teil wollte für all die schnippischen Worte um Verzeihung bitten, ihn darum anflehen sie zu mögen. Wie erbärmlich. Zelda rieb sich demonstrativ das Brustbein und warf Link einen frostigen Blick zu. Er wirkte nun unbeeindruckt wie immer.   „Konntet Ihr etwas herausfinden, Prinzessin?“, fragte Daruk und lenkte sie damit von dem schwelenden Gefühl tiefer Ungerechtigkeit ab. Sie über den Titanen sprechen zu lassen war immer noch die beste Methode sie abzulenken und Zelda ergriff gern die angebotene Reißleine. „Nicht viel“, gab sie zu. „Aber ich konnte die Steuerungseinheiten neu kalibrieren. Neu aufeinander abstimmen“, wiederholte sie, als der erste Terminus bei Daruk offensichtliche Verwirrung auslöste. Zelda gestikulierte in Richtung der mechanischen Ruder. „Das lässt sie viel besser zusammenarbeiten. Ich denke, vielleicht waren sie ein wenig unkoordiniert. Es sollte dir jetzt leichter fallen.“ Sie faltete die Hände, nun wieder Forscherin und nicht aufgebrachte Prinzessin. „Ich werde noch etwas Zeit brauchen, um meine Notizen auszuarbeiten und mit den Überlieferungen zu vergleichen.“ Entschuldigend zuckte sie mit den Schultern. „Dann werde ich dir hoffentlich mehr sagen können. Bis dahin … verfahre einfach so wie bisher. Ich bin zuversichtlich, dass … dass ihr euch gut machen werdet.“ Zelda lächelte. Sie war tatsächlich zuversichtlich, wünschte sie nur, sie könnte Daruk mehr Mut machen. Wahrscheinlich fühlte sich ihr Besuch für ihn nicht wirklich hilfreich an. Daruk nickte und seufzte. „In Ordnung“, rumpelte er in seiner lauten Stimme. „Ich bringe euch dann mal in eine sicherere Gegend.“       Sie brachen noch am selben Tag zum Rückweg auf. Zelda verbrachte ohnehin nicht gern Zeit in der Gefahrenzone direkt am Krater des Todesberges. Außerdem wurde ihr von den Antibrandtränken mit der Zeit übel. Aber es waren vor allem Daruks Blicke, die es ihr unmöglich machten, noch mehr Zeit in Goronia zu verbringen. Selbst wenn es bedeutete, mehr über den Titanen herausfinden zu können. Immer wenn sie Link gegenüber die Geduld verlor, und das geschah mit alarmierend zunehmender Häufigkeit, betrachtete Daruk sie mit einer Mischung aus Mitleid und mildem Schock. Als könnte er nicht fassen, wie sie mit dem Helden Hyrules umsprang, als könnte er aber gleichzeitig das Verständnis für ihr Verhalten aufbringen. Urbosas Worte bei der Zeremonie am alten Festplatz kamen Zelda in den Sinn.   Es ist nur verständlich … Er hat sein Schicksal erfüllt. Sie hingegen konnte es nie.   Arme unfähige Zelda. Lasst sie nur fürchterlich gegenüber einem vollkommen loyalen Ritter sein, der ihr nichts getan hat. Lasst sie sich nur wie ein Biest aufführen. Es ist nur zu verständlich, dass sie zu einem Miststück wird, sobald er auftaucht.   Zelda war sich sehr wohl bewusst, dass ihr Verhalten unangebracht war. Nein, unfair war. Aber niemand außer der König würde es ihr gegenüber je erwähnen. Würde sie je dafür zur Rechenschaft ziehen. Sie litt selbst darunter, wie unangemessen, wie unerträglich bissig sie sich benahm. Aber sie konnte einfach nicht anders. Selbst wenn sie es sich vornahm. All das angestaute Selbstmitleid und die Frustration, die Angst vor der Zukunft und das furchtbare Gefühl die ganze Welt zu enttäuschen, brachen aus ihr heraus, wann immer sie dieses Schwert sah. Diese blaue Tunika, die sie in Auftrag gegeben hatte.   Aber es wurde nicht besser. Kein bisschen. Es wurde schlimmer. Mit jedem Tag. Denn nachdem sie zurück im Schloss waren und eine Art Routine sich einstellte, war er immer da. Eine Manneslänge hinter ihr. Egal ob sie zu einer Audienz mit dem König ging oder in die Bibliothek, um in dem riesigen Archiv nach Hinweisen zu suchen. Er war immer da. Auch wenn sie ihm immer wieder versicherte, dass sie seine Begleitung nicht benötigte. Nur in ihren Gemächern, in ihrem Labor und während ihrer Andachten hatte sie ihre Ruhe vor ihm. Und Zelda verbrachte zunehmend mehr Zeit mit ihren Gebeten. Sie brauchte die Trance, die sich einstellte, wenn sie sich auf den Knien befand. Denn sie hatte sich zunehmend weniger unter Kontrolle. Sie begann, ihre Hofdamen anzufahren. Sie rollte mit den Augen, wenn Link auftauchte. So, dass er es deutlich sehen konnte. Sie war unausstehlich. Und jeder um sie herum begann es zu bemerken. Einer Prinzessin war dieses Verhalten nicht angemessen. Absolut nicht.   Und Zelda versuchte sich zu bessern. Malte sich im Kopf Gespräche mit ihm aus. Stellte sich vor, wie es wäre, wenn sie sich endlich entschuldigen würde. Wenn sie ihn all die Dinge fragen würde, die sie so brennend interessierten.   Link, würde sie sagen, wieso bei der Göttin bist du hier, wenn du eigentlich schlafen solltest?   Schläfst du denn überhaupt nicht? Wie, bei den schillernden Schuppen Naydras, funktioniert das?!   Erzähl mir von deinem Leben, wie kommt es, dass du diese Ohrringe trägst …   Und vor allem: was ist passiert, in den verlorenen Wäldern, als du das Bannschwert an dich genommen hast?   Und in ihrer Phantasie antwortete er. In kurzen Sätzen anfangs, denn sie konnte sich einen sprechenden Link schwer vorstellen. Aber dann immer ausführlicher. Sie hatten tolle Gespräche. In Zeldas Kopf.   Doch immer wenn sie ihn sah, nicht nur in ihrer Vorstellung, sondern wirklich und wahrhaftig vor sich stehend. Kniend. Wann immer etwas auf diese subtil elegante, kraftvolle Weise tat. Dann verspürte sie eine so mächtige Welle aus heißem Zorn, die sie von den Knöcheln aufwärts überrollte und ihr sofort die Kehle zuschnürte. Dann wollte sie nur noch umdrehen und ihn nie wieder sehen müssen.   Manchmal wollte sie ihn anschreien. Wenn er hinter ihr auftauchte, aus irgendeinem Schatten. Wenn sie sich mit Robelo traf, der für eine Ausgrabung am Schloss, von seinem neuen Labor in Akkala angereist war. Odern wenn sie einfach nur zum Wasserfall ging, um sich die Füße umspülen zu lassen. Wann immer sie ihren täglichen Ablauf veränderte, tauchte er auf, als wäre er per Magie herbeigerufen worden.   Zelda begann Pläne zu schmieden, ihm zu entkommen. Buchstäblich.   Sie fühlte sich eingesperrt. Und sie war kurz davor zu explodieren.   Nach einigen interessanten Briefen von Purah, die in ihrem Labor in Hateno immer tiefer zu den Geheimnissen des Leitsteins und der Verknüpfung mit dem Shiekah Stein vordrang, hielt es Zelda einfach nicht mehr im Schloss. Sie musste hinaus. Sie musste zu den Ruinen. Sie musste einfach. Es war höchste Zeit, Purahs Theorie über die leblosen Überbleibsel aus alter Zeit zu testen. Alles deutete daraufhin, dass die Verheerung bald wiederkehren würde. Die gehäuften Funde antiker Relikte. Die Titanen, die nun nach Tausenden von Jahren wieder Piloten hatten. Das vermaledeite Bannschwert, das seinen Helden erwählt hatte. Wieso blieben die Schreine weiterhin tot und still? Worauf warteten sie? Es gab eine Lösung für dieses Rätsel. Es musste eine geben. Und Zelda würde sie finden. Nur konnte sie das nicht, wenn sie im Schloss festsaß. Und sie konnte es nicht, wenn sich diese alles sehenden, nie schlafenden Augen, permanent in ihren Rücken bohrten. Sie konnte sich einfach nicht konzentrieren.   Also musste sie einen Weg finden, ihn loszuwerden. Und sie hatte nur eine einzige Chance. Denn würde er erst einmal Verdacht schöpfen, würde er wahrscheinlich überhaupt gar nicht mehr von ihrer Seite weichen. Ein Bild von Link, der neben ihrem Bett stand, während sie sich darin hin und her wälzte und keinen Schlaf fand, poppte in ihrem Kopf auf. Zelda schüttelte sich. Sie würde ganz besonders vorsichtig sein.   Die Gelegenheit bot sich schneller als gedacht. Ironischerweise war es ihr Vater, der es überhaupt erst möglich machte. Auf dem Weg zu den Ausgrabungsgebieten am unteren Ring des Schlosses – Zelda verbrachte jede Menge Zeit dort, seit sie begonnen hatten dort einigen Hinweisen auf verborgene Wächter nachzugehen – überraschte ein Leibgardist Link mit einer Nachricht vom König. Er sollte sich im Thronsaal einfinden, und zwar so schnell wie möglich. Link zögerte, dem Befehl nachzukommen. Sein Blick wanderte von Zelda zum Schlossgipfel und wieder zurück. Was hinter seiner Stirn vor sich ging, war dieses eine Mal für sie deutlich zu lesen. Er wollte sie nicht allein lassen.     Kribbelnd gesellte sich zu der plötzlichen Panik darüber, was ihr Vater ihrem Leibwächter zu Dringendes mitzuteilen hatte – wahrscheinlich war es nichts Gutes – die Erkenntnis, dass das ihre Chance war. Wenn er gehen würde, wäre sie allein. Mehr brauchte sie gar nicht. Wäre sie erst mal aus der Stadt hinaus, hätte er große Schwierigkeiten ihr zu folgen. Er würde nicht einmal wissen, wo er sie suchen sollte. Sie versuchte es sich nicht anmerken zu lassen, als sie nonchalant mit den Schultern zuckte. Dabei blitzten Ströme purer Energie durch ihren Bauch und brachten ihr Blut zum brodeln. „Geh nur“, sagte sie, als würde es sie wirklich nicht interessieren. „Es sind hunderte Ritter im Schloss. So wie immer. Und ich bin auf dem Weg zu mehr als zwei Dutzend Shiekahs.“ Sie hob die Arme, ließ ihn selbst schlussfolgern, was sie damit sagen wollte. Damit es nicht zu verdächtig danach klang, dass sie ihn wirklich absolut überhaupt gar nicht benötigen würde.   Link zögerte noch eine Weile länger. Einen schrecklichen Augenblick lang dachte Zelda, er würde den Befehl ihres Vaters in den Wind schlagen. Ein erschreckender und gleichzeitig unendlich faszinierender Gedanke. Dann nickte er allerdings und deutete diese knappe Verbeugung an, die er immer vollführte. Er drehte sich um und ging mit schnellen Schritten davon, den Leibgardisten ihres Vaters neben sich.   Zelda sah ihnen hinterher. Zählte innerlich die Schritte, die Atemzüge, um sich nicht zu früh zu bewegen und diese einmalige Chance womöglich zu verschenken.   Als er, mit einem letzten Blick über seine Schulter, im Eingang des ersten Thorhauses verschwunden war, drehte Zelda sich um und machte sich, so schnell, wie sie es wagte, auf den Weg zu den Ställen. Sie verscheuchte den Gedanken an Gepäck. Sie hätte Glück, wenn sie es aus de Stadt schaffte, ohne dass jemand sie aufhielt. Zeit noch einmal zu ihrem Turm zu gehen, hatte sie nicht. Außerdem trug sie alles, was sie wirklich brauchte. Hosen und Stiefel. Ihre Tunika. Den Shiekah Stein an ihrem Gürtel und eine kleine Tasche mit einigen alten Schriften, ein wenig Papier und Schreibzeug. Mehr brauchte sie nicht.   Mit Storm würde sie dieses Mal schneller sein als zu Fuß und ihr Gesicht war Bezahlung genug, sollte sie es doch nicht rechtzeitig vor Einbruch der Nacht zum Schloss zurückschaffen. Vielleicht befanden sich in der Tasche sogar noch einige Rubine. Sie würde schon zurechtkommen. Anders als alle annahmen, konnte Zelda sehr gut für sich allein sorgen.   Euphorie sprudelte aus ihr hervor und sie musste sich bremsen, um nicht vor Freude zu hüpfen. Nur keine Aufmerksamkeit auf sich lenken. Mittlerweile war bekannt, dass Link ihr auf Schritt und Tritt folgte und seine Abwesenheit und ihr Rennen wären verdächtig genug, um einige Ritter zu alarmieren.   Storm war schnell gesattelt, was hervorragend war, denn sie durfte keine Zeit verlieren. Sie wusste nicht, wie lange Link bei ihrem Vater sein würde und wahrscheinlich fände er unfassbar schnell heraus, dass sie verschwunden war. Einen kurzen Augenblick erlaubte sich Zelda um die vertane Möglichkeit zu trauern, heute Robelos Fortschritten bei der Ausgrabung zu lauschen. Zelda selbst hatte die Hinweise auf die angeblich unter dem Schloss vergrabenen Wächter zusammengetragen, auf deren Basis die Ausgrabungen stattfanden. Aber bisher hatten sie nichts finden können. Deswegen war es kein allzu großer Verlust, wahrscheinlich gab es sowieso keine Neuigkeiten.   Sie fuhr mit einem Fuß in den Steigbügel und zog sich in den Sattel. Sofort begann Storm unter ihr nervös zu tänzeln. Das tat er fast immer. Zelda hielt die Zügel fester. Was nicht wirklich half, ihr aber ein sicheres Gefühl gab.   Sie bedankte sich bei dem Stallburschen, der glücklicherweise noch nicht an den Anblick Links gewöhnt war, der an ihrem Schatten klebte. Also würde es ihm hoffentlich nicht allzu verdächtig vorkommen, wenn sie alleine davon ritt.   „Ich möchte nur kurz in die Stadt hinunter. Mein Leibwächter ist bereits vorgegangen“, erklärte sie ihm dennoch, als er die Gurte von Storms Sattel ein letztes Mal überprüfte und ein wenig enger zog. Damit er nicht doch noch darüber nachdachte, wieso die Prinzessin, die sonst zumindest in der Begleitung ihrer Hofdamen unterwegs war, vollkommen alleine zu einem Ausritt aufbrach.   Zelda lächelte süßlich auf den Stallburschen hinab, in der Hoffnung, ein Gefühl von Normalität zu vermitteln. Als er zurücktrat und respektvoll den Kopf neigte, beeilte sie sich Storm anzutreiben. Ihr Reitlehrer hatte ihr beigebracht, dass man ein Pferd nie direkt losgaloppieren lassen durfte, wenn es im Stall gestanden hatte. Aber Zelda musste sich beeilen. Die Zeit saß ihr im Nacken. Oder eher, was ihr blitzschneller Leibwächter damit anstellen konnte. Sie musste aus der Stadt heraus, und zwar möglich ungesehen, damit er sie nicht sofort finden und zum Schloss zurück bringen würde. Also entschied sich Zelda für einen Kompromiss. Sie steuerte Storm in einen schnellen Trab und war die Brücke zur Stadt hinunter, ohne dass sie jemand aufgehalten hatte.   Sie hätte einen Umhang oder eine Kapuze gebraucht, um zumindest ihr leuchtfeuer-artiges Haar vor den Tausenden Augenpaaren zu verstecken, die später in der Lage wären, den genauen Weg zu beschreiben, den sie genommen hatte. Aber da Storms Fell auffällig genug war, schien ihr das Fehlen ninjaartiger Verhüllungsmethoden nicht ein ganz so großer Verlust. Sie würde einfach in eine andere Richtung reiten und dann später, sobald sie die Stadtmauer hinter sich gelassen hatte, wieder umdrehen. Möglichst ungesehen.   *   Zelda überprüfte mehrere Schreine auf dem Weg zu ihrem eigentlichen Ziel. Dem Teina-Kyoza Schrein südlich des Tabantha Turms. Er tauchte in den Überlieferungen namentlich und mit einigen vagen Beschreibungen auf. Immer im Kontext mit dem Helden, den das Bannschwert auserwählt hat. Es war der einzige Schrein, den sie geografisch zuordnen konnte. Wegen der Säulenformationen, die, nun zwar in Ruinen, aber noch deutlich sichtbar, ebenfalls beschrieben worden waren. Wieso er namentlich erwähnt wurde, wusste Zelda nicht. Aber es war ihr einziger Anhaltspunkt.     Die Schreine waren ein interessanter Anblick. So wie immer. Aber ansonsten deuteten sie genauso wenig auf des Rätsels Lösung hin, wie sonst. Still und leblos standen sie da. In Form und Aufbau gleich, alle mit demselben Steinsockel vor dem versperrten Eingang, der so große Ähnlichkeit mit dem Leitsein aufwies. Weswegen sich der Verdacht erhärtet hatte, dass sie für den Shiekah Stein bestimmt waren, oder zumindest irgendwie darauf reagieren mussten. Zelda war sich sicher, dass der Stein der Schlüssel war. Aber egal wie oft sie ihn auf die Plattform legte, es geschah nicht. Absolut gar nichts. Nicht mal der Shiekah Stein selbst reagierte. Das weinende Auge, das uralte Emblem des Volkes der Shiekah, starrte leblos und verhöhnend zu ihr auf. Aber Zelda ließ sich nicht entmutigen. Dafür genoss sie die Zeit außerhalb des Schlosses zu sehr. Sie war allein. Ganz allein. Das erste Mal seit Wochen. Und sie war hier, kniete im Staub auf uralten, mystischem Stein und versuchte noch ältere Rätsel zu lösen. Sie genoss es, mit sich selbst sprechen zu können. Eine Angewohnheit, die ihr dabei half zu denken und die sie lange hatte unterdrücken müssen. Wann immer sie nicht alleine war. Also fast immer.   Zelda erhob sich aus ihrer hockenden Position und legte den Shiekah Stein erneut auf das weinende Auge, das in den Stein gemeißelt war. „Noch immer keine Reaktion ...“ Sie sah auf zu dem mit Moos überzogenen Gebilde aus alter Zeit. Betrachtete die Inschriften, die die Schatten der Säulen neben ihr teilweise verschwinden ließen. Übersetzt lauteten sie Dungeon. Und es stand dort auf der Wand, in den alten Runen der Shiekah, in wiederkehrender Reihenfolge. Nur was das bedeutete, wusste sie nicht.   „Diese Ruinen müssen für den Helden bestimmt sein, den das Bannschwert auserwählt hat. Daran besteht kein Zweifel!“, sagte sie laut, froh ihre eigene Stimme zu hören, nur unterbrochen vom Rauschen des Windes im Gras und dem Gezwitscher der Vögel.   Sie sah wieder hinunter auf das steinerne Auge. Zog überlegend die Stirn kraus. „Aber wie man sie aktiviert, wissen wir nicht“, fasste sie die Situation zusammen. Das war im Grunde fast alles, was sie über die Ruinen wussten. Dass sie wohl Schreine genannt wurden, war eine relativ neue Entdeckung und Zelda war einfach dazu übergegangen, sie in Gedanken als solche zu bezeichnen. Sie trat aus dem Schatten hinaus, um die Inschriften besser sehen, den versperrten Eingang besser betrachten zu können. Vielleicht hatte sie bisher etwas übersehen. Irgendeine andere Möglichkeit den Mechanismus auszulösen, der diese Tür öffnete. „Was muss man tun?“, überlegte sie laut. „Wie gelangt man hinein?“ Wieso reagierten die Schreine nicht auf den Sheikah Stein?   Was, wenn sie Link den Stein überreichte? Würde dann etwas geschehen? Würden sie dann zum Leben erwachen? Der Gedanke verdunkelte ihr Miene und Laune. Was, wenn er tatsächlich Teil der Lösung war? Wenn ihm gelingen würde, die Schreine zu öffnen, einfach so, einfach weil er da war, weil er er war. Während alle anderen, während sie, Tag und Nacht davor knien und beten konnte, alte Schriften durchsuchte und sich den Kopf darüber zerbrach und rein gar nichts geschah? Das wäre dann wohl der symbolische Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brächte.   Storms Wiehern riss Zelda aus ihren Gedanken. Sie hörte das Geräusch von Hufschlägen, die schnell näher kamen. Sie atmete erschrocken ein, stieß ein kleines Keuchen aus. Ein Verdacht beschwerte ihr die Knie, als sie sich umdrehte. Ein Verdacht der augenblicklich bestätigt wurde.   Nein. Einfach nein!   Wie konnte er sie so schnell finden? Wieso tauchte er gerade jetzt auf, als hätte sie ihn mit ihren Gedanken gerufen, als wäre er tatsächlich die verdammte Lösung für all ihre Probleme.   Heißer Zorn sprudelte aus jedem Winkel ihres Körpers. Schoss ihr in den Kopf und rötete ihr in rasender Geschwindigkeit die Wangen. Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen und sie umklammerte den Shiekah Stein fester. Wahrscheinlich, damit sie ihn ihm nicht an den Kopf warf.   Link zügelte sein Pferd und sprang aus dem Sattel, noch bevor es zum Stehen gekommen war. Der dunkle Hengst bäumte sich auf und wieherte protestvoll, während Link in einer hockenden Position landete, um den Schwung seines Sprungs aufzufangen. Zelda hatte ihn nicht so ruckartig mit dem Pferd umspringen sehen. Und an jedem anderen Tag hätte sie sich wahrscheinlich darüber gewundert. Jetzt hatte sie weder mentale noch emotionale Kapazität dafür.   Sie war einfach viel zu stinkwütend.   Sie war doch gerade erst angekommen. Wieso war er hier? Wie konnte er jetzt schon hier sein? Es war nicht einmal Mittag. Bei der Göttin! Zelda steckte den Shiekah Stein an ihren Gürtel und ballte die Fäuste.   Er kam auf sie zugelaufen, sobald er sich aufgerichtet hatte. Verlangsamte seine Schritte, als sie ihm entgegenkam. Entgegenstampfte! Noch bevor er sie erreicht hatte, platzte es auch schon aus ihr heraus: „Hab ich dir nicht gesagt, dass du mich heute nicht zu begleiten brauchst?“, fuhr sie ihn an. Er blieb stehen. Genaugenommen stimmte das nicht. Sie hatte ihm unzählige Male gesagt, dass sie seine Dienste nicht bräuchte. Da sie nur in die Bibliothek ging. Oder hinaus in den Schlosspark. Immer hatte er genickt und war ihr dann doch gefolgt. Eine Manneslänge hinter ihr. Bis Zelda es nicht einmal mehr versucht hatte. Bis heute. Wo sie die Gelegenheit beim Schopf gepackt hatte. Und es war so wunderbar gewesen. Bis jetzt.   Sie blieb vor ihm stehen, eine Manneslänge. Anscheinend war es der Abstand, an den sie sich gewöhnt hatte. Was sie noch wütender machte. Weswegen sie rüder gestikulierte, als sie gewollt hatte. „Was seine Majestät befiehlt ist mir egal“, sagte Zelda in gereiztem Tonfall. In sehr gereiztem Tonfall. Und betonte den Ehrentitel ihres Vaters dabei ganz und gar nicht ehrenhaft. Als würde sie damit rechnen, dass Link tatsächlich anfangen würde zu diskutieren und den König und seine Befehle als Argumente anführen. Zelda stemmte die Hände in die Hüften. Wie eine aufgebrachte Mutter, die ihre Kinder scheltet. Keine besonders eloquente Geste, aber Zelda hatte wenig Übung darin, ihre wahren Gefühle auszudrücken. Vor allem dann nicht, wenn es solche ungezogenen, ungewollten waren wie Wut. Große Wut.   Sie versuchte hoheitsvoll zu wirken. Gebieterisch und herablassend zu gleich. Zelda hätte alles versucht, um ihm deutlich zu machen, dass sie ihre Freiheit brauchte. Sie würde sonst durchdrehen. Schlicht und ergreifend verrückt werden. Doch als sie seinem Blick begegnete, war der fast so stoisch und unbeeindruckt wie immer. Vielleicht wirkte er ein wenig überrascht.   „Ich sage dir jedenfalls“, fauchte sie und klopfte sich dabei auf die Brust, um ganz klar zu machen, dass es hier allein um sie ging, „dass ich niemanden brauche der mich beschützt!“   Aus dem letzten Wort sprach ihre Feindseligkeit so deutlich, dass Link zusammen zuckte. Nur ganz kurz, aber Zelda stand ihm direkt gegenüber, sah ihn direkt an. Und sie war so sehr auf das Wenige eingestellt, das er an Mimik und Emotionen zeigte, dass sie es deutlich sehen konnte.   „Geh zurück ins Schloss“, befahl sie, mit einer Befehlsgewalt in der Stimme, die sie bei sich noch nie gehört hatte. Und mit so viel Abneigung, dass es sie beinahe selbst erschreckte. Um nicht weiter darüber nachdenken zu müssen und um einfach nur nicht mehr hier sein zu müssen, lief sie zu Storm. Der vergnüglich abseits stand und graste. „Mein Vater wartet auf deinen Bericht!“ sagte Zelda bitterlich, als sie an Link vorbeistürmte. Er ließ sie passieren. Ohne ein Wort. Wie immer.   Für einen Moment geschah gar nichts. Dann hörte Zelda seine Schritte hinter sich.   Das konnte, nein, durfte nicht wahr sein!   Zelda blieb stehen. Verdrehte die Augen. So auffällig, dass er es selbst von hinten sehen musste und stöhnte so genervt, wie sie es fertig brachte. Sie ballte die Fäuste und drehte sich herum.   „Jetzt lass mich endlich in Ruhe!“, schrie sie, die Augen wütend zusammen gekniffen und die Stirn gerunzelt, immer noch mit vor Zorn geröteten Wangen.   Links Augen wurden groß. Er war nicht überrascht, er war verwirrt. Vielleicht auch ein bisschen verletzt, aber vor allem verwirrt.   Sofort fühlte Zelda sich furchtbar. Er hatte absolut keine Ahnung, was für eine Belastung seine ständige Anwesenheit für sie war. Er versuchte einfach nur zu tun, was ihm aufgetragen worden war. Die Erkenntnis half ihr allerdings auch nicht weiter.   Bittere Trauer zog ihre Mundwinkel in die Tiefe. Zelda musste ihr Gesicht gegen die Verzweiflung erhärten, die ihr Herz überflutete. Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich um und lief zu Storm, der völlig unbeeindruckt ihres Gefühlsausbruchs, ganz ruhig neben Links Hengst stand und seine weiche Nase über den Grasteppich gleiten ließ. So schnell sie konnte, zog Zelda sich in den Sattel. Versuchte nicht darauf zu achten, was Link hinter ihr tat, sondern trieb Storm in einen abrupten Galopp, der das Pferd überraschte. Er versuchte nach links auszubrechen und Zelda schwankte im Sattel, bekam ihn jedoch unter Kontrolle, bevor es gefährlich werden konnte. Blindlings ließ sie das Pferd voran stürmen. Bekam nicht wirklich mit, wohin sie ihn lenkte, bis sie das Gasthaus sehen konnte, das an der Tabantha Brücke stand. Intuitiv hatte sie den Heimweg angesteuert. Zelda zügelte das Pferd. Versuchte ruhiger zu atmen. Und über die Situation nachzudenken.   Sie wollte nicht zum Schloss zurück. Ihr Vater würde ihr eine Strafpredigt halten, die es in sich hatte. Zumindest sobald Link ebenfalls zurück gekehrt war und von den Ereignissen berichten würde. Und auch wenn Zelda wusste, dass sie ihr und den folgenden Strafen nicht entgehen konnte, wollte sie es so lang wie möglich herauszögern.   Ohne wirklich abzuwägen, stand ihr Entschluss fest. Sie würde dorthin fliehen, wo man sie verstand. Nach Gerudo. Zu Urbosa.   Zelda konnte dann an Vah Naboris arbeiten, falls das überhaupt notwendig war. Und außerdem Urbosa bei der Steuerung des Titanen beobachten. Vielleicht könnte sie die Ruinen in der Wüste besuchen, um mehr Daten zu sammeln. Und vor allem wäre sie am einzigen Wort in ganz Hyrule, an den ihr Link nicht folgen konnte. Gerudo Stadt.       Zelda ritt so schnell sie es wagte. Im Gasthaus an der Brücke hatte sie eine Nachricht an Urbosa zurückgelassen, die ein Ornibote wahrscheinlich schon beinahe bis zur Stadt gebracht hatte. Sie würde es heute nicht bis zum Ende der Gerudo Schlucht schaffen, wenn sie nicht im Dunkeln reiten wollte. Und das wollte Zelda auf keinen Fall. Auch, wenn sie Link gerade so laut davon in Kenntnis gesetzt hatte, dass sie keinen Beschützter benötigte, fühlte sie sich doch absolut nicht sicher. Zumindest nicht in der Nacht, allein, in der Wildnis. Die Erinnerung an die Szene am Schrein trieb ihr ein schamhaftes Stöhnen über die Lippen. Sie war fürchterlich zu ihm gewesen. Hatte ihren Frust, ihre Wut an ihm ausgelassen.   Die Gefühle Link unfair behandelt zu haben wühlten den ganzen restlichen Tag in ihr. So sehr, dass Zelda am Abend ihr Tagebuch zur Hand nahm, das, zusammen mit ihrem Laborjournal in ihrer Tasche steckte. Sie hatte es bis zum Eingang der Schlucht geschafft und ein Zimmer in einem kleinen Gasthaus gemietet, das an diesem strategisch wichtigen Ort den Reisenden Schutz bot. Sie bezahlte mit einigen Rubinen, die sie am Boden ihrer Tasche fand.   Zelda fühlte sich seltsam unwohl, als sie das Zimmer betrat. Nachdem sie sich einmal im Kreis gedreht hatte, begriff sie, dass es Links kleiner Rundgang war, dessen Fehlen sie beunruhigte. Sie wusste nicht, was sie davon halten sollte. Aufgewühlt kramte sie ihr Tagebuch hervor.   Heute habe ich die Beherrschung verloren und ihn angeschrien. Ich war frustriert, weil meine Forschung nicht die erhofften Fortschritte macht. Da kam er plötzlich angeritten, obwohl ich ihm ständig sage, dass er mich nicht zu begleiten braucht. Das Schlimmste war, dass er nicht einmal zu verstehen schien, warum ich so aufgebracht war! Ich weiß, dass er nichts dafür kann, aber sein Unschuldsblick hat mich nur noch wütender gemacht. Ich fühle mich unendlich schuldig, aber das macht mich nur noch aufgewühlter als ich es ohnehin schon bin.   Kapitel 7: Kapitel 7 -------------------- Als Zelda am nächsten Morgen das Ende der Schlucht erreichte, wartete Urbosa bereits auf sie. Storm fand einen Platz im Stall dort. Die Wüste war kein Ort für ein Pferd und Zelda war nur zu bereit ihn loszuwerden. Der Weg vom Gasthaus durch die Schlucht war einem Albtraum gleichgekommen. So aufgestachelt war er noch nie gewesen und in Zelda war nicht nur ein Mal die Angst aufgestiegen, dass er sie abwerfen würde. Wäre ihre Angst vor Wegelagerern nicht größer gewesen, hätte sie auf die Reiterei verzichtet. Dennoch fühlte es sich nicht gut an, ihn zurückzulassen. Auch wenn Storm den Stall bereits kannte und dort gut für ihn gesorgt war. Sie sehnte sich nach einer Freundschaft mit dem Tier. Wollte, dass er zur Begrüßung wieherte und all diese Dinge, die sie an Links Pferd gesehen hatte. Das Stubsen mit der Nase. Das sanfte Schnauben. ´   Als Zelda ihm zum Abschied über den prächtigen, schneeweißen Hals streichen wollte, zuckte Storm vor ihr zurück. So abgewiesen, nahm sie mit langer Miene den Kühlungstrank entgegen, den Urbosa ihr reichte. Dann streckte sie die Hand nach dem Schild aus. Zwei Sandrobben badeten träge in der beginnenden sandigen Landschaft. Urbosa hatte sie mitgebracht, damit sie schneller zur Stadt gelangen würden.   „Wo ist Link?“, fragte Urbosa in auffällig neutralem Tonfall, als Zelda den Trank getrunken und prompt zu zittern begonnen hatte. Im Schatten der Schlucht war es nicht wirklich von Vorteil, wenn die eigene Körpertemperatur stark absank. Die Nacht hatte nicht viel an ihrem Gefühlschaos geändert und so reichte die Erwähnung seines Namens aus, damit sich ihr Gesicht verzog. „Bei meinem Vater, hoffentlich“, antwortete sie mit klappernden Zähnen. Sie hatte den Trank viel zu früh getrunken. „Wo ich ihn hingeschickt habe. Mit dem Befehl mich in Ruhe zu lassen“, ergänzte sie, nun mit zusammengepressten Lippen. Sowohl wegen des Themas, als auch als Versuch das Klappern zu unterdrücken. „Tatsächlich?“, fragte Urbosa, eher rhetorisch und reichte ihr die Zügel einer der Sandrobben. Zelda nickte und griff nach dem Seil. „Ich bin viele Jahre wunderbar ohne ihn zurechtgekommen“, erklärte sie, während sie mit dem Schild herum hantierte. „Und ohne dieses Schwert“, fügte sie herablassend hinzu.   Urbosa schwieg dazu, wartete allerdings geduldig, während Zelda ein wenig linkisch das Schild auf dem Wüstenboden ausrichtete, das Seil in die Hand nahm, und versuchte eine stabile Position zu finden. Sie war noch nie auf diese Weise gereist. Wahrscheinlich würde es sie augenblicklich auf die Nase legen. Innerlich fand sie sich damit ab. Wenigstens war Link nicht dabei, um ihr dabei zuzusehen, wie sie sich blamierte. Und um es hundertmal besser zu machen.   Es funktionierte besser als erwartet. Das raue Material des Seils schnitt ihr in die Handflächen, trotz ihrer Handschuhe, und der Kraftaufwand auf dem Schild zu balancieren und gleichzeitig nicht die Zügel loszulassen war schockierend. Und bald zitterte Zelda nicht mehr vor Kälte, sondern vor Anstrengung. Aber sie hielt sich auf dem Schild. Es dauerte nicht lange und sie schwitzte sogar trotz der kühlenden Wirkung des Trankes. Ohne ihn wäre sie sicherlich in kurzer Zeit ohnmächtig geworden. Dennoch war sie kein Freund von Tränken. Insekten und Monsterteile. Igitt!     Urbosa begleitete sie zu einem Schrein südwestlich von Gerudo Stadt. Der Weg dorthin war eine Strapaze und spätestens nach der Hälfte der Strecke bereute Zelda überhaupt dorthin zu wollen. Sie mussten mehrere Male stoppen. Einmal, weil Zelda einen zweiten Kühlungstrank zu sich nehmen musste. Die anderen Male, weil sie Sand in Augen, oder Mund bekam. Der Hustenanfall dauerte eine ganze Weile. Danach tränten ihre Augen und ihr Brustkorb schmerzte bei jedem Atemzug. Zelda verstand auf einmal, wieso so viel Gerudo diese gefährlich aussehenden Masken trugen. Nicht nur wegen des Kriegsschreis. Auch wegen der Robben.   Der Schrein selbst konnte nicht wirklich für all das entschädigen und auch die leblose Ruine direkt vor der Stadt war nicht die Offenbarung, die Zelda sich erhofft hatte. Dementsprechend niedergeschlagen war sie, als Urbosa sie am Abend durch das Tor führte. Beinahe konnte Zelda die Schönheit nicht sehen, die sie umgab. Dabei herrschte hier ein ganz besonderes Flair. Es war das sanfte Plätschern des Wassers, das aus der hoch gelegenen Quelle sprudelte und über die Dächer der Stadt floss. Es waren die Palmen, der durch die Sonne erwärmte Stein. Die exotischen Gerüche in der Luft und all die wehenden Stoffe. In den Fenstern, in den Türen, an den Frauen. Und die Frauen, überall. Ein Paradies um sich von der Welt außerhalb zu erholen. Eine Oase der besonderen Art. Eine wirkliche Oase. Im wahrsten Sinne des Wortes.   „Du bist ihm davon gelaufen, nicht wahr?“, fragte Urbosa am nächsten Morgen, nachdem Zelda sich mühsam aus ihrem seidenweichen Bett, mit all den wunderbaren Kissen erhoben hatte und mit schmerzenden Schultern auf dem Boden saß, eine Schale mit Früchten auf dem Schoß. „Was?“, erwiderte sie, um einen großen Bissen Frostmelone herum. Sofort rann der kühle Saft ihr am Kinn herunter und Zelda versuchte die Tropfen mit ihrem Handrücken abzuwischen. Sie sah zu Urbosa hoch, die mit verschränkten Armen neben ihr stand und die Augenbrauen hochgezogen hatte. „Link“, sagte sie, als wäre das nicht klar gewesen. „Du bist ihm davon gelaufen!“ Zelda senkte ihr Frühstück, das sie bis eben noch sehr genossen hatte. „Ich habe ihn zurück zum Schloss geschickt“, murmelte sie mürrisch. „Das habe ich dir doch gesagt.“ Urbosa schnalzte mit der Zunge. Es war das erste Mal, dass Zelda das Gefühl hatte, etwas getan zu haben, womit die Freundin ihrer verstorbenen Mutter nicht einverstanden war. Es war nicht besonders schön. Urbosa war die Einzige, die sie sonst mit kompromisslosem Verständnis behandelte. Dabei verstand Zelda nicht einmal, was sie getan hatte. Das Bedürfnis sich zu erklären wurde übermächtig. Sie hob den Kopf, doch Urbosa sah sie nicht an. Sie hatte ihren Blick in die Ferne gerichtet, in Richtung des Haupttores und des großen Platzes, auf dem sich unzählige Gerudo tummelten. „Ich werde verrückt, Urbosa. Er ist immer da.“ Zelda fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. „Es ist, als hätte ich keine Luft zum Atmen.“ Sie starrte auf den Steinboden von Urbosas Gemach. „Ich dachte, das würdest du verstehen“, flüsterte Zelda kaum hörbar. Würde sie lauter sprechen, könnte sie nicht dafür garantieren, dass sie die Tränen zurückhalten konnte. Und sie würde nicht weinen!   Ein Augenblick verging. Dann hörte sie Urbosa laut seufzen. „Gut“, erklang deren Stimme. „Was hältst du von einem Ausflug zu dieser neuen Sehenswürdigkeit.“ Urbosa warf ihr einen verschmitzten Blick zu, den einen Arm in die Hüfte gestemmt. „Seit Neustem läuft hier so ein riesenhaftes Monster durch die Wüste.“ Zeldas lächelte. Dankbar über den Themenwechsel. Urbosa beugte sich verschwörerisch zu ihr hinunter. „Sag es keinem weiter, aber ich bin die Einzige, die weiß, wie man sich das Innere ansehen kann.“ Zelda kicherte. Rieb sich ein letztes Mal über die Augen und stand dann auf. „Ja“, nickte sie. „Ja, das würde ich wirklich sehr gerne tun.“   *   Der Ausblick von Naboris war fantastisch. Vielleicht war Zelda ein wenig vorbelastet, weil sie Urbosa von den Recken am längsten kannte. Aber wenn das riesenhafte Biest mit seinem sanft wiegenden Schritt durch die Wüste pflügte, den Sand aufwühlte, diese stampfenden Geräusche machte und man beinahe ganz Gerudo überblicken konnte, war Zelda überzeugt, dass dieser hier ihr Lieblingstitan war. Vielleicht lag es auch einfach an seinem Inneren. Daran, dass seine Fähigkeiten so speziell und so unendlich faszinierend waren. Blitze. Elektrizität. Zeldas Geist überschlug sich vor Ideen. Was man damit alles anstellen konnte. Es war großartig. Und so hatte sie nicht bemerkt, wie die Stunden vergingen. Sie war von einer Ecke des Titanen in die nächste gerannt. Hatte Inschriften mit ihren Aufzeichnungen verglichen. Die Steuerungseinheit neu kalibriert. Hatte Urbosa um einige Kostproben der Steuerung gebeten. Zelda fühlte sich, als würde sie die Verbindung der Titanen mit ihren Piloten nun ganz anders verstehen. Viel tiefer verstehen. Beinahe konnte sie fühlen, wie Naboris auf Urbosas Befehle reagierte. Wie er mit ihrem Geist verbunden war und wie eine Verlängerung ihres Willens wirkte. Er schien sich ihr völlig zu ergeben. Ganz anders, als das bei Rudania der Fall gewesen war. Nun könnte sie Daruk ganz andere Hinweise geben. Vor Euphorie hatte Zelda nichts essen wollen und die Pausen ausgeschlagen, zu denen Urbosa geraten hatte. Als sie also am Abend auf dem kleinen Seitenbalkon des Titanen saß und mit Urbosa gemeinsam den Sonnenuntergang betrachtete, fühlte sie sich unendlich zufrieden. Eine tiefe Ruhe erfüllte sie.   Gerudo war ein karges, hartes Land. Brennend heiß während des Tages und bitterkalt in der Nacht. Nur ein zähes Volk konnte hier überleben. Aber das Land war auch erfüllt von einer Schönheit, die irgendwo zwischen der Kargheit selbst und der Kompromisslosigkeit begründet lag. Und darin, dass jeder Farbklecks mit einer Brillanz leuchtete, die nur durch die Abwesenheit jeglichen Kolorits entstand.   Zelda redete und redete. Führte Urbosa Schlussfolgerung über Schlussfolgerung, Theorie über Theorie vor. Froh einen geduldigen Zuhörer gefunden zu haben, der sie ihre Gedanken ordnen ließ, ohne Fragen zu stellen. Erst als der Fluss ihrer Worte nachließ, weil der Damm gebrochen und all die angestaute Energie, die sie in ihre Forschungen steckte, abgeflossen war, bemerkte Zelda, wie unendlich müde sie war. Ihr Körper schmerzte von den Strapazen des vorherigen Tages und pausenlos zu arbeiten hatte wohl auch den heutigen zu einem anstrengenden gemacht. Auch wenn sie es kaum bemerkt hatte. Nach und nach verstummte sie und ließ sich von dem schwankenden Gang des Titanen in einen dämmrigen Zustand der vollkommenen Zufriedenheit wiegen. Hier, neben Urbosa, auf dem, von der Wüstensonnen erwärmten Stein, durch dicke Teppiche vor der Härte des Untergrundes geschützt, in der kühlen Brise des Abends, fühlte Zelda sich sicher.   Das Nächste was sie mitbekam, war die ohrenbetäubende Explosion, die sie weckte. Zelda zuckte zusammen. Schrie erschrocken auf. Sie brauchte einen kurzen Augenblick, um sich zu orientieren, blinzelte verwirrt durch die Gegend. Stammelte und fiel nach vorn auf die Knie, als sie versuchte die Frau neben ihr anzusehen. „Wa- Urbosa?! Was war das?! “, quietschte Zelda in einer so hohen Stimme, wie sie sie noch nie an sich gehörte hatte. Sie ruderte mit den Armen. Versuchte ihre Balance und ihre Fassung wieder zu erlangen. „Dieser Krach!“, hauchte sie, während ihr Herzschlag sich langsam beruhigte. Der Schreck saß ihr allerdings tief in den Knochen und machte sie ganz zittrig. Dann bemerkte sie etwas aus dem Augenwinkel. Verspätet, da ihr Hirn immer noch ganz vernebelt war, vom tiefen Schlaf, aus dem sie so ruckartig erwacht war. Langsam, ein fassungsloses Keuchen auf den Lippen, drehte sie sich zu dem blauen Farbflecken herum, den sie hinter sich gesehen hatte, als sie auf den Knien herumgerutscht war.   Ein Geräusch irgendwo zwischen Stöhnen und Ächzen entfuhr ihr. Link! Dort stand Link! Aller Schlaf, alle Müdigkeit fielen von ihr ab. Sie hatte ihn doch zurückgelassen. Und sie war sich so sicher gewesen, dass er dieses Mal auf sie gehört hatte. „Was machst du denn hier?!“, fragte Zelda fassungslos, bevor sie die Worte zurückhalten konnte. Sie war verwirrt und immer noch ein wenig desorientiert. Es fiel ihr sogar schwer die bekannte Wut in sich zu finden. Woher hatte er gewusst, wo sie war? Wie kam er auf den Titanen? Naboris stand still, bewegte sich nicht länger durch die Wüste, aber sein Aufgang war so weit vom Boden entfernt, dass sich Zelda unmöglich vorstellen konnte, wie er hier herauf gekommen war. Der antike Stein war unmöglich zu beklettern. Das wusste Zelda bereits von den Schreinen.   Und so starrte sie ihn an. Bestürzt. Und er starrte zurück. Mit breitem Stand und die Finger zu lockeren Fäusten gekrümmt. Er beugte sich leicht vor und suchte ihren Blick. Wirkte weniger stoisch als sonst, sondern … weicher, seine Augen größer als sonst. Wenn Zelda es nicht besser wüsste, würde sie beinahe denken, er wäre … besorgt.   Bevor sie den Anblick verarbeiten konnte, fing Urbosa neben ihr laut an zu lachen. Geschockt fuhr Zeldas Kopf herum. Es war kein einfaches Kichern. Kein kurzes, amüsiertes Glucksen. Es war ein lautes, aus der Tiefe ihres Bauches Kommendes, Kopf in den Nacken werfen Lachen. Entsetzt starrte Zelda die Königin an.   „Wa-was ist so lustig?“, fragte Zelda mit zittriger Stimme. In ihren eigenen Ohren klang es wie ein Wimmern, was wahrscheinlich ihrer Verwirrung zuschulden war. Urbosa lachte nur noch lauter. Hilfe suchend drehte Zelda wieder den Kopf. Zu Link, der Urbosa nicht minder irritiert betrachtete. Eine Augenbraue hochgezogen. Dann wandte er den Blick ab und schüttelte den Kopf. Den Hauch eines Lächelns auf den Lippen. Während Urbosas Lachen weiterhin laut durch die Wüste hallte, erhärtete sich in Zelda ein Verdacht. Urbosa hatte sie mit einem ihrer Blitze geweckt, als Link aufgetaucht war. Und entweder sein Auftauchen hier war die Folge seiner exzessiven Suche nach ihr, oder Urbosa hatte Link hier hergerufen. Zuzutrauen wäre es ihr. Als Königin war sie es gewöhnt, sich in die Angelegenheiten anderer einzumischen.   Ein weiteres indigniertes Geräusch entwich Zeldas Kehle.   „Gut“, sagte Urbosa, durch ihr Lachen hindurch. „Gut, gut.“ Wieder lachte sie. Dann räusperte sie sich, während Zelda sie immer noch ein wenig ungläubig anstarrte. Wenn auch nur, um nicht Link ansehen zu müssen, der in ihrem peripheren Blickfeld auf der Stelle trat und seine Position veränderte. War ihm Urbosas Lachen auch unangenehm? Zelda unterdrückte das Verlangen ihn näher zu betrachten. Seinen Blick zu suchen. Zu fragen, wieso er nicht zum Schloss zurück gegangen war. Oder, war er es? War er auf Befehl des Königs wieder losgezogen?   „Komm, Prinzessin“, meinte Urbosa und stand auf, streckte Zelda ihre Hand entgegen. Der blaue Rock mit Naboris' Abbildung flatterte im Wüstenwind. Zelda fröstelte. Es war ziemlich kalt geworden. „Ich bringe dich besser hinein. Dort ist es wärmer. Vielleicht findest du dort etwas richtigen Schlaf, während ich mich mit deinem Leibwächter hier unterhalte.“   Zelda überlegte kurz, ob sie sich wie ein Kind behandelt fühlte, das man ins Bett brachte, wenn die Erwachsenen miteinander sprachen. Dann entschied sie, dass es ihr egal war. Wenn sie eine Möglichkeit hatte, sich der Situation zu entziehen, nicht mit Link sprechen zu müssen, dann wäre ihr das nur Recht. Also nickte sie wortlos und folgte Urbosa in den Bauch des Titanen hinein, ohne ihrem Leibwächter auch nur einen Blick zuzuwerfen.   In einer kleinen Nebenkammer hatte Urbosa eine Feuerschale aufgestellt, die sie nun entzündete, sowie aus Decken und Kissen ein gemütliches Nest errichtet. Wahrscheinlich um selbst einen Schlafplatz zu haben, wann immer sie es nicht in die Stadt zurück schaffte. Der Anblick erinnerte Zelda an die bleierne Schwere in ihren Knochen und das matte Gefühl hinter ihrer Stirn. Schlafen. Schlafen wäre wunderbar.   „Ich brauche eine Pause von ihm, Urbosa“, murmelte Zelda, als sie auf dem himmelweichen Lager niedersank. Sie umfasste Urbosas Handgelenk, die Augen bereits geschlossen. „Bitte. Du weißt nicht wie es ist. Ich fühle mich wie in einen Käfig gesperrt.“ Ihre Kehle schnürte sich zu und die Worte versagten ihr. Spräche sie weiter, würde sie die aufsteigenden Tränen nicht zurück halten können. Sie hatte sich geschworen nie wieder so viel Schwäche zu zeigen, aber die Müdigkeit und der Schlaf, der mit lockenden Fingern nach ihr griff, riss ihre Schutzmauern ein. Urbosa drückte ihre Hand. „Ich denke, dass seine Anwesenheit dazu da ist, dir Freiheit zu geben.“ Was Urbosa sagte, ergab keinen Sinn. Aber Zelda war zu weit in die Dunkelheit hinter ihrem Geist vorgedrungen, sodass sie nur nie Augenbrauen zusammenziehen konnte und unzufrieden murmelte. „Schlaf jetzt, kleiner Vogel. Ich werde mit ihm darüber sprechen, wie wir seine Pflichten weniger lästig für dich gestalten können.“ Urbosa ließ ihre Hand los und Zelda kuschelte sich tiefer in die Kissen. „Hmmm ...“, war alles was sie darauf erwiderte, bevor sie vollends in tiefem Schlaf versank.   *   Sie konnte sich nicht mehr an Urbosas genaue Worte erinnern, aber als Zelda am nächsten Morgen erwachte, wurde sie das Gefühl nicht los, dass sie auf sanfte Weise gescholten worden war. Vielleicht bildete sie sich das auch nur ein. Aber Tonfall und Worte ihrer Freundin hatten Träume in Zelda heraufbeschworen, die sie immer noch berührten, als sie dem Schlaf lange entkommen war. Das vage Gefühl überzureagieren, die Situation vom falschen Blickwinkel aus zubetrachten, hatte Bilder durch ihren ruhenden Geist ziehen lassen, die sie nun nicht mehr fassen konnte. Was immer sie auch geträumt hatte. Sie wusste es nicht mehr. Sie wusste nur, dass es wichtig gewesen war.   Tief in Gedanken versunken, machte Zeldas sich auf den Weg Urbosa zu finden. Ein Blick nach draußen verriet ihr, dass sie sich der Stadt genähert hatten, während sie schlief. Der Titan stand direkt neben dem großen Felsen, in den der Thronsaal gehauen war. So weit von oben erschien er ihr klein, beinahe süß. Viel weniger mächtig neben den massiven Ausmaßen von Vah Naboris. Link war nirgendwo zu sehen, aber die wilde Mähne kaum gebändigten roten Haares die am goldenen Thron vorbeilugte, verriet Zelda, dass die Königin der Gerudo nicht mehr auf dem Titanen weilte. Natürlich. Urbosa hatte ein Volk zu führen. Sie konnte nicht die ganze Zeit über im Titanen bleiben und über den Schlaf eines Mädchens wachen. Selbst wenn es sich um die Prinzessin Hyrules handelte.   Zelda war froh, dass ihr Leibwächter nicht hier war. Es bedeutete, dass Urbosa es tatsächlich geschafft hatte, ihn davon zu überzeugen, zu gehen. Gleichzeitig erfüllten plötzliche Gewissensbisse ihre Brust. Wieder das Gefühl, dass sie diejenige war, die ihn unfair behandelte. Vielleicht war er auch verschwunden, weil Zelda den Bogen endgültig überspannt hatte und ihre Sicherheit ihm nun völlig egal war. Sie verzog das Gesicht. Doch bevor sie dem Gedanken in die Tiefe folgen konnte, hatte Ekis, die neben dem Thron stand, sie entdeckt und Urbosa darauf aufmerksam gemacht. Kurz darauf schwankte der Titan gewaltig und Zelda stolperte. Konnte sich gerade noch an der Balustrade festhalten, bevor sie sich die Knie aufriss. Sie keuchte erschrocken, zu sehr damit beschäftigt, nicht hinunterzustürzen, dass sie nicht einmal schreien konnte. Mit aufgerissenen Augen beobachtete sie die Welt dabei, wie sie vor ihrem Blickfeld verschwamm. Mittendrin erkannte Zelda den Vorgang. Naboris, der sich niederkniete. Damit sie hinaus gelangen konnte. Kurz danach war es vorbei. Zelda verharrte noch einen Augenblick, um ganz sicher zu gehen, dass sich Urbosa nicht noch einen Spaß mit ihr erlaubte. Auch wenn es der zweite Schock war, den sie in so kurzer Abfolge verpasst bekommen hatte, so tat es dennoch gut, nicht mit Samthandschuhen angefasst zu werden. Typisch Urbosa. Sie nicht einmal vorzuwarnen.   Zelda nahm die Rampe hinunter zum Boden. Der Sand war auf der Schattenseite der Stadtmauer noch kalt von den eisigen Temperaturen der Nacht. Niemand war hier, um sie abzuholen, aber sie war sich sicher, dass mehrere Augenpaare von der Mauer aus ihre Sicherheit garantierten. Zelda fröstelte ein wenig, als sie sich daran erinnerte, was das letzte Mal an genau dieser Stelle passiert war. Yiga, die einen Hinterhalt gestellt hatten. Urbosa, die kurzen Prozess mit ihnen gemacht hatte. Doch es war niemand hier, außer der zwölf Dutzend auf die Zähne bewaffneter Gerudo Kriegerinnen auf der anderen Seite der Mauer. Zelda fühlte sich einigermaßen sicher. Sie stapfte durch den Sand. Es fühlte sich an, als würde man auf Wolken gehen. Urbosa hatte einmal dasselbe über das Gehen auf Straßen gesagt. Wohl aber eher die fehlende Anstrengung gemeint. Schon nach dem Umrunden der westlichen Seite stand Zelda der Schweiß auf der Stirn. Als sie das westliche Tor erreichte, keuchte sie. In der Ferne sah sie die aufragenden Palmen der weit vor der Stadt liegenden Oase, den mit bunten Tüchern behängten Felsen, um den die kleine Siedlung erbaut worden war. Der Anblick verschwamm immer wieder vor ihren Augen. Sowohl durch die Luftspiegelungen der heißen Sonne, als auch, weil sich die Welt begonnen hatte zu drehen.   Eine schöne Vaai mit aufgestecktem Haar begrüßte sie freundlich und Zelda nutzte die Zeit, um sich im Schatten ein wenig auszuruhen. Nachdem die Sterne hinter ihren Augen aufgehört hatten zu funkeln und sich die Außenwelt nicht mehr anhörte, als wäre sie meilenweit entfernt, drangen die quiekenden Geräusche von Sandrobben in ihr Bewusstsein. Zelda stieß sich von der Wand ab und ging auf den Zaun zu, hinter dem um die sechs der Robben in allen Größen und Farben im Schatten dösten. Wahrscheinlich rührte ihr angeschlagener Kreislauf immer noch von ihrem Abenteuer mit diesen Zugtieren. Und daher, dass sie am Tag zuvor nichts gegessen und kaum etwas getrunken hatte.   Wahrscheinlich war es der fehlende Zucker in ihrem Gehirn. Vielleicht wurde sie auch einfach nur verrückt. Aber der Anblick der Wüstentiere weckte eine Idee. Die Oase. Zelda war bisher nur hindurch gereist. Und hatte sie unheimlich faszinierend gefunden. Eine solche Menge an Wasser mitten in der Wüste. Die Gerudo Frauen, die dort, manchmal das erste Mal, auf Voois der verschiedenen Völker trafen. Ein Schmelztiegel, nicht nur von Rassen, sondern auch der Geschlechter. Zelda wollte dorthin. Und sie war sich nicht sicher, ob Urbosa es erlauben würde. Aber Zelda war erwachsen. Sie hatte ihren Leibwächter fortgeschickt und bewiesen, dass sie allein durchaus zurechtkam. Sie war durch die Gerudo Schlucht und durch halb Hyrule geritten, ohne dass ihr etwas geschehen war. Was sollte schon passieren, wenn sie ein paar Meilen außerhalb einer Stadt voller Kriegerinnen eine Oase besuchte. Ein wenig auf dem Basar stöberte und sich dort mit Wasser und Früchten erfrischte. Ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht. Wozu die neugewonne Freiheit, wenn sie sie nicht nutzte?   „Wie viel kostet es, eine Sandrobbe zu mieten?“     *     Das Erste was Zelda tat, war ihr Gesicht in einem riesigen Stück Frostmelone zu vergraben, das sie an einem Fruchtstand kaufte. Auch wenn die Strecke von der Stadt zur Oase mit einer Sandrobbe schnell zu bewältigen war, so hatte die Sonne bereits in den Morgenstunden einiges an Kraft. Es war einfach töricht gewesen, ohne einen Kühlungstrank aufzubrechen. Aber Zelda hatte nicht daran gedacht. Während der eisige Saft ihr die Kehle – und leider auch das Kinn – hinabrann, atmete sie erleichtert auf. Die Hitze aus ihrem Gesicht verzog sich langsam und machte einem angenehm prickelnden Gefühl platz, als ihre Körpertemperatur herabsank. Der Effekt war nicht so stark wie bei den Tränken, weswegen Zelda sich für den Rückweg etwas anderes einfallen lassen müsste. Sie hielt bei einer Händlerin aus der Stadt, die auf einem riesigen Tuch Kleidungsstücke auf dem Boden ausgebreitet hatte. „Angenehm kühl in der heißen Wüstenluft“, versicherte die Gerudo ihr und lächelte mit einem Blick auf Zeldas stabile Stiefel und mehrschichtige Tunika. Es stimmte schon, ihre Kleidung war für das Tagesklima des Landes nicht wirklich gemacht. Aber diese Fummel würde Zelda trotzdem niemals tragen. Sie war die Prinzessin von Hyrule, bei der Göttin. Sie konnte nicht durch die Welt spazieren, mit kaum etwas an als ihrer Haut. Und davon zeigten die Kleidungsstücke viel zu viel. Zelda Blick fiel auf die entblößte Mittelregion der Händlerin. Bronzefarbene, brettharte Muskelstränge zeigten sich dort. Selbst wenn ihr eigener Bauch so aussehen würde, käme es für Zelda trotzdem nicht in Frage. Also lächelte sie nichtssagend und kehrte dem Stand den Rücken zu. Sie schlenderte weiter. Auf das Becken zu, in dem sich das Wasser sammelte, das der Oase das Leben schenkte. Sie verbrachte ein wenig Zeit damit mit den Zehenspitzen Muster in den nassen Sand zu zeichnen. Dann besah sie sich weiter die exotischen Waren der Händler. Sie sah Früchte von überall aus Hyrule. Sogar Durian Früchte, um die Zelda einen großen Bogen machte. Etwas das so seltsam roch, würde sie nie hinunter bekommen. Unwillkürlich brachte dieser Gedanke sie auf Link, der Unmengen Nahrung in sich hinein stopfen konnte. Sie fragte sich, ob er diese Frucht je gegessen hatte. Ob er sie mochte. Zelda runzelte die Stirn. Wieso auf einmal Link? Der Gedankengang schien ihr sehr weit her geholt. Warum hatte sie gerade an ihn denken müssen? Sie ging weiter. Wechselte zu einem Stand, der Waffenequipment feilbot. Anscheinend etwas, mit dem man in unmittelbarer Nähe einer Stadt voller Kriegerinnen gute Geschäfte machen konnte. Sie sah fein geschnitzte Pfeile mit geschmiedeten Spitzen. Solche, wie Link immer in seinem Köcher herumtrug. Und andere, mit anderen Spitzen. „Elektropfeile“, antwortete der Händler auf ihr Nachfragen hin. Sah sie daraufhin aber so seltsam an, dass Zelda schnell weiter ging. Wieder dachte sie an Link. Diesmal fragte sie sich, ob er von den anderen Pfeilarten wusste. Wahrscheinlich. Aber Zelda hatte sie ihn nie verwenden sehen. Dann wiederum, sie hatte ihn nie wirklich im Kampfeinsatz gesehen. Immer nur bei seinem Training mit sich selbst beobachtet. Und da hatte er immer nur das Bannschwert geschwungen. Was nicht unbedingt zu Zeldas Seelenfrieden beigetragen hatte. Dabei war es nur logisch, dass er mit dieser Waffe üben musste. So wie sie ihre Gebete hatte und ihre spirituellen Übungen. Vielleicht sollte sie ihm von den Elektropfeilen erzählen? Sofort bereute sie den Gedanken. Natürlich wusste er davon. Er war ein ausgebildeter Ritter. Ein Meister der Waffen. Und selbst wenn sein Talent vor allem im Schwertkampf lag, so musste er auch mit dem Bogen einigermaßen versiert sein. Die Ritter im Schloss wurden mit Pfeil und Bogen ausgebildet. Was bildete sie sich ein, ihm etwas über Waffen beibringen zu wollen. Auch wenn es gut gemeint war. Wahrscheinlich würde er über sie lachen. Oder annehmen, dass sie sich über ihn lustig machte. Die missratene Prinzessin. Die Versagerin. Wollte sich in seine Angelegenheiten einmischen. In die des großen Schwertkämpfers, des Auserwählten des Schwertes. Selbst in ihrem Kopf war es lächerlich. Als ob er je etwas von ihr brauchen würde.   Zelda ballte die Fäuste. Diese Gedanken wären noch einmal ihr Untergang. Sie entfernte sich weiter von dem Trubel des Basars, in dem Wunsch allein zu sein. Nun wieder versunken in Selbstmitleid. Sie betrachtete das Spiel des Windes auf dem Wasser. Sah das erste Mal, dass der Teich von einer unterirdischen Quelle gespeist wurde, die in sanften Wirbeln Wasser aus dem Erdreich nach oben drückte. Weiter weg von den Zelten und Ständen wurde der Wind stärker, traf ungeschützter auf Sand und Felsformationen. Und auf Zelda, die den Böen den Rücken zuwandte. Trotz der aufgewirbelten Elemente war es wunderschön. Ruhig. Es wirkte wie Balsam auf ihren ähnlich aufgewirbelten Emotionen. Der Verwirrung und den widersprüchlichen Gefühlen. Sie wanderte weiter. Entfernte sich immer mehr von der Oase. Betrachtete hier eine Pflanze, die der Kargheit trotzte, hob dort einen Stein auf, weil er so hübsch im Sonnenlicht funkelte. Als sie sich umdrehte, bemerkte sie, wie weit sie sich entfernt hatte. Von hier aus hatte sie einen wunderbaren Blick auf den ganzen Ort. Den natürlichen Ring aus großen Steinen, der vor Wind schützte. Das Wasserbecken mit den sanft wippenden Palmen. Der hohe Felsen mit dem Gasthaus. Die Umrisse von Gerudo Stadt, ganz weit weg, hinten in der Ferne. Auf einen Impuls hin, löste Zelda den Shiekah Stein von ihrem Gürtel. Hielt ihn in die Höhe, suchte nach der richtigen Perspektive. Sie wollte den Anblick einfangen. Um ihn auch in der Enge ihres goldenen Käfigs immer wieder betrachten zu können. Um sich zu erinnern und vielleicht zu fühlen, was sie jetzt fühlte. Frieden. Freiheit.   Seufzend ließ Zelda den Shiekah Stein sinken. Zufrieden. Sie drehte sich um. Bemerkte das erste Mal, wie weit sie wirklich von der Oase entfernt war. Sie konnte nicht einmal mehr das Stimmengewirr hören. Sah nur die Lichtreflexionen der Sonne auf dem Wasser und sich bewegende bunte Flecken. Ein ungutes Gefühl beschlich Zelda. Ein Prickeln der Vorahnung, auch wenn sie es nicht einordnen konnte. Sie war allein. Niemand zu sehen, als sie sich einmal um sich selbst drehte. Dennoch begann sie zur Oase zurückzugehen. Auf ihrer kleinen Wanderung hatte sie die lange Strecke nicht bemerkt. Oder die Weichheit des Sandes, die auch jetzt wieder an ihren Füßen saugte, wie schon auf dem Weg von Vah Naboris zum Stadttor. Der Gedanke an den Titanen und Urbosa verstärkte das unbehagliche Gefühl nur noch und Zelda versuchte ihre Schritte zu beschleunigen. Auf dem schwammigen Untergrund war das kaum möglich, es sei denn sie rannte. Wozu es keinen Anlass gab.   Dann frischte der Wind auf und brachte das Geräusch von kaum wahrnehmbaren Schritten mit sich. Hinter ihr. Mit der Erkenntnis, dass es nicht Links Schritte waren – das Geräusch hätte Zelda überall erkannt – machte ihr Herz einen panischen Satz. Zelda drehte sich um. Und grauenhaftes Entsetzen pumpte ihr prickelnde Angst durch die Adern. Yiga!   Sie hatte sich viel zu weit von der Oase entfernt, als das irgendjemand ihr zur Hilfe kommen würde. Sie war allein. Nicht einmal ihre Schreie würde jemand hören. Zelda begann zu rennen. Den Blick auf die Oase in der Ferne. Vielleicht konnte sie es schaffen. Der Sand erwies sich als ihr zweiter Feind. Als hätte er sich mit ihren Verfolgern verbrüdert. Zelda war beinahe sofort außer Atem. Die Schritte hinter ihr wurden lauter. Jemand rief etwas. Eine männliche Stimme. Natürlich. Oh, wenn sie nur nah genug an die Oase heran kommen könnte, dass jemand sie hören würde, wenn sie schrie. Dann gäbe es zumindest Zeugen. Und sie würde nicht ungesehen verschwinden. Zelda keuchte. Versuchte schneller zu laufen, obwohl ihre Schenkel brannten und sie kaum Luft bekam. Es war wie in einem dieser Träume, in dem ein fernes Ziel immer weiter zu verschwinden droht, je stärker man versucht es zu erreichen. Als würden ihre Beine immer schwerer werden und sie an den Boden ziehen. Sie nicht fliehen lassen. Warum war es nicht Link hinter ihr. Verkleidet als einer die abtrünnigen Shiekah. Mit der roten Maske und dem umgedrehten weinenden Auge. Um ihr einen Schrecken einzujagen, ihr eine Lektion zu erteilen. Aber davon abgesehen, dass seine Schritte leichter und kürzer waren, würde Link so etwas nie tun. Das wusste Zelda mit absoluter Sicherheit. Der Gedanke war hirnrissig. Absolut abwegig. Aber ihr verzweifeltes Gehirn suchte nach einem Ausweg, um sich mit dem unumgänglichen Ende nicht abfinden zu müssen. Sie würde sterben. Die Yiga würden sie töten. Und dann würde die Verheerung zurückkehren.   Zelda schluchzte auf. Ein Geräusch irgendwo zwischen Panik und Trauer. Ein verzweifeltes Stöhnen. Ein unterdrückter Schrei, da ihr für mehr keine Luft blieb. Ihr Herz schlug ein wildes Muster gegen ihren Rippenbogen und riss ihr beinahe die Brust auseinander. Sie konnte nicht weiter. Aber sie musste. Zelda schlug einen Haken. Versuchte die Richtung zu ändern, ohne wirklich zu wissen, wo ihre Verfolger sich genau befanden. Sie wagte nicht, sich umzusehen. Aus Angst zu stolpern und zu fallen. Dann hätte sie nicht mehr auch nur den Hauch einer Chance.   Sie rannte an einigen Palmen vorbei. Nicht mehr allzu weit, und sie hätte die Oase erreicht. Doch das kleine Hüpfen der Hoffnung zerbarst unter Stiefelspitzen der beiden Yiga, die ihr in den Weg sprangen. Zelda stoppte. Sie war eingekreist. Vor ihr, rechts und hinter ihr. Auf der linken Seite versperrte ein Felsen den Weg. Und den konnte sie nicht überwinden. Sie war so gut wie tot. Sie würden sie nicht gefangen nehmen. Es war ihr Herz, das sie wollten. Und zwar ohne ihren Körper. Niemand würde wissen, was mit ihr geschehen war. Urbosa. Ihr Vater. Link. Link! Wie inbrünstig wünsche Zelda sich, dass er hier wäre. Zelda wimmerte. Doch er war nicht da. Sie hatte ihn weggeschickt. Und damit ihr Schicksal besiegelt.   Hylia, es tut mir leid. Es tut mir so leid. Ich hatte unrecht. Wo ist er?!   Zelda keuchte. Versuchte nach hinten zu fliehen, auch wenn sie wusste, wie aussichtslos das war. Doch der Yiga war so nah vor ihr, dass sie wieder zurückwich. Ihre Ferse verfing sich im Sand. Dann fiel sie. Der Kreis um sie herum wurde enger geschlossen. Sie konnte sehen, wie ein Yiga seine Klinge erhob, eine gebogene Sichel, etwas, das man verwendete, um Weizen zu schneiden. Wie seltsam, dass sie daran denken musste. Und nicht daran, wie unendlich groß ihre Angst war. Aber wahrscheinlich schützt ihr Geist sie mit Belanglosigkeiten, um ihr einen bewusstlosen Tod zu ermöglichen. Das Sonnenlicht brach sich auf dem kalten Stahl. Blitzte auf und das letzte, was Zelda dachte, bevor sie instinktiv die Augen schloss, war, wie hübsch es aussah.   Doch der Hieb kam nicht. Kein stechender Schmerz. Kein Blut, dass durch die Luft spritzte.   Zumindest nicht ihr Blut.   Zelda hörte Metall, das auf Metall traf. Waffen. Etwas das durch die Luft flog. Stimmen. Ein Ächzen, dann einen Schrei. Den dumpfen Aufprall eines Körpers auf dem Sand. Sie öffnete ihre Augen einen Spaltbreit.   Alles, was sie sah war: Blau. Sie erlaubte sich nicht, zu hoffen. Dann öffnete sie die Augen weiter. Erleichterung durchflutete sie mit einer solchen Gewalt, dass sie wimmerte.   Link! Link war hier. Link war gekommen, um sie zu retten.   Er stand dort, zwischen ihr und den zwei restlichen Angreifern. Der Yiga von dem Zelda gedacht hatte, er wäre das Letzte, das sie in diesem Leben sehen würde, lag nicht unweit von ihr auf dem Boden. Und blutete sein Leben in den Sand. Bewegungslos starrte sie auf Links Rücken. Mehr als das und seinem Profil konnte sie nicht von ihm sehen. Er hatte das Bannschwert gezückt und schien absolut ruhig. Absolut tödlich. Hätte Zelda nicht eine so bodenlose Erleichterung gespürt, ihn zu sehen, wäre der Anblick wohl unheimlich gewesen. Doch in diesem Moment erschien er ihr genau wie der Held, der er war. Nur dass er ihr Held war. Das erste ihrer Gebete an die Göttin, das erhört worden war. Die Zeit schien stillzustehen.     Dann sprang einer der Angreifer vorwärts, täuschte eine Finte an, doch Link machte kurzen Prozess mit ihm. Zeldas geschockte Augen konnten der Bewegung kaum folgen. Es fiel erst ein, dann der zweite Körper zu Boden. Waffenlos. Und tot.   Zelda schluchzte auf. Zitterte, als die Erkenntnisse sie überfluteten. Sie war am Leben. Sie war gerettet worden. Von Link.   Der in diesem Moment sein Schwert auf dem Rücken verstaute und die letzten Schritte zu ihr gelaufen kam. Er kniete sich hin. Brachte sein Gesicht auf ihre Augenhöhe, bewegte sich jedoch mit einer Sanftheit, die keinen Sinn ergab. Glaubte er, sie hätte Angst vor ihm?   „Link“, hauchte sie geräuschlos, nur ihre Lippen, die seinen Namen formten. Doch seine Augen folgten der Bewegung, starrten kurz auf ihren Mund. Dann wanderten sie wieder nach oben. Eine Bestandsaufnahme. „Seid Ihr verletzt?“, fragte er leise, aber mit einer solchen Intensität in seiner Stimme, dass Zelda ihn einfach nur stumm anstarrte. Er atmete heftig ein. Dann aus. „Prinzessin!“ Zelda zuckte zusammen. Dann schaffte sie es, den Kopf zu schütteln. Sie konnte den Blick nicht von ihm abwenden. War beinahe hypnotisiert von seinem Anblick. Er war hier. Wieso war er hier? Wie konnte er hier sein? Der Göttin sei Dank! Beinahe hätte sie erneut aufgeschluchzt.   Sie sah, wie er die Zähne aufeinander presste, sah es an den feinen Muskeln in seinen Wangen, die unter der Haut zarte Wellen schlugen. Das übermächtige Bedürfnis sie zu berühren, stieg in ihr auf. Nein. Nein, das war falsch. Er durfte nicht aufgebracht sein. Er hatte sie gerettet.   Dann fiel ihr ein, dass er womöglich aufgebracht war, weil sie sich in Gefahr gebracht hatte. Wahrscheinlich war er unendlich wütend auf sie und tat das, was er immer tat: sich zurückzuhalten, um sie nicht anzuschreien, weil sie sich so unfassbar dämlich verhalten hatte. Der Gedanke versetzte ihr einen unerwarteten Stich. Als hätte sie, nun da die akute Lebensgefahr gebannt war, nichts Besseres zu tun. Betreten sah Zelda zu Boden. Wandte das erste Mal den Blick von ihrem Retter ab, seit er sich so wundersam vor ihr materialisiert hatte. „Auch nicht der Knöchel? Ihr seid gestürzt.“ Seine Stimme klang ruhiger, weniger gepresst. Zelda sah wieder auf. Seine Augen hatten jedoch nichts von ihrer Intensität verloren und sie ertappte sich dabei, wie sie ihn wieder anstarrte. „Nein“, antwortete sie, als sie sich an die Frage erinnerte. „Nein“, wiederholte sie und rieb sich unwillkürlich den Fuß. Als müsste sie sich durch Palpation davon überzeugen, dass sie tatsächlich keine Schmerzen dort verspürte. „Ich-ich bin nur gestolpert, als sie ...“ Sie brach ab und schluckte. Etwas in Links Blick wurde weich. Nie hatte sie ihn so viel sprechen hören. Soviel in seinem Gesicht lesen können. Sie wollte nicht, dass es endete. „In Ordnung“, sagte er leise und ganz langsam zeigte sich ein erleichtertes Lächeln auf seinem Gesicht. Es sollte wohl beruhigend sein, hatte aber auf Zelda eine ganz andere Wirkung. Bevor sie darüber nachsinnen könnte, was genau das war, hatte Link sich erhoben und ihr eine Hand entgegen gestreckt. Verwirrt starrte Zelda sie an. Dann begriff sie, dass er ihr aufhelfen wollte. Sie zögerte. Ihn berühren. Gestern noch hätte sie sich lieber die Haut abgezogen. Langsam hob sie die Hand. Link griff danach, als sie noch auf halbem Weg war. Wahrscheinlich war er darauf bedacht, sie so schnell wie möglich hier wegzubringen. Zelda spürte die rauen Stellen an seiner Haut, die von den unzähligen Schwertgriffen herrührten, die er in seinem Leben geführt hatte. Das Material seiner Handschuhe. Und die Wärme, die von seiner Haut ausging. Dann ging ein Ruck durch ihren Körper und sie flog durch die Luft. Nicht wirklich. Der Schwung war so angepasst, dass Zelda schwankend auf die Füße kam, eine stabilisierende Hand an ihrer Schulter jedoch ausreichte, um sie daran zu hindern, gleich wieder vornüber zufallen. Wieder konnte sie nicht anders, als ihn anzustarren. Es war, als wäre ihr Leibwächter in kurzer Zeit zum Zentrum ihrer Welt geworden. Was in gewisser Weise war es genau das. Sie hatte gebetet, dass er auftauchen würde. Und dann war er da gewesen. Einfach so.   „Du hast mir das Leben gerettet“, platzte es aus Zelda hervor, sobald sich der Gedanke zu Ende geformt hatte. Link sah ihr in die Augen. Immer noch mit dieser Intensität. Als versuchte er sie mit seinem Blick zu durchleuchten, irgendetwas aus ihr herauslesen zu wollen. Und vielleicht stimmte das auch.   Es gab keinen Grund es zu bestätigen. Die Fakten lagen neben ihr auf dem Wüstenboden. Leblos und blutend. Nicht mehr gefährlich.   „Mein Leben gehört Euch“, wiederholte er, was sie ihn schon so oft hatte sagen hören. Doch dieses Mal begriff Zelda das erste Mal, was es bedeutete.   „Danke“, hauchte sie mit zittriger Stimme. Sie hatte nie ein Wort tiefer empfunden. Link schien es zu spüren. Vielleicht las er es auch in ihrem Gesicht. Denn sein Blick, der zu wandern begonnen hatte, fixierte sie. Einen Moment lang hatte Zelda das Gefühl, dass alle Barrieren zwischen ihnen fort waren und sie auf einer Ebene kommunizierten, die nicht von dieser Welt war. Dann nickte Link und sah fort. Und das Gefühl verging. Zelda schluckte die unerwartete, völlig unverständliche Enttäuschung hinunter.   „Wir sollten von hier verschwinden“, sagte Link und Zelda konnte ihm nur recht geben. Sie nickte ihre Zustimmung und mit einem letzten Blick auf sie setzte Link sich in Bewegung. Sie folgte ihm auf Beinen, die sich wie aus Watte anfühlten. Dieses Mal konnte Zelda sehen, was er tat, wenn er sonst hinter ihr ging. Sein Blick ruhte nie. Rechts, links, geradeaus. Dann zurück über die Schulter zu ihr, ein abschätzender Blick. Rechnete er damit, dass sie ohnmächtig werden würde? So weit war das gar nicht geraten. Zelda fühlte sich in der Tat ziemlich wacklig auf den Beinen. Was wohl auch kein Wunder war, wenn man eben knapp dem Tod entronnen war. Und feststellen musste, dass man jemandem kolossales Unrecht getan hatte. Er hatte sie gerettet. Obwohl sie ihn so unfair, so biestig, so fürchterlich behandelt hatte. Er war bei ihr geblieben, obwohl sie ihn fortgeschickt hatte. Immer irgendwo in der Nähe, wie ihr jetzt klar wurde, als die Panik langsam ihren Blutkreislauf verließ und sie mit jedem Schritt klarer denken konnte. Denn das war die einzige Erklärung für sein Auftauchen. Für sein verspätetes Auftauchen. Er hatte sie beobachtet. Aus der Ferne auf sich geachtete. So weit weg, dass sie ihn nicht bemerken konnte und sich auch nicht an seiner Anwesenheit stören konnte. Wo war er gewesen? Hatte er in der Wüstenkälte ausgeharrt und jeden ihrer Schritte verfolgt, seit sie den Schutz des Titanen verlassen hatte? Hatte in den Dünen gekauert? In der brütenden Hitze? War wie von Dämonen getrieben gerannt, als er die Gefahr erkannt hatte? Daran gemessen, wie unmöglich schnell er sich bewegen konnte und wie lange er gebraucht hatte, um aufzutauchen – gerade im letzten Moment – musste er ziemlich weit weg gewesen sein.   Eine ganz neue Woge des schlechten Gewissens überspülte sie. Doch in Zelda war kein Widerstand mehr. Sie ergab sich dem Gefühl. Ließ sich davon mitreißen und öffnete alle Schleusen angestauter verdrehter Gefühle. Ließ die Emotionen davon fließen.   Sie erreichten die Oase ohne einen Zwischenfall. Selbst wenn sie erneut angegriffen worden wäre, hätte Zelda sich nicht sicherer fühlen können. Es war seltsam, wie unberührt der Ort wirkte. Niemand hatte bemerkt, was sie nicht weit von hier entfernt abgespielt hatte, verborgen von Dünen und Steinen. Die Ansammlung von Händlern, Touristen und Einheimischen, die Zelda zuvor so fasziniert hatte, behagte ihr nun ganz und gar nicht mehr. Vor der Herberge blieb Link stehen. Beinahe wäre sie in ihn hinein gelaufen. Kurz nahm sie seinen Geruch wahr. Frische Luft und Metall. Und etwas, das einfach Link sein musste. Dann trat sie einen Schritt zurück, unschlüssig, was er von ihrer Nähe halten würde. Nach all dem, was sie getan hatte. Sie sah zu Boden. „Ich werde eine Nachricht an Urbosa schicken.“ Bei seinen Worten sah Zelda auf. Sein Blick wanderte über den Basar, zurück zu ihr, dann wieder über die Oase. „Ihr solltet ihr sagen, was geschehen ist. Sie wird Euch etwas geben, damit ihr besser schlafen könnt.“ Zelda blinzelte. Es war zu viel auf einmal. Viel zu viel. Der Angriff. Links Auftauchen. Seine Stimme, von der Zelda noch nie so viel gehörte hatte.Weicher, entschiedener als zuvor. Deswegen verstand sie denn Sinn seiner Worte erst, als er sich umdrehte. Um zu gehen!   „Nein!“, keuchte Zelda. Schrie es fast. Link erstarrte. Drehte sich wieder zu ihr herum. Nach allem, was geschehen war, wollt er sie einfach allein lassen. Wollte sich wieder auf Distanz begeben, damit sie sich von ihm nicht belästigt fühlte. Zelda erinnerte sich an Urbosas Worte. Jetzt fiel es Zelda nicht mehr schwer sich auszumalen, was auf dem Ausguck besprochen worden war, gestern, während sie geschlafen hatte. Das ganze Ausmaß ihrer Dummheit flammte wie ein Leuchtfeuer in ihrem Verstand auf, malte glühende Bilder ihrer fehlgeleiteten Gefühle. Sie war die Prinzessin Hyrules. Sie hatte keine kämpferische Ausbildung erhalten. Alles, was sie tun durfte, war zu beten. Die Verheerung würde zurückkommen. All diese Zeichen. Die Monster, die Yiga. Das Bannschwert! Und die Anwesenheit von Letzterem bedeutete für Zelda, dass sie nicht nur in der Sicherheit des Schlosses versauern musste. Sondern frei war das Land zu durchstreifen. Die Titanen zu besuchen und ihren Forschungen außerhalb ihres Turmes nachzugehen. Ohne Link, ohne den Helden, wäre das unmöglich. Das hatte ihr der heutige Tag gezeigt. Das hatte Urbosa gemeint. Gestern, während Zelda dabei war, einzuschlafen.   „Nein“, wiederholte Zelda. Streckte unwillkürlich einen Arm nach Link aus. Er folgte der Bewegung mit seinem Blick. Sie stoppte sich, kurz bevor sie ihn berührte. Ihn körperlich daran hindern konnte zu gehen. Sie allein zu lassen. Als ob sie das vermocht hätte. Wie stark er war, hatte er gerade eben unter Beweise gestellt. Mit so einer Ausdruckskraft, dass Zeldas Nackenhaare sich aufstellten. „Bitte“, sagte sie und ließ den Arm sinken. Link begegnete ihrem Blick. Zelda schluckte sie. „Ich-“, begann sie „Das war ein ziemlicher Schock. Ich denke nicht …, ich denke nicht, dass ich jetzt allein sein möchte.“ Sie befeuchtete sich die Lippen mit der Zunge. „Bitte bleib hier, Sir Link.“   Trotz seines angekündigten Gehens standen sie sich nah genug, dass Zelda sehen konnte, wie sich seine Lippen leicht öffneten. Von dem überraschten Einatmen, als sie ihn mit seinem Ehrentitel ansprach. Zum ersten Mal. Dann schloss er die Augen. Es vergingen mehrere Atemzüge, bevor er sie wieder öffnete. Lang genug, dass Zelda auf ihrer Unterlippe zu kauen begann. Sein Gesicht hatte den bekannten Ausdruck angenommen. Bar von jeder Emotion. Aber anders als vorher, erfüllte diese Miene Zelda nicht mit Zorn. Denn anders als vorher las sie höflichen Respekt daraus, nicht Abweisung. „Mein Leben gehört Euch“, wiederholte er und neigte den Kopf. Zelda ließ den Atem los, von dem sie nicht gewusst hatte, das sie ihn anhielt. Erleichtert, dass er sie nicht alleine lassen würde. Link deutete in Richtung eines großen Ornis, der im Schatten eines Sonnensegels döste. „Ich muss zu ihm. Wollt Ihr mitkommen?“ Er hatte sich bereits dorthin gewandt und musste den Kopf drehen, um sie anzusehen. Zelda beeilte sich, zu nicken. Vielleicht ein wenig zu enthusiastisch, denn Links bekannter stoischer Gesichtsausdruck wurde von einem Lächeln durchbrochen. Er sah zu Boden. Als würde er versuchen es vor ihr zu verbergen. Dabei hatte Zelda an seinem Lächeln rein gar nichts auszusetzen. Nicht einmal, wenn es auf ihre Kosten ging. Link nickte schweigen, aber Zelda konnte sehen, dass er immer noch lächelte, als er auf den Orni zu ging, sie ein paar Schritte hinter ihm.   Er bedeutete ihr mit ein wenig Abstand stehen zu bleiben, wahrscheinlich, damit der Orni nicht durch das plötzliche Auftauchen gleich zwei Hylianer erschreckt werden würde. Er kniete neben dem träge zu ihm auf blinzelnden Orni nieder und begann auf ihn einzureden. Kurze Zeit später nickte der Orni. Etwas Rotes, Kleines wechselte die Besitzer, dann erhob sich der Bote mit rauschendem Gefieder in die Lüfte.   Als Link zurückkam, betrachtete er sie erneut mit diesem suchenden Blick. Er zog die Augen zusammen, als sei er mit dem Anblick ganz und gar nicht zufrieden. „Ihr solltet ausruhen“, sagte er, bevor Zelda nach dem Ursprung seines Missfallens fragen konnte. „Aber Ihr könnt nicht hierbleiben“, fügte er hinzu. Sie starrte ihn an. Wahrscheinlich immer noch mit den großen Augen eines Kindes, das zum ersten Mal sieht, wie die Sonne über dem Meer untergeht. Doch das war ihr egal. Er war hier. Sie war am Leben. Seinetwegen. „Meint Ihr, Ihr schafft den Weg zur Stadt zurück?“ Zelda brauchte eine Weile, um die Frage zu verarbeiten. Wahrscheinlich befand sie sich immer noch in einer Art Schockstarre. Sie drehte sich in Richtung der Stadt. Der Sonnenstand sagte ihr, dass der Mittagspunkt bereits verstrichen war. Genug Zeit also, um vor Einbruch der Dunkelheit dort zu sein. Sie sah zurück zu Link. „Nicht auf einer Sandrobbe“, antwortete sie wahrheitsgemäß. Zu Fuß, in langsamem Tempo, würde sie es schaffen. Aber nicht, wenn sie sich auf einem Schild halten und gleichzeitig an ein, den Sand durchpflügendes Tier klammern musste. Link betrachtete ebenfalls die Umrisse der in der Ferne sichtbaren Stadt. Dann schüttelte er den Kopf. „Zu lange“, meinte er. Zelda betrachtete ihn fragend. Wie sollten sie dann nach Gerudo Stadt gelangen? „Kommt“, sagte Link schließlich und wies mit dem Arm in Richtung Stadt. Zelda setzte sich ohne zu zögern in Bewegung. Etwas Mächtiges hatte die bisherige Rollenverteilung zwischen ihnen aufgebrochen. Sie würde ihn nicht in Frage stellen. Nie wieder.   Als sie aus dem Schutz des natürlichen Steinwalls in die offene Wüste traten, bedeutete Link ihr erneut stehen zu bleiben. Er hielt sich einen Finger an die Lippen, eine Aufforderung an sie sich still zu verhalten. Dann, als Zelda noch fragend die Brauen hob, ging er auch schon in die Hocke und begann sich schleichend davon zu bewegen. Ihr irritierter Blick verfolgte seine Gestalt bis zu einem Dünental, in dem eine, halb im Sand vergrabene Robbe träge mit der Flosse schlug. Ihre Lippen öffneten sich, als sie irritiert Luft einsog. Vielleicht sollte sie die Entscheidung Link von nun an nicht mehr infrage zu stellen, noch einmal überdenken. Sie hatte doch gesagt, dass sie es mit einer Sandrobbe nicht schaffen würde.   Als Link das Tier erreichte und es mit einem, magisch in seinen Händen auftauchenden Seil einfing, stoppte sich Zelda in ihrem Gedankengang. Wenn Link der Meinung war, dass es nötig war, so schnell wie möglich zu Stadt zu gelangen, würde sie seinem Urteil vertrauen. Auch wenn es hieß, dass sie die Zähne zusammenbeißen musste. Sie würde das schon irgendwie schaffen.   Link beförderte einen riesenhaften Schild aus der winzigen Tasche an seinem Gürtel hervor. Zelda dachte kurz daran, dass sie unbedingt wissen musste, wie er all diese Ausrüstungsgegenstände dort verstaute. Dann beobachtete sie perplex, wie er das Schild auf den sandigen Boden warf und gleichzeitig die Robbe antrieb. Das Tier setzte sich mit einem komischen Geräusch in Bewegung, über das Zelda vielleicht gelacht hätte, wenn ihr auch nur ein bisschen danach zumute gewesen wäre. Gerade fiel ihr auf, dass Link nur eine einzige Sandrobbe eingefangen hatte, als er sie auch schon in einem eleganten Halbkreis um Zelda herum gesteuert hatte und neben ihr zum Stillstand brachte. Er streckte den linken Arm in ihre Richtung aus und winkte sie, näherzukommen. Zelda folgte der Aufforderung zögerlich. Was hatte er vor? Hatte er die Robbe für sie gefangen? Wollte er ihr hinterher rennen, während sie das Tier steuerte? Sobald sie sich in seiner Reichweite befand, fasste Link sie am Handgelenk und zog sie sanft in den schützenden Winkel, den sein rechter Arm mit seinem Körper formte. Wie bestimmt seine Bewegungen trotz aller Vorsicht waren, wurde klar, als Zelda sich sofort versuchte loszumachen. Sein linker Arm umfing sie und drückte sie nach hinten, an seine Brust. Sie zappelte, um Gleichgewicht bemüht. Und um Fassung. Das Blut schoss ihr in die Wangen. Sie hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit. „Was?“, keuchte sie, irritiert und nervös zugleich. „Zu Fuß sind wir zu langsam und Ihr müsst so schnell wie möglich hier weg“, sagte Link hinter ihr und Zelda erstarrte, weil sie seine Stimme so dicht an ihrem Ohr hören und an ihrem Rücken spüren konnte, während sie durch seine Brust resonierte. Wenn ihre Wangen vorher gut durchblutet gewesen waren, so glühten sie jetzt regelrecht. Sie war froh, dass er sie nicht sehen konnte. Nie war sie jemandem so nah gewesen. Und nun war dieser jemand Link. Link! Wie viel sich doch in so kurzer Zeit ändern konnte. „Aber-“ begann Zelda, nicht wirklich schlüssig, was sie eigentlich sagen wollte. Aber Link unterbrach sie, bevor sie sich blamieren konnte. „Ich werde Euch halten“, versicherte er mit leiser Stimme. Zelda spürte, wie er tief durchatmete. Fühlte seinen Herzschlag, der ihr an den Rücken klopfte. Langsam. Stetig. Beruhigend. Dennoch konnte sie sich nicht entspannen. „Vertraut mir“, sagte er noch leiser. Die Bitte so unsicher, dass es ihr einen Stich versetzte. Gern hätte sie ihm gesagt, dass sie nicht glaubte, dass es hier um Vertrauen ging. Bei der Göttin. Sie konnte seine Hüften spüren. Seine Hüften! Nie wieder würde sie ihm in die Augen sehen können. Dennoch nickte Zelda. Schnell. Dann spannte sich Links Arm über ihrem Oberkörper und sie presste die Augen so fest aufeinander, wie sie nur konnte. Die sichtbare Welt auszusperren half ein wenig. Nicht zu sehen, dass ein anderer Arm sich um ihren Körper schlang. Mit einem Schnalzen trieb Link die Robbe an. Nicht besonders schnell, aber die Trägheit des Starts reichte aus, um sie noch näher an ihn zu pressen. Insofern das denn möglich war. Sofort wurde Zelda klar, dass die Augen zu schließen doch nicht der beste Weg war, dieser Situation Ignoranz beizumessen. Ohne visuelle Ablenkung schien sich ihre Wahrnehmung nun stärker auf die nicht ausgesperrten Sinne zu stürzen. Sie hörte seinen Atem. Hörte den Fahrtwind vorbeirauschen. Hörte den Sand unter dem Schild hinweggleiten. Die Geräusche die die Sandrobbe ausstieß. Und sie fühlte … sie fühlte Links Herzschlag. Jetzt schneller, wahrscheinlich durch die Anstrengung zwei, anstatt nur einen Körper auf dem Schild balancieren, nicht nur sein, sondern auch Zeldas Gewicht halten zu müssen. Sie fühlte, wie der Wind sein Haar an ihr Gesicht wehte. Spürte die stetige Kraft seiner Arme, die Elastizität seines Körpers, der die Wellen und Sprüngen der Fahrt weich abfederte. Sie roch den metallenen Geruch des Schwertes. Das Leder seiner Ausrüstung. Sie roch Schweiß und Mann. So anders als der Geruch ihres Vaters. Sie roch Link. Zelda riss die Augen auf. Schnappte nach Luft. Und bekam prompt Sand in den Mund. Sie war vollkommen verwirrt. Vollkommen und restlos verwirrt. Um Fassung bemüht, versuchte sie das Husten zu unterdrücken. Es gelang ihr ganz gut. Bis sie erneut hektisch einatmete. Dann brach die explosive Auswurffähigkeit ihres Körpers sich mit aller Gewalt ihren Weg frei. Zelda begann zu keuchen. Dann zu husten. Link stoppte beinahe augenblicklich. Sie stolperte von dem Schild herunter, als sein Arm sie freigab, und ließ sich auf alle Vieren fallen. Holte immer wieder pfeifend Luft, während immer neue Spasmen ihren Körper schüttelten.   Nach einer Weile ließ der Reiz nach und Zelda setzte sich nach hinten auf ihre Unterschenkel. Link hockte neben ihr, eine Feldflasche in der Hand. „Danke“, sagte sie japsend und griff nach der Flasche. Verschluckte sich dabei, als sie gierig trank. Nicht nur der Wüstensand hatte ihre Kehle ausgetrocknet. Es stellte sich heraus, dass es durstig machte, beinahe umgebracht zu werden. Sie musste erneut husten. Link nahm ihr die Flasche aus der Hand. „Langsam“, sagte er unnötigerweise, aber Zelda wusste es dennoch zu schätzen. Sie nickte, schüttelte dann den Kopf und lachte. Hustete erneut, lachte dann wieder. „Das ist ..., es ist ...“ Weiter kam sie nicht, als ein neuer Hustenanfall sie durchfuhr. „Das ist doch einfach lächerlich“, brachte sie den Satz keuchend zu Ende und schnappte sich wieder die Wasserflasche. Sollte sie hier am Sand ersticken, kurz, nachdem sie so spektakulär gerettet worden war, würde sie das der Göttin nie verzeihen. Sie trank gierig, aber in kleinen, vorsichtigen Schlucken. Als sie Link die Flasche zurück gab, sah sie, dass er lächelte. Ein ehrliches, amüsiertes Lächeln, das seine Augen erreichte und die Haut dort in kleine Falten warf. Zelda fühlte, wie ihr eigenes Lächeln bei dem Anblick verschwand. Und damit auch Links. Der sie nun besorgt musterte. Wie gern hätte Zelda seine Mundwinkel festgehalten. Wieder hinauf gezogen. Was natürlich absolut unangebracht war. Es war, als hätte die Summe all ihrer Gefühle Link gegenüber mit einem Mal ein anderes Vorzeichen bekommen. Zelda wusste nicht einmal ansatzweise, wo sie beginnen sollte diese neuen Empfindungen ihm gegenüber zu katalogisieren. Da war Dankbarkeit. Jede Menge Dankbarkeit. Und Bewunderung. Es tat nun nicht mehr so weh, das zuzugeben. Und Faszination. Und … so viel anderes, für das sie keinen Namen hatte. Zelda wusste nicht mal, ob überhaupt Namen dafür existierten. „Geht es wieder?“, fragte Link und Zelda nickte. Sie sah auf. Und runzelte die Stirn. „Wo ist die Sandrobbe?“ Link zuckte mit den Schultern. Also waren sie zurück bei den minimalistischen Antworten? „Sie ist weg?“, fragte Zelda und ein seltsames Gemisch aus Enttäuschung und Erleichterung breitete sich in ihr aus. Link nickte. Sie sah sich um. Die Stadtmauern waren nur noch einige Hundert Schritte entfernt. „Oh“, meinte Zelda. „Wir sind da.“ Anstatt das Offensichtliche zu bestätigen, erhob sich Link. Bot ihr wieder seine Hand an und dieses Mal ergriff Zelda sie, ohne zu zögern.   Sie legten das letzte Wegstück zu Fuß zurück. Nebeneinander. Zelda war nicht unglücklich darüber, dass niemand gesehen hatte, wie nah sie Link auf dem Schild gekommen war. Auch wenn sie nicht wusste, was irgendjemand daran hätte finden können. Außerdem war nicht so, dass es irgendjemand kommentiert hätte. Vielleicht war sie einfach nur froh, dass es Zelda ein wenig Zeit zum Nachdenken gab. Ohne an die Brust ihres Leibwächters gepresst zu sein. Was beim Nachdenken augenscheinlich nicht wirklich half. So sehr sie sich auch den Kopf zermarterte, ihr wollten keine passenden Worte einfallen. Und so gingen sie stumm nebeneinander her. Link schien zufrieden damit, ihre bisherige Kommunikationsebene wieder gefunden zu haben. Aber nun da Zelda wusste, dass er sehr wohl sprechen konnte, war sie ganz und gar nicht glücklich damit. Dennoch. So viel stand zwischen ihnen. So viel war geschehen. So kurz vor den Stadtmauern schien es ihr nicht passend, ihn darauf anzusprechen. Belanglos vor sich hin zu plappern allerdings auch nicht. Nicht nach dem, was er heute für sie getan hatte.   Link blieb einige Schritte vor dem Tor stehen. Zelda stoppte ebenfalls. Kurz war sie irritiert. Dann fiel es ihr wieder ein. „Du kommst nicht mit?!“ Bei Links kurzem amüsierten Lächeln erkannte sie plötzlich ihren Fehler. „Oh“, meinte sie. Link hob nur die Schultern. Sie schüttelte den Kopf. „Das ist nicht richtig.“ Und das war es nicht. Es war nicht richtig, dass sie einfach in die Stadt spazierte. Mit seinen Kissen und im Wind wehenden Vorhängen. Den exotischen Speisen und den Wasserspielen. Während er hier draußen in der Wüstenkälte auf sie wartete wie ein Hund, den man draußen angebunden hatte. Zelda starrte die grimmig dreinblickenden Torwächterinnen an, als wäre es deren Schuld, dass Link die Stadt nicht betreten durfte. Was zu gewissen Teilen auch der Fall war. Aber natürlich sorgten die Kriegerinnen nur dafür, dass die Regel ausgeführt wurde. Sie hatten sie nicht gemacht. „Ich werde mit Urbosa sprechen“, beschloss Zelda. Gerade gestern noch hatte sie Gerudo Stadt für ihre besonderen Gesetze als Paradies bezeichnet. Jetzt kam es ihr unfair und überholt vor. Eine Regel die dafür gemacht war, sie zu brechen. Gerade wollte sie das Gesagte in die Tat umsetzen und Urbosa suchen gehen, da stoppte sie seine Stimme. „Nein.“ Als sich Zelda zu ihm umdrehte, sah sie, dass er den Kopf schüttelte. „Ruht Euch aus, Prinzessin.“ Wieder lächelte er. Wie hatte sie ihn jemals für emotionslos halten können? Wie, wenn da so eine Wärme in diesen blauen Augen glänzte. Er war mehr als nur der Junge mit dem Schwert. Er war Link. Mit einer Persönlichkeit. Gedanken und Gefühlen.   „Ich werde hier draußen auf Euch warten.“ Das bekannte schlechte Gewissen machte sich wieder bemerkbar. Gestern noch hatte sie sich keinen Glutling darum geschert, wo er die Nacht verbrachte. Hatte ihn weit, weit weg gewähnt. Darauf gehofft. „Das ist nicht richtig“, wiederholte Zelda leise. Die Vehemenz, mit der sie diese Ungerechtigkeit spürte, sollte sie überraschen. Stattdessen war da einfach ein Gefühl von Richtigkeit. „Geht hinein“, sagte Link. Immer noch lächelnd. Zelda seufzte. Bewegte sich jedoch nicht. „Geht!“, betonte Link nachdrücklich und wies in Richtung des Tores. Langsam machte sie einen Schritt nach vorne. Dann noch einen. Sah immer wieder über ihre Schulter zurück. Er bewegte sich nicht. Sah ihr stumm hinterher. Mit dem Schwertknauf über der rechten Schulter, dem blonden, zerzausten Haar. Der leuchtend blauen Tunika. Der Auserwählte des Bannschwertes. Der Held Hyrules. Ihr Leibwächter. Link. Würde ich jetziges Ich in die Vergangenheit reisen und ihrem gestrigen Ich mitteilen, wie anders sie heute bei seinem Anblick empfinden würde, dann hätte sie laut gelacht. Heute hatte sie das Gefühl, dass sie nie in ihrem Leben etwas weniger komisch gefunden hatte.   Am Tor angekommen, sah sie ein letztes Mal zurück. Er war immer noch da. Warme Gewissheit erfüllt sie plötzlich. Gewissheit, dass er da sein würde. Immer, wenn sie brauchte. Das hatte er heute bewiesen. Zelda war in all ihren sechzehn Jahren nie für etwas dankbarer gewesen.   Sie hob die Hand und winkte, bevor sie sich daran hindern konnte. Eine kindliche Geste, die er vielleicht albern finden würde. Einen furchtbaren Moment geschah nichts, dann hob Link ebenfalls den Arm. Ein plötzliches Lächeln formte sich auf ihrem Gesicht. Ein Lächeln, das ihren ganzen Körper zu erfüllen schien. Und bevor er es sehen konnte, duckte sie sich in den Schatten des Durchgangs.     *   Urbosas Predigt fiel kürzer aus als erwartet. Zelda ertrug sie ohne ein Widerwort. Die schlimmste Strafe hatte sie bereits erhalten: absolute Todesangst. Knapp erzählte Zelda ihr von den Geschehnissen. Beschönigte ihre Achtlosigkeit nicht. Machte deutlich, dass ihr bewusst war, die dumm und gefährlich ihr Verhalten gewesen war. Als sie von Links Auftauchen erzählte, glättet sich Urbosas zornige Miene ein wenig. Und am Ende schien sie einfach nur froh zu sein, dass Zelda nichts zu gestoßen war.   „Tja“, meinte sie. „Ein Glück um seine schnellen kleinen Füße.“ Und mit einem letzten Blick auf Zelda: „Und um dieses Schwert“, wiederholte sie Zeldas abfälligen Satz vom Vortag. Sie zog eine Augenbraue hoch, aber Zelda nickte nur. Dem gab es nichts hinzuzufügen. Zelda seufzte und starrte die Wand an. Danach sagte Urbosa kein Wort mehr zu den Geschehnissen. Sie schickte Zelda mit zwei Zofen zum Baden und bereitete ihr dann eigenhändig eine Mahlzeit zu. Sie wich erst von ihrer Seite, als die Sonne untergegangen war und Zelda sich vor Erschöpfung nicht mehr auf den Beinen halten konnte.   „Er hat mir das Leben gerettet“, sagte Zelda, als sie zwischen den Kissen versank. Hier, in der Ruhe des Schlafgemachs, in der Dunkelheit, kamen die Ereignisse angeflogen wie Sternschnuppen in einer Winternacht. „Ich weiß“, seufzte Urbosa und klang dabei unendlich ernst. „Wie es seine Aufgabe ist“, fügte sie hinzu. Und auch wenn es der Wahrheit entsprach, so reichten die Worte, damit Zelda sich noch einmal aufsetzte. „Er hat mich gerettet. Er hat … niemand hat je ... er war einfach da, Urbosa. Ich habe gebetet, dass er da wäre und dann war er es auf einmal.“ Zelda starrte ins Leere. Nach einer kurzen Verschnaufpause der Gefühle, brach nun alles so schnell über ihr herein, dass sie nicht wusste, was sie zuerst fühlen sollte. „Ich war … ich war so … ich war nicht einmal höflich zu ihm. Ich war absolut schrecklich. Und er hat mich trotzdem gerettet.“ Genau genommen war es nicht einmal das erste Mal. Fassungslos starrte sie Urbosa an. Wartete auf eine Antwort. „Und er wird es wieder tun, wenn er muss“, antwortete Urbosa nachdrücklich. „Er braucht dich ebenso lebendig, wie du ihn brauchst. Du verstehst das doch, oder? “ Ausdruckslos sah Zelda zu Urbosa hinauf. Brachte sie dazu, weiter auszuholen. „Ihr seid durch das Schicksal aneinander gebunden. Er lebt, um dafür zu sorgen, dass du die Verheerung versiegeln kannst, sollte es jemals dazu kommen. Er lebt, um dich zu beschützen. Er versteht das.“ Urbosa bedachte sie mit einem seltsamen Blick. „Verstehst du das auch, Zelda?“, fragte sie leise. Zelda senkte den Kopf. Nein, sie hatte es bisher nicht verstanden. Aber sie begann, es zu verstehen. Urbosa tätschelte ihr den Arm. [LEFT]„Also, um Euer beider Willen, hör auf es schwerer für ihn zu machen, als es ohnehin ist, ja? Er ist einguter Junge, glaub mir.“[/LEFT] Zelda sah auf. Nickte schwach. Auf einmal taub für jedes weitere Gefühl. Als hätte ihr Geist sich ab einer bestimmten Menge an Emotionen undurchlässig gemacht, um sie davor zu schützen, davon im Flammen aufzugehen.   Der Ausdruck auf ihrem Gesicht ließ Urbosa innehalten. Sie beugte sich hinab und musterte Zelda eindringlich. Dann lächelte sie.   „Huh. Das war es also, ja?“ Zelda blinzelte. „Was?“ „Ich hätte mir denken können, dass du für Märchen empfänglich bist.“ Bevor Zelda ihr sagen konnte, dass das was sie sagte, absolut keinen Sinn ergab, lachte Urbosa und richtete sich wieder auf. „Ruh dich aus, kleiner Vogel. Du hattest einen harten Tag.“ Mit diesen Worten ließ sie Zelda allein. Mit ihrer Verwirrung, einer Nahtoderfahrung und so vielem, was sie unmöglich verstehen konnte.   In der Hoffnung ein wenig Klarheit zu erhalten, kramte Zelda in ihrer verdreckten Kleidung nach ihrer Tasche. Und nach ihrem Tagebuch.   Ich weiß nicht, wie ich die heutigen Ereignisse niederschreiben soll. Welche Worte drücken nur meine Gefühle aus? Er hat mich gerettet. Er hat mich vor den Klingen der Yiga beschützt. Obwohl ich mich ihm gegenüber immer so kühl verhalte und immer meine Launen an ihm auslasse. Morgen werde ich für mein Verhalten um Entschuldigung bitten. Ich werde mit ihm reden … mit Link. Einfach reden.   Kapitel 8: Kapitel 8 -------------------- Die Yiga.   Die Erinnerung an den vorherigen Tag lähmte Zelda, als die ersten Strahlen der Morgensonne sie am nächsten Tag weckten. Sanfte Wärme strich ihr über die Stirn, erhellte die Dunkelheit hinter ihren Lidern und langsam öffnete sie die Augen. Staub und feiner Sand wirbelten in dem Mosaik aus Licht, das in den Raum hinein fiel. Zelda drehte leicht den Kopf und starrte auf die Wand aus hellem Sandstein. Beobachtete das Muster der Sonnenstrahlen, die langsam, oh so langsam, größer wurde. Sich geruhsam, aber stetig ausbreitete. Ihre Hand, neben ihrem Kopf ausgestreckt, bewegte sich bedächtig über die samtigen Kissen, kam in ihrem Blickfeld zum Liegen. Eine Trägheit erfüllte Zeldas Knochen und nur langsam fand sie aus ihren Träumen in die Realität zurück. Erinnerte sich daran, was gestern geschehen war. Fühlte die Angst, die Erleichterung, die Verwirrung.   Link. Er hatte sie gerettet. Auch wenn ihr Liegen hier der lebende Beweis war – im wahrsten Sinne des Wortes lebend – konnte sie es immer noch nicht ganz greifen.   Unwillkürlich begann Zelda, zu beten. Ohne ihre weiße Robe. Ohne gefaltete Hände. Ohne respektvolle Haltung auf den Knien. Hier, in dem beginnenden Morgen, in der Stille der sterbenden Nacht, betete Zelda mit einer Inbrunst, die sie selten gefühlt hatte.   Hylia. Ich danke dir. In größter Not hast du mir einen Retter geschickt. Ich lebe. Seinetwegen. Deinetwegen. Ich bin dir doch nicht egal. Ich schwöre dir, ich werde nicht aufgeben. Ich habe verstanden. Ich bin deine Dienerin. Und ich werde dienen. Wenn du mich lässt.   Langsam, ganz langsam richtete Zelda sich auf. Sie befand sich in einer kleinen Nebenkammer von Urbosas Schlafgemach. Ein Raum, der vielleicht für ein Kind, die Thronfolgerin angelegt war. Urbosa mit einem Kind. Der Gedanke war gleichzeitig schön und unendlich traurig. Wann würde das Schicksal dieser wunderbaren Frau Raum für das eigene Leben geben. Existierte überhaupt ein Mann, ein Vooi, der ihrer würdig wäre? Kurz flackerte Link in Zeldas Gedanken auf. Erschrocken verscheuchte sie das Bild. Davon abgesehen, dass ihr Leibwächter viel zu jung für eine Frau wie Urbosa war, verstörte es Zelda zutiefst Link mit Heirat und … Frauen in Zusammenhang zu bringen. Zelda hatte immer noch Schwierigkeiten den Link vom gestrigen Tag mit dem in Einklang zu bringen, der sich ihr in den letzten zwei Monaten gezeigt hatte. Den sie ihn ihm gesehen hatte. Und nun dachte sie an … so etwas. Zelda schüttelte sich.   „Oh“, machte eine Stimme hinter ihr und Zelda drehte sich herum. Eine junge Gerudo stand im Eingang, hielt den Vorhang hoch, der dort hing und für Privatsphäre sorgte. Sie war kleiner als die ausgewachsenen Frauen der Wüste, aber deutlich älter als die Kinder, die am Nachmittag in den Wasserbecken auf den großen Platz planschten. Zelda schätzte sie intuitiv auf ein paar Jahre jünger als sich selbst. Eine rote Haarpracht, Urbosas nicht ganz unähnlich, floss ihr ungebändigt über die Schulter. Wie fast alle Gerudo besaß sie eine wilde, kraftvolle Schönheit, um die Zelda sie augenblicklich beneidete. Dennoch lächelte sie zur Begrüßung und legte die Hände in den Schoß, auf die Decke, die sich dort zu einem kleinen Berg faltete. „Ich wusste nicht, dass Ihr schon wach seid. Königin Urbosa meinte, dass ihr länger schlafen würdet“, sprudelte das Mädchen hervor, stoppte dann abrupt, als würde sie sich bremsen müssen. Zeldas Lächeln wurde breiter. „Das ist schon in Ordnung ...“ Sie hob ihre Stimme an Ende des Satzes. „Rijuuna“, antwortete die Gerudo auf die implizierte Frage. Der Vorhang klimperte in seiner Aufhängung, als sie ihn noch fester griff. „Ich bin die Tochter der Kommandantin, ich helfe bei Angelegenheiten der Krone.“ Zelda nickte. „Also, Rijuuna, was führt dich hierher, wenn du mich nicht wecken sollst.“ „Eure Kleidung“, antwortete das Mädchen. Sie blinzelte ein wenig durch den Raum, wahrscheinlich auf der Suche nach Besagten. „Oh“, meinte Zelda und drehte den Kopf, zu Hose und Tunika, die neben ihr auf einem unglücklichen Haufen lagen. „Ich soll sie zur Reinigung bringen lassen“, meinte Rijuuna. Ihre Finger bewegten sich rhythmisch in dem Stoff. Zelda lächelte. „Das ist sehr freundlich von dir.“ Das schien das Mädchen zu beruhigen, denn sie ließ den malträtierten Vorhang sinken und kam vorsichtig näher. „Was meinst du, wie lange wird das dauern?“ Rijuuna hatte sich nach den Kleidungsstücken gebückt. Sie folgte Zeldas Blick. „Oh“, meinte sie. „Eine Weile“, sagte sie mit tiefer Überzeugung. Zelda seufze. Tunika und Hose waren ziemlich verdreckt. Von ihren Handschuhen nicht zu sprechen. „Nicht, dass es keine schönen Stücke sind, Euer Hoheit. Sie sind von ausgesprochen feiner Qualität. Und garantiert tragt Ihr keine Schuld an ihrem Zustand“, beeilte sich Rijuuna zu sagen. Sie macht Anstalten die Kleidung hinter ihrem Rücken zu verstecken. Mit großen Augen blinzelte zu Zelda hinunter. Wie ein aufgeschrecktes Reh. Zelda begann zu lachen. Es tat ein wenig weh. Anscheinend hatte die Entspannung des Schlafes doch einige Wehwehchen aufgedeckt, die die Nachbeben des gestrigen Schreckens am Vorabend verborgen hatten. Aber das hielt sie nicht davon ab, sich über Rijuunas sympathische Aufregung zu amüsieren. „Es ist nicht nötig, so diplomatisch zu sein. Sag es geradeheraus: sie sind abscheulich dreckig“, fasste Zelda zusammen, was Rijuuna so gekonnt zu umschiffen versuchte. Und brachte das Mädchen dazu, sie mit offenem Mund anzustarren. „Ich möchte nur wissen, wie schnell man sie in ihren Originalzustand versetzen kann. Ich würde gerne heute noch abreisen.“ Rijuuna blinzelte. „Ich schätze bis zu Mittag. Vielleicht sogar eher. Je nach Sonnenstärke.“ Zelda nickte und lächelte. „Wunderbar. Könnte ich dich um ein Frühstück bemühen? Aus den seltsamsten Gründen bin ich ziemlich hungrig.“ Rijuuna nickte scheu, dann lächelte auch sie. „Natürlich, Prinzessin. Ich werde jemanden zu Euch schicken.“ „Danke“, sagte Zelda. „Das hilft mir wirklich sehr.“   Nachdem das Mädchen wieder hinter dem Vorhang verschwunden war, stand Zelda auf. Sie benutzte den Nachttopf und wickelte sich dann in ihre Decke. Sie trug nur ein dünnes Hemdchen, das zwar kunstvoll bestickt war, aber gegen die noch kühle Luft wenig Schutz bot. Aus einer bereitgestellten Karaffe trank sie durstig, ohne sich darum zu kümmern das Wasser in den dazugehörigen Becher zu schütten. Sie goss ein wenig davon in eine Waschschüssel und spritzte sich den restlichen Schlaf aus ihrem Gesicht. Sie war von einer freudigen Ruhe erfüllt, die nicht so recht zu den Ereignissen des letzten Tages passen wollte. Und dennoch … Der Gedanke an die Rückreise brachte ihr nicht die bekannte Anspannung. Nicht dasselbe drückende Gefühl, die schwelende Wut, die ihr sonst schon während der frühen Morgenstunden die Stirn runzelte. Sie dachte an die Worte, die sie ihrem Tagebuch vor dem Einschlafen anvertraut hatte, und fühlte eine seltsame Leichtigkeit. Vermischt mit freudiger Erwartung.   Ich werde mit ihm reden. Mit Link. Einfach reden.   Wenn er es zu lassen würde.   Zelda wickelte die Decke ein wenig enger um sich und nahm auf einem Stuhl platz. Sie überschlug die Beine und starrte in den Raum hinein. Wenige Augenblicke später wurde ihr Wunsch von einem reichhaltigen Frühstück erfüllt, das die zwei Zofen hereintrugen, die Zelda am Abend zuvor beim Baden geholfen hatten. Urbosa begleitete sie, ein warmes Lächeln auf den Lippen. Sie schwieg, während die Frauen Platten und Gedecke auf einem Tisch abstellten und dann schnell davon huschten. Urbosa dankte ihnen mit einer Armbewegung. „Du wirkst ausgeruht, kleiner Vogel.“ Zelda lächelte und neigte den Kopf. Ihr Haar rutschte über ihre Schulter und kitzelte dort nackte Haut. Sie würde nach einer Bürste fragen müssen. Wahrscheinlich sah sie aus wie ein gerupftes Huhn. Der Gedanke amüsierte sie. „Entspannung nach Selbsterkenntnis. Wahrscheinlich passiert das, wenn man dem Tod so nahe kommt.“ Urbosa Miene verdunkelte sich bei diesen Worten. „Darüber solltest du keine Scherze machen“, mahnte sie und nahm an dem Tisch platz, den ihre Zofen gerade gedeckt hatten. Anscheinend hatte sie vor, mit Zelda zu frühstücken. Zelda zuckte mit den Schultern, konnte ihr Lächeln aber nicht unterdrücken. Sie wusste selbst nicht, wo diese neue, verzeihungsfreudige Selbstironie herkam. Wahrscheinlich hatte ihr Nahtod sie tatsächlich ein wenig durchgeschüttelt. „Das ist mir lieber als mir nachträglich in die Hose zu machen“, meinte Zelda und erhob sich, um eben falls am Tisch platz zu nehmen. Urbosa bedachte sie mit einem nachdenklichen Blick. Dann seufzte sie ergeben und begann sich von Früchten und Pasteten aufzutun, deren fantastischer Geruch Zeldas Appetit nur noch steigerten. „Jemand hat mir gezwitschert, dass du uns heute verlassen willst“, sagte Urbosa, während sie sich einen Becher mit einer goldenen Flüssigkeit füllte, die Zelda interessiert beäugte. Es sah aus wie eine Art Saft. „Hm“, antwortete Zelda unverbindlich und griff nach einer Pastete. Sie stockte kurz, dann legte sie noch zwei davon auf ihren Teller. „Das kommt drauf an, ob meine Hose bis dahin trocken sein wird.“ Urbosa hob eine Augenbraue. Zelda lächelte. Sie wusste selbst nicht, was der Ursprung dieser seltsamen Albernheit war. Vielleicht hatte sie recht und es war wirklich ein Versuch die Geschehnisse des gestrigen Tages weniger ernst, weniger gefährlich erscheinen zu lassen. „Lass deine Hose mal meine Sorge sein“, sagte Urbosa und leckte sich den Saft einer aufgebrochenen Wildbeere vom Zeigefinger. Zelda kicherte. Urbosa lächelte und für eine Weile aßen sie schweigend. Nicht dass Zelda Kapazität für Konversation gehabt hätte. Sie war zu beschäftigt die exotischen Leckereien in sich hinein zuschaufeln. Für gewöhnlich war sie ein eher sparsamer Esser. Immer darauf bedacht, Würde und Eleganz zu wahren, dem Bild einer Prinzessin gerecht zu werden. Nicht so an diesem Morgen. Amüsierte Blicke trafen sie aus Urbosas Richtung, doch Zelda ignorierte sie. Erst als sie keinen Bissen mehr essen konnte, war sie zufrieden. „Nun“, meinte Urbosa nach einer Weile – ihr Mahl war schon seit einiger Zeit beendet, „je früher du hier verschwindest, desto besser.“ Sie zog eine elegante Augenbraue in die Höhe. „Sonst sind unsere Vorratskeller schneller leer, als ich gucken kann.“ Zelda verdrehte die Augen. „Und wer übertreibt jetzt?“, fragte sie, worauf Urbosa lächelte. „Ich jedenfalls nicht“, antwortete sie . „Und jetzt komm“, sagte sie und erhob sich. Deutete Zelda ihr zu folgen. „In meiner Unterwäsche?“ Urbosa zuckte mit den Schultern und stellte eine Hand an ihre Hüfte. „Nichts weswegen du dich hier schämen müsstest.“ Sie ging mit wiegenden Schritten Richtung des Türdurchgangs. Sah über die Schulter als Zelda keine Anstalten machte sich zu erheben. „Möchtest du hier etwa alleine herumsitzen? Von meinem Gemach aus hast du wenigstens einen Blick über die Stadt. Und die Möglichkeit die Füße ins Wasser zu halten.“ Nun, das stimmte. Die wundervoll vertäfelten Wasserleitungen verliefen direkt an dem angrenzenden Raum entlang. Ebenso wie die kunstvollen Wasserfälle, die immer für eine zauberhafte Geräuschkulisse sorgten. Zögernd stand Zelda auf. Klemmte die Decke fester mit den Armen an ihrem Oberkörper fest. Folgte Urbosa auf nackten Füßen und versuchte deren Glucksen zu ignorieren. Vielleicht wurde man in ständiger Gesellschaft von Frauen tatsächlich etwas schamlos. Aber Zelda war von klein auf mit strengen Regeln für Erscheinung und Verhalten aufgewachsen. Wie entspannt die Gerudo mit Körperlichkeit umgingen, konnte man an deren freizügiger Kleidungsart sehen. Vielleicht war das nicht nur wegen des Klimas, sondern weil die Frauen hier sich einfach gern zeigten. Zelda betrat Urbosas Gemach. Mit seinem großen Bett in der Mitte des Raumes, dem Altar dahinter. Dem wundervollen Ausblick. Auf die Oase. Zelda schluckte. Nun wurde ihr doch ein wenig mulmig. Urbosa betrachtete sie wortlos. Schien zu wissen, was Zelda bei dem Anblick empfand. Der leise Verdacht beschlich sie, dass sie genau aus diesem Grund aus ihrem Verstecke hervorgelockt worden war. Ähnlich hatte es ihr Reitlehrer gemacht, wann immer sie vom Pferd gefallen war. „Wie fühlst du dich?“, fragte Urbosa leise. Mitfühlend. Zeldas Blick flackerte zu ihr hinüber. Dann wieder in die Ferne. Zu dem Ort, der beinahe zu ihrem Verhängnis geworden war. „Ganz gut“, antwortete sie mit einem kleinen Zittern in der Stimme. „Aber später vielleicht nicht mehr.“ Sie sah erneut hinüber zu Urbosa. „Wenn ich dort vorbei muss.“ Der Weg führte nun mal durch die Oase. Und sie hatte Storm am Eingang zur Schlucht zurückgelassen. Urbosa wandte ihr den Rücken zu, lehnte sich an einen Bettpfosten. „Ich denke nicht, dass du dir darum Gedanken machen musst.“ Zelda kam einen Schritt näher. „Was meinst du?“ Urbosa sah über ihre Schulter. Zeigte Zelda ihr Profil. „Ich werde euch durch die Wüste bringen. Mit Naboris.“ Zelda atmete erleichtert aus. Daran hatte sie gar nicht gedacht. Das war eine großartige Idee. „Danke“, sagte sie leise und trat neben Urbosa, die nun wieder geradeaus sah. Zu dem Ort in der Ferne, an dem Zelda beinahe gestorben wäre.   „Es ist nicht das erste Mal, dass er mich gerettet hat“, durchbrach sie irgendwann die einvernehmliche Stille. Sie verschränkte ihre Hände hinter ihrem Rücken. „Auch dafür habe ich mich nie bei ihm bedankt.“ Urbosa schwieg dazu, drückte aber empathisch Zeldas Schulter. Sie standen eine Weile dort. Sahen hinaus auf die Wüste. Es tat gut. Hier, in Sicherheit, ihren Gedanken nachzugehen. Die Geschehnisse zu verarbeiten. Irgendwann rührte sich Urbosa. „Ich werde deinem Leibwächter eine Nachricht zukommen lassen.“ Zelda schreckte auf. Das hatte sie ganz vergessen. „Oh. Ja! Bitte.“ Sie presste sie Lippen zusammen. Daran würde sie sich gewöhnen müssen. Dabei hatte sie oft an ihn gedacht, an diesem Morgen. Aber nicht daran, wie man sich als braver Schützling zu verhalten hatte. „Das hatte ich-“, begann sie. „Vergessen“, unterbrach Urbosa sie und lachte. „Ja, das hast du.“ Sie streckte die Hand aus und wuschelte ihr durch das Haar. „Keine Sorge, kleiner Vogel. Er wird kaum damit rechnen.“ Sie ging auf die Treppe zu, die hinunter zum Thronsaal führte. Auf halbem Weg sagte sie: „Außerdem hat er seine eigenen Wege herauszufinden, wo du dich aufhältst. Nicht mal das Gesetz kann ihn aufhalten, glaub mir.“ Dann war ihr Kopf verschwunden. Zelda runzelte die Stirn. Was sollte das bedeuten? Er hatte seine eigenen Wege herauszufinden, wo sie sich aufhielt. Das Gesetz konnte ihn nicht aufhalten. Das Gesetz? Was hatten Gesetze damit zu tun?   Ein Gedanke flog wie ein Wolkenfetzen vorüber und zerstreute sich in der Hitze, der durch die Vorhänge fallenden Vormittagssonne, bevor Zelda ihn greifen konnte. Sie trat etwas näher an die Säulen heran, die Urbosas Gemach säumten. Starrte auf den Platz inmitten der Stadt. Beobachtete die bunten Gestalten, die durcheinanderliefen. Kleine Farbkleckse inmitten von hellem Stein. In dem geordneten Chaos stieß ihr die Bewegungslosigkeit einer weiß gekleideten Hylianerin ins Auge, die mit dem Rücken gelehnt neben der Öffnung des Haupttores stand, den Blick in Zeldas Richtung gewandt. Zelda trat noch einen Schritt nach vorne. Fixierte die Gestalt. Etwas an der Haltung kam ihr vage bekannt vor und sie kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können. Nicht, dass es viel brachte. Die Schatten, die Sonnenstrahlen, die Entfernung, die Hitzespiegelungen all das sorgte nicht wirklich für klare Sicht. Zelda seufzte. Natürlich kam ihr die Gestalt bekannt vor. Wahrscheinlich würde ihr jede Hylianerin bekannt vorkommen. Selbst wenn sie so auf traditionelle Gerudo-weise verhüllt war, wie diese hier. Zelda trat hinter die Säule. Sie wusste nicht, ob man sie vom Platz aus sehen konnte. Wahrscheinlich nicht. Ein königliches Gemach, das vom gemeinen Volk eingesehen werden konnte? Es würde nicht wirklich zu ihrer Popularität beitragen, wenn sie sich mit nichts als einer Decke bekleidet vor ganz Gerudo Stadt präsentierte. So erlangte man nicht den Respekt seines Volkes. Zelda seufzte. Wenn es ihr nur möglich wäre, sich diesen Respekt zu verdienen. Das Volk konnte nicht wissen, wie hart sie daran arbeitete, die Siegelkräfte zu erlangen. Für die Bewohner Hyrules zählten nur die Ergebnisse. Und die blieben aus. Seit zehn Jahren. Kein Wunder, dass das Volk das Vertrauen in sie verlor.     Eine Zofe brachte Zeldas saubere und trockene Kleidung, noch bevor die Sonne den Zenit erreichte. Ein wenig enttäuscht bedankte sie sich. Sie hätte sich gern von Rijuuna verabschiedet. Sie hatte selten die Gelegenheit mit Gleichaltrigen zu sprechen. Schnell schlüpfte Zelda in Hose,Tunika und Handschuhe. Sofort überwältigte sie die Hitze. Es war in Ordnung, wenn man die Kleidung die ganze Zeit trug. Aber sie erst am Mittag anzuziehen, während man den halben Tag in Unterwäsche durch die Gegend gesprungen war, kam einer Folter gleich. Zelda stöhnte und versuchte sich Luft in den Ausschnitt zu fächern. Das brachte nur wenig Erleichterung. Sie betrat die Kammer, in der sie geschlafen hatte, um Tasche und Stiefel zu holen. Die Tasche war schnell umgeschnallt, aber den Stiefeln warf sie einen leidvollen Blick zu. Allein bei dem Gedanken fingen ihre Füße an zu schwitzen. Zelda versuchte es zwei Mal. Dann gab sie auf. Mit den Stiefeln in der Hand lief sie hinunter in den Thronsaal. Wo sich Urbosa heftig gestikulierend mit Ekis stritt. Die, wie Zelda nun verstand, wohl Rijuunas Mutter sein musste. Und eine enge Vertraute Urbosas. Denn sonst dürfte wohl niemand die eigene Königin eine dickköpfige Molduga nennen, oder? „Bist du bereit?“, fragte Urbosa, als sie Zelda bemerkte. Sie wies mit ihrem Kinn auf Zeldas Stiefel. „Ja“, antwortete Zelda und ließ die Schuhe fallen. Die Absätze schlugen mit einem hallenden Klicken auf dem Stein auf. „Du hast nicht zufällig noch so einen Kühlungstrank für mich?“ Urbosas Mundwinkel zuckten. Dann drehte sie sich zu Ekis um. Die die Augen verdrehte und dann wortlos ging. Zelda sah ihr verwirrt hinterher. Urbosa machte eine wegwerfende Bewegung. „Lass sie. Sie ist stur wie ein Esel. Nur lauter dabei.“ Sie stemmte die Hand an die Hüfte. „Sie ist nicht begeistert, dass ich Zeit mit Naboris verbringe. Das ist alles.“ „Oh“, machte Zelda wenig eloquent und sah zu Boden. „Ich weiß, was du denkst“, sagte Urbosa. Ihr Finger piekste Zelda in die Schulter. „Und es ist nicht wahr. Es ist nicht deine Schuld.“ Überrascht, dass sie so durchschaubar war, hob Zelda wieder den Kopf. „Aber-“ Urbosa schnitt ihr mit schwungvoller Geste das Wort ab. „Kein aber. Und keine Diskussion. Hier!“ Sie hielt Zelda ein verkorktes Fläschchen mit hellblauer Flüssigkeit entgegen. Die Kälte, die von davon ausging, hatte das Glas mit Eiskristallen übersät. In der Hitze des Thronsaals dampfte es. „Aber...“, begann Zelda erneut und deutete dann verwirrt in die Richtung, in der Ekis gerade verschwunden war. „Manchmal habe ich sie am liebsten, wenn sie weit weg ist“, antwortete Urbosa nüchtern und deutete dann auf Zeldas Stiefel. „Ziehst du dich jetzt richtig an, oder was?“ Zelda schnappte sich resignierend das Fläschchen mit dem Trank. Als sie die kalte Flüssigkeit schluckte, verflog die Hitze. Zelda schüttelte sich. „Einfach widerlich“, brachte sie zwischen verzogenen Lippen hervor. Urbosa lachte. „Tja. Besser als das, was sie kochen, wenn sie Rüstungstränke herstellen. Was da drin ist, willst du lieber gar nicht wissen. Glaub mir.“ Zelda glaubte ihr sofort. Sie schlüpfte in ihre Stiefel und richtete sich dann auf, um zu zeigen, dass sie reisefertig war.   Sie verließen die Stadt durch das westliche Tor. Nicht weit entfernt konnte Zelda den Titanen zwischen den Dünen knien sehen. Dennoch wäre es eine kleine Strecke zu gehen. Vor dem Tor sah Zelda sich um. „Wo-“, begann sie, doch Urbosa unterbrach sie. „Er wartet bei Naboris.“ Irritiert erwiderte sie Urbosas amüsierten Blick. „Was?!“ Urbosa hob nur die Schultern. „Gar nichts.“ Doch es klang nicht wie gar nichts. Allerdings wusste Zelda nicht, ob sie sonderlich erpicht auf die Antwort war. Also stapfte sie ohne ein weiteres Wort in Richtung des Titanen.   Und wirklich. Da war er. Stand direkt neben der Rampe und sah ihnen entgegen. Unbeweglich. Stoisch. Nicht anders als sonst. Und dennoch begann Zeldas Herz bei seinem Anblick schneller zu schlagen. Vor Aufregung. Vor Angst. Was sollte sie zu ihm sagen? Was sagte man zu dem Helden, der das eigene Leben gerettet hatte? Sie hatte den ganzen Morgen Zeit gehabt, sich passende Worte zu überlegen. Zelda verpasste sich innerlich eine Kopfnuss. Blöde verpatzte Chance.   Für eine Entschuldigung war das nicht der richtige Ort. Diese lang überfälligen Worte sollten mehr Signifikanz haben. Nicht mal eben so gesagt werden. Einfach gar nichts zu sagen, kam nicht mehr infrage. Dieses alte Muster musste unterbrochen werden. Sie durfte nicht zulassen, dass sie sich wieder darin verfing. Also einfach irgendeinen nichtssagenden Unsinn daherplappern?   Urbosa löste das Problem, bevor es entstanden war. „Warum nur habe ich den Verdacht, dass du dich von der Stadt fernhältst, oh Held. Schlechte Erfahrung mit der Wache gemacht, was?“ Zelda blinzelte irritiert, als Urbosa Link mit gutmütigem Spott begrüßte. Meinte sie etwas, dass Link sich versucht hatte, in die Stadt zu schleichen? Der Tonfall erinnerte sie daran, wie sie selbst vor einigen Wochen denselben Titel herabgewürdigt hatte. Am Komolo See, als sie Link nach dem Bannschwert gefragt hatte.   Er selbst schien keinen Anstoß daran zu nehmen. Er lächelte milde und neigte dann den Kopf in Zeldas Richtung. Eine wortlose Begrüßung. Sie atmete zittrig ein. An diese neue Situation würde sie sich gewöhnen müssen. Gestern war sie vor Dankbarkeit zerflossen. Doch nun wusste sie nicht, wie sie mit ihm umgehen sollte. Und so brachte sie keine Begrüßung über die Lippen. Nickte nur.   Dann folgte sie Urbosa die Rampe hinauf. Link reihte sich hinter ihr ein. Wie sehr der Klang seiner Schritte auf dem antiken Stein sie beruhigte. Gestern noch hatte der Klang anderer Schritte ihr Todesangst beschert. Bei dem Gedanken warf sie einen Blick über ihre Schulter. Lächelte ein kleines, scheues Lächeln und sah dann schnell wieder nach vorne, als sie Links Blick begegnete. Sie hatten das Innere von Naboris noch nicht ganz erreicht, da hatte Urbosa dem Titanen schon den Befehl gegeben, sich zu erheben. Ein metallisches Surren erfüllte die Luft, dann ein lautes, langgezogenes Knarren. Zelda stolperte nach rechts, als die Welt zu schwanken begann. Sie bekam einen Fackelständer zu fassen und fuhr zu Link herum, der sich ebenfalls festhielt und Urbosa böse Blicke in den Rücken bohrte. Sie musste ein Kichern unterdrücken. Wie blind sie vorher für dieses kurze Durchblitzen seiner Persönlichkeit gewesen war. Zu beschäftigt damit, wütend darauf zu sein, dass er ihr mit seiner Anwesenheit das Gefühl gab, zu versagen. Urbosa selbst schien sich an dem Schwanken überhaupt nicht zu stören. Sie hob die Arme in die Luft und streckte sich. Ein sinnlicher Anblick, die geschwungene Hüfte, die Länge des eleganten, nackten Rückens. Zelda errötete. Dann fand die Welt wieder in ihre Fugen. Urbosa verschwand über einen seitlichen Aufgang. Wahrscheinlich würde sie nach oben steigen. Zelda räusperte sich und löste den Klammergriff von dem antiken Fackelhalter. „Wie war deine Nacht?“, fragte sie an Link gewandt, bevor sie es sich anders überlegen konnte. Ihr Leibwächter blinzelte überrascht. Zelda konnte es ihm nicht verdenken. Er hob die Schultern. Und als Zelda diese wortlose Antwort schon akzeptieren wollte, antwortete er: „Ereignislos.“ Sie atmete langsam aus. Hatte gar nicht gewusst, dass sie damit aufgehört hatte, als sie angespannt auf den Klang seiner Stimme wartete. Er hatte geantwortet. Das war ein guter Anfang. Vielleicht war sie nicht die einzige, die sich Mühe gab. „Du-du schläfst nicht viel, oder?“ Sie beobachtete, wie Link erneut blinzelte. Vielleicht überraschte es ihn, dass sie mit ihm sprach. Dass der gestrige Tag kein Einzelfall war, sondern sich etwas in ihrer Dynamik geändert hatte. Ändern würde. „Wenig“, bestätigte Link. „Euer Pferd ist in dem Stall an Ende der Schlucht untergebracht?“, fragte er, bevor Zelda das Thema vertiefen konnte. Sie nickte. „Ja.“ Storm. Sie würde ihn vor Link reiten müssen. Unwillkürlich straffte sie die Schultern. Nun, sie hatte sich auf so viele Arten lächerlich gemacht. Eigentlich kam es auf diese weitere auch nicht an. Eine Enttäuschung. Eigentlich hatte sie neu beginnen wollen. „Diesen Weg sollten wir nicht nehmen.“ Sie starrte ihn an. „Aber-“ „Mir behagt die Schlucht nicht. Es ist der offensichtliche Weg zurück zur Ebene.“ Sie verstand, was er meinte. Gut für einen Angriff. Er ging davon aus, dass sie immer noch in Gefahr schwebte. „Ich werde die Pferde holen lassen“, sagte er. Er hatte sein Pferd also auch dort zurückgelassen. Natürlich. „Es ist der Weg, den ich gekommen bin“, murmelte Zelda leise. Es war nur ganz fein, aber seine Augen zogen sich zusammen. „Ich weiß“, sagte er nur. Und Zelda spürte, dass er nicht begeistert war. Sie fragte sich, ob er auch zu diesem Zeitpunkt in ihrer Nähe gewesen war. Ihr unauffällig gefolgt war. Wahrscheinlich. Vielleicht war er der alleinige Grund, dass ihr in dieser Schlucht nichts zugestoßen war. Wer konnte das schon wissen. Zelda sah zu Boden. Seufzte. Sie würde sich wirklich entschuldigen müssen.   Auf Links Rat hin, brachte Urbosa sie zur südöstlichsten Grenze der Wüste. Dorthin, wo ein Pass durch die Ausläufe des Gebirges führte. Der Abschied war kurz und herzlich und wie immer fiel er Zelda unendlich schwer. Doch Urbosa musste zurück in die Stadt. Zurück zu ihrem Volk. Es war nicht ihre Aufgabe für Zeldas Seelenheil zu sorgen. „Pass auf dich auf, kleiner Vogel“, murmelte Urbosa in ihr Haar, als sie Zelda umarmte. Sie zwinkerte Link zu, dann scheuchte sie sie die Rampe hinunter.   Es gab keine Zeit dem Titanen dabei zuzusehen, wie er auf seinem Rückweg Sand aufwirbelte. Auch wenn Zelda das gern getan hätte. Link trieb sie zur Eile. Wenn auch recht subtil. Es reicht, dass er einige Schritte vorging und sich dann nach ihr umsah. Zelda folgte ihm, ohne zu zögern. Sie warf einige Blicke zurück, sah Naboris hinterher, doch bald neigte der Weg sich in eine sanfte Linkskurve und der Titan verschwand aus ihrem Sichtfeld.   Die ganze Wegstrecke bis zu den sanften Graslandschaften von Phirone schwiegen sie. Liefen wortlos nebeneinander her, nachdem Zelda einige Mal den Abstand zwischen ihnen verringert hatte und Link die Botschaft begriff und neben ihr ging, statt hinter ihr. Bis das Licht dämmriger wurde und Link sie zu einer Schutzhütte führte, die sich an die Ausläufer des Kagossa Gebirges schmiegte. Ihr Platz für die Nacht. Bis zur Hylia Brücke war es zu weit, geschweige denn zu der nächsten Siedlung. Wenigstens hätten sie ein Dach über dem Kopf.   Die ganze Zeit über hatte Zelda Satz um Satz formuliert. Verworfen, umgedreht, neu erdacht. Doch ihr waren einfach nicht die richtigen Worte gekommen. Und so hatte sie geschwiegen.   Die Hütte war klein, aber sauber. Link verlor kein Wort darüber, woher er wusste, dass es sie gab, warum es sie überhaupt gab und wieso sie leer stand. Zelda fragte nicht. Es schien ihr nicht richtig, wenn sie schon keine Worte für die wichtigen Dinge fand. Kaum hatte sie ihre Tasche auf dem kleinen Tisch abgelegt – das einzige Möbelstück in der einräumigen Hütte, hatte Link schon ein Feuer in dem gemauerten Kamin errichtet und in Gang gebracht. Kurze Zeit briet darüber ein Vogel, den er in den Bergen geschossen hatte und erfüllt den Raum mit köstlichem Geruch. Mit effizienten Handgriffen kümmerte er sich um die Errichtung eines Nachtlagers für sie, frisches Wasser aus einem Brunnen neben der Hütte und die Abendmahlzeit. Knusprig gebratenes Fleisch und Früchte, die er in einer kleinen Pyramide stapelte. Eine ganze Menge Früchte. Sie würde ihn unbedingt nach dieser Tasche fragen müssen.   Als er Zelda einen Fleischspieß reichte, platzte es aus ihr heraus. „Ich muss mich bei dir entschuldigen.“ Sie ballte ihre Hände zu Fäusten. „Und das schon sehr lange.“ Link begegnete ihrem unruhigen Blick schweigend. Er lächelte, dann zuckte er mit den Schultern. „Es ist nicht egal“, sagte Zelda, ein wenig lauter als sie es gewollt hatte. Er wirkte überrascht. Zog eine Augenbraue in die Höhe. Vielleicht weil sie die ungesagten Worte hinter seiner Geste so exakt übersetzt hatte. „Es ist nicht egal“, wiederholte Zelda nachdrücklich. „Ich-“, begann sie und schluckte. Versuchte, die richtigen Worte zu finden. Dabei waren sie ihr doch den ganzen Tag schon nicht eingefallen. „Ich war ...“ Sie starrte in das Feuer. „Nun, die Wahrheit ist, mir fehlen die Worte. Weswegen ich schon den ganzen Tag solche Schwierigkeiten habe, es endlich anzusprechen.“ Sie hob die Arme in einer hilflosen Geste. „Was mir als Erstes in den Sinn kommt, ist Biest. Ich war ein Biest. Und …“ Zelda schüttelte den Kopf. „Und das ist die schlechteste Entschuldigung in der Geschichte Hyrules. Du hast so viel mehr verdient, aber momentan...“ Sie hob die Schultern und lächelte ein ironisches Lächeln. „Momentan habe ich einfach keine anderen Worte als, es tut mir leid. Ich war abscheulich zu dir. Und du hast nichts getan, um dieses Verhalten zu verdienen. Ich bilde mir nicht ein. dich um Verzeihung bitten zu können. Aber … aber glaube mir, wenn ich dir sage, dass es mir zutiefst leidtut.“ Zelda sah auf. Link lächelte. Es war ein ehrliches Lächeln. Eines, das seine Augen erreichte und das Blau darin zum Leuchten brachte. Die kleinen Fältchen daneben zeigte, die davon sprachen, dass es eine Zeit gegeben hatte, in der er oft gelächelt haben musste. Vielleicht hat er das auch immer noch, aber nicht in Zeldas Gegenwart. Sie konnte es ihm nicht verdenken. Sein Lächeln ermutigte sie weiter zu sprechen. „Ich- ich bin missraten, Link. Eine Versagerin. Ich habe mein ganzes Leben damit verbracht, die Siegelkräfte zu erwecken und bin gescheitert. Und anstatt mich zu freuen, dass das Schwert dich erwählt hat, dass ein Held hervortrat, bevor wir uns darum sorgen mussten, habe ich dich beneidet. Ich habe selbstsüchtig nur daran denken können, dass ich ebenso erfolgreich sein wollte. Die Eifersucht hat mich verfressen und ich bin nicht stolz darauf.“ Auch wenn es nicht leicht war, so tat es dennoch gut, diese dunklen Ecken ihres Charakters auszuleuchten. Endlich ehrlich zu sein und auszusprechen, was sie schon so lange bedrückte.   „Ich weiß“, antwortete er leise und war nun selbst an der Reihe zu überraschen. „Und es ist in Ordnung.“ „Es ist nicht in Ordnung“, widersprach Zelda sofort und schüttelte energisch den Kopf. Ein weiteres dieser Beinahe-Lächeln geisterte über seine Lippen. „Doch“, erwiderte er, sanft, aber nachdrücklich. „Zumindest wird es das sein. Von nun an.“ Er deutete ihr, sich zu setzen. Zelda zögerte. Sie wollte nicht, dass er ihr Verhalten einfach so abtat. Es schmeckte zu sehr nach Pflicht. Und sie hatte ihm diese Entschuldigung nicht als Prinzessin angeboten. Sondern als Zelda. Als Mädchen, dass sich schändlichst missverhalten hatte. „Nein“, sagte Zelda schließlich und ließ sich nieder. Nahm den Teller an sich, den Link so gekonnt gefüllt hatte. „Aber ich bin früh darüber, dass du gewillt scheinst, diese riesige Verfehlung meinerseits zu übersehen.“ „Urbosa hat darüber gesprochen“, sagte er leise, zu Zeldas erneuter Überraschung. Sie ließ den Fleischspieß sinken, den sie gerade in die Hand genommen hatte. Er betrachtete sie mit einem seitlichen Blick, kniete vor dem Feuer, die Hände auf den kräftigen Oberschenkeln abgelegt. Zelda bemühte sich, ihm in die Augen zu sehen. „Als sie mich zu sich rief. Ich verstehe es. Und ich habe keinen Anstoß daran genommen.“ Seine Kiefer bewegten sich, als er nach Worten suchte und Zeldas Verdacht bestätigte. Urbosa hatte Link zum Titanen gerufen. „An nichts, was geschehen ist, habe ich Anstoß genommen“, fuhr er fort und suchte ihren Blick. Sah ihr direkt in die Augen, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. Zelda fühlte sich nicken, bevor sie wirklich verarbeiten konnte, was er gerade offenbart hatte. Er war nicht wütend. Hatte sich nicht angegriffen gefühlt. Das war nicht richtig, aber Zelda war dennoch froh darüber. Sie seufzte und nahm den Fleischspieß wieder zur Hand. „Ich würde gerne wissen, was sie dir erzählt hat“, sagte sie, bevor abbiss. „Um zu wissen, wie tief ich eigentlich in ihrer Schuld stehe.“ Er gab ein kleines schnaufendes Geräusch von sich, irgendwo zwischen amüsierter Erinnerung und der Andeutung, dass Urbosa ihm vielleicht auf die Nerven ging. Diesem stoischen Leibwächter, der sich nicht mal beleidigt fühlte, wenn sein Schützling in despektierlich behandelte. Aber er machte keine Anstalten zu antworten. Zelda beobachtete ihn eine Weile schweigend, während sie wartete. Sah zu, wie er aß. Schnell, aber mit guten Manieren. So wie er es immer zu tun schien. Als wäre er kurz davor, zu verhungern. Sie kaute ebenfalls. Ließ den rauchigen Geschmack des Fleisches ihren Mund erfüllen. Dann, auf einen Impuls hin, griff sie nach einem Apfel und warf sie ihn Link an den Kopf. Zu ihrer, und zu Links Überraschung, traf er. Direkt an der Stirn. Der Apfel prallte ab und rollte über den Boden zum Feuer. Zelda schlug die Hand vor den Mund. Dann kicherte sie, während Link ihr einen entsetzten Blick zu warf. In einem Anflug des Mutes verkniff sie sich die Entschuldigung, die ihr sofort auf der Zunge lag. „Jetzt wo ich weiß, dass du durchaus sprechen kannst, werde ich erst Ruhe geben, wenn du mit mir geredet hast.“ Seine Mundwinkel zuckten. Als er nicht anfing zu reden, wiederholte Zelda ihre Frage. „Also, was hat Urbosa gesagt.“ Er rieb sich über die Stirn. Ob er es demonstrativ tat, oder unbewusst, konnte Zelda nicht sagen. Er starrte in die Flammen. „Nicht sehr viel mehr als Ihr“, antwortete er schließlich in nachdenklichem Tonfall. „Nur mit sehr viel freundlicheren Worten“, fügte er hinzu.   Zelda schnaubte. Ein Geräusch, das Links Mundwinkel erneut zucken ließen. Wärme breitere sich in ihr aus. „Nun“, nahm sie das Thema wieder auf. „Ich habe solche Freundlichkeit jedenfalls nicht verdient.“ Sie ließ den halb aufgegessenen Fleischspieß auf ihren Teller fallen und kreuzte mit einem frustrierten Seufzen die Hände über ihren Knien. „Dass ich mich jetzt erst traue, diese lang überfällige Entschuldigung auszusprechen, ist ein weiterer Beweis dafür.“ Sie spitzte die Lippen. „Auch dafür entschuldige ich mich.“ Sie neigte den Kopf in Links Richtung. „Und ich meine es ernst.“ Ein echtes Lächeln breitete sich auf seinen Zügen aus. Im wachsenden Schatten des Abends wirkten seine Augen dunkler als sonst.Und viel blauer. Er nickte. „Und ich nehme sie an“, sagte er ohne zu zögern. Mit einer Ernsthaftigkeit in der Stimme, die keine Zweifel an seiner Glaubhaftigkeit ließ. Zelda lächelte. Sie hatte die Selbstverständlichkeit, mit der er ihre Verfehlungen abtat, nicht verdient. Sie erwärmte ihr Herz dennoch.   Es überraschte sie, dass er erneut das Wort ergriff.   „Wenn es Mut ist, den Ihr braucht, die Quelle ist nicht weit von hier.“ Er lächelte und deutete über seine Schulter in Richtung Süden. In Richtung Phirone. Zelda seufzte. Sie hatte ebenfalls daran denken müssen. Auch, wenn er vielleicht nur hatte Scherzen wollen. „Ja. Am nördlichen Ende des … Sees. Ich weiß. Das wäre wohl keine schlechte Idee.“ Sie griff nach einem weiteren Apfel, dieses Mal um ihn mit ihrem Messer in kleine Stücke zu schneiden. „Alleine schon, um meinen Vater zu beschwichtigen. Er wird nicht begeistert davon sein, dass ich so lange fort bin. Geschweige denn, dass ich...“ Sie brach ab. Sprach nicht aus, was sie hatte sagen wollen. Dass ich weggelaufen bin. Mich in Gefahr gebracht habe. Meinen Leibwächter ausgetrickst habe.   „Er weiß nichts davon“, ergriff Link leise das Wort, als Zelda nicht weitersprach. Sie sah auf. Mit großen Augen. Er zuckte mit den Schultern. „Ihr seid einem dringenden Ruf Urbosas gefolgt und hattet keine Zeit, Euch zu verabschieden.“ Er bedachte sie mit einem schwer deutbaren Blick. „Zumindest lautete so die Nachricht, die ich ihm habe zukommen lassen.“ Ungläubig starrte sie ihn an. Unfähig etwas zu sagen. „Oh, Link“, hauchte sie schließlich. Schüttelte den Kopf. Noch etwas, das sie nicht verdient hatte. Ihre Schuld ihm gegenüber wuchs täglich. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll.“ Und das wusste sie wirklich nicht. Er hatte seinen Herrscher belogen. Für sie. Obwohl sie ihm davon gelaufen war. Ihn beleidigt und angeschrien hatte.   Vielleicht hatte er es für sich selbst getan. Um nicht in Schwierigkeiten dafür zu geraten, dass er sie verloren hatte. Aber etwas sagte ihr, dass Link nicht von dem Schlag war, der für seine Verfehlungen nicht einstand. Anders als sie selbst. Er hatte es für sie getan. Zelda hatte keine Worte für die Dankbarkeit, die sie empfand. Konnte nicht ausdrücken, wie schrecklich sie sich fühlte. Sie hatte das nicht verdient. Wie konnte sie das jemals ausgleichen? Die einzige Möglichkeit ihn für seine Taten zu ehren, würde auch bedeuten, ihrem Vater von dem Angriff der Yiga erzählen zu müssen. Wenn sie das tat, würde sie das Schloss nie wieder verlassen dürfen. Ein unlösbares Dilemma.   Ihr Blick fiel auf den halb aufgeschnittenen Apfel. Dann auf Link, dessen Blick wie immer die Gegend nach möglichen Gefahren absuchte. Auf einen Impuls hin, streckte sie ihm die Frucht entgegen. Er betrachtete sie für einen Augenblick, dann streckte er die Hand danach aus. Es war eine schäbige Gegenleistung. Und ob die Botschaft bei ihm ankam, wusste Zelda nicht. Sie fühlte sich trotzdem besser. „Weißt du“, sagte sie nach einer Weile, während er auf diese schnelle Art den Apfel verschlang. „Wenn du mehr schlafen würdest, bräuchtest du nicht so viel zu essen.“ Es war nur ein Verdacht, aber der Blick, den er ihr daraufhin zu warf, zeugte davon, dass sie ins Schwarze getroffen hatte. Er schluckte. Zuckte dann nur mit den Schultern. „Vielleicht schlafe ich auch so viel, damit ich mehr essen kann“, antwortete er ernst. Biss erneut von einem Apfelstück ab. Zelda legte den Kopf zurück, sah ihn skeptisch an. Dann grinste er. Er grinste. Ein Witz. Ihr stoischer, emotionsloser, mechanischer Leibwächter hatte einen Witz gemacht. Fassungslos starrte Zelda ihn an. „Ist das so“, sagte sie irgendwann, um überhaupt etwas zu sagen. Wieder zuckte er mit den Schultern. Dann verschwand das letzte Stück des Apfels in seinem Mund.   „Mal theoretisch gesprochen“, begann sie, nach dem er den letzten Bissen geschluckt hatte und begann, sich mit der Reinigung des Geschirrs zu beschäftigen. „Wo würdest du schlafen, wenn du schlafen würdest.“ Er sah von dem Teller auf, den er mit trockenem Gebirgssand sauber schmirgelte. „Im Schloss?“, fragte er und Zelda nickte. „Kaserne“, antwortete er knapp und rollte mit den Schultern, nachdem er Teller und Messer in seiner Tasche verstaut hatte. Diese Tasche …   Die restlichen Früchte ließ er auf dem Boden liegen. Zelda hatte den Verdacht, dass sie am nächsten Morgen nicht mehr da sein würden. Bei dem Gedanken lächelte sie. „Aber dort bist du nie“, bohrte sie weiter. Jetzt, da er endlich mit ihr sprach, da sie mit ihm sprach, würde sie erst ruhen, wenn diese Frage geklärt wäre. „Selten“, bestätigte Link und sofort fragte sich Zelda, wann diese seltenen Besuche in der Kaserne stattfanden. Ob er dort etwas anderes tat, als schlafen. Hatte er Freunde? Ritter, mit denen er gemeinsam ausgebildet worden war? „Während Eurer Studien“, beantwortete er die stumme Frage. Er hockte, balancierte auf den Zehenballen und hatte die Hände dazwischen gefaltet. Eine Haltung die Zelda ihn schon utzende Male hatte einnehmen sehen. Immer bereit, sofort aufzuspringen. „Und manchmal, wenn Ihr schlaft.“ Er lächelte ein wenig kläglich. „Ich bin nicht immer da.“ „Oh.“ Zelda runzelte die Stirn. Das kam überraschend. Sie sah zu Boden. Betrachtete die alten Bohlen. Aufgeraut von jahrelanger Nutzung. „Wer-“ begann sie, stockte von der Erkenntnis, dass jemand Fremdes über sie gewacht hatte, ohne dass sie davon wusste. „Andere Ritter. Ihr würdet sie kaum mit Namen kennen“, antwortete er nach einiger Zeit. Gesichtslose Männer tauchten vor ihrem inneren Auge auf. Leere Hylianische Rüstungen, die unter ihrem Turm auf und ab liefen. Tiefere Falten gruben sich in Zeldas Stirn. „Meist jemand von der Einheit, die vor Eurer Tür patrouillieren“, fuhr er fort. Schien irgendwie zu spüren, dass diese neue Information sie beschäftigte, wenn Zelda auch nicht sagen konnte, wieso eigentlich. Ihre Gedanken hatten so viel um ihn gekreist. Wenn sie ihn gesehen hatte, wenn sie ihn nicht gesehen hatte. Und nun erfuhr sie, dass ganz andere Ritter mit in ihren Schultz involviert waren. Sie verstand es selbst nicht, aber es wühlte sie auf. Vielleicht weil sie nie daran gedacht hatte, dass ihr Schutz eine Aufgabe darstellen könnte, die nicht einmal Link alleine bewältigten konnte. Dennoch war sie froh darum. Es machte ihn … menschlicher. „Aber wenn ich kann“, begann er in leichtem Tonfall und durchbrach ihre trübsinnigen Gedanken, „schlafe ich durchaus. Und zwar so ziemlich überall.“ Kleine Fältchen bildeten sich um seine Augen. „Wenn es gemütlich genug ist.“ Er lächelte, ohne wirklich zu lächeln. Eine Wärme, die vor allem aus seinen Augen zu kommen schien. Sie schloss dieses Bild viel zu schnell in ihr Herz. Link, der lächelte. „Nun“, sagte Zelda, um Normalität bemüht. „Ich für meinen Teil muss schlafen.“ Sie erhob sich und streckte sich demonstrativ. „Und auch, wenn du es nicht tun wirst, wünsche ich dir eine gute Nacht.“ Link sah zu ihr auf und nickte. Immer noch diese Wärme in den Augen. Zelda drehte sich dann um. Ging zu dem kleinen Nachtlager, das Link ihr errichtet hatte. Sie erkannte die Decke, die auf einer dünnen Matratze lag, wie viele Reisende sie als Rolle geschnürt auf dem Rücken trugen. Wirklich, sie musste ihn nach diesem Taschentrick fragen. Sie entledigte sich ihrer Stiefel, voll bewusst, dass Link sich im selben Raum befand. Versuchte gelassen zu sein, während sie die Bewegungen durchführte. „Danke“, sagte sie in Links Richtung, bevor sie sich auf die Matte kniete. „Hierfür.“ Sie deutete unter sich. Wieder antwortete er mit einem Nicken. Zelda atmete tief durch, dann vergrub sie sich unter der Decke. Drehte sich auf den Rücken, dann auf den Bauch. Dann auf die Seite. Von Link abgewandt starrte sie mit offenen Augen die Wand an. Versuchte, ihren Herzschlag zu beruhigen. Er musste so laut sein, dass Link ihn hören konnte. So heftig, dass Zelda spürte, wie jedes Pochen ihren Körper leicht ins Schaukeln brachte.   Es war die Kombination. Der gestrige Schock, der ihr noch immer in den Knochen saß. Ihr verwirrter Geist, der mit so viel neuen Gefühlen zurechtkommen musste. Links Anwesenheit. So nah. Und sie, auf einem Lager, dass er errichtet hatte. Mit seinen Besitztümern. Seiner Decke. Die nach ihm roch. Zelda bemühte sich, flach zu atmen.   „Sir Link“, flüsterte sie nach einer Weile. Ein leises Rascheln sagte ihr, dass er den Kopf in ihre Richtung gedreht hatte. Er hörte zu. Auch wenn er sich sonst nicht bemerkbar machte. „Es tut mir leid.“ Einige Atemzüge vergingen. „Schlaft“, sagte er leise, aber nachdrücklich. Mit einer Wärme in der Stimme, die Zelda zeigte, dass er es ihr wirklich glaubte. Und dass es in Ordnung war.   *   Allem Zweifel zum Trotz fand sie in dieser Nacht tatsächlich Schlaf. Die dünne Matratze störte sie weniger als gedacht und in den wenigen Momenten, in denen sie zwischen Traum und Wirklichkeit entlang glitt, erfüllte sie eine so tiefe Geborgenheit, das sie sofort wieder einschlief. Eingehüllt in Wärme und Weichheit und den Geruch nach frischer Luft und Sicherheit. Als sie erwachte, im dämmrigen Zwielicht vor dem Sonnenaufgang, brauchte sie einen Moment um sich zu orientieren. Sie drehte sich auf den Rücken, dann auf die Seite. Hielt den Atem an, bei dem Anblick der sich ihr bot. Link war eingeschlafen. Zumindest sah es so aus. Er lehnte an einem Holzpfosten, das Bannschwert auf den lang gestreckten Beinen. Die Augen geschlossen. Sofort dachte sie an seine Worte. Wenn ich kann, schlafe ich durchaus. Wenn es gemütlich genug ist. Gemütlich. Zelda atmete zittrig aus. War es das, was er fühlte? Bewegungslos beobachtete sie ihn. Nutzte den Moment, um sich daran zu gewöhnen. An diese Neuheit. Ihren fehlenden Widerstand seiner Anwesenheit gegenüber. Seine Präsenz. Nach und nach entspannte sie sich. So etwas hatte sie gebraucht. Eine Gelegenheit sich einzufühlen, anzunehmen. Sich zu öffnen. Langsam setzte sie sich auf. Die Decke rutschte ihr leise raschelnd bis zur Hüfte und Zelda fuhr mit den Fingerspitzen über das Material. Sie würde ihn danach fragen. Nach seiner Familie. Nach seiner Vergangenheit. Es gab so vieles, über das sie mit ihm sprechen wollte. Aber für den Moment war sie zufrieden. Zufrieden, dass sie sich ruhiger fühlte. Dass sie miteinander sprachen. Froh über den Vorzeichenwechsel. Darüber, dass er sich in ihrer Anwesenheit wohl genug fühlte, um wegzudämmern. Ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht. Gemütlich. Das hatte er gesagt. Das brauchte er, um einzuschlafen. So leise wie möglich erhob Zelda sich und schlüpfte in ihre Stiefel. Verzog das Gesicht bei jedem Geräusch, das sie verursachte, ohrenbetäubend laut in der Stille der kleinen Hütte. Dann huschte sie auf Zehenspitzen in Richtung Tür. Sie streckte eine Hand nach dem Griff aus und warf einen letzten Blick über ihre Schulter. Und zuckte zusammen. Link schlief nicht länger. Vielleicht hatte er es auch nie getan, so wach, wie seine Augen wirkten. Er beobachtete sie, mit einem amüsierten Ausdruck auf dem Gesicht. Zelda ließ die Hand sinken und atmete langsam aus. Zwang den Schrecken aus ihren Gliedmaßen. „Meine Güte“, murmelte sie und ließ die Schultern hängen. Link schwieg, auch als sie sich zu ihm umdrehte. Das Feuer war ausgegangen, schwelte nur noch, also hatte er es schon eine ganze Weile vernachlässigt. Nicht dass sie es weiterhin gebraucht hätten. Phirone war kein kaltes Land. Er schlug die Knöchel übereinander und betrachtete sie interessiert. Schien zu fragen, wohin, bei der Göttin, sie denn gedachte zu gehen, so früh am Morgen. „Ich-“, begann Zelda ein wenig unsicher. Das Thema war eher delikater Art. „Ich muss mal austreten“, fasste sie zusammen und wies unnötigerweise zur Tür. Zum Glück schien Link zu verstehen, denn er erhob sich augenblicklich. Kam zu ihr und griff an ihr vorbei. Öffnete die Holztür. Zelda erkannte den Geruch, der sie sofort umfing. Der sie die ganze Nacht umfangen hatte, und lehnte sich unwillkürlich ein wenig zurück. „Was machst du denn da?“, fragte sie irritiert, als er an ihr vorbei, nach draußen ging, und begann die Gegend abzulaufen. Hinter die Hütte, den Brunnen und die Büsche sah. Er war schneller wieder bei ihr, als sie verstehen konnte, was das sollte. Er deutete nach draußen. „Sichern“, beantwortete er ihre Frage. So spät, dass Zelda es erst nicht verstand. „Oh“, machte sie und blinzelte ein wenig beschämt „Gut.“ Sie trat nach draußen. „Danke.“ Link nickte und schloss die Tür. Gab ihr die Privatsphäre, die sie brauchte. Dennoch schoss Zelda das Blut in die Wangen. Es war das erste Mal, dass ein Fremder für sie Orte auskundschaftete, an denen sie sich erleichtern konnte. Schnell huschte sie zu dem nächstgelegenen Busch. Nach kurzer Überlegung lief sie weiter, zu einem der weiter entfernt wuchs. Sie justierte ihre Kleidung und hockte sich hin. Ließ den Kopf hängen, während sie sich erleichterte. Zelda seufzte. Es würde ihr nicht peinlich sein, wenn es ihm nicht peinlich war.   Als sie zurück zur Hütte kam, brannte im Kamin wieder ein Feuer. Darüber brutzelten Eier, auf die Link gekonnt ein stocherte. Ein fantastischer Geruch erfüllte den kleinen Raum und Zeldas Magen begann augenblicklich, zu rumoren. Er sah auf, als sie eintrat. Lächelte. Zelda schloss die Tür. Wandte sich von dieser heimeligen Szene ab. Es war einfach zu seltsam. Gestern Morgen hatte sie nicht ohne komplizierte Kaskaden negativer Gefühle an ihn denken können. Jetzt schlief sie in seinen Sachen und ließ sich von ihm bekochen.   „Wieso kannst du das so gut?“, fragte Zelda, bevor sie die Worte zurückhalten konnte. Link beförderte ein perfekt gefaltetes, köstlich duftendes, sanft dampfendes Omelett auf einen Teller und reichte es ihr. Dann begann er, erneut Eier in die Pfanne zu schlagen. Unmengen an Eiern. „Ich esse gerne“, sagte er irgendwann, als würde das alles erklären, lange, nachdem Zelda aufgehört hatte, auf eine Antwort zu warten. Sie sah von ihrem Teller auf, von dem himmlischsten Omelett das sie je gegessen hatte. Ihr Leben war soeben so viel besser geworden. Er ging nicht weiter darauf ein, aber die Antwort war so persönlich, so ehrlich, so einnehmend, dass Zelda dazu ebenfalls schwieg.   Sie aßen schweigend, doch das erste Mal fühlte es sich nicht unangenehm an. Das Lager war schnell zusammengepackt und irgendwie schaffte es Link, dass es so aussah, als wäre nie jemand hier gewesen. Er füllte die Wasservorräte auf und streckte die Hand nach Zeldas eigener Feldflasche aus. Doch sie bückte sich selbst nach dem Eimer, den er aus dem Brunnen hoch gekurbelt hatte. Er hatte bereits so viel für sie getan. Ihre Wasserflasche brauchte er nicht auf noch zu füllen.   Sie überquerten den Evandra Fluss über eine natürliche Steinbrücke und folgten der Straße in Richtung der Phirone Wälder bis zum südlichen Ende des Hylia Sees. Sie stoppten dort für eine Pause, um dann über die Hügel nach Adeya zu gelangen, dem Dorf innerhalb des knöchelhohen Sees. Zelda war dankbar über die Nacht in einem echten Bett. Dass sie nicht sofort die Quelle ansteuerten.   Die Herberge dort war klein und gemütlich. Link schüttelte den Kopf, als Zelda bei den Gastleuten zwei Zimmer und ein Bad für sich erfragte. Ein Bad für Link zu bestellen, erschien ihr ein wenig anmaßend. Beleidigend. Eins, deutete ihr Leibwächter über ihren Kopf weg an, bevor Zelda sich wehren konnte. Scheinbar konnte er mit einem Fingerzeig mehr erreichen als sie mit Worten, denn es wurde ihr ein einziger Schlüssel gereicht. Zelda fügte sich seiner Entscheidung. Doch ihr schlechtes Gewissen meldete sich, als er Anstalten machte sich vor ihrer Tür niederzulassen. „Es ist noch früh“, meinte sie an den Rahmen gelehnt. Link sah sie fragend an. „Nun“, begann sie stockend. „Ich würde gern ein Bad nehmen, aber dann...“ Sie begann, ein nervöses Muster in das Holz der Tür zu trommeln. „Dann würde ich mich sicherer fühlen, wenn...“ Wieder stockte sie. Atmete hörbar aus und ballte die Fäuste, bevor sie sich zwang, ihm ins Gesicht zu sehen. „Angesichts der kürzlichen Geschehnisse würde ich mich sicherer fühlen, wenn du nicht vor meiner Tür wachen würdest.“ Sie schluckte um eine schmerzliche Verhärtung in ihrer Kehle herum. „Sondern hier drin.“ Zelda deutete in das Zimmer hinein. Das glücklicherweise einigermaßen groß war und neben einem Bett, Teppiche, einen Balkon und Tisch und Stühle beinhaltete. Links Blick folgte ihrer Hand, dann fixierte er ihr Gesicht. Wieder schluckte Zelda, wartete. „Mein Leben gehört Euch“, sagte er. Es schien seine Antwort auf alles zu sein, was er für sie tat. Und auch, wenn sie die Bedeutung nun verstand, so war ihr die Implikation unangenehm. Die Verantwortung. Außerdem brauchte sie eine passende Erwiderung auf diesen Satz.   *   Noch vor dem Morgengrauen brachen sie auf. „Ich habe mein Gewand nicht dabei“, sagte Zelda irgendwo neben dem Farodra Plateau. Sie folgte sonst der offiziellen Straße und dann dem Dracoto Fluss hinauf bis zur Quelle. Link führte sie allerdings über eine viel direktere Route, die durch die bergige Landschaft südlich des Adeya Sees in Richtung Phirone führte. Sie beinhaltete eine nicht zu vernachlässigende Menge an Kletterei und die hohe Luftfeuchtigkeit brachte Zelda zum Schwitzen. Dass sie ihr Gewand der Hohepriesterin nicht dabei hatte, war ihr nicht neu. Schließlich war sie ohne Wechselkleidung vom Schloss aufgebrochen. Die baldige Ankunft an der Quelle des Mutes machte sie allerdings nervös. Und sie hatten eine ganze Weile schon kein Wort mehr gewechselt. Es war das Erstbeste, das Zelda nach reichlicher Überlegung einfiel. Link wandte sich zu ihr um, fragend. Auch ihm klebten die blonden Haarsträhnen an der Stirn. Seine Augen wirkten neben seinen leicht geröteten Wangen blauer als sonst. „Was bedeutet das?“ Zelda nutzte die Gelegenheit für eine kleine Atempause. Sie blieb stehen und stützte sich mit den Händen auf ihren Oberschenkeln ab. „Nur, dass ich das Gewand nicht dabei habe, das ich sonst immer trage“, erklärte sie atemlos. Link kannte das Kleid. Er musste sie Dutzende Male darin gesehen haben. Zelda hob die Schultern. Wischte sich den Schweiß von der Stirn. So langsam freute sie sich auf die Quelle. Und auf die zeremonielle Reinigung, die sie dort durchführen würde. „Ich werde mein Unterkleid tragen müssen.“ Sie sah ihn an, hoffte, dass er richtig schlussfolgern würde. Sein Gesicht hatte den bekannten stoischen, schwer zu lesenden Ausdruck neutraler Gleichgültigkeit angenommen. Zelda fragte sie, ob es etwas war dass automatisch eintrat, oder ob er es bewusst steuern konnte. Wenn ja, war das ein kleines Wunder. „Ich werde mit dem Rücken zu Euch stehen“, meinte er schließlich und bewies einmal mehr, was für ein cleverer Junge er war. Zelda seufzte erleichtert auf. Froh darüber, dass es ihr erspart blieb, für die Schicklichkeit ihres Quellbesuchs sprechen zu müssen. Sie nickte. „Gut“, sagte sie und atmete tief durch. Sie richtete sich auf und setzte sich wieder in Bewegung. Link startete einen Moment später als sie. Gern hätte sie gefragt, was in ihm vorging. Ob er es für unangemessen hielt, dass sie sich der Göttin in ihrem Unterhemd präsentieren wollte. Doch das wäre ihr unangenehm gewesen. Zelda hoffte, dass er es nicht missverstehen würde. Ihr lag jegliche Tändelei fern. Sie hatte ihn nur vorwarnen wollen. Natürlich was es nicht angemessen. Es grenzte an Unsittlichkeit. Aber besser als der Göttin in ihrer mit Reisestaub überzogenen Tunika gegenüber zu stehen. Wenigstens war ihr Unterkleid weiß.     Als sie die Quelle erreichten, wartete Zelda bis Link die Umgebung abgesucht hatte und seine Position am Eingang des großen Drachenschädels einnahm. Er stand mit dem Blick zu Statue gewandt. Betrachtete schweigend das Abbild der Göttin. „Warst du schon einmal hier?“, fragte Zelda ihn leise. Er nickte schweigend, ohne den Blick abzuwenden. Natürlich. Die Quelle des Mutes. Link war ein Kind Farores. Er repräsentierte den Mut, so wie sie selbst die Weisheit repräsentierte. Oder es eigentlich tun sollte. Wenn es eine Quelle gab, die er besucht hatte, dann diese hier. „Ich war bei allein Quellen“, teilte er ihr mit und Zelda zog überrascht die Brauen in die Höhe. „Wirklich?“, fragte sie unnötigerweise. Er nickte. „Ein Versuch die Göttin zu spüren, vermutlich“, murmelte er beinahe unhörbar. Doch Zelda hörte ihn. Trotz der ungewohnten Geräusche des Dschungels. So vieles sprach aus diesem Satz. Eine Bereitschaft, den Willen, in der Legende, auf der sein Dasein beruhte, einen Sinn zu finden. Das Bedürfnis, nicht nur mit der physischen Seite seiner Aufgabe in Kontakt zu treten. Vielleicht auch die Unfähigkeit eine göttliche Verbindung spüren zu können. Wie gern hätte Zelda nachgehakt. Nachgespürt, ob diese Unfähigkeit sie womöglich verband. Aber sie wollte sich nicht in dieser Hoffnung verlieren. In dem kindischen Bedürfnis einen Leidensgenossen zu haben, dessen Existenz ihre eigene Unfähigkeit rechtfertigen würde. Außerdem war sie aus einem anderen Grund hier. Und von dem durfte sie sich nicht ablenken lassen.   Sie seufzte und begann ihr Haar zu lösen. Flocht den Zopf auf und betrachtete Link, dessen Blick sich langsam von der Statue löste und zu ihr hinüber glitt. Als sie fertig war, ließ sie die Hände sinken. Wortlos standen sie sich gegenüber. Bewegungslos. Atmeten. „Ich werde jetzt beginnen“, sagte Zelda leise, nicht gewillt, ihm gegenüber das Wort ausziehen in den Mund zu nehmen. Link schien aus einem tiefen Gedanken zu erwachen. Er bewegte kurz den Kopf. Eine winzige Mischung aus Schütteln und Nicken. Dann drehte er sich um. Nicht auf den Zehenspitzen, sondern mit einem Schritt zu Seite und einem nach vorne. So wie er es immer tat. Mit dem Rücken zu ihr, zog das Schwert. Zelda hatte ihn so häufig in dieser Pose gesehen. Sie war gut darin geworden, aus dem wenigen, was er zeigte, zu lesen. Aber sie war weiterhin vollkommen blind dafür, was wirklich in ihm vorging.   Zelda biss sich auf die Lippe. Vor Nervosität. Vor Angst vor der kommenden Enttäuschung. Wegen der Neuartigkeit der Situation. Für gewöhnlich begleiteten sie ihr Hofdamen. Vor denen das Reinigungsritual wesentlich weniger unkeusch wirkte. Zelda bezweifelte nicht, dass mit einem Mann im Rücken, nur einige Schritte entfernt, Befangenheit ein ganz neues Problem darstellen würde. Und wahrscheinlich wäre es schwieriger als sonst, den transzendenten Zustand neutraler Offenheit zu wahren. Sie fuhr sich ein letztes Mal durch das Haar und entledigte sich dann ihrer Stiefel und ihrer Handschuhe. Dann folgte die Hose. Und dann die Tunika. Sie versuchte das Rascheln ihrer Kleidung so gering wie möglich zu halten. Um die Heiligkeit des Ortes, des Momentes, nicht durch die Profanität abgelegter Kleidung zu stören. Aber auch, weil sie nicht weiter darauf aufmerksam machen wollte, dass sie sich hier entkleidete. Nur ein paar Schritte von Link entfernt.   Nur in ihrem Unterkleid, dem weißen, feinen Leibchen, das ihr bis zur Mitte der Oberschenkel reichte, trat sie in das Wasser. Anders als der Rest von Phirone, war die Quelle kühl. Winzige Wellen bildeten sich, schwappten über die Steine und plätscherten fröhlicher, als es zu diesem heiligen Ort passen sollte.   Das Wasser fühlte sich anders an als sonst. Es war eine Weile her, seit Zelda das letzte Mal hier gewesen war. Gesteigerte Monsteraktivitäten hatten verhindert, dass sie mit der gewohnten Regelmäßigkeit hier herkam. Dennoch, sie wusste ganz genau, wie es sich anfühlte. Wasser, das ihre Beine umspülte, das ihr bis zum Bauchnabel reichte. Wasser, das einfach nur Wasser war. Die Nässe. Die Scham. Die Enttäuschung.   Langsam bewegte sich Zelda auf die Statue zu. Sah zu ihr auf. Es kribbelte. Ganz leicht nur. So leicht, dass sie nicht wusste, ob sie es sich nur einbildete. Es fühlte sich an wie elektrische Spannung. Als sei das Wasser aufgeladen mit einer unsichtbaren Kraft, die mit formlosen Fühlern nach ihr griff. Stumm wartete Zelda das irgendetwas geschah. Doch die Zeit verging, ohne das sich sonst etwas änderte. Dennoch ermutigte sie diese Empfindung. Sie formte mit ihren Händen das Gefäß, das sie schon bei ihrer Mutter beobachtet hatte, und goss sich das Quellwasser über den Haaransatz. Wiederholte den Vorgang und konzentrierte ihren Geist auf die Reinigung. Auf das Fortwaschen ihres alten Selbst, mit jedem Wasserstoß. Als sie vollkommen durchnässt und gereinigt war, legte Zelda die Handflächen auf die Wasseroberfläche. Es war nicht viel, was sie wusste. Erinnerungen an ihre Mutter. Kniend, im Mondlicht. Von innen leuchtend, bevor sie sich umdrehte und ihre Tochter sah. Gemurmelte Worte vor dem Sonnenaufgang. Ein seliges Lächeln. Ihre Mutter hatte gebetet und sie hatte die Quellen besucht. Es gab nicht viel mehr, was Zelda einen Anhaltspunkt geben konnte. Also tat sie es auch. In all den Jahren waren das die Bilder, die sie sich vor Augen führte, wenn sie zu ihren Andachten niederkniete. Sie beschwor die Erinnerungen herauf, an ihre wunderschöne Mutter. Die so glücklich, so friedlich wirkte. Das war die innerliche Haltung, auf die Zelda abzielte. Mal mit mehr und mal mit weniger Erfolg. Es gab keine Dokumente, die davon handelten, wie man die Siegelkräfte erweckte. Dieses Wissen wurde von Generation zu Generation weitergetragen. Mündlich. Damit nie jemand dieses Wissen stehlen und missbrauchen würde. Es war eine Sicherheitsmaßnahme. Doch in Zeldas Fall würde es nicht nur ihren eigenen Untergang bedeuten, wenn sie nicht Kräfte nicht ohne diese Hinweise erwecken könnte.   Zelda wischte diese Gedanken fort. Sie sollten hier keinen Platz haben. Nicht an diesem Ort. Sie atmete tief ein und ließ ihren Atem fließen, versuchte sich zu öffnen. Zu akzeptieren. Ruhe und Klarheit. Was immer die Göttin vorsah, Zelda würde es annehmen.   Bitte. Bitte. Hylia. Was soll ich tun? Bitte. Bitte. Ich bin hier. Ich werde es immer sein. Bitte. Ich brauche dich. Zeig mir den Weg. Ich bitte dich. Bitte. Hylia.   „Prinzessin“, sagte eine sanfte Stimme an ihrem Ohr und etwas Warmes, Weiches legte sich um ihre Schultern. Der plötzliche Kontrast, das Geräusch, die Berührung, durchfuhr sie mit einem Schauer. Zelda zuckte zusammen. Ihre Augen sprangen auf. Es war dunkel. Sie fror, ihren Unterkörper spürte sie nicht mehr und das nasse Unterkleid klebte an ihrem Körper.   „Was-Wie-Aber“, stammelte sie. „Kommt“, sagte die Stimme noch sanfter. „Es ist spät. Ihr seid durchgefroren. Es ist genug.“   Seine Hände lagen auf ihren Schultern, auf der Decke, in die er sie gewickelt hatte. Gegen die Kälte des Wassers, in dem sie den ganzen Tag gestanden hatte. Oder wegen des Kleides, das an ihrem Körper klebte und so durchsichtig sein musste, dass es Zelda Schamesröte auf die Wangen getrieben hätte, wäre ihr Blut dazu in der Lage, sich so schnell zu bewegen.   Sie ließ sich von ihm durch das Wasser führen, das ihm ebenfalls bis zur Hüfte ging. Weg von der Statue. Hinaus auf die Steine, über die Zelda beinahe stolperte. Hin zu einem fröhlich flackernden Feuer. „Sollten wir hier ein Feuer entzünden?“, fragte sie schwach und wankte darauf zu. Sie spürte, wie Link mit den Schultern zuckte. „Sie scheint sich nicht daran zu stören“, sagte er und Zelda brauchte einen Moment zu erkennen, dass er einen Scherz gemacht hatte. Der Gedanke erschreckte und verstörte sie zugleich. Man machte keine Witze über die Göttin. Doch ihr fehlte die Kraft für einen entsetzten Blick. Seine Worte machten etwas in ihr. Lösten etwas aus, eine Gedankenkette, doch Zelda war zu erschöpft, um ihr zu folgen. Link reichte ihr eine kleine Phiole, setzte sie an ihre Lippen, als sie keine Anstalten machte sie entgegenzunehmen. Wärme durchflutete sie. Genug, um das Zittern zu stoppen, das eingesetzte hatte, sobald sie aus der Quelle getreten war. Sie folgte, als er sie führte. Zu einem Lager neben dem Feuer. Fühlte Weichheit, roch frische Luft und Link. Dann wurde sie von Dunkelheit überwältigt.   Sie erwachte vor Sonnenaufgang, gehüllt in Wärme und Weichheit. Das Feuer brannte immer noch, ließ knisternde Funken in den dämmrigen Himmel aufsteigen. Sie lag auf der dünnen Matratze, auf der sie vor zwei Nächten bereits geschlafen hatte, doch unter ihrem Kopf stapelten sich nun mehrere weiche Kleidungsstücke. Daunen. Es musste Links mit Federn gefüllte Winterkleidung sein, zusammengerollt als Kopfkissen. Also versteckte er nicht nur Waffen, Schilde und Verpflegung in dieser Tasche. Nach der Nacht am Lagerfeuer roch alles ein wenig nach Rauch, so wie bestimmt auch sie selbst. Dennoch, darunter war dieser Geruch, den sie von Link kannte. Ein wenig metallisch, frisch und … und Mann. Hitze stieg in ihren Wangen auf. Unter der Decke trug sie immer noch ihr dünnes Unterkleid. Nun nicht mehr nass, so wie in der Nacht zuvor. Link musste sie darin gesehen haben. Musste gesehen haben, wie es an ihrem Körper klebte, bevor er die Decke um ihre Schultern gelegt hatte. Zelda schämte sich, ihm diesen Anblick geboten zu haben. Es ziemte sich nicht. Ebenso wenig, wie die Nase in die Kleidungsstücke eines jungen Ritters zu vergraben. Von dessen Geruch umhüllt, einzuschlafen. Langsam hob Zelda den Blick. Link saß nicht weit entfernt, mit dem Rücken zum Feuer. Er trug ein weißes Hemd, das Hemd, das er unter seiner Reckentunika trug. Die neben ihm auf den Steinen ausgebreitet war. Zum Trocknen. Ein blauer Fleck in der dämmrigen Dunkelheit. Richtig, er war in die Quelle gekommen, um sie herauszuholen. Hatte sich dabei wohl ebenfalls völlig durchnässt. Sein Schwert lag über seinen Knien und er konnte unmöglich genug Wärme vom Feuer spüren. Es sah unbequem aus.   Anders als ihre Bettstatt, die sie so warm und schläfrig machte, dass sie gegen den Drang kämpfen musste, erneut die Augen zu schließen und weg zu dämmern. Sie gewann den Kampf und setze sich auf, die Decke vor der Brust festhaltend. Link war sofort auf den Beinen.   „Danke“, sagte Zelda. Etwas Wichtigeres gab es nicht. „Danke“, wiederholte sie. Darauf bedacht, nichts von dem zu vergessen, was er für sie tat, oder es als selbstverständlich hinzunehmen. Er nahm eine entspanntere Position ein. Ließ das Schwert sinken. Vielleicht hatte sie ihn mit ihrer plötzlichen Bewegung erschreckt. „Ich dachte, dieses Mal wäre es anders. Es fühlte sich anders an. Am Anfang.“ Zelda seufzte und starrte in die Flammen. „Natürlich lag ich falsch. Ich weiß nicht, warum ich immer noch hoffe.“ Sie schluckte. „Ich habe nicht bemerkt, wie die Zeit verging. Und auch die Kälte nicht. Wahrscheinlich wäre ich im Wasser zusammengebrochen, wenn du mich nicht aus dem Gebet geholt hättest. Also, ich danke dir für deine Intervention.“ Zelda zwang sich zu einem Lächeln, wollte ihre Worte nicht von einer missmutigen Miene begleitet wissen. Doch sie vermutete, dass es nicht ihre Augen erreichte.   „Urbosa hat erwähnt, dass so etwas schon einmal geschehen ist“, gestand er und begann mit schnellen Handgriffen ein Frühstück zu bereiten. Zelda sah Pilze und goldenen Weizen. „Warst du die ganze Nacht wach?“ Er zuckte mit den Schultern. Zelda deutete es als ein ja. „Noch einmal. Ich danke dir.“ Wieder antwortete er mit einem Schulterzucken. Dieses Mal jedoch mit leicht geneigtem Kopf. Keine große Sache, interpretierte sie.   Zelda fuhr sich mit einer Hand über das Gesicht, während die andere weiterhin die Decke hielt. „Es tut mir leid, dass ich unsere Zeit verschwendet habe, ich-“ „Es war keine Zeitverschwendung“, unterbrach er sie, mit genug Hitze in der Stimme, das Zelda abbrach. „Auch wenn nicht das geschah, was Ihr euch erhofft hattet. Dennoch war es wichtig. Es ist nicht Eure Schuld, Prinzessin.“ Zelda betrachtete ihn mit großen Augen. „Ich sollte-“, begann sie. Wollte sich erklären. „Ihr tut es“, unterbrach er sie erneut. Und dieses Mal schwieg Zelda. Überrascht von der Intensität, mit der er sprach, seinem schnellen Widersprechen, sowieso der Sicherheit der Worte.   Nach einer Weile reichte er ihr einen Löffel und eine Schüssel, voll mit goldenem, heißen Weizenbrei und gedämpften Pilzen. Der köstliche Geruch ließ sie an das Geständnis denken, das er vor zwei Tagen gemacht hatte. Ich esse gerne.   „Erklär' es mir noch mal“, begann sie und klopfte sich mit dem Löffel an die Lippen. „Warum sagtest du, kannst du so gut kochen?“. Er hatte nichts dergleichen gesagt. Was der Grund war, wieso sie noch mal auf das Thema zurückkam. Außerdem war es unschuldig. Hatte nichts mit Legenden und Göttinnen, nichts mit Weisheit, Kraft oder Mut zu tun. „Ich esse gerne“, wiederholte er die Antwort, die er ihr auch schon zuvor gegeben hatte.   Seine Portion signifikant größer als ihre eigene. Zelda beobachtete ihn durch das Feuer. Führte nur ab und zu einen Löffel zum Mund, während Link sich wie ein Verhungernder über seine Schüssel hermachte. Er schien ihre Augen auf sich zu spüren, denn er warf ihr immer unruhigere Blicke zu. Vielleicht war es die Nähe zum Feuer, die seine Wangen rötete, aber Zelda hatte den unbestimmten Verdacht, dass er errötete.   „Wenn ich mehr Zeit mit der Zubereitung verbringe, esse ich nicht so viel“, murmelte er und begann seine Schüssel über dem Feuer zu reinigen. Sein Geständnis erschien ihr eine eher knappe Interpretation der Wahrheit zu sein.   Er war ein Vielfraß! Wie unfair die Welt doch war. Sein erster Fehler, die erste Schwachstelle, die sie fand und dann war es etwas so restlos Charmantes. Und so einfach auszunutzen.   „Nun bin ich unerklärlicherweise dazu geneigt, dich mit Nahrung zu erpressen, wann immer du knausrig mit Information bist.“   Er stoppte in seinen Bewegungen und betrachtete sie mit einem Blick, der seinen Horror nur schlecht verbarg. Doch er schien zu bemerken, dass sie scherzte, denn langsam breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus. Zelda betrachtete ihn schweigend. Warm umschlungen von seinen Besitztümern, eingehüllt in seinen Geruch. Eine Wolke aus Schmetterlingen eruptierte in ihrem Bauch. Das war … absolut unerwartet.   Zelda reichte ihm ihre leere Schüssel und er begann, sie ebenfalls zu reinigen. Sie sah zu, wie ihm das Haar in die Stirn fiel. Entwickelte eine merkwürdige Faszination damit, wie die weiße Tunika genau unter seinen Schlüsselbeinen endete und den Blick darauf zu lenken schien. Auf die elegant geformten Knochen, die sich bei jeder Bewegung unter seiner Haut abzeichneten. Sie senkte abrupt den Kopf.   Elegant geformte Knochen. Beinahe hätte sie gelacht. Bei der Göttin. Sie war nicht besser als Mipha. Und die Frauen bei Hofe. Sie war nicht besser, als wahrscheinlich jedes andere weibliche Wesen, das je Zeit mit Link verbracht hatte.   Zelda seufzte. Nun, sie hatte es bemerkt, als sie ihn das erste Mal gesehen hatte. Und sich seit dem permanent gegen die Erkenntnis gesträubt. Er war ein außergewöhnlich wohlgeratenes Exemplar der Hylianischen Rasse. Es waren die Haare. Die agile Statur mit all den fein ausgebildeten Muskeln. Und diese Augen. Selbst die Augenbrauen, die eine gewisse Schärfe in das sonst makellos schöne Gesicht brachten, das ohne diesen männlichen Zug mädchenhaft hübsch gewesen wäre.   Es würde die Sache nicht unbedingt erleichtern, dass sie für diesen Fakt nun nicht weiter blind war.   Link schlüpfte in sein Reckengewand und wandte sich dann um, damit Zelda in ihre Kleidung steigen konnte. Sie zwang sich, nicht zu erröten, als sie daran dachte, dass Link sowohl Hose, als auch Tunika aufgehoben und neben sie gelegte haben musste, während sie schlief. Mit seinen Händen den Stoff berührt hatte. Zelda ermahnte sich. Das wurde mit verstörender Schnelligkeit lächerlich. So schnell wie möglich zog sie sich an. War sich seiner Anwesenheit nun noch bewusster als am Tag zuvor, als sie sich entkleidet hatte. Sie stieg in ihre Stiefel und ging zum Quellbecken, um in der dortigen Spiegelung ihr Haar zu flechten.   Als sie sich umdrehte, sah es so aus, als hätte es nie ein Feuer gegeben und alle Ausrüstungsgegenstände waren verschwunden.   „Wo versteckst du das alles?“, fragte sie verwundert, dieses Mal zu perplex, um ihr Interesse an diesem Mysterium zu verbergen. Er sah auf und ließ das Bannschwert in der Scheide verschwinden. „In meiner Tasche“, sagte er und klopfte auf das kleine Ding an seinem Gürtel. „Wie?!“ Sein Mundwinkel zuckten, dann zwinkerte er ihr zu – er zwinkerte ihr wahrhaftig zu – und antwortete „Magie.“   Zelda schüttelte den Kopf und unterdrückte nur schwer ein Lachen. Sie hatte keine Idee, welche Art von Magie es möglich machte, in einer so kleinen Tasche all diese Ausrüstungsgegenstände zu verstauen, geschweige denn Verpflegung für Wochen, Utensilien und Waffen. Aber sie hatte eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wie sie es aus ihm heraus kriegen würde.   Ihr Rückweg führte sie über die Hyliabrücke und am Plateau vorbei. Wie komisch es doch war, dass sie noch vor wenigen Wochen einer ähnlichen Route gefolgt waren, mit ganz anderen Gefühlen zwischen ihnen. In der Torstadt am Fuße des Plateaus erstand Zelda einige Apfelpasteten, während Link in der Kaserne jemanden beauftragte, der ihre Pferde im Stall an der Grenze zur Gerudo Wüste abzuholen und zum Schloss zu bringen. Es waren kleine, zauberhaft duftende Teigstücke, die sie in einem Marktstand kaufte und mit spitzbübischem Grinsen in ihrer Tasche verstaute.   „Apfelkuchen“, sagte sie nicht wenig später, als sie die Stadt verlassen hatte und der Hauptstraße folgten. Sie würden die Strecke bis zum Schloss an diesem Tag nicht schaffen. Aber spätestens gegen Mittag des nächsten Tages dort eintreffen. Es fühlte sich an, als würde ein wundersames Abenteuer zu Ende gehen. Und Zelda fühlte sich seltsam beschwingt. Wie von frischem Wind durch gepustet. Ein wenig albern.   Links Kopf schnappte beinahe augenblicklich herum. Er ging einige Schritte vor ihr, da er auskundschaftete, welchem Weg er folgen wollte. Zelda zog die fest eingewickelten Backstücke hervor und schwenkte sie einladend in seine Richtung. Passenderweise dampften sie immer noch ein wenig. Er öffnete den Mund, um zu sprechen, aber Zelda unterbrach ihn. „Sie gehören dir, für einen sehr, sehr kleinen Preis.“ Er war stehen geblieben und sah sie misstrauisch an. „Und der wäre?“, fragte er argwöhnisch. All seine Vorsicht konnte die offensichtliche Sehnsucht auf seinem Gesicht nicht verstecken. Sein Blick folgte den Dampfschwaden. „Information“, antwortete Zelda. „Was hat es mit dieser Tasche auf sich“, verlangte sie zu wissen. Für den Fall, dass nicht klar sein sollte, worum es ihr ging, deutete sie auf das kleine Wunderwerk an seinem Gürtel. Links Augen wurden groß. Weiteten sich auf beinahe komische Weise. Dann seufzte er resignierend. „Das ging schnell“, murmelte er und meinte damit, wie schnell sie einen Weg gefunden hatte, seine Schwäche für Nahrung für ihre Zwecke auszunutzen. Nun, sie hatte es angekündigt. Link fuhr sich mit der Hand in den Nacken. Zelda grinste. „Ich bin berühmt für meine Fähigkeiten als Forscherin. Das liegt mir im Blut. Es war nur eine Frage der Zeit, Sir Ritter.“ Er warf ihr einen dreckigen Blick zu, der sie zum Lachen brachte. Dann kam er ihr einige Schritte entgegen. „Krogs“, presste er hervor und streckte dann die Hand aus, als sei das eine ausreichende Antwort. Herausfordernd sah er sie an. „Krogs?“, wiederholte Zelda, nun fasziniert. Unwillkürlich ließ sie den Arm sinken. Und die Apfelpasteten in der Hand. „Was haben Krogs damit zu tun? Wo hast du überhaupt einen Krog gefunden, ich dachte, sie wären ein Mythos.“ Link atmete laut aus, schwer bedrückt davon, dass der Apfelkuchen aus seiner Reichweite verschwand. Er sandte ihr einen leidenden Blick zu. Einen sehr leidenden Blick und ergab sich dann seinem Schicksal. „In den verlorenen Wäldern. Sie helfen dem Deku-Baum. Sie nennen der Ort Wald der Krogs. Einer von ihnen kann Taschen so verzaubern, dass sie unendlich viel mehr Fassungsvermögen erhalten. Also, wenn du jetzt fertig damit bist, mich zu verhöhnen?“   Zelda reichte ihm das Bestechungsmaterial und Link griff danach, bevor sie es ihm wieder wegnehmen konnte. Schweigend beobachtete sie, wie er den Kuchen auswickelte und herzhaft hinein biss. Er schloss kurz die Augen, als er den Geschmack genoss. Sie fragte sich, ob ihm bewusst war, was er gerade gesagt hatte. Dass er die ehrenhafte Anrede vergessen und sie mit familiärem Du angesprochen hatte. Wahrscheinlich hatte ihm das Vorenthalten seines Begierdeobjektes für kurze Zeit den Verstand umnebelt. Doch das Sehnen, dass dieser freundschaftliche Schlagabtausch in ihr auslöste, ließ Zelda jeden Humor vergessen.   „Vielleicht“, begann sie, um den Moment zu zerstreuen, „würdest du nicht so viel essen, wenn du mehr schlafen würdest.“ Sie hatte es schon einmal gesagt. Und an dem Blick den Link ihr zuwarf, kauend, mit geschlitzten Augen, war deutlich, dass er sich ebenfalls erinnerte. Gut, durch Wiederholung erhielt ihre Aussage einen witzigen Beigeschmack. Sie hatte sowieso das Gefühl, dass er das nicht zum ersten Mal hörte. „Vielleicht“, sagte er, nachdem er den Bissen geschluckt hatte, „verzichte ich absichtlich auf Schlaf, um mehr essen zu müssen“, wiederholte auch er die Vermutung, die er schon das letzte Mal geäußert hatte. Doch nun mit so einem verwegenen Blick und so viel Wagemut in der Stimme, dass Zelda laut lachen musste. So laut, dass sie unbewusst nach etwas greifen wollte, das ihr etwas Halt geben konnte, während sie von Lachsalven geschüttelt wurde. Ihre suchende Hand fand Links Unterarmschützer und krallte sich daran fest. Sie richtete sich auf, nachdem sie sich beruhigt hatte. Wischte sich über die tränenden Augen und ihr Lachen verstummte. Wortlos, beinahe träumerisch betrachtete sie ihre Hand auf seinem Arm. Sie war geneigt, sie dort zu lassen. Er war so schnell so enorm in ihrem Ansehen gestiegen, dass sie begann ungute Entscheidungen zutreffen, so weit es ihn betraf. Sie hatte ihn gerade mit einem Apfelkuchen bestochen. Und nun wollte sie sich an ihm festhalten und nicht mehr loslassen? Was, Hand in Hand mit ihm über die Ebene marschieren? Zelda spannte kurz die Finger – da sie anscheinend ein albernes Mädchen war – spürte der Form des Lederstücks unter ihren Händen nach und ließ dann seinen Arm los. Sie bildete sich ein, dass Links Hand für einen Moment länger in der Luft verweilte. Als würde er ihr die Chance geben wollen, ihn erneut zu berühren. Das war mit größter Wahrscheinlichkeit ein Anflug von Wahnsinn ihrerseits und solche Torheit war wohl der Grund, wieso sie die Siegelkräfte nicht erwecken konnte, die doch eigentlich ihr Geburtsrecht waren; sie waren eng mit Weisheit verflochten und momentan schien Zelda davon nicht eine Unze zu besitzen.   *   Sie nächtigten in im Gasthof eines kleinen Dorfes unweit von Hyrule Stadt. Sie hatten einvernehmlich beschlossen, dass sie nicht im Dunkeln im Schloss eintreffen wollten. Wegen der Botschaft von Unverantwortlichkeit, die solch späte Reisezeit transportierte. Außerdem wollte Zelda es nicht so abrupt enden lassen. Sie hatte den Verdacht, dass es Link ähnlich ging. Auch wenn sie da ziemlich auf Spekulationen angewiesen war und natürlich die Möglichkeit bestand, dass sie vollkommen falsch lag.   Die Gasthofbesitzerin erkannte sie sofort, der Nachteil der Heimnähe, und erklärte ihnen voller Begeisterung, für wie klug sie es hielt, dass Zelda Link zum Hauptmann ihrer Wache gemacht hatte. Was natürlich weder so geschehen war, noch stimmte, aber Zelda war nicht danach, sie zu berichtigen. Und Link war zu loyal, um irgendwie zu erwähnen, wie schäbig die Prinzessin sich ihm gegenüber verhalten hatte, ob nun Hauptmann, oder nicht. Sie erhielten zwei aneinandergrenzende Zimmer, die durch einen Zwischenraum miteinander verbunden waren. Link benötigte einen Moment, um seinen Rundgang durchzuführen. „Also habe ich dich doch an den Wänden riechen sehen“, lamentierte Zelda fassungslos, nachdem er die Tür hinter ihr geschlossen hatte. Sie hatte es doch gewusst. Er zuckte mit den Schultern, was Zustimmung genug war. „Was hoffst du denn zu riechen?“, fragte sie amüsiert. „Bananen“, antwortete Link und kniete nieder, um ein Feuer im Kamin zu entfachen. Da dort bereits eines aufgeschichtet war, dauerte es kaum zwei Atemzüge und die ersten Flammen züngelten empor. „Bananen“, wiederholte Zelda ungläubig. „Ja“, bestätigte er und stand auf. „Und ich hoffe eigentlich, sie nicht zu riechen. Yiga riechen nach Bananen.“ „Oh“, machte sie. Diese Antwort reichte, um sie zum Schweigen zu bringen. Link bedachte sie mit einem schwer deutbaren Blick. Trotzdem hatte Zelda das Gefühl, dass er wusste, was in diesem Moment in ihr vorging. Allerdings hatte er genug Feingefühl um es nicht zur Sprache zu bringen. Er löste die Befestigung des Bannschwertes von seinem Rücken und lehnte es mitsamt Scheide an die Wand, dann ließ sich in einem gepolsterten Sessel nieder, der nicht weit vom Feuer entfernt stand. Zelda setzte sich ebenfalls. „Woher weißt du das?“, fragte sie leise. „Wenn man genügend von ihnen getötet hat, schreibt sich die Statistik von allein.“ Er hielt kurz inne. Überzeugte sich davon, dass das Thema ihr nicht zu viel wurde. „Sie essen kaum etwas anderes. Es grenzt an Besessenheit, ihre Fixierung auf Bananen.“ Wenn man genügend von ihnen getötet hat. „Wie viele … Yiga … hast du getötet?“, erkundigte sie sich mit kaum hörbarer Stimme. Auch wenn es sie schockierte, schien sie sich nicht stoppen zu können. Link zögerte, sichtlich unbehaglich darüber zu sprechen. Doch er tat ihr den Gefallen und antwortete: „Viele.“ Auch wenn es herzlich unbestimmt war, durchflutete sie Dankbarkeit. Dafür, dass er nicht einfach das Thema wechselte. Dafür, dass er ihr zutraute, selbst einzuschätzen, wann und wann nicht sie etwas gewachsen war. Trotz alledem durchfuhr sie ein Schauer. „Es ist seltsam“, begann sie und rieb sich mit den Händen über die Oberarme, um die plötzliche Kühle zu vertreiben. „Bokblins und Moblins zu töten scheint mit so anders, als gegen Männer zu kämpfen. Mörderische, fehlgeleitete, verräterische Männer zwar, aber dennoch ...“ Sie zuckte mit den Schultern und ließ die Hände sinken. „Als lägen Welten da zwischen. „ Link fixierte sie mit einem schwer lesbaren Blick. „Es heißt, Ganon war einst ein Mann, und dennoch haben wir ihn zahllose Male getötet, da die Zeit ihn immer wieder zu uns zurückbringt, in einem endlosen Kreis.“ Für eine lange Zeit starrte sie ihn einfach nur an, während sie seine Worte verarbeitete. „Ich weiß nicht, wo ich beginnen soll“, sagte sie zögerlich, als sie die Bedeutung des Gesprochenen realisiert hatte. „Willst du damit sagen, du glaubst der Held und die Prinzessin aus den Legenden waren tatsächlich … wir?“   Link nickte in Richtung des Bannschwertes, das neben ihm an der Wand lehnte. „Ihr fragtet mich einmal, ob es mit mir spricht. Und das tut es nicht. Nicht mit Worten. Aber seit es bei mir ist … wenn ich schlafe, dann träume ich. Träume, die meine sind und … und nicht.“ Er fixierte sie mit einem Blick, den Zelda nicht deuten, der sie aber nicht loszulassen schien. Als wäre es wichtig, was er ihr zu sagen hatte und als würde er ihre gesamte Aufmerksamkeit verlangen. Als bestehe die Gefahr, dass sie nicht zu gehört hätte. Seine Worte fesselten sie. Der Fakt, dass er überhaupt sprach, fesselte sie. „Ich habe nicht das gleiche Alter, nicht dieselben Eltern, an einem Ort, mit einem anderen Namen. Ich werde von einem Waldgeist großgezogen, als Waisenkind von meinem Onkel, oder ich bin nur ein Ziegenhirte in einem Baumhaus, aber immer … ich.“ Seine Hände gruben sich in die Lehnen des Sessels, während er sich leicht nach vorn legte. „Und die Prinzessin“, sagte er und seine Stimme wurde leise, durchdringender. „hält sich versteckt. Oder sie ist eine versierte Bogenschützin. Oder die tatsächliche fleischliche Verkörperung von Hylia selbst. Aber jedes Mal, wenn ich sie in meinen Träumen sehe, bist es immer … du.“   Zelda schluckte. Der Rhythmus seiner Stimme war hypnotisch und sie starrte ihn an, ohne zu blinzeln. Die Intensität seines Blickes hielt sie gefangen, während sie versuchte zu verarbeiten, was er gerade gesagt hatte. Er faszinierte sie. Und dieses Mal hatte sie keine Schwierigkeiten es vor sich selbst zuzugeben. Sie hatte einfach keine andere Bezeichnung für ihre eigene Reaktion. Für das wilde Flattern ihres Herzens. Für die Euphorie, die ein simples du, in ihr auslöste.   „Glaubst du“, sagte Zelda mit rauer Stimme „es sind die Erinnerungen des Schwertes?“ Link nickte. „Ich habe mich selbst darauf zu laufen sehen, immer und immer wieder. Ich habe gefühlt, wie es mich erkannt hat, wenn ich näherkam. Es hat nicht immer sofort zu gelassen, dass ich es ziehe. Ich musste stark genug sein, oder meine Not musste groß genug sein. Aber all die Prüfungen, die ich ablegen muss, bevor ich es erhalte, sind immer zu meinem eigenen Nutzen. Das Schwert braucht sie nicht. Es kennt mich besser, als ich mich selbst.“   Die Schlussfolgerung war logisch, lag vor ihr ausgebreitet, in leuchtend hellen Lettern, aber Zelda konnte sich nicht dazu bewegen, sie anzunehmen. Sie brauchte es nicht. Link schien zu merken, dass sie Schwierigkeiten mit den Erkenntnissen hatte, und trieb das Thema alleine voran.   „Als Ihr den Thronsaal kamt, an dem Tag, als ich Euch das erste Mal sah, da erkannte ich Euch. Das Schwert hat Euch erkannt. Kennt Euch. Deswegen kann ich so sicher sein, dass die Probleme die ihr habt – mit Eurem Vater, den Siegelkräften, den Gebeten, den Quellen – Ihr habt keine Schuld daran. Sie sind Eure Prüfung. Es ist, was immer Ihr auch zu tun habt, damit Ihr bereits seid für die Kräfte, zu denen Ihr bereits Zugang habt. Was immer diese Kräfte sind. Sie kennen Euch so gut, wie das Schwert es tut. Wie ich es tue.“ Bei seinen Worten zog Zelda zittrig Luft ein. Und hörte dann auf, zu atmen. „Ihr seid dieselbe Zelda, die Ganon immer und immer wieder besiegt hat, unzählige Male. Und Ihr werdet es wieder tun.“ „Tu das nicht“, flüsterte sie, tief bestürzt. „Tu was nicht?“, fragte er sofort. „Wenn ich Euch gekränkt habe, dann-“ „Sag solche Dinge nicht“, brachte Zelda hervor. „Ich verdiene sie nicht. Nicht von dir. Ich war so scheußlich zu dir, ich war nicht einmal höflich und du-“ Ihre Stimme brach. Zu schockiert war sie von seinen Worten. Von den wirrenden Gefühlen aus unfreiwilliger Hoffnung, Reue für ihr Verhalten ihm gegenüber und Dankbarkeit. Klopfende, heiße Gefühle, die ihren ganzen Körper in Aufruhr versetzten. „Ich glaube an Euch“, widersprach Link, sanfter nun, da er nicht fürchten musste, dass er eine Grenze überschritten hatte. „Ich hätte Euch sonst nicht die Treue geschworen. Ich würde Euch sonst nicht mein Leben versprechen. Immer und immer wieder.“ Er atmete tief durch. Faltete die Hände vor seinem Körper und betrachtete sie mit einer Mischung aus Sorge und Befriedigung. „Wenn es Euch lieber ist, dass ich nicht davon spreche ...“ sagte er und Zelda nickte dankbar. Auch wenn sie sich nicht sicher war, ob sie wirklich aufhören wollte, darüber zu sprechen. Es würde ihr zumindest Zeit geben, zu verarbeiten, was er gesagt hatte. Und die innere Aufruhr zu verbergen. Wie lange sie das noch konnte, wusste sie nämlich nicht. „Warum-“, begann sie stockend, in einem verzweifelten Versuch das Gespräch in Bahnen zu lenken, die sie greifen konnte. Nicht gewillt gar nicht mehr zu sprechen, nur weil sie zu aufgewühlt war, um wirklich zu verstehen. „Warum weigerst du dich so häufig zu sprechen?“, flüsterte sie, weigerte sich allerdings ihn anzusehen. „Deine Stimme ist so...“ Oh Zelda, du Idiotin, sag ihm das doch nicht! „nicht unangenehm. Deine Worte nicht unkultiviert. Du hast viel zu sagen. Wichtiges zu sagen. Eine Meinung und Erfahrungen. Warum wählst du das Schweigen?“   Die Frage schien ihm Mühe zu bereiten, aber er signalisierte ihr, dass er zu antworten gedachte. Zelda lehnte sich in ihrem Sitz zurück. Gelassener nun, weil es nicht mehr um sie ging. Sie wartete geduldig, während das Feuer fröhlich knackte.   „Als ich Mipha traf – Ihr kennt die Geschichte?“   Zelda schüttelte den Kopf. Setzte sich aufrechter, um besser hören zu können.   „Ich traf sie bei einer diplomatischen Mission, die mein Vater als Schutz begleitete. Er hielt es für wichtig, dass ich diese Dinge von früh auf sah und lernte. Als ich Mipha traf, sah sie für mich aus wie ein Kind. Dabei war ich das Kind, da die Zora so viel jünger aussehen, als sie eigentlich sind.“ Sein Blick wanderte zum Feuer. Und verweilte dort, während sein Geist in die Vergangenheit zurücksah. „Ich war... ein bisschen draufgängerisch. Darauf aus, mich zu beweisen. Meine Grenzen auszutesten. Zu erfahren, was und was ich nicht tun konnte. In der Hoffnung, dass es nichts gab, was ich nicht tun konnte. Mein Vater förderte dieses Verhalten und meine Mutter stritt deswegen mit ihm. Doch am Ende war es sein Zuspruch, der mich anstachelte.“ Zelda lächelte bei dem Bild, das vor ihrem inneren Auge auftauchte. Ein kleiner Junge mit einem kleinen Schwert. Ein Draufgänger. An liebende Eltern, eine liebende Mutter. Süßer Schmerz zuckte in ihrem Herzen auf. „Als ich Mipha traf, nahm sich mit auf einen Rundgang durch ihr Land. Und wir trafen auf Echsalfose, die mit Elektrizität kämpften. Tödlich gefährlich für Mipha. Aber es war etwas, das ich noch nie zuvor gesehen hatte. Als sie uns angriffen, dachte ich nicht an Gefahr. Sondern nur an diese neue, aufregende Gelegenheit. Das Abenteuer. Ich begriff nicht, was es bedeutet hätte, wenn Mipha verletzt worden wäre. Ich habe es erst begriffen, als wir zurückkehrten und ihr Vater vor Sorge laut lamentierte. Und sich vor Dankbarkeit fast überstürzte. Und als Mipha erzählte, wie galant ich ihr zu Hilfe geeilt war, da ließ ich sie. Es war mir lieber, dass sie mich mit den Eigenschaften versah, die sie in mir sehen wollte, als sie mit meinen wahren Motiven zu belasten. Ich wollte ihr freundliches Herz nicht verdunkeln und sie wissen lassen, dass es meine Schuld war. Dass ich uns in Gefahr gebracht hatte, weil ich die Herausforderung in jedem Moment des Lebens suchte.“ Er seufzte. Schien aus der Erinnerung zurückzukehren. „Und ich schätze … daraus wurde eine Angewohnheit. Ich kann die Verantwortung tragen. Die Bürden, die mein Schicksal mit sich bringt. Aber es ist schwer herauszufinden, wer von all denen, die ich in meinem Leben treffe, es ebenfalls kann. Wenn ich der auserwählte Held bin, dann ist das etwas, über das ich keine Kontrolle habe. Wenn nun andere entscheiden, dass ich der Träger von noch mehr Titeln, Hoffnungen und Träumen bin, anderen Gebeten, Sehnsüchten und Wünschen, dann ist das die Bürde, die ich zu tragen habe. Und je mehr Zeit vergeht, desto mehr Augen ruhen auf mir. Und desto größer wird die Notwendigkeit, das Bild, das ich heraufbeschworen habe, am Leben zu erhalten. Am Ende ist es für alle besser, wenn ich schweige.“   Zeldas Hände waren nach oben gewandert, während er sprach. Während die Tragweite dessen, was er ihr gestand, in ihren Verstand sickerte. Sie presste ihre Finger an die Lippen. „So willst du doch nicht dein Leben leben, oder? Die Bürden anhäufen, die andere dir auferlegen. Deine Eigenen niemals ablegen und das alles schweigend ertragen?“   Link zuckte mit den Schultern. Dieses Mal war es kein Ersatz für eine Antwort, sondern eine Geste, die sein Unbehagen ausdrückte. „Ihr kennt die Legenden. Ganon fällt. Die Prinzessin führt Hyrule in ein goldenes Zeitalter. Und was wird aus dem Helden?“ Er erhob sich von dem Sessel und ging die wenigen Schritte zum Kamin, wo er sich an die Wand lehnte. Von ihr angewandt. Sein Gesicht war in Schatten getaucht. Dennoch konnte Zelda ihren Blick nicht von ihm abwenden. „Habt Ihr je davon gelesen, was den Helden nach all dem erwartet, Prinzessin?“   Horror beschlich Zelda, als ihr die Antwort klar wurde. „Nein, das habe ich nicht. Aber das bedeutet gar nichts, Link. Unsere Bibliothek ist so limitiert, der Schriftenverlust so groß-“   „Entweder, ich verblasse und gerate in Vergessenheit, oder der Kampf gegen Ganon ist mein Letzter. So oder so, die Bürden, die Verantwortungen hören auf sich zu anzusammeln.“   Plötzliche Panik durchfuhr Zelda wie ein Blitz und sie setzte sich ruckartig auf. „Nein“, widersprach sie. „Das kannst du nicht glauben. Hast du das Schwert gefragt? Welche Erinnerungen hat es dazu?“ Bei ihren Worten schien er in sich zusammenzusinken. Er hielt den Kopf gesenkt und schwieg für so lange, dass Zelda dachte, er würde nicht mehr antworten. Als er sich letztendlich umdrehte und in ihre Richtung sah, tanzten immer noch die roten Lichter der Flammen über seine Gesichtszüge, tauchten seine Gestalt in ein obskures Mosaik aus Schatten und Feuer, das ihm eine Dramatik verlieh, die Zeldas Atem stocken ließ. „Das Bannschwert gab mir präzise Anweisungen, es nach dem Kampf mit Ganon zurückzubringen, damit es sich für den nächsten Helden bereit machen kann.“   Die angehaltene Luft entwich Zelda in einem zittrigen Strom, während sie wortlos dabei zusah, wie Link sich in einer hölzernen Bewegung vor ihr verbeugte. „Ich lasse Euch jetzt allein, Prinzessin. Wenn Ihr einen Wunsch habt, ruft nach mir.“ Und dann war er fort und mit ihm das Bannschwert, das Knarren der Tür als er sie hinter sich schloss, der einzige Beweis dafür, dass er hier gewesen war.   Zelda unterdrückte ein Schluchzen. Ungewiss, wieso der Drang zu weinen sie beinahe überwältigte. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie sich von dem hypnotischen Flackern des Feuers abwenden konnte. Es kam so gut wie nie vor, dass sie weinte. Aber allein das Bedürfnis zu verspüren und dann nicht mal wegen ihrer eigenen Misere, war etwas, das sie zutiefst verwirrte. Sie zog ihr Tagebuch hervor und starrte es an. Wie konnte sie die Ereignisse, die Gespräche der letzten Tage in Worte fassen? Wie, ohne die restliche Nacht damit zu verbringen, Seite um Seite zu schreiben. Wie konnte sie ihre Gedanken ordnen, ohne die Geheimnisse eines anderen zu offenbaren? Es war unmöglich. Also würde sie es gar nicht erst versuchen. Sie würde die groben Ereignisse skizzieren und darauf hoffen, dass das Lesen Worte in ferner Zukunft die Erinnerungen wieder herbeirufen würde.     Ich bin endlich ein wenig mit Link ins Gespräch gekommen. Nebenbei habe ich erfahren, dass er ein rechter Vielfraß ist, aber das tut nichts zur Sache. Als ich ihn letztlich gefragt habe, warum er immer schweigt, ist ihm die Antwort schwer gefallen. Es stellte sich heraus, dass es Schüchternheit war. Er glaubte, er könne den Anforderungen nicht gerecht werden. Ich dachte immer, er wäre so begabt, dass er sich um nichts sorgen müsste. Doch das Gegenteil ist der Fall. Es hat wohl jeder seine Sorgen, die andere ihm nicht ansehen … Ich dachte nur an mich und an niemanden sonst. Ich werde weiter mit ihm reden. Und vielleicht kann ich mit ihm auch die Dinge teilen, die mir Sorgen bereiten.     Kapitel 9: Kapitel 9 -------------------- Sie erreichten Hyrule Stadt nach dem Mittag. Sie verbrachten den Morgen in Schweigen, die Bedeutsamkeit von Links Worten fühlbar zwischen ihnen. Nicht auf unangenehme Weise, viel mehr hatte sich ein Band geknüpft, fest und stark und so vollkommen unerwartet, dass es Zelda unwirklich vorkam. Wie ein Traum. Und sie wollte sich die Gelegenheit geben, die volle Bandbreite der Erkenntnis wahrzunehmen. Damit sie begreifen konnte, was geschehen war. Außerdem war sie zu dankbar für das Vertrauen, das Link ihr offenbart hatte. Demütigst dankbar. Sie würde die Wichtigkeit seiner Worte nicht mit dem sinnlosen Geplapper ihrer eigenen Unsicherheit abwerten. Stattdessen hatte Zelda geschwiegen, seit sie erwacht war. Ebenso während des Frühstücks. Link war sowieso zu sehr damit beschäftigt so schnell wie möglich alles Nahrhafte in seiner Nähe in sich hinein zuschaufeln, nachdem sie das Mahl am Abend zuvor ausgelassen hatten. Weil sie zu sehr in das Gespräch vertieft gewesen waren. Zu sehr damit beschäftigt, diese eine Frage auszuleuchten. Wie viel mehr er mit ihr geteilt hatte. Zelda musste sich seine Worte nicht in Erinnerung rufen. Sie waren da. Die ganze Zeit, seit er sie offenbart hatte. In ihr. Um sie. Hüllten sie in Wärme und Hoffnung.   Ich glaube an Euch.   Und sie hatte gedacht, Link würde sie verachten. Wie unsagbar blind sie doch gewesen war.   Sie teilten mehrere lächelnde Momente, als sie wortlos nebeneinander herliefen. Wie anders sich dieses Schweigen anfühlte. Link begrüßte die diensthabenden Wachen am Stadttor, so wie er es auch getan hatte, als sie zu ihrer ersten Reise Richtung Hebra aufgebrochen waren. Doch zu diesem Zeitpunkt hatte Zelda es ignoriert. Jetzt besah sie sich die Wachen interessiert. Versuchte sich zu erinnern, ob die Gesichter ihr bekannt vorkamen. Der Anblick der wehenden Fahnen und der, in der Sonne glühenden Türme des Schlosses, erfüllte sie nicht mit der bekannten Scheu. Es fühlte sich beinahe an, als würde sie nach Hause zurückkehren. Was daran liegen musste, dass sie die Zeit im Schloss nun nicht länger auf dieselbe Art fürchtete. Zelda lächelte stumm vor sich hin. Nun hatte sie einen Freund.   Eine weitere Wache trat ihnen entgegen, als sie durch das Schlosstor traten. Der Ritter verbeugte sich und Zelda stoppte. Sie wurde so gut wie nie angesprochen, wenn sie den Schlossgrund überquerte. Aber sie konnte sich schon vorstellen, warum das bei dieser Rückkehr anders war. „Willkommen zurück, Prinzessin.“ Noch eine Verbeugung. Zelda nickte mit einem Lächeln. „Euer Vater wünscht Euch zu sehen. Sobald es Euch möglich ist.“ Was übersetzt bedeutete, sobald sie ankam. Also jetzt. Sie seufzte. „Link“, grüßte der Ritter und sah an Zelda vorbei. Nickte. „Fado“, antwortete ihr Leibwächter leise. Aber mit einer gewissen Herzlichkeit in der Stimme. Natürlich. Link kannte die Ritter. Er war einer von ihnen. Zelda wusste nicht, wieso der Fakt sie so überraschte. Wahrscheinlich, weil sie sich außen vor fühlte. Als Außenseiter, hier, zwischen zwei alten Bekannten. Vielleicht auch, weil sie Link bereits so sehr für sich selbst beanspruchte, dass sie vergessen hatte, dass er ein Leben unabhängig von ihr geführt hatte. Der Gedanke war ihr unangenehm. Er schmeckte nach einer Ignoranz, mit der sie sich nicht identifizieren wollte. Die verzogene Prinzessin die denkt, die ganze Welt würde sich um sie drehen.   Zelda räusperte sich. „Nun, Sir Link“, sagte sie. „Ich vertraue auf meine eigenen Fähigkeiten den Weg zu meinem Vater zu finden. Ich denke, du hast deinen eigenen Aufgaben nachzugehen.“ Sie besah den anderen Ritter vielsagend. „Ich hoffe, dieses Mal lässt du mich alleine den Weg finden?“ Immerhin hatte Link sie sonst kaum alleine gelassen. Nicht mal auf dem Schlossgelände. Aber er schien hier etwas zu erledigen haben. Eine ganze Woche war er fort gewesen. Vielleicht ohne jemandem Bescheid geben zu können. Seinem Vater. Zelda zwang sich zu einem Lächeln. Link hatte gesagt, er würde ihr nichts nachtragen. Also sollte sie auch aufhören, sich unter Schuld zu vergraben.   Ihr Leibwächter nickte stumm, sein Gesicht nun wieder eine emotionslose Maske neutraler Höflichkeit. Richtig. Sie waren wieder im Schloss. „Ja, Prinzessin“, sagte er und verneigte sich vor ihr. Zelda hob die Hand in einer Abschiedsgeste und machte sich dann auf den Weg zum Thronsaal.   Sie fühlte sich seltsam nackt ohne Link an ihrer Seite. Wie viel sich doch in so wenigen Tagen ändern konnte. Es fühlte sich vollkommen anders an, verglichen mit dem letzten Mal, als sie auf diesen Steinen gewandelt war. Ihr ganzes Leben schien sich geändert zu haben. Ihr Vater allerdings konnte davon nicht wissen.   „Eine ganze Woche. Ohne ein Wort!“, polterte er, noch bevor Zelda den Mund öffnen konnte. „Ich bin gespannt, wie du das erklären willst!“ Der König hatte sich erhoben, seine mächtige Präsenz erfüllte den Raum, aber anders als sonst zuckte Zelda nicht vor ihm zurück. „Verzeih mir, Vater. Ich überließ es Link, dir eine Nachricht zu senden. Ich musste schnell aufbrechen. Urbosa verlangte dringend nach meiner Anwesenheit. Sie brauchte Hilfe mit Vah Naboris und ich wollte ihr unverzüglich zur Seite stehen. Wie es meine Aufgabe ist.“ Das würde ihrem Vater gefallen. Und glücklicherweise hatte Link für diese Ausrede gesorgt. Zelda wusste wirklich nicht, wie sie das alles sonst hätte erklären sollen. Ihr ursprünglicher Plan hatte so ganz anders ausgesehen. Bevor der König weiter poltern konnte, wagte Zelda den Angriff. „Auf dem Rückweg reisten wir zur Quelle des Mutes, wo meine Gebete mich in eine so tiefe Trance führten, dass ich einen Zusammenbruch erlitt.“ Erhaben faltete sie die Hände vor dem Bauch und reckte das Kinn in die Höhe. „Die Reise zum Schloss verlief entsprechend langsam. Link hielt es für besser, ohne Pferde zu reisen, da der offizielle Weg zu gefährlich war. Und so kam es zu dieser Verzögerung.“ Alle Luft schien aus ihrem Vater zu entweichen. Es funktionierte. Ihre unaufgeforderte Reise zur Quelle des Mutes besänftigte ihn. Zelda nickte. „Und Urbosas Probleme konnten restlos gelöst werden.“ Der König schien weiter in sich zusammen zusinken. Als hätte sein Zorn, seine Unzufriedenheit mit seiner Tochter ihn aufrechterhalten. Er setzte sich. „Ich bin immer noch ein wenig erschöpft, Vater. Darf ich mich zurückziehen?“ „Was?“ Er schien abwesend, nun, da er keinen Grund sah, sie zu schelten. „Oh ja. Natürlich. Sag Link, dass ich seinen Bericht erwarte.“ Zelda nickte und war im Inbegriff sich umzudrehen, als ihr Vater erneut das Wort ergriff: „Ich bin froh, dass es dir gut geht, Tochter. Und dass dir nichts widerfahren ist.“ „Danke, Vater. Mir geht es ebenso.“ Der König lächelte und für einen Moment war es, als gäbe es zwischen ihnen keine negativen Gefühle. Keine Erwartungen. Keine Enttäuschungen. Zelda wandte sich zum Gehen. Mit einem Lächeln und einer Verbeugung.   *   Sie hatte es geschafft. Aufgeregt trugen ihre Füße sie zu ihren Gemächern. Sie hatte sich ihrem Vater gegenüber behauptet. Ohne Widerworte zu geben. Sie hatte seinen Erwartungen entsprochen und sie hatte sich dafür nicht einmal anstrengen müssen. Überglücklich ließ sich Zelda von ihren Zofen begrüßen. Hielt den Wirbel aus, der um sie gemacht wurde. Um den Zustand ihres Haares und ihrer Kleider. Lächelte geduldig, als man sie in ein heißes Bad drückte. Strahlte förmlich ohne Unterlass. Als der Abend sich über das Schloss senkte, fühlte war es keine Qual, sich ins Gebet zu begeben. Links Worte. Die Reaktion ihres Vaters. Zelda konnte nicht anders, als daraus ein Ohmen zu machen. Endlich machte sie etwas richtig. Zum aller ersten Mal fühlte sie sich gut mit der Richtung, in die ihr Leben sich entwickelte.   Heute Abend war Zelda zuversichtlich, dass sie keine Schwierigkeiten haben würde, zu beten. Sauber und mit vollem Magen stieg sie in das weiße Kleid. Lächelte gedankenversunken, als sie sich an das andere weiße Kleid dachte. Ihr Unterkleid, das sie an der Quelle getragen hatte. Das Unterkleid, über das ihre Zofen sich so echauffiert hatten. Sie erklomm die Treppenstufen mit einer geklärten Ruhe, die ihr zusätzliche Kraft gab. So machtvoll, so richtig, hatte sie sich noch nie zuvor gefühlt. Nie. Und als sie auf dem kühlen Stein niederkniete und die Hände faltete, kam es ihr vor, als müsste jeder das Strahlen sehen können, das sie fühlte. Sie konzentrierte sich auf ihre Dankbarkeit und brachte all ihre innere Freude nach außen, versuchte sie in alle Richtungen zu lenken, die Welt zum Leuchte zu bringen. Wie es einst ihre Mutter getan hatte.   Danke. Hylia. Ich danke dir. Das erste Mal seit Jahren fühle ich mich, als wäre ich auf dem richtigen Weg. Vielleicht hat Link recht und das hier ist meine Prüfung. Und ich werde dich nicht enttäuschen. Ich werde ihn nicht enttäuschen. Hylia. Ich bin hier, um dir zu dienen.   Nur wenige Atemzüge nachdem sie sich erhoben hatte – so energiegeladen und erfrischt wie nie zuvor nach einer Andacht – schwang Link sich über die Balustrade der Wehrmauer. Zeldas Herzschlag beschleunigte sich bei seinem Anblick und sie machte einige schnelle Schritte auf ihn zu. Bis sie sich daran erinnerte, dass sie nun wieder im Schloss weilten. Nicht länger auf den Straßen und Hügeln Hyrules. Nicht mehr frei, zu tun, was sie wollte. Nicht länger Forscherin und Ritter. Sondern Prinzessin und Held. Und die Blicke waren auf sie gerichtet. Zelda schaffte es sich zu bremsen und würdevolle Distanz zu wahren. Ein wenig Luft entwich aus der Blase ihres Glücks.   „Mein Vater erwartet deinen Bericht“, sagte sie und lächelte. Link sah sie an, als wüsste er nicht ganz, ob sie sich daran erinnerte, dass es exakt dieselben Worte waren, die sie ihm vor einer Woche an den Kopf geworfen hatte. Zelda war sich dessen nur zu bewusst. „Morgen“, fügte sie hinzu. Link neigte den Kopf zur Seite. „Und Ihr wollt, dass ich meinem König weiterhin die Wahrheit vorenthalte?“ Zelda erstarrte. Was? Doch dann sah sie, dass er lachte. Sie hörte es nicht, denn er gab keinen Laut von sich. Aber sie sah, wie sich seine Schultern nach vorne rollten und sanft bebten. Ein stummes Lachen. Sie wünschte, das Geräusch würde ihr nicht vorenthalten werden. Zelda schüttelte den Kopf und schnalzte mit der Zunge. Verschränkte die Arme vor der Brust. Alle Würde vergessen. „Du bist ein schrecklicher Mann.“ Ihre Worte schienen ihn noch mehr zu amüsieren. Das Beben seiner Schulter wurde heftiger. Zelda seufzte und wandte den Blick ab. Bestrebt, zumindest zu versuchen, ihre Zuneigung zu verbergen.   Link richtete sich auf und betrachtete sie einen Augenblick schweigend. „Ich dachte, es interessiert Euch vielleicht, dass ich diese Nacht zu schlafen gedenke“, sagte er irgendwann und er lächelte. „Da Ihr so eine unfassbare Faszination mit meinem Regenerationsrhythmus entwickelt zu haben scheint.“ Zelda atmete erschrocken ein. Brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass er scherzte. Es half nicht viel. Sie errötete trotzdem. Inständig hoffte sie, dass er es im Schatten des kaum beleuchteten Mauerwerks nicht sehen würde. „Solch Anmaßung...“, murmelte sie, stolz auf sich und das beinahe unterdrückte Zittern in ihrer Stimme. Törichtes, törichtes Mädchen.   „Und ich wollte Euch sagen, dass Fado für diese Nacht die Wache hier übernehmen wird.“ Sein Kinn zuckte in Richtung des Treppenaufsatzes und Zelda folgte der Bewegung. „Oh“, sagte sie. Immer noch ein wenig geschockt von dem Gefühl ertappt worden zu sein. Dabei, wie sie tatsächlich unangebrachte Faszination für den Schlafrhythmus ihres Leibwächters entwickelt hatte. Und für alles andere an ihm. „Ihr werdet in guten Händen sein. Fado ist äußerst verantwortungsbewusst, wenn er nicht gerade dabei ist, seinen Wochenlohn zu verspielen. Oder sich zu betrinken. Oder an illegalen Wettrennen teilzunehmen.“ Als Zelda auf seine Witzelei nicht reagierte, verschwand Links Lächeln. Er machte einen Schritt auf sie zu. Seine Hand zuckte und sie hatte für einen kurzen Moment den Eindruck, dass er sie nach ihr ausstrecken wollte. Törichtes Mädchen. „Ich meine es Ernst. Ich kenne ihn schon mein ganzes Leben. Es ist immer er, dem ich Eure Sicherheit anvertraue. Diese Aufgabe teile ich nicht leichtfertig.“ Sein Ton war so beschwichtigend. Fragend. Beruhigend. Zelda blinzelte. Sie würde ihm nicht sagen, dass ihre Sicherheit ihr geringstes Problem war. Dass es der Gedanke an jemand anderen war, der an seiner Statt in ihrer Nähe weilen würde, der ihr Gesicht überwölkte. Dass das seltsam leere Gefühl sich bereits wieder ankündigte, das sie bereits gespürt hatte, als sie allein zu ihrem Vater gegangen war. Sie sorgte sich nicht um ihre Sicherheit. Sie sorgte sich, weil sie sich in seiner Gegenwart so wohl fühlte, dass sie nicht wollte, dass er ging. Sie lächelte. Froh, dass er nicht wusste, was hinter ihrer Stirn vor sich ging. Oh Zelda, du ungeheurer Dummkopf. „Natürlich. Ich vertraue auf deine Fähigkeit für mein Wohlergehen zu sorgen, Sir Link.“ Bei ihrem Tonfall bildeten sich amüsierte Fältchen neben seinen Augen, ohne dass seine Mundwinkel sich bewegten. „Gute Nacht, Prinzessin.“   Er war kurz davor sich über die Balustrade zu schwingen, als Zelda ihn stoppte. „Link“, stieß sie hervor, bevor sie es sich anders überlegen konnte und es zu spät sein würde. Er wandte den Kopf in ihre Richtung, eine Hand auf dem Geländer, die Augenbrauen leicht gehoben. Fragend. „Ich habe das Gefühl, dass wir … so etwas wie Freunde geworden sind. Zumindest hoffe ich das. Und ich hoffe, dass du dich von nun an nicht ganz so rarmachen wirst.“ „Natürlich“, sagte er nach einer kurzen Pause, in der Zelda den Atem anhielt. Er neigte den Kopf. Stumm verfluchte sie die Dunkelheit, die sie daran hinderten, mehr von seinem Gesicht zu sehen. Stieß ihre Bitte ihn ab? Freute sie ihn? Was, bei den drei Göttinnen, ging in seinem blonden Kopf vor. „Mein Leben gehört Euch, Prinzessin.“ Zelda schluckte. Seine Stimme klang warm. Aber warum. Weil er seiner Pflicht von nun an leichter beikommen konnte? Weil er in ihr ebenfalls einen Freund sah? Mit einem Mal kam sie sich lächerlich vor, davon gesprochen zu haben. Freunde. Der erbärmliche Versuch eines einsamen Mädchens ihre Dienstbefohlenen zur Zuneigung zu zwingen. „Zelda“, verbesserte sie ihn hastig, eine automatische Reaktion, die sie nicht unterdrücken konnte. Sie konnte sich nur geschockt dabei beobachten, während sie weiter plapperte. Mit schriller Stimme und roten Wangen. „Du hast es schon einmal gesagt. Also weiß ich, dass du es kannst.“ Link seufzte und Zeldas Herz klopfte heftig gegen ihren Brustkorb. Sie wusste nicht wieso, aber es war wichtig. Sie konnte nicht weiterhin nur die Prinzessin für ihn sein. „Das habt Ihr bemerkt, hm?“ Zelda nickte. „Es passiert nicht alle Tage, dass man mir den gebührlichen Respekt verweigert.“ Sie zwang sich zu einem Lächeln. Um ihm zu zeigen, dass sie scherzte. Es funktionierte, denn Link stöhnte leise und schloss die Augen. Als er sie wieder öffnete, las sie Resignation in seiner Körperstruktur. Gespielte Aufgabe. Innerlich jubilierte sie. „Also gut. Zelda“, sagte er. Zittrig atmete sie ein. Nickte dann. „Und, das war doch nicht so schwer, oder?“, hauchte sie. Zu sehr darauf konzentriert keine weitere Reaktion zu zeigen, nicht zu offenbaren was ihr Name auf seinen Lippen ihr bedeutete, dass sie keine Kraft für ihre Stimme aufbringen konnte. „Das werden wir sehen, wenn ich meinen Kopf verliere“, brummte Link, und bevor sie sich bremsen konnte, entfloh Zelda ein kleines Lachen. Was gut so war, denn die Alternative wäre ein Keuchen gewesen. Etwas, das den Schrecken zum Ausdruck brachte, den diese im Spaß daher gesagten Worte ihr durch die Glieder schickte. „Gute Nacht, Sir Link“, sagte sie, um nichts anderes zu sagen. Auch, wenn ein Abschied das Letzte war, das sie wollte. „Gute Nacht“, antwortete er. „Zelda.“   *   Der Brief von Daruk erreichte sie einige Tage später. Vor Erleichterung hätte Zelda beinahe einen Luftsprung gemacht. Daruk berichtete von anhaltenden Schwierigkeiten mit Rudanias Steuerung. Nicht die Probleme erfreuten sie. Zumindest nicht direkt. Aber da sie sich zuversichtlich fühlte, ihm dabei helfen zu können – ihre Beobachtungen an Vah Naboris und all das – sah sie der zwangsläufigen Reise zum Todesberg mit einer Freude entgegen. Es bedeutete, dass sie das Schloss verlassen konnte. Der Alltag aus Gebet und Studien schien sie schneller zu erdrücken, als je zuvor. Wahrscheinlich war die unverhoffte Freiheit, die sie auf der letzten Reise gefunden hatte, Schuld daran. Link war schuld daran.   Link... Er zeigte sich mehr als sonst. Aber sein Verhalten unterschied sich nicht sonderlich von dem höflichen Respekt, den er ihr zuvor entgegen gebracht hatte. Und es stand Zelda nicht zu, daran etwas zu ändern. Ihr war bewusst, dass es hier, im Schloss, nicht anders möglich war. Weder für ihn noch für sie. Noch ein Grund mehr, warum sie sich aus dem Schloss heraus sehnte.   „Es scheint, dass Lord Daruk unsere Anwesenheit in Goronia fordert“, teilte Zelda ihrem Leibwächter mit, nachdem sie den Brief gelesen hatte. Sie stand über die Brüstung gelehnt und sah zu Link nach unten, der mit seinem Schatten focht. Oder zumindest sah es danach aus. Er unterbrach seine Bewegungen und blickte nach oben. Blinzelte gegen die Sonne. „Ist das so...“, entgegnete er, etwas, das bei jedem anderen eine leichte Ironie hätte vermuten lassen. Aber sein Gesicht war bar jeder Emotion. Sein Atem ging ein wenig schneller und für einen Moment konnte sie nichts anderes tun, als ihn anzustarren. Dabei zuzusehen, wie sich seine Brust in raschem Rhythmus hob und senkte. Zelda beeilte sich, zu nicken. Und woanders hinzusehen. „Nun“, sagte Link und ließ das Bannschwert in die Scheide gleiten. „Dann sollten wir keine Zeit verlieren. Wann gedenkt Ihr abzureisen?“ Jetzt gleich! „Nach Sonnenaufgang. Morgen“, antwortete sie und er nickte. „Ich werde bereit sein.“   *   Er erwartete sie, als sie am nächsten Morgen die Treppe ihres Turms hinunter kam. Sich bremsend, damit sie nicht hüpfte, wie ein kleines Mädchen. Auch wenn sie sich momentan genau so fühlte. Sie war dabei sich ihren letzten Handschuh überzustreifen und bedachte ihn mit einem strahlenden Lächeln. „Guten Morgen, Sir Link.“ Er neigte den Kopf zur Begrüßung. „Prinzessin.“ Zelda unterdrückte das Seufzen, das in ihr aufstieg. Sie hoffte, er würde diese Förmlichkeit ablegen, sobald sie das Schloss im Rücken hatten. „Da wir ohnehin in die Richtung gehen, bietet es sich an, dass ich Robelo in seiner neuen Forschungseinrichtung einen Besuch abstatte. Er hat mir in seinem letzten Brief geschrieben, dass er sich langsam bereit fühlt, die Wächter zum Schloss zu bringen.“ Link setzte sich in Bewegung, als sie an ihm vorbeilief, neben. Er ging neben, anstatt hinter ihr. Ein kleiner Sieg. Er bedachte sie mit einem seitlichen Blick, der seine Skepsis nur schwer verbergen konnte. Zelda verstand erst nicht warum. Bis er den Mund öffnete. „Genau wie viele Wächter hat er dort oben?“ Sie presste die Lippen aufeinander, um nicht lachen zu müssen. „Dafür habe ich mich auch nie bedankt, oder?“, sagte sie schließlich und drehte den Kopf, um ihn ansehen zu können. „Das ist auch nicht notwendig. Ich würde es wieder tun, ohne auch nur ein Wort von Euch.“ Zelda seufzte. „Und so sehr ich diese Loyalität auch zu schätzen weiß, Sir Link, muss ich dennoch darauf bestehen.“ Ohne nachzudenken – da sie das momentan wohl für Zeitverschwendung hielt – berührte sie ihn am Arm und blieb stehen. Brachte ihn ebenfalls dazu, anzuhalten. „Danke. Ich verdanke dir mein Leben“, sagte sie, die Hand immer noch an seinem Oberarm. Was immer es war. Ihre Worte, oder die außerplanmäßige Berührung, es holte ihn aus der Starre höflicher Neutralität. Seine Miene verlor den stoischen Ausdruck und etwas in seinen Augen wurde weich. Seine Lippen öffneten sich leicht und sein Atem stockte. Eine Antwort, die ihm auf der Zunge lag? Hielt er ihr Verhalten für ungebührlich? Dann schluckte er und er wandte den Blick ab. Mit geröteten Ohrenspitzen. „Mein Leben gehört Euch“, murmelte er.   Der Stoff unter ihren Fingern fühlte sich glatt und warm an. Sie fühlte das feste Fleisch darunter, auch wenn ihre Berührung sanft und leicht war. Wie schon zuvor, kämpfte sie mit dem Verlangen ihre Hand einfach dort zu lassen. Nicht mehr los zulassen. Dann erinnerte sie sich daran, wo sie waren. Wer sie waren. Daran, dass sie ihren Leibwächter in eine unmögliche Situation brachte, wenn sie ihre seltsamen Anwandlungen jugendlicher Schwärmerei nicht unter Kontrolle brachte. Sie schluckte und ließ den Arm sinken. Dann bemühte sie sich um ein kleines Lachen. Um Normalität bemüht. In ihren Ohren klang es schrill und albern, aber es erfüllte seinen Zweck und durchbrach die seltsam eingefrorene Stimmung des Moments.   „Willst du das am schlechtesten erzogene Pferd in ganz Hyrules kennenlernen?“, fragte sie und deutete in Richtung der Stallungen. Link seufzte. „Er ist nicht schlecht erzogen“, entgegnete er, als sie sich wieder in Bewegung setzten. Zumal er Storm sehr wohl kannte. Ihn zumindest gesehen hatte. Mindestens das eine Mal, als er sie am Schrein gefunden hatte. „Ach ja?“ machte Zelda und zog eine Augenbraue in die Höhe. „Und wie willst du es dann nennen, dass er es bei jeder Gelegenheit darauf anlegt, mich abzuwerfen.“ Gespielter Trotz und ernsthafte Traurigkeit ließen sie die Arme vor der Brust verschränken. „Mein Pony war so viel liebenswerter“, murmelte sie und warf den Stallungen, die hinter dem sanften Hügel in Sicht kamen, einen bösen Blick zu. Link schwieg eine Weile und nur ihrer beiden Schritte war zu hören. Seine so viel leiser als ihre. „Ihr reitet ihn seit … was … vier Jahren?“ „Fünf“, antwortete Zelda leise und drehte den Kopf, um Link anzusehen. Die Antwort schien ihm etwas zu sagen, zumindest wirkte es so, als würde das nur bestätigen, was er sagte.   „Worauf willst du hinaus?“, fragte sie, als sie bei den Ställen ankamen und ihr Leibwächter kein weiteres Wort verloren hatte. Er warf ihr einen schnellen Blick zu, blaue Augen, die im Schatten des Gebäudekomplexes aufblitzten, und nickte dann vorwärts. „Ich werde es Euch zeigen“, antwortete er. Was blieb ihr anderes übrig, als ihm zu folgen?   Storm war in einer großen Zelle an der Stirnseite des rechteckigen Gebäudes untergebracht. Helles Licht fiel durch große Luftöffnungen und ließ die staubigen Überreste der morgigen Heufütterung um sie herum glitzern. Hier herrschte die Art von Frieden, die nur durch den Geruch von Mist und Tier entstand. Doch Zelda verlangsamte ihre Schritte, während Link ohne Umschweife auf ihr Pferd zuging. Sie folgte ihm in einigem Abstand. Es war nicht so, dass sie Angst vor Storm hatte. Aber sie vertraute ihm nicht. Und er ihr wohl noch weniger. Link öffnete das Tor zu der umwandeten Kabine und sah sich nach ihr um. Er wirkte ganz so, als würde er hier hergehören. Alles an ihm passte zu diesem Ort. Sein Auftreten, sein Äußeres, die ausgetretene Qualität seiner Stiefel. Er schien sich hier wohl zu fühlen. Anders als Zelda. „Also“, begann sie zögerlich. „Vielleicht sollten wir-“ sie brach ab, da sie eigentlich nicht wirklich wusste, was sie eigentlich sollten. Auf einen Stallburschen warten? Einfach umkehren? „Kommt her“, sagte Link leise, die Hand in ihre Richtung ausgestreckt, den Blick in Richtung des schneeweißen Pferdes, das erstaunlicherweise einmal nicht argwöhnisch in der Ecke stand, sondern zufrieden seine Futterration malmte. Es war die ruhige Nachdrücklichkeit seiner Stimme, die sie in Bewegung setzte. Vielleicht auch die Abwesenheit der respektvollen Distanziertheit. Zelda durchfuhr ein kleiner Blitz purer Energie. Als hätte sie eine der Leitungen in Vah Naboris berührt. Als sie neben ihm stand, senkte er seine Hand wieder und sah sie an. Nervös wich Zelda seinem Blick aus. Sie stand genau neben ihm. Im Eingang zu der großen, hellen Zelle und zwischen ihnen existierte gerade genug Raum, dass sich ein paar Staubkörnchen hindurchbewegen konnten. Ein Zucken und sie würde ihn berühren. Und es ließ ihr Herz aufgeregt flattern. Dass er sie ohne Unterlass ansah, half nun wirklich nicht. Zelda gestattete es sich kurz, seinen Blick zu erwidern, ihn kurz von der Seite zu betrachten. Er schien etwas zu beobachten, sie zu beobachten. Aber warum wusste Zelda nicht. Diesen konzentrierten Ausdruck kannte sie. Sie kannte ihn von seinen Schwertübungen. Sie hatte ihn gesehen, als er die Yiga getötet hatte. Ein Schauer durchfuhr Zelda. Allerdings nicht wegen des offensichtlichen Grundes. Sie fürchtete sich nicht vor diesem Blick. Dieser Schauer war ganz anderer Natur. Und sie würde ihm keinen weiteren Raum geben und darüber nachdenken. „Du hast Angst vor ihm“, sagte Link. Es klang nicht wie eine Frage. Eher wie eine Schlussfolgerung, für die er Bestätigung suchte. Zeldas Augen weiteten sich. Sie schluckte und unterdrückte den Drang mit den Schultern zu rollen. „Es ist keine Angst ...“, versuchte sie sich zu erklären. „Mehr eine …“ Link trat in die mit Stroh ausgelegte Kabine. Ihr Pferd, ihr so leicht erschreckbares, hypernervöses Pferd, wandte ihm kurz den Kopf zu und fraß dann weiter. Zelda runzelte die Stirn. „Er kann das nicht unterscheiden“, entgegnete Link und strich über den starken Hals des Tieres. Das sich weiterhin nicht an seiner Anwesenheit störte. Link drehte sich zu ihr um, winkte sie näher zukommen. Nicht das erste Mal an diesem Tag. Anscheinend war sie nun an der Reihe seinen Befehlen zu folgen. Zögernd trat Zelda in die Zelle. Und augenblicklich hörte Storm auf zu fressen. Ein Zucken durchfuhr seinen prächtigen Leib und er bewegte sich unruhig. Sofort blieb Zelda stehen. Schmerz und Verwirrung verknoteten ihr den Magen und sie ließ sie Schultern hängen. „Er mag mich nicht“, sagte sie und ballte die Fäuste. Link trat einen Schritt zurück und die wenigen, die sie trennten, in ihre Richtung. Er schüttelte den Kopf. Sein Haar hatte dieselbe Farbe wie das Stroh auf dem Boden. Vielleicht wirkte er deswegen, als würde er hierher gehören. „Er ist nervös, weil Ihr es seid“, widersprach Link und vergaß, dass diese Anrede nicht nötig war. Dass er sie gerade selbst ausgelassen hatte. Zelda warf ihm einen genervten Blick zu. Nicht wegen seiner Worte, sondern wegen der nun wieder präsenten Höflichkeit in ihrer Stimme. Aber das wusste er nicht. Glücklicherweise nahm er es ihr nicht übel. Seine Mundwinkel zuckten. „Tiere sind sensibel. Ihnen fehlt die Fähigkeit, sich mit Worten auszutauschen, deswegen vertrauen sie viel stärker auf ihre Sinne, als wir es tun, um am Leben zu bleiben.“ Zelda betrachtete ihn aufmerksam. Sie hatte das Gefühl, dass sie bereits wusste, worauf er hinaus wollte. „Storm ist ein gutes Pferd. Tapfer. Aber er kann nicht wissen, dass Eure innere Aufruhr nichts mit ihm zu tun hat.“ Er legte wieder seine Hand auf den schneeweißen Hals. „Alles, was Ihr fühlt, fühlt er auch. Eure Trauer. Eure Frustration. Eure Angst.“ Beruhigend strich er über das weiche Fell. „Und wenn Ihr ihm nicht zeigt, dass alles in Ordnung ist, denkt er, ihr wüsstet etwas, das er nicht weiß. Er reagiert auf Eure Furcht, weil er denkt, dass Gefahr droht.“ Wie hypnotisiert starrte Zelda auf Link Hand, die langsam an Storms Hals hinauffuhr, um dann wieder bis zu seinem Widerrist zu streichen. Es fiel ihr nicht leicht, dabei seinen Worten zu folgen. Also verstand sie recht spät, was er sagte. „So habe ich das noch nie gesehen“, gab sie zu, immer noch fasziniert von der Sanftheit seiner Hände. Und Storms absoluter Ruhe. Link deutete neben sich. „Stellt Euch hier her.“ „Dich“, murmelte Zelda, als sie vorsichtig näher kam. Direkt neben ihrem Leibwächter blieb sie stehen. Ihre Schulter strich sein. Sie roch Pferd und Stall und Link. Ein Geruch, der ihr mit erschreckender Geschwindigkeit unsagbar lieb wurde. „Hm?“, machte er, während er sie ansah. Zelda blickte auf. So nah konnte sie seine Wimpern sehen. Lang und dicht und faszinierend dunkel gegenüber seinem hellen Haar. „Stell dich hierher“, verbesserte sie ihn und wandte sich ab, bevor sie etwas sehr, sehr Dummes sagen konnte. Zum Beispiel, wie blau seine Augen doch waren. „Wir waren da schon weiter, vergessen?“ Neben ihr atmete Link amüsiert aus, ein winzig kleines Schnauben, das Zelda lächeln ließ. Allerdings machte sie nicht den Fehler, noch einmal aufzublicken. „Darf ich?“, fragte er, mit einem leicht spöttisch Angefügten: „Zelda?“ Nun musste sie ihn doch ansehen, um zu verstehen, was er meinte. Er hatte die Hand in Richtung ihres Armes ausgestreckt und Zelda fühlte sich nicken, obwohl sie nicht verstand, was er wollte. Was nur bewies, dass sie ihm alles erlauben würde, wenn er in dieser sanften, rauen Stimme sprach. Törichtes Mädchen.   Er umschloss ihre Hand mit seiner und Zelda verspannte sich. Der Kontakt durchfuhr sie mit einem heißen Pulsieren, eine kraftvolle Welle kribbeliger Sensationen und irritiert hielt sie den Atem an. Als würde ihr das dabei helfen, mit der Situation umzugehen. Link führte ihre Hand an Storms Hals. Öffnete die intuitiv geformte Faust vorsichtig, legte Finger für Finger in das weiche, weiße Fell. Zelda zwang sich, weiter zu atmen. Langsam, damit sie nicht nach Luft schnappte, wie ein Fisch auf Land. Sie hoffte, dass Link ihre Reaktion der Nervosität zuschreiben würde.   „Du musst ihm zeigen, dass du zufrieden mit ihm bist.“ Er führte ihre Hand an Storms Hals entlang, in Richtung der zuckenden Ohren. „Dass er keinen Fehler gemacht hat und ihm keine Gefahr droht.“ Mit leichtem Druck in die Gegenrichtung ließ er Zeldas Hand wieder am Hals des Pferdes hinuntergleiten. Das weiche Fell unter ihren Fingern, Links Stimme, Links Atem an ihrem Ohr, der sanfte Rhythmus seiner Worte, beförderte sie in einen traumartigen Zustand. Sie konnte nicht fassen, dass sie hier stand. Abgeschieden von der Welt, in einem kleinen Kokon aus Pferdegeruch und Stallluft. Keinen Fingerbreit vor ihrem Leibwächter. Der ihre Hand hielt. Und ihr sanfte Worte zuflüsterte. Die Anspannung verließ sie. Die Fremdartigkeit und Aufregung der Berührung nun nicht mehr so akut fühlbar. Sie fühlte sich sicher. Und geschätzt. Sie fühlte sich wohl. Und durfte es nicht zeigen. Zumindest nicht allzu deutlich. Sich zurückzulehnen, wäre keine gute Idee. Davon versuchte sie sich zumindest zu überzeugen. „Er muss deine wahren Gefühle erfahren. Nur dann könnt ihr gut zusammenarbeiten.“ Wie wahr doch seine Worte waren. Nicht nur auf das Pferd bezogen. Anscheinend war das Zeldas Problem. Sie zeigte niemandem ihre wahren Gefühle. Das hatte sie gelernt. Eine Prinzessin musste stark sein. Sie, als Verkörperung Hylias, musste stark sein.   Link ließ ihre Hand los, trat aber nicht zurück. Zelda fuhr fort Storms Hals zu streicheln, damit, das weiche Fell zu kraulen. Genoss, wie es sich unter ihren Fingern anfühlte. Glücklich, dass er es zuließ. Es zu mögen schien. Und froh, dass sie sich von all den verstörenden Empfindungen ablenken konnte. Storm schnaubte und Zelda drehte sich langsam um. Die Hand immer noch in seinem Fell, den Blick Link zugewandt. Sei waren beinahe gleichgroß. Blick traf auf Blick. Blau auf Grün.   Link hatte keine Probleme mit Stille. Und so schwieg er, während sie ihn betrachtete. Die Luft schien dichter zu werden, je mehr Zeit verstrich. Zeldas Kopf war wie leer gefegt, nicht ein einziges passendes Wort fiel ihr ein. Sie schluckte, wie in Trance, verzweifelt darum bemüht, nicht die letzten Fäden loszulassen, die sie in der Realität festhielten. Es war Link, der die Situation rettete. Ob er wusste, wie es in ihr aussah, konnte Zelda nicht sagen. „Ich lasse Euch eine Weile allein“, sagte er leise und nickte in Richtung des Pferdes. Dann neigte er kurz den Kopf, eine dieser knappen Verbeugungen, von denen Zelda nicht sagen konnte, ob sie sie mochte. Schweigend sah sie ihm hinterher. Erst als er aus ihrem Blickfeld, aus ihrer Nähe verschwunden war, fiel der Bann von ihr ab und sie begann wieder richtig zu atmen. Schnell und laut. Mit flatterndem Herzen und aufgewühlten Gefühlen. Das hier wurde gefährlich. Was auch immer das hier war.   *   Sie verließen die Stadt durch das östliche Tor, überquerten den Hylia Fluss an zwei Stellen und folgten dann seinen Ufern bis zu den Ranelle Sümpfen. Zeldas Zittern ließ langsam nach, Stück für Stück, je weiter sie sich vom Schloss entfernten. Immer wieder strich sie über Storms Hals. Vertieft in den Versuch, innerlich Kontakt zu dem Tier aufzunehmen. Ihre Angst vor seiner Zurückweisung, vor einer Blamage, wegen ihrer Reitfähigkeiten und ihre Verwirrung über ihre Reaktion auf Link, von dem Pferd zu trennen. Anfangs benahm sich Storm wie immer. Tänzelte nervös, ging mit steifem, hoch aufgerichtetem Kopf und schnellen Schritten. Doch Link schwieg, ritt schweigend neben ihnen her und war ganz damit beschäftigt, die Gegend in seinem wachsamen Blick zu halten. Es gab Zelda Zeit sich mit Storm zu verständigen. Ihm leise zu zuflüstern. Ihn zu loben. Törichter, süßer Unsinn, der wohl eher ihrer Stimmlage wegen half. Langsam wurde das Pferd ruhiger. Entspannte den Hals und ging mit schwungvollerem Schritt. Und als sie am Askalt See eine Pause machten, prustete er ihr vertrauensvoll an die Schulter, nachdem sie abgestiegen und ihm einen Apfel angeboten hatte. Glücklich strahlend drehte sie sich zu Link um, der, als er ihren Blick bemerkte, aufhörte die Gegend auf Gefahren abzusuchen. Er lächelte und nickte. Mehr brauchte es auch nicht.   Sie brachten die Pferde in einem Stall unterhalb von Robelos Forschungsstation unter. Akkala war ein dicht besiedeltes Land, aber je weiter man in den Norden vorstieß, desto kleiner wurden die Siedlungen. Ein guter Ort also, wenn man mit enorm gefährlichen Kriegsmaschinen herumexperimentierte. Sie hatten sich dafür entschieden, die Festung nicht zu betreten, sondern ihr auf dem Rückweg einen Besuch abzustatten. Wenn Zelda mehr über Robelos Fortschritt erfahren hatte. In der Festung trainierten die Streitkräfte Hyrules mit den Wächtern, das würde sie sich auf jeden Fall ansehen müssen.   Zelda strich zum Abschied über Storms kräftigen Nasenrücken und wieder prustete das Pferd sanft gegen ihre Hand. Link warf ihr einen Seitenblick zu, als er den Sattel vom Rücken seines Hengstes nahm. „Nicht unerzogen“, sagte er leise und kam herüber, um die Gurte von Storms Sattel zu lösen. Zelda lächelte und rieb Storms Ohren. „Nicht unerzogen“, murmelte sie zur Bestätigung und ihre Blicke trafen sich. Links Mundwinkel zuckten. Das unausgesprochene „Habe ich es nicht gesagt“ so laut, das Zelda in gespielter Entrüstung die Augen verdrehte. „Jaja, größter aller Pferdeflüsterer. Ich verneige mich vor deinen Fähigkeiten.“ Link hob den Sattel von Storms Rücken. Schwieg. Schien zufrieden. Oder einfach nur nicht gewillt, auf ihre Spöttelei einzugehen.   „Ich danke dir“, sagte Zelda nüchterner, als sie den Weg den Hügel hinauf liefen, der zu Robelos Institut führte. „Wirklich.“ Sie sah ihn von der Seite an. Hoffte, dass Link die Ernsthaftigkeit in ihrem Blick lesen konnte. Er zuckte mit den Schultern, doch der Hauch eines Lächelns geisterte über sein Gesicht und Zelda entspannte sich. Für ihn war es kein großer Dienst. Aber er wusste, dass sie es anders sah. Und darauf kam es an. Zelda wollte, dass er sich ihrer Dankbarkeit bewusst war. Nie wieder wollte sie seine Anwesenheit als selbstverständlich hinnehmen. Oder schlimmer noch, als Unannehmlichkeit. Und sie glaubte auch nicht, dass das je wieder geschehen würde. So viel Link auch dafür plädieren mochte, dass es „kein großes Ding“ war.     Zelda wusste nicht, was sie erwartet hatte. Ein altes Bauernhaus vielleicht. Einen Hof. Ein verlassenes Dorf oder eine renovierte Ruine. Aber das hier war eine Überraschung. Robelo hatte kein altes Gebäude in ein Labor umgewandelt. Er hatte eines gebaut. Aus Wächterteilen, so wie es schien. Oh, man sah einen Stein, hier und da. Putz und Mörtel. Lehm und Stroh. Aber die Wächter waren überall. Irgendwie hatte Zelda nie daran gedacht, dass er sie auseinander bauen musste, um sie funktionstüchtig zu machen. Es war atemberaubend. Als auf ihr Klopfen niemand antwortete, schob Link sich vor sie. Ein urplötzliches Huschen aus dem Nichts. Zu schnell für Zelda und ihre verlangsamten Reaktionen. Zu schnell, als dass sie reagieren konnte, als er die Tür öffnete und ein erschrockenes Geräusch machte. Irgendwo zwischen Japsen und Stöhnen. Ein metallisches Klirren. Dann ein dumpfer Knall. Ein Aufprallen. Ein Scheppern. Link hatte sich gedreht und die Arme gehoben, noch bevor Zelda überhaupt verstand, was vor sich ging. Sie sah sein Profil. Dann sein Gesicht. Sah, wie sich seine Lippen um einige deftige Flüche formten, dann stolperte sie rückwärts, von dem Stoß, den er ihr verpasst hatte. Nicht so stark, dass sie stürzte. Aber stark genug, dass Zelda ihm einen empörten Blick zuwarf, als sie sich wieder aufrichtete. Geschickt von seinem Stoß und geschockt von den Profanitäten aus seinem Mund. Sie holte Luft, um etwas zu sagen, etwas sehr Lautes, da bemerkte sie die Werkzeuge, die nach Link geworfen wurden. Der Atemzug blieb ihr im Hals stecken.   Mit ihr aus dem Weg, beugte Link sich geschickt unter der Attacke hinweg und stürmte auf die Ursache zu. Robelo, den Zelda jetzt ihm hinteren Bereich des Gebäudes hantieren sehen konnte. Fluchend und Werkzeug um sich werfend. Da verstand Zelda. Verstand es in dem Moment, als Link den Shiekah am Kittel packte und von dem leblosen Wächter hinunter zerrte. Metallene Flugobjekte. Schnelle Reaktionen. Sie aus dem Gefahrenbereich bringen. Das alles ergab nun Sinn. Ihr Verstand erreichte die Höhe der Geschehnisse, hinkte nicht länger irritiert hinterher. Zelda seufzte. War sie schon immer so langsam gewesen, oder wirkte das nur so, verglichen mit Links unmöglicher Geschwindigkeit?   „Lass mich los, du tumber Grobian!“, herrschte Robelo. Er bot einen wirren Anblick. Mit seinem Haar, das ihm in alle Richtungen stand. Mit verschwitzter Stirn und schiefer Brille. Und böse funkelnden Augen, die mit ihrer Intensität seinen fehlenden körperlichen Widerstand ersetzten. Link ließ ihn los, aber nicht ohne ihm einen Stoß zu versetzen. Wohl als Rache für den ersten Treffer. „Robelo“, entfuhr es Zelda. Es war eine Begrüßung. Es war eine Warnung. Er war ein: Was in Hylias Namen machst du hier?! Da schien der Forscher sie das erste Mal zu entdecken. Er richtete sich auf und sein Blick verlor ein wenig von seinem Wahn. „Prinzessin“, sagte er und klang überrascht, vielleicht ein wenig entsetzt. „Was tut Ihr hier?“ Zelda sah ihn irritiert an. „Dein Brief“, antwortete sie, nicht ohne kurz mit dem Kopf zu schütteln. „Brief?“, er zog an seiner Brille, erreichte allerdings nur, dass sie nun auf der anderen Seite schief saß. Sie zog die Augenbrauen hoch und suchte Links Blick. Ihr Leibwächter schien skeptisch und Zelda hatte den unbestimmten Verdacht, dass er den Shiekahforscher gerne noch einmal geschüttelt hätte. Schnell sah sie wieder zu Robelo. „Ja. Dein Brief.“ Als er nicht antwortete, spezifizierte sie: „Der Brief, in dem du mir von deinen Fortschritten mit den Wächtern geschrieben hast. Der Brief, der mich schlussfolgern ließ, dass du bereit bist, deine Forschungen in das königliche Institut zu verlagern. In der Nähe des Schlosses“ Immernoch stand Verwirrung auf sein Gesicht geschrieben. Zelda atmete ungläubig aus. „Du hast geschrieben, dass du glaubst, genug Wächter aktiviert zu haben, um sie zum Schloss zu bringen. Dass die Übungen in der Festung gut genug laufen, um die anderen Ritter ebenfalls trainieren zu lassen.“ Sie hob hilflos die Hände. „Im Brief stand, dass ich mich selbst davon überzeugen soll.“ Es war der Grund für ihren Umweg über Akkala gewesen. Deswegen hatten Link und sie nicht viel weiter südlich den direkten Weg nach Goronia eingeschlagen. „Oh“, sagte Robelo und endlich schien sich das Fragezeichen auf seinem Gesicht aufzulösen. „Die Wächter. Natürlich.“ Robelo winkte ab, als hätte er das die ganze Zeit schon gewusst und drehte sich zu der antiken Kriegsmaschine um. Zelda starrte ihn an. Link starrte ihn an. Dann tauschten sie einen Blick gleichseitiger Verwunderung. Bis Link sich mit vorgerollten Schultern abwandte. Zelda glaubte ihn lachen zu hören, aber sie hatte so wenig Erfahrung mit diesem Geräusch, dass sie es sich auch eingebildet haben könnte. Kurz schien sich ihr Bewusstsein nicht entscheiden zu können, was es zuerst verfolgen sollte. Dann entschied es sich für die Pflicht. Sie wandte den Blick von Link und seinen stumm bebenden Schultern ab, schloss den immer noch fassungslos offen stehenden Mund und ging Robelo hinterher, der nun wieder wie wild an dem Wächter herumschraubte. „Robelo“, herrschte sie, verwirrt und ein wenig verärgert, nun da der erste Schock über diese ungewöhnlich chaotische Situation sich gelegt hatte. „Was ist los mit dir?“ Robelo sah von seiner erhöhten Position auf sie hinab. So nah konnte Zelda sehen, dass er auf dem Absatz stand, der das drehbare Modul des Wächters von seinem horizontal beweglichen restlichen Körper trennte. Der obere Teil aus antikem Stein war abgenommen, doch vom Innenleben konnte Zelda nicht viel erkennen, so klein und weit entfernt am Boden, wie sie nun mal war. „Ich habe zu tun“, antwortete Robelo, mit zusammengezogenen Augenbrauen. Ob es eine Erklärung oder Rechtfertigung war, konnte Zelda nicht sagen. Jedenfalls war es ganz eindeutig ein Vorwurf. Er beugte sich tiefer über das geheime Innere der antiken Maschine und seine Arme verschwanden bis zu den Schultern. „Das sehe ich“, sagte Zelda, nun deutlich gereizt. Was sollte das? „Wo ist Nanna? Du solltest hier nicht alleine sein.“ Robelo machte ein abwehrendes Geräusch. Durch den Resonanzkörper des Wächters vor seinem Gesicht klang es ein wenig hallend. „Hab sie raus geworfen.“ Bevor Zelda darauf antworten konnte, machte Link ein keuchendes Geräusch hinter ihr. Sie drehte sich um. Fassungslos. Ihr Leibwächter winkte ihr mit deutlich amüsiertem Gesicht zu und verschwand dann durch die Tür. Ließ sie allein. Mit einem Verrückten. Anscheinend hatte der intensive Kontakt mit leblosen Maschinen nicht unbedingt das Beste in Robelo hervorgebracht. Mit offenem Mund drehte sie sich wieder um. Entdeckte dabei die Silhouette einer Frau am tragenden Balken in der Mitte des Raumes. Ein metallenes Wesen in etwa Zeldas Größe, das beim Zuschlagen der Tür angefangen hatte den Kopf hin und her zu drehen. Wahrscheinlich hatte sie es vorher nicht gesehen, weil es bewegungslos da gestanden hatte. „Du hast sie rausgeworfen?“, fragte Zelda ein wenig lauter als sie geplant hatte. Und ein wenig atemloser. „Sie hat mich gestört“, war Robelos Antwort. Dann warf er das Werkzeug in seiner Hand über die Schulter und murmelte etwas über nervige Frauenzimmer. „Und dann hast du dir eine kleine Freundin gebaut?“ Zelda gab sich die größte Mühe geduldig zu sein. Anscheinend hatte Robelos Zurechnungsfähigkeit ein wenig gelitten. Wobei doch Purah sonst diejenige war, die über das Ziel hinaus schoss. Robleo war der Zurechnungsfähige. Eigentlich. Dabei war es doch gar nicht so lange her, dass sie ihn gesehen hatte. Im Schloss. Völlig normal. Oder? Robelo antwortete nicht und Zelda beschloss, dass es genug war. Die channelte ihre innere Prinzessin. Den Teil in ihr, der später einmal das Land regieren würde, wenn Hylia es so wollte und sie diese ganze verfluchte Tragödie überleben würde. Wenn es dann noch ein Land geben würde. „Robelo. Du kommst jetzt sofort darunter und erzählst mir, was vorgefallen ist. Das ist ein Befehl!“ Genau genommen war es keine gute Idee ihm etwas zu befehlen. Die Shiekah waren ein autonomes Völkchen und das Pochen auf die Herrschergewalt, war doch das Problem, das sie überhaupt erst hierher geführt hatte. Antike Technologien und eine Bande Abtrünniger, die aus Rache die Dunkelheit über das Land bringen wollten, und all das. Aber Robelo war zu weit weg, als das er daran denken konnte. Darauf hatte Zelda zumindest spekuliert. Und der Blick, den er ihr daraufhin zu warf – in wenig unstet, aber nach und nach ganz so, als würde ihm auffallen, das etwas nicht stimmte – bestätigte diesen Verdacht. Langsam kletterte er von dem Wächter herunter. Seine Schultern rollten nach vorne und auf einmal sah er so erbärmlich aus, dass Zelda ihn aus einem Impuls heraus am Arm tätschelte. Berührungen waren nicht wirklich ihr Metier. Das Spenden von Trost sowieso nicht.   *   Es stellte sich heraus, dass alles Purahs Schuld war. Natürlich!   Nun, nicht direkt. Aber sie hatte mit einer hoffentlich spaßig gemeinten Herausforderung all das ins Rollen gebracht. Mit einem unoffiziellen Wettbewerb, den sie eröffnet hatte. Wer kam schneller mit seinen Forschungen voran, Hateno, oder Akkala. Es folgten lange Nächte. Kein Schlaf. Ungeduld. Hitzige Diskussionen zwischen Forscher und Assistentin. Bis Nanna schließlich wutentbrannt von dannen gezogen war, um sie Purah anzuschließen. Einen übermüdeten Robleo zurücklassend, der Zusehens den Sinn für die Realität verlor, je schneller er damit voran kam, die verschiedenen Wächtertypen funktionsfähig zu machen. Den Rittern der Festung war sein voranschreitender Wahn wohl nicht aufgefallen und die Betreiber des Mietstalls weiter unten, die ihn mit Lebensmitteln versorgten, hatten sein Verhalten wahrscheinlich für unschuldige Exzentrik gehalten. Während der sprach, verschwand Robelos wirrer Blick langsam und zum Vorschein kam etwas wie Scham und eine unendliche Müdigkeit. „Du wirst das tun, was du in deinem Brief geschrieben hast, Robelo“, legte Zelda fest, nachdem er ihr den Sinn von Cherry erklärt hatte. Einem Prototypen zur Herstellung von antiken Gegenständen, mit dem er Purah hatte ausstechen wollen, der aber bisher nichts weiter konnte, als den Kopf zu drehen. Wahrscheinlich war das der Grund für sein Verzweifeln gewesen. Das und Purahs spöttische Briefe, in denen sie von ihren Fortschritten schrieb. „Du wirst zum Schloss zurückkehren und dort im königlichen Institut weiterarbeiten. Unter Leuten.“   Robelo sah sie aus Blut unterlaufenden Augen an. Er bot einen jämmerlichen Anblick und Zeldas Herz zog sich vor Mitleid zusammen. Erneut tätschelte sie seinen Arm. „Ich werde in der Festung Bescheid geben, dass sie dir bei der Verlagerung helfen sollen.“ Robelo nickte langsam, mit hängendem Kopf. Zelda bemühte sich um einen fröhlichen Ton. „Es wird ohnehin Zeit, dass die Wächter zum Schloss kommen. Der König wird begeistert sein.“ Vielleicht war er zu müde für ihre Aufheiterungsversuche. Oder zu niedergeschlagen. Zelda überlegte. „Vielleicht ist es besser, wenn du morgen gleich mitkommst“, sagte sie nach einer Weile. Nun da sie darüber nachdachte, war es wohl keine gute Idee, ihn hier draußen noch länger alleine zu lassen. Womöglich verfiel er zurück in seinen Wahn, Purah in diesem lächerlichen Wettbewerb zu schlagen. Mit einem kurzen, hitzigen Gedanken an Purah und ihre verdammten Scherze, stand Zelda auf. „Ich gebe Link Bescheid.“   *   Sie verbrachten die Nacht im Institut. Nach einigen Diskussionen schlief Robelo in seinem eigenen Bett – Zelda war nicht gewillt auf ungewaschenen Laken zu liegen – in das er hineinfiel, wie ein Stein und sich bis zum nächsten Morgen nicht mehr rührte. Ein sehr laut schnarchender Stein. Zelda wickelte sich in die Decke aus ihrer Satteltasche und versuchte ebenfalls zu schlafen. Doch ihre Augen wanderten immer wieder zur Tür. Die Tür, hinter der Link Wache hielt. Draußen, in der Dunkelheit. Natürlich musste er da draußen sein. Aber sie wünschte, es wäre anders. Wünschte, er würde nicht diese Bürde tragen. Wünschte, er könnte hier sein. Bei ihr. Ein törichter Gedanke. Es war Links Aufgabe sie zu beschützen. Anders als noch vor wenigen Wochen, versetzte ihr diese Tatsache keinen Stich mehr. Zelda konnte ihn nicht entehren, in dem sie von ihm verlangte, diese Aufgabe zu vernachlässigen. Und überhaupt, um was zu tun? Ihr Gesellschaft zu leisten? Er war viel zu loyal, um irgendeine Bitte abzuschlagen, die von der Krone kam. Von ihr kam. Es sei denn, es brachte sie ihn Gefahr. So beruhigend dieser Gedanke auch war, so stürzte er sie doch in folgendes Dilemma: Sie würde nie wissen, ob Link etwas tat, das er wirklich wollte. Ja, er hatte eine Art Frieden mit seinem Schicksal geschlossen. Ein Frieden, um den Zelda ihn nur beneiden konnte. Vielleicht konnte er den Unterschied zwischen dem, was er wollte und dem, was er tat, sowieso gar nicht mehr ausmachen. Aber es stand Zelda nicht zu, mehr von ihm zu verlangen. Sie würde ihn damit nur in Verlegenheit bringen. Und sich selbst einer ganz anderen, neuen Art von Gefahr aussetzen.   Sie musste doch eingeschlafen sein, denn noch bevor sie die Augen öffnete, spürte sie den Schmerz in ihrem Nacken. Zelda saß an die Wand gelehnt, den Kopf auf eine beinahe unnatürliche Weise gedreht und für einen Moment dachte sie, sie würde ihn nicht bewegen können. Trübes Dämmerlicht fiel durch die Fenster des runden Raumes und draußen begann das erwachende Orchester des nahenden Morgens seine Instrumente zu stimmen. Es waren wohl die Vögel, die sie geweckt hatten. Oder die Gewohnheit. Schnell schickte sie ein Morgengebet an die Göttin, dann wickelte sie sich tiefer in die Decken. Decken. Zelda sah an sich hinab. Kein Wunder, dass ihr stakkatoartiger Kurzzeitschlaf sich zu einer solch langen, erholsamen Episode ausgeweitet hatte. Um ihre Schultern war ein bekanntes Webstück gewickelt, während ihre eigene Decke sie vor der Bodenkälte schützte. In ihrem verschlafenen Hirn fügten sich die Einzelteile zusammen und die Erkenntnis gab Zelda einen Kickstart. Link! Er war hier gewesen, während sie geschlafen hatte. Tief genug, um ihn nicht zu bemerken, oder er war zu leise, als dass sie ihn hätte hören können. Wohlige Wärme stieg in Zelda auf. Gefolgt von dem Prickeln reiner Hitze. Link hatte ihr im Schlaf seine Decke umgelegt. Die Implikation ließ das Blut in ihre Wangen schießen. Eine Weile verbrachte Zelda damit, sich zu beruhigen. Natürlich sprang sie zu den falschen Schlussfolgerungen. Sie war sich dessen nur zu bewusst. Er tat seine Pflicht. Nichts weiter. Und sie dankte es ihm. Dennoch konnte sie nicht umhin, sich die Szene vorzustellen. Link, in Schatten gehüllt. Link, der sich vor ihr niederkniet. Link, der ihr die Decke umlegt. Die Berührung. Ein Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. Ein törichtes Lächeln, ein gefährliches Lächeln. Dann erhob sie sich abrupt. Sie war nicht in der Lage, gut damit umzugehen. Mit diesen kleinen Hüpfern in ihrem Inneren. Mit diesen Fantasiebildern. Sie würde sich blamieren. Oder Schlimmeres. Und es musste aufhören.   Ihr Blick fand ihn, sobald sie aus der Tür trat. In ihre eigene Decke gewickelt, seine gefaltet in der Hand. Die leichte Drehung seines Kopfes sagte ihr, dass er sie bemerkt hatte. Natürlich. Doch er wandte sich ihr nicht zu. Zelda weigerte sich, die unsicheren Fragen in ihrem Kopf zuzulassen. Nein. Das hatte nichts mit ihr zu tun. Mit dem, was in der Nacht vielleicht und vielleicht nicht geschehen war. Er sah sie nicht an, weil er den Horizont im Auge behielt. Um sich nicht im Kaleidoskop ihrer mädchenhaften Aufregung zu verlieren, ging sie geradewegs auf ihn zu, das Zeichen seiner Fürsorge in der Hand und den Arm ausgestreckt. „Danke“, sagte sie, mit gestählter Stimme, gegen das Zimmern, das sie im Inneren verspürte. Das weiche Material berührte ihn an der Schulter, weil er nicht schnell genug danach griff. Er sah hinab, zu er Decke und nahm sie dann entgegen, mit einem knappen Nicken. „Fühlt sich an wie ein Déjà-vu.“ Link antwortete nicht sofort. Er faltete die Decke weiter zusammen, bis sie zu einer kleinen Rolle geschmolzen war, die ungefähr so breit war wie Zeldas Unterarm. „Meine Mutter hat sie für mich gemacht“, beantwortete er die stumme Frage. Mit dieser rauen Stimme, die Zelda kannte. Rau davon, weil er sie so lange nicht benutzt hatte. „Oh“, machte sie. Ein kleiner Schauer durchfuhr sie. Erstaunen, dass er, ihr stoischer Leibwächter, eine Frage beantwortete, die zu stellen, sie nicht gewagt hatte. Ohne ein weiteres Wort sah er weiter nach vorne. Drehte leicht Kopf und Körper, um die Umgebung im Auge zu behalten. Es stand ihr nicht zu, ihn nach seiner Familie zu fragen. Wenn sie ihn darum bat, würde er dann darüber sprechen, auch wenn er es nicht wollte? Einen Befehl ausschlagen, der kein richtiger war, um der Loyalität willen? Der Gedanke stimmte Zelda missmutig. Nie hatte sie vorher daran gedacht, ob er etwas vom dem, das er tat, überhaupt tun wollte. Oder eben nicht. Und nun tat sie es bereits das zweite Mal.   Gleichzeitig hatte er seine Mutter selbst erwähnt. Und damit Zeldas Vermutung über die Herkunft dieses offensichtlich erinnerungswürdigen Webstückes bestätigt. Und, bei Hylia, sie musste es einfach wissen.   „Deine Mutter“, begann Zelda zögerlich, biss sich auf die Lippe und warf Link einen fragenden Blick zu. Suchte nach Abwehr, oder Bestätigung, doch er wandte ihr nicht einmal den Blick zu. „Sie...“, setzte Zelda erneut an und verzog leicht das Gesicht, weil die Worte ihr zu entfliehen schienen. „Sie lebt in Hateno?“ Zelda schluckte und suchte erneut seinen Blick. Links Augen nahm sie kurz in den Fokus, dann betrachtete er wieder die dämmrige Umgebung. „Lebte“, antwortete er nach einer Weile. Erkenntnis durchschlug Zelda mit der Kraft eines niederfallenden Steins. Oh nein. Befangen sah sie zu Boden. Suchte krampfhaft nach Worten, die Trost spenden konnten. Verwarf alles was ihr einfiel, unsicher, ob Link ihren Trost überhaupt haben wollte. Einfach zu ignorieren, was er preisgegeben hatte, kam jedoch noch weniger in Frage. Wütend, dass sie ihre Neugierde nicht hatte unterdrücken können, dass sie ihre große, fragende Klappe nicht hatte halten können, ballte sie die Hände zu Fäusten. „Es-es tut mir leid“, stotterte Zelda schließlich, sich der fürchterlichen Profanität ihrer Worte mit erdrückender Klarheit bewusst. Hätte sie doch nur nicht gefragt. „Warum?“, fragte er leise. Seine Frage irritierte sie so sehr, dass sie vergaß, sich unwohl zu fühlen und aufsah. Sein Blick war warm, dieses Halb-Lächeln auf den Lippen. Machte er sich über sie lustig? Ärger stieg in Zelda auf. Plötzlich und total fehl am Platz, in Anbetracht der Tragödie. Oder? Link schien nicht traurig.   Ihre Verwirrung musste sich auf ihrem Gesicht widerspiegeln, denn der milde amüsierte Ausdruck verschwand von seinem. „Ich hatte lange Zeit, mich auf ihren Tod vorzubereiten“, erklärte er langsam. Sanft. Beruhigend. Als wüsste er, dass das Thema sie aufwühlte. Erinnerungen wach rief. Mehr als es das wohl bei ihm tat. Eine weitere Gemeinsamkeit. Etwas, das er ebenfalls besser handhaben konnte, als Zelda.   Sie wandte den Blick ab. Zerrissen zwischen dem dringenden Bedürfnis mehr zu erfahren. Ihm die Information zu entreißen, wenn nötig und der drückenden Angst vor den Emotionen, die ausgelöst werden könnten, wenn sie weiter sprächen.   „Wann?“, fragte Zelda. Ihre Stimme klang gepresst in ihren Ohren. Rau von unterdrückten Gefühlen, die drohend unter der Oberfläche brodelten und ihr die Kehle zuschnürten. Es dauerte eine Weile, bis Link antwortete. Ohne ihn anzusehen, wusste Zelda, dass er abwog, ob er es überhaupt tun sollte. Dass das Wählen der richtigen Worte ihn so lange davon abhielt, zu sprechen. Selbst hier, während er über den Tod seiner eigenen Mutter sprach, versuchte er sie zu beschützen. Zelda entließ ein zittriges Seufzen, nur ein Müh entfernt von einem gebrochenen Schluchzen, als er sich gegen die offensichtliche Entscheidung stellte und antwortete. „Während ich auf Reisen war“, sagte er leise. Klang nun meilenweit entfernt, obwohl er sich nicht gerührt hatte. Ein Seitenblick zeigte Zelda seinen abgewandten Blick. In die Ferne gerichtet. Zu Orten, von denen sie nichts wusste. Zu vergangenen Zeiten. „Kurz bevor ich zum Schloss zurückkehrte.“ Sein Blick strich kurz über sie hinweg, bevor sein Geist wieder seinen Erinnerungen entgegen strebte. „Und ich dich traf.“ Ein Schauer durchfuhr Zelda. Das Bild verschwamm vor ihren Augen und war gleichzeitig gestochen klar. Link, der vor ihr kniete, das Schwert auf dem Rücken. Das Toben hinter ihrer Brust. Die Angst. Die Hoffnung. Die Wut.   Zelda starrte ihn an. Hing an seinen Lippen. Bemerkte nicht einmal, wie verzweifelt sie seine nächsten Worte herbeisehnte.   Link seufzte und sah zu Boden. „Sie wurde krank, als ich noch sehr jung war. Deswegen lebte sie nicht mit uns in der Stadt. Sondern bei ihrem Bruder. Meinem Onkel.“ Wieder schickte er ihr einen kurzen Blick. „Er kennt sich aus mit Kräutern und Heiltränken. Er konnte ihr helfen.“ Wieder sah er zu Boden. „Ein wenig.“   So viel steckte in diesen wenigen Sätzen. Wärme breitete sich in Zeldas Brust aus. Wie sehr hatte sie sich das gewünscht. Mehr zu erfahren. Zu wissen, wer er war, dieser perfekte, junge Held, der scheinbar aus dem Nichts aufgetaucht war und ihr Leben so rigoros verändert hatte. Es so sehr verbessert hatte, jetzt, da sie es zu ließ.   Es fühlte sich richtig an. Eine körperlich spürbare Erleichterung. Sie musste wissen, wer er war. In allen Ecken und Winkeln.   Eine kranke Mutter. Wie furchtbar musste das gewesen sein. Ihre eigene Mutter war nicht lange krank gewesen. Ihr schneller, plötzlicher Tod hatte seine ganz eigene Tragödie ausgelöst. Eine, die so anders war, als es der langsame, schleichende Abschied für einen so kraftvollen, aktiven Jungen sein musste. Der zusehen musste, ohne etwas tun zu können. Der sich entscheiden musste, seiner sterbenden Mutter beizustehen, oder seinem Vater zu folgen und seinen eigenen Träumen. Für jemanden wie Link musste diese Entscheidung unendlich hart gewesen sein. Loyalität floss durch seine Adern. Wie das Blut, das ihn am Leben erhielt. Ebenso wie der Drang zu schützen und – wie sie nun wusste – sich zu beweisen. Es musste ihm wie Verrat vorgekommen sein, seine Mutter zu verlassen. Und gleichzeitig unmöglich, sich dagegen zu entscheiden.   Ein Onkel. Hatte er weitere Familie? Einen Vetter? Ein Schreck durchfuhr Zelda. Geschwister?! Die Klatschbasen des Schlosses hatten so etwas nie erwähnt. Aber, woher sollten sie es auch wissen? Link selbst war jemand, der nicht viel von sich sprach. Zelda wusste nicht einmal, welcher der Ritter sein Vater war. Etwas, das sich unbedingt ändern musste. Ein weiterer Schreck schockte durch ihre Knochen. War sein Vater überhaupt am Leben? Sie hatte nie etwas Gegenteiliges gehört. Aber vielleicht hatte sie einfach die falschen Schlussfolgerungen daraus gezogen. Wie konnte sie so vieles wissen wollen und immer noch so wenig wissen? Die Diskrepanz ließ Zelda erstarren. Wahrscheinlich war alles ein wenig viel gewesen, in den letzten Wochen. Die Erkenntnis, dass Links Auftauchen eher Segen war als Fluch, war selbst noch recht frisch. Sie sollte es sich wohl nicht so schwer nehmen. Dennoch war sie von ihrer eigenen Ignoranz schockiert. Zelda versagt erneut.   Sie schloss die Augen und sah zur Seite. Presste die Lider aufeinander und ließ die kleinen Lichtfunken über die Dunkelheit waschen, in die ihre Welt sofort getaucht wurde. Der Morgen kam ihr viel heller vor, als sie die Augen wieder öffnete.   Sie schluckte. Bemüht etwas zu sagen. Etwas, das nicht zu sehr von der Aufruhr in ihrem Inneren berichtete, auch wenn sie sich Link gern offenbart hätte. Doch Zelda fürchtete sich davor, ihn womöglich zu schockieren. Oder davor, dass er ihren Wünschen sofort nachgeben und ihr all das erzählen würde, das so hören wollte. Ihre Sorge war seltsam, doch sie wollte, dass er mit ihr sprach, weil es seinem Wunsch entsprach. Weil er sich ihr gegenüber öffnen wollte. Nicht, weil sie ihn darum bat. Es bestand immerhin die Möglichkeit, das er es als Befehl auffassen würde. War nicht alles, das aus ihrem Mund kam, ein Befehl für ihn? Der Gedanke stimmte Zelda traurig. Wie sehr sie sich nach seiner Freundschaft sehnte. Nach einer seiner wahren Freundschaft, nicht nur dem puren Pflichtgefühl, erfüllte sie mit Unwohlsein. Weil sie sich sorgte, dass sie sich etwas erhoffte, das nicht sein durfte. Nicht wirklich. Nicht so, wie sie es sich wünschte.   „Kein Wunder“, begann sie ein wenig krächzend, „dass du so ein Meister mit deinen Tränken bist.“ Wenn Link bemerkte, dass sie sich merkwürdig benahm, so ließ er es sich nicht anmerken. Sie glaubte ein Glucksen zu hören, bestätigen konnte sie es allerdings nicht. Jedoch bebten seine Schultern in einem dieser stummen Lachen. Zeldas Augenbrauen zuckten. „Ich bin kein Meister der Tränke“, widersprach Link. Mit einem Lachen in der Stimme. Atemlos. Also doch ein Glucksen. Gierig speicherte Zelda das Geräusch ab. Beschriftete die Erinnerung und reihte sie in die Reihe der anderen. Ihre innere Bibliothek von allem, das Link war. Er seufzte. Begann eine erneute Observierung der Umgebung. Die Sonne begann langsam aufzusteigen. Links neben ihnen, weit am Horizont. Das Leuchten erfüllte die feuchtigkeitsdurchflutete Luft des nahen Meeres und die Welt schien golden und still. Als würde die Natur innehalten, um das Schauspiel zu beobachten. Zelda hatte keinen Blick dafür. Ihre Augen ruhten auf Link. Auf dem taufrischen Glühen seines Haars. Dem blauen Leuchten in seinem Gesicht, dort, wo seine Augen im Schatten lagen. „Genug, um dich durch die wechselnden Klimaten der Wüste zu kämpfen“, erwiderte Zelda und schüttelte ihren Arm. Ihre Hand kribbelte, weil sie nicht bemerkt hatte, dass ihre Faust die Zirkulation dort abschnürte. „Und mich hast du damit vor einer Unterkühlung gerettet, an der Quelle des Mutes.“ Sie fixierte ihn mit einem durchdringenden Blick. „Ich war nicht ganz da, aber das weiß ich noch.“ Link betrachtete sie ausdruckslos. Nicht so ausdruckslos wie zum Anfang ihrer Bekanntschaft. Aber er lächelte nicht. Und er verzog keine Miene. Er wirkte … nachdenklich. Zelda zog eine Augenbraue hoch. „Sag es bloß nicht!“, ermahnte sie ihn und hob ihren rechten Zeigefinger. Bohrte ihn in die Luft zwischen ihnen. Die unsichtbare Grenze, die sie so gut wie nie übertraten. Link atmete überrascht ein. Nur ein wenig, aber seine Lippen öffneten sich leicht und lenkten Zeldas Blick darauf. „Mein Leben gehört Euch!“, beantworte sie seine stumme Frage. Leider klangen die Worte aus ihrem Mund eher vorwurfsvoll, als wie die versichernde Loyalitätsbekundung, die Link daraus machte. Er runzelte die Stirn. Ein bisschen brüskiert. Zelda rollte mit den Augen. „Nein, ich meine, ich habe darauf einfach keine Antwort“, erklärte sie. Versuchte, ihre Worte richtig zu stellen, abzuschwächen. „Keine die passt. Und, Link, das ist einfach zu viel!“ Sie hatte sich im zugewandt. Malte mit den Händen Gesten der Verzweiflung in die Luft. „Dein Leben gehört dir. Nicht mir. Ich …“ Hilflos hob sie die Arme. „Ich kann das nicht annehmen. Niemals.“ Sie schüttelte den Kopf und ein Ächzen entfuhr ihr. Ein kleines entmutigtes Stöhnen. „Ich-“, begann sie erneut, doch es war Link, der sie unterbrach. „Zelda.“ Es war ihr Name, der sie stocken ließ. Ihr Name von seinen Lippen, einfach so. Ihr Brustkorb hob und senkte sich in schnellem Rhythmus. Ihr Atem flog. Und ihr Blickfeld verkleinerte sich auf den Raum seines Gesichts. Nichts sonst. Nur Links Gesicht. Seine ernste Miene. Das Funkeln in seinen Augen. „Was?“, hauchte sie, als er nicht weitersprach. Einer seiner Mundwinkel zuckte. Er legte leicht den Kopf schief. „Das hast du nicht zu entscheiden.“ Perplex zogen sich ihre Augenbrauen zusammen. Ruckartig. Was? „Das-“, versuchte sie ihm zu widersprechen, doch er schüttelte den Kopf. „Es ist nicht deine Entscheidung“, wiederholte er. Nachdrücklich, doch mit warmer Stimme. Amüsiert. Und dennoch. Sein Ton ließ keinen Zweifel. Zelda atmete hörbar aus. Nun, was sollte sie darauf auch sagen. War es ihr Recht darüber zu entscheiden? Über Link zu entscheiden? Nein. Aber sie konnte ihn von der Pflicht entbinden, ihr Leben, bei allem, was er bereits für sie getan hatte und tun würde, über das Seine zu stellen. Sie konnte das einfach nicht zulassen. Schicksal oder nicht. Fluch oder nicht. „Aber das-“ Wieder schüttelte er den Kopf. Diesmal lächelte er. Entwaffnend. Zelda schluckte. Wärme explodierte in ihrer Brust, genau hinter den starren Knochen, die ihr Herz schützten, und breitete sich mit spinnenbeiniger Feinheit in ihrem Körper aus. Raste durch ihre Adern. Setzte sie unter Strom. „Keine Chance.“ Er hatte die Frechheit zu lachen. Diesmal sah sie es. Wie sich die Haut um seine Augen in kleine Falten legte. Wie die blauen Tiefen sich verflüssigten. Und sich seine Zähne zeigten, als Lippen und Kiefer die amüsierten Laute ins Freie entließen. Links Lachen war rauer als erwartet. Männlich. Flüssig. Ansteckend. Und verzaubernd. Zelda starrte ihn an. „Die Entscheidung ist längst gefallen“, meinte er leicht hin. Als wäre es kein großes Ding. Immer noch blitzten seine Augen auf diese amüsierte Art. Er brachte es fertig, gleichzeitig zu grinsen und das Gesicht zu verziehen. Zu einer Miene gespielter Entschuldigung. Er hob die Schultern. „Nichts zu machen. Mein Leben gehört dir. Solange ich es geben kann.“ Oh. Das war nicht gut. Nichts davon war gut. Ihr beschleunigter Herzschlag war nicht gut. Es war nicht gut, wie die Welt sich auflöste, ein Strudel aus Fragen und Farben und sich neu zusammensetzte. Hier, auf den Hügeln Akkalas, in Form eines schönen, jungen Mannes mit strahlend blauen Augen und tapferem Herzen. Und einer alten Seele. Eine Seele, die Zeldas eigene berührte. Mit ihr im Einklang pulsierte. Es war nicht gut, wie sie sich fühlte. Es war nicht gut, dass er so dachte. Und vor allem war es nicht gut, dass es sich so wunderbar anfühlte.   Zelda schwieg. Sie hatte keine Worte zu dieser Bekenntnis. Und selbst wenn sie sie hätte greifen könnte, hätte sie nicht gewagt zu sprechen. Sie hoffte, dass Link für die Botschaft in ihrem Blick nicht blind sein würde. Und gleichzeitig fürchtete sie sich davor, was er noch aus ihren Augen lesen konnte. Und so verging der Moment. Während sie nebeneinander standen. Mit seinen Worten zwischen sich. So bedeutsam. So unglaublich. So unmöglich. Ein Danke war einfach nicht mehr genug. Aber Zelda hatte sonst nichts zu geben. Nichts, dass er haben wollte. Nichts, das er brauchte.   Oder war am Ende doch Wahrheit an Urbosas Worten. Brauchte Link sie gar etwa? Einfach nur sie? Zelda? So fehlerhaft und ungenügend, wie sie auch sein mochte? Wozu? Einfach um da zu sein? Ihre reine Existenz, damit er sein Schicksal erfüllen konnte, auch wenn sie selbst scheitern sollte?   Ruckartig wandte Zelda sich ab. Nicht mehr bereit, den Pfaden des Morgens weiter in die Tiefe zu folgen. Nichts davon hatte sie geplant. Das Leben hatte sie voran getrieben. Sie Dinge aussprechen lassen, von denen sie nicht geahnt hatte, dass sie ihr auf der Zunge lagen. Dinge, die zu gefährlichen Gedanken führten. Und zu noch gefährlicheren Gefühlen.   „Ich werde Robelo wecken“, sagte sie schließlich. Mit starrer Stimme. Tonlos. Mit einer Spur des inneren Zitterns, das sie vor Link zu verstecken versuchte. Sie drehte sich um, lief zurück zur Forschungsstation. Dem nun hell bestrahlten Gebäude, so viel schöner im hellen, goldenen Licht des Morgens.   „Und ich hatte nicht vor, es zu sagen“, rief Link ihr hinterher. Zelda sah über die Schulter. Er lächelte. Und zwinkerte.   Nun, die Welt war definitiv kurz davor unterzugehen.   Kapitel 10: Kapitel 10 ---------------------- Nachdem sie die Hürde Robelo zum Aufstehen zu überreden, überwunden hatten, waren sie schneller als vorausgesehen auf dem Weg Richtung Akkala Festung. Der Wissenschaftler hatte sein Pferd ebenfalls im Stall am Fuße des Hügels untergebracht und nach einem ausgiebigen Frühstück ritten sie gemächlichen Schrittes nach Süden.   Zelda ertappte sich dabei, wie sie Links Blick auswich. Nicht dass er ihren aktiv suchte, es war eher ein Bemühen sich nicht dabei erwischen zu lassen, wie sie ihn anstarrte. Was sie tun wollte. So sehr. Stattdessen zwang sie sich, die Umgebung zu betrachten. Ein stummes Gebet an die Göttin zu schicken. Und mit Robelo zu sprechen. Er berichtete ihr von Purahs Forschung. Nun, da er den kindischen Wettbewerb in seinem einsamen Institut zurückgelassen hatte, konnte er der befreundeten Konkurrenz mit der Faszination eines Wissenschaftlers seine Aufmerksamkeit widmen.   „Und du willst mir sagen, dass dieser Fund rein zufällig war?“ Robelo lachte. „Glaubt mir, Purah hätte es mir auf die Nase gebunden, wenn sie für die Entdeckung verantwortlich wäre.“ Zelda zuckte unverbindlich mit dem Kopf. Da gab es wirklich nichts hinzuzufügen. „Ich frage mich, was sie dort eigentlich gesucht haben“, murmelte Robelo und seine Augen wurden schmal, als er überlegend in die Ferne starrte. „Wen kümmert das schon“, antwortete Zelda ungeduldig. „Warum hat sie mir nicht geschrieben? Das ist phänomenal.“ Aufgeregt und verärgert zugleich umfasste sie fester die Zügel. Den Pferdekörper unter ihr durchfuhr ein Zittern und Zelda tätschelte abwesend Storms Hals. Sofort beruhigte sich das Tier. Links Verdienst. Zelda warf ihrem Leibwächter einen kurzen Blick zu. Er ritt vor ihnen, suchte die sanften Hügel über die sie ritten mit nie ruhenden Augen nach potentiellen Gefahren ab. „Wollte wahrscheinlich mehr in Erfahrung bringen, bevor sie Euch damit behelligt“, vermutete Robelo. „Bisher konnten sie nicht viel herausfinden“, fügte er hinzu. Zeldas Blick fiel auf den Shiekah Stein. „Es ist die erste antike Einrichtung, die wir betreten können. Das allein ist Grund genug, um mir davon zu berichten.“ Sie warf Robelo einen strengen Blick zu. „Purah weiß, dass ich die Ruinen erforsche. Was sie gefunden hat, könnte wichtige Hinweise darauf geben, wie wir die Schreine öffnen können.“ Aufgeregt leckte sie sich über die Lippen. „Es besteht zumindest die Möglichkeit.“ „Ich weiß nicht, Prinzessin. Es klingt mir ganz und gar nicht wie einer der Schreine. Es ist eine Höhle, etwas, das sich die natürlichen Voraussetzungen zunutze gemacht hat, kein artifiziell errichteter Bau.“ Er hatte die Stirn gerunzelt. Aber Zelda fand, dass er das Ganze zu buchstäblich sah. Jeder Hinweis konnte sie auf die richtige Fährte führen. Doch sie entschloss sich, es dabei zu belassen. „Jedenfalls werde ich ihr schreiben, sobald wir in der Festung angekommen sind. Unverzüglich.“ Robelo sah sie von der Seite an. „Vielleicht solltet Ihr nicht erwähnen, dass sie es Euch hätte berichten sollen. Purah ist so ...“, er brach ab und sah wieder nach vorne. Verzog das Gesicht. Zelda betrachtete ihn, war eher amüsiert als verärgert darüber, dass er versuchte ihr Vorschriften zu machen. Ihre Beziehung war von Beginn an eher freundschaftlich gewesen. Gleichberechtigt. Sie bezweifelte, dass er sie wirklich als Prinzessin sah. Als seine zukünftige Herrscherin. Zumal die Shiekah seit je her ein wenig Außen vor waren. Gewollt. Sie entschied sich dazu, seine Worte zu ignorieren. Zelda vermutete, dass er nicht allzu positiv auf ihren Eindruck reagieren würde: dass er sich ein wenig vor Purah fürchtete. Der Gedanke war wirklich zu komisch. „Keine Sorge, Robelo, ich werde nichts tun, dass Purah erzürnen könnte.“ Der Forscher atmete hörbar auf. „Zumindest nicht, bis ich nicht jedes bisschen an Information über diese mysteriöse Höhle aus ihr heraus gequetscht habe“, fügte Zelda hinzu. Beinahe sofort spannte sich Robelo wieder an. „Prinzessin“, warnte er mit hochgezogenen Schultern, was Zelda zum Lachen brachte. „Oh, schon gut. Ich freue mich einfach nur über diese Entdeckung.“ Wieder ein Aufatmen seitens Robelos. Eine Weile ritten sie schweigend vor sich hin, nur der Wind und die Pferde waren zu hören. Hufe auf weichem Boden. Klirrendes Geschirr. Pferdeatem. Ein zufriedenes Schnauben. Zelda war vorher nie aufgefallen, wie entspannend eine Reise zu Pferde sein konnte. Das Reiten war ihr immer wie eine besonders anstrengende Sache erschienen. Praktisch, aber äußerst anstrengend.   „Ich bin so gespannt, wofür diese Höhle genutzt wurde“, sagte Zelda irgendwann, nachdem sie den Akkala See hinter sich gelassen hatten und die Sonne ein wenig tiefer stand. Bald würden sie an der Festung ankommen, also hatte es keinen Sinn mehr, jetzt noch eine Pause einzulegen. Robelo sah nachdenklich auf den Knauf seines Sattels. „Jedenfalls ist es wohl schwer die zweite Versieglung aufzubrechen. Zumindest ohne den Mechanismus zu zerstören. Wer weiß, was die Öffnung des ersten Tores getriggert hat. Purah meinte, dass es sie alle vor ein Rätsel stellt.“ Zelda seufzte. „Und davon haben wir ja nun wirklich nicht genug.“ Robelo war so in seinen Gedanken vertieft, dass er ihren Witz nicht einmal bemerkte. Link stattdessen ließ es kurzes amüsantes Geräusch ertönen, das Zelda überrascht aufblicken ließ. Ihr Leibwächter warf ihr einen schnellen Blick über die Schulter zu. Eindeutig amüsiert. Der Mundwinkel, den sie sehen konnte, zuckte verdächtig. Wärme breitete sich in Zelda aus. Ein kleiner Moment, den sie geteilt hatten. Nur sie Beide. Das warme Gefühl hielt als, selbst als er wieder nach vorne sah. Es war wirklich erstaunlich. Diese Veränderung ihrer Beziehung. Das Vertrauen, das sie in ihn hatte. Die Ruhe, die Wärme, die wiederum im absoluten Widerspruch zu den verwirrenden, aufwühlenden Gefühlen stand, die seine Nähe gleichzeitig auslösten. Zelda schluckte. Was immer es auch war, jetzt war nicht die Zeit dafür. Vielleicht irgendwann, wenn die Verheerung besiegt wäre, konnte sie sicher dieser Gefühle annehmen. Sie sich jetzt anzuschauen, würde so viel Probleme mit sich bringen. Probleme, die sie nicht gebrauchen konnte. Es erleichterte sie und stimmte sie gleichzeitig traurig, von sich schieben zu können, was genau es auch immer war, das ihr diese Probleme bereiten konnte.     Sie erreichten die Festung am frühen Nachmittag. Es stellte sich als doch keine so gute Idee heraus, auf die Pause verzichtet zu haben. Zumindest für Zelda. Ihr Steißbein glühte und ihr Magen fühlte sich löchrig an. Sie hatte längst jeglichen Versuch aufgegeben Konversation zu betreiben. Weder Link noch Robelo schienen diese Probleme zu haben. Ihr Leibwächter ritt wieder neben ihr, seit der riesige Festungsfelsen am Horizont aufgetaucht war. Schweigsam wie eh und je, allerdings klebten seine Augen an den massigen Mauern in der Ferne. Er wirkte aufgeregt. Und brachte Zelda mit seiner beinahe kindlichen Vorfreude zum Lächeln. Von Zeit zu Zeit erwiderte er die Blicke, die sie ihm von der Seite zu warf. Er wirkte ein wenig perplex, vielleicht unangenehm berührt. Es schien ihm nicht zu gefallen, dass es sie amüsierte. Ein wenig enttäuschte es Zelda, dass er so wenig Vertrauen in sie hatte. Während das ihre ihm gegenüber doch keine Grenzen kannte. Gleichzeitig war sie von diesem aufgeregten Link fasziniert. Von seinen leuchtenden Augen, dem suchenden Blick, der aufgerichteten Haltung. Es zeugte von seinem Enthusiasmus. Er war ein Ritter. Hier war er in seinem Metier. Viel mehr als an der Seite einer fehlerhaften Prinzessin, deren Tagesablauf aus Bittstellungen an die Göttin bestand, und dem vereinzelten Wanderausflug. Zelda seufzte. Als sie die fernen Manöver in blitzende Rüstungen gehüllter Gestalten auf dem entfernten Exerzierplatz sahen, konnte sie es allerdings nicht mehr zurückhalten. „Fehlt es dir?“, fragte sie Link und versuchte den Stich in ihrem Inneren zu ignorieren. Versuchte höflich interessiert und freundlich zu klingen. Als Link ihr einen verwirrten Blick zuwarf, herausgerissen aus seiner Beobachtung der Trainingskämpfe der Ritter, spezifizierte Zelda. Sie nickte in Richtung der Kämpfe. „Das. Die Kämpfe. Ein Ritter zu sein.“   Sie konnte sehen, wie Link die Stirn runzelte als er über die Frage nachdachte. Es verhinderte, dass er sofort antwortete, was eine gewisse Panik in ihr auslöste. Was würde sie tun, wenn er es bejahte? Sollte sie ihn aus ihren Diensten entlassen? Ihren Vater um einen anderen Leibwächter bitten? Würde ihr Vater es zulassen, selbst wenn Link tatsächlich unglücklich sein sollte? Konnte sie uneigennützig genug sein und Link gehen lassen? Ihre eigenen Brauen spannten sich an, während sie versuchte nicht das Gesicht zu verziehen. Es gefiel ihr nicht, dass ihre Gedanken derart egoistisch waren. „Ein wenig“, gab Link nach einer Weile zu. Doch das Lächeln, das er ihr sandte, kam zu schnell, als dass ihr Herz sich schmerzhaft zusammen ziehen konnte. „Aber die meiste Zeit über bin ich froh darüber, dass ich genau da bin, wo ich bin.“ Ihre Blicke trafen sich und sein Lächeln verschwand. Zelda errötete. Blau bohrten sich seine Augen in ihren Verstand. Wenn er sie so ansah, war es wirklich schwer hinter seinen Worten nicht mehr zu suchen. Ihr dummes, dummes kleines Mädchenhirn versuchte verzweifelt seinem Blick eine tiefere Bedeutung zu verleihen. Das Gefühl wurde so stark, dass sie sich abwenden musste, bevor sie etwas sagte, dass sie bereuen würde. Nein. Link hatte einfach nur Frieden mit seinem Schicksal geschlossen. Anders als sie selbst. Wenigstens konnte sie sicher sein, dass er bei ihr bleiben würde.     Sie brachten die Pferde in den Stallungen unter. Bei einem etwas verwirrt dreinblickenden Burschen, deren Blick immer wieder zu Link hinüber flackerte. Und dem Knauf des über dessen Schulter aufragenden Bannschwertes. Der Stallbursche schien absolut fassungslos über das Auftauchen des legendären Helden. Wahrscheinlich war Link das Idol jeden einzelnen hylianischen Jungen. Erstaunlicherweise ging ihr Leibwächter mit dieser offenkundigen Anbetung sehr entspannt um. Er klopfte den Burschen freundschaftlich auf die Schulter und behandelte ihn ausgesprochen zuvorkommend. Wie einen Freund. Wahrscheinlich würde er die Hand nie wieder waschen, die Link ihm zum Abschied schüttelte. Zelda lächelte bei dem Gedanken. „Dein Ruf eilt dir voraus, Held“, sagte sie zu ihm, als sie die Treppe zur Festung hinauf stiegen, Robelo einige Schritte hinter sich. „Das war sehr freundlich von dir“, fügte sie leise murmelnd hinzu. Wie schön musste es sein, ein solches Vorbild für junge Männer darzustellen, obwohl man selbst noch so jung war. Link zuckte mit den Schultern. Seine typische Antwort, wenn er etwas für wenig besonders hielt. Freundlichkeit. Höflichkeit. Wertschätzung. Es war so alltäglich für ihn wie das Trinken. Wahrscheinlich war er sich nicht einmal bewusst, wie viel dem jungen Stallburschen seine Aufmerksamkeit bedeutet hatte. Gleichzeitig wähnte Zelda, dass es ihm unangenehm wäre, würde sie es ihm verdeutlichen. Sie beschloss, nicht weiter darauf einzugehen. Stattdessen konzentrierte sie sich auf die vielen Stufen zur Festung hinauf. Zum oberirdischen Teil der Festung. Wie auch das Schloss war die Akkala Festung teilweise in den Felsen gebaut. Eine bessere Verteidigung als die Bollwerke der Natur gab es nicht. Interessiert beobachtete sie die wenigen Wächter, die sie von dem erhöhten Standpunkt zu sehen bekam. Es schien wenig zu geschehen. Wahrscheinlich übten die Ritter einige Basisbewegungen. Versuchten den Manövern der Wächter dabei nicht in die Quere zu kommen. Die meisten der Kampfmaschinen wurden wahrscheinlich unter Verschluss gehalten. Irgendwo in den riesigen katakombenartigen Höhlen der Festung. „Robelo“, begann Zelda und drehte sich nach dem Forscher um. Er hatte ebenfalls die Wächter im Blick. „Wie viele Wächter hast du bisher hier hergeschickt?“ Sie blieb stehen, während sie auf eine Antwort wartete. Auf dem letzten Treppenabsatz vor Erreichen der ersten Plattform des Felsens. „Um die Einhundert“, antwortete Robelo. „Zumindest von denen mit selbstständigen Fortbewegungsmechanismus. Vielleicht noch einmal so viele Stationäre.“ Zelda spitze beeindruckt die Lippen. Also mehr als zweihundert Wächter. Und das in nur wenigen Wochen. Wie viel schneller er arbeiten könnte, wenn er einige Assistenten an seiner Seite hätte. Es schien, dass sie nun wirklich bereit waren, die Wächter zum Schloss zu verlegen. Zumindest einige davon. Natürlich würden einige von ihnen hier bleiben.   „Prinzessin“, rief eine Stimme vom oberen Absatz der Treppe und riss Zelda aus ihren Kalkulationen. Sie sah auf. Link hatte die erste Ebene erreicht und stand neben einer Einheit offiziell aussehender Militärs, vornweg ein stattlicher Hylianer mit wehendem weißen Umhang und dem Zeichen des Kommandanten, den Helm mit dem Federbusch unter den Arm geklemmt. Er hatte ein ansehnliches Äußeres, strenge Züge und einen offenen Blick. Roraph, der Kommandant der Festung. Zelda war ihm schon einige Male begegnet. Er war ein strenger, aber verlässlicher Mann, in deren Gegenwart man sich wohlfühlte. Zumindest wenn man nichts Dummes angestellt hatte. „Wir hatten Euch erst gegen morgen Mittag erwartet“, begrüßte er sie mit gerunzelter Stirn. Ach ja. Das Militär. Und Pläne. „Ja“, fand Zelda ihre Stimme wieder und machte sich an den Aufstieg der letzten Stufen. Sie war froh um die kleine Pause und dass ihr Atem nun nicht mehr stoßweise kam. „Das hatten wir auch vor, Kommandant Roraph, aber es stellte sich heraus, dass ein verfrühter Aufbruch zur Festung nur Vorteile hatte.“ Sie erwähnte nicht, dass sie keinen Tag länger in Robelos Forschungsstation hatte verbringen wollen. Vielleicht fände sich dafür ein anderer Augenblick. Ohne Anwesenheit des Betroffenen. Zelda versuchte sich in einem unschuldigen Lächeln. Einem Lächeln, das, wie sie hoffte, absolut normal wirkte und dennoch keine Widerworte zuließ. Sie war die Prinzessin. Sie konnte ihre Pläne ändern, wie sie es für angebracht hielt. „Natürlich“, antwortete der Kommandant. Sein Blick flackerte kurz hinüber zu ihrem Leibwächter, der sich zwar nicht rührte, aber dennoch etwas auszudrücken schien, denn nach dem schnellen Blickkontakt fiel etwas Anspannung von dem älteren Mann ab. Erstaunlich, welche Wirkung Link haben konnte. „Wir sind nur froh, dass Ihr unbehelligt angekommen seid. Die Gegend wird zunehmend gefährlicher.“ Wieder tauschte er einen Blick mit Link.   „Eure Sorge ehrt mich, Kommandant, doch mit Sir Link an meiner Seite, könnte ich wohl kaum sicherer sein.“ Zelda meinte es so. Dennoch wurde ihr bei dem Seitenblick, den ihr Leibwächter ihr zuwarf, bewusst, dass sie es noch nie laut ausgesprochen hatte, wie sicher sie sich fühlte, mit ihm an ihrer Seite. Nicht länger eingeengt. Sondern einfach nur sicher. Zelda lächelte. „Natürlich“, wiederholte der Kommandant. Dann nickte er hinter sich in Richtung eines leicht beleibten älteren Hylianers. „Unser Haushofmeister. Er wird Euch in die königlichen Quartiere geleiten. Wahrscheinlich seid Ihr erschöpft von der Reise.“ Zelda nickte dankbar und erklomm die letzten Stufen zum Plateau. Alle Anwesenden neigten respektvoll die Köpfe, als sie vor ihnen zum Stehen kam. „Kommandant“, warf sie kurz ein, als der Haushofmeister ihr die Richtung wies, in die er sie zu führen gedachte. „Würdet Ihr so freundlich sein, uns ein Manöver mit den Wächtern vorzuführen, wenn wir uns erfrischt und ausgeruht haben. Sowohl ich als auch Meister Robelo hier“, Zelda deutete kurz hinter sich, hoffend, dass der Forscher ihr gefolgt war, „würden uns gern ansehen, wie die Ritter mit den antiken Einheiten zurechtkommen.“ Wenn es den Kommandanten überraschte, dass Zelda diese Bitte äußerte, so ließ er es sich nicht anmerken. Er nickte knapp und gab dann einen leise gemurmelten Befehl an einen Ritter weiter, der direkt hinter ihm stand. Augenblicklich setzte sich der Befohlene in Bewegung und verschwand aus ihrem Blickfeld. „Ich werde alles Nötige veranlassen.“     Sie folgten dem Haushofmeister in die kühle Festung hinein. „Du solltest zu ihnen gehen“, meinte Zelda nach einer Weile, nachdem sie Stufen und Gänge hinter sich gebracht hatte, an deren Wegfolge sie sich unmöglich würde erinnern können. Sie war schon einige Male hier gewesen, aber dennoch glich die Festung für sie einem der großen Labyrinthe, die vor einigen Jahren entdeckt worden waren. „Zu den Rittern“, spezifizierte Zelda, als Link ihr einen fragenden Blick zu warf. „Es würde dir gut tun.“ Sie lächelte. Sie meinte es ernst. Dennoch stimmte diese Wahrheit sie traurig. Es fiel ihr nicht leicht sich einzugestehen, dass Link tatsächlich eher nach unten auf den Exerzierplatz gehörte, als hier zu ihr. In einen stillen Gang. Er gehörte in den Kampf. Oder zumindest dorthin, wo Kämpfe simuliert wurden.   Link sandte ihr einen Blick, den Zelda nur als gequält einstufen konnte, auch wenn er etwas weniger ausdrucksstark ausfiel, als es bei jemand anderem gewirkt hätte. „Mein Platz ist hier, Prinzessin“, antwortete er, mit dieser leisen Stimme, die keinen Zweifel an seiner Überzeugung ließen. „Zelda“, verbesserte sie ihn automatisch. Robelo war bereits in einem der Gästequartiere untergebracht worden und der Haushofmeister lief einige Schritte außer Hörweite, zumindest wenn man leise sprach. Neben ihr seufzte Link leise. „Mein Platz ist hier, Zelda“, wiederholte er, mit leichter Ungeduld in der Stimme, die Zelda aber eher amüsierte als abschreckte. „Gut.“   Den Rest des Weges legten sie schweigend zurück. Die königlichen Gemächer besaßen den Luxus eines Fensters. Ansonsten handelte es sich hierbei einfach um einige aneinandergrenzende Räume, die glücklicherweise schon vor einigen Tagen ausgelüftet worden waren. Also war die Anmerkung des Kommandanten zu ihrer verführten Ankunft nicht auf die Vorbereitungen dafür bezogen gewesen. Zelda vollführte eine Pirouette und besah sich den mittleren Raum, den einzigen, den man durch den Gang aus erreichen konnte. Wandteppiche um die Kälte des Steins zu vertreiben. Ein Kamin, gepolsterte Stühle, ein Tisch und wollene Teppiche. Praktisch und wärmend. Ihr Blick fiel auf den Haushofmeister, der in der Tür verharrte und sie anstarrte. Zelda neigte den Kopf. Fragend. Sofort sah der Mann zu Boden. Dann wieder auf. Und zu Link hinüber. „Die Quartiere für die Garde sind weiter hinten den Gang hinunter“, sagte er an ihrem Leibwächter gewandt. „Ich weiß“, antwortete Link und fixierte den Haushofmeister mit dem stoischen Blick, der Zelda vor wenigen Wochen noch zur Weißglut getrieben hatte. Nun musste sie bei dem Anblick ein Kichern unterdrücken. Der andere Hylianer runzelte die Stirn und schien etwas sagen zu wollen. Dann allerdings erinnerte er sich wohl daran, dass er nicht mit irgendeinem Ritter sprach, sondern mit dem Leibwächter der Prinzessin. Und er schluckte hinunter, was auch immer ihm auf der Zunge lag. Zelda sah sich dazu genötigt eine Erklärung zu liefern. Sie wollte nicht, dass die Tatsache, dass Link in den Gemächern der Prinzessin verweilte während diese schlief, zu Gerüchten führte. Sie wollte weder sich und schon gar nicht Link solchen unanständigen Gedanken aussetzen. Sie wollte ihm zumindest diesen Ärger ersparen. „Sir Link schläft nicht“, erklärte Zelda dem Haushofmeister, dessen Augen sofort groß wurden. Wenn man von jemandem glauben konnte, dass er nicht schlief, dann war das wohl Link, denn der Haushofmeister schien nicht an ihren Worten zu zweifeln. „Und ich fühle mich sicherer, wenn er in meiner Nähe weilt“, fügte Zelda hinzu, sich bewusst, dass ihre Ohren ein wenig rot anliefen. Nun, besser als ihr ganzes Gesicht. Und es war schließlich nichts, das Link nicht schon wusste. Zelda lächelte süßlich, ein Hinweis für den Haushofmeister, dass sie seine Dienste nun nicht länger benötigen würden. Etwas, das er schnell zu verstehen schien. Er verbeugte sich vor ihr und nickte dann in Links Richtung. Dann verschwand er ohne ein weiteres Wort.   „Fffff“, machte Zelda und fuhr sich mit der Hand glättend über ihr Haar. „Er hat nicht mal daran gedacht, jemanden für das Feuer zu schicken.“ Sie grinste. Natürlich meinte sie das nicht ernst. Link warf ihr einen Blick gespielten Leidens zu und machte sich daran im Kamin ein Feuer zu errichten. Zelda seufzte. „So war das nicht gemeint“, sagte sie. Link ging nicht darauf ein. Stattdessen murmelte er: „Es gibt keinen Grund der Legende um meinen Namen noch mehr Futter zu geben.“ Er sah kurz über seine Schulter. „Ich schlafe!“ Zelda konnte nicht anders, sie kicherte. Was Links Blick verdunkelte und ihr Kichern in ein ausgewachsenes Lachen verwandelte. „Wenn sich dieses Gerücht verbreitet, wird es noch schwieriger werden, überhaupt Schlaf zu finden.“ Armer Link. „Besser als ein anderes Gerücht“, antwortete sie und fuhr mit dem Zeigefinger über das glatt polierte Holz eines gepolsterten Stuhls. Sofort wollte sie die Worte greifen und zurück in ihren Mund stopfen. Oh Zelda, warum sagst du das? Link unterbrach seine Tätigkeit kurz, stockte, drehte sich aber nicht um. Antwortete nicht. Aber sein Innehalten sagte ihr, dass er ihre Worte genau verstanden hatte. Dass er wusste, welches Gerücht die Anwesenheit eines jungen Mannes in den Gemächern der jugendlichen Prinzessin auslösen könnte. Zelda spürte wie sie nun doch über und über rot anlief. Es war schamlos so etwas überhaupt zu denken. Nur jemand mit einem schmutzigen Verstand konnte aus der unschuldigen, professionellen Beziehung eines Leibwächters zu seinem Schützling so etwas machen. Nicht dass die Klatschbasen der Welt nicht so einen Verstand besaßen. Dem ließ sich nicht abhelfen. Aber dass sie selbst daran dachte und es nun auch noch auf diese Weise aus hier hervor geplatzt war, nun, das war einfach beschämend. Und bezeichnend. Zelda verdrängte den Wunsch, ihren immer heißer werdenden Kopf in ihren Händen zu vergraben. Stattdessen bemühte sie sich um Contenance. Um königliche Gelassenheit. Um Würde. Wenn sie dafür ihre Fäuste ballen musste und ihre Fingernägel sich durch das Material ihrer Handschuhe bohrte, dann war das eben so. Es glückte Link sehr schnell in dem leeren Kamin ein Feuer zu entfachen. Natürlich. Während er sich langsam erhob und umdrehte, pflanzte Zelda ein unbekümmertes Lächeln auf ihr Gesicht. Zumindest hoffte sie, dass es so wirkte und nicht wie die Grimasse, nach der es sich anfühlte. „Nur zu“, begann sie schnell, um vom Thema abzulenken. „Riech' an den Wänden.“ Sie gestikulierte in den Raum hinein. Ein kläglicher Versuch witzig zu sein. Glücklicherweise ging Link darauf ein. Er schickte ihr einen gespielt genervten Blick, zumindest hoffte Zelda, dass er nur gespielt war und begann seine Tasche vom Gürtel zu lösen. „Ich rieche nicht an den Wänden“, erklärte er. „Ich rieche überall.“ Er sagte das in einem so ernsthaften Ton, dass es Zelda zum Lachen brachte. Ein wenig löste sich das unangenehme Gefühl in ihrem Nacken. „Oh Verzeihung“, erwiderte sie grinsend. „Lass dich nicht von mir davon abhalten, überall zu riechen, Sir Link.“   *   Sie aßen im großen Speisesaal. Der Kommandant mit seiner Familie. Einige der Offiziere. Link und Robelo, dem die Gesellschaft sichtlich gut tat. Der Kommandant nahm Links ganze Aufmerksamkeit in Anspruch. Und ihr Leibwächter schien seine Aversion gegen das Sprechen mit Fremden für kurze Zeit abgelegt zu haben. Vielleicht war es auch nur das Thema. Kampf. Krieg.   Sie hatten den restlichen Nachmittag damit verbracht die Wächter zu begutachten, die Robelo funktionstüchtig gemacht hatte. Und den Rittern der Festung dabei zu gesehen, wie sie verschiedene Kampfszenarien probten. Alles in einem erschien es Zelda äußerst erfolgreich. Aber sie verstand nicht viel von Kriegstaktik und Kampf. Ihr Vater hatte sich nie die Mühe gemacht, sie auf diesen Teil des Herrschens vorzubereiten. Vielleicht dachte er, dass sie erst einmal die erste Anforderung als Prinzessin meistern sollte. Die Siegelkräfte. Zelda verdrängte das altbekannte Gefühl des Versagens und wandte sie Robelo zu. Versuchte diesen erneuten Anflug von Selbstmitleid zu ignorieren, in dem sie mit ihm über die verschiedenen Wächtertypen sprach. Und über ihre Erkenntnisse zu den Schreinen und dem Shiekah Stein.   „Wie viele Bilder habt Ihr bisher gesammelt, Prinzessin?“, fragte er um einen großen Bissen gegrillten Fleisches herum. Zeldsa blinzelte überrascht. „Bilder?“ Robelo nickte zu dem Shiekah Stein an ihrem Gürtel. „Auf dem Stein“, meinte er, während er sich mit großem Appetit gedämpftes Gemüse auftat. Zelda sah unwillkürlich zu dem antiken Relikt hinunter. „Nun“, antwortete sie. „Ein paar?“ Robelo verzog das Gesicht. „Vielleicht solltet Ihr ein wenig aufstocken.“ „Wieso?“ Es war nur ganz kurz, doch sie sah, wie Robelo Link einen Blick zu warf. Ihr Leibwächter schien tief versunken in das, was sein Tischnachbar ihm erzählte. Er starrte konzentriert auf seinen halb vollen Teller. An und für sich schon ein Novum. „Was?“, hauchte Zelda und starrte Robelo an. „Was meinst du?“ „Nur so ein Gedanke“, antwortete der Forscher leise. Er warf ihr knappes Lächeln zu und wandte seine Aufmerksamkeit wieder seinem Teller zu. Doch sie hatte gesehen, was in Robelos Blick gelegen hatte. Mitleid. Und so unschuldig und kurz der Moment auch gewesen war, reichte es dennoch aus, um ihr den Appetit zu verderben.   Und um ihr Albträume zu bereiten.   „Es wäre mir lieber, wenn Ihr diesen Raum benutzen würdet“, sagte Link, als sie am späten Abend in die Gemächer zurückkehrten. Er deutete auf das kleiner der beiden Zimmer, das, das nicht für das Mitglied der königlichen Familie gedacht war, sondern für einen Bediensteten. Eine Zofe vielleicht. Zelda seufzte und sandte ihm einen gespielt leidenden Blick. Die Förmlichkeit des Banketts haftete an ihm wie ein schlechter Geruch. Sein ganzes Auftreten war steif und unnahbar. Und Zelda konnte es verstehen, sie war ihm dankbar, dass er die gewisse Vertrautheit, die sie mittlerweile pflegten, abstellen konnte, wenn die Situation es verlangte. Auch wenn sie es gern anders gehabt hätte, war sie noch nicht bereit, für diesen gleichgestellten Umgang einzustehen. Es wäre einfach zu kompliziert. Dennoch viel es ihr schwer, sich bei seinem stoischen Blick, der distanzierten Höflichkeit, nicht niedergeschlagen zu fühlen. Oder dem dringenden Bedürfnis zu widerstehen, irgendetwas zu tun, das ihn von ihrem Leibwächter zurück in Link verwandeln würde. Ihren Link. Aber Robelos Worte hatte Zelda zu sehr mitgenommen, als das sie den Mut aufbringen konnte, diesem Drängen nachzugeben. Auch wenn sie bestimmt einfach nur daher gesagt waren, lösten sie ein Unwohlsein in ihr aus. Eine ungute Ahnung. Eine tiefe Anspannung. Angst. Um Link. „Ist gut“, antwortete sie also und fügte sich ihrem Schicksal. Und Links Entscheidung. „Gute Nacht, Link.“ „Gute Nacht, Prinzessin.“   *   Zelda erwachte mit dem unguten Geschmack der Nacht auf ihrer Zunge. Sie hatte von roten Spinnen und dunklen Wolken geträumt. Großen Blasen aus wabernder Materie, die sich über das Land ihrer Träume ergossen hatte. Sie fühlte sich erschlagen statt ausgeruht und stöhnend rollte sie sich erst auf die Seite. Nach einer Weile, nachdem sich das schwere, panische Gefühl etwas gelegt hatte, schwang sie die Beine aus dem Bett. Sie benutzt den Nachttopf und brachte ihr Haar in Ordnung, das, wie sie in dem hübschen ovalen Spiegel über dem Kaminsims erkennen konnte, in alle Richtungen abstand. Mit ein wenig Wasser aus einer kunstvoll geformten Waschschüssel im Gesicht, in ihren frisch ausgebürsteten Kleidern – ein Diener musste sich darum gekümmert haben – fühlte sich Zelda geerdet genug, um sich der Welt zu zeigen. Um sich Link zu zeigen.   Doch kein existierendes Ritual hätte sie auf das vorbereiten können, was sie sah, sobald sie die Tür öffnete. Nichts hätte ihr genug Ruhe und Standfestigkeit verschaffen können, um nicht aufzuschreien. Zu ihrer Verteidigung, es war ein kleiner Schrei. Mehr ein leises Kreischen. Ein Quietschen vielleicht, gedämpft von den Fingern, die an ihren Mund flogen, als sie das Bild aufnahm. Möbel die umgestürzt waren. Herumfliegende Daunen. Weiß wie Schnee. Ein Aufgebot von Dienern, die so leise wie möglich versuchten, dem Chaos Herr zu werden. Um sie nicht zu wecken. Bei der Göttin, wie lange arbeiteten sie schon daran? Und wie hatte es vorher ausgesehen?   Das Blut. An den Wänden, ein roter Handabdruck an der Tür zum Flur. Eine Schleifspur, die nach draußen führte. Karmesinrote Flecken auf dem Boden. Wie purpurne Blüten die über Nacht auf dem Holz gewachsen waren. Ihr Leibwächter stand an die Wand gelehnt, direkt neben der Tür zu Zeldas Schlafzimmer. Dem Schlafzimmer, auf das er bestanden hatte. Der kleine Nebenraum, nicht das große Zimmer mit dem königlichen Bett. Das sie von hier aus durch die offene Tür gegenüber sehen konnte. Die Bettvorhänge waren zerschnitten, die Matratze rot gefärbt. Zelda atmete schockiert ein. Link hatte ihr den Kopf zugewandt, die Hände vor sich auf den Knauf des Bannschwerts gestützt, das seine Spitze in den Holzboden bohrte. Die Klinge selbst war sauber. Glänzte im frischen Morgenlicht. Die Sonne war heute eher aufgestanden als Zelda. Wegen ihrer Albträume. Kein Albtraum war so verstörend, wie der Anblick der sich ihr bot. Die Implikation. „Ziemlich fester Schlaf, was?“, sagte Link. Sein Ton war leicht, beinahe amüsiert, doch seine blauen Augen wirkten hart wie Eis. Er konnte seine Anspannung trotz all der Nonchalance nicht verbergen. Er unterzog sie einer schnellen Bestandsaufnahme. Ließ seine Augen an ihrer Gestalt hinunter huschen. „Was ist passiert?“, hauchte Zelda. Zu schockiert, um ihre Stimme zu finden. Link rollte die Schultern und bewegte seinen Kopf, dehnte Schultern und Nacken und arrangierte seine übereinander geschlagenen Handgelenke bequemer auf dem geflügelten Knauf seines Schwertes. Er betrachtete die Diener, sah zu, wie sie sich weiter des Chaos annahmen, das wohl Link verursachte hatte, während Zelda selbst geschlafen hatte. „Yiga“, antwortete Link und für einen Moment konnte er das Bild unberührter Leichtigkeit nicht aufrechterhalten. Bei dem eiskalten Klirren seiner Stille wurde ihr ein wenig schwindlig und sie griff nach dem Türpfosten. Krallte ihre Finger in das Holz um Halt zu finden. Link griff neben sich auf die leicht schief stehende Kommode und holte etwas hervor, hielt es ihr entgegen. Zelda folgte der Bewegung, konnte aber erst Sinn aus dem machen, was er ihn anbot, als die sprachliche Information hinzukam. „Banane?“, fragte er unschuldig und reichte ihr eine der gelben, gebogenen Früchte. Er musste sie einem der Yiga abgenommen haben. Als hätte er nicht gerade eben einen Angriff von abtrünnigen Shiekah abgewehrt. Verdammten Ninjas mit magischen Kräften und scheinbar zahlentechnisch großer Überlegenheit. Zumindest deuteten die vielen Blutpfützen davon, von denen die fleißig arbeitenden Diener wohl schon eine Menge beseitigt hatten. Zelda stieß bei seiner Frage ein keuchendes Lachen aus und ließ ihre Hand fallen. Nicht wirklich ein Geräusch der Belustigung, eher aus Schock und der Erkenntnis geboren, dass sie ihrem Leibwächter ihr Leben schuldete. Nun bereits zum dritten Mal. So langsam sollte sie anfangen sich Gedanken darüber zu machen, wie sie das ausgleichen konnte. Schwur hin oder her. Die Waage kippte immer mehr in die eine Richtung. Link zeigte ihr ein kurzes Grinsen, ein schnelles Blitzen von Weiß, doch trotz all seiner Bemühungen wirkte es nicht amüsiert. Sondern eher wie ein Zähnefletschen. Wahrscheinlich strömte ihm die Aufregung des Angriffs immer noch durch die Adern. Zelda reagierte nicht auf seinen Versuch die Situation aufzuheitern. Ihr war nie weniger danach zumute gewesen zu Lachen. Was war hier geschehen? „Hey“, machte Link und aus dem Augenwinkel sah Zelda, dass er näher trat, das Schwert nun in der rechten Hand, die Spitze immer noch nach unten zeigend. „Sie sind nicht mal in deine Nähe gekommen“, sagte er leise. Mit derselben ruhigen Stimme, mit der er ihr Storms Verhalten erklärt hatte. In der Tonlage, die die heisere Nuance seiner Stimme stärker hervor brachte. „Du warst nie in Gefahr“, fuhr er fort und kam noch näher. Zelda sah zu Boden. Musste sich zurückhalten, um ihn nicht anzufahren. Es war nicht der Ort und auch nicht die Zeit ihm zu sagen, dass es nicht ihre Sicherheit war, die sie so schockierte. Zumindest nicht ausschließlich. Es war er. Und der Fakt, dass er immer da war. Für sie da war. Ihr Leben bewahrte und das auf so viel mehr Arten als reinen physischen Schutz. Was das auslöste, konnte sie nicht in Worte fassen. Doch es war erschütternd und tief und verwirrend. Und vielleicht würde sie ihm das nie offenbaren können. Weil Ort und Zeit nie richtig wären. Weil es einfach nicht richtig war, so zu empfinden. „Die Wachen vor der Tür waren da, kaum das der Erste fiel. Ich war da, bevor sie wussten, was geschah. Es ist alles gut“, sprach Link weiter. Verstand nicht, dass Zelda Starre, ihr zu Boden gerichteter Blick dem Versuch geschuldet war, ihre innere Aufruhr zurückzuhalten. Nicht mit all dem hervorzubrechen, das in diesem Moment in ihr vorging.   Link machte es ihr schwer. Ihr schweigsamer Leibwächter hatte es sich zur Aufgabe gemacht, sie zu beruhigen und er würde nicht aufhören, bis es nicht erreicht wäre. Ganz, wie es für ihn typisch war. Und wenn er dafür die unsichtbare, unausgesprochene Grenze zwischen Prinzessin und Held übertreten musste.   Als Zelda seine Hand an ihrem Kinn spürte, zuckte sie zusammen. Nicht nur die Berührung als solche erschreckte sie. Es war die urplötzliche Wärme seiner Finger. Weich und rau zugleich. Ihre eigene zittrige Reaktion. Die Woge unkontrollierten körperlichen Entzückens die sie durchfuhr. Es war keine romantische Geste. Es war pragmatisch. Ein Zeigefinger, der sich absolut senkrecht von unten in ihr Kinn bohrte. Es regelrecht aufspießte und nach oben schob. Damit er ihr in die Augen sehen konnte. Ihre Blicke trafen sich. Ihrer erschrocken, fasziniert und hoffentlich nicht all zu sehnsuchtsvoll. Seiner amüsiert und leicht besorgt. Doch es war genug für Zeldas törichtes Herz um sich in einen wilden Galopp zu stürzen, der all die aufwühlenden, ängstlichen, glücklichen Empfindungen noch schneller durch ihre Adern trieb. Kurz dachte sie daran, dass sie einen ziemlich derangierten Eindruck machen musste, wenn Link zu solchen Methoden griff. Hier, vor so vielen Augen, die so viel in einer so kleine Geste lesen konnten. Womit sie so falsch und gleichzeitig so richtig liegen würde, je nachdem, wen von dem ungleichen Paar das Link und sie abgaben, die Diener betrachteten.     Bevor Zelda etwas sagen konnte, wurden auf dem Gang draußen Stimmen laut. Der Kommandant, der herumbrüllte. Links Augen huschten in Richtung Tür und sie konnte sehen, wie er sich anspannte. Seine Hand senkte sich langsam, während er den Eingang im Auge behielt, nun ganz auf die näher kommenden Stimmen konzentriert. Zelda schluckte und drehte den Kopf. Froh um die Unterbrechung und gleichzeitig von einer vagen Enttäuschung erfüllt, obwohl sie nicht einmal sagen konnte, was genau eigentlich enttäuscht worden war.   Der Kommandant betrat den Raum, drehte sich noch nach hinten um und keifte Befehle, während er sich durch den Türrahmen duckte. Für einen Hylianer war er ausgesprochen groß. Seine Rüstung und der weiße Umhang betonten seine breitschultrige Gestalt noch, so dass es hier, inmitten des Chaos' mehr auffiel, als zu Tisch. „Es ist mir egal, was die Wache am Tor sagt, ich will, dass das aufgeklärt wird. Sofort!“ Die Rüstung eines hintendran laufenden Ritters klapperte, als er sich ruckartig vor dem Kommandanten verbeugte. Zelda sah ein jungenhaftes Gesicht hinter dem glänzenden Helm hervorlugen, ein unsicherer Blick, der erst in den Raum huschte und dann an Link hängen blieb. Augen, die groß wurden. Entweder vor Ehrfurcht oder vor Angst, oder einer schwer trennbaren Mischung aus Beidem. Dann drehte er sich um, der namenlose Ritter, den Zelda wohl nie wieder sehen, der aber sein Leben geben würde, um ihr Land zu verteidigen, und verschwand aus ihrem Blickfeld.   „Prinzessin“, polterte der Kommandant, er schien schockiert sie zu sehen und gleichzeitig beruhigt, dass es ihr gut zu gehen schien. Mit einigen weiten Schritten erreichte er sie und ging vor ihr auf die Knie. Zelda starrte auf seinen dunklen Haarschopf. Durchzogen von silbrigem Grau. Ein gestandener Mann. Unwillkürlich fragte sie sich, ob Link zu einem solchen Mann heranwachsen würde. Ob ihm die Gelegenheit dazu gegeben sein würde. Wie würde er aussehen, wenn die Zeit sein Äußeres reifen ließ? Wie würde sie selbst aussehen? Was brachte diese ungewisse Zukunft für sie beide? „Ich bin so unendlich froh, dass Euch nichts geschehen ist.“ Der Kommandant sah auf, die ganze hypothetische Tragödie in den Augen. Er schüttelte den Kopf. „Ich bitte gnädigst um Eure Vergebung. Nicht einmal ein Schmetterling hätte zu Euch durchdringen dürfen. Ich bin erschüttert. Ich-“ „Kommandant Roraph“, unterbrach Zelda ihn schnell, bevor dieser große, stolze Mann sie weiter um Verzeihung bitten konnte. Da sie für gewöhnlich diese Position einnahm, war es ihr mehr als unangenehm. Zumal ihn keine Schuld traf. Wie auch? „Erhebt Euch. Bitte.“ Der ältere Ritter erhob sich. Nahm Haltung an. Eine ehrenhafte Rasse, diese Soldaten. Kurz flackerte Zeldas Blick zu Link hinüber. Der den Kommandanten bewegungslos musterte. Einmal mehr konnte sie nicht sagen, was in seinem schnellen Verstand vor sich ging. Machte er dem Kommandanten Vorwürfe? Den anderen Rittern in der Festung? Zelda konnte es sich nicht vorstellen, es mit Sicherheit auszuschließen war ihr allerdings ebenfalls nicht möglich. „Ich wüsste wirklich nicht, wie Ihr daran schuld sein könntet“, erklärte Zelda. Ein wenig ausweichend, denn eigentlich wollte sie dieses Gespräch nicht führen. „Prinzessin“, erwiderte der Kommandant sofort. „Ihr befindet Euch in der Akkala Festung. Meiner Festung. Der Schutzbastion im Norden. Wenn wir unsere eigene Prinzessin nicht beschützen können, dann ist das ein großes Armutszeugnis. Ich verstehe nun, weshalb Euer Vater auf einen Leibwächter besteht. Selbst innerhalb geschützter Mauern.“ Er neigte seinen Kopf in Links Richtung. So hatte Zelda das noch gar nicht gesehen. Ihr Blick wanderte ebenfalls zu Link hinüber, der das Bannschwert wieder mit beiden Händen umfasst hielt und sich nicht rührte. Seine Augen bohrten sich in die des Kommandanten. Ein stummer Austausch unter Gleichgesinnten. Es war der Kommandant, der den Blick zuerst abwandte. Er sah wieder zu Zelda hinüber, der eben erst klar wurde, dass ein solcher Angriff tatsächlich auch im Schloss hätte stattfinden können. Die Festung Akkalas war bis an die Zähne bewaffnet, eine tatsächliche Festung. Anders als das Schloss, das zwar die größte Menge an Soldaten beherbergte, aber ebenso Stammsitz der Königsfamilie und damit Repräsentantenhaus sein musste. Glanz ebenso wichtig wie Schutz. Zelda konnte nicht entscheiden, wo sie sich sicherer gefühlt hätte. Im Schloss oder hier. Aber mit Link an ihrer Seite spielte das wohl keine Rolle mehr. „Verzeiht mir, aber ich muss umgehend die Aufklärung dieses Vorfalls angehen.“ Er nickte ihnen noch ein letztes Mal zu, dann verschwand er. Ganz die erzürnte Rechtschaffenheit.   Zelda sah dem wehenden Umhang hinterher. Der hallende Flur ließ die gebrüllten Befehle noch lauter klingen. Ein kurzer Besuch. Sie verzog die Lippen. Ballte die Fäuste, als sie sich umdrehte. „Er hat recht“, sagte sie und sah Link an, der ihren Blick erwiderte. Zelda hob die Schultern. „Ich schulde dir mein Leben. Schon wieder.“ Link atmete tief ein. Dann sah er zur Decke. Eine untypisch große Reaktion seinerseits. Als er sie wieder ansah, konnte Zelda die feinen Muskeln seines Kiefers sehen, die sich gegen die Worte anspannten, die ihm offensichtlich auf der Zunge lagen. „Was?“, fragte Zelda, ein wenig perplex. Beinahe hatte sie den Eindruck, dass sie ihn verärgert hatte. „Was ist los?“, hakte sie nach, als er nicht antwortete, unterdrückte den Impuls näherzukommen. Ihm eine Hand auf den Arm zu legen. „Was?“, wiederholte Zelda. Nun leise und einigermaßen verwirrt. Unsicher. Es musste ihr Tonfall gewesen sein, der Link zu einer Antwort animierte, wo er sich doch augenscheinlich dazu entschieden hatte, nicht auszusprechen, was in ihm vorging. „Dafür bin ich hier“, platzte es aus Link hervor. Nicht laut, dazu hatte er sich zu sehr unter Kontrolle. Er sprach leise genug, dass die Bediensteten im Raum ihn nicht hören konnten. Doch in seiner Stimme lag eine Hitze, die Zelda zusammenzucken ließ. Seine blauen Augen blitzten und ein strenger Zug hatte sich um seinen Mund gebildet. „Was für ein Leibwächter wäre ich, würde ich zulassen, dass ein paar dahergelaufene Verräter Euch etwas antun“, sagte er, bevor Zelda reagieren konnte. Seine stechenden Worte trafen sie vollkommen unvorbereitet. „Es ist meine Aufgabe, dich zu beschützen, Zelda“, fuhr Link fort, sein Blick bohrte sich in ihren, und wenn sie sich hätte rühren können, wäre sie wahrscheinlich zurückgewichen. Nicht aus Angst. Sondern vor der geballten Kraft, dem Vibrieren purer Energie, die ihn umgab. „Solange ich lebe, werde ich Euch beschützen“, sagte er. Sprach jedes Wort klar und deutlich, als wäre es kleine Pfeile, mit denen er sie beschoss. Er hatte sich leicht nach vorne gebeugt. Ihr entgegen. Damit nichts von dem verloren gehen konnte, das er ihr zu verdeutlichen versuchte. Vielleicht war er sich dessen gar nicht bewusst. Zelda hingegen bemerkte jedes Detail des Moments. Hörte, wie Link die respektvolle Anrede vergaß und sie vor den Anwesenden mit ihrem Namen ansprach. Spürte das geladene Prickeln, das den Raum zwischen ihnen erfüllte. Sah das geweitete Schwarz seiner Pupillen. Die angespannte Linie seiner Oberlippe, als sie sich über den weißen Zähnen zurückzog. Die streng zusammengezogenen Augenbrauen. Die feinen Strähnen seines Haars, die durch den Atem hinter der Salve stoßartiger Worte bewegt wurden. Sie spürte Links Wut.   Aber sie verstand nichts davon.   „Euch wird nichts geschehen“, sprach er weiter, während Zelda versuchte Herr ihrer Sinne zu werden. Er senke den Blick, die Lippen zu einer schmalen Linie gepresst.   Wieso war er so wütend? Was hatte sie gesagt? Sie war dabei gewesen sich zu bedanken. Zelda spürte, wie ihre Lippen sich öffneten. Um was zu sagen? Nichts. Denn es gab nichts, was sie hätte sagen können. Nichts ergab Sinn.   „Es darf dir nichts geschehen“, sagte er kaum hörbar. Unterbrach Zeldas hektischen Versuch ihre Worte, seine Worte und vor allem seine Reaktion zu einem sinnvollen Bild zu vereinen. „Es wird dir nichts geschehen!“ Sie blinzelte. Links Lippen waren immer noch fest aufeinander gepresst. So fest, dass sie blasser wirkten als sonst. Seine Kiefer arbeiteten, malmten an Emotionen, die sie nicht verstand. Er wirkte – und Zelda verwirrte dieser Eindruck über alle Maßen – aufgewühlt. Doch dann schien etwas in ihrem Kopf einzurasten. Er wirkte nicht nur so, er war es. Er war aufgewühlt. Nicht nur das. Link war wütend. So wütend, dass er es kaum verbergen konnte. Die Erkenntnis tröpfelte langsam durch ihren Verstand. Hob ihre Brust in einem tiefen Atemzug. Füllte ihr Herz mit zart aufblühender Gewissheit.   Link sorgte sich um sie.   Nicht nur auf die normale Weise, wie ein Leibwächter für seinen Schutzbefohlenen empfindet. Nicht angepasst an den Maßstab distanzierter Loyalität, von Pflichtgefühl erfüllt. Nicht, weil es seine Aufgabe war. Obwohl natürlich alles davon eine große Rolle spielte.   Link sorgte sich um sie. Um Zelda. Er wollte nicht, dass ihr etwas nach dem Leben trachtete. Auf eine bodenständige, persönliche Art und Weise, die wenig mit der kühlen Abgebrühtheit zu tun hatte, die er noch vor einigen Momenten gezeigt hatte.   Und abgesehen davon, dass ihr törichtes, schwärmerisches Kleinmädchenherz versuchte diese Tatsache auf sämtliche unwahrscheinliche Weisen zu verdrehen, fühlte es sich gut an. Es fühlte sich gut an, dass es jemanden auf der Welt gab, der so empfand. Es fühlte sich an, als hätte sie einen Freund. Einen wahren Freund. Und in dieser unstetigen Zeit, nachdem ihr halbes Leben von so viel Kälte und dem Gefühl beherrscht wurde, solch wahre, warme Zuneigung nicht zu verdienen, war das einfach zu viel für sie. Zelda brach ihn Tränen aus.   Nicht auf die dramatische, schluchzende Art. Es war still. So still, dass Link, der immer noch den Boden betrachtete und den Griff des Bannschwertes so fest umklammert hielt, dass sämtliches Blut aus seinen Fingerspitzen entwichen war, es vorerst gar nicht bemerkte. Erst als Zelda vor Schock über ihre Reaktion die Hände vor das Gesicht schlug, sah er auf. Durch die Zwischenräume ihrer Finger war das Bild vor ihren Augen seltsam unterbrochen. Ein wenig disproportioniert. Aber die Überraschung auf Links Gesicht war dennoch so deutlich zu sehen wie ein Leuchtfeuer. Scham rollte ihr heiß über die Schultern und Zelda begann mit einer Hand zu wedeln, die andere immer noch über Mund und Nase gelegt. „Es ist nichts“, beeilte sie sich zu sagen, versuchte sich sogar an einem beruhigenden Lächeln. Das in Anbetracht der Lage und wegen der Hand über ihren Lippen nicht nur ein wenig feucht, sondern vor allem auch sehr unglaubwürdig wirkte. Link runzelte die Stirn und brachte es gleichzeitig fertig besorgte auszusehen. Geschockt traf es wohl noch besser. Panik brach in Zelda aus. Sie weinte nicht. Nie! Bis auf den einen Zwischenfall vor einem Jahr. Aber das war etwas anderes.   „Ich brauche einen Moment“, erklärte sie, erstaunt wie gefasst ihre Stimme klang. Mit einem kurzen Blick auf die Bediensteten, die glücklicherweise nichts bemerkt zu haben schienen, verschwand Zelda in dem Zimmer, in dem sie die Nacht verbracht hatte.   *   Sie verblieben einen weiteren Tag in der Festung. Zelda verbrachte ihn damit, mit Robelo und dem Kommandanten die Vorbereitungen für die Verlegung der bisher funktionstüchtigen Wächter zu treffen. Die stationären Maschinen würden auf Wagen transportierte werden, während viele der Mobilen mit den Truppen marschieren sollten. Wäre das geschafft, würden die Ritter zurückkehren und eine zweite Fuhre zum Schloss bringen. Es wäre ein langwieriger Prozess, auch wenn die bewegungsfähigen Wächter blitzschnell sein konnten. Die Wagen mit den schweren Maschinen zu ziehen wäre anstrengend, vor allem wenn das Wetter umschlagen und die Wege verschlammen sollte. Aber es half nichts, die Wächter waren auf diese Weise schließlich auch nach Akkala transportiert worden, damit Robelo an ihnen arbeiten konnte.   Nachdem die wichtigsten Details besprochen waren, zog Zelda sich zurück um drei Briefe aufzusetzen. Einen an Purah, einen an ihren Vater und einen an den Verteidigungsminister. Sollten die Rückantworten der zwei Letzteren grünes Licht geben, würden die Wächter so schnell wie möglich verlegt werden. Zelda wäre dann bereits in Goronia.   Den ganzen Tag war Link an ihrer Seite. Schweigend. Wie ein Schatten. Beinahe so wie noch vor einigen Wochen, als sie tagelang kein Wort miteinander gesprochen hatten. Zelda gefiel das gar nicht. Gleichzeitig wollte sie nicht über das reden, was am Morgen vorgefallen war. Nicht dass Zelda erwartete, dass Link sie darauf ansprach. Aber sie hatte den unbestimmten Eindruck, dass er dennoch darauf wartete, dass sie sich erklärte. Und was sollte sie schon sagen? Es rührt mich zu Tränen, dass du mich nicht tot sehen willst? Je mehr Zeit verging, desto schwieriger wurde es für sie, die richtigen Worte zu finden. All das, was sie sich in ihrem Kopf zurecht egte, klang unpassend. Pathetisch. Lächerlich. 'Es war einfach schön zu hören, dass mein Wohl jemandem am Herzen liegt.' Viel zu selbstmitleidig. Natürlich lag ihr Wohl jemandem am Herzen. Sie war die Prinzessin Hyrules. 'Der Nachdruck in deiner Stimme hat mich von deiner Loyalität überzeugt.' Pathetisch. 'Ich war einfach so glücklich, dass du mich magst.' Ugh. Was war sie, ein kleines Mädchen?   Während des Abendessens fühlte Zelda Links Blick wiederholt auf sich ruhen. Aber gesprochen hatte sie immer noch nicht mit ihm. Wahrscheinlich dachte er mittlerweile, sie hätte aus nachträglicher Angst so emotional reagiert. Wegen des Nachlassens des anfänglichen Schocks. Und nun sorgte er sich darum, wie sie der Nacht gegenüberstand. Ob sie sich fürchtete. Vielleicht sollte sie ihn einfach in dem Glauben lassen.   Der Kommandant bestand auf eine Wachverstärkung um ihre Gemächer herum. Nicht dass das nötig gewesen wäre, schließlich wären die Yiga nicht so dumm so kurz nach ihrem missglückten Attentat erneut ihr Glück zu versuchen. Aber natürlich sagte Zelda nichts dergleichen. Die Besatzung der Festung wollte verdeutlichen, dass sie ihre Sicherheit nicht auf die leichte Schulter nahmen. Es war vielmehr eine reflektorische Reaktion, als eine tatsächliche Notwendigkeit. Link beäugte die Wachen vor den Türen mit kritischem Blick. Er schien nicht begeistert sein Revier mit anderen Rittern teilen zu müssen, vor allem deswegen, weil er es im Alleingang geschafft hatte, die Angreifer abzuwehren. Ihm nachträglich also Unterstützung angedeihen zu lassen, hatte beinahe etwas Entehrendes. So leid es Zelda auch um diese Geringschätzung seiner Leistungen tat, brachte die Anwesenheit der Soldaten ihr die Möglichkeit ohne weitere Worte die Tür hinter sich zu schließen. Keine traute Zweisamkeit mit Link, in der sie irgendwann etwas Dummes sagen würde, einfach, weil sie die Stille nicht ertragen konnte.   Seltsamerweise fühlte sie sich durch die verstärkte Bewachung nicht wirklich sicherer. Eher beobachtet, auf die Weise, auf die man sich sorgt, genau diese Nacht für einen Anfall von Schlafwandelei zu nutzen und sie vor einer Ansammlung Fremder unendlich zu blamieren. Was glücklicherweise nicht geschah. Die Nacht verlief ohne weitere Zwischenfälle. Ebenso wie der nächste Morgen.   *   Nachdem sie Wort vorausgeschickt und ihre Pferde im Stall einer Herberge abgestellt hatten, empfing Daruk sie an der Südmine. Er wirkte weniger beschwingt als sonst. Als würde etwas auf seinen riesigen Schultern lasten. Zelda verbrachte den Weg nach Goronia und dem dort ruhenden Titanen damit, dem großen Goronen Hoffnung zu machen. Aber so sehr sie ihn auch versuchte zu beruhigen, ihm von ihren neuen Erkenntnissen berichtete, er ließ sich von seinem Missmut nicht abbringen. Am Ende war es Link, der die richtigen Worte fand. Er schickte Daruk in den Titanen und zwang ihn erst wieder herauszukommen, wenn sich entschlossen hätte, aufzuhören zu jammern. Zelda versetzte ihrem Leibwächter einen entsetzten Blick. So hatte sie Link noch nie reden hören. Aber es war genau das, was der Gorone hören musste. Mir röhrendem Lachen verschwand er im Inneren von Rudania. Und als er wieder herauskam, sich auf dem Oberdeck zeigte und die Hauptsteuerungseinheit bediente, vollführte er ein Steuerungsmanöver nach dem anderen. Absolut fehlerfrei. Zelda war euphorisch. Es war egal, dass Link der Schlüssel zum Erfolg gewesen war. Dass er und nicht sie Daruk geholfen hatte. Es zählten nur die Ergebnisse. Es stellte sich heraus, dass die Verbindung zwischen Pilot und Titan immer noch ein wenig wacklig gewesen war. Kein Problem also in der Steuerung. Einfach nur Daruks Selbstvertrauen, das ein wenig unter der Last der Verantwortung geschwankt hatte. Zelda kannte das Problem nur zu gut. Anscheinend war es bei den Titanen wie mit Tieren. Man durfte keine Angst zeigen. Zelda kicherte, als sie sich daran erinnerte, dass genau das nicht Daruks Stärke war. Er fürchtete sich schrecklich vor Hunden. Vielleicht deswegen also seine anfänglichen Probleme mit dem Titanen. Bei dem amüsierten Geräusch sah Link über seine Schulter zurück. Er ging vor ihnen, kundschaftete den Weg aus. Daruk hatte sich dazu entschlossen, sie in den weniger brennbaren Bereich des Berges zu begleiten, dorthin, wo sie ihre Pferde abgestellt hatten und die Nacht in der Herberge verbringen würden. Nun da seine Sorge bezüglich des Titanen aufgelöst war, plapperte er unbeschwert und Zelda stellte ihm Frage um Frage über seine bisherigen Erfahrungen mit Vah Rudania.   Das Gasthaus befand sich in direkter Nähe zu den heißen Quellen. Ein kleines Paradies für müde Wanderer. Als sie am späten Nachmittag den Weg vom Berg hinunter kamen, konnte Zelda einige Köpfe in den aufsteigenden Nebelschwaden erkennen. Der Anblick erinnerte sie daran, dass sie ebenfalls gern in dem warmen Wasser geschwommen wäre. Eine Wohltat nach dem anstrengenden Auf- und Abstieg. Aber es wäre wohl keine gute Idee. Die Prinzessin Hyrules inmitten rotköpfiger Quellbesucher. Außerdem hatte sie Hunger. Sie würde sich mit einem heißen Bad zufriedengeben. „Wirst du bleiben und mit uns zu Abend essen, Daruk?“ Sie würde gern noch ein wenig Zeit mit dem Recken verbringen. Und sie war sich sicher, dass Link nichts dagegen haben würde. Daruks Ketten klirrten, als er sich mit der Hand in den Nacken fuhr. „Schätze das könnte ich tun. Ich hab noch ein paar Felsenfilets in meinem Gepäck. Was meinst du, Bruder?“ Link sah über seine Schulter. Er schien nicht sonderlich überrascht von der Frage die kulinarischen Sonderheiten der Goronen mit Daruk zu teilen. „Klar“, antwortete er und sah wieder nach vorne. Zelda starrte seinen Rücken an. Was? „Felsenfilets?“, wiederholte Zelda, in einer seltsam hohen Stimme. Daruk hatte ihr bei einem Besuch ebenfalls etwas von einem sogenannten Gourmet Felsenbraten angeboten. Aber sie hatte das Ganze für Unwissenheit gehalten. Hatte Link etwa schon von dem probiert, das Daruk arglosen Hylianern unterzujubeln versuchte? Trieb er es mit der Allesesserei nicht ein bisschen zu weit? War das überhaupt möglich? Daruk sah sie von der Seite an, seine schwarzen Augen ein wenig irritiert. Zelda erwiderte den Blick. Mit offenem Mund, wie ein gestrandeter Zierfisch. „Die zartesten Felsen vom ganzen Todesberg“, erklärte er. Ein wenig ungläubig, als könnte er nicht verstehen, dass sie noch nie davon gehört hatte. Und verfehlte damit absolut kolossal das Thema. Anscheinend war er der festen Überzeugung, dass Goronen und Hylianer sich auf ähnliche Weise ernährten. Was nur wieder bewies, wie abgeschieden die Goronen lebten. Bis vor einigen Jahren hatten sie nicht einmal von der Verheerung Ganon gewusst und für den ausgegrabenen Titanen hatten sie sich lange Zeit ebenfalls nicht interessiert. Daruks Blick war so offenkundig erstaunt, das Zelda nicht an sich halten konnte. Sie prustete los. Die Situation war einfach zu albern. Sie sah, dass Link sich kurz zu ihr umdrehte. Einige Schritte rückwärts ging und grinste. Während die Komik des Moments vollkommen an Daruk vorüberzog.   Zelda lachte immer noch, als sie das Gasthaus betraten. „Steine, Sir Link?“, fragte sie, als sie die Tür hinter sich schlossen. Daruk hatte angekündigt, draußen auf sie zu warten. Auf der großen hölzernen Terrasse, auf der Tische und Stühle und einige Kochstellen darauf warteten, für das Abendessen genutzt zu werden. Ihr Leibwächter lächelte. Der Anblick löste das letzte Bisschen der Anspannung, die Zelda ihm gegenüber empfunden hatte. Er zuckte mit den Schultern. „Ich musste es schließlich ausprobieren“, erwiderte er und steckte den Kopf in eines der Nebenzimmer. Zelda schüttelte den Kopf in gespielter Ungläubigkeit. „Natürlich“, antwortete sie in dem ironischsten Tonfall, den sie zustande brachte. „Als Forscherin kann ich diesen Trieb durchaus nachvollziehen. Ich hoffe, du hast dir nicht den Magen verdorben.“ Wieder zuckte Link mit den Schultern. Er lehnte sich an den Türpfosten und verschränkte die Arme. „Es ist gar nicht mal so übel“, sagte er so nonchalant, dass sie lachen musste. Er wirkte so großspurig. Jungenhaft. Beinahe frech. „Du solltest es auch versuchen“, schlug er vor, als würde er es ernst meinen. Erst als Zelda in einen Moment ungläubig anstarrte, begannen seine Mundwinkel zu zucken. Sie rollte mit den Augen und schüttelte den Kopf. „Oh, du schrecklicher Mann.“ Bei dieser Bezeichnung rollten Links Schultern nach vorne und bebten auf diese still amüsierte Weise. Er sah kurz zu Boden und scharrte mit den Füßen. Dann nickte er in Richtung der Tür. „Komm, du bist sicher hungrig.“ „Ist das so offensichtlich?“, fragte Zelda, zum Teil belustigt, zum anderen besorgt. Verhielt sie sich hungrig? Gehörte sie zu denjenigen, die unausstehlich wurden, wenn ihnen der Magen knurrte. Sie konnte sich nicht erinnern, sich schnippisch verhalten zu haben. Aber vielleicht wusste sie ja gar nichts davon. „Nein“, antwortete Link und öffnete die Tür. Gestikulierte nach draußen auf den Gang. „Aber ich bin am Verhungern.“ Zelda stoppte in der Bewegung, direkt auf Links Höhe, da sie dabei war, an ihm vorbei auf den Flur zu treten. „Also bist du derjenige, der hungrig ist. Ich bin nur die vorgeschobene Ausrede“, fasste sie zusammen. Er hatte den Nerv zu lächeln. Ganz unschuldig. „Stimmt genau.“ Wieder schüttelte Zelda den Kopf. „Unerhört“, murmelte sie und setzte sich wieder in Bewegung. Hinter sich hörte sie ihn leise lachen.   Daruk hatte bereits ein Feuer unter einem der Töpfe entfacht, der an einem dreibeinigen Gestell über einer gemauerten Vertiefung im Holzboden hing. Er selbst war bereits dabei im Kessel zuzubereiten, was immer er zu essen gedachte. Die Luft war erfüllt vom rauchigen Aroma der Flammen und etwas Mehlig-staubigem, das seltsam verbrannt roch. Zelda rümpfte die Nase. Glücklicherweise sah Daruk es nicht. „Aah, Bruder. Prinzessin“, polterte der Gorone, als sie sich um das Feuer herum niederließen. Link hatte zwei Stühle für sie heran gezogen und Zelda dankte es ihm mit einem Nicken. Daruk selbst saß auf dem Boden. Wahrscheinlich würde es einen speziellen Stuhl brauchen, der sein Gewicht tragen konnte. „Fast fertig“, sagte Daruk und wedelte sich einen für Zelda nicht riechbaren Duft zu. Genießerisch schloss er die Augen. „Hmm“, seufzte er laut. „Wunderbar.“ Ein wenig pikiert beäuge Zelda erst den Goronen und dann den Inhalt des Topfes. Der Anblick darin ließ sie ein wenig das Gesicht verziehen. Neben ihr stieß Link ein unterdrücktes Schnauben aus. Sie sandte ihm ihren besten überheblichen Blick. Was ihn noch mehr zu amüsieren schien. „Die Prinzessin hat einen empfindlichen Magen, Daruk. Sie hat gestern schon die Spezialitäten des Festungskochs verschmäht. Es bleibt also mehr für uns.“ Zelda zog die Augen zusammen, verkleinerte sie zu kleinen Schlitzen, als sie Link für diese gemeine Lüge strafte. Natürlich gab er ihr damit die perfekte Ausrede, sich nicht an diesem Stein die Zähne ausbeißen zu müssen. Ohne Daruk vor den Kopf stoßen zu müssen. Bei all seinen steinharten Muskeln war der Gorone ein ziemliches Weichherz und Zelda hätte sich schwer damit getan, seine angepriesene Delikatesse abzuweisen. Nicht wenn diese käferschwarzen Augen sie so hoffnungsvoll anblinzelten. „Oh“, machte Daruk und sah Zelda mitleidsvoll an. „Das tut mir leid.“ Zelda presste die Lippen aufeinander und bemühte sich wie jemand auszusehen, der einen empfindlichen Magen hatte. Link gab sich nicht einmal Mühe seine Belustigung zu verbergen. Über das Feuer hinweg grinste er so breit, dass seine Zähne blitzten. Die Göttin allein wusste, wieso ihn das so unendlich amüsierte. Sie tauschten einen schwelenden Blick, der seine Schultern zum Beben brachten. Gerade weil er so selten lachte, war es enorm ansteckend, wenn er es doch tat und Zelda musste viel Kraft aufwenden, um ihre gespielt entrüstete Miene aufrechtzuerhalten. „Glücklicherweise ist Sir Link in der Krankenverköstigung äußerst bewandert“, sagte sie süßlich. Daruk sah sie verwirrt an. „Krankenverköstigung? Link?“ Seine Augen weiteten sich. Link winkte ab. „Die Prinzessin übertreibt. Aber natürlich koche ich ihr gerne etwas aus meinem Repertoire an Rezepten für feine Gaumen.“ Er erwiderte ihren Blick lächelnd. Kein Bisschen aus der Ruhe gebracht. Natürlich würde er es schaffen ihren spitzen Kommentar abzuwehren und gleichzeitig umzulenken. Er war nicht umsonst ein Meister der Verteidigung. Und des Angriffs. Zelda gab sich geschlagen. Zufrieden, dass sie einmal mehr Links Kochkünste würde genießen können.   Als Daruks Steinfilets fertig waren, begann Link mit den Vorbereitungen für das eigentliche Abendessen. Zelda nahm den schweigenden, beobachteten Part ein. Genoss es nichts sagen zu müssen und den Austausch gutmütigen Spotts zwischen den zwei Freunden betrachten zu können. Links Humor war fein und kultiviert, mit einer guten Menge an spitzbübischer Frechheit, die manchmal völlig über Daruks Kopf flog. Es waren diese Momente, wenn der Gorone polternd lachte, ohne verstanden zu haben, was sein erklärter Bruder wirklich gemeint hatte, in denen Zelda Links Blick suchte. Denn sie hatte verstanden. Und sie wollte, dass er wusste, dass sie ihm auf die Schliche gekommen war. Ihr stiller Leibwächter besaß einen schelmischen Sinn für Humor. Niemals auf Kosten anderer, eher gutmütig verwegen. Mittlerweile dürfte sie eigentlich nichts mehr überraschen. Mehrere Male tauschten sie einen Blick voll amüsierten Verständnis', etwas, das nur sie beide betraf und für einen kurzen Moment nur sie verband und die ganze restliche Welt ausschloss.   Sie lachten und redeten, bis die Sonne untergegangen war und das Flackern der Feuer die Dunkelheit erhellte. Die Wärme des Berges, die Feuchtigkeit der Quellen, das Stimmengewirr der anderen Gäste. Die verschiedenen Gerüche der Kochstellen, das Lachen, die fortgeschrittene Stunde. All das wiegte Zelda in eine wohlige Entspannung. Sie fühlte sich sicher. Und wohl. Und sie konnte sich nicht erinnern, jemals so viel Spaß gehabt zu haben. Ein Wunder, wo die Gefahr doch nicht lange zurücklag. Daruk und Link verspeisten die dampfenden Felsen, während Zelda ihnen mit großen Augen dabei zu sah. Nie, niemals hätte sie gedacht, dass sie je einen Hylianer einen Stein verspeisen sehen würde. Die Möglichkeit hatte in ihrem Verstand gar nicht existiert. Aber Link kaute mit einer Selbstverständlichkeit, die Zelda erstaunt und stumm den Kopf schütteln ließ. Seine Portion war deutlich kleiner als die von Daruk und so erschlich sich ihr der Verdacht, dass ihr Leibwächter der exotischen Speise nur deswegen zusprach, um den großen Goronen nicht zu verletzen. Anscheinend war Daruk nicht der einzige Anwesende mit einem weichen Herz. Voller Zuneigung betrachtete sie Link, Daruks brüderliche Schläge auf den Rücken stoisch über sich ergehen ließ.   Nach einer Weile ertappte Zelda sich dabei, wie sie dabei war, die Geschichte mit dem Hund zu erzählen. Und bei ihren Schilderungen von Daruks ersticktem Schrei und wie er sich hinter sein Schild kauerte, war Link den Kopf in den Nacken und lachte laut und heiser, aus der Tiefe seines Bauches heraus. Der Anblick hypnotisierte Zelda. Die starken Muskeln seines Halses, die bei der Bewegung wie Seile hervortraten. Die sinnliche Linie seines Adamsapfels. Die goldenen Lagen seines Haars, das sich mit jedem amüsierten Zucken bewegte. Und als er sich mit einer Hand über das Gesicht fuhr, immer noch lachend, das Glitzern seiner Augen, beinahe schwarz in der Dunkelheit um das Feuer. Zelda verstummte. Zu sehr in den Anblick vertieft. Erst als Daruk sich erhob und lauthals streckte, schreckte sie zurück in die Welt. Sofort sah sie zu Boden, beschämt und besorgt zugleich. Aus dem Augenwinkel sah sie jedoch, dass Link nicht mitbekommen hatte, wie sie ihn angestarrt hatte. Er lachte immer noch, auch wenn es jetzt mehr wie ein Seufzen klang. Der Nachhall der reizend rauen Geräusche seiner Belustigung.   Er war so viel mehr als nur ihr Leibwächter. Er war so viel mehr als nur der Held Hyrules. Und mit jedem Tag, der verging, schlug er sie mehr in seinen Bann. Es fehlte nicht viel und sie wäre nicht besser als die kichernden Hofdamen, die hinter vorgehaltener Hand über seine Wohlgestalt tuschelte. Seine Taten. Die Geschichten mit entzückenden Blicken wiederholten. Ihr Leibwächter war das Ziel vielfacher Bewunderung. Und ein großer Teil davon bezog sich auf reine Äußerlichkeiten. Zelda hatte das bisher immer als degradierend empfunden. Als respektlos gegenüber seinen Errungenschaften. Doch dem Anschein nach war sie nicht viel besser.   „Ich geh mal kurz für kleine Kieselsteine“, erklärte Daruk mit der ihm so eigenen polternden Stimme und Zelda biss sich auf die Lippe. Glücklicherweise konnte er ihre schlecht verborgene Belustigung über diese weit hallende Aussage nicht sehen, da er ihr den Rücken zuwandte und aus dem Lichtkegel heraus trat.   Eine angenehme Stille senkte sich über sie. Ein kleines Kokon aus warmem Licht und dem Knacken des Feuers. Eingehüllt von den Gesprächen der anderen Gäste um sie herum. Zelda beobachtete Link schweigend dabei, wie er die Suppe probierte, die er zubereitete und dann ein wenig mehr Salz in den Kessel rührte. „Wir haben nie darüber gesprochen“, sagte sie schließlich. Link sah von dem Kochtopf auf, eine unausgesprochene Frage auf dem Gesicht. Zelda zuckte mit den Schultern. „Das hier. Du, für mich kochend.“ Link bewegte den Topf von der offenen Flamme weg und rührte in dem Kessel. „Wäre es dir lieber, wenn du kochen würdest?“ Zelda sah ihn verwirrt an. „Nein.“ „Ich schätze, ich bin einfach daran gewöhnt. Für mich zu kochen. Du bist nicht zufrieden?“ „Doch“, amüsiert, dass er so etwas denken konnte. „Es ist nur“, sie starrte ins Feuer. „Das hat sich so eingeschlichen, ich wollte nicht, dass es unbemerkt bleibt. Also, danke.“ Sie warf ihm ein kleines Lächeln zu, dass Link mit nachdenklicher Miene erwiderte. „Du hast es dir immer noch nicht verziehen, oder?“, fragte er schließlich. Seine Stimme klang weich und verständnisvoll. Dennoch fühlte Zelda sich unter seinem alles sehenden Blick unbehaglich. „Du musst dich nicht für alles bedanken, Zelda. Ich weiß es. Es ist schon gut.“   Sie schwieg dazu. Unfähig etwas Passendes zu erwidern. Stattdessen kramte sie in ihrem Kopf nach all den anderen Dingen, die sie von ihm wissen wollte. „Ich wollte dich etwas fragen“, begann sie zögerlich. Link sah vom Feuer auf. Die Flammen tanzten rötliche Schatten über sein Gesicht, tauchten sein Haar in dunkles Gold. Zelda schluckte. „Dein Vater, er-“, sie brach ab. Suchte in ihren Erinnerungen nach dem Wenigen, was sie über Links Vater gehört hatte. Die Angst in ein erneutes Fettnäpfchen zu treten machte sie nervös. „Er ist im Schloss stationiert?“ Unsicher flackerte ihr Blick zu ihrem Leibwächter. Er hatte einen kleinen Zweig ergriffen und stocherte damit am Rande des Feuers herum. Es war eine untypische Geste für Link. Und gleichzeitig schien es zu dem kleinen draufgängerischen Jungen zu passen, der irgendwo in ihm zu schlummern schien. Wie widersprüchlich er doch war. Nie hätte Zelda das bei ihrem ersten Zusammentreffen vermutet. Da war es ihr so klar erschienen, was er war. Wer er war. Wie falsch sie doch gelegen hatte. Schließlich nickte Link und Zelda atmete innerlich auf. „Er ist Hauptmann der Patrouillen. Und Militärattaché. So haben er und meine Mutter sich kennengelernt.“ Er sprach zögerlich. Als müsste er die Worte zwischen seinen Zähnen hervorpressen. Zelda strich sich eine Haarsträhne hinter das Ohr. Es klang nicht so, als wäre es ein fröhliches Thema für Link. Mehrfach setzte sie zu erneuten Fragen an, bremste sich jedoch wieder. Stand es ihr zu ihn zu etwas zu löchern, über das er offensichtlich nicht sprechen wollte? So sehr sie es auch wissen mochte. Vielleicht war es jetzt an ihr ihn zu schützen. Und sei es nur vor seiner eigenen Loyalität. Für die er wohl auch sein eigenes Seelenheil verkaufen würde. „Nun“, sagte Zelda schließlich, gab sich Mühe fröhlich zu klingen und die tiefe Enttäuschung in ihrer Brust zu übergehen. „Das ist gut zu wissen“, schloss sie. Hoffend dass daraus deutlich wurde, dass das Thema damit abgehakt wäre, wenn er nicht darüber sprechen wollte.   Eine Weile verging, in der Link im Kessel rührte, kostete und sporadisch neue Zutaten hinzufügte. Woher er wusste, was er verwenden musste, war Zelda ein Rätsel. Kochen gehörte nicht zu den Dingen, die einer Prinzessin beigebracht wurden. Womit sie sich nun schrecklich verwöhnt vorkam. Dann seufzte er und legte den Kochlöffel beiseite. „Wir verstehen uns nicht besonders gut“, sagte er und erhob sich aus der knienden Position. Setzte sich wieder auf den hölzernen Stuhl Zelda gegenüber. Erstaunt starrte sie ihn an. Sie hatte weder damit gerechnet, dass er weiter sprach, noch mit dieser Offenbarung. „Nicht?“, fragte sie erstaunt und musste sofort unterdrücken, das Gesicht zu verziehen. Wie absolut bescheuert von ihr, ihn zu einem erneuten Geständnis dieser sicherlich nicht sehr angenehmen Tatsache zu zwingen. Doch Link schien sich nicht daran zu stören. Er schüttelte den Kopf und stützte die Ellenbogen auf seine Oberschenkel. „Nein“, bestätigte er. „Nicht wirklich.“ Es fiel ihm sichtlich schwer, darüber zu sprechen. Aber nicht auf die Weise, dass er sich dazu zwingen musste. Eher, dass er ungeübt darin war, die Worte zu diesem versteckten inneren Vorgehen zu formen. Etwas, das Zelda sehr gut nachvollziehen konnte. „Oh“, hauchte sie, für einen kurzen Moment geblendet von der Dankbarkeit, die sie empfand. Dankbarkeit, dass Link dieses Vertrauen in sie setzte. Dass er diese Information mit ihre teilte. „Damit habe ich nicht gerechnet“, gab sie leise zu und Link schenkte ihr ein kurzes Lächeln. Ein trauriges Lächeln. Ein schnelles Zucken seiner Mundwinkel, das seine Augen nicht erreichte. „Er ist der Meinung, dass er dafür sorgen muss, dass ich nicht überheblich werde.“ Er hob ein wenig unangenehm berührt die Schultern. Als wäre es ihm etwas peinlich, dass jemand das von ihm denken konnte. Dass es sein eigener Vater tat. Von Link, demjenigen, der so wenig arrogant war wie ein Schaukelstuhl. Zelda bemerkte, dass sie ihn anstarrte. Vollkommen fassungslos. „Gleichzeitig hat er diese seltsame Überzeugung, die ihn dazu bringt, mich bei jeder Gelegenheit anzutreiben. Immer noch mehr zu verlangen. Er ist nie zufrieden mit dem, was ich tue“, fuhr Link fort und Zeldas Augen wurden noch größer. Wieder hob er die Schultern. Er wirkte beinahe entschuldigend. Kurz stützte er sein Kinn auf seine gefalteten Hände. „Es ist ziemlich gegensätzlich. Und sein Verhalten ...“, er stockte kurz. Seine Augen wanderten zu ihr hinüber, wahrscheinlich suchte er nach Worten. Worte, die für die Gegenwart einer Prinzessin angemessen waren. Wahrscheinlich suchte er nach einer vagen Möglichkeit das verrückte Verhalten seines Vaters zu beschreiben. „Birgt viel Konfliktpotenzial“, beendete er den Satz. „Es ist schizophren“, verbesserte Zelda und fühlte sich kein bisschen schlecht dabei. Auch nicht, als Link ihr einen überraschten Blick zuwarf. „Die Gefahr dass du überheblich werden könntest, läuft gegen Null. Mir ist absolut unbegreiflich, wie er das nicht sehen kann.“ Link ließ die Arme sinken und hob den Kopf, besah sie mit Augen aus denen etwas sprach, das Zelda nicht entschlüsseln konnte. War es Dankbarkeit? War es Missbilligung? Sie schluckte, eine wenig befangen unter der Intensität seines Blickes. Gleichzeitig wollte sie ihm verdeutlichen, wie sie über ihn dachte. Und über die seltsamen Erziehungspraktiken seines Vaters. Ihr Herz zog sich bei dem Gedanken an einen jungen Link zusammen. Vor Mitleid vor der Verwirrung eines Kindes, eines jungen Knappen, der seinen eigenen Vater beeindrucken musste, aber nie Lob erntete, wenn er die Erwartungen aller weit übertraf. Sondern es noch mehr Kritik erntete. Einfach nur des Prinzips wegen. Um ihn daran zu hindern ein gesundes Selbstbewusstsein zu entwickeln. Kein Wunder, dass Link so wenig sprach. Dass er so wenig von sich selbst und seiner Persönlichkeit zeigte. „Das ist einfach nur grausam“, stellte Zelda fest. „Verrückt und grausam. Und nicht zu vergessen vollkommen unnötig.“ Sie schüttelte vehement den Kopf. So heftig, dass ihr das eigene Haar an die Wangen schlug. Sie spürte eine mächtige Hitze in sich aufsteigen. Wut auf diesen unbekannten Mann, der Links Vater war. Für den sie eigentlich Dankbarkeit verspüren sollte, da er für die Erschaffung ihres Leibwächters mit verantwortlich war. Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen, spannten sich an gegen die gewaltige Blase aus Zorn in ihrer Brust. „Das ist einfach bescheuert“, platzte sie hervor, nun noch weniger eloquent als zuvor. Ihre Hände ballten sich zu Fäusten. Vor ihrer Stirn begann das von ihrer Phantasie erschaffene Theaterstück von Links Kindheit. Bilder, in denen ein Mann mit fiesem Gesicht auf einen kleinen, blonden Jungen einbrüllte. Ihn prügelte. Eine zarte, kränklich wirkende Frau – Links Mutter – die aus der Ferne die Arme ausstreckte, aber nichts tun konnte. Ein junger Link, entschlossen sich zu beweisen, mit konzentrierter, starrer Miene.   Zelda war sich bewusst, dass nichts davon geschehen war. Link hatte mit keinem Wort erwähnt, von seinem Vater misshandelt worden zu sein. Und gleichzeitig war es auch schwer vorstellbar, dass Link, egal welchen Alters, so etwas zulassen würde. Trotzdem, es gab viele Arten, auf die man ein Kind schinden konnte. Eine davon war, es sich unwürdig fühlen zu lassen. Ihm die Liebe zu entziehen, wenn es sich nicht angemessen verhielt. Nicht den Erwartungen entsprach, die in es gesetzt wurden. Und wie sich das anfühlte, wusste Zelda nur zu genau. Es war ihr schier unerträglich, dass Link es ebenfalls zu wissen schien. „Es erschreckt mich“, begann Zelda mit brüchiger, dünner Stimme, „wie ähnlich dieses Detail unserer Kindheit scheint.“ Sie schluckte und sah zu Boden. Eine Pause entstand, in der niemand etwas sagte. Nur das Knacken der brennenden Zweige und vereinzelte Stimmen der benachbarten Gruppen war zu hören. Eine Geräuschkulisse die mit ihrer Fröhlichkeit nicht hätte unpassender sein können. , Nach einer Weile lösten sich Zeldas Fäuste und sie sah auf. Entschlossen. „Ich werde ihn verlegen lassen“, sagte sie streng. Fixierte Link mit ihrem Blick, der aus tiefen Gedanken zurückzufinden schien. Er erwiderte ihren Blick, die Lippen zu einer nachdenklichen Linie geformt, die bei jemand anderen beinahe schmollend gewirkt hätte. Dann blinzelte er, schien zu verstehen, was sie gesagt hatte. Er lachte. Ein kurzes, amüsiertes Glucksen. Sonor in der Ausführung und die Umgebung erhellend. „Prinzessin“, entgegnete er, ein wenig gutmütigen Spott in der Stimme. „So sehr ich dir danke, das ist nicht nötig.“ Wieder lachte er. Nicht weil er den Gedanken für lächerlich hielt, so viel war zu erkennen. So indigniert Zelda auch war. Sondern weil die Vorstellung ihn einfach erheiterte. „Ich habe ihn ganz gut im Griff“, meinte er und besah sie mit einem Blick voller ehrlicher Zuneigung, unter dem Zelda noch wärmer wurde. Natürlich brauchte Link keine Hilfe, um mit seinem Vater zurechtzukommen. Er nicht. „Er macht mich nur von Zeit zu Zeit unfassbar wütend.“ Link lächelte. Entschuldigend? Oder dankbar? Ein wenig unruhig rutschte Zelda auf ihrem Stuhl umher. Unwillkürlich fragte sie sich, wie ein unfassbar wütender Link aussehen würde. „Aber danke“, sagte Link und betrachtete sie weiterhin mit diesem warmen Blick. Ließ sie sich gleichzeitig lächerlich und großzügig vorkommen. Sie wünschte sie, sie hätte die Klappen gehalten. Gleichzeitig war sie unendlich froh gesagt zu haben, was sie gesagt hatte. Auch wenn es lächerlich war. Eine machtlose Prinzessin, die in einem trotzigen Anfall willkürlich Ritter disziplinarisch verlegen wollte. Aber es war eine der wenigen Möglichkeiten Link zu zeigen, dass sie ihn ebenfalls beschützen würde. Auch wenn die Mittel die ihr zur Verfügung standen, wesentlich begrenzter waren. Und nicht ganz unproblematisch. Doch dem flüssigen Glanz in Links unbeweglichen Augen zufolge hatte er die Botschaft verstanden. Und war dankbar dafür. Mit einem Mal fühlte Zelda sich verlegen und schüchtern. Als hätte sie zu viel offenbart, auch wenn sie nicht wirklich wusste, was überhaupt. „Tja“, begann sie in einem plötzlichen Versuch um fröhliche Normalität, „noch etwas, das wir gemeinsam haben.“ Ihr Vater machte sie schließlich auch unheimlich wütend. Link setzte zu einer Antwort an, doch Daruks polternde Stimme unterbrach ihn.   „Uch, dieser Gestank“, beschwerte sich der Gorone und trat in den Lichtschein des Feuers. „Was habt ihr mit diesem Kessel angestellt?“ Verwirrt löste Zelda ihren Blick von Link, der schneller geschaltet hatte und leise lachend die Hand nach dem Kochlöffel ausstreckte. „Man nennt es Suppe, Daruk“, antwortete ihr Leibwächter und rührte ein weiteres Mal im Kochtopf. „Huh, riecht scheußlich“, entgegnete Daruk. Zelda betrachtete den Goronen ein wenig pikiert. Das schien ihr nun doch etwas übertrieben. Nicht zu vergessen unhöflich. Doch dann begann Daruk schallend zu lachen. Mit zurückgeworfenem Kopf und klirrenden Ketten.Und so laut, dass alle Gespräche im Umkreis zum Erliegen kamen. Zelda sah von Link zu Daruk, sah deren Blicke gegenseitiger belustigter Zuneigung und da verstand sie, dass die beiden diesen Austausch nicht zum ersten Mal führten. Sie entspannte sich ein wenig. Daruk ließ sich immer noch glucksend auf dem Boden nieder und hieb sich immer wieder auf die massigen Schenkel. Zelda schüttelte leicht den Kopf. So witzig war es nun auch wieder nicht. Aber was wusste sie schon.   Daruk verbrachte die Nacht ebenfalls im Gasthaus. Oder eher gesagt, in den heißen Quellen, da er meinte, dass er es ordentlich warm bräuchte, um einschlafen zu können. Der Abschied am nächsten Morgen fiel herzlich und laut aus, aber Daruk war sichtlich gespannt darauf, zu Vah Rudania zurückzukehren. Er schien der Steuerung des Titanen nun mit deutlich mehr Enthusiasmus gegenüberzustehen. Zelda konnte es ihm nicht verdenken. Sie wusste wie Knochen schwächend es war, eine Aufgabe, zu der man erkoren war, einfach nicht ausführen zu können. Mit einem traurigen Lächeln sah Zelda dem riesenhaften Goronen hinterher, beobachtete, wie er mit seinem wiegenden Gang die trockene Straße zum Berg hinauf verschwand. Wie sehr sie sich wünschte, dass auch ihre Probleme mit den Siegelkräften auf magische Weise erlöst wurden. In ihrer Brust löste sich ein tiefes Seufzen. Laut genug, um Links Kopf drehen zu lassen. Zelda begegnete seinem Blick widerwillig. Eine kleine Falte hatte sich zwischen seinen Augenbrauen gebildet, fragend. Sie mühte ein Lächeln auf ihre Lippen. „Ich sehe sie nicht gern gehen“, sagte sie und spezifizierte dann mit einem Kopfnicken in Richtung Daruks verschwindender Körperform: „Die Recken.“ Es entsprach zwar der vollen Wahrheit, war aber nicht der einzige Grund für ihre traurige Miene. Sie zuckte mit den Schultern. Eine Geste, die sie sich von Link abgeschaut hatte. Man konnte einfach so unfassbar viel damit ausdrücken. „Ich fühle mich ihnen verbunden. Auf eine Weise, die ich mit niemandem sonst teilen kann. Und auch wenn es keine tiefe Freundschaft zwischen uns allen gibt“, sie warf Link einen entschuldigenden Blick zu – ihn verband ganz sicherlich keine tiefe Freundschaft mit Revali, „so habe ich dennoch das Gefühl ihnen nah zu sein.“ Sie wartete, während Link ihre Worte verarbeitete, suchte auf seinem Gesicht nach Anzeichen dafür, dass er verstand, was sie sagte. Was sie wirklich sagte. Dass sie sich ihm nah fühlte. Doch Links Miene veränderte sich nicht, außer dass sich die steile Falte auf seiner Stirn löste und seine Augenbrauen sich entspannten. Am Ende war es allerdings Zelda, die den Blick abwandte. Die sich unter Links blauen Augen seltsam roh und verletzlich vorkam und deren suchende Qualität nicht länger ertrug. Ihr war als würden all ihre Geheimnisse zu nah an der Oberfläche schwimmen. Und wenn er sie nur lange genug ansehen würde, dann gäbe es kein Verstecken mehr.   „In Ordnung, lass uns aufbrechen.“ Zelda drehte sich um, hoffend, dass Link ihrem Beispiel folgen würde. Sie machte einige betont schwungvolle Schritte, ein erleichtertes Seufzen auf den Lippen, als sie seinen vertrauen Gang hinter sich hörte. Schweigend liefen sie zurück zur Herberge, den trockenen Staub des Weges wie ein roter Nebel um sie herum. Die Gegend um den Vulkan gab seinem Namen wirklich alle Ehre. Die Vegetation war kahl und farblos, ein fürchterlich ironischer Gegensatz zu dem blutigen Leuchten des Berges. Hier gab es nur Echsen, Steine und Insekten. Und den vereinzelten trockenen, gemeingefährlichen Busch, deren Äste bei der kleinsten Berührung abbrachen und sich wie winzige Nadeln in die Haut bohrten. Wo sie sich mit großer Wahrscheinlichkeit entzündeten und einen Ausschlag verursachten. Nicht zu vergessen, dass sie fabelhafte Verstecke für die wohl tückischsten Vögel Hyrules boten, mannshohe, hässliche Geschöpfe, die bei jeder Gelegenheit versuchten, unvorsichtige Besucher die Hänge hinunterzustoßen. Mit Schnäbeln, die nur im glücklichsten aller Fälle nur blaue und tief purpurne Blutergüsse hinterließen. Es war schon seltsam, dass die gefährliche Schönheit der Gerudowüste Zelda mit Ehrfurcht erfüllte, während der Todesberg sie eher abstieß. Sie sah zu Link hinüber, der still neben ihr herlief, den Blick auf die Herberge in der Ferne gerichtet. Ein wenig Farbe war über seine Haut gekrochen und ließ das Gold seines Haares blasser erscheinen als sonst und das Blau seiner Augen heller leuchten. Auch ihrem unberührt scheinenden Leibwächter ging die Hitze nahe, denn anders als am Tag zuvor, hatten sie keine Tränke zu sich genommen. Es lohnte sich nicht, wo sie doch dabei waren den Berg zu verlassen. Dennoch wirkte er hier genauso zu Hause wie im Schloss, zwischen den Rittern und dem Prunk oder der heiligen Atmosphäre der Quelle des Mutes. Selbst hier, inmitten dieser kargen Landschaft wirkte er ungezwungen. Auf eine unberührte, kompetente Weise. Es war nicht so, dass er seine Farbe wechselte wie ein Chamäleon, ein Geschöpf von dem Zelda einmal in einem Buch gelesen hatte. Er schien einfach überall hinzugehören, ohne irgendetwas an dem zu ändern, was er war. Vielleicht kam er deswegen mit all den Rollen so gut zurecht, die man ihm auflud. Sohn, Ritter, Leibwächter, Recke, Held. Freund. Er war einfach all diese Dinge.   Zeldas Blick fiel auf das Bannschwert, das auf seiner Schulter ruhte wie eh und je. Ein vertrauter Anblick. Ein vertrauensvoller Anblick. Auf einmal musste sie an etwas denken. Vielleicht war es die Abwesenheit der Bäume um sie herum. Vielleicht die unmittelbare Nähe. Zelda konnte den Gedankengang nicht wirklich zurück verfolgen. Es war einfach da. „Ich wollte ihn immer mal sehen“, sagte sie, den Blick immer noch das Bannschwert gerichtet. Link wandte ihr den Kopf zu, zog fragend eine Augenbraue hoch. Zelda nickte in Richtung des Schwertes auf seiner Schulter. „Den Dekubaum. Die verlorenen Wälder.“ Ihr Blick wanderte nach rechts, traf auf Links blaue Augen. „Ich war nie dort. Mein Vater ließ mich nicht.“ Link sah wieder nach vorne. Schien zu überlegen. „Schätze es ist gut so“, fuhr Zelda fort. Plapperte. „Man kann sich wohl schnell verwirren. Verlorene Wälder und all das.“ Sie lachte kurz, eine Mischung aus Verlegenheit und Belustigung, dann faltete sie seufzend die Hände vor dem Bauch. Ließ ihre Handflächen mit jedem Schritt hin und her schwingen. „Warum?“, fragte Link schließlich. „Was warum?“, antwortete Zelda. „Warum ich es sehen wollte, oder warum mein Vater mich nicht ließ?“ „Warum wolltest du ihn sehen?“ Zelda schwieg eine Weile. „Ich wollte das Schwert sehen. Mich vergewissern, dass es noch da ist.“ Sie sandte ihm einen entschuldigenden Blick. „Dass ich noch Zeit habe.“ Link sah sie kurz an, schien etwas in ihren Augen zu suchen, dann wandte er den Kopf erneut gerade aus. Er schwieg und Zelda hatte das Thema längste abgehakt, als er wieder das Wort erhob: „Möchtest du sie immer noch sehen?“ Bevor sie etwas sagen konnte, fügte Link hinzu: „Die verlorenen Wälder?“ Erstaunt, dass er fragte, öffnete sie den Mund. Starrte ihn an, wortlos. „Sie sehen?“, wiederholte sie ein wenig stottrig. „Klar, ich würde sie gern sehen. Natürlich.“ Zelda sah ihn überrascht an. „Du würdest mich hin bringen?“ Link zuckte mit den Schultern. „Wieso nicht? Wenn du sie unbedingt sehen möchtest?“ Plötzlich freute sich Zelda wie ein kleines Kind am Morgen seines Geburtstages. „Wirklich? Ich – ja klar, will ich sie sehen. Ja, bitte. Bitte bring mich hin.“ Seine Mundwinkel zuckten kurz, wohl wegen ihrer offenkundigen Begeisterung. Dann nickte er. „In Ordnung.“ Und änderte abrupt die Richtung.   *   „Wo, bei der Göttin, bringst du mich hin?“, keuchte Zelda, nachdem sie die wohl hundertste Erhöhung erklommen hatten und mit einer noch größeren Steigung konfrontiert wurden. Das Haar klebte ihr auf der schwitzigen Stirn und ihre Wangen fühlten sich an als würden Kohlen darin glühen. Zwischen ihren Schulterblättern – und zu ihrer Scham auch zwischen ihren Brüsten und Pobacken – hatten sich kleine Rinnsale von Schweiß gebildet, die ihr juckreiz-verursachend die Haut hinabrannen. Ihre Hosen rieben unangenehm nass zwischen ihren Oberschenkeln und sie musste aussehen wie eine Krabbe. Eine sehr rote, sehr feuchte Krabbe. „Ich dachte, du würdest mir die verlorenen Wälder zeigen?“ Kurz nach ihrem Geständnis hatte Link sie einen Pfad den Berg hinauf, statt hinabgeführt. Er hatte ihr versichert, dass sie die Pferde auf ihrem Rückweg abholen würden. Zelda war einfach davon ausgegangen, dass er eine Abkürzung zum Wald kannte und war ihm vertrauensvoll gefolgt. Ein Fehler, wie sich herausstellte. „Aber ich sehe nur Steine. Und Staub.“ Zelda versuchte mit einem prustenden Ausatmer ein wenig davon aus ihrem Gesicht zu pusten. Ohne viel Erfolg. Das Traurige war, dass Link den seichtesten Weg fand. Und sie nicht einmal den Berg hinauf gingen. Eher seitlich daran entlang. „Ich zeige dir den Wald. Von oben“, antwortete Link mit einem belustigten Blick über die Schulter. „Aber“, widersprach Zelda atemlos, „wie ka-“, da verstand sie. Sie waren auf dem Weg zu einem Aussichtspunkt. Sie würden vom Berg aus auf den Wald hinaufblicken. Sie würde den Dekubaum von oben sehen. Und sein ganzes Ausmaß. Die Vorstellung gefiel ihr. Gleichzeitig wusste sie nicht, ob sie beleidigt sein sollte, dass Link sie nicht in den Wald hinein bringen wollte. Dachte er, sie würde sich verirren? Wie denn, wenn er den Weg schon einmal gefunden hatte. Oder wollte er schlichtweg einfach nicht?   Bevor Zelda sich in der Paranoia verlieren konnte, prallte etwas Massives gegen sie und brachte sie aus dem Gleichgewicht. Sämtliche Luft wurde ihr aus der Brust gepresst. Sie spürte zuckende Härte, reine, vibrierende Energie, nahm etwas Blaues wahr, das in ihrem Sichtfeld aufblitzte. Roch frische Luft und Metall. Und bevor das alles Sinn ergeben konnte, lag sie auf dem Rücken im Staub und Tausende kleine Steinchen bohrten sich in ihren Rücken. Zelda stöhnte von der Wucht des Aufschlags. Sie war unverletzt, nur ein wenig angeschrammt, eine unnachgiebige Hand hatte das Schlimmste verhindert und ihren Kopf daran gehindert, auf dem Stein aufzuschlagen. Links Hand, die sich um ihren Hinterkopf krümmte. Link. Auf ihr. Über ihr. Zelda sog erschrocken Luft ein. Und sah sich sofort einem Paar gefährlich blitzender blauer Augen gegenüber, die aufhörten über ihren Kopf hinweg zu starren, sondern sie fixierten. „Still!“, zischte er in einem Ton, den sie noch nie von ihm gehört hatte. Für einen Moment ängstigte sie die blanke Wildheit seines Blicks. So mussten sich seine Gegner fühlen, wenn er sie niederstreckte. Zelda erstarrte. Er lag auf ihr, hatte sie zu Boden gerissen. Ihre Körper ein Durcheinander von Gliedmaßen und zerwühlter Kleidung und keuchendem Atem. Seine Nase war kaum eine Handbreit von ihrer entfernt. Sie konnte jedes noch so kleine Detail seines Gesichts sehen. Erneut fiel ihr auf, wie lang und dicht seine Wimpern waren. Auffällig dunkel im Gegensatz zum goldigen Blond seiner sonstigen Erscheinung. Er hielt den Atem an und starrte sie an, begegnete ihrem Blick mit absoluter Unbeweglichkeit. Die Wärme seines Körpers begann durch ihre Kleidung zu sickern. Sie spürte die Kontur seiner Oberschenkel, seines Oberkörpers. Nie zuvor in ihrem Leben war Zelda jemandem so nah gewesen. Es gab kaum eine Stelle, an der sie sich nicht berührten. Er war herausragend in Form, sein fein gebauter Körper hart und von männlicher Kraft vibrierend. Ein Gefühl versengender Zärtlichkeit durchfuhr sie und sie spannte jeden Muskel gegen den überwältigenden Drang ihre Arme um ihn zu schlingen. Gegen den sehnlichen Wunsch mit den Fingern über die harte Linie seines Nackens zu streichen. Ihr Atem ging schnell, unfähig wie sie war ihr Herz daran zu hindern schmerzhaft enthusiastisch gegen die Begrenzung ihrer Brustkorbes zu hämmern, als wollte es Kontakt mit Links aufnehmen. Hektische kleine Keucher, die sich an der Linie seines Kinns brachen und wieder zu ihr zurück geworfen wurden. Ihr ohnehin überhitzter Körper fühlte sich an, als würde er in Flammen stehen. Derweil verhielt Link sich absolut still. Sah sie einfach nur an. Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war. Es konnten Stunden sein, oder auch nur einige Wimpernschläge. Für einen kurzen Moment war ihr absolut bewusst, dass sie das hier niemals vergessen würde. Für den Rest ihres Lebens würde sie sich daran erinnern. An ihn. Auf ihr liegend. Allein, auf dem heißen, trockenen Boden des Vulkans. Die herrliche Schwere seines Körpers auf ihrem, die intime Wärme. Doch dann holte ihr Verstand mit den Geschehnissen auf und Zelda holte Luft, um zu sprechen. Der kleine Ruck, der sie durchfuhr, schien Link aus seiner Starre zu holen. Er atmete ein und riss seinen Blick los. Sah über ihren Kopf hinweg. Starrte konzentriert irgendetwas an, das Zelda nicht sehen konnte. Sie versuchte, ihren Kopf zu drehen. Doch in dem Moment ruckte sein Blick zurück zu ihrem und nagelte sie fest. Sein Gesicht senkte sich, kam näher und näher, bis sich ihr Atem vermischte. Zelda roch etwas Süßliches, was keinen Sinn ergab und spürte, wie ihr noch mehr Blut ins Gesicht schoss. „Bleib unten“, raunte er und warme Luft und der Klang seiner Stimme strichen ihr über Ohr und Nacken. Die feinen Haare dort stellten sich reflexartig auf und ihr entfuhr ein ersticktes Keuchen. „Egal was geschieht, bleib hier.“ Seine Stimme klang gepresst, rau von der Anstrengung gleichzeitig leise und eindringlich zu sprechen. „Bleib unten!“, wiederholte er und seine Augen verkleinerten sich zu Schlitzen, als er sie anstarrte. Zelda brachte ein Nicken zustande, immer noch zu verwirrt um zu verstehen. Dann war er aufgesprungen. Sie vergaß ihr Versprechen noch im selben Moment und drehte sich ruckartig auf den Bauch. Atmete hektisch, versucht mit ihren Handflächen vergeblich ihr heißes Gesicht zu kühlen. Staub wirbelte im Rhythmus ihres Atems stoßweise vom Boden auf und Zelda hielt sich unwillkürlich den Unterarm vor Mund und Nase. Sie versuchte immer noch zu verstehen, was geschehen war. Versuchte einen Grund für Links Verhalten zu finden und gleichzeitig ihren aufgewühlten Körper zu beruhigen. Sie war absolut schockiert. Und begeistert. Dann hörte sie Kampfeslärm. Alle Gedanken verschwanden aus ihrem Kopf. Angst spannte sämtliche Muskeln in ihrem Körper an und instinktiv versuchte sie sich tiefer in den Boden zu drücken. Für einen Moment hielt sie das Gefühl seines Körpers auf ihrem. Die sichere Stärke seiner Hände um ihren Kopf. Den Geruch von Frische und Männlichkeit. Sein Atem auf ihren Lippen. Es war ihr ein absolutes Rätsel, wieso ihr Körper sich daran erinnerte, während er gleichzeitig vor schierer Todesangst zu vibrieren schien. Alles schien sich zu vermischen, die Angst, die Aufregung. Zelda ballte die Fäuste, bohrte ihre Arme ins steinige Erdreich, versuchte, Halt in der Realität zu finden.   Sie hörte Metall, das auf Metall schlug. Das dumpfe Brechen von Holz. Das Hallen eines Horns. Ein tierähnliches Schreien. Sie kannte diese Schreie. Bokblins. Monster. Zelda begann zu zittern. Sie hatte ihn kämpfen sehen. Sie wusste, dass Link unermesslich geschickt war. Aber das klang wie ein verdammter Hinterhalt. Es klang nach schrecklich vielen Monstern. In dem Moment begann der Kampf in ihrem Inneren. Alles in ihr schrie liegen zu bleiben. Sich auf Link zu verlassen und ihn seine Arbeit erledigen zu lassen. Doch es klang nach einer extremen Überlegenheit auf Seiten der Monster. Und auch wenn sie ihm versprochen hatte hier zu bleiben, so würde sie sich nie verzeihen, wenn ihm etwas zustieß, während sie sich versteckte. Zelda stählte sich gegen die ungebändigte Panik und befahl ihren Muskeln sich zu einer Aufwärtsbewegung zu spannen. Halb krabbelnd, halb kriechend überwand Zelda den letzten Rest bis zur Anhöhe, hinter der das Quieken und Kreischen, das Schreien und das Geräusch zerberstender Schilder und dumpfer Schläge immer lauter wurde. Sie wappnete sich für den Anblick und spähte dann vorsichtig über den Rand.   Niemals hätte sie sich aus das vorbereiten können, was sie da sah. Dutzende Bokblins, ein Gewusel aus Farben und albtraumhaften Fratzen. Leunen. Zwei davon. Gefährliche Ungeheuer mit enormen Kräften, die in Hyrule schon so lange nicht mehr gesehen worden waren, dass sie ins Reich der Mythen und Legenden eingegangen waren. Und in der Mitte von alledem war Link. Ein blauer, todbringender Wirbelwind, der durch die Monster fällte wie ein Holzfäller mit seiner Axt. Nur dass Link das Bannschwert schwang. Zelda hatte ihn kämpfen sehen. Hatte gesehen, wie er mit den Yiga kurzen, tödlichen Prozess gemacht hatte. Sie wusste um seine Präzession und um seine Kraft. Aber das hier war etwas ganz anderes. Wie hatte er sie überhaupt bemerkt? Es musste ein Hinterhalt gewesen sein. Die Monster hatten versteckt gelauert. So viele. Wo kamen so viele Monster her? Dass sie gemeinsam versteckt gelauert hatten, sprach von einer Tücke, einer gefährlichen Absicht, die über alles hinausging, wie Bokblins als auch Moblins – gerade sprang einer von der Sorte hinter einem Felsen hervor – bisher an Bosheit gezeigt hatten. Und die Leunen … es war ein albtraumhaftes Wunder, dass sie hier waren.   Link brachte die Monster so schnell zu Fall, dass ihr beim Zusehen schwindlig wurde. Angst schnürte ihr den Atem ab und ihr wurde schwindlig. Sie ballte ihre Hände so fest zu Fäusten, dass ihre Fingernägel durch den Stoff ihrer Handschuhe schnitten. Sie versuchte, sich ruhig zu verhalten. Versuchte irgendetwas Nützliches zu erkennen. Etwas, womit sie Link helfen konnte. Panisch musste sie ihm dabei zu sehen, wie er unter der wirbelnden Waffe eines Bokblins hindurch tauchte, ein besonders boshaft aussehendes Ding, das über und über mit spitzen Stacheln besetzt war. Er köpfte das Vieh mit einem schnellen, kompromisslosen Hieb, während er gleichzeitig die hohen Pfeile der Leunen unterrannte. Die absolut tödliche Präzision, die schnelle, kraftvolle Kunstfertigkeit mit der er sich bewegte, sollte ihr nicht so ein sicheres Gefühl geben. Es war immer gefährlich, wenn es jemanden mit solchen Fähigkeiten gab. Auch wenn er auf der eigenen Seite stand. Aber Zelda fühlte sich sicher. So sicher, wie man sich fühlen konnte, oberhalb einer Schlacht.   Als Link einem der Leunen das Schwert in die Brust rammte, tauchte in seinem Rücken ein weiterer auf. Sie war sich dessen nicht bewusst, aber Zelda musste ein Geräusch gemacht haben. Denn in dem Moment sah Link nach oben. In ihre Richtung. Und ein blauer Bokblin nutzte die Gelegenheit, um auf ihn zu zuspringen. Zelda biss sich auf ihre Hand, um nicht aufzuschreien. Im letzten Moment konnte Link das Schwert abwehren, doch in der Rückwärtsbewegung traf die Klinge ihn im Gesicht. Zelda hörte auf zu atmen. Ihre seltsame Faszination vermischte sich mit reiner, realer Angst. Nicht länger um ihr eigenes Leben, sondern um seines. Doch anstatt getroffen zu Boden zu fallen, preschte Link nach vorne. Der Hieb schien ihn wütend gemacht zu haben und seine Angriffe wurden noch schneller und wuchtiger. Ein Monster nach dem anderen fiel, bis am Ende nur noch ein einziger Leune stand, der ihn mit gespanntem Bogen umkreiste. Ein riesiges Biest mit explodierender Mähne, schwarzen und weißen Streifen und gemein aussehendem Hammer von einem Schwert. Für einen Moment schienen die Gegner nichts weiter zu tun, als abzuwarten. Dann täuschte Link einen Angriff nach rechts vor, scherte in die Gegenrichtung aus, sprang gegen einen Felsen und katapultierte sich von dort aus auf dem Rücken des Leunen. Einen Schwertstich von oben später, verendete das Biest mit einem gequälten Stöhnen.   Gespenstische Stille senkte sich über den Schauplatz des Schreckens. Mit einem lauen Gefühl in den Knien rappelte sich Zelda auf und rannte hinüber zu Link, der sich einige Schritte von dem toten Monster entfernt, auf den Boden hatte fallen lassen. Er hatte ein Bein angewinkelt. Das Schwer ruhte wieder an seinem angestammten Platz auf seinem Rücken und seine Brust hob und senkte sich im schnellen Rhythmus seiner Atemzüge. Seine blauen Augen blitzten, als er ihr entgegen sah. Nass klebte ihm das Haar in Stirn und Nacken und die Sohlen seiner Stiefel waren Schwarz vom Lebenssaft der Monster. Ein Schluchzen blieb in Zeldas Kehle stecken, als sie den langen, blutigen Schnitt auf seiner Wange sah. Davon abgesehen, wirkte er erstaunlich unversehrt. Er rollte langsam mit den Schultern. Drückte mit der Hand die Muskulatur zwischen Schulter und Nacken. Sicher. Sein Schwertarm musste gelitten haben. Sie versuchte die Blasen werfende, wilde Panik in ihrem Inneren zu kontrollieren. Den Impuls zu unterdrücken ihm um den Hals zu fallen. Ihn zu schütteln. Über sein aufgelöstes Haar zu streichen. Sie bemühte sich um Ruhe. Klarheit für ihre Worte. Während ihr in diesem Moment das erste Mal wirklich bewusst wurde, dass Link gegen Ganon kämpfen würde. Er würde ihm alleine entgegen treten. Nur mit ihr an seiner Seite. Ohne die Gewissheit, ob sie würde tun können, was sie tun musste, um sie zu retten. Der Gedanke ließ sie panischer werden als je zuvor. Sie musste mehr tun. Mehr. Einfach mehr! Von allem. Sie mussten mehr herausfinden. Sie musste härter daran arbeiten, die Siegelkräfte zu erwecken. Sie musste sie erwecken. Sie musste einfach. Würde es ihr nicht gelingen, wäre das nicht nur ihr eigener Tod. Link würde auch sterben. Und es wäre niemandes Schuld außer ihre eigene.   Sie zwang sich zur Ruhe. Dieses Mal gelang es ihr sogar, während sie ihren Weg durch die Kadaver gefallener Bokblins suchte. Link hatte sich nicht bewegt, sah ihr von seinem Platz auf einer Erhöhung entgegen. Sein Blick unlesbar. Neben ihm sank Zelda auf die Knie. Beugte sich nach vorne und streckte die Hand aus. Überging das innerliche Zögern und strich ihm mit zittrigen Fingern einige schweißnasse Haarsträhnen aus dem Gesicht. Unter dem Vorwand die Wunde zu betrachten, ein fieser klaffender Schnitt, der zwar blutete, aber bereits zu verkrusten begann, ließ Zelda ihre Finger über seine Haut gleiten. Spürte Hitze und Schweiß, sah das schnelle Pochen des Blutes in seinen Adern. Link hatte den Kopf gedreht, sah sie an. Wortlos. Bewegungslos. Er schien inmitten eines Versuchs zu sprechen stecken geblieben zu sein. Zelda hatte nicht mal bemerkt, dass er angesetzt hatte, etwas zu sagen. Ein Teil in ihr – der Teil, der unter dem Gefühl seiner Haut unter ihren Fingern brillierte, der durch die alleinige Tatsache entzückt war, dass sie ihr berührte – bildete sich sein, dass er sich in die Berührung hinein lehnte. Der andere Teil, der praktische Teil, der in der Realität lebte, wusste, dass er lediglich erschöpft war und ein wenig schwankte. Verständlich nach dieser Anstrengung. Forscherin. Wissenschaftlerin. Das war die einzige Rolle, in der es ihr erlaubt war ihn zu berühren. Aus Interesse heraus. Um eine Verletzung zu betrachten. Als Prinzessin war es ihr verboten. Ebenso wie die Schmetterlinge, die der Kontakt den Umständen zum Trotz in ihr auslösten. „Die Wunde ist nicht sehr tief“, sagte Zelda und ließ ihre Hand sinken, erstaunt darüber, wie nüchtern sie klang. „Aber du musst trotzdem vorsichtiger sein!“ Wie lächerlich, wie überaus dämlich doch war das zu sagen. Es war ja nicht so, dass er sich das hier ausgesucht hatte. Und es war ihre Schuld, dass er verletzt worden war. Sie hatte ein Geräusch gemacht und ihn abgelenkt. Sie war nicht, wie versprochen, in Deckung geblieben. Vielleicht hätte er den Hinterhalt nicht aufschrecken müssen und sich mit ihr zurück ziehen können. Aber was wusste sie schon? Vielleicht hatten die Monster sie bereits entdeckt, als er sie zu Boden geworfen hatte. Link schien der Unsinn ihrer Worte ebenfalls aufzufallen, denn für einen kurzen Moment sah er aus, als würde er etwas sagen wollen. Mit zusammengezogenen Augen, die ihren Blick zweifelnd erwiderten. Zelda schluckte, versuchte die Situation nicht entgleiten zu lassen und brachte unbedingt notwendigen Abstand zwischen sie. Sie ließ sich auf ihre Knie zurücksinken und sagte in ihrer besten analysierenden Stimme: „Du bist zwar stark … aber nicht unverwundbar!“ Zelda wandte den Blick ab. Sah zu den Kadavern ihrer Angreifer hinüber. Aus dem Augenwinkel sah sie, dass Link es ihr gleich tat. Von ihrem Standpunkt konnte man das ganze Ausmaß sehen. Die Dutzenden Monster. Tot. Glücklicherweise. Zelda schluckte das Gefühl kaum verfehlter Gefahr herunter. Versuchte einen klaren Kopf zu bewahren und nicht zu einem Pfützchen zitternder Angst zu verfließen. „Die Monsterangriffe häufen sich in letzter Zeit.“ Zelda dachte an ihren Besuch bei Daruk, damals, als noch andere Ritter für ihre Sicherheit gesorgt hatten. Erinnerte sich an die Horde Bokblins, die den Hund angegriffen hatte, vor dem Daruk sich so gefürchtet hatte. Sie hatte von so vielen Monstersichtungen gehört. Und das war sicherlich nur ein Bruchteil dessen, was Hyrules heimsuchte. „Auch so gefährliche wie diese werden immer häufiger gesichtet.“ Stärkere Bokblins von blauer Farbe. Moblins. Und wie es nun schien, auch noch Leunen. Zelda schluckte und ballte eine Hand vor ihrer Brust. „Ich fürchte … das könnte ein düsteres Vorzeichen sein. Die Wiederkehr der Verheerung ...“ Ein krächzendes Schluchzen drohte ihrer Kehle zu entwischen, ein wahrer Ausdruck dessen, wie sie sich im Inneren fühlte. Anders als die Ruhe ihrer Stimme glauben ließ. Um der Panik keinen Raum zu geben, erhob sie sich ruckartig. Klopfte sich den Staub von Hose und Tunika und sah zu Link hinunter. Er hatte inzwischen beide Hände auf seinen Knien abgelegt und wirkte seltsam entspannt. Als hätte er nicht gerade eben sein und ihr Leben verteidigt. Und dabei Dutzende Monster getötet. Darunter drei Biester, die es eigentlich gar nicht geben dürfte. „Komm“, forderte sie ihn auf, als er das Kinn hob, um zu ihr aufzusehen. „Es ist nicht viel Zeit.Wir müssen vom Schlimmsten ausgehen und unsere Vorkehrungen treffen, bevor es zu spät ist.“ Sie meinte die Wächter, die Titanen. Einen letzten Versuch ihre Kräfte zu erwecken. Sie wusste selbst nicht, was sie meinte. Zelda wusste nur, dass sie nicht hier sitzen blieben und die toten Monster anstarren konnte. Ihre Angst hatte sie Worte formen lassen, denen sie vielleicht keine Taten folgen lassen konnte. Mit einem letzten Blick nach oben erhob sich Link, einen resignierenden, geduldigen Ausdruck auf dem Gesicht. Zelda hatte sich bereits in Bewegung gesetzt, den Rücken zu der Szene blutiger Verheerung hinter ihr, als Links Stimme sie innehalten ließ.   „An welche Vorkehrungen hattest du denn gedacht?“, fragte er und sie drehte sich um. Ein kaum wahrnehmbares Lächeln vertiefte die Linien neben seinen Augen. „Was, außer vier erprobten Kriegern in vier antiken Kriegsmaschinen, einem stehenden Heer und einer Armee eigenständig kämpfender Wächter, kann noch vorbereitet werden? Was ist das Schlimmste, von dem du ausgehst?“ Zelda betrachtete ihn schweigend. Sah den Schnitt auf seiner Wange. Das Blut an seinen Stiefeln. Den erschöpften Schwung seiner Schultern. „Dass ich die Siegelkräfte nicht erwecken kann“, sprach sie aus, was sich wie ein Geschwür aus Angst in ihrem Inneren anfühlte. Gab dem namenlosen Scharren eine Stimme. „Dass alles umsonst war und ich nicht werde tun können, was getan werden muss. Dass ich Ganon nicht versiegeln kann. Und dass wir alle sterben.“ Ihre Stimme klang gepresst, zitterte für den Moment aber einmal nicht. An ihrer Seite ballten sich ihre Fäuste und ihre Mundwinkel zogen sich tragisch nach unten, so sehr Zelda sie auch daran hindern wollte. Link machte einen Schritt in ihre Richtung, einen Ausdruck des Mitgefühls auf dem Gesicht. „Das wird nicht geschehen“, sagte er. Ruhig. Sachlich. Mit derselben tiefen Überzeugung, mit der es schon einmal versichert hatte. Mit anderen Worten, zu einer anderen Zeit. Zelda verdiente sein Vertrauen nicht. So sehr sie auch danach greifen und sich darin einwickeln wollte, wie in die Decke, die er ihr Mal um Mal umgelegt hatte.   „Was noch?“, fragte er und Zelda blinzelte verwirrt. Noch? War das nicht genug? „Was für Vorbereitungen willst du noch treffen?“, spezifizierte er. Seine Frage schien ehrlich. Als wollte er tatsächlich wissen, was ihre Gedanken dazu waren. Hier. Inmitten eines Schlachtfeldes. Weil er es tat, weil es ihn interessierte, oder um ihr aus der fehlenden Logik ihrer Worte ein Gefängnis zu bauen, konnte Zelda nicht sagen. Sie beschloss, sich nicht darauf einzulassen. Er wollte sie beruhigen. So viel stand fest. Sie ließ zu, dass die wie Seile gespannten Muskeln ihrer Schulter ein wenig nachließen.   „Bessere Rüstung für dich, Sir Ritter“, sagte sie schließlich, nachdem ihr Blick auf seiner Wange hängen geblieben war. „Du magst der Held sein. Auserwählt durch das Bannschwert, unendlich mutig, stark und perfekt proportioniert“ – oh Zelda, wo bei Hylia nimmst du diesen Unsinn her – „aber du bist nicht unsterblich.“ Bei ihren Worten sah Link Boden. Schock krabbelte Zeldas Wirbelsäule hinauf. Jetzt hatte sie es endgültig geschafft. Sie hatte ihn brüskiert. Sie war ihm mit ihrer mädchenhaften, schlecht kontrollierten Schwärmerei vor den Kopf gefahren. Doch bevor sie etwas hätte sagen können, hob er wieder das Kinn. In seinen Augen tanzte ein Lachen. Was Zelda sofort beruhigte. Er fuhr sich mit der Hand in den Nacken, ein kleines Lächeln auf den Lippen. Er wirkte verlegen. Schüchtern beinahe. Aber nicht auf eine unangenehm berührte Weise. Unsicher sah Zelda zu Boden, wich seinem Blick aus. Sie bewegte ihre Füße, versuchte eine Position einzunehmen, in der sie sich wohler fühlen würde. Doch ihr ging schnell genug auf, dass das nicht geschehen würde.   Also hob sie die Hand an ihren Gürtel und zog den Shiekah Stein hervor.   „Ich werde ein Bild machen“, teilte sie Link mit, immer noch darauf bedacht ihn nicht direkt anzusehen. Hoffte, dass sie abgebrüht und entspannt wirkte. Ganz als wären ihre Worte nicht Besonderes, schon gar nichts, das ihr Innerstes offenbarte. „Um den Ort des Angriffs zu dokumentieren.“ Sie richtete den Stein auf die Szenerie. Zielte in eine andere Richtung als die toten Monster. „Und danach werden wir uns auf den Rückweg machen. Diese Wunde muss versorgt werden.“   Sie ignorierte Links Proteste. Und sie hielten nicht lange an. Vielleicht war er einfach zu erschöpft, um sich gegen ihr anhaltendes Geplapper zu wehren. Aber sie musste sprechen. Täte sie es nicht, würde sie nachdenken. Und das wollte sie nicht. Der Weg zur Herberge verlief ohne Zwischenfälle. Zelda entschied, dass sie eine weitere Nacht dort verbringen würden. Trotz seiner offensichtlichen Erschöpfung behielt Link die Umgebung im Auge. Er wirkte nicht weniger aufmerksam als sonst, nur wesentlich blasser dabei. Im Gasthaus orderte Zelda ein heißes Bad und alle Speisen, die die Küche zu bieten hatte. Link versorgte seine Wunde selbst. Ein weiteres Zeichen dafür, wie wenig er sie brauchte. Er wusch den Schnitt mit heißem Wasser aus und rührte aus einem übel riechenden Pulver eine Paste an, die er sich großzügig über die Wange schmierte. Beinahe wirkte er damit noch attraktiver. Nicht wegen der Schmiererei. Sondern weil alles zusammen, die Müdigkeit, die körperliche Erschöpfung, die Verletzlichkeit, die Schatten unter seinen Augen ihm eine Aura von Normalität verliehen. Es ließ ihn wirken wie ein auf Erden wandelnder Mann, weniger wie ein vom Himmel herabgestiegener, goldener Gott. Sein Anblick brachte Zelda dazu sich vor ihm zurück zuziehen. Sie ließ ihn allein. Mit dem dampfenden Bad und dem üppigen Mahl, das er verschlang wie ein Verhungernder. Aus Angst etwas sehr, sehr Dummes sagen würde, wenn sie ihn weiter anstarrte. Aus Angst sich nicht mehr losreißen zu können, wenn sie jetzt nicht gehen würde. Auch wenn ihr schlechtes Gewissen ihr ein dumpfes Klingeln in den Ohren verschaffte, konnte sich nicht länger in seiner Nähe sein. Nicht wenn sie ihm so dankbar war. Nicht wenn all diese namenlosen Gefühle immer noch größer wurden. Ebenso namenlose Schwestern und Brüder bekamen und sich zu einem bunten Schwarm wirrer, wunderbarer, Furcht einflößender Empfindungen verbanden, der Verstand und Standfestigkeit raubte. Es war einfach zu viel. Viel zu viel. Und so wünschte sie ihm eine gute Nacht und zog sich dann in ihr Zimmer zurück. Wo sie keinen Schlaf fand. Auch nicht, als der Mond lange aufgegangen und jedes Geräusch aus dem Nebenzimmer – das Kratzen von Messer und Gabel, das leise Plätschern von Wasser – verstummt war. Und irgendwann, in den zeitlosen Stunden inmitten tiefster Dunkelheit, strich sie die Decke zurück. Erhob sich. Ließ sich von ihren Füßen tragen. Bis sie vor der Tür stand, die zu durchqueren die ihr bis an ihr Lebensende verboten sein würde. Und öffnete sie. Kapitel 11: Kapitel 11 ---------------------- Lautlos bewegte sich die Tür. Warf den Schatten des immer noch glühenden Feuers in die Kammer, in der Link sich Schlafen gelegt hatte. Diese eine Nacht brauchte er die Regeneration, darüber hatten sie gesprochen, bevor sich Zelda feige zurückgezogen hatte. Trotz ihrer Vorsicht musste er etwas gehört haben. Als Zelda den Kopf in die Dunkelheit des kleinen Raumes steckte, hörte sie über das Klopfen ihres eigenen Herzens hinweg eine Bewegung. Das Rascheln von einer Decke, das matte Knarren des hölzernen Bettgestells. Das erstickte Geräusch eines Atemzuges, der in einer männlichen Kehle stecken blieb. Jemand, der aus tiefem Schlaf erwachte. „Link?“, flüsterte sie in das Zimmer hinein, hielt dabei den Türknauf fest umklammert, als könnte er ihr den dringend benötigten Halt geben. Sie sollte nicht hier sein. Es gab keine Entschuldigung dafür, dass sie Link den Schlaf raubte, den er absolut nötig hatte. Es gab überhaupt keine Entschuldigung dafür, im Zimmer eines jungen Mannes aufzutauchen. Bei Nacht. Im Dunkeln. Während er schlief. Und mit nichts weiter bekleidet, als ihrem Unterkleid und der fahrlässig übergeworfenen Decke, unter der sie keinen Schlaf hatte finden können. Es drohte keine Gefahr. Außer der, dass sie sich unschicklich benahm und ihren treuen Leibwächter in eine unmögliche Situation brachte. „Geht es dir gut?“, fragte sie leise, schluckte um die Verengung in ihrem Hals herum, versuchte Luft und Anspannung hervor zupressen. Wieder ein Knarren. Ein lang gezogenes Ausatmen. Link, der sich im Bett drehte. Der Moment war seltsam ungewohnt. Und so intim, dass ihr das Blut in die Wangen stieg.   „Zelda?“ Seine Stimme war rau vom Schlaf, heiser überzogene Seide, die ihre Hörgänge umschmeichelte und verrückte Dinge in ihrem Inneren anstellte. Das war unmöglich. Was tat sie hier? Sie sollte schleunigst umdrehen und verschwinden. „Was ist los?“, raunte er schläfrig. Desorientiert. Wie jemand, der sich voller Anstrengung aus seinen Träumen heraus stemmen musste. Zelda hörte, wie er sich im Bett aufsetzte. Hörte die deutliche Anspannung in seiner Stimme. Unwillkürlich tat sie einen Schritt in den Raum hinein. Ließ den Türknauf los und setzte einen nackten Fuß auf den gewebten Teppich. Trat aus dem flimmernden Viereck des feurigen Lichtscheins hinaus, in den Schatten. „Nichts“, hauchte sie. „I-ich wollte nur nachsehen, ob es dir gut geht.“ Sie schluckte. Biss sich auf die Lippen. Was dachte sie sich eigentlich dabei? Doch so sehr sie sich zu verdeutlichen versuchte, dass sie hier nichts verloren hatte, dass sie umkehren und Link die benötigte Ruhe lassen sollte, konnte sie ihre Füße nicht dazu bewegen, umzukehren. Genauso wie sie sich nicht hatte dazu bringen können, im Bett zu bleiben. „Brauchst du etwas? Wasser vielleicht?“ Eine Pause entstand, in der sie hören konnte, wie Link sich über das Gesicht strich. Das sachte Geräusch von Haut, die über Haut rieb. Langsam gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit und sie konnte seine sitzende Gestalt erkennen. Das helle Haar, das im Schatten deutlich auszumachen war. „Nein“, antwortete er zögerlich, nun wesentlich ruhiger, da scheinbar keine Gefahr drohte. Klang nun als wäre er nur beinahe wach. An der Schwelle zum Einschlafen. Sie störte ihn. Er hatte unglaublich hart gekämpft. Sich dabei verletzt. Und sie kam inmitten seiner Ruhezeit in sein Zimmer und schreckte ihn auf. Was wollte sie hier? Sie hatte Angst vor der Antwort. „Ich wollte dich nicht stören“, flüsterte sie stockend. „Schlaf weiter.“ Er antwortete mit einem undefinierbaren Summen. Ein Brummen tief hinten in seiner Kehle. Ein so durchdringend wunderbarer Laut, das eine heiße Welle der Zuneigung sie wie ein Schauer durchlief. Hier in der Dunkelheit trug sie die versteckte Schatulle ihrer Gefühle gefährlich ungeschützt an der Oberfläche. Sie spürte so einen starken Zug zu ihm. Eine Anziehungskraft, die sie körperlich spüren konnte. Die sie hier her geführt hatte. Mitten in der Nacht. Die sie verharren ließ. Entgegen aller Schicklichkeit und Regeln. Entgegen jeder Vernunft. Link rutschte in sich zusammen. Ließ sich auf die Ellenbogen sinken und legte dann den Kopf wieder auf die Kissen. Glitt hinüber in den Schlaf. Zelda rührte sich nicht. Lauschte seinem tiefer werdendem Atem. Spürte ihrem innerlichen Beben nach. Fühlte sich wagemutig, leichtsinnig, benommen. Und unglaublich lebendig. Ihr ganzer Körper prickelte vor Erwartung. Von einer unbestimmten Sehnsucht in Brand gesetzt, die sie vollkommen kopflos werden ließ.   Sie konnte sich nur fassungslos zusehen, wie sie einen weiteren Schritt machte. Und dann noch einen. Leise. Langsam. Darauf bedacht, ihn nicht zu wecken. Ihn nicht zu stören. Vielleicht auch, nicht dabei ertappt zu werden, wie sie sich so absolut töricht verhielt. Ihre Augen hatten sich restlos an die Dunkelheit gewöhnt. Sie konnte Links liegende Gestalt erkennen. Seine leicht verdrehte Haltung. Er schlief auf dem Rücken, der Kopf leicht zur Seite geneigt, beinahe vom Kissen hinunter gerutscht. Einige Haarsträhnen fielen ihm über Stirn und Nase. Schwebten mit jedem Atemzug leicht auf und nieder. Sie mussten ihn kitzeln.   Zelda befeuchtete sich nervös die Lippen. Irgendetwas Verrücktes hatte Besitz von ihr ergriffen. Eine tollkühne, wahnwitzige Zelda, die keinerlei Gefühl für Anstand, für richtig und für falsch besaß. Diese Zelda war es, die die Hand ausstreckte. Langsam. Vorsichtig. Zielstrebig. Alles schien auf diesen Moment hinauszulaufen. Der Moment, an dem sie ihn berührte. Seine Haut, seine Wärme wieder unter ihren Fingerspitzen spüren würde. Hier in der Zurückgezogenheit dieser kleinen Kammer, mitten in der Nacht. Unbeobachtet. Anonym. Es war diese neue Zelda, die das Haar sanft von seinem Gesicht strich. Doch es war die alte Zelda, die von einer gestaltlosen Zärtlichkeit erfüllt wurde. Von einem Gefühl alles durchdringender Richtigkeit. Zuhause. Und es war die alte Zelda, die erschrocken zusammenfuhr, als ihr Handgelenk in einem urplötzlichen, starken Griff umklammert wurde. Es entfuhr ihr ein gebrochener Schrei. Ein erschrockenes Keuchen. Dann brach eine Welle ertappter Scham über ihr herein und eine vollkommen andere Hitze überflutete ihr Wangen und Kopf. Kroch ihren Hals hinunter. Unwillkürlich versuchte sie ihre Hand zurückzuziehen, doch Link ließ nicht los. Blaue Augen, brillant in der Farbe und vollkommen klar, blickten zu ihr hinauf, nagelten sie fest. Nahmen sie in ihren Bann. Zelda hörte auf zu atmen. „Was“, begann Link, mit einer Stimme, die den Schlaf immer noch nicht abgeschüttelt hatte, aber in einem Ton absoluter Geistesschärfe, „tust du hier?!“ Instinktiv versuchte sie sich zu befreien, aber Links Hand schloss sich ebenso reaktiv nur noch fest um die zarte Haut ihres Unterarms. „Ich-“ Stocksteif stand sie da, sich auf einmal der gesamten Tragweite ihrer Anwesenheit hier bewusst. Was musste Link nur von ihr denken? Oh, bei der Göttin. Kein Wunder, dass Nayrus Segen ihr verwehrt blieb. Wo blieb nur die Weisheit ihrer Ahnen?   Unwillkürlich zog sie wieder an ihrem Arm. „I-ich wollte dich nicht wecken“, hauchte sie mit zittriger Stimme. Schluckte. Starrte ihn wie gebannt an. Ein langes Seufzen entfloh Links Brust und der Griff um ihr Handgelenk lockerte sich ein wenig. Er schloss die Augen, öffnete sie kurz danach wieder. Ein lang gezogenes Blinzeln, das Zelda erst verdeutlichte, dass sie sich vollkommen bewegungslos angestarrt hatten. Ihr war, als würde ein Zauberbann gelüftet werden, ohne dessen Einfluss sie wieder atmen, wieder blinzeln konnte. „Ich konnte nicht schlafen“, gab sie zu. Biss sich auf die Oberlippe. „Ich habe mir Sorgen gemacht“, flüsterte sie. „Um dich“, fügte sie unnötigerweise hinzu. „Um das da.“ Sie deutete mit der freien Hand auf Links Wange, auf der der Schnitt sich bereits verkrustet hatte und somit völlig unnötig Inhalt ihrer Sorge war. Link bedachte sie mit einem nachdenklichen Blick, dann ließ er ihr Handgelenk los. Für einen Moment schwebte ihre Hand in der Luft. Vermisste das Gefühl von seinen Fingern auf ihrer Haut. Dann ließ sie sie langsam sinken. „Mir geht es gut“, murmelte Link und setzte sich auf. Er rollte vorsichtig mit den Schultern. Dehnte das Gewebe zwischen Hals und Gelenk und strich sich dann mit den Handflächen über die Augen. Er wirkte müde. Eine Aura tiefer Erschöpfung schien ihn zu umgehen und augenblicklich fühlte Zelda sich schuldig. „Es tut mir leid“, sagte sie leise, mit betroffener Stimme. „Ich hätte nicht her kommen sollen. Du brauchst Ruhe, ich ...“ Sie stockte. Nicht nur, weil sie nicht wusste, was sie sagen sollte. Sondern weil Link aufgesehen hatte. Ein Bein angezogen und den Ellenbogen darauf gestützt, blickte er unter schweren Lidern nach oben. Zelda wusste nicht, was an dem Anblick es war, aber in diesem Moment schien in ihrem Kopf irgendetwas einzurasten. Ein beinah körperlich fühlbares Schnappen durchfuhr sie, als ihr Verstand die niedergebrannte Brücke zu ihrem Herzen baute und auf einmal alles einen Sinn ergab. Die Erkenntnis strömte kalt und heiß durch sie hindurch, wie ein urplötzlicher Sommerregen und hinterließ ihre Knochen, ihre Seele durchnässt von Emotionen. In ihrem Bauch, ihrer Kehle, an der Rückseite ihrer Knie begann an dumpfer, schneller Puls zu schlagen.   Sie liebte ihn.   Sie liebte ihn.   Sie liebte Link. Nicht auf die Weise, auf die sie Urbosa liebte. Nicht so, wie sie Hyrule, wie sie ihren Vater liebte. Sie liebte ihn auf die Weise, wie eine Siebzehnjährige jemanden liebte, der ihr seit ungezählten Leben immer wieder begegnete. Und ihr zur Seite stand. Sie liebte ihn, wie einen Seelengefährten. Wie eine Frau einen Mann liebt. Tiefgehend, körperlich, herzzereißend.   Das war der Grund für all die wunderbaren, zittrigen, unsicheren Gefühle in seiner Gegenwart. Das war der Grund, aus dem sie in seiner Nähe brillierte, sich ganz fühlte. Geerdet und sicher. Sie liebte ihn.   Und es war einfach zu viel. Über der Erkenntnis brach sie in Tränen aus. Keine femininen, zarten Tropfen, sondern tiefkehlige Schluchzer, die sie am ganzen Körper schüttelten und irgendwoher zwischen den Teilchen zu kommen schienen, die sie zusammensetzten. Das wundervollste, erschütternste, fürchterlichste Gefühl war über sie gekommen und war dabei sie zu ertränken.   Vollkommen ohne etwas von der weltbewegenden Veränderung in ihrem Inneren zu ahnen, starrte Link sie an. Perplex. Überrascht von ihrem Gefühlsausbruch. Wie unfair es war, ihn auf diese Weise zu überrumpeln. Wo er doch seine Ruhe brauchte. Aber so sehr sie sich auch bemühte, sie konnte sich nicht bewegen. Konnte nichts tun, außer sich die Hände vor das Gesicht zu schlagen, um die Distorsionen ihrer weinenden Gesichtszüge zu verbergen. Die feuchte Hitze ihrer Tränen, die ihre Haut röteten und sie in eine bemitleidenswerte Version ihrer selbst verwandelte.   „Zelda ...“ Sie liebte es, wie er ihren Namen sagte. Hatte es vom ersten Mal an geliebt. Als wäre ihr Name ein Wort für so vieles Wunderbares. Aber vielleicht bildete sie sich das alles auch nur ein. Er klang besorgt. Zelda versuchte sich dazu zu zwingen, sich zu erklären. Irgendetwas zu sagen, das die Situation entschärfte. Irgendetwas, das sie hier raus bringen würde. Weg von all dem. Weg von der Erkenntnis. Weg von ihm. Damit sie ihre Gefühle sortieren und Schadensbekämpfung betreiben konnte. Denn eins war vollkommen klar. Nichts würde jemals geschehen. Vielleicht konnte sie sich gegen ihr Herz nicht wehren, aber sie würde nicht zu lassen, dass sie Link damit in Verlegenheit brachte.   Mit einem Schluckauf erhärtete sich ihr Entschluss. Gab ihr etwas Standfestigkeit zurück. Gerade rechtzeitig, bevor sie erneut in den Grundfesten erschüttert wurde. „Was ist los?“, ertönte Links Stimme. Sanft rumpelten seine Worte durch ihre Gehörgänge. Dann spürte sie seine Hände an ihren Armen. Ihr blieb genug Zeit, um erschrocken den Atem anzuhalten, dann fand sie sich in seinen Armen wieder. Ein ungelenker Versuch sich frei zuschlängeln folgte, der erfolglos an seiner Brust endete. Sanft drückte seine Hand ihren Kopf an die zarte Haut seiner Halsbeuge, während die andere beruhigend über ihre Wirbelsäule strich und das genaue Gegenteil damit erreichte. Sein Duft umfing sie. Männliche Haut, schlafgetränkt und warm. Eine herbe Süße, die sie ausschließlich mit Link in Verbindung brachte. Sie spürte die körperliche Stärke, die ihn erfüllte. Die Unnachgiebigkeit seines Fleisches. Die ruhige Selbstverständlichkeit seines Wesens. Wild trommelte ihr Herz den Wahnsinn der Situation durch ihr Blut. Ließ heiße Emotionen aufblubbern. Freude. Schock. Genuss. Pure Panik. All die Verbote, all die Ängste sollten sie erstarren, sich zurückziehen lassen. Stattdessen peitschte die tröstliche Umarmung all das an die Oberfläche, das seit ungezählter Zeit irgendwo tief in ihrer Seele angekettet geschlummert hatte. Mit einer Macht, die sämtliche Sicherungsmechanismen außer Kraft setzte. Das hier war einfach zu groß für sie. Und es forderte ihre bedingungslose Kapitulation.   Mit einer einzigen plötzlichen Bewegung schlang Zelda ihre Arme um seinen Oberkörper. Erwiderte die Umarmung mit einem Enthusiasmus, der Link überraschte und gegen den er sich in seinem schlaftrunkenen Zustand nicht wehren konnte. In einer ungeordneten Bewegung, etwas, das wenig mehr als ein koordinierter Fall rückwärts war, sanken sie auf das Bett zurück. Zelda hatte nicht einmal bemerkt, dass Link sich davon erhoben hatte, um sie in seine tröstende Umarmung zu ziehen. Für den Moment war es ihr egal. Es war ihr nicht einmal bewusst, dass Reue und Scham später für unsagbares Unwohlsein sorgen würden. Jetzt und hier, gefangen in der Neuartigkeit ihrer Erkenntnis um die Tragweite ihrer Gefühle, geborgen in der unbewusst ersehnten, verbotenen Berührung, konnte sie sich nicht dazu bringen, sich darum zu scheren. In einem kleinen Kampf versuchte sie, ihm noch näher zu kommen. Presste ihre Nase tiefer in die herrlich duftende Vertiefung seiner Halsbeuge. Krallte ihre Finger in das Fleisch seines Rückens. Krabbelte in seinen Schoß, wie ein kleines Kätzchen, das sich wohlig vor dem Kamin einrollt. Nur das nichts an diesem wahnhaften Versuch mehr Kontakt zwischen ihnen herzustellen derartig unschuldig war. Link erwiderte ihren wilden Angriff auf seinen körperlichen Freiraum mit beruhigender Geduld. Er murmelte sanften Unsinn an ihre Kopfhaut. Worte, die Zelda nicht verstand, deren Klang jedoch selbst über ihr anhaltendes Schluchzen ihre Wirkung nicht verfehlten. Mit langsamen Bewegungen strich er ihr über Rücken und Haar. Wehrte sich weder gegen die Nässe ihrer Tränen, noch die unangemessene Nähe, die sie ihm aufzwang. Sie nahm sich mehr, als er angeboten hatte. Doch mit derselben geduldigen Stärke, die Teil seiner Natur war, hielt er ihre verzweifelte Zuneigung aus. Ließ zu, dass sie sich an ihn klammerte, wie eine Ertrinkende.   „Was ist los?“, wiederholte er nach einer Weile. Nachdem Zelda sich ein wenig beruhigt hatte und die hicksenden Schluchzgeräusche ihrer tränenreichen Erkenntnis verhallt waren. „Was hast du?“ Immer und immer wieder strich Link ihr über das Haar. Glättete die wirren Strähnen an ihrem Hinterkopf, erlaubte ihr dadurch, ihren Kopf noch ein Weilchen länger an seine Schulter zu pressen. Sich dort versteckt zu halten, wie ein kleiner Vogel, der unter seinem eigenen Flügel Schutz suchte. Seine Stimme resonierte in seinem Brustkorb, vibrierte sanft durch das Gewebe, an das Zelda ihr Gesicht drückte. Erst langsam wurde ihr bewusst, wo sie sich befand. Was sie da eigentlich tat. Doch es schien nicht möglich, noch mehr aufgeregte Scham in ihrer Brust freizulassen. Noch mehr um sich schlagende Emotionen. Und so ließ es sie stattdessen ruhiger werden. Kehrte sich ins Gegenteil. Aufregung bekämpfte Aufregung. Ihre Atemzüge wurden ruhiger. Ihre Halt suchenden Finger weniger klammernd. Durch das stetige Entspannen ihrer Gliedmaßen bemerkte sie erst, wie fest sie sich ins Links Arme, seinen Rücken gekrallt hatte. Das alles sollte sie verlegen machen. Die körperliche Nähe. Ihr unkontrollierter emotionaler Ausbruch. Und die Ursache davon noch umso mehr. Sie sollte rot anlaufen, so wie sie es in letzter Zeit so häufig tat. Stammelnd um Verzeihung bitten und sich an den Kopf greifend zurück ziehen. Mit dem Wunsch Link nie wieder in die Augen sehen zu müssen.   Doch aus irgendeinem verrückten Grund geschah nichts davon. Stattdessen entspannte sie sich. Fühlte sich warm und weich. Von einer tiefen, durchdringenden Ruhe erfüllt. Was das der Nachhall ihrer Erkenntnis? Hatte das Eingeständnis ihrer verdrängten Gefühle für Link, ihr einen Zugang zu einem Reservoir unerschöpflichen inneren Friedens verschafft? Es war nicht einmal die körperliche Nähe. Auch wenn etwas in ihrem Inneren, etwas, das aus Rot und Wildheit und Hitze zu bestehen schien, durch den Kontakt zu schnurren begann, wie eine Katze vor dem Feuer. Es war das Zugeständnis an sie selbst. Eine Zugbrücke zu einem geheimen Ort in ihrem Herzen. Etwas, das dort seit Äonen verborgen lag, inmitten des Kerns ihrer Seele. Etwas, das befreit worden war. Etwas, das sie mit einer Kraft durchflutete, die sie beinahe schwindeln ließ.   Sie liebte Link. Und nichts würde jemals geschehen. Aber das löste keine Verzweiflung aus. Es löste nichts vom dem aus, was sie unbewusst gefürchtet und deswegen verdrängt hatte. Es war, als würde sie einen Teil ihrer selbst freilassen. Als das anerkennen, was es war. Und es verlieh ihr eine bis tief in die Knochen spürbare Ruhe. Langsam löste sie ihren Kopf aus der Beuge seines Halses. Hob das Kinn, um ihm in die Augen zu sehen. Links Hand fuhr ebenso langsam an ihrem Haar herab. Über ihren Hals, ihre nackte Schulter, ihren Arm. Blieb dort ruhen, sanft, kaum spürbar. Ihre Blicke trafen sich. Kristallblau. Vertraut. Mit der Klarheit von poliertem Glas. Und Abgründen in der tiefen Schwärze seiner Pupillen, in denen Zelda auf Ewig hätte verloren gehen können. Stumm saugte sie die Details seines Gesichts ein. Seines schönen, freundlichen Gesichts. Aus dem Sorge und Freundschaft sprach. Ergebenheit. Zelda zuckte nicht zurück, als er die Hand hob, um ihr einige feuchte Haarsträhnen aus der Stirn zu streichen. Verschwendete keinen überflüssigen Gedanken an ihr Aussehen. An Schicklichkeit. Sie wollte diesen Moment nie vergessen. Ihn mit festem Pinselstrich auf der Leinwand ihres Gedächtnisses aufmalen. Und das fertige Gemälde in das Foyer ihres Bewusstseins hängen. Als strahlendes Totem für ihren Geist. „Du brauchst keine Angst zu haben“, sagte Link. Selbst in der Stille der dunklen Kammer war seine Stimme kaum zu hören. Sein Flüstern hatte einen rauen Klang. Wie gern hätte Zelda die Augen geschlossen. Hätte seiner Stimme gelauscht. Den Emotionen darin. Hätte dem sanften Streicheln seines Handrückens auf ihrer Wange, ihrem Kinn, ihrem Hals nachgespürt. Doch das hätte sie um die Befriedigung gebracht, ihn anzusehen. Und nichts würde es je geben, das sie lieber täte. Nie würde sie müde werden, ihn anzusehen. Und die Zeichen standen schlecht, dass sie es je wieder aus solcher Nähe würde tun können. Fast hätte Zelda gelächelt. Angst ... Oh ja, sie hatte Angst. Es gab so vieles, vor dem sie sich fürchtete. Und es wäre besser, Link in dem Glauben zu lassen, dass Angst für ihre Tränen verantwortlich war. Heute ebenso wie am Morgen nach dem Angriff in der Akkala Festung.   Für einen Moment erlaubte sich Zelda, in der Fantasie zu schwelgen, die es ihr erlaubte, Link diese drei Worte zu sagen. Ich liebe dich. Nicht um eine Antwort zu erhalten. Das spielte dabei keine Rolle. Sondern um ihn in den weichen Schleier aus erleuchtender Zuneigung einzuhüllen. Um ihn mit ihrer Liebe zu umschmeicheln. Ihn wissen zu lassen, wie wichtig er auf dieser Welt war. Dass es jemanden gab, der ihn liebte. Aber natürlich wäre das nicht möglich. Die Welt, in der sie ihm von ihrer Erkenntnis erzählen konnte, ohne eine Katastrophe auszulösen, existierte nicht. Im besten Fall, würde sie ihn damit in Verlegenheit bringen. Im Schlimmsten würde sie ihn in Gefahr bringen. Oder ihn nie wieder sehen. Also zog Zelda fest an den Riemen, die die Traumbilder im Hier und Jetzt verankerten. Holte sie ein wie ein Segel, das im Wind flatterte. Verschloss sie in ihrem Herzen. Und schmiss den Schlüssel fort. Link hatte aufgehört, ihr beruhigend über das Gesicht zu streichen. Er betrachtete sie fragend. Immer noch sorgenvoll. Aber mit einer suchenden Qualität, die ihr deutlich zeigte, dass es an der Zeit war, das Tor dieser wunderbaren Nacht hinter dich zu schließen. Sie war als unwissendes, aufgewühltes Mädchen in das Zimmer geschlichen. Blind. Vollkommen blind. Und sie würde es gänzlich verändern wieder verlassen. Als eine Frau die liebte.   Das Lächeln, das sich auf ihr Gesicht schob, tat nur ein kleines Bisschen weh. „In Ordnung“, antwortete sie leise. Nickte zur Bestätigung. „Keine Angst“, wiederholte sie seine Worte. Dass ihre Mundwinkel einen tragischen Zug erhielten, tat ihrem kleinen Schauspiel keinen Abbruch. Auf ihn musste es tapfer wirken. Eine Prinzessin, die sich gegen die Angst wehrte. Link erwiderte ihr Lächeln mit einem kurzen Zucken seiner Lippen. Konnte sich selbst nicht ganz zu so einem ermutigenden Ausdruck durchringen. Zelda konnte sehen, dass er nicht ganz überzeugt war. Er wusste, dass sie etwas vor ihm verheimlichte. Nicht ganz ehrlich war. Doch er war niemand, der Geständnisse erzwang. Also ließ er sie selbst entscheiden, was sie vor ihm verbergen wollte. Auch wenn er nicht wusste was. Es nie erfahren würde. Um seinetwillen.   Langsam löste Zelda ihre Hände aus seinem nun zerknitterten Hemd. Erst jetzt fiel ihr auf, dass er nicht das blaue Reckengewand trug. Sondern das helle Untergewand, das er auch schon an der Quelle des Mutes getragen hatte. Das er immer trug, unter der blauen Tunika. Es war luftig gewebt, Leinen, oder Nessel und vom vielen Tragen und Waschen ausgeblichen. Er musste es lange besessen haben und mit einem Mal erfüllte sie es mit tiefer Befriedigung, dass er jeden Tag ein Kleidungsstück trug, mit dem sie ihn ausgestattet hatte. Als würde ein Teil von ihr Selbst bei ihm sein. Tag und Nacht. Ihn umschlingend. Ein letztes Mal strich sie ihm über die Schulter. Dann ließ sie ihre Arme sinken. Bewegte sich zurück. Ein wenig ungelenk löste sie sich von ihm. Seitwärts. Rückwärts. Bis sie neben ihm auf dem Bett saß, die Hände auf den Oberschenkeln gefaltet, ein Bein unter ihren Körper gefaltet. Es war seltsam, dass sie sich für ihren unbekleideten Zustand nicht schämte. Seit ihrer Zeit an der Quelle des Mutes, wo sie allein bei dem Gedanken, dass er sie in ihrem Unterkleid sehen könnte, geglüht hatte wie tausend Schleichwürmchen, waren kaum ein paar Wochen vergangen. Doch der Unterschied war gravierend. Es hätte ihr kaum weniger wichtig sein können, dass er ihre nackten Armen und Schenkel sah. Die Erhebungen ihrer Brüste unter dem zarten Stoff. . „Ich habe deine Tunika durchnässt“, stelle sie stattdessen leise fest. Ihre Augen flackerte zu Links Schulter. Auf der ihre Tränen deutlich sichtbare feuchte Flecken hinterlassen hatten. Er folgte ihrem Blick. Und schüttelte leicht den Kopf. „Das macht nichts.“ Zelda seufzte und neigte den Kopf. „Du bist viel zu nachgiebig, was mich betrifft“, schalt sie ihn sanft. Meinte es nicht ernst. Und dann wieder doch. Gedankenverloren hob sie die Hand und strich über den nassen Stoff. Als sie spürte, wie er sich unter ihren Fingern anspannte, zog sie ihren Arm zurück. Lächelte trotz seiner Reaktion. Verinnerlichte die unausgesprochene Regel. Wenn es um ihr Wohl ging, ihren Schutz, oder zu ihrem Trost, dann war Link bereit, die Grenzen zwischen ihnen zu überschreiten. Aber aus keinem anderen Grund. Er würde sie aus keinem anderen Grund berühren. Sie aber auch nicht offen zurückweisen, wenn sie es selbst tat.   „Erst deine unermessliche Toleranz meiner unfairen Bissigkeit dir gegenüber. Dann rettest du mich, trotz meiner Versuche dich loszuwerden.“ Lächelnd sah sie ihm in die Augen. Verfolgte das Schauspiel der winzigen Wechsel der Emotionen auf seinem Gesicht. Sah Erstaunen, Belustigung, Ungeduld. „Du wirst nicht einmal wütend, wenn ich nicht auf dich höre und dir hinterher laufe, anstatt in Deckung zu bleiben. Obwohl ich dich in Gefahr gebracht habe. Wenn ich Schuld daran bin, dass du verletzt wirst und Schmerzen hast.“ Ihr Blick flackerte zu dem deutlich sichtbaren Schnitt auf seiner Wange und Bedauern und Schuld verknoteten sich zu einem scheinbar unlösbaren Kloß in ihrem Magen. Sie schluckte. „Es macht dir nicht mal etwas aus, wenn ich in der einzigen Nacht, in der du Schlaf brauchst, in dein Zimmer platze und dich voll heule. Und dein Hemd ruiniere.“ Ihr Blick huschte wieder aufwärts, zu seinen Augen. Die sich merklich verdunkelt hatten. „Oh, ich war wütend.“ Seine Stimme war rauchige Seide. Gefährlich und dunkel. Zeldas Ohren begannen zu prickeln. „Aber nicht weil ich verletzt wurde, oder du meine Worte ignoriert hast.“ Es hielt inne. Atmete tief ein und langsam wieder aus. Dann hob sich der Schleier von seinem Gesicht und die Sturmeswolken aus seinen Augen verzogen sich. Vergingen mit dem Sternenlicht, das darin aufging. „Sondern weil du in Gefahr warst. Für einen kurzen Moment.“ Er sah kurz zu Boden. Strich sich mit beiden Händen über das Gesicht. „Das war der schlimmste Augenblick meines Lebens.“ Sein Blick koppelte sich wieder an ihren. Blonde Strähnen fielen ihm in die Stirn, als er sie von unten her ansah, durch halb geschlossene Lider. Dennoch sandte der Kontakt einen Strom durch Zeldas Körper. Die Bedeutung seiner Worte machte etwas mit ihren Zehen, ihren Fingern. Ein unbestimmtes, nach innen gerichtetes Empfinden. Als würden sie sich kribbelnd aufrollen. Sich instinktiv gegen die elektrisch anmutende Energie anspannen. Eine Welle nachträglicher Furcht durchrollte Zelda. Link hatte für einen Moment die Kontrolle verloren. Er hatte nicht gewusst, ob er sie würde schützen können. Es machte das Geschehen so viel realer, so viel schrecklicher. Und so viel wunderbarer.   Link war nicht unfehlbar. Auf eine abstrakte Weise war Zelda das bewusst gewesen. Aber nun verstand sie es. Nun wusste sie es. Auch er empfand Angst. Auch seine Fähigkeiten kannten ein Limit. Er war kein entrückter, unendlich machtvoller, unsterblicher Gotteskrieger. Er war Link. Ihr Link. Ein sterblicher Mann. Und sie hatte unbewusst das getan, was alle anderen auch taten. Ihn auf ein Podest gestellt. Auf dem er nicht stehen wollte. Auf dem sie ihn auch gar nicht stehen sehen wollte. Er sollte auf dem Boden stehen. Neben ihr.   „Du hast nichts gesagt“, erwiderte Zelda leise, dumpfes Erstaunen in der Stimme, ein Nachhall dessen, was er zwischen seinen Worten ausgedrückt hatte. Link nickte. „Ich wollte nicht, dass du dich schuldig fühlst.“ Er lächelte ein kleines Lächeln jungenhafter Entschuldigung. „Das tust du einfach zu gerne.“ Ein Aufblitzen weißer Zähne in der Dunkelheit. Viel zu selten rutschten Anzeichen seines Humors durch das hart antrainierte Schild, das er schützend vor seiner Heldenrolle trug. „Außerdem war ich am Ende einfach nur froh, dass dir nichts zugestoßen ist“, gestand er und hob die Schultern. Als wolle er die Erinnerung abschütteln.   Eine Pause entstand, in der keiner von ihnen etwas sagte. Den eigenen Gedanken nachhing. Dann gab sich Zelda einen Ruck. Versuchte das Dröhnen der Geschehnisse des Tages zu durchbrechen. „Was nur meine Theorie bestätigt“, sagte sie, um eine normale Stimme bemüht. „Du bist viel zu freigiebig mit deiner Vergebung. Zumindest was mich angeht.“ Sie lächelte selbstzufrieden. Link ließ ein kleines Schnauben vertönen. Eher ein belustigtes Ausatmen, als ein richtiges Lachen. Er bedachte sie mit einem amüsiert skeptischen Blick, widersprach ihr aber auch nicht.   „Wie dem auch sei“, begann er nachdrücklich und seine Miene wurde wieder ernster. „Egal was es ist, Prinzessin, ich werde da sein. Das hier“, er deutete auf seine feuchte Schulter, „ist kein Problem für mich.“ Er fixierte sie mit einem blauen Blick. „Zögere nicht, zu mir zu kommen, wenn du mich brauchst. Bitte.“   Es schien ihr eine seltsame Bitte. Vor allem da er sie mit solcher Beharrlichkeit aussprach. Eine Bitte, die eigentlich zu ihren Gunsten war. Doch in seinem Blick lag eine Kraft, die Zelda hypnotisiert nicken ließ. Ihr wortloses Versprechen entspannte ihn ein bisschen und er richtete sich wieder auf. Erst jetzt bemerkte Zelda, dass sie sich unwillkürlich zueinander geneigt hatten. Als hätten ihre Körper versucht, erneut den Kontakt herzustellen, den sie kurz zuvor geteilt hatten.   Zärtlich betrachtete sie Link. Strich sich eine Haarsträhne hinter das Ohr und lächelte. „Ich sollte dich jetzt schlafen lassen.“ Sie neigte den Kopf wie ein kleines Mädchen. „Endlich mal.“ Sie erhob sich. Hob eine Hand an ihre Brust. „Du siehst mich erst morgen wieder, versprochen.“ Link lächelte. „Gute Nacht, Zelda.“   Es war befriedigend für die Forscherin in ihr, nun endlich den Grund dafür zu kennen, dass ihr Name auf seinen Lippen ihr diese unermessliche Freude bereitete. Sie bewegte ihre Hand in einem kleinen Winken und drehte sich dann um. Verschwand aus der kleinen Kammer und nahm ihr vor Liebe überströmendes Herz mit sich.     *   An Schlaf war auch nach der Rückkehr in ihre eigene Kammer nicht zu denken. Viel zu wichtig war die Erkenntnis, viel zu aufwühlend das Geschehene. Also verbrachte Zelda den Rest der Nacht damit, die Decke anzustarren. Und nachzudenken. Ihr Herz zu fühlen, das sich schwer und voll anfühlte. Voll gesaugt mit Gefühl, bis zum Bersten gefüllt. Spürte der Neuartigkeit nach. Die rückblickend gar nicht so neu war. Nur bisher hatte sie nicht gewusst, was es war. Dieses Etwas, das irgendwie immer da gewesen war. Vorher beladen mit all den wütenden Blitzen, die ihr eigenes Versagen sie fühlen ließ. Dann die Dankbarkeit. Die Schuld. Dann die ersten zarten, verwirrten Schmetterlinge in ihrer Brust. Ihr flatterndes Herz. Sie hatte Link gegenüber von Anfang an stark empfunden. Nur dass sich die Gefühle in kurzer Zeit enorm gewandelt hatten. Und noch größer geworden waren. Größer als Zelda selbst. Zu groß für sie. Zu groß für ein Leben. Hatte sie auch in ihren vergangenen Inkarnationen so empfunden? Hatten all die Zeldas durch die Zeit dieses tiefe Glück gespürt, wenn sie den Helden sahen? Die Legenden berichteten nicht von solch einer Verbindung. Sie deuteten eine rein platonische Beziehung an, die einzig und allein für den Zweck entstand, Ganon zu bannen und zu versiegeln. Um Hyrule zu retten. Aber die Geschichten waren nie sehr detailreich. Zelda konnte sich schwer vorstellen, dass die seltsame Vertrautheit, die sie in Links Gegenwart spürte, nicht das Ergebnis unzähliger Begegnungen in verschiedenen Leben war. Etwas musste schon immer existiert haben. Eine Art Freundschaft zumindest. Link würde es wissen. Der Gedanke kam plötzlich. Ein Aufblitzen hinter ihrer Stirn. Und augenblicklich fühlte Zelda die bekannte schamhafte Hitze in sich aufsteigen. Sie würde ihn nie danach fragen können. Nicht ohne sich selbst zu verraten. Und sie hatte bereits beschlossen, dass sich diesen Teil von sich, nie offenbaren würde. Es hing einfach zu viel an ihrer Verbindung. Hyrules brauchte sie. Die Bewohner, das ganze Land brauchte sie. Sie beide. In ihrer immer wieder kehrenden Rolle als Prinzessin und Helden. Und so traurig, so bitter es auch war, es blieb inmitten alldem nicht viel Platz für Zelda und Link. Für Forscherin und Ritter.   Nein. Es war unmöglich Link nach den Bildern zu fragen, die das Bannschwert ihm zeigte.   Sie starrte weiter die Decke an. Zählte die Balken, aus der sie zusammengesetzt war. Und fing wieder von vorne an. Bis der Schleier der Dämmerung sich über die Welt draußen legte und das erste Licht des Tages durch die Fenster schickte. Sie erhob sich, noch bevor die Sonne wirklich aufgegangen war. Nutzte das Wasser, das ein Dienstmädchen am Abend zuvor auf die Zimmer gebracht hatte, für ihre Morgentoilette. Bürstete und flocht ihr Haar, versuchte sich die getrockneten Tränen von ihrem immer noch leicht geschwollenen Gesicht zu waschen.   Sie betrat das leere Zimmer zwischen den zwei Schlafkammern vor dem ersten Schrei der Hähne. Ihre Versuche im Kamin ein Feuer zu entfachen, mussten Link geweckt haben, denn obwohl sie sich bemühte leise zu sein, hörte sie ihn bald nebenan rumoren. Anders als erwartet fühlte Zelda sich nicht verlegen, ihm gegenüber zutreten, nachdem sie sich in der Nacht derartig schamlos verhalten hatte. Ein wenig aufgeregt vielleicht. Aber nicht auf die Art scheu, wie es ihr bereits häufig ergangen war. Es dauerte nicht lange und die Tür öffnete sich. Mit einem zerzaust aussehenden Link im Durchgang, der herzhaft gähnte. Er war für den Tag gekleidet, umgeben von einer Aura schläfriger Entspanntheit, die Zelda lächeln ließ. Ihr Herz machte bei seinem Anblick einen freudigen kleinen Sprung, sandte ein schmerzlich süßes Gefühl tiefer Zuneigung durch ihren Bauch. „Guten Morgen“, begrüßte sie ihn mit warmer Stimme. Link antwortete mit einem unartikulierten Grummeln, das sie amüsierte. Er wirkte auf beinahe niedliche Art mürrisch. Kein Wunder, da sie ihn die halbe Nacht wach gehalten hatte. „Ich versuche Feuer zu machen“, teilte sie ihm überflüssigerweise mit. Er belohnte sie mit einem sardonischen Blick. Worauf ihr ein kehliges Kichern entfuhr. Link zog die Stirn kraus. Nicht begeistert. „Es tut mir leid“, stieß Zelda lachend aus. „Aber du bist ein Morgenmuffel.“ Das Wort auszusprechen war alles, was es brauchte, um sie in einen voll ausgewachsenen Lachanfall ausbrechen zu lassen. Link besah sie erst mit einem ausdruckslosen Blick, dann verdrehte er dir Augen. Die Respektlosigkeit darin, war genug, um sie erneut vor Lachen schütteln zu lassen. Es war einfach so untypisch für ihn. So absolut gegenteilig zu seinem sonstigen Verhalten. Er bedeutete ihr aus dem Weg zu gehen und kniete sich selbst vor die glühenden Scheite des abgebrannten Feuers. Innerhalb weniger Augenblicke züngelten die ersten Flammen empor.   „Tut mir leid“, wiederholte Zelda, als sie sich ein wenig beruhigt hatte. „Es ist nur so überraschend. Du bist für gewöhnlich so …“, mit den Händen wedelnd suchte sie nach einem passenden Begriff. „Wach?!“, half Link ihr weiter. Mit einem sardonischen Blick über die Schulter. „Naja“, begann Zelda, legte überlegend den Kopf schief. „Ja.“ Sie lächelte, als er schnaubte. „Wie geht es dir?“, fragte sie ihn deutlich ernster. „Hast du Schmerzen?“ Link schüttelte den Kopf und erhob sich. Griff nach der Schüssel mit der restlichen grünen Heilmaske und strich erneut etwas davon über den verkrusteten Schnitt auf seiner Wange. „Nicht mal in den Gliedmaßen?“, hakte Zelda nach. „Ein gezerrter Muskel?“ Sie zog erstaunt die Augenbrauen in die Höhe, als er erneut den Kopf schüttelte. Er wirkte ein wenig grimmig, die Hälfte seines Gesichts mit grüner Schmiere bedeckt und die Stirn gerunzelt. Ein Verdacht ließ Zeldas Herz flackern. War ihm unangenehm, was in der Nacht vorgefallen war? Sie hatte sich so sehr darüber gewundert, dass sie der Begegnung mit ihm an diesem Morgen nicht schamhaft entgegen sah, dass sie nicht daran gedacht hatte, dass es ihm anders gehen könnte. Sie begann an ihrer Oberlippe zu kauen. „Hör zu“, begann sie zögerlich. Streckte unwillkürlich die Hand nach einer nah bei stehenden Stuhllehne aus. „Ich weiß auch nicht, was momentan los ist, ich denke … ich bin einfach-“ „Wenn das eine Entschuldigung werden soll“, fuhr Link ihr forsch ins Wort, „dann werde ich dich gleich hier unterbrechen.“ Unnachgiebig fixierten seine Augen sie. Blau schimmerndes Eis. Sengende Hitze. Seine unerschöpfliche Geduld für sie, schien an diesem Morgen aufgebraucht. „Sie ist nicht nötig.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, ging er in Richtung Tür. „Ich werde nach dem Frühstück rufen.“ Ein wenig perplex sah Zelda ihm hinterher. Blinzelte ohne Recht zu wissen, was sie denken, was sie fühlen sollte. Er ließ sie sonst nie alleine. Und diesen Ton kannte sie von ihm nicht. War er wirklich einfach nur müde? Erschöpft von der gestrigen Verausgabung, von der er keine rechte Erholung gehabt hatte? Die sie mit ihrer nächtlichen Ruhestörung verhindert hatte und für die er keine Entschuldigung wollte. Oder war das seine Art, Abstand zwischen sie zu bringen? Wusste er um ihre Gefühle für ihn und versuchte er, ihr auf subtile Weile zu verdeutlichen, dass sie sich keine Hoffnungen machen sollte?   Seltsamerweise schien ihr das nicht Links Art zu sein. Ganz davon abgesehen, dass sie ungefähr so weit davon entfernt war, sich Hoffnungen zu machen, wie man nur konnte. Mit einer Jahrtausende alten Verheerung zwischen ihnen. Zelda seufzte. Nicht genau zu wissen, was in ihm vorging, war verunsichernd. Entnervend. Aber sie kannte ihn inzwischen gut genug, um zu wissen, dass er ihr nicht die kalte Schulter zeigen würde. Selbst wenn ihm unangenehm sein sollte, was letzte Nacht vorgefallen war, dann wäre er bald darüber hinweg. Es erstaunte sie selbst, wie ruhig sie war. Sie sollte panisch im Kreis laufen und sich die Haare raufen. Sie war aufgewühlt. Deswegen hatte sie auch keinen Schlaf finden können. Aber die typischen Anfälle mädchenhafter Aufregung blieben aus. Ihre mittlerweile normale Reaktion auf Links Anwesenheit. Vielleicht hatte der Schock der Erkenntnis eine mildernde, betäubende Decke über ihr Nervensystem gelegt und all das würde später mit angestauter Kraft aus ihr hervorbrechen. Wie bei einem Staudamm, der der aufgehaltenen Flut nicht mehr Herr wurde.   Links Rückkehr unterbrach sie in ihren bedrückenden Zukunftsmalereien. Wie es schien, hatte er nicht lange nach jemandem suchen müssen. „Frühstück ist unterwegs“, sagte er, als er wieder hereinkam. Er schien deutlich zufriedener. Zeldas Mundwinkel zuckten. Vielleicht war er auch einfach nur hungrig. „Was?“, fragte er, als er ihre belustigte Miene bemerkte. Die Herausforderung in seiner Stimme brachte sie zum Lachen. „Nichts“, log sie und begann in ihrer Tasche zu kramen, um sich abzulenken. Aus dem Augenwinkel sah sie, dass er ihr einen zweifelnden Blick zu warf. Doch er schien es schnell aufzugeben und goss sich aus einer bereitstehenden Karaffe Wasser in einen Becher. Sie verbrachten die Zeit bis zum Eintreffen eines Dienstmädchens in einverständlichem Schweigen. Ein hübsches, dralles Ding schleppte ein gewaltiges Tablett mit Brot, gekochten Eiern und Pasteten. Link eilte, ganz der galante Ritter, sofort zu ihrer Hilfe. Nahm das schwere Tablett schon entgegen, bevor das Mädchen überhaupt durch die Tür getreten war. Allerdings vermutete Zelda, dass das weniger mit ritterlichen Tugenden zu tun hatte. Eher mit Appetit. Link bemerkte die schmachtenden Blicke, die das Mädchen ihm trotz der grünen Schmiererei auf seiner Wange zu warf, nicht einmal. Zelda konnte es dem Dienstmädchen nicht verdenken. Der Ausdruck auf Links Gesicht zeugte von solch tiefer Bewunderung, das wohl jeder Beobachter weiche Knie bekommen hätte. Auch wenn der Blick und seine ganze Aufmerksamkeit einzig und allein den gebrachten Speisen galt. Zelda presste die Lippen aufeinander, um ihre Belustigung nicht zu zeigen, sandte dem Dienstmädchen einen entschuldigenden Blick zu und bedankte sie bei ihr. Ihr Leibwächter war bereits dabei eine Pastete zu verschlingen. Wenngleich er seine Tischmanieren dabei nicht vergaß. Bei der Göttin, er krümelte nicht einmal. Sie selbst aß kaum etwas. Nur um kein Aufsehen zu erwecken, pellte sie ein Ei und knabberte an einer Scheibe geröstetem Brot. Den Rest überließ sie Link, dem es mit jedem Bissen besser zu gehen schien.   Seine Laune hatte sich merklich gehoben, als sie das Gasthaus wenig später verließen. Zelda meinte sogar ein kleines Pfeifen zu hören, als er die Pferde sattelte. Sie schüttelte den Kopf und lächelte den Boden an, während sie ihre Tasche und den Shiekah Stein an ihrem Gürtel richtete. Wahrscheinlich hatte sie sich vollkommen umsonst gesorgt.   Sie sprachen nicht viel, als sie den Berg hinunter ritten. Wechselten nur das vereinzelte Wort über Weges- und Pausenplanung und ab und an einen vertrauten Blick, der sie beide zum Lächeln brachte. Eine traumartige Wolke hüllte Zelda ein. Eigentlich sollte sie müde sein. Nach der Anstrengung des gestrigen Tages und der schlaflosen Nacht. Aber wahrscheinlich hielt eine gewisse Aufregung immer noch an. Es war seltsam, wie normal sie sich fühlte. Eigentlich sollte sie bei jeder Gelegenheit zusammenzucken. Immer dann, wenn ihr wieder einfiel, was sie in der Nacht begriffen hatte. Sie liebte Link. Doch es war so normal für sie. Ein Puzzlestück, das sich in seinen vorgesehenen Platz fügte. Gar nichts all zu Besonderes. Weil es schon lange da war. Nur das Wort dafür, die Bezeichnung hatte gefehlt. Und das war nur für ihren Kopf neu. Nicht so für den Rest von ihr. Unter der Erkenntnis entspannte sich Zelda ein wenig. Sie hatte keine Schreckmomente zu befürchten, in denen ihr die Bedeutung ihrer unangebrachten Gefühle ins Bewusstsein fahren würde, wie ein Splitter unter die Haut. Sie hatten lange entschieden von Norden her zum Schluss zurück zukehren, über die östliche Insel, die den Lustgarten beherbergte. Weswegen es Zelda überraschte, als Link gegen Mittag von der Straße nach rechts abbog und auf den Mietstall dort zuhielt.   „Was tust du?“, fragte sie verständlicherweise, als er kurz vor dem gemauerten Gebäude anhielt. Es war ein recht kleiner Stallkomplex mit angrenzendem Gasthaus, aber es herrschte nicht viel Betrieb. Ein Arbeiter fläzte faul in der Sonne und schirmte sich mit seiner Hand die Augen, um sie gegen das Licht besser erkennen zu können. Ein wenig unruhig suchte Zelda Links Blick. Wenn nicht unbedingt notwendig, zog sie nicht gern Aufmerksamkeit auf sich. In unmittelbarer Nähe des Schlosses war die Wahrscheinlichkeit, dass man sie erkannte und mit viel Pomp begrüßte, sehr hoch. Ihr Leibwächter schien sich darum allerdings keine Gedanken zu machen. Er schwang ein Bein über den Knauf seines Sattels und sprang zu Boden. Dann griff er nach Storms Zügeln. „Link!“ Erst jetzt drehte er den Kopf. Kniff die Augen zusammen, als er lächelnd zu ihr aufsah. Die Sonne stand direkt über ihnen und musste ihn fürchterlich blenden. „Du wolltest doch Krogs sehen, oder etwa nicht?“ Es dauerte einen kurzen Moment, bis Zelda begriff, was er gesagt hatte. „Krogs?“, sagte sie also, bevor sie verstand. „Oh“, machte sie und ihre Augen wurden groß. Sie hob den Kopf. Sah in die Ferne, zu dem dichten grünen Meer, das den Horizont auszumachen schien. Natürlich! „Der Wald der Krogs“, entfuhr es ihr mit hoher Stimme. Link erwiderte ihren begeisterten Blick grinsend und schnalzte mit der Zunge. Sofort setzte sich Storm in Bewegung. Ließ sich hinüber zum Stall führen, wo der Stallbetreiber seinen faulenzenden Arbeiter gerade eben mit einem Besen von seinem Ruheplatz scheuchte. Stumm sah Zelda zu Link hinunter. Betrachtete die behandschuhte Hand, die die ledernen Zügel locker umfasst hielten, seine Unterarmschützer. Unwillkürlich strich sie über Storms Hals.   „Es ist schon erstaunlich“, sagte Zelda gedankenverloren. „Wie viel mehr Spaß das Reiten macht, wenn das Pferd nicht aktiv versucht den Reiter abzuwerfen.“ Vor wenigen Wochen noch hatte sie sich gesträubt ihr Pferd vor Links wachsamen Augen zu reiten. Nun saß sie oben auf, während sie sich von ihm führen ließ. Link sah zu ihr auf, lächelte, wenn er auch nicht um die Gänze ihres Gedankengangs wissen konnte.   „Geduld und Liebe. Mehr braucht es gar nicht. So kann man jedes Pferd für sich gewinnen“, sagte er. „Nicht wahr, mein Schöner?“ Er kraulte den Hals ihres Pferdes. Seine Worte brauchten einen Moment, um durch den dicken Nebel hinter ihre Stirn zu dringen, der bei dem Wort Liebe aufgezogen war. Und so war sie für einen kurzen, halluzinogenen Augenblick davon überzeugt, dass er sie angesprochen hatte, nicht ihr Pferd. Mein Schöner … Glücklicherweise hatte Link seinen Blick nach vorne gerichtet und konnte nicht sehen, wie sie ihn anstarrte. Dann lichtete sich der Nebel. Und Erleichterung und Enttäuschung tanzten einen eng umschlungenen Tanz im Ballsaal ihres Herzens. Wie musste es sich anfühlen, wenn er sich entschloss, mit dieser warmen, sirupartigen Stimme Süßholz zu raspeln. Zelda hatte den Verdacht, dass die Welt dafür noch nicht bereit war. Wahrscheinlich würde kein einziges weibliches Wesen das überstehen. Aber wahrscheinlich war sie da auch etwas voreingenommen.   Schweigend ließ sie sich von ihm zum Stall führen. Wo sie ohne Zweifel ihre Pferde zurücklassen würden, bevor sie in den Wald hinein gingen. Zelda betrachtete Links blonden Hinterkopf, während sie darüber nachsann, wie viel Wahrheit doch in seinen Worten steckte. Geduld und Liebe. So konnte man jeden für sich gewinnen. Nicht nur Tiere. Auch sie war ein Ergebnis seiner Erfolgsformel. Und wie viel Geduld er für sie hatte aufbringen müssen. Vielleicht war es keine Liebe, keine solche, wie sie für ihn empfand, aber etwas Ähnliches, das ihn mit ihr verband. Da war sie sicher. Loyale Zuneigung, die zu empfinden in seiner Natur lag. Am Ende hatte es nicht mehr gebraucht, um sie für ihn einzunehmen. Aber Link zu mögen war nicht schwer. Eigentlich. Ihre eigene, ganz spezielle Situation hatte es ihr anfangs nur verboten das zu sehen. Er war einfach … nett. Auf eine ganz uneigennützige, unaufdringliche Art freundlich. Mit genau der richtigen Menge an Feuer, dass es nicht langweilig wurde. Erst dann kam all das andere. Sein Talent, seine Kraft. Sein Mut. Seine Loyalität. Sein Humor. Die Augen. Die Linie seines Kinns. Sein Haar. Diese Schultern. Es war Links eigener stiller Charme, der all das mit unsichtbaren Fäden zu dem schillernden Mosaik seines Seins zusammennähte. Und sie hatte das unfassbare Glück, ihn an ihrer Seite zu wissen. Ziel all dieser gebündelten Energie, dieser unbeugsamen Loyalität zu sein.   Link begrüßte den Stallbetreiber und seinen Helfer mit einem knappen Nicken. Winkte allerdings ab, als der Stallbursche näher kommen wollte, um das Pferd entgegen zu nehmen. „Nicht nötig“, teilte er dem Mann mit, einem behäbigen Hylianer mittleren Alters und silbrigen Schläfen. Das ließ sich der Stallarbeiter nicht zweimal sagen und trat zurück. Zelda sammelte die Zügel in ihrer linken Hand und schob beide Füße aus den Steigbügeln. Bevor Link auf die Idee kommen konnte, ihr beim Absteigen zu helfen, war sie schon aus dem Sattel geglitten. Selbstständig löste sie die Riemen und Gurte von Storms Sattel und dessen Geschirr. Als sie sich aufrichtete und einige lose gewordene Haarsträhnen aus dem Gesicht schob, bemerkte sie, dass Link sie anstarrte. Ein wenig befangen erwiderte sie seinen Blick. Hatte sie Dreck auf der Stirn? Er blinzelte und drehte den Kopf. Unterbrach den Blickkontakt und hinterließ Zelda nur noch verlegener. Sie fuhr sich mit dem Ärmel ihrer Tunika über das Gesicht. Betrachtete den Stoff. Kein Schmutz zu sehen. Sie holte Luft, um nachzufragen, als Link sie unterbrach. „Bist du fertig?“ Er deutete auf Storms Rücken. Zelda nickte. Trat einen Schritt zurück, damit er Sattel und Geschirr abnehmen konnte. Sah ihm nach, als er beides in den Stall hinein trug. Sie nutzte die Zeit um einen Apfel an Storm zu verfüttern, der den Leckerbissen dankbar annahm. Der Anblick stimmte sie so glücklich, dass sie vergaß, verlegen zu sein. Und wenn schon … dann hatte sie eben Dreck auf der Nase. Oder irgendwo sonst. Es war ja nicht so, dass sie für Link herausgeputzt sein musste. Er kannte sowieso schon all ihre Schlechtigkeit.   „Es ist noch ein kleines Stückchen bis zum Wald“, sagte Link, als er zurückkam, um seinen eigenen Sattel zu holen. Mit einem kleinen Ächzen hob er ihn vom Rücken seines Hengstes. „Kein Problem“, antwortete Zelda und rieb sich ihren rechten Arm. „Ich habe nichts gegen einen Spaziergang.“ Link schickte ihr ein kurzes Lächeln, dann verschwand er erneut, um seinen Sattel in sicheres Gewahrsam zu geben. Derweil griff Zelda nach den Zügeln beider Pferde und führte sie zum Stall, wo der Hylianer, der sich als Dobb vorstellte, sie entgegen nahm. Er schien sie nicht zu erkennen. „Wir werden gut auf sie achten, machen sie sich keine Sorgen, Mylady.“ Er schob sie seine Mütze in den Nacken und rieb sich die Stirn. „Gibt keinen besseren Stall in der Umgebung, echt wahr.“ Zelda lächelte unverbindlich und strich ein letztes Mal über Storms weiche Nase. „Bis später, sei ein braver Junge, ja?“ „Prachtvolles Tier, wenn ich mir das erlauben darf zu bemerken, Ma'am.“ Zelda warf Dobb bei der Bezeichnung einen etwas irritierten Blick zu. Sie wusste nicht, ob sie sich geschmeichelt oder beleidigt fühlen musste. „Ja“, antwortete sie, und weil es ihr etwas knapp und unhöflich vorkam, setzte sie hinterher: „Danke. Schätze ich.“ Sie runzelte die Stirn, während der ältere Mann die Pferde tiefer in das schattige Gebäude führte. Schritte hinter sich, ließen sie umdrehen. Link betrachtete sie fragend. „Was ist los?“ Sie deutete hinter sich, in die Richtung, in die Dobb verschwunden war. „Er hat mich Ma'am genannt.“ Einen Moment geschah gar nichts, außer dass Link sie schweigend ansah. Dann senkte er den Kopf. Ohne Zweifel in einem erfolglosen Versuch seine Belustigung zu verbergen. „Eine respektvolle Anrede, für eine respektable Dame“, antwortete er mit einem amüsierten Lächeln in der Stimme. Er deutete in Richtung des Weges, eine Aufforderung für sie sich in Bewegung zu setzen. „Für eine alte Dame“, entrüstete sich Zelda und begann zu laufen. Link folgte ihr. Ein Blick über die Schulter zeigte ihr, dass er grinste. „Schön, dass du das lustig findest.“ Verstimmt reckte sie das Kinn in die Höhe und stampfte voran. „Ich bin sicher, er hat damit nicht sagen wollen, dass du alt aussiehst“, ertönte Links Stimme von hinten. Immer noch deutlich amüsiert. Vielleicht noch mehr als vorher. „Ach ja?“, entgegnete sie und drehte sich zu ihm herum. Ging einige Schritte rückwärts. „Wie würdest du es finden, wenn man dich Sir nennen würde.“ Kaum waren die Worte aus ihrem Mund, erkannte sie ihren Fehler. „So werde ich genannt“, antwortete Link mit dem ruhigen Tonfall von jemandem, der mit einem Verrückten sprach. „Sogar von dir. Erst gestern hast du mich so genannt.“ Zelda verzog das Gesicht und drehte sich wieder um. „Wie auch immer“, erwiderte sie so herablassend, wie sie konnte. „Es ist mir sowieso egal.“ Hinter ihr lachte Link. Ein kurzes raues Klingeln, wie eine Glocke aus Zedernholz im Sturm. Das Geräusch besänftigte ihr ohnehin nur spaßeshalber entrüstetes Gemüt und sie ertappte sich dabei, wie sie lächelte. „Es ist immer gut zu wissen, dass Ihr zur Verteidigung meiner Ehre bereit stehen werdet, Sir Link.“ Mittlerweile waren sie in den schattigen Vorläufer des Waldes eingetreten, ein, wie sie wusste, von Bäumen umwachsener Pfad, der sie zum Eingang der verlorenen Wälder führen würde. „Komm schon“, erklang es hinter ihr. „Ich war nicht mal dabei. Wie hätte ich dich verteidigen können?“ Über die Schulter sandte sie ihm einen arroganten Blick zu. „Und wessen Fehler war das?“, erkundigte sie sich mit süßlicher Stimme. Sie sah gerade noch, wie Link eine ironische Verbeugung in ihre Richtung machte. Die subtile Eleganz der Bewegung verfehlte leider vollkommen ihren Zweck, nämlich zu irritieren. Stattdessen wurde Zeldas Mund für einen Moment staubtrocken. Es war eine Weile her, dass er sich vor ihr verbeugt hatte. Ein Fakt, der sie mit einer gewissen Zufriedenheit erfüllte. Es sprach dafür, dass das Podest auf das Link sie stellte, nicht mehr ganz so hoch war. Und keine ständigen Respektsbekundungen bedurfte. Stattdessen ging er so weit, ihr gegenüber seinen feinen sarkastischen Humor zu zeigen. Er vertraute ihr genug, diesen Teil seines Selbst zu offenbaren. Für Zelda fühlte es sich wie ein Geschenk an. Sie sah nach vorne, damit er die Sterne in ihren Augen nicht sehen konnte. „Verzeiht mir, holde Prinzessin“, sagte er hinter ihr, die Stimme voll gespielter Ergebenheit, „zukünftig werde ich nicht von Eurer Seite weichen. Damit kein Strolch Gelegenheit haben wird, Euch Ma'm zu schimpfen. Oder auf andere Art die Reife Eures Äußeren zu kommentieren.“ Zelda stockte der Atem. Dieser … Sie blieb stehen. Drehte sich mit zu Schlitzen verengten Augen zu Link um, der mit unschuldigem Blick näher kam. Als er ihre Höhe erreicht hatte, nutzte Zelda die Gelegenheit, um ihm mit dem Zeigefinger in den Oberarm zu piksen. So fest sie konnte. Lachend fing Link ihre Hand ein. „Was denn? Ist das alles? Mehr hast du nicht drauf?“ Es sollte sie schockieren. Aber die lockere Art, auf die er mit ihr umging, löste stattdessen tiefes Wohlbehagen in ihr aus. Sie musste ihre Lippen gegen das Grinsen verhärten, das sich mit gewaltiger Kraft auf ihrem Gesicht zeigen wollte. Er neckte sie. Stichelte, wie er es vielleicht mit einem Altersgenossen tun würde. Einem Freund. Einem Gleichgestellten. Es war wunderbar. Also tat sie das Nahestehende: Sie boxte ihm in die Seite. Hart. Links japste und machte eine blitzschnelle Drehbewegung. Packte sie am Arm und riss daran. Brachte sie aus dem Gleichgewicht. Ob es sich dabei um eine instinktive Reaktion handelte und eine vollkommen kontrollierte Strafe für ihren Bauchhieb, konnte Zelda nicht sagen. Sie wartete atemlos darauf, dass er sie an seinen Körper ziehen würde. Ihr den Arm auf den Rücken drehen würde, oder etwas Ähnliches. Um weitere kümmerliche Angriffe ihrerseits zu verhindern. Und vielleicht hatte er das auch vor, doch stattdessen ließ ihren Arm los und trat einen Schritt zurück. Besah sie für einen kurzen Moment mit einem wachsamen Blick, der nichts mit ihrem gespielten Angriff zu tun haben konnte, der kaum eine Gefahr für ihn dargestellt hatte. Zelda überging den unbeholfenen Moment, in dem sie sich schwungvoll das Haar über die Schulter warf und ihm ihren besten zukünftige-Königin-Blick zuwarf. „Du“, sagte sie mit Nachdruck, „bist ein schrecklicher Mann.“   Die plötzliche Zurückhaltung auf Links Gesicht löste sich langsam auf. Wurde von der vorher da gewesenen Belustigung abgelöst. Doch ein wenig Achtsamkeit lag immer noch in seinen Zügen, als er sich mit einem letzten Lächeln in ihre Richtung in Bewegung setzte. Zelda folgte ihm schweigend. Irgendetwas ging in ihm vor. Etwas, das am Tag zuvor nicht da gewesen war. Etwas, das folglich mit ihrem Ausbruch in der Nacht zu tun hatte. Sie hoffte, dass es einfach nur die unangebrachte Nähe war. Die unsichtbare und dennoch so fest verwurzelte Grenze zwischen Leibwächter und Prinzessin, die sie überschritten hatten. Nachdenklich folgte sie Link tiefer in den Wald hinein, überlegte, ob sie ihn zur Rede stellen, oder es einfach dabei belassen, die Zeit auf die Lösung dieser subtilen Anspannung ansetzen sollte.   Nach und nach wurden die Bäume dichter. Die Atmosphäre wurde stickiger. Bedrohlicher. Klebriger. Und Zelda vergaß, worüber sie sich Gedanken machte. Voller Staunen betrachtete sie das Dickicht fremder Pflanzen. Große, stämmige Bäume, deren gigantische Kronen ineinander wuchsen und ein Dach aus Zweigen schafften, die für die zunehmende Dunkelheit verantwortlich waren. Es herrschte ein kühler Wind, der die feuchte Luft, die neblig von der Erde aufsteigen ließ, in wirbelnden Schwaden zwischen den Stämmen umher trieb. Es war totenstill, bis auf das Geräusch ihrer Schritte auf dem Boden, gedämpft durch das hohe Gras. Keine Tiere waren zu hören. Unwillkürlich trat Zelda leichter auf, nicht gewillt zu wecken, was auch immer seinen Zauber über diesen Wald legte. „Was sind das für Bäume?“, fragte sie fasziniert und trat näher an einen heran. „So etwas habe ich nicht gesehen. Sie sehen aus, wie-“ Sie brach ab, als Link sie urplötzlich am Arm packte. „Pass auf“, sagte er mit ernster Stimme. Hielt sie davon ab, tiefer zwischen die Bäume zu treten, fort von dem ausgetretenen Pfad, auf dem sie sich befanden. „Wieso?“, entgegnete Zelda perplex. Für den Moment vergaß sie völlig, Links Berührung mit der typischen Reaktion zu begegnen: Herzklopfen und erhöhter Atemfrequenz. Anscheinend war die ihr unbekannte Baumspezies fesselnder als der beherzte Griff ihres Leibwächters. „Weil ein Tritt in die falsche Richtung hier ernste Konsequenzen hat.“ Als Zelda ihn fragend ansah, spezifizierte er: „Du verirrst dich und hast Glück, wenn du einen Weg aus dem Wald heraus findest, bevor du verhungerst.“ Die ehrlichen, unbeschönigten Worte dämpften ihren Enthusiasmus ein wenig. „Oh.“ Link nickte. „Ja. Also bleib in meiner Nähe.“ Zelda warf einen letzten Blick auf den Baum, den sie hatte näher betrachten wollen und folgte ihrem Leibwächter zögerlich. „Aber du kennst den Weg hindurch?“ Link antwortete nicht sofort. Er hantierte an seiner Tasche herum, bis er schließlich zwei Steine hervor gezogen hatte. Zelda zog die Augenbrauen zusammen. Was wollte er mit Steinen? Erst als er sich umsah und sich schließlich nach einem dicken Ast toten Holzes bückte, ergab sein Handeln Sinn. Als die Flamme die behelfsmäßige Fackel entzündet hatte, wandte Link ihr den Kopf zu. Nun wieder einen entspannteren Ausdruck auf dem Gesicht. „Ich kenne den Trick“, sagte er und nickte nach vorne. „Komm.“ Sie folgte ihm ohne viel Abstand. Genau genommen klebte sie förmlich an seinem Rücken, nicht gewillt ihn in dem immer dunkler werdenden Wald zu verlieren. Die Nebelschwaden schienen immer substanzieller zu werden. Griffen mit feuchten Fingern nach ihnen, verdichteten sich zu weißen Gestalten, um sich dann wieder aufzulösen. Nie wieder würde sie glauben, dass es leicht gewesen war, das Bannschwert aus dem Wald zu holen. Es war gruslig hier. Unglaublich gruslig. Kein Wunder, dass ihr Vater ihr einen Besuch hier immer verboten hatte. Ein Heulen ließ Zelda erschrocken zusammenfahren. Sie machte eine ruckartige Drehung, versuchte ihre Umgebung auf einmal auszuleuchten. Dabei stieß sie mit Link zusammen, dem sie mittlerweile schon im Nacken saß, so nah war sie zu ihm aufgerückt. „Was ist los?“ „Machst du Witze? Hast du das nicht gehört?“ Sie schluckte und drückte sich noch ein bisschen näher an Link. Nur zur Sicherheit. Sofort hob er den Arm und strich ihr beruhigend über die Schulter. Störte damit kurz ihre Nervosität und wandelte sie in einer Aufregung der ganz anderen Art. Er schien es nicht zu bemerken. Schien nicht mal zu bemerken, dass er sie berührte, so natürlich war der Drang sie zu beruhigen. „Was? Den Wolf?“ Zeldas Augen wurden groß. „Wolf?“, krächzte sie. Link erwiderte ihren Blick erst fragend, dann mit zunehmender Belustigung. „Ja, Wölfe. Du weißt schon. Sehen wie Hunde aus. Nur ein bisschen unordentlicher.“ „Ich weiß, was ein Wolf ist“, schnappte sie und presste die Lippen aufeinander. „Was machen sie hier?!“ Als er bemerkte, dass sie ernsthaft verängstigt war, verschwand der amüsierte Ausdruck von seinem Gesicht. „Ganz ruhig. Sie werden nicht kommen, so lange ich das hier habe.“ Kurz schwenkte er die Fackel in seiner Hand. „Und sollte die ausgehen, habe ich andere überzeugende Argumente.“ Immer noch strich seine Hand über ihren Rücken. Ihr Schulterblatt. Ihre Schulter. Dann zu ihrem Nacken. Natürlich. Wie dumm von ihr. Sie befand sich hier mit Link. Link. Dem keine Horde wilder Monster etwas antun konnte. Und sie fürchtete sich vor einem kleinen Wolf. Es musste die Atmosphäre dieses Waldes sein. Die grimmigen Gesichter der Bäume. Der Fakt, dass die Bäume hier überhaupt Gesichter hatten. Zelda räusperte sich. „Ja. Natürlich.Tut mir leid.“ Ein wenig beschämt machte sie einen Schritt. Dann noch einen. Rückte von Link ab, damit der ein wenig freier atmen konnte. Und damit er nicht noch mehr Spannung zwischen ihnen aufbaute, wenn ihm klar wurde, dass er sie schon wieder berührt hatte. Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Wirst du mir von dem Trick erzählen?“ Für einen Augenblick schien Link nicht zu wissen, wovon sie sprach. Dann folgte er ihrem Blick. „Oh. Ja.“ Er nickte zur Fackel. „Es ist ziemlich leicht. Man muss den Funken folgen. Siehst du?“ Er ging einige Schritte voraus, in die Richtung, in die die Funken vom Wind geblasen wurden. Zelda folgte ihm mit so viel Abstand, wie sie wagte. Es war nicht viel. Als er plötzlich stehen blieb, neben einem Baum, in dessen geöffnetem Stamm – er sah aus, wie ein brüllender Kinderschreck – einige Pilze wuchsen, wäre Zelda beinahe mit ihm zusammen gestoßen. Sie brauchte einen Moment um ihr Gleichgewicht wieder zu finden. Deswegen bemerkte sie erst nach einer Weile das Link sie erwartungsvoll ansah. „Was?“ „Die Funken. Siehst du?“ Sie sah tatsächlich. Die Funken hatten ihre Richtung geändert, ohne dass der Wind sich gedreht hatte. Sie warf Link einen erstaunten Blick zu. „Wie … das ist erstaunlich. Wie funktioniert das?“ Link zuckte mit den Schultern. „Ich hatte gehofft, dass du es mir sagen kannst. Du bist schließlich die Forscherin. Ich bin nur die ausführende Gewalt.“ Zelda sah ihn zweifelnd an. Gab dann aber schnell auf, ihn mit ihrem Blick tadeln zu wollen, um sich dem Rätsel der fliegenden Funken zu zuwenden.   „Vielleicht eine Art magnetische Anziehung?“, murmelte sie und starrte die Fackel an, als könnte sie ihr das Geheimnis mitteilen, wenn sie sie nur lange genug ansah. „Wir verstehen noch fast gar nichts über diese Kräfte“, erklärte sie Link. „Vielleicht ist etwas im Holz dieser Bäume, das, wenn es verbrannt wird, in Richtung des Herzens des Waldes gezogen wird, ganz gleich, ob der Wind in diese Richtung weht, oder nicht.“ Sie kaute überlegend am inneren Gewebe ihrer Wange. Unbefriedigt von dieser Idee. Wie kam es nur, dass sie so unglaublich wenig über die Geheimnisse der Welt wussten, in der sie lebten? Sie seufzte frustriert. „Ich sage dir, wenn ich Königin bin, werde ich dafür sorgen, dass alles Wissen für die Nachwelt katalogisiert und verwahrt wird.“ Sie schüttelte den Kopf. „Es ist so unfassbar frustrierend um jede kleine Erkenntnis kämpfen zu müssen. So lange im Dunkeln zu tappen, während die ganze Zeit über das Bewusstsein über dir schwebt, dass deine Vorfahren all das bereits wussten.“ Erneut seufzte sie. Dieses Mal traurig. „Was würde ich dafür geben, in der Zeit reisen zu können.“ Link bedachte sie daraufhin mit einem seltsamen Blick, sah jedoch schnell zu Boden. „Was?“, fragte Zelda dennoch. „Nichts“, entgegnete er. Zu schnell. Argwöhnisch kniff sie die Augen zusammen. Es war nicht nichts. So viel stand fest. Doch bevor sie weiter auf ihn eindringen konnte, deutete er mit der Fackel voran. „Gehen wir weiter.“   Also gingen sie weiter. Ab und zu blieb Link stehen, um ihren Weg zu kontrollieren. Es dauerte nicht lange und Zelda hatte jegliches Gefühl für Orientierung verloren. Vollkommen von seiner Führung abhängig, stolperte sie Link hinterher. Versuchte sich nicht zu albern zu gebären, auch wenn dieser Wald ihr wirklich eine Heidenangst einjagte. Schließlich gelangten sie zu einer Schlucht zwischen zwei verwitternd aussehenden Hügeln und Link wandte sich mit einem Lächeln zu ihr um. „Fast da.“ „Wie hast du dich nur hier her gefunden?“ Er zuckte mit den Schultern. „Du erinnerst dich, dass ich gesagt habe, wenn man den Weg nicht kennt, verirrt man sich sehr schnell?“ Zelda nickte. „Genau das ist mir passiert.“ Überrascht sah sie ihn an. „Du hast dich verirrt?“ In ihrer Vorstellung war Link so dermaßen effizient in allem was er tat, dass sie sich sehr anstrengen musste, um das Bild eines herumirrenden Links herauf zu beschwören. Er nickte. „Für ziemlich lange. Das mit der Fackel war reiner Zufall.“ Er schmunzelte. „Ich war halb wahnsinnig vor Hunger. Und verdammt wütend. Da versucht man die unmöglichsten Dinge.“ Zelda bedachte ihn mit einem langen Blick. Wann würde sie nur damit aufhören ihn für ein übermenschliches Wesen ohne Fehler zu halten? Wenn doch gerade die Blitzer der Normalität hinter der schillernden Heldenrolle ihn so viel liebenswerter machten. Link deutete ihren Blick falsch und lächelte ein wenig verlegen. „Tja. Ich wusste noch nicht all zu viel vom Reisen. Und hatte nicht sehr viele Vorräte dabei.“ Zelda nutzte die Vorlage, dankbar sich und ihren durchdringenden Blick nicht erklären zu müssen. „Und keine vergrößerten Taschen“, fügte sie hinzu, was er lachend bejahte.   Mittlerweile waren sie tief in die Schlucht vorgedrungen und Zelda bildete sich ein, Vogelgezwitscher zu hören. Während sie noch darüber nachdachte, dass es seltsam wäre, wenn nur im Herzen des Waldes Tiere lebten, löste sich die letzte Nebelschwade in Luft aus. Und keine Neue bildete sich. Die drückende Dunkelheit lichtete sich und mit einem Schlag standen sie vor einem freundlich wirkenden Wäldchen, mit farbenfrohen Blumen am Boden und allerlei Vögeln in den Wipfeln. „Na sieh sich das mal einer an“, entfuhr es Zelda. Link führte sie weiter zwischen die lichten Bäume, die ganz anderer Art waren, als die Gruselexemplare, durch die sie bis gerade eben gestolpert war.   „Zelda“, rief Link und drehte sich zu ihr um. „Da vorne.“ Sie sah in die Richtung, in die er deutete. Weiter nach vorne, in das Dickicht aus Büschen und großen, fremdartigen Blumen, die wie Laternen seitens des kaum erkennbaren Pfades wuchsen und sanftes, goldenes Licht versprühten. Erst sah Zelda gar nichts. Außer dem Wald und den fantastischen Gewächsen. Doch dann bewegte sich etwas anderes als Geäst zwischen den Blättern und ihr entfuhr ein begeisterter Laut. „Krogs“, quietschte sie. „Krogs!“ Voller Übermut griff sie Link an der Schulter, um sie enthusiastisch zu schütteln. „Bei der Göttin! Da vorne war ein Krog.“ Link betrachtete sie amüsiert. „Ja und mit deinem Gekreische hast du ihm Angst eingejagt.“ Zelda hörte auf die Umgebung nach weiteren kleinen Waldkreaturen abzusuchen. „Wirklich?“ Das wäre mal wieder typisch. Ihr Leibwächter schüttelte leicht den Kopf, schloss dabei kurz die Augen, wahrscheinlich um die Kraft zu sammeln, das Grinsen zu unterdrücken, das seine Mundwinkel zucken ließ. Als er sie wieder ansah, deutete er mit dem Kinn nach vorne, dorthin, wo der von Gras und Blumen überwachsene Pfad zu einer kleinen Lichtung führte. Kleine Insekten und Staubpartikel hüpften fröhlich durch die Luft, glitzerten in dem sanften Licht und verliehen dem Ort einen verträumten Zauber. Zelda hielt den Atem an, als sie zuerst einen, dann unzählige weitere Geschöpfe aus dem Gras, hinter den Büschen, im Geäst der Bäume auftauchen sah. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Link zur Lichtung deutete und sich dann in Bewegung setzte. Sie folgte ihm mit vor Staunen geöffnetem Mund, versuchte alle Geschöpfe gleichzeitig zu beobachten, drehte sich dabei um sich selbst, bis ihr schwindlig wurde. „He“, lachte Link leise und streckte die Hand aus, um sie nach einem stolpernden Schritt zu stabilisieren. „Die sind viel zu neugierig, um zu verschwinden. Pass lieber auf, wo du deine Füße hinsetzt.“ Schneller als sie reagieren konnte, hatte er seine Hand auch schon wieder fortgezogen. Er hatte sie kaum berührt, trotzdem reichte der plötzliche Reiz aus, um ein Gegengewicht zu dem reizenden Anblick der Waldgeister darzustellen. Zelda hörte auf sich den Kopf zu verdrehen, zumal die Krogs immer sofort verschwanden, wenn sie nahe genug an sie heran trat, um sie besser betrachten zu können. „Ich hätte nicht gedacht, dass es so viele von ihnen gibt“, hauchte Zelda, während sie Link zur Lichtung folgte. „Fürchten sie sich vor uns, sieht man sie deswegen nicht außerhalb des Waldes?“ Er warf ihr einen Blick über die Schulter zu. „Man findet sie schon außerhalb des Waldes, man muss nur wissen, wo man suchen muss.“ Das zog Zeldas Aufmerksamkeit auf sich. „Wo muss man suchen?“ Link lächelte. „Wenn ich dir das verrate, werde ich dich für den Rest meiner Tage auf Krogsuche begleiten dürfen.“ Zelda verzog das Gesicht. „So schlimm bin ich nicht“, verteidigte sie ihre neugierige Forscherseele. „Nein“, bestätigte Link und schüttelte leicht den Kopf. „Du bist ...“ Er schien nach Worten zu suchen. Sah kurz zu Boden. Als er den Kopf wieder hob, seufzte er kurz und lächelte. Auf Zelda wirkte es traurig. „Du bist nicht schlimm“, vervollständigte er den Satz. Zelda hatte das unbestimmte Gefühl, dass er eigentlich etwas anderes hatte sagen wollen. „Aber du hast recht“, nahm er das Thema wieder auf, „sie sind ein wenig schüchtern.“ Er rümpfte kurz die Nase und sah dabei so bezaubernd komisch aus, dass Zelda vergaß sich darüber Gedanken zu machen, was er gerade eben eigentlich hatte sagen wollen. „Wenn sie nicht damit beschäftigt sind, frech zu sein.“ Sie sah ihn fragend an. Link nickte. „Sie sind ziemlich frech.“ Er wirkte dabei so ernst, dass es sie zum Lachen brachte.   Mittlerweile waren sie bei der steinernen Plattform angekommen. Sie standen eingekesselt von mehreren gewaltigen Ästen, vor einem riesenhaften Baum, der das Zentrum des gesamten Waldes dazustellen schien. Seine blassrosa Blätter überschatteten die ganze Umgebung und Zelda meinte, in der verwitterten Rinde des Baumes Ähnlichkeit mit den gruseligen Gesichtern der Stämme in den verlorenen Wäldern erkennen zu können. Nur das dieses hier freundlich wirkte.   „Wo ist der Krog, der deine Taschen vergrößert hat?“, fragte Zelda und sah sich um. Link hob die Schultern. „Ich weiß es nicht. Das letzte Mal als ich hier war, stand er gleich dort drüben.“ Er reckte den Hals, um besser sehen zu können. Dann zuckte er erneut mit den Schultern. „Vielleicht ist er unterwegs?“ Enttäuscht verzog Zelda das Gesicht. „Aber da vorne“, Link deutete mitten auf die steinerne Plattform. Sie war von Alter zerrüttet und von Gras überwachsen, „hat das Schwert gesteckt.“ Sie konnte die Vertiefung im Stein sehen. Einen feinen Schlitz, der zu schmal schien, um die Klinge des Schwertes in sich aufzunehmen. Unwillkürlich warf sie einen Blick auf das Schwert auf Links Rücken. Verglich die Maße miteinander. Runzelte die Stirn. Doch bevor sie den Gedanken weiter verfolgen konnte, ertönte eine mächtige Stimme, die den ganzen Wald zu erfüllen schien. „Hohepriesterin Hyrules.“ Erschrocken erstarrte Zelda. Neben sich hörte sie Link dunkel glucksen.   Davon abgesehen, dass sie kaum jemand mit diesem Titel ansprach, überraschte sie sowohl die tiefe, laute Stimme des Sprechers als auch deren Quelle. Suchend sah Zelda auf. Drehte den Kopf, bis sie schließlich das Gesicht in dem Stamm sah, das ihr schon vorher aufgefallen war. Vorher war es ihr so mit der Rinde verschmolzen erschienen, dass sie nicht den offensichtlichen Zusammenhang erkannt hatte: der Deku-Baum. Mit geöffnetem Mund stand sie staunend vor dem gigantischen Baumwesen. Betrachtete den freundlichen Ausdruck auf seinem lebendigen Gesicht. Wurde ihrerseits einer Bestandsaufnahme unterzogen.   „Was für eine Freude es für meine alten Augen ist, dich wiederzusehen“, sagte der Baum. Zelda blinzelte. Bis ihr wieder einfiel, dass dieser magische Ort das Zeiten überbrückende Verbindungsglied der Geschichte ihrer eigenen Legende war. Der Held, das Schwert, die Prinzessin. Und der Deku-Baum. „H-hallo“, begrüßte sie die mythische Gestalt ehrfürchtig. Ihre Knie wurden ein wenig weich, als sie die Tragweite dieser Begegnung begriff. Der Baum kannte sie. Kannte sie wirklich. Nicht nur aus Geschichten, wie jenen, aus denen Zelda von ihm gehört hatte. Der Deku-Baum hatte sie in ihren vergangenen Leben gekannt. Wahrscheinlich nicht so gut wie Link, der er als Hüter über das Bannschwert, wohl jedes Mal gesehen hatte, wenn der Held erneut auszog, um es an sich zu nehmen. Doch er musste auch die Prinzessin gesehen haben. Die verschiedenen Gestalten, die sie eingenommen hatte, die verschiedenen Persönlichkeiten. Der Gedanke machte das mit einem Mal so viel realer. Auch sie kannte den Baum. Sie kannte das Schwert. Sie kannte Link. Sie konnte sich nur nicht daran erinnern. Ihr Blick flackerte zu ihrem Leibwächter hinüber, der sie nachdenklich betrachtete. Er wirkte beinahe vorsichtig. Als wäre er sich nicht mehr sicher, ob es eine gute Idee gewesen war, sie hier herzubringen. Zelda wusste nicht, ob es Fluch oder Segen war, dass sie nichts von ihren vergangenen Ichs wusste. Vielleicht hätten ihr die Erinnerungen helfen können, die Siegelkräfte zu erwecken. Gleichzeitig musste es belastend sein, zu seinen eigenen Gedanken und Gefühlen, auch noch die aus vergangenen Leben tragen zu müssen. Sie neidete Link diese weitere Bürde nicht. Wie schwer musste es sein, die eigene Persönlichkeit zwischen den Erinnerungen auszumachen. Und am Leben zu erhalten. Doch Link hatte gesagt, dass er nur Bilder sah. In seinen Träumen. Keine wirklichen Gedanken. Keine Stimme, die ihm Worte zuflüsterte. Nur vage Eindrücke. Zumindest hatte Zelda es so verstanden. Durfte sie es wagen, ihn danach zu fragen? Wenn es ihr schon beim darüber nachdenken verwirrend erschien, war es dann ihr Recht Link dazu zu bringen, darüber zu sprechen?   „Du scheinst bedrückt zu sein, Hohepriesterin“, dröhnte der große Baum gemächlich. Wäre seine Aussage nicht von so persönlicher Natur gewesen, hätte Zelda seine Stimme als angenehm empfunden. Vielleicht sogar gelächelt. Daran war allerdings nicht zu denken. Unschlüssig, was sie darauf antworten sollte, öffneten sich ihre Lippen in einem stockenden Atemzug. Blieben geöffnet. Stumm. Während sie ihn mit großen Augen anstarrte. Ein tiefes, sonores Lachen erklang, das einige Vögel vor Schreck in den Himmel aufsteigen ließ. „Es gibt kein Grund für dein Bangen, Hylia. Wie immer siehst du der Zukunft mit zu viel Unsicherheit entgegen.“   Zelda wechselte einen schnellen Blick mit Link, zumindest versuchte sie es. Ihr Leibwächter starrte zu Boden. . Also sah Zelda wieder zum Deku-Baum, der sie geduldig fixierte. Konnte es sein, dass er gar nicht wusste, wer sie war? Dass er sie verwechselte? Niemand hatte je den Fehler gemacht, sie für Hylia selbst zu halten. Der Gedanke allein bereitete Zelda Unbehagen. Sie konnte nicht einmal die Splitter des Vermächtsnis' der Göttin in ihr erwecken. Wie konnte sie dann jemand mit deren Namen ansprechen? „Ich-ich bin nicht ...“, wollte Zelda sich erklären, brach dann jedoch ab. Nicht gewillt den Namen der Göttin auszusprechen. Beschämt vor dieser mythischen Kreatur ihre Verbindung zu Hylia abstreiten zu müssen. „Oh, ich weiß, wer du bist, Zelda“, antwortete der Deku-Baum leichthin. „Wie geht es dir?“ Hatte Zelda noch geblinzelt, als sie ihren Namen gehört hatte, war sie von dem Themenwechsel nun vollends verwirrt. „Äh … gut“, sagte sie und spürte, dass ein wenig Röte in ihre Wangen kroch. Da stand sie nun. Hier, vor dem ehrwürdigsten Baum Hyrules. Dem wichtigsten Gewächs der Zeit. Und stammelte uneloquent herum. Und er hatte sie mit Hylia angesprochen. Es war zwar nicht ihr unwürdigster Moment, kam aber spielend in die nähere Auswahl. „Es freut mich, dass du mich besuchen kommst“, dröhnte der Deku-Baum mit seiner durchdringenden Stimme. Zelda zwang sich zu einem Lächeln. Wenn es auch ein wenig unsicher ausfiel. „Es ist lange her, dass ich dich mit dem Helden an deiner Seite sah.“ Link warf ihr einen Blick zu, den Zelda mit einer schnellen Kopfdrehung erwiderte, dann jedoch wieder abrupt nach vorne sah. Wie oft hatte sie schon so vor diesem Baum gestanden? In einem anderen Leben, in einem Land, das von der Göttin und der Zeit anders geformt war. „E-er weicht kaum von meiner Seite“, antwortete Zelda, einfach, weil ihr nichts Besseres einfiel. Beinahe sofort biss sie sich auf die Lippe. So was Blödes. Was plapperte sie nur für einen Unsinn? Sie klang wie ein scheues, kleines Mädchen. Nicht wie die Prinzessin Hyrules. Nicht wie die Fleischwerdung einer Göttin. Neben ihr spürte sie, wie Link sein Gewicht verlagerte. Himmel, wahrscheinlich war ihr Gestammel sogar ihm unangenehm. „Ich danke dir, dass du in unserer Abwesenheit über das Schwert gewacht hast, großer Deku-Baum.“ Für ihre eigenen Ohren klang es zwar äußerst gestelzt, aber immerhin hatte sie einen prächtigen Satz zustanden bekommen. Sie hoffte nur inständig, dass der Deku-Baum keine tieferen emotionalen Probleme mit dem Wort groß hatte. Der Baum schwieg, fuhr einfach fort damit, sie anzusehen. Aber Zelda hatte das unbestimmte Gefühl, dass er seine Krone etwas in ihre Richtung neigte. Ein Äquivalent einer angedeuteten Verbeugung? Ein Nicken? „Ihr solltet zurückkehren“, sagte der Baum nach einer längeren Pause. „Verliert keine Zeit mit dem Rühren in alten Zeiten. Blickt in die Zukunft. Mit Hoffnung.“ Zelda blinzelte. Konnte nicht umhin, sich ein kleines Bisschen getadelt zu fühlen. Es war ja nicht so, dass sie ziellos in der Welt herumirrten und sich mit diesem Ausflug die Zeit hatten vertreiben wollen. „ Lebt wohl.“ Bevor sie antworten und sich ebenfalls verabschieden, oder rechtfertigen konnte, hatte der Deku-Baum schon seine Augen geschlossen und sie in erstaunlicher Geschwindigkeit in einen Baum zurück verwandelt. Ihre Antwort blieb irgendwo zwischen Hals und Lippen stecken, Worte, die mit einem Ausatmen auf ihrer Zunge balancierten, kurz davor in den Abgrund des Nichts zu fallen. „Er ist fort“, murmelte Zelda ungläubig, nachdem sie ihren Atem wieder gefunden hatte. „Einfach weg.“ Link zuckte neben ihr mit den Schultern. „Wahrscheinlich hat er einen engen Zeitplan.“ Es dauerte einen Moment, bis Zelda den Kopf in seine Richtung drehte. Verstanden hatte, was er gesagt hatte. Fassungslos starrte sie ihn an. Unglücklicherweise wieder mit offen stehendem Mund. Er erwiderte ihren Blick schweigend. Unschuldig. Als könnte kein Wässerchen ihn trüben. „Zeitplan?“ Seine Mundwinkel zuckten. Ein Zeichen dafür, dass er wirklich gescherzt hatte. Zelda schüttelte leicht den Kopf. Allerdings fühlte sie sich ein wenig besser. Die Begegnung mit dem Jahrtausende alten Wesen hatte sie aufgewühlt. Mehr noch, als sie es je für möglich gehalten hatte. Seine Worte, seine so offenkundige Kenntnis ihrer vergangenen Lebensgeschichten. Sein Rat. Wie immer siehst du der Zukunft mit zu viel Unsicherheit entgegen. Blick mit Hoffnung in die Zukunft.   „Mir hat er beim ersten Mal gesagt, dass ich sterben würde, wenn ich das Schwert ziehe, ohne stark genug dafür zu sein“, offenbarte Link ihr mit beinahe komischer Nonchalance in der Stimme. Mit großen Augen sah Zelda ihn an. Wie oft schon hatte sie gehofft, etwas über dieses Rätsel zu erfahren? Darüber, was Link erlebt hatte, als er das Bannschwert an sich genommen hatte. Wie häufig hatte sie ihn im Stillen um die Einfachheit seiner Aufgabe beneidet. Und irgendwie dennoch vermutet, dass sie ihm damit Unrecht tat. Und es mitnichten so einfach gewesen war. „Sterben?“, hauchte sie. Sie verstand nicht, wie er mit solcher Leichtigkeit davon sprechen konnte. Link nickte. „Ohne mir zu sagen, wie ich vorher herausfinden konnte, ob ich die Prüfung bestehen würde.“ Er seufzte. Ein aufgesetztes Seufzen, das nur den Zweck hatte zu belustigen. Seine Worte in ein leichtes Licht zu stellen. „Eine echte Hilfestellung ist er, der Deku-Baum.“ Zelda entfuhr ein kleines Lachen. Mehr ein Krächzen, weil die Ironie in seiner Stimme sie so sehr schockte. Konnte der Deku-Baum ihn hören? Er musste sich seiner Umgebung bewusst sein, sonst hätte er nicht so schnell auf ihre Anwesenheit hier im Wald reagiert. Link schenkte ihr ein schnelles Lächeln. Schalk blitzte in seinen Augen, ein blauer Wirbelwind, der etwas mit ihren Knien anstellte. „Kann er dich hören?“, fragte sie flüsternd, worauf er mit den Schultern zuckte. „Er antwortet, wenn man ihn etwas fragt, also ...“ Wieder ein Schulterzucken. „Wahrscheinlich schon.“ Zelda spürte, wie ihr Gesicht sich zu einer betroffenen Miene verzog. „Oh weh“, entfuhr es ihr, allerdings konnte sie die unfreiwillige Belustigung nicht ganz aus ihrer Stimme verbannen. „Das war wirklich …“, sie holte tief Luft, versuchte, das schwere Gefühl sich unwürdig verhalten zu haben, abzuschütteln, „nicht mein glanzvollster Moment.“ Sie verzog die Lippen. Hob die Schultern in einer hilflosen Geste. „Aber ich war nicht darauf vorbereitet. Ich wusste ja nicht, dass er mit mir reden würde.“ Zelda schüttelte den Kopf. Dann suchte sie Links Blick. „Er hat mich einfach wieder weg geschickt.“ Ein wenig fassungslos sah sie ihn an, während seine Lippen sich zu diesem beinahe-Lächeln verzogen. „Als hätte ich hier nichts zu suchen.“ Sollte der Deku-Baum sie doch hören. Ihr Leibwächter betrachtete sie belustigt. „Brauchst du einen Moment?“, fragte er mit spielerischer Sorge in der Stimme. Sein unbeeindruckter Spott ließ sie sich ein bisschen besser fühlen. Vielleicht sollte sie auf Links Urteil vertrauen. Für gewöhnlich besaß er einen recht scharfen Instinkt für derlei Angelegenheiten. Wenn er es nicht als besorgniserregend empfand, dass der Deku-Baum ihnen gerade auf höflichste Weise mitgeteilt hatte, dass sie hier nichts zu suchen hatten, dann war es wohl nicht so schlimm, wie Zelda es einschätzte. „Nein“, sagte sie und schniefte ein wenig gedämpft. „Schon in Ordnung.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust und warf dem Deku-Baum einen herausfordernden Blick zu. „Ich sollte gehen und mich um wichtigere Angelegenheiten kümmern.“ Links Augenwinkel kräuselten sich amüsiert, dann nickte er feierlich. „Jedenfalls hast du einen Krog gesehen“, sagte er und trat von der steinernen Plattform herunter, auf die er sich irgendwann gestellt haben musste. „Ja“, murmelte Zelda und betrachtete das Triforce Symbol auf dem verwitterten Stein. „Und wer weiß, wofür es gut war.“ Kapitel 12: Kapitel 12 ---------------------- Sie erreichten das Schloss mit der untergehenden Sonne. Einer der Stallburschen nahm ihnen die Pferde ab, nachdem Zelda Storm ein letztes Mal über die weiche Nase gerieben hatte. Wie sonderbar, dass das es nur wenige Tage her sein sollte, dass er diese vertrauten Berührungen nicht einmal zugelassen hatte. Unwillkürlich warf sie Link einen Blick zu, der einige leise Worte mit dem Stallarbeiter wechselte. Er stand von ihr abgewandt, das Haar von dem schnellen Tempo ihres Ritts zerzaust, die Nase von der erbarmungslos strahlenden Sonne ein wenig gerötet. Sie hatten nicht viel sprechen können, da sie schnell geritten waren. Und selbst wenn sie für eine Pause das Tempo gedrosselt hatten, waren wenig Worte gefallen. Zelda war es ganz recht so, da es ihr die dringend benötigte Zeit gab, die Geschehnisse der letzten Tage zu ordnen. Der Fortschritt mit den Wächtern – die noch nicht im Schloss eingetroffen waren. Der Angriff der Yiga. Die Monster. Die Begegnung mit dem Deku-Baum. Ihre Gefühle. Ihr war klar geworden, dass sie ihrem Herzen ein wenig Raum geben musste. Zumindest für kurze Zeit. Doch dann musste sie damit aufhören, sich von ihren Gefühlen von ihrer Aufgabe ablenken zu lassen. Sie liebte Link. Ihren Leibwächter. Den Helden Hyrules. Und vor allen Dingen durfte sie sich nichts anmerken lassen. Die Gefahr, dass sie sich verriet. Dass sie etwas sagte, das ihr Innersten preisgab, sich verdächtig verhielt, war zum Greifen nah. Wie sollte sie sich kontrollieren, wenn sie nicht einmal wusste, wie tief das alles ging?   „Ich werde mich auf direktem Weg zu meinen Gemächern begeben. Und beten“, teilte sie Link mit, als der Stallbursche ihre Pferde in den matt beleuchteten Stall geführt hatte. Sie war sich der distanzierten Förmlichkeit ihrer Worte und ihrer Stimme nur zu bewusst. Links Blick, der sie einer schnellen Bestandsaufnahme unterzog, die Weise wie seine Augenbrauen sich für einen winzigen Moment zusammen zogen, half nicht unbedingt, dass sie sich dabei besser fühlte. Aber es war notwendig. Nicht nur wegen ihres hüpfenden Herzens und der feinen Blitze aus Wärme und Freude, die sie durchzuckten. Bei der Göttin. Es tat beinahe weh, ihn anzusehen. Sondern weil sie im Schloss angekommen waren. Zurück in ihrem wahren Leben. Prinzessin und Held. Nicht länger nur Zelda und Link. Er schien das zu verstehen. Zumindest nach einem ersten irritierten Moment, in dem er sie nachdenklich betrachtete und der Zelda einen hoffnungsvollen, naiven exquisiten Schmerz durch die Brust jagte – törichtes Mädchen, das sie war. Seine Miene erstarrte in ausdrucksloser Ernsthaftigkeit. Ganz der ergebene Leibwächter, ohne eigene Gedanken und Gefühle. Ein ausführendes, funktionierendes Werkzeug. Zelda musste sich auf die Lippe beißen, um den frustrierten Laut in ihrer Kehle hinunter zu ringen. Mit einem Nicken setzte Link sich in Bewegung. In Richtung ihres Turms. Zelda folgte ihm mit einem unartikulierten Seufzen in der Brust.   *   Die Tage die folgten waren leer und anstrengend. Gefüllt von Pflicht und einem erdrückenden, schweren Gefühl, das Zelda nicht ganz beschreiben konnte. Bis sie irgendwann verstand, was es war: Melancholie. Sie begann, sich nach dem Leben auf Hyrules Straßen zu sehnen. Gern hätte sie sogar im Freien geschlafen. Wenn sie nur den wertenden Blicken, den tuschelnden Stimmen, der immer schwerer drückenden Schuld hätte entkommen können. Gleichzeitig schien es ihr so selbstsüchtig, dieser Wunsch der Verantwortung den Rücken zu kehren. Dabei war doch klar, dass das nicht möglich war. Sie konnte nicht in der Welt herumlaufen, die Nase in ihrem Notizbuch vergraben und so tun als gäbe es die drohende Gefahr nicht, deren Lösung sie sein sollte. Zelda spürte die Last ihrer ausbleibenden Siegelkraft so akut wie nie zuvor. Und sie konterte auf die einzige ihr mögliche Weise. Indem sie sich mit Inbrunst in ihre spirituellen Übungen stürzte. Sie betete lang und innig. Öffnete noch die letzten Schranken ihres Geistes. Verbrachte unzählige Stunden auf dem Wehrgang ihres Turmes. Auf den Knien. Bei Tag vergrub sie sich in den alten Büchern. Brütete über Übersetzungen und Registern, versuchte Zusammenhänge zu erschließen und Rätsel um Rätsel zu lösen. Doch das Schloss, die Stadt, ihr Leben, schien seinen Reiz verloren zu haben. Sie lebte für die kleinen Lichtblicke des Tages. Ein Brief von Purah. Hoffte darauf die ersten Wagen mit Wächtern den Weg zum Schloss hinauffahren zu sehen. Doch der Transport fiel langsamer aus als gedacht und Robelo war immer noch nicht eingetroffen. Einer dieser Lichtblicke war ein Bericht von dem Nebenkoch, der ihr dabei half, eine bestimmte Sorte Sekret produzierender Kröten zu erforschen. Er hatte damit begonnen, eine nach Zeldas Rezept gebraute Tinktur aus eben jenen Kröten an Freiwillige zu verteilen – mit großem Erfolg. Wenn es auch wenig Freiwillige gab. Und sie lebte für die großen Lichtblicke. Den einen Lichtblick. Link. Am Fuße der Treppe, die zu ihrem Turm führte. Unter den Wehrgang. Über ihr, auf den Dächern. Wann immer sie versuchte einen Blick auf ihn zu erhaschen, war er da. Irgendwo. Wenn sie auch kaum mehr austauschten als das ein oder andere Lächeln und das vereinzelte Nicken. Er hielt Abstand. War eine stumme, unendlich tröstliche Präsenz. Zelda vermisste ihn schmerzlich. Es war ein Fenster in die Zukunft, die sie vielleicht oder vielleicht auch nicht erleben würden. Genau so würde es sein. Link, in ihrer Nähe, aber nie wirklich nah. Vielleicht würde es sogar gehen. Ein Leben mit ihm an ihrer Seite. Aber nie mit ihm. Respektvoller Abstand zwischen ihnen. Solange er nur da war, würde es gehen. Aber konnte sie ein solches Leben von ihm verlangen? Ihn dazu verdammen, allein zu sein, familienlos. Ein selbstloser, ergebener Schatten, der nur lebte, um Schild für Zeldas eigenes Leben zu sein. Nie würde er für sich leben. Es war nicht das erste Mal, dass Zelda daran dachte. Und es war erschreckend für sie, dass die Antwort darauf sich ihr immer noch entzog. Wie selbstsüchtig sie war. Das verdammte Klischee einer Prinzessin. Sie würde ihn gehen lassen, wenn er es so wollte. Aber es würde ihr nicht leicht fallen. Sollte das nicht anders sein? Sollte die Liebe nicht selbstlos machen? Nie hatte Zelda es mehr bedauert, dass es in ihrem Leben niemanden gab, dem sie diese Frage hätte stellen können.   Beinahe war sie froh über die drohende Verheerung. Die ungewisse Zukunft. Vielleicht würde sie den Tag, an dem sie Link gehen lassen musste, nie erleben. Es war kein tröstlicher Gedanke. Aber einer der erdete. Der dabei half, ihrem Tagewerk nachzugehen. Und sich nicht in eine wandelnde Säule aus Trübsal zu verwandeln. Tief versunken in ihrer Schwermut, bemerkte Zelda ihre nahende Hofdame erst, als diese direkt vor ihr stand. „Trübsinn steht Euch nicht, Prinzessin“, begrüßte Mina sie mit einer Verbeugung. Es war immer wieder erstaunlich, wie es der Hofdame gelang, beim Übertreten ihrer Grenzen so sehr höflich zu sein. „Er macht Euch alt.“ Das waren nicht unbedingt Worte die aufmunterten. „Danke, Mina“, antwortete Zelda und schluckte die ironische Bemerkung hinunter, die ihr auf der Zunge lag. „Der Direktor des Institus sendet Euch eine Nachricht.“ Das verbesserte Zeldas Laune schlagartig. Das königliche Institut vor den Toren der Stadt war ihr einer der liebsten Orte auf dieser Welt. Sie selbst war inoffizielle Mitwirkende der Einrichtung und der Direktor, ein stiller, warmherziger Gelehrter, Mentor und Freund in einem. Zelda lieferte ihm, wann immer sie konnte, neue Informationen. Ihre Forschungsergebnisse und Berichte über ihre neusten Übersetzungen antiker Texte. Anders als die Institute der Shiekah erforschte das königliche Institut allerdings nicht nur die alten Technologien. Gerade arbeitete man dort an einer Sammlung über die komplexe Tier- und Pflanzenwelt Hyrules. Zeldas Forschungen an den Eigenschaften bestimmter Tier- und Pflanzensekrete würde in diesem Werk enzyklopädischen Ausmaßes Niederschlag finden. Sie hatte ihren Vater monatelang bitten müssen, bis er es in Auftrag gegeben hatte. Am Ende hatte sie sich auf simples Betteln verlegt. Aber in den Annalen Hyrules brauchte es ein solches Buch. Es gab so viel, das sie nicht wussten. Nicht mehr wussten. Es gab Zelda ein klein wenig Befriedigung, dass sie wenigstens auf diesem Bereich einen Unterschied machen konnte. Jedoch war ihr Wirken dort ein Geheimnis, das sie gut hütete. Deswegen versuchte sie äußerst sorgfältig, einen Ausdruck milder Überraschung auf ihrem Gesicht erscheinen zu lassen. „Oh“, machte sie und tat desinteressiert. „In Ordnung. Bitte leg sie auf meinen Tisch. Ich werde sie mir später ansehen.“ Mina knickste und tat wie geheißen. Auf dem Weg zur Tür drehte sie sich noch einmal um. „Werdet Ihr in Eurem Zimmer speisen oder am Abendessen in der großen Halle teilnehmen, Prinzessin?“ Zelda lächelte entschuldigend. „Meine Gebete werden mich in meinem Turm halten. Ein kleines Mahl aus Nüssen und Früchten wird mir genügen, wenn die Göttin meine Aufmerksamkeit bindet.“ Mina nickte. Wenn sie spürte, dass Zelda ihre spirituellen Pflichten vorschob, um dem ungeliebten Ritual des höfischen Abendmahls entgehen zu können, so ließ sie keinen Verdacht verlauten. „Jawohl, Prinzessin.“ Nachdem sie die Tür leise hinter sich geschlossen hatte, wartete Zelda genau fünf Atemzüge. Dann stolperte sie beinahe über den Saum ihrer Robe, als sie versuchte so schnell wie möglich den verheißungsvollen Umschlag auf dem Tisch zu erreichen. Die Nachricht darin erfüllte sie mit einem solchen Glücksgefühl, dass es Zelda vorkam, als würde ihre Brust – geschrumpft in der eingeengten Zeit im Schloss – nicht ausreichend groß sein, um dem Gefühl Platz zu geben. Heftig atmend las sie die Nachricht noch einmal. Dann noch mal. Der Direktor benötigte einige Bilder von den Pflanzenexemplaren, an deren Einträgen im Sammelwerk das Institut gerade arbeitete. Da er nur einen einzigen Zeichner beschäftigte, bat er sie, Gebrauch von der Bildfunktion des Shiekah Steins zu machen und sie ihm zur Verfügung zu stellen. Der Zeichner würde die Bilder dann abskizzieren können. Er selbst litt unter schlimmen Allergien, weswegen es ihm unmöglich war, die Wiesen Hyrules selbst zu untersuchen. Zelda fühlte sich beinahe schwindlig vor Erleichterung. Sie würde aus dem Schloss heraus kommen. Endlich! Und das Beste daran war, dass Link sie würde begleiten müssen.   *   Ihr Leibwächter konnte seine Erleichterung darüber aus dem Schloss heraus zu sein, kaum verbergen. Und bestand darauf, den langen Weg zum königlichen Institut zu nehmen. Um die Nordseite des Schlossgrabens herum. Da die Pferde den Auslauf brauchten. Zumindest war das seine Erklärung. Zelda genoss die frische Luft auf ihrem Gesicht viel zu sehr, um eine ironische Bemerkung zu machen. Nach einem langen Galopp, der ihr Lachen durch den Wind perlen ließ und ihr das Herz in der Brust lockerte, zügelten sie die Pferde zu einem gemächlicheren Tempo. Zelda seufzte zufrieden, währen sie den Duft von Blumen und blühenden Büschen einatmete. „Ich habe das vermisst“, sagte sie irgendwann und sah hinüber zu Link, der ihren Blick erwiderte. Sein Gesicht wirkte entspannt, die Strähnen seines blonden Haares flatterten in der sanften Brise und das Licht der Sonne verwandelte es in eine Masse aus zerwühltem, schimmerndem Gold. Während sie ihn stumm betrachtete, änderte sich sein Blick, der zufriedene Ausdruck entspannten Behagens wurde etwas Fragendes, Konzentriertes. Zelda bemühte sich um eine abwinkende Geste. „Die Luft, die Sonne. All das fühlt sich im Schloss anders an. Und das Reiten hat mir gefehlt. Ich hätte nie gedacht, dass ich das einmal sagen würde.“ Sie lächelte. Verschwieg, dass sie es fast noch mehr vermisst hatte, mit ihm allein zu sein. Mit ihm an der Seite das Land zu durchstreifen. Es überraschte sie, wie natürlich es sich anfühlte. Ruhig, vertraut. Nicht aufgewühlt und unsicher, so wie sie befürchtet hatte. Es schien, dass sie sich und ihr Herz ganz gut unter Kontrolle hatte. Sie gestattete sich einen mentalen Schulterklopfer. „Dann solltest du häufiger Reiten“, antwortete Link und Zelda zuckte kurz mit dem Kopf. Kein ganzes Nicken, eher eine zustimmende Bewegung, die gleichzeitig auf die Kompliziertheit der Aussage hinwies. „Ich fürchte das würde nicht sehr gut ankommen“, sagte sie bedauernd, lächelte aber weiterhin. „Habe ich das Recht auf Vergnügen, wenn meine Aufgabe unerfüllt bleibt?“ Sie hob die Schultern. „Nicht viele hätten dafür Verständnis, wenn ich mir eine Auszeit nehme, wenn es so Wichtiges zu erledigen gibt.“ Sie verschwieg, dass das hier bereits als Auszeit gelten würde, wenn irgendjemand von dem Ritt zum Institut wissen würde. Ihre Hofdamen waren der Überzeugung, Zelda würde der Ausgrabungsstätte einen Besuch abstatten. Was häufig lange genug dauerte. Link setzte zum Sprechen an – Zelda hörte es daran, wie er Luft einsog, aber sobald sie ihren Kopf zur Seite drehte, um ihn ansehen zu können, schien er es sich anders zu überlegen. Er schloss den Mund wieder. Presste kurz die Lippen aufeinander und wandte den Blick an. Sah nach vorne. Oh, das durfte doch nicht wahr sein! Ein paar Wochen im Schloss und schon war sein Vertrauen in sie verschwunden? Das würde sie nicht zulassen. „Was?“, fragte sie deswegen und Link war gezwungen, sie wieder anzusehen. Seine blauen Augen musterten sie eindringlich. Er blieb weiterhin stumm und Zelda musste in den kleinen mimischen Veränderungen lesen, was in ihm vorging. Wie zum Anfang ihrer Bekanntschaft. Und es war verflucht frustrierend. Sie ließ ein genervtes Geräusch vertönen. „Fang nicht wieder damit an!“, fuhr sie ihn an, doch in ihrer Stimme fehlte die Schärfe, die diese Aufforderung unverschämt gemacht hatte. „Rede mit mir! Ich weiß, dass du es willst.“ Sie versuchte sich in einem kleinen Lächeln, ein neckendes, wie sie hoffte. „Na los“, stichelte sie, bis Links Mundwinkel zuckten und er kaum wahrnehmbar den Kopf schüttelte. „Es ist nur“, begann er mit leiser Stimme, diesem vorsichtigen Tonfall, nicht weil er nicht wusste, was er sagen sollte, sondern weil er überrascht war, dass er es aussprach, „ich wünschte, es würde keine Rolle spielen, was die anderen denken.“ Ihre Blicke verhakten sich für einen kurzen Moment vollsten Verständnisses, ein Kontakt geladen mit prickelnder Elektrizität, so gelb und stachelnd wie im Bauch von Vah Naboris. Dann senkte Link den Kopf und die Verbindung riss ab. Hinterließ Zelda mit einem leeren Gefühl, einem kleinen Loch irgendwo in ihrer Magengegend. Während er wieder auf den Weg vor ihnen blickte, betrachtete Zelda schweigend ihren Sattelknauf. Oh, wie sehr wünschte sie das auch. Wie sehr die Gedanken der anderen ihre eigenen doch einschränkte. Sie katalogisierte, als schlecht und gut einschätzte, ihr Handeln und Fühlen beeinflusste. Nur dass Link die Bandbreite ihrer Frustration darüber unmöglich begreifen konnte. „Danke, Link“, sagte Zelda irgendwann leise. „Du bist ein guter Freund.“ Er hatte seine eigenen Kämpfe auszutragen. Eigene Fremderwartungen, die wie Gewitterwolken über ihm hingen. Aber Zelda hatte das Gefühl, dass er es sich in diesem Moment nicht für sich selbst wünschte. Sondern für sie. Und das machte ihn zu einem guten Freund. Nur dass er so viel mehr war als das.   *   Der Direktor des Instituts empfing sie in seinem Hauptlabor, wo er ihr ohne viel Umschweife eine Liste der Pflanzen überreichte, die er abbilden lassen wollte. Da es sich vor allem um seltene, teilweise gefährdete Pflanzenarten handelte, war es den Forschern unmöglich einige Exemplare aus der Natur zu entfernen, zu trocknen und später abzuzeichnen. So wie sie es mit den herkömmlichen Gattungen taten. Sie wechselten einige Worte und dann war Zelda mit Link im Schlepptau auch schon wieder auf dem Weg. Nach einer Weile stillen Reitens, schwang sie sich schließlich aus dem Sattel. Das Starren auf den Boden machte sie vom Pferderücken ganz schwindelig. Die weiten grünen Wiesen standen in voller Pracht. Das Summen der Insekten und ein blumiger, grasiger Duft erfüllte die warme Luft. Mittlerweile war die Sonne ein wenig höher geklettert und der Tag versprach heiß zu werden. Sie hörte hinter sich, dass Link ebenfalls abgestiegen war. Über ihre Schulter warf sie ihm ein Lächeln zu. „Das hier könnte ziemlich langweilig für dich werden“, warnte sie ihn und versuchte entschuldigend zu klingen. Link hatte Storms Zügel in die Hand genommen und führte ihn zusammen mit seinem Pferd hinter ihr her. Er erwiderte ihren Blick lächelnd, als könnte er sich nicht helfen. „Ich werde mich nicht langweilen“, sagte er mit sanfter Stimme und nickte in Richtung der Hügel. „Na los, geh spielen!“ Zelda spürte, wie ihr die altbekannte Röte beim rauen Klang seiner Worte ihren Hals hinauf kletterte. Schnell wandte sie den Blick ab. Versuchte seine Anwesenheit so gut es ging zu vergessen. Doch dann erweckte eine Echse, die sich auf einem Stein sonnte, ihre Aufmerksamkeit. „Oh“, entfuhr es ihr und sie ging in die Knie, um sich das Reptil genauer anzusehen. Die ausgefallene Musterung der Schuppen wies es als eine Art aus, die in der Ebene selten gesehen wurde. „Ich glaube, das ist eine-“ bevor Zelda es aussprechen konnte, war das Tier unter dem Stein verschwunden. Enttäuscht ließ sie sich ins Gras fallen. Und wurde augenblicklich von den wadenhohen Wildblumen verschlungen. Die kühle Feuchtigkeit des Morgens steckte noch im Boden des Pflanzenteppichs und kroch sofort in das Material ihrer Hose. Ein angenehmer Kontrast zum warmen Schein der Sonne am wolkenlosen Himmel. „Was ist?“, fragte Link hinter ihr. Zelda drehte sich nach ihm um. Er war näher gekommen, die Pferde einige Schritte hinter sich, neben einem großen Stein, deren Nasen im saftigen Grün vergraben. Ein guter Gedanke. Sie würden nur platt treten, was sie eigentlich bildlich festhalten sollte. „Was hast du gesehen?“ Er klang interessiert und Zelda musste an sich halten, um ihm nicht einen Vortrag über die verschiedenen Echsenarten Hyrules um die Ohren zu schlagen. „Hm“, machte sie abwinkend und schüttelte den Kopf, den Blick wieder auf den nun leeren Stein gerichtet. „Reptil. Ich habe mich zu schnell bewegt. Jetzt ist es weg.“ Ihre Enttäuschung musste sich auf ihrem Gesicht zeigen, denn Link klang amüsiert, als er ihr antwortete. „Wird sich erschreckt haben, der kleine Kerl.“ Zelda begegnete seinem Halblächeln mit einem säuerlichen Blick. „Mir sind die Fluchtmechanismen bestimmter Tierarten durchaus bekannt, Sir Link.“ Sie strich sich ihr Haar zurück über die Schulter. Beim Vorbeugen war es über ihren Nacken nach vorne gerutscht und kitzelte sie im Gesicht. Ein weiterer Kommentar wurde von der Entdeckung einer kleinen, blauen Blume abgelenkt. „Oh, sieh nur!“, entfuhr es ihr enthusiastisch. „Das ist eine der Pflanzen, von denen der Direktor ein Bild möchte.“ Ungeduldig löste Zelda den Shiekah Stein von ihrem Gürtel. Da keine Gefahr bestand, eine im Boden verankerte Blume mit hektischen Bewegungen zu verjagen, beugte Zelda sie nach vorne. Hinter sich hörte sie, dass Link sich ebenfalls ins Gras kniete. Die hohen Halme raschelten charakteristisch, als er näher kam, um zu sehen, worauf sie zeigte.   „Guck, hier!“ Aufgeregt deutete Zelda auf die Pflanze. Wie ausgesprochen glücklich, dass sie gleich hier, an ihrem ersten Suchort, eine der Blumen auf der Liste fand. Sie hob den Shiekah Stein hoch und fixierte das Bild der Pflanze. Auf der fertigen Abbildung entdeckte sie weitere Vertreter der Gattung. „Und hier, noch eine!“, rief sie und machte gleich noch ein Bild. Eine warme Welle des Glücks durchfuhr sie mit einem Schauer. Hier war sie in ihrem Element. In der Natur. In der freien Natur. Inmitten all der wilden Schönheit Hyrules, deren Wunder es zu ergründen galt. In ihrer Aufregung begann sie zu plappern, hoffend, dass sie dabei wenigstens einigermaßen akademisch klang und nicht wie ein kleines Mädchen, dem erlaubt wurde, einen Blumenkranz zu flechten. „Die Blumen von Hyrule sind nicht nur schön anzusehen ...“ Sie machte noch ein Bild. Freute sich über die zarte Farbe der Schmetterlinge, die sich mit Gusto über die prächtig blauen Blumen hermachten. „Sie werden auch als Farbstoffe oder Heilmittel verwendet.“ Einfach, weil sie sie so schön fand, hielt Zelda das Bild einer Gruppe hübscher weißer Blumen fest, die sich lieblich an das satte Grün schmiegten. Ihr ganzer Körper schien aufzuseufzen. Wie wunderbar es war, hier draußen zu sein. Zu etwas beizutragen, über das sie eine reale Kontrolle besaß. Noch einmal betätigte sie mit ihrem Finger den auslösenden Knopf auf dem Stein. Besah sich nachsinnend das entstandene Bild. Das Funkeln der Farben, das der Stein so detailgetreu, so wahrhaftig einfing. Der Widerschein der Sonne auf den zarten Blütenblättern. Für einen kurzen Augenblick wollte sie die Zeit anhalten. In genau diesem Moment leben. Für immer die frische Luft atmen, warm und duftend, die Symphonie der Natur in den Ohren. Dann zogen sich ohne ihr bewusstes Zutun ihre Augenbrauen zusammen, als sie das Bild auf dem Stein genauer betrachtete. Es entfuhr ein überraschter Laut. Die angenehm aufgeladene Euphorie perlte wie Regentropfen von ihr ab. Und ein ganz anderes Gefühl hüllte sie ein. Wunder. Betroffenheit. Süße Trauer. Langsam ließ sie den Shiekah Stein sinken. „Das hier“, hauchte sie und legte ihre Hände auf den Oberschenkeln an. Lehnte sich leicht nach vorne, „ist ein Prinzessinnen-Enzian.“ Wie hatte sie ihn nur übersehen können? Was, wenn sie aus Versehen auf ihn getreten wäre? „Die sind vom Aussterben bedroht“, sagte sie, voller Hingabe in der Stimme. Sie hatte nicht mal auf der Liste gestanden, die der Direktor ihr gegeben hatte. Wahrscheinlich, weil er ohnehin nicht damit rechnete, dass sie ein Exemplar finden würde. Vorsichtig beugte sich Zelda weiter nach vorne, setzte ihre Hände behutsam links und rechts der zarten Pflanze auf den Boden. Betrachtete das reine Weiß der Blüte, abgesetzt mit dem feinen Blauton, der der königlichen Farbe so ähnlich war, die sie selbst und Link hinter ihr trug. Dieses Exemplar besaß noch eine zweite Blüte, die aber noch geschlossen war, noch nicht bereit ihr Innerstes der Welt zu zeigen. „Man wollte sie retten“, hörte Zelda sich sagen, ohne dass sie sich hätte bremsen können. Die seltenen Spezies der Flora und Fauna Hyrules hatten sie schon immer besonders fasziniert. Aber niemals so sehr, wie der Prinzessinnen-Enzian. Vielleicht war es der Name, der ein vages Gefühl von Zugehörigkeit in ihr weckte. Oder die bestimmten Eigenschaften der Blume. Hinter sich hörte sie, wie Link näher kam. Sich ebenfalls vorbeugte und sich auf den Knien heran bewegte. „Und hat versucht, sie in Gewächshäusern zu züchten.“ Sie drehte sich halb zu ihm herum. Als er es bemerkte, nahm er seinen Blick kurz von der zarten kleinen Blume vor ihnen und sah ihr in die Augen. Seine Miene war unlesbar und für den Moment fehlte Zelda die Konzentration, um in den verborgenen Tiefen seines Gesichtes nach seiner Seele zu suchen. „Aber“, fuhr sie fort und streckte vorsichtig die Hand nach der Pflanze aus, „sie gedeihen nur in der Natur.“ Nicht gewillt das seltene Gewächs zu stören, berührte sie es nicht. Strich nur vorsichtig einen Fingerbreit von der Blüte entfernt durch die Luft. Krümmte ihre Finger um die Länge der Pflanze, als könnte sie so ihren Schutz um die gefährdete Spezies legen. Langsam zog sie ihre Hand zurück. Sie hatte lange nicht mehr an die Blume gedacht, mit der sie wegen ihres Namens auf seltsame Art verbunden war. Ein Gefühl, das irgendwo aus den Tiefen der Zeit zu stammen schien, durchfuhr sie sanft wie ein Windhauch. Dennoch spürte Zelda, wie ihre Innerstes darauf antwortete. Sich in den Klang einschwang und die Melodie aus Vergehen und Bestehen mitsang. Nicht nur den Namen hatte sie mit der Pflanze gemein. Auch sie hatte das Gefühl hinter Mauern nicht gedeihen zu können. Auch wenn ihre Mauern, ihre Gefangenschaft, ganz anderer Natur war.   Eine süße Schwermut senkte sich über ihre Glieder. Ließ sie sich schweigend aufrichten. „Diese Blume hier“, begann sie durch das Gefühl hindurch zu sprechen, ihre Hand fand wie allein zu ihrem Herzen, zu der Stelle, die auf exquisite Art schmerzte, „Vielleicht ist sie sogar die letzte ihrer Art.“ Langsam sah sie zu Boden. Hing einem Gedankenfetzen nach, der sich in einem Gespinst aufzulösen schien. „Vielleicht ...“, begann sie, ohne dass sie es recht bemerkte, während der Gedanke endgültig verschwand. In ihrem Geiste sah sie ihm hinterher. Fühlte die tiefe Resonanz, die die Pflanze mit ihr verband und starrte auf den bunten Teppich am Boden. Für einen Moment sah sie gar nichts. Dann fand sie langsam in die Welt zurück. Das fremde und gleichzeitig so bekannte Gefühl in ihrer Brust löste sie ein wenig, verlor die enge Klebrigkeit und wurde zu einem Nachhall vager Erinnerungen. Plötzlich riss eine Bewegung sie vollends aus ihren Gedanken. Mit einem überraschten Laut machte sie einen Satz nach vorne. Krabbelte auf allen Vieren, um das Gesehene nicht entwischen zu lassen. „He!“, rief sie, nun wieder von freudiger Euphorie erfasst. So schnell, wie konnte, streckte sie die Arme aus und umfing die flinke Amphibie mit ihren Händen. Begeistert drehte sie sich zu Link herum. „Guck mal hier!“ Auf ihren Knien, die Hände immer noch um das kühle, glitschige Tier gekrümmt, trippelte sie zurück in seine Richtung. Er besah sie mit einem leicht indignierten Gesichtsausdruck. Zelda konnte es ihm nicht verübeln. Ihr Gemütszustand war an diesem Tag so wechselhaft, wie das Wetter in der Gerudowüste. „Die sind schon lange als Delikatesse begehrt“, erklärte sie ihm mit freudiger Stimme. Ließ sich von seiner Miene nicht abbringen. Er beäugte ihre Hände mit vorsichtiger Skepsis. „Jetzt hat sich rausgestellt, dass sie Wirkstoffe enthalten, die die Leistungsfähigkeit erhöhen.“ Begeistert enthüllte sie ihren Preis mit ausgestreckten Armen. In ihren Händen saß eine phlegmatisch wirkende Spurtkröte, die genau diesen Moment nutzte, um wie auf Kommando zu quaken. Zelda strahlte Link an, dessen skeptischer Gesichtsausdruck sich kein bisschen verändert hatte. Seine ganze Miene schien zu sagen: Und?! „Ich erforsche gerade ihre Wirkung“, gestand sie ihm und hielt das Tier auf ihren Handflächen vor ihr Gesicht. Betrachtete seine gelben Augen, die sekretreichen Drüsen auf der Oberfläche seiner Haut. „Und ein paar Freiwillige im Schloss helfen mir dabei.“ Nun, es waren wirklich nur ein paar. Aber sobald es sich herumsprach, würden die Gewillten Schlange stehen, um sich die stärkende Tinktur verabreichen zu lassen. Ganz sicher! Aufgeregt bewegte sich Zelda sanft auf den Knien hüpfend auf und ab, die Kröte auf ihrer Hand quakend zum Mitwippen zwingend. „Aber jemand mit deinen außerordentlichen Fähigkeiten fehlt mir noch ...“, fügte sie hinzu, kurz ein wenig geschockt, dass sie ihm das ins Gesicht gesagt hatte. Gleichzeitig war es ja nun wirklich kein Geheimnis, dass Link außergewöhnlich war. Sie lächelte ein wenig verlegen und wandte den Blick ab. Dann sah sie wieder auf. Links Haltung war mit jedem ihrer Worte steifer geworden. Als wüsste er, worauf sie hinaus wollte. „So jemanden brauche ich noch als Versuchskaninchen!“ Würde die Tinktur bei ihm anders wirken? Oder würde sie vielleicht überhaupt nicht wirken, da seine körperlichen Parameter so überdurchschnittlich waren? Links Miene wurde zunehmend panischer. Ihn so perplex und abwehrend zu sehen, gleichzeitig darauf bedacht sich seinen Ekel nicht anmerken zu lassen, kitzelte das unbändige Verlangen in ihr empor, ihn ein wenig zu necken. Lachend streckte sie ihm die Hände mit der Kröte entgegen. „Na los!“, forderte sie ihn spaßeshalber auf, als würde sie von ihm verlangen, dass er die Kröte hier und jetzt verspeiste. Hüpfend und quakend. Der Gedanke entlockte ihr ein Kichern. „Iss schon!“, sagte sie und kam noch näher, die Hände immer noch ausgestreckt. Link tat sein Bestes, um der Kröte und ihr auszuweichen. Lehnte sich immer weiter nach hinten, während seine zur Seite gestreckten Arme versuchten das Gleichgewicht zu halten. Die Kröte quakte besonders laut und sprang hoch. Link begann mit den Armen zu rudern und stieß ein besonders abwehrendes Geräusch aus. Link, der immer so beherrscht und kontrolliert schien, verzog das Gesicht wie eine Zofe, die sich vor einer Maus fürchtete und Zeldas Herz schwoll an vor Zärtlichkeit. Sie lachte, während Link versuchte, vor ihr zurückzuweichen, ohne seinen geschulten Reflexen zur Verteidigung nachzugeben und sie körperlich abzuwehren. Etwas, das ihm erst gelang, und dann, als die Kröte zum Sprung ansetzte, nicht mehr. Er riss die Arme nach vorne, prallte mit der Handkante an Zeldas Handgelenk und drückte sie von sich. Allerdings geschah es dermaßen schwungvoll, dass sie das Gleichgewicht verlor, so wie sie auf den Knien balancierte, die Arme nach vorne ausgestreckt. Ungelenk fiel sie nach vorne. Sie war zu langsam, um sich mit den Händen abzustützen, da sie immer noch die Kröte hielt, die diesen Moment nutzte, um nach vorne zu springen. Auf Links Brust. Der sich mit einer seitlichen Rolle zu befreien versuchte. Sein Ellenbogen traf Zelda mitten in dem Versuch ihr Gleichgewicht wieder zu erlangen und entriss es ihr damit vollends. Einen Moment lang bestand die Welt aus Verwirrung. Gras und Schmetterlingen, Staub und Sonnenschein. Wärme. Dann kehrte Ruhe ein und Zelda sah sich mit der Situation konfrontiert. Link. Auf dem Rücken. Und sie auf ihm. Für einen Augenblick blieb die Zeit stehen. Es gab nur noch den trockenen Duft seiner Kleidung. Die Wärme seiner Haut und den daunigen Flaum winziger, blonder Bartstoppeln auf seinen Wangen. Ihr beider Atem vermischte sich. Traf sich irgendwo zwischen Traum und Realität und sickerte in Zeldas Geist wie beruhigende Medizin. Dann quakte die Kröte und durchbrach den Moment. Es war bestimmt nicht die angemessene Reaktion auf das Dilemma, aber Zelda begann zu lachen. Sie ordnete ihre Gliedmaßen und stützte sich nach oben, die Hände auf der Erde, nicht mehr auf Brustkorb und Schulter ihres Leibwächters. Ihr Lachen verklang und ein traumartiger Nebel begann sie einzuhüllen. Sanft und lieblich, ein Schleier, der das Licht goldener machte, die Farben der Blumen zarter und das Blau in Links Augen blauer. So, so, so viel blauer. Ein letztes feminines Glucksen perlte aus ihrer Kehle, dann verstummte Zelda. Ihre Finger brannten dort wo sie ihn berührt hatte. Ein feuriges Nachhallen, ein zittriger Puls, der ihre Arme hinauf resonierte. Sie sah hinab zu Link, der auf dem Rücken lag, mit Grashalmen im Haar und lächelte. Ein ehrliches, offenes Lächeln, einfach nur, weil sie gelacht hatte. Sein jungenhafter Charme blendete Zelda beinahe. Er war umwerfend. Und er lächelte nur ihretwegen. Irgendwo an der Schwelle über ihre Kapriolen zu lachen. Er schien kein Bisschen unangenehm berührt von ihrer plötzlichen Nähe. Ihren Händen, die nun neben seinem Brustkorb auf dem Boden gestützt waren, um ihr nach vorn gebeugtes Gewicht zu halten. Ein unsichtbares Band schien sie nach vorne zu ziehen. Ihm entgegen. Wo sie sich doch gerade aus genau dieser unmöglichen Position befreit hatte. Ihr stockte der Atem, als Link langsam die Hand hob. Mit derselben Vorsicht, mit der sie den Prinzessinnen-Enzian behandelt hatte, streckte er die Finger nach der schweren Masse ihres Haars aus, das durch das Gerangel über ihren Rücken nach vorn gefallen war. Irgendwo in ihrem Bauch begann ein kraftvoller Puls zu hämmern und brachte jeden körpereigenen Rhythmus aus dem Takt: Herzschlag, Atmung, Denken. Der traumartige Schleier wurde dichter, die Welt unwirklicher und gleichzeitig schien nichts ihr je so real gewesen zu sein. Sanft berührte Link ihr Haar. Strich durch das feine Blond, einige Nuancen heller als seines. In Zelda entstand der Wunsch es nebeneinander zu sehen. Ineinander. Ihre beiden Haarfarben. Ein Gemisch aus Gold und Licht, die Farbe von honigüberspültem Kupfer und blank poliertem Gold. „Man kann die Kröten nicht einfach essen“, murmelte er leise. Seine Stimme war Rauch und Melasse, kitzelte ihre Ohren und ließ kleiner Schauer über ihren Rücken rinnen. „Hm?“, machte Zelda ebenso leise. Ihre eigene Stimme klang meilenweit entfernt. Links Mundwinkel zuckten und langsam, oh so langsam, begann er ihr Haar über ihre Schulter zurück zu streifen. Erst ein Haarbündel. Dann das nächste. Die Berührung kletterte hinauf zu Zeldas Kopfhaut und löste dort exquisite Sensationen aus. Alles, was sie tun konnte, war sich zu zwingen, nicht zu schnurren. „Spurtkröten“, erklärte Link, da sie offensichtlich nicht verstanden hatte, wovon er sprach, „Man muss sie kochen, bevor sich der Effekt zeigt.“ Zelda blinzelte durch den Nebel aus Wärme und Zärtlichkeit. Kaum jemand berührte sie je. Und es war lange her, dass ihr jemand durch das Haar gestrichen hatte. Sie hatte vergessen, wie es sich anfühlte. „Du willst immer alles kochen.“ Zelda erkannte die heisere, kehlige Stimme kaum als ihre eigene. Links Schultern zuckten kurz, als er ein Lachen unterdrückte. Seine Augen waren blaue Seen flüssiger Wärme. Sie hätte sich endlos darin verlieren können. Fasziniert von dem Kontrast seiner dunklen Wimpern und der hellen Augenbrauen, starrte sie ihn an. Konnte nicht anders, während seine Hände immer noch behutsam daran arbeiteten, ihr Haar über ihre Schulter auf ihren Rücken zu legen. Wann immer sein Handrücken oder seine Finger sie dabei berührten, breitete sich der tiefe Genuss weiter in ihrem Körper aus. „Also wirst du mir nicht helfen?“, fragte sie immer noch mit dieser kehligen Stimme, die nicht ihre eigene war. Zelda räusperte sich ungeschickt. „Ich werde keine Kröte essen“, antwortete Link langsam und mit äußerster Sorgfalt. Die neckende Imitation von der Art und Weise, wie man mit einem Verrückten sprach. Er zog seine Hand zurück, anscheinend fertig damit, ihr Haar von seinem Brustkorb zurück auf ihren Rücken zu streichen. Er wirkte entspannt und zufrieden, ein wenig schläfrig. Kein bisschen angespannt ob ihrer Position. Sie beinahe auf ihm, die gewohnte Grenze respektvollen Abstandes weit überschritten. Ein kleiner Dämon schien sie zu reiten, anders konnte sie sich ihr Verhalten, nicht erklären. Sie lehnte sich noch weiter vor. Bis sie mit ihrer Vorderseite das Material seiner Tunika streifte. Wann sie tief einatmete, berührten sich ihre Oberkörper. Zelda ignorierte die schrille Begeisterung in ihrem Inneren, die dieser Kontakt auslöste. Der schläfrig entspannte Zug um Links Augen verschwand. Stattdessen verhärtete sich das helle Blau zu Kristall und sein Blick wurde scharf. „Ach ja?“, hauchte sie, seinem Gesicht nun ganz nahe. Sie versuchte sich an einem koketten Lächeln, die Augenlider halb gesenkt, den Kopf zur Seite geneigt. „Und was ist, wenn ich bitte sage?“ Sie wusste es war absolut albern, aber das Verlangen ihn zu necken war zu übermächtig. Und es war offensichtlich, dass sie scherzte. Dass ihre Geste, das süßliche Lächeln und der Augenaufschlag gespielt waren. Dennoch spürte sie, wie Link unter ihr starr wurde. Konnte fühlen, wie sein Brustkorb aufhörte sich zu bewegen. Für einen kurzen Moment hielt er den Atem an. Dann geschah etwas auf seinem Gesicht. In seinen Augen. Eine sichtbare Veränderung, ein Umschalten, das Zelda nicht deuten, aber deutlich sehen konnte. Etwas ging vor sich, dass sie nicht verstand. Ein ungutes Gefühl beschlich sie. Die seltsame Empfindung ungewusst etwas getan zu haben, dass sie nicht beabsichtigt hatte. Dann holte Link tief Luft. Der weiche Stoff seiner Tunika strich an ihren Handgelenken entlang und Zelda wurde abgelenkt. „Falls du es nicht bemerkt hast“, begann er mit leicht gepresster Stimme und begann sich aufzurichten, „bin ich auch ohne deine Gebräue ziemlich schnell.“ Er stützte sich auf seine Unterarme, was seinen Oberkörper noch näher an ihren heran brachte. Zelda wich zurück, brachte dringend benötigten Abstand zwischen sie. „Es ist nicht mein Gebräu“, beeilte sie sich ihn zu verbessern und hoffte, dass er das auf ihren Wange erblühende Rot auf die steigenden Temperaturen des Tages schieben würde. „Einer der Nebenköche hat die Rezeptur entwickelt.“ Zelda verschränkte die Arme vor der Brust und bemühte sich darum möglichst hochnäsig auszusehen. Sie hörte Link lachen. Tief und leise, ein träges, sanftes Rumpeln, das sie so euphorisch stimmte, dass sie vergaß, beleidigt zu spielen. Zelda neigte den Kopf und lächelte. Ihre Blicke trafen sich in einem warmen, vertrauten Band und kurz erlaubte sie sich in dem Gefühl aufzugehen. Sie fühlte sich sicher. Behütet und umhüllt von etwas, das Links Wesen, seine Loyalität, seine Freundschaft sein musste. Und es war genug für sie. Deswegen fiel es ihr nicht schwer den Kopf zu heben und ihr Gesicht in die Sonne zu halten. Sich auf den Handflächen abzustützen und nach hinten zu lehnen, in die Strahlen aus warmem Licht, die sie schläfrig machten. Abstand zwischen sie zu bringen. Zelda seufzte wohlig. „Ist schon in Ordnung, dass du meine Studie nicht unterstützen willst“, sagte sie, ein Lächeln in der Stimme. Kurz öffnete sie die vorher geschlossenen Augen und sah wieder zu ihrem Leibwächter, der verdächtig danach aussah, als würde er faul im Gras fläzen. „Hinterher könnte mir noch jemand vorwerfen, ich würde dich vergiften wollen.“ „Eine Gefahr, die bei Fröschen durchaus besteht“, erwiderte er prompt und zog zur Betonung eine Augenbraue hoch. Zelda schüttelte den Kopf. „Ich würde das so viel klüger anstellen. Ohne dass es jemand bemerken würde.“ Irgendwie gelang es ihr dermaßen ernst dabei zu klingen, dass Link für einen kurzen Moment verwirrt aussah. Er blinzelte und bewegte sich für einen Augenblick gar nicht mehr. Erst als sie übertrieben bedrohlich mit den Brauen wackelte, löste sich der starre Ausdruck von seinem Gesicht. Er seufzte schwer, als hätte er es schlimm getroffen und verzog missbilligend die Lippen. „Und du sagst mir, ich sei schrecklich.“ Zelda grinste und machte ein zufriedenes Gesicht. „Weil du schrecklich bist, Sir Link. Aber keine Angst“, sie machte eine dramatische Pause, die sie nutzte um sich bequemer hinzusetzen, „dein Geheimnis ist bei mir sicher.“ Link ließ ein spöttisches Geräusch ertönen, ein kehliges Schnaufen, dass sie so plötzlich kam, dass Zelda ein wenig zusammen zuckte. Er warf ihr einen sardonischen Blick zu. „Ich erinnere mich daran, dass du mich dazu zwingen solltest, diese abscheuliche Leibwächteruniform zu tragen.“ Seine Worte holten sie für einen Moment von der gemütlichen Wolke ihrer vertrauten Neckerei herunter. Sie sprachen nie über diese schreckliche Zeit, als er ihr Leibwächter geworden war. Bevor sie sich bei ihm entschuldigt und aufgehört hatte, sich wie ein Biest zu benehmen. Nie hatte er auch nur ein Wort darüber verloren, außer ihre eigenen Anschuldigungen zu entkräften. Ihr Lächeln verlor sich. „Wo doch Purpur überhaupt nicht meine Farbe ist“, fuhr er unbeirrt fort, mit Schalk in den Augen und herausfordernd angehobenem Kinn. Für einen kurzen Moment hielt die Waage sich im Gleichgewicht. Ihre Belustigung über seine Bemerkung wog genau so viel, wie das schuldige Gefühl ihn schlecht behandelt zu haben. Dann gewann die Belustigung. Sie pikte ihn mitten in die Brust. Bevor seine Reflexe anschlugen um ihre Hand einzufangen, hatte sie sich schon wieder zurück gezogen. „Du hättest es verdient mit einer Feder im Hut herum zulaufen“, sagte sie so gehässig wie sie konnte, auch wenn ihr Lächeln den Effekt zunichte machte. Die Vorstellung war herrlich komisch, auch wenn die offizielle Uniform der königlichen Leibgarde überhaupt gar keine Feder im Hut vorsah. „Obwohl du bestimmt schneidig aussehen würdest.“ Zelda schloss die Augen, als würde sie in ihrem Kopf das Bild entstehen lassen. Sie seufzte. „Denk an die Hofdamen, die sich mit den Fingern Luft zufächeln würden. All die feinen Mädchen, die in Ohnmacht fielen. Die Herzen würden dir nur so zufliegen.“ Zelda lächelte süßlich auf ihn herab. „Würde dir das nicht gefallen?“, fragte sie und bemühte sich möglichst unschuldig auszusehen. „Gerade hast du meinen ganz normalen Alltag beschrieben. Ich wüsste nicht, was ein Hut daran ändern sollte.“ So sehr er auch versuchte selbstzufrieden und blasiert zu wirken, verrieten ihn doch seine Augen. Der grundanständige, aufrichtige Ausdruck darin, der davon zeugte, dass er sich um so etwas nie schweren würde. Zelda musste lachen. „Wer ist jetzt schrecklich?“, fragte sie und zog spielerisch an seinem Hosenbein. Link antwortete nicht, erwiderte ihren Blick nur auf eine seltsam suchende Art. Still und lächelnd, aber wie jemand, der versucht ein Rätsel zu lösen. Zelda brachte es nicht fertig, ihm standzuhalten. Stattdessen gingen ihre Augen auf Wanderschaft. Betrachteten die ferne Silhouette des Schlosses, die träge dahin fliegenden Wolken. Das wogende Gras, die sanft rauschenden Blätter der nahen Eiche. Und schließlich wieder Link. Das Masterschwert auf seinem Rücken, so verschmolzen mit seiner Gestalt, dass es ihr kaum noch auffiel. Die feine Brise, die sein Haar zerwühlte und Kuckuck-Spiele mit den kleinen Farbtupfern an seinen Ohren spielte. Zelda Blick saugte sich daran fest. Ihre Lider verengten sind ein wenig, als sie den winzigen Schmuck an Links Ohren einer genauen Bestandsaufnahme unterzog. „So“, begann sie in einigermaßen strengem Ton. Link legte den Kopf leicht schief und erwiderte ihren konzentrierten Blick aufmerksam. „Es ist vorbei“, sagte sie und musste mit viel Anstrengung ein Lächeln unterdrücken. „Länger halte ich das nicht aus. Was hat es mit diesen Ohrringen auf sich?“ Sie deutete auf seine Ohren. „Und sag nicht, all die anderen Ritter haben es gemacht. Ich weiß mit Sicherheit, dass das nicht Teil der Ausrüstung ist.“ Ihre Augen wurden groß, als ihr ein Gedanke kam. „War es eine Mutprobe?“ Link lachte. Sie liebte es, wenn er lachte. Wenn der Humor in seinen Augen blitzte. Wenn sie es geschafft hatte, ihn so zu amüsieren, dass dieser seltene Laut erklang. „Nein. Keine Mutprobe.“ Er zuckte vergnügt mit den Schultern. „Es gefällt mir einfach.“ Entzückt über diese Erkenntnis schnalzte Zelda mit der Zunge. „Bis ans Ende meines Lebens hätte ich das nicht vorausgesehen. Link, der große Held, ein eitler Gockel.“ Ein schiefes Lächeln zeigte sich auf seinem Gesicht und er zuckte entschuldigend mit den Schultern. Nicht seine typische Geste stummen Abwinkens. Sondern ein saloppes 'Tja'. Sie schüttelte sanft den Kopf, während sie ihn dabei beobachtete, wie er im Gras eine bequemere Position fand. Er verrückte das Schwert auf seinem Rücken, so dass es eher über seiner Schulter lag und ließ sich dann zurückfallen. Beinahe verschwand er in dem hochstehenden Pflanzenmeer. Ein körperförmiges Loch im bunt besprenkelten Grün. Zelda beugte sich nach vorne und bewegte sich auf allen Vieren nach vorne, näher an seinen Kopf heran. „Es hat keinen Zweck sich vor mir zu verstecken, Link“, verkündete sie, als sie sein Gesicht sehen konnte, eingerahmt von erschreckten Schmetterlingen und grünem Gras. „Ich will die ganze Geschichte hören.“ Link sandte ihr einen schrägen Blick zu – da er zu faul schien den Kopf zu drehen, um sie anzusehen, war das die einzige Möglichkeit – und seufzte ergeben. Dann schloss er die Augen. „Da gibt es nicht viel zu erzählen“, antwortete er nach einer Weile. Er klang so entspannt, wie er aussah, seine Stimme schwer und sanft vor gemütlicher Schläfrigkeit. Zeldas Herz pumpte süßlich klebriges Blut durch ihre Adern, ein ziehendes, übermächtiges Gefühl, das etwas mit der Vertrautheit, der Ruhe und damit zu tun hatte, wie Link inmitten des ganzen Grüns aussah. „Die Zoras hatten all diesen Schmuck und mein junges Ich war sehr empfänglich für hübsche, glänzende Dinge.“ Link öffnete kurz die Augen und ein kleines, schnelles Lächeln blitze zur Zelda hinauf. Erstaunlich, dass es sie immer noch überraschen konnte, wie blau seine Augen waren. Mit einem zufrieden klingenden Seufzen verschränkte Link seine Arme hinter dem Kopf, rutschte auf dem Boden ein wenig herum, bis er eine Position fand, die ihm zu sagte. Sein ganzer Körper entspannte merklich. Er schloss wieder die Augen. „Also habe ich meine Mutter so lange gequält, bis sie eine Nadel genommen hat.“ Wieder ein Seufzen. „Den Rest siehst du hier.“ Er deutete mit einem Finger auf sein Ohr. Das Bild das er heraufbeschwor, ließ Zelda lächeln. Sie sah eine kleinere, pausbackige Version von Link, der mit großen Augen die eleganten Erscheinungen der Zoras und deren Goldschmiede- und Kunstwerkarbeiten bewunderte. „Und? Deiner professionellen Einschätzung nach, ist der Schmerz den Nutzen wert?“ Link öffnete ein träges Auge. „Was meinst du?“ Zelda legte ungeduldig den Kopf schief. „Ich meine, ob die Ohrringe den Schmerz der Nadel wert sind.“ Er schloss das Auge wieder. „Kommt drauf an“, antwortete er, nun mit deutlich schleppenderer Stimme. Der Kerl war doch tatsächlich dabei einzuschlafen. „Link!“ „Hm?“ Er klang, als wäre er kaum noch im Reich der Wachenden. „Worauf kommt es an?“ Er stieß ein kleines summendes Geräusch aus. Ein Laut tiefen Wohlbehagens. Zelda konnte es ihm nicht verübeln. Die Sonne schien in genau dem richtigen Winkel auf sie hernieder. Alles war warm und weich, doch der vom Gras beschattete Boden spendete genügend Kühle, damit es nicht unangenehm wurde. Amüsiert betrachtete Zelda ihren schläfrigen Leibwächter. Sie erinnerte sich an seine Worte. Weit entfernt in der Vergangenheit, in der Hütte am Kangossa Gebirge. Aber wenn ich kann, schlafe ich durchaus. Und zwar so ziemlich überall.Wenn es gemütlich genug ist. Es war wirklich schwer für Zelda, es nicht auf sich zu beziehen. Es lag an diesem Ort. Der Sonne. Der Wärme. Dem Rauschen der Blätter. Nicht an ihr. Link fehlte die Freiheit der Straße ebenso sehr wie ihr. Und aus dem Schloss heraus zu kommen, hatte ihn in einen Zustand tiefer Zufriedenheit versetzt. „Du brauchst keine Ohrringe“, murmelte er nach einer so langen Zeit, dass Zelda bereits überzeugt gewesen war, dass er schon längst schlief. Er nuschelte ein wenig, zu träge um die Silben richtig zu formen. Zelda sah lächelnd zu ihm hinunter. „Warum nicht?“, flüsterte sie, um ihn nicht von der empfindsamen Pforte zwischen Schlaf und Wachen herunter zu reißen. Als Link antwortete, tat er das so leise, dass sie ihn nicht verstehen konnte. Zumindest konnte sie ihn nicht richtig verstanden haben. Denn in ihrem verliebten Kleinmädchen-Kopf hatte es geklungen, als hätte er gesagt: „Du bist schön genug.“   *   Zelda nutzte den Shiekah Stein für einige Bilder interessanter Pflanzen, fand sogar zwei weitere Arten von der Liste des Instituts in der näheren Umgebung. Sie traute sich nicht, sich weit von Links schlafender Gestalt zu entfernen, deswegen blieb ihr Suchradius eher beschränkt. Doch es war vollkommen ausreichend, um in der Flora und Fauna zu versinken. Sie fand einen wunderschönen roten Schmetterling, der in eleganten Spiralen von Blüte zu Blüte flog und immer wieder verschieden lange Intervalle damit verbrachte, einfach nur träge Flügelschläge zu vollführen. Ein Schauspiel, das Zelda ganze Aufmerksamkeit bannte. Bis Links Stimme sie aus ihrer Trance riss. „Zelda!“ Sie zuckte zusammen. Ihre Erkundungen hatten sie hinter den großen Stein geführt, so dass es für ihren eben erwachten Leibwächter so aussehen musste, als sei sie verschwunden. Deswegen wohl auch der schrille Klang seiner Stimme. Etwas schuldbewusst erhob sie sich. „Hier hinten“, rief sie und biss sich auf die Lippe. Link erschien beinahe sofort. Erst als er sie sah, verlangsamte er seine Schritte. Er hatte Recht. Er war auch ohne das Spurtkrötentonikum verdammt schnell. Seine Augen unterzogen sie einer schnellen Bestandsaufnahme, huschten an ihrer Gestalt herab – staubig und mit Blütenpollen überzogen – und wieder hinauf zu ihrem Gesicht. Da sie wohlauf war, wandelte sich die Anspannung auf seinen Zügen in Erleichterung. Die Nachwehen seines Nickerchens holten ihn ein und er rieb sich den Nacken. Dann presste er die Lippen aufeinander und besah sie mit einem konzentrierten Blick. Er holte Luft, ohne Zweifel, um sie wegen ihres kleinen Ausflugs zu rügen, doch Zelda unterbrach ihn, bevor er etwas sagen konnte. „Es tut mir leid“, rief sie und hob abwehrend die Hände. Sie versuchte sich an einem entschuldigenden Lächeln, doch da Links Blick dunkler wurde, schien das nicht ganz zu funktionieren. Zelda verhakte den Shiekah Stein an ihrem Gürtel und tat einige Schritte in seine Richtung. Der Schlaf hing noch über ihm, wie eine gemütliche, warme Decke und er wirkte herzzerreißend zerzaust. Ein einzelner Grashalm steckte in seinem zerwühlten Haar und Zeldas Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Sie dachte an das, was er gesagt hatte, bevor er eingeschlafen war oder eher, was sie sich einbildete ihn sagen gehört zu haben und ein wenig befangene Röte stieg ihr in die Wangen. „Ich musste noch ein paar Bilder machen und du wirktest, als könntest du ein bisschen Schlaf gut vertragen.“ Sie hob ein bisschen unsicher die Schultern. „Ich war immer in der Nähe. Aber ich wollte dich auch nicht wecken.“ Link seufzte bei ihren Worten und die Schärfe seines Blicks verlor sich ein wenig. „Du hättest mich überhaupt nicht schlafen lassen sollen“, antwortete er und kam ihr entgegen. Er klang brummig, seine Stimme herrlich rau vom Schlaf und in Zeldas Magengegend begann ein sonderbares Gefühl zu blubbern. Wie Sirup, den man schon lange über dem Herd gekocht hatte und der heiß und zäh eindickte. „Und mich um hochwertiges Bestechungsmaterial bringen?“ Sie tat ungläubig. „Niemals.“ „Bestechung?“, fragte er verwirrt, sein Verstand anscheinend noch immer ein wenig dämmrig. Zelda brachte es nicht über ihr Herz, ihn zu necken. Zumal es nicht stimmte. Sie hatte kein Bild von ihm gemacht, während er schlief, wie sie hatte andeuten wollen. Sie winkte ab und lächelte. „Nicht so wichtig. Es stimmt sowieso nicht.“ Zelda sah den exakten Moment in dem er versuchte Sinn aus ihren Worten zu machen. „Wie lange habe ich geschlafen?“, fragte Link und richtete das Bannschwert auf seinem Rücken. Zelda verfolgte die Bewegung, ähnlich fasziniert von der Weise wie sich seine Schlüsselbeine dabei unter seiner Haut abzeichneten, wie gerade eben noch von dem Schmetterling. Ein wenig benommen schüttelte sie den Kopf. Wie ein Hund, der sich das Wasser aus den Ohren schütteln will. Nur wesentlich langsamer. „Ich weiß nicht“, antwortete sie wahrheitsgemäß. „Ich bin keine wirklich sichere Quelle, wenn es um Zeitangaben geht. Nicht wenn ich konzentriert bin.“ Ihre Stimme hatte wieder einen entschuldigenden Ton angenommen. Link senkte die Arme, das Schwert nun wieder an seinem angestammten Platz auf seinem Rücken und bedachte sie mit einem warmen Lächeln. Etwas in ihr reagierte darauf mit einem Hüpfen. Dann spürte sie prickelnde Wärme ihre Beine und Arme hinauf fließen. Wie interessant die körperlichen Reaktionen auf emotionale Auslöser doch waren. „Ja“, entgegnete er mit einem sanft rumpelnden Lachen. „Es ist ein Wunder, dass du nicht mit der Nase voran auf dem Boden landest, wenn du über etwas nachdenkst, das dich interessiert.“ Ehrliche Zuneigung sprach aus seinem Blick, als er noch ein paar Schritte näher kam und schließlich vor ihr stehen blieb. Unter der Wärme seines Lächelns, streckte sich ein unbewusster Teil ihres Selbst, wuchs und wurde größer, gefüttert durch die Anerkennung, der Akzeptanz in seiner Stimme. Es kam selten vor, dass sie sich so fühlte. Gemocht und wertgeschätzt, einfach nur, weil sie so war, wie sie eben war. Keine Schelte für ihr Fehlverhalten. Einfach nur warme Belustigung. Links Stimme, all das, was daraus zu ihr sprach, über die reine Bedeutung seiner Worte hinaus, erfüllte sie mit einem wohligen Stolz. „Weswegen du mich nicht schlafen lassen darfst, Prinzessin“, fuhr er fort und streckte eine Hand aus. Zelda war noch ein wenig zu benebelt von dem ungewohnten Gefühl, um ihm auszuweichen, weswegen seine schnellen Finger Zeit genug hatten, sie mitten in die Nase zu kneifen. Ihre Augen folgten der Bewegung, was sie leicht schielen ließ. Ein Anblick, der Link belustigte. Er gluckste dunkel. Elender Leibwächter. Zelda schlug seine Hand beiseite und versuchte sich an einem beleidigten Gesichtsausdruck, doch ihr Herz war nicht so recht dabei. Link lachte leise, ein sonores Geräusch, das nur wenige Augenblicke anhielt und dennoch die Macht besaß, ihre Knie ganz buttrig werden zu lassen. So häufig wie an diesem Tag, hatte sie ihn noch nie lachen hören. Völlig ahnungslos legte ihr Leibwächter seinen Kopf in den Nacken. „Es ist kurz nach Mittag“, sagte er nach einem kurzen Blick nach oben. Ah. Die Sonne. Zeldas Hirn lahmte ein wenig. „Oh“, machte sie, da sie nicht wirklich wusste, ob kurz nach Mittag gut oder schlecht sein sollte. Link bedachte sie mit einem amüsierten Blick. „Ich nehme an, du hast noch nicht genug?“ Sie verzog fragend das Gesicht. „Genug?“ „Vom Bildermachen.“ Oh. Ja. Natürlich. „Noch lange nicht“, antwortete Zelda mit einem kleinen Lächeln. Link seufzte ein schweres Seufzen und hob die Schultern in einer leidenden, aber ergebenden Geste. Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. Er war genauso gern hier draußen wie sie. Zur Strafe boxte sie ihm an den Oberarm. Das dumpfe Geräusch, das erklang, als sie ihn tatsächlich erwischte, war unendlich befriedigend. Er tat ihr den Gefallen so zu tun, als hätte es ihm weh getan. „Au.“ Link rieb sich die Schulter. An der falschen Stelle. „Du bist ein schrecklicher Mann“, wiederholte Zelda die sich immer wieder bestätigende Vermutung. „Dass ich dich jemals für ernst und ehrenhaft gehalten habe ...“ Link lächelte. „Ich bin genau so, wie du es verdient hast.“ Er bedachte sie kurz mit einem warmen Blick, dann ruckte er mit dem Hinterkopf in Richtung des Gebietes hinter ihnen. „Na komm schon. Es warten wilde Wiesen und Weiden auf die Ehre, vom klügsten Mädchen Hyrules unter die Lupe genommen zu werden.“ Er stoppte kurz und sein Blick fiel an ihren Gürtel. „Oder unter den Shiekah Stein.“ Er wählte die Worte mit solcher Normalität, dass sich Zelda albern vorkam, als sie errötete. „Überlass' die Schmeicheleien und die schönen, leeren Worte den Barden, Sir Link. Sonst kann ich nicht dafür garantieren, dass deine Truppe dir nicht die Ritterwürde entzieht.“ Link lachte, während er sich in Bewegung setzte. Zelda folgte ihm automatisch. „Das würdest du nicht sagen, wenn du die Ritter kennen würdest, mit denen ich ausgebildet wurde.“ In der Nähe wieherte eines der Pferde. „Außerdem kann nur dein Vater mir die Ritterwürde aberkennen. Und-“, er drehte sich im Laufen kurz zu ihr um, „es sind keine leeren Worte.“ Er drehte sich nach vorne, bevor Zelda antworten konnte. Nicht dass sie eine Passende parat gehabt hätte. Stattdessen errötete sie noch mehr. Während sie versuchte, sich nicht allzu sehr über seine Worte zu freuen.   *   Zelda hatte noch drei weitere Pflanzenarten ausfindig machen und auf dem Shikah Stein festhalten können. Der Direktor und sein Zeichner waren überglücklich und zwei große, ehrbare Forscher zu sehen, die sich freuten wie kleine Jungen an ihrem Geburtstag, war ein Erlebnis, das Zelda nicht so schnell vergessen würde. Sie konnte sich sogar dazu überreden lassen, den Shiekah Stein für kurze Zeit in der Obhut des Zeichners zu lassen, damit dieser so schnell wie möglich Skizzen der Pflanzen anfertigen konnte. Zelda fühlte sich seltsam nackt ohne das alte Relikt an ihrem Gürtel. Mit jedem Schritt den Storm in Richtung des Schlosses tat, fühlte Zelda die Last auf ihren Schultern größer werden. Ihre Lungen schienen zu klein für die Atemzüge, die sie nehmen wollte, um dem Druck in ihrer Brust Herr zu werden. Ihr Lächeln war verflogen, als sie das Schlosstor durchquerten. Link neben ihr schien nicht ganz so betrübt zu sein wie sie, ihm hatte der Ausflug eine Frische verliehen, die ihn zufrieden und gelassen wirken ließen. Um seines Willen versuchte Zelda, sich ihre düster werdende Stimmung nicht anmerken zu lassen. Es gelang ihr nicht ganz. Oder Link kannte sie inzwischen zu gut, denn er bedachte sie mit einem wissenden Blick, als er sie beim Aufgang zu ihrem Turm verabschiedete. „Kopf hoch“, sagte er und feine Linien entstanden um seine Augen, als sich dieses Beinahelächeln auf seinen Zügen zeigte. „Ich weiß, du vermisst ihn, aber du hast den Stein morgen zurück.“ Seine Augen begannen zu blitzen. „Heute Nacht wirst du mit etwas anderem im Arm einschlafen müssen.“ Zelda wusste, dass er sie nur aufheitern wollte. Ein Witz der implizierte, sie würde den Shiekah Stein anstelle eines Stofftieres verwenden. Ein lustiger Gedanke und wären sie noch draußen, vor den Toren der Stadt, hätte sie auch entsprechend reagiert. Entweder mit einem gespielt beleidigten Kommentar, oder spitzen Bemerkung dahin gehend, dass er mit dem Bannschwert einschlief und was von beiden Möglichkeiten wohl die bessere war. Aber nichts davon fand den Weg über Zeldas Lippen. Stattdessen stellte sie sich vor, wie es wäre, mit ihm im Arm einzuschlafen. Ein vollkommen überraschender Gedanke, der sie dermaßen überrumpelte, dass sie Link einfach nur anstarrte. Kurz vergaß sie ihren neu aufgeflammten Missmut. „He“ sagte Link, nun mit ganz sanfter Stimme. „Ist jemand da?“ Er wedelte mit der Hand vor ihrem Gesicht umher. Die Bewegung war nicht nötig. Zelda war nicht abwesend. Sie war einfach nur von sich selbst geschockt. „Klar“, antwortete sie ein weniger forscher als beabsichtigt. Deswegen zwang sie sich zu einem Lächeln, das sich leider ein wenig harsch anfühlte. „Du hast noch Gras im Haar“, sagte sie, ohne es geplant zu haben. Sie hatte den Grashalm total vergessen. Als wäre er zu einem Teil von Link geworden. Vielleicht hatte sie sich das auch einfach gewünscht. Eine Verknüpfung zu diesem Tag. Link, der auf ewig mit demselben Grashalm im Haar umherlief. Wie bescheuert. Ihr Leibwächter hob den Arm und fuhr sich durch die goldenen Strähnen. Brachte es fertig sie noch mehr zu zerwühlen, ohne dem Grashalm auch nur gefährlich zu werden. Der Anblick schaffte es, dass sie trotz ihres erneuerten Verdrusses lachen musste. „Was machst du denn da?“, fragte sie, natürlich nur rhetorisch und stellte sich auf die Zehenspitzen. Und den Grashalm selbst aus Links Haar zu ziehen. Er bedachte sie erst mit einem irritierten, dann etwas besorgten Blick. Dann hörte er ganz auf, sich zu bewegen. Bei ihrer Rettungsaktion streiften ihre Finger das satte Gold. Sein Haar war weicher als gedacht. Seidig und beinahe rutschig glatt. Am liebsten hätte Zelda ihre Hände darin vergraben. Ihn zu sich gezogen und daran gerochen. So plötzlich, wie die verstörenden Bilder aufgetaucht waren, ließ sie den Grashalm los. Schleuderte ihn von sich, als hätte sie sich daran verbrannt. Was bei einem einzelnen Grashalm nicht so gut funktionierte, da die Luft ihn bremste und er, trotz der Heftigkeit, mit der sie ihn geworfen hatte, langsam zu Boden segelte. Hektisch zog Zelda ihre Hände zurück. Wich Links Blick aus, als sie wieder auf beiden Sohlen ihrer Füße stand. „So. Alles weg.“ Sie klang ein wenig atemlos. Kein Wunder. Die Sonne musste ihr zu Kopf gestiegen sein. Zelda wusste nicht viel von der Liebe. Ihr ganzes Wissen darüber stammte aus Büchern. Bücher, die mal mehr und mal weniger ausführlich waren. Sie wusste noch weniger von dem, was zwischen Mann und Frau vor sich ging, außer einer vagen Vorstellung vom Zeugungsakt selbst und einigen Naturbeobachtungen. All die Vorträge über Schicklichkeit, die ihre Hofdamen ihr im Laufe ihres Dienstes gehalten hatten, waren nicht viel ausführlicher gewesen. Meist ging es darin um Benehmen und Auftreten. Manchmal um Kleidung. Und Haut. Wie viel man davon zeigen konnte und so weiter. Deswegen war es erstaunlich, dass Zelda, obwohl sie nicht wusste, wieso sie fühlte was sie fühlte, oder warum sie dachte was sie dachte, schwören könnte, dass es mehr als unschicklich war, was eben in ihren Kopf gesprungen war. Es war beinahe lächerlich, dass sie diese Dinge denken konnte, ohne dass etwas an ihrem Körper aufblinkte und Link davon berichtete. Wie konnte er so unberührt davon bleiben, wenn sie solche erschreckenden Bilder im Kopf hatte? Sich so aufgewühlt und verwirrt fühlte. Aber er sah sie einfach nur an wie immer. Abwartend. Geduldig. Warm. Wie dankbar sie für seine Unwissenheit war. „Es war ein schöner Tag“, sagte sie, immer noch ein wenig atemlos. Link antwortete mit einem Lächeln. „Ich werde nur kurz in der Kaserne sein. Dann bin ich wieder hier“, teilte er ihr leise mit. Zelda nickte. „In Ordnung.“ Er würde sich Staub und Schweiß abwaschen wollen. Ein Gedanke, der wieder diese seltsame Hitze ihren Körper hinauf schickte. Link verbeugte sich knapp und Zelda biss sich auf die Unterlippe, bevor sie etwas Dummes sagen konnte. „Gute Nacht, Prinzessin.“   *   Zelda begab sich ins Gebet, sobald sie ihren Turm betreten hatte. Nicht nur, um zu beten. Sondern um Ruhe vor ihren Hofdamen zu haben, die sie in ihrem Gemach belauerten. Wenn sie betete, wagte es niemand sie zu stören. Und ungestört musste sie sein. Um nachzudenken. Um ihren aufgewühlten Geist zu beruhigen. Um alles an sich zu beruhigen.   Hylia. Ich danke dir. Ich danke dir, dass du mir einen Helden an die Seite gegeben hast, der an mich glaubt. Ich werde alles tun, um mich seines Vertrauens als würdig zu erweisen. Aber, Hylia.Was passiert mit mir? Es tut mir leid. Ich bin dir keine gute Dienerin. Nayru soll einen Teil ihrer Weisheit in mir fortleben lassen. Aber ich bin nicht weise. Ich bin verwirrt und fahrig. Und ich erkenne den Weg vor mir nicht. Und jetzt verfalle ich auch noch den niederen Verlangen meines Herzens. Hylia. Offenbare mir deine Kraft. Schenke mir Ruhe und Besonnenheit. Lass mich zu dir finden. Lass mich deine Dienerin sein. Bitte. Ich brauche dich. Hylia.     „Geh zu Bett“, erklang eine rügende Stimme und durchbrach ihren Zwiespalt mit der Göttin. Ein wenig desorientiert fand Zelda in die Welt zurück. Auf die kühle Wehrmauer, unter dem hellen Sternenhimmel. Der Mond war bereits aufgegangen und so weit gewandert, dass Zelda sich drehen musste, um ihn zu sehen. Es musste sehr spät sein. Weit nach Mitternacht. So lange hatte sie noch nie im Gebet verbracht. Zumindest nie, ohne ein Gespür für die Zeit zu verlieren. So sehr darin aufzugehen, dass sie nicht mehr wusste, wo sie war. Das war erst ein Mal geschehen. An der Quelle des Mutes. Sie musste in eine ähnlich tiefe Trance verfallen sein. Eine kleine Flamme der Hoffnung entzündete sich in ihrer Brust. Sicherlich war das ein gutes Zeichen, oder? Ein Zeichen dafür, dass sie Fortschritte machte. „Das sagt der Richtige“, entgegnete Zelda und erhob sich langsam. Ihre Knie fühlten sich rostig an und sie spürte ihre Füße nicht mehr richtig. Während sie vorsichtig ihre Beine bewegte, ließ Link sich vom oberen Rand des Daches gleiten. Ihr Herz tat bei seinem Anblick einen wilden Sprung. Doch sie fühlte sich so gut nach dieser erfolgreichen Andacht, dass es dieses Mal keine Schuldgefühle auslöste. Der Anfall von Unmut, der sie sich ihrer bei ihrer Rückkehr ins Schloss bemächtigt hatte, schien davon gezogen zu sein. „Ich für meinen Teil, fühle mich sehr ausgeruht“, antwortete Link mit einem Lächeln. Ein Lächeln das Zelda erwiderte. Es war wie ein Strudel, der durch Ziehen und Stoßen angetrieben wurde. Ein Signal, das an ihr abprallte und zu ihm zurückgeleitet wurde, nur um dann wieder zurück zu ihr gleiten. Eine stumme Verknüpfung, die lebte, die mit Bewusstsein gefüllt wurde, sobald sie sich ansahen. Eine kleine Stimme in ihrem vibrierenden Herzen fragte, ob es sein könnte, dass Link ähnlich empfand. Ob ein Teil von ihm diese aufwühlenden Gefühle erwiderte. Doch ihr Kopf rang die Frage nieder. Es gab so viel Wichtigeres, das ihrer aller Aufmerksamkeit forderte. Nach Ganon, nach der Verheerung, würde es genug Zeit geben, um sich damit zu beschäftigen. „In Ordnung“, sagte Zelda und löste sich aus dem zuckrigen Nebel, der sie eingehüllt hatte. „Gute Nacht, Sir Link.“ „Noch etwas.“ Sie drehte sich wieder zu ihm um. Er hob etwas unbeholfen den linken Arm. Nicht, als könnte er die Bewegung nicht durchführen, sondern als würde er etwas Unangenehmes ansprechen müssen und den Arm als Ablenkung benutzen. „Ich bitte um Erlaubnis, für wenige Tage beurlaubt zu werden.“ Zelda blinzelte irritiert. Seine Worte trafen sie vollkommen aus dem Nichts. Eine Beurlaubung? Er wollte fort? War etwas geschehen, dass seine Anwesenheit forderte? Musste er zur Familie seines Onkels nach Hateno? Oder hatte es mit dem heutigen Tag zu tun? Zelda wappnete sich für den kommenden Schmerz. Atmete schützend ein, um sich für das zu stählen, was er ihr sagen würde. Doch bevor all die Gedanken und Gefühlen sich auf eine gemeinsame Richtung hätten vereinen können, sprach Link bereits weiter. „Eine Verletzung, die mich daran hindern wird, für deinen Schutz zu sorgen.“ Wieder machte er diese Bewegung mit dem Arm. Sein Arm war verletzt? Zelda atmete die angehaltene Luft wieder aus. „Wenn ich allerdings Miphas Gebet in Anspruch nehmen könnte, wäre ich in wenigen Tagen wieder in Gefechtsform.“ Zelda blinzelte. Sie versuchte, die Information zu verarbeiten. Gerade noch war Link vollkommen heil mit ihr vom königlichen Institut zurück gekehrt. Sie hatte den Abend im Gebet verbracht und nun stand er vor ihr. Verletzt. Das schreckliche Gefühl der Zeit hinterher zu hinken, überkam sie. „Eine Verletzung?“ Ihre Stimme klang hoch und schief. Link lächelte ein beruhigendes Lächeln. „Es ist nicht schlimm. Aber es ist mein Schwertarm und ich gebe dem König Recht. Es beeinträchtigt meine Form.“ Zelda starrte ihn an. Immer noch hatte sie das Gefühl nicht ganz klar zu verstehen. „Du warst beim König?“ Link warf ihr einen Blick zu, der nur verlegen sein konnte. Ein wenig kleinlaut. Wie ein kleiner Junge, den man dabei ertappt hatte, wie er ein Fenster mit einem Stein einschlug. „Es war nicht zu vermeiden.“ Zelda versuchte, aus seinen Worten Sinn zu machen. Doch als es ihr nach einer recht langen Zeit immer noch nicht gelungen war, schüttelte sie unwirsch den Kopf. „Link, was ist passiert?“ Es verging ein Moment. Der typische Zeitraum, in dem er einen inneren Kampf ausfocht, darüber, ob er antworten sollte, oder nicht. Für gewöhnlich konnte sie sich darauf verlassen, dass er zu ihren Gunsten ausging. So wie auch jetzt. Ein langes Seufzen ertönte und er bewegte sich ein wenig. Löste seinen starren Stand auf. „Ich hatte ein kleines Missverständnis mit meinem Vater.“ Zeldas Augen huschten zu seinem linken Ärmel. War da ein Schatten auf dem Stoff? Blut? Sie spürte, wie sich ein Knoten in ihrer Kehle bildete. Ihre Augen wurden groß. „Dein Vater hat dich verletzt?“ Selbst eine Horde Monster konnte Link kaum einen Kratzer zufügen. Aber sein eigener Vater hatte ihn verletzt? So schwer, dass er sich von Mipha heilen lassen musste? Link hob ein wenig verlegen die Schultern. „Der alte Bastard ist immer noch ziemlich flink.“ Zelda starrte ihn an. Wortlos. Wenn das ein Witz gewesen sein sollte, so war er aufs kläglichste gescheitert. „Was ist passiert?“, verlangte sie erneut zu wissen. Es überraschte sie nicht, dass ihre Stimme belegt klang. Link warf ihr einen unruhigen Blick zu. Darüber zu sprechen war ihm deutlich unangenehm. Doch Zelda musste wissen, was vorgefallen war. Link war verletzt worden. Hier im Schloss. Von seinem eigenen Vater! Oh, dafür würde er büßen. „Er hat mich zur Rede gestellt“, begann er zögerlich. Warf ihr einen kurzen Blick zu und betrachtete dann das Mauerwerk hinter ihr. „Weil er nicht billigt, wie ich … die Dinge angehe.“ Ein Schlucken kräuselte an seinem Hals hinunter. „Und es kam zu einem Streit.“ Er fuhr sich mit einer Hand in den Nacken. „Ich fürchte ich war nicht sehr gewillt, ihm zu zuhören.“ „Wie du die Dinge angehst?“ Was hatte das zu bedeuten. Irgendetwas erzählte er nicht. Wieder stieß Link ein kleines Seufzen aus. Er hob die Schultern. Nicht sein typisches Schulternzucken, sondern eine Geste, die zeigte, dass es ihm unangenehm war. „Es scheint, dass ihm jemand etwas … berichtet hat.“ Kurz begegnete er ihrem starren, völlig schockiertem Blick. Zelda hatte ihn nie so herumdrucksen hören. Was bei den Dämonen der Unterwelt war nur geschehen? „Er hat Schlüsse gezogen, die … unglücklich sind. Was … was unsere Beziehung angeht.“ Die letzten Worte stieß er ein wenig atemlos hervor. Er presste die Lippen aufeinander und die Nacht war so hell, dass Zelda die Spannung sehen konnte, die seine untere Gesichtshälfte erfüllte. Seine Kiefer waren so angespannt, dass sie die feinen Muskeln hervortraten. Sie schluckte. „Unsere Beziehung?“, hauchte sie. Link reagierte mit einem heftigen Schnauben. Er schüttelte den Kopf voll plötzlich aufbrausender Aggressivität. Zelda zuckte ein wenig zusammen. Er kam einen Schritt auf sie zu, die Hand beschwichtigend ausgestreckt. „Diese Schwachköpfe“, fluchte er und auf seinem Gesicht zeigte sich neben seinem offensichtlichen Zorn Bedauern. „Es tut mir leid.“ Er fuhr sich mit der linken Hand durch sein Haar. Wühlte wieder auf, was er anscheinend vorher geordnet hatte. „Es tut mir leid, dass du dir diesen ungeheuren Blödsinn überhaupt anhören musst.“ Sein Arm senkte sich und er besah sie mit einem leidenden Blick. „Jemand hat uns heute gesehen. Am Institut. Auf der Wiese. Und mit seinem dreckigen Verstand falsche Schlüsse gezogen. Ich schwöre, ich habe versucht den Namen aus meinem Vater heraus zu prügeln, aber dieser dickköpfige Hurensohn würde sich eher den Hals umdrehen lassen, als sich von mir etwas gefallen zu lassen.“ Link brach seine Tirade ab. Schüttelte erneut den Kopf und ließ sich mit einem unverständlichen Fluchen gegen das Mauerwerk fallen. Er fuhr sich mir beiden Händen über das Gesicht, während Zelda immer noch versuchte, das Erfahrene aufzunehmen und mit ihren einströmenden Gedanken in Verbindung zu bringen. In ihrem Hinterkopf registrierte sie kurz, dass Link sehr aufgewühlt sein musste, um solche Worte zu verwenden. Nie zuvor hatte er in ihrer Gegenwart geflucht. Und jemand hatte sie gesehen. Auf der Wiese. Hatte gesehen, wie sie sich nahe gekommen waren. Und für jemand Außenstehenden musste es so ausgesehen haben, als ob... als ob was? Als wären sie ein Liebespaar? Aber sie hatten nichts getan, was so einen Rückschluss zulassen könnte. Oh, bei der Göttin. Es gab Gerüchte. Man redete über sie. Über sie und Link. Links Vater wusste davon. Er hatte Link zur Rede gestellt. Link hatte seinem Vater gegenüber Gewalt angewandt. Um Zeldas Ehre zu schützen? Weil der Gedanke, jemand könnte ihm eine unschickliche Nähe zur Prinzessin andichten, ihm nahe ging? War es für ihn so undenkbar, so entgegen seines Wesens, dass es ihn wohlmöglich selbst kränkte? Ihn entehrte? Fand er den Gedanken, die Implikation, er könne mit der Prinzessin Hyrules, mit ihr anbändeln, so schäbig? Zeldas Gedanken stolperten albtraumartig durch ihren Kopf. Hinterließen zischende Säure, die sie zusammenzucken ließ. Ihre Augenbrauen zogen sich zusammen und sie spürte, wie sich hinter ihren Augen Tränen sammelten. Es war einfach zu viel. Das schreckliche Gefühl, dass jemand ihre Intimsphäre verletzt hatte, überkam sie. Als hätte man sie dabei gesehen, wie sie aus der Badewanne stieg, oder sich die Unterwäsche wechselte. Link konnte in seiner aufrichtigen Entrüstung nicht ahnen, wie nah die Anschuldigungen Zeldas wahren, inneren Gefühlen kamen. Dennoch war es anders sich etwas nur vorzustellen, als wenn die Menschen es tatsächlich von ihr glaubten. Von ihnen glaubten. Hier ging es nicht allein um sie. Es ging ebenso um Link. Wenn dieses Gerücht verbreitet wurde... Und wahrscheinlich tat es das jetzt gerade, so würde das … Bei Hylia. Ihr Vater. Link hatte gesagt, er war beim König gewesen. „Link“, sagte Zelda und klammerte ihre Hand in das weiße Gewand. „Was hat der König gesagt?“ Ihr Leibwächter warf ihr einen scharfen Blick zu. „Er hat uns zu sich gerufen, nachdem der Aufruhr ihm gemeldet wurde. Und mein Vater …“ Er brach ab. Strich sich mit Daumen und Zeigefinger über die Nasenwurzel, sah zu Boden. „Mein Vater hat seine Bedenken geäußert.“ Wieder schüttelte er den Kopf und ließ mit einem schweren Seufzten die Hand fallen. „Ich war kurz davor ihm den Kopf abzureißen. Es ist etwas anderes deine Ehre vor mir in Frage zu stellen. Aber es vor dem König zu tun ...“ Link schien sich erneut in Rage zu reden und Zelda unterbrach ihn, bevor es so weit kommen konnte. „Was hat er gesagt?“ „Zum Glück kennt er seine Tochter.“ Links Mundwinkel zuckten in einem Lächeln, das nichts mit Belustigung zu tun hatte. Seine blauen Augen funkelten so hart und kalt wie ein zugefrorener Wintersee. „Das war ihm eine verdammte Lehre. Dieser aufgeblasene, arrogante-“ Nachdem Zelda verstanden hatte, dass es nicht ihr Vater war, den er verfluchte, atmete sie ein wenig auf. „Also gibt er nichts auf die Gerüchte?“ Es erstaunte sie selbst, wie nüchtern sie klang. Doch sie musste wissen, wie ihr Vater reagiert hatte. Sie musste wissen, ob Link in Gefahr war. Oder ob die Gefahr bestand, dass er als ihr Leibwächter degradiert werden würde. „Nein, Zelda“, Link klang nun ruhiger. Beruhigend. Er sah sie eindringlich an. Die harte Linie seiner Schultern entspannte sich ein wenig. „Er kennt dich. Er weiß, dass du eine Lady bist. Er hat deine Tugend nicht in Frage gestellt. Er ließ verlauten, dass er erwartet, nie wieder von diesem Gerücht zu hören. Und er schickt meinen Vater auf eine diplomatische Mission zu den Gerudo und mich zu Mipha.“ Zelda hatte die Hälfte dessen, was er gesagt hatte kaum gehört. Ein schrecklich lauter Puls hatte angefangen in ihren Ohren zu pochen. Ihr Vater hatte die Gerüchte zurück gewiesen. Link war nicht in Gefahr. Link würde bei ihr bleiben. Als diese albtraumartige Möglichkeit sich verzogen hatte, ritten die anderen Gedanken in die Menagerie ihres aufgewühlten Verstandes. Hier stand sie. Und unterhielt sich mit Link über das Gerücht, dass zwischen ihnen etwas Unschickliches vorgefallen sein sollte. Mit einem Mal traf die Scham Zelda mit der Stärke eines Eisenhammers. Fast taumelte sie unter dem Gewicht der Anschuldigungen. Und dem furchtbaren unehrlichen Gefühl, die Welt zu betrügen. Konnte sie hier stehen und ihre Ehre, ihre Tugend verteidigen lassen, wenn sie eigentlich wünschte, dass die Gerüchte wahr wären? Zelda schluckte, um die Verengung in ihrer Kehle los zuwerden. Trocken räusperte sie sich. „T-tut es weh?“, krächzte sie und verzog das Gesicht, als sie ihre Stimme hörte. Es war das zweite Mal, dass er ihretwegen verletzt worden war. Nie hatte sich Zelda so sehr gehasst, wie in diesem Moment. Ein weicher Ausdruck huschte über Links Züge. „Nein“, sagte er leise. „Kaum. Es geht mir gut. Mach dir keine Sorgen.“ Er musste etwas in ihrem Gesicht sehen, was ihn dazu veranlasste, die wenigen Schritte zwischen ihnen zu überbrücken. Doch Zelda konnte das nicht zu lassen. Selbst wenn ihr Vater befohlen hatte, dass kein Wort des Verdachts gegen sie und Link erhoben werden sollte, so hieß das nicht, dass die Augen nicht aufmerksamer blicken würden, also ohnehin schon. Sie trat einen Schritt zurück. Dann noch einen. Bis Link stehen blieb. Er verstand ihre Geste und presste die Lippen aufeinander. Fluchte auf dieselbe unverständliche Weise vor sich hin wie gerade eben. Zelda atmete tief ein. Dann aus. Versuchte sich zu erden. Irgendwie Halt zu finden. Seine rohen Worte verunsicherten sie aus so vielen Gründen noch mehr. „Es tut mir leid“, sagte Link leise. Und sah mit einem so leeren Blick zu Boden, dass sie am liebsten wieder auf ihn zu gegangen wäre. Ihn in ihre Arme gezogen hätte. Nicht weil sie sich danach verzehrte. Sondern weil sie ihn trösten wollte. Doch natürlich tat sie es nichts. „Rede keinen Unsinn“, erwiderte sie forsch. Sie spürte, wie ihre Mundwinkel sich nach unten ziehen wollte. Zelda verhärtete sie gegen die Bewegung. „Es ist furchtbar, dass man dich so entehrt hat. Dein Vater sollte dich besser kennen. Und das hier“, sie deutete auf seinen Arm, „werde ich ihm nie verzeihen. Nie!“ Ihre letzten Worte schienen Link zu belustigen. „Vielleicht solltest du mit solchen Zukunftsvorhersagen vorsichtig sein, Prinzessin. Der alte Haudegen kann ziemlich charmant sein.“ Die Zuneigung in Links Stimme irritierte sie. Konnte es sein, dass er seinem Vater den Streit, den Kampf nicht übel nahm? „Er hat dich verletzt“, stellte sie unnötigerweise fest. „Seinen eigenen Sohn.“ Link zuckte mit den Schultern. Schien das tatsächlich nicht besonders eng zu sehen. „Das war keine Absicht. Und ich habe ihn zuerst angegriffen. Hätte er sich nicht verteidigt, hätte ich den Respekt vor ihm verloren.“ Fassungslos starrte Zelda ihn an. Nicht zum ersten Mal bekam sie das vage Gefühl, dass Männer in einer ganz anderen Welt lebten. Eine, in der vollkommen andere Regeln herrschten. Andere als in der Welt, in der Männer und Frauen gemeinsam verkehrten. In dieser war es eine abscheuliche Tat den eigenen Sohn zu bekämpfen. Doch für Vater und Sohn isoliert, schien es ganz andere Maßstäbe dafür zu geben. Ein Moment des Schweigens verging, in dem Zelda relativ schnell aufgab, die seltsame Beziehung der beiden Ritter verstehen zu wollen. Also wechselte sie stattdessen das Thema. „Ich werde Mipha schreiben“, sagte sie und war schon im Inbegriff sich umzudrehen, als Link sie aufhielt. „Nicht nötig“, meinte er. „Ein Bote ist schon mit einer Nachricht auf dem Weg zu ihr. Ich werde sofort aufbrechen. Ich wollte dir nur Bescheid geben. Und mich verabschieden.“ Das beunruhigende Gefühl vor vollendete Tatsachen gestellt worden zu sein überkam sie. Unruhig betrachtete sie ihn. Zelda wollte nicht, dass er ging. Nicht nachdem was sie gerade erfahren hatte. Sie wollte ihn sicher und wohlauf wissen. Ohne belastende Gerüchte. Ohne die Gefahr, die ihre unbewussten Gesten der Zuneigung für ihn darstellten. Sie krallte ihre Fingernägel in das Fleisch ihrer Handballen, um die Tränen zu unterdrücken, die kurz davor waren über ihre Augen zu treten. „Wann wirst du zurück sein?“, fragte sie mit stockender Stimme. „Je nach dem“, antwortete Link. Woher sollte er es auch wissen. „So schnell wie möglich. Ich verspreche es.“ Zelda nickte. „Fado wird so lange meinen Platz einnehmen“, sagte er mit sanfter Stimme. Für einen Moment wusste sie nicht, wovon er sprach. Fado. Sein Vetter. Wie immer verstand Link nicht, dass es nicht ihre Sicherheit war, die sie aufwühlte. Doch es war wichtiger denn je, dass sie ihn in diesem Glauben ließ. Es war Zeit sich zusammen zu reißen. Noch einmal nickte sie. „In Ordnung also. Werde gesund, Sir Link.“ Links Lächeln blitzte durch den Schatten. Er verbeugte sich knapp. „Jawohl, Euer Hoheit.“ „Grüß Mipha von mir“, bat Zelda und Link neigte den Kopf, lächelte mit gesenktem Kinn zu ihr auf, immer noch ein kleines Lächeln auf den Lippen. „Prinzessin.“ Dann schwang er sich über die Brüstung und verschwand in der Dunkelheit. Mit sofortiger Wirkung fühlte Zelda seine Abwesenheit. Dabei verbrachten sie im Schloss nie viel Zeit miteinander. Aber es war das erste Mal, dass er wirklich fort war, seit er sie vor Yiga gerettet hatte. Seit dem war er immer in der Nähe gewesen. In Sichtnähe. Mit der Ausnahme von kurzen Zeitperioden. Und nachdem sie einen Tag so hatten verbringen können, wie sie es sonst nur konnten, wenn sie frei im Land herumreisten, war es besonders schwer ohne ihn auszukommen. Ein Schauer durchfuhr Zelda, während sie in die Nacht hinaus starrte. Ein Tag und wozu hatte das geführt … Nicht auszumalen, was geschehen würde, wenn Zelda diese Anschuldigungen zur Wahrheit machen würde. Niemals durfte das geschehen. Niemals. Kapitel 13: Kapitel 13 ---------------------- Als Zelda die Augen aufschlug, fühlte sich alles anders an. Es war keine dramatische Veränderung. Die Farben sahen nicht anders aus und die Luft roch genauso wie immer. Es war ein schleichendes Gefühl, eine tiefe Gewissheit, die sie bereits in ihren Träumen begleitet hatte. So würde es sich also anfühlen. So würde es sich anfühlen, wenn Link nicht mehr Teil ihres Lebens wäre. Zelda musste all die inneren Reserven ihrer Willenskraft beschwören, um die Decke von ihrem starren Körper zu schieben und die Füße auf den Boden zu stellen. Ihr war, als würde sie sich seltsam verlangsamt bewegen. Unsichtbare Seile hielten ihre Gliedmaßen, ihren Geist eingeschnürt und sie musste sich anstrengen, um dem Drang der Lethargie nicht anzugeben. Vielleicht war es albern. Er war nur für einige wenige Tage fort. Und der Grund dafür von äußerster Wichtigkeit. Doch es war, als hätte er irgendetwas mit in Reich der Zora genommen, das Zelda zum Leben brauchte. Als fehlte nicht nur ihr Leibwächter, sondern in lebenswichtiges Teil ihres Körpers. Eine Schraube. Ein Zahnrad. Auch das Gebet an diesem Morgen konnte die Leere in ihrem Inneren nicht füllen. Sie erhielt ein wenig Lebenskraft zurück, eine Frische, die sie durchfuhr und die Lethargie ein wenig vertrieb. Aber das konnte genauso gut an der Morgenluft liegen. Vielleicht hatte sie sich ihre spirituellen Fortschritte nur eingebildet. Oder sie konnte diesen speziellen Pfad zur Göttin nur einschlagen, wenn Link in der Nähe war. Die Vermutung ergab Sinn. Link war ein Kind Farores. Ein Kind des Mutes. Und Zelda hatte die erste starke Veränderung an der Quelle des Mutes gespürt. Mit Link hinter sich. Zelda seufzte und erhob sich mit der Schwerfälligkeit einer alten Frau aus ihrer knienden Position. Für einen Moment verharrte sie an der Wehrmauer. Tat einige Schritte hinaus in die Morgenluft und betrachtete das Geschehen vor dem Torhaus. Die Wachen am Wall. Die wehenden Fahnen. Ihr Blick fiel auf die Gestalt eines Ritters in hylianischer Rüstung. Das Metall schimmernd im frühen Sonnenlicht, ein glänzendes Schild auf dem Boden, neben sich abgestellt. Wegen Helm und Federbusch konnte Zelda sein Gesicht nicht erkennen, aber da der Ritter so nah am Aufgang zu ihrem Turm stand, konnte es nur Fado sein: Links Vetter. Kurz zitterten ihre Mundwinkel. Dann raffte sie ihr Gewand und kehrte in ihr Gemach zurück, wo man ihr bereits ein Frühstück aus Früchten und Honigbrot aufgetan hatte. Zelda versuchte sich vor Augen zu halten, dass Link kaum eine Ewigkeit fort sein würde. Wahrscheinlich wäre er in wenigen Tagen wieder hier. Es gab überhaupt keinen Grund in tiefer Melancholie zu versinken. Nur dass es nicht allein das war. Es war nicht nur seine Abwesenheit. Es waren die Umstände derselben. Die Gerüchte. Sie hatte Link in reale, akute Gefahr gebracht. Und sie fühlte sich nicht nur schrecklich schuldig, sondern auch auf ungeahnte Weise niedergeschlagen. Deprimiert wie nie zuvor. Wie sollte sie sich in Zukunft davon abhalten aus Versehen so zu handeln, dass es für fremde Augen verdächtig aussah? Sie hatte vage Vorstellungen davon, was schicklich und was unschicklich war. Sie wusste um die grundlegenden Vorgänge zwischen Mann und Frau. Aber eigentlich würde sie nie wirklich wissen, ab wann man ihrem Verhalten etwas anhängen konnte, das die Gerüchte verdiente. Sie wusste nicht, was sie nicht tun durfte, wenn sie keinen Verdacht erwecken wollten. Bis auf grundlegende, vage Vorstellungen, war Zelda unwissend wie ein Neugeborenes. Zumindest was die wirklichen Vorgänge betraf. Die Feinheiten der Beziehung zwischen Mann und Frau. Natürlich, es war offensichtlich, dass es keine Küsse, keine Umarmungen geben durfte. Aber was war mit den anderen Tausenden von Möglichkeiten dazwischen? Um ganz sicher zu sein, würde Zelda Link mit absoluter Distanziertheit begegnen müssen. Der Gedanke war deprimierend. Und wahrscheinlich auch unmöglich. Was das ganze Rad wieder zum Drehen brachte. Sie musste mehr darüber erfahren, wie sie sich verhalten sollte. Außerdem fühlte es sich für sie absolut unerträglich an, in einem Gebiet so furchtbar wenig zu wissen. Sie kannte die Spielregeln nicht. Wusste nicht um die Verbote. Sie war vollkommen blind in einer Welt aus Fallen. Entschlossen warf Zelda das Tuch, mit dem sie sich gerade die Mundwinkel betupft hatte, auf das Holzbrett mit den Speisen zurück. Sie würde etwas unternehmen müssen. Damit sie bei Links Rückkehr ganz genau wusste, wie sie ihn vor ihren eigenen Gefühlen schützen konnte. Zelda öffnete die Tür ihres Gemachs und streckte den Kopf heraus. Der Ritter der draußen Wache hielt, zuckte ein wenig zusammen. „Guten Morgen, Soldat“, begrüßte Zelda ihn. Der Ritter antwortete mit einer tiefen Verbeugung. „Bitte gib Nachricht an Mina. Sie soll sich bei mit einfinden.“ Der Ritter nickte stumm, ein wenig perplex, denn sonst steckte Zelda weder den Kopf aus der Tür heraus, noch ließ sie nach ihren Hofdamen rufen. Doch bevor er hätte etwas erwidern können, zog sich Zelda in ihr Gemach zurück. Dort wartete sie ungeduldig. Flocht sich das Haar und trank einen Becher Wasser. Setzte den königlichen Reifen auf ihr Haupt und rückte ihn bestimmt zehn Mal in eine andere Position, bis sie mit ihrem Spiegelbild zufrieden war. Ein Versuch so gefasst wie nur möglich auszusehen. Für das Gespräch das sie führen musste benötigte sie jedes Hilfsmittel. Und es war wichtig, dass sie dabei königlich und absolut unantastbar aussah. Nicht zu vergessen tugendhaft.   Mina betrat das Zimmer nicht lange nachdem Zelda nach ihr geschickt hatte. Dennoch hatte sie in der Zwischenzeit begonnen eine Korrespondenz von Purah zu beantworten, die immer mehr Fortschritte mit der sonderbaren, antiken Höhle auf dem Plateau machte. Die Shiekah waren ins Innerste des alten Schreins vorgestoßen und hatten einen so spektakulären Fund gemacht, dass Zelda lange darüber hatte nachdenken müssen. Anscheinend gab es dort eine antike Einrichtung, die zur Heilung gedacht war. Ein Wunderwerk der Technologie, das Verletzungen behandeln konnte. Zelda wollte Purah ein paar Fragen dazu stellen und hatte begonnen den Brief zu verfassen, um sich die Wartezeit bis zu Minas Eintreffen zu verkürzen. „Ihr habt mich rufen lassen, Prinzessin?“ Mina klang etwas atemlos. Entweder weil sie hier her gerannt war, oder der Grund der Vorladung sie besorgte. „Ja“, antwortete Zelda und richtete sich aus der gekrümmten Haltung auf, in der sie über ihren Tisch gebeugt an dem Brief geschrieben hatte. „Ja“, wiederholte sie, nun, da Mina tatsächlich vor ihr stand, ein wenig unsicher, wie sie das Gespräch beginnen sollte. „Setz dich doch!“ Zelda wies auf die kleine Sitzgruppe aus gepolsterten Stühlen, die in der Mitte des Raumes standen. Mina betrachtete erst die Stühle, dann Zelda mit einer hochgezogenen Augenbraue. Es kam selten vor, dass Zelda ihre Hofdamen zum Bleiben aufforderte. Geschweige denn zum Sitzen. „Gut“, antwortete Mina deswegen in einem Tonfall vorsichtiger Skepsis und nahm auf einem der tiefen Sessel Platz. Sie presste ihre Knie aneinander und legte sorgfältig beide Hände darauf ab. Ordnete ihr Kleid und sah dann erwartungsvoll zu Zelda hinauf. Zelda betrachtete kurz die elegante Haltung ihrer Hofdame. Wie sehr sie sich auch anstrengte, diese Art sanftmütige Stille hatte sie selbst nie so gut präsentieren können. Minas Augen folgten ihr durch den Raum, als Zelda in die Nähe der Sessel trat. Sie hatte die Hände vor ihrem Körper gefaltet, bemüht darum selbstsicher und souverän zu wirken. „Ihr seid dafür da, mir in allen Fragen zur Seite zu stehen“, begann sie, nachdem sie einen tiefen Atemzug genommen hatte. Mina schien von der Aussage überrascht. Auf ihrem Gesicht zeigte sich ein Ausdruck milder Freude. „Ja, Prinzessin“, Mina neigte den Kopf in einer Geste von selbstzufriedenem Stolz. Es kam nicht häufig vor, dass Zelda die Anwesenheit ihrer Hofdamen positiv bewertete. Wahrscheinlich wollte Mina den Moment nutzen und in dem Gefühl schwelgen. „Es ist unsere Aufgabe, darauf zu hoffen, Euch mit unserer ganzen Weisheit Hilfe und Stütze sein zu können.“ Zu Minas sonst staubtrockenem Tonfall – eine Reaktion auf Zeldas ungeduldiger Gleichgültigkeit ihr gegenüber – mischte sich eine warme Note. Dann schwieg die Hofdame und eine kleine Falte bildete sich zwischen ihren zarten Augenbrauen. „Obwohl Eure Fragen schon vor langer Zeit für uns unbeantwortbar wurden.“ Mina starrte auf den Tisch vor ihr. Ihre Stirn runzelte sich noch stärker. „Wahrscheinlich könnt ihr unsere Fragen mittlerweile sogar weit erfolgreicher beantworten, als wir die Euren.“ Zelda blinzelte. Ihre Hofdame betrachtete immer noch die Tischplatte vor ihr. Sie wirkte ganz so, als wäre ihr dieser Gedanke das erste Mal gekommen. „Nun“, sagte Zelda ein wenig ungeduldig, nachdem Mina nach einiger Zeit immer noch nicht aufgesehen hatte. „In diesem Fall denke ich, dass du mir durchaus helfen kannst.“ Zelda hob ihr Kinn und stählte sich gegen die Röte, die ihren Hals hinauf kroch. Sie würde sich nicht schämen. „Meine Fragen sind … delikater Natur“, gestand sie und verstärkte den Druck ihrer Hände, um sich ein wenig mehr Halt zu geben. „Oh“, machte Mina und für einen kurzen Moment wurde es in ihrem Gesicht ganz weich. Dann setzte sie einen wissenden Blick auf. „Macht Euch keine Sorgen, Prinzessin. Eure Monatsblutung war nur einige Tage zu spät. Ihr seid noch in einem zarten Alter, in dem die Dinge oft noch nicht ganz rund laufen. Und Ihr steht unter einer Menge Druck, Ihr-“ „Nein, darum geht es nicht“, unterbrach Zelda sie ungeduldig und unterdrückte das Verlangen die Augen zu verdrehen. Also wirklich. Nicht nur, dass sie das Rätsel der monatlichen Blutung längst gelöst hatte. Minas Vermutung deutete auch noch darauf hin, dass Zelda viel zu wenig Privatsphäre hatte. Nicht einmal den Zustand ihrer Unterwäsche konnte sie für sich behalten. Mina schwieg, einen kleinen Knoten zwischen den Augenbrauen. „Worum geht es?“, fragte sie in resolutem Ton, die Schultern gestrafft. Gewillt, sich von nichts aus der Ruhe bringen zu lassen. „Nun“, begann Zelda erneut. „Ihr seid mir der weibliche Rat, der Teil in meinem Leben, der mir die Mutter ersetzen soll. So gut es geht.“ „Oh, Prinzessin. Niemand kann Euch die Mutter ersetzen. Aber wir versuchen Euch zur Seite zu stehen. Mit Gesellschaft. Und Rat. Wann immer ihr es brauchen solltet.“ Zelda schluckte. Sie tat einen Schritt auf die Sitzgruppe zu und strich mit den Fingern ihrer rechten Hand über eine der Stuhllehnen. Das Holz war kühl an ihrer Haut. Glatt und hart zugleich. „Ich dachte die Verbindung zwischen Mann und Frau sei mir klar“, begann Zelda zögerlich, die Augen nach unten gerichtet. „Ein Band, durch Liebe geknüpft, aus dem, zum rechten Zeitpunkt, Kinder hervorgehen können.“ Sie warf Mina einen schnellen Blick zu. Ihre Hofdame hatte ihre Hände in die schweren Stoffbahnen ihres Kleides gekrallt und war scheinbar mitten in einem Atemzug erstarrt. „Und mir ist der Akt, der dazu führt im physiologischen Sinne logisch“, fuhr Zelda wesentlich unsicherer als vorher fort. Vielleicht war das hier doch keine so gute Idee. „Aber … in der letzten Zeit … haben sich Fragen aufgetan.“ „Was für Fragen?“, fragte Mina mit strenger Stimme. Sie klang wie einer der Offiziere, wenn die Ritter auf dem Exerzierplatz übten. Zelda begann, an ihrer Unterlippe zu kauen. Ihre Hand fand die Triforce Brosche oberhalb ihrer Taille und krallte sich daran fest. „Ich dachte immer Küsse, Umarmungen, all das sei... sehr romantisch.“ Sie gestikulierte mit der freien Hand in der Luft. „U-und der Zeugungsakt dagegen, an sich recht … nun... eher praktischer, schneller Natur. Wie bei den Schafen und Hunden im Frühling.“ Zelda schluckte und kratzte sich an der Wange. „Doch nun bin ich mir nicht mehr sicher. Es haben sich Fakten aufgetan-“ „Prinzessin“, unterbrach Mina Zelda laut. Auf den Wangen der Hofdame hatten sich rote Flecken gebildet und ihr Atem ging hektischer. Alles in einem wirkte sie ein wenig panisch. Fasziniert verstummte Zelda. Mina wirkte nie irgendwie anders als absolut kontrolliert. Wahrscheinlich fragte sie sich, was geschehen war, um diese Fragen aufzuwerfen. Und sie dachte wohl an das Schlimmste. Mit dem Hintergrund der aktuellen Gerüchte, die vielleicht, vielleicht auch nicht die Ohren der Hofdamen erreicht hatten, machte das Zelda ein wenig nervös. „Da Ihr mir als Schützling an die Hand gegeben wurdet, fühle ich mich verpflichtet Euch daran zu erinnern, dass eine Prinzessin einem anderen Handlungskodex unterworfen ist als das normale Bauernmädchen.“ Minas Rücken war steif wie ein Besenstiel, noch gerader als vorher und jedes ihrer Worte wurde von einer hackenden Handbewegung begleitet. Als würde sie Zelda eine Lektion einhämmern wollen. Die Hofdame atmete tief ein. Schien ein wenig Ruhe in diesem Ritual finden zu können, denn danach konnte sie Zelda das erste Mal wieder in die Augen sehen. „Ohne Euch zu nahe treten zu wollen, Prinzessin. Aber ist etwas vorgefallen, dass dieses … dieses Interesse ...“ Mina stockte, wortlos ob der delikaten Situation. Zelda strich sich mit der Hand über ihr geflochtenes Haar. „Keine Sorge, Mina. Ich habe nichts getan, das unschicklich ist. Und ich habe es nicht vor. Meine Fragen sind rein akademischer Natur.“ Mina schien sich ein wenig zu entspannen. Dennoch blieben Haltung und Gesicht sichtlich skeptisch. Zeda sollte sich wegen des mangelnden Vertrauens beleidigt fühlen. Sie verzog das Gesicht. Mina schien es nicht zu bemerken, denn sie starrte irgendwo in die Luft. Wirkte nachdenklich. Eine Weile geschah gar nichts, außer dass Zelda versuchte sich in Geduld zu üben. „Wenn das so ist, Prinzessin“, begann Mina, nachdem unendlich viel Zeit vergangen war – zumindest für Zeldas aufgereiztes Empfinden – und ihre Stimme senkte sich zu einer vertraulicheren Tonlage, „dann ist es wohl an der Zeit, Euch ein Buch zukommen zu lassen.“ Zelda horchte auf. Fragend runzelte sich ihre Stirn. Winkelte ihren Kopf ein wenig zur Seite. „Das mit der Königin und ihren drei Söhnen?“ Mina blinzelte und ihr Blick fand wieder zurück, begegnete Zeldas mit großen braunen Augen, die einfach nur perplex drein schauten. Für einen Augenblick konnte Zelda sehen, dass ihre Hofdame eigentlich noch eine recht junge Frau war. Die Aura unantastbarer Würde, die sie für gewöhnlich umgab, ließ sie nur wesentlich älter wirken, als sie eigentlich war. „Nun“, sagte Mina und nickte einige Male langsam mit dem Kopf, „ja.“ Sie öffnete den Mund, um erneut zu sprechen, doch die Worte schienen den Weg aus ihrer Kehle nicht zu finden. Und so erstarrte sie in einer komisch anmutenden Pose. Mit schräg gelegtem Kopf, geöffnetem Mund und zusammen gezogenen Augenbrauen, den Blick überlegend zur Decke gerichtet. „Hm“, machte Zelda und winkte ab. Begann wieder vor ihrem Bett auf und ab zu gehen. „Das kenne ich schon.“ Mina schloss ihren Mund und stürzte die Lippen. Sah immer noch die Decke an. Sie schien scharf nachzudenken. Dann durchfuhr sie ein merklicher Ruck. Sie wandte ihren Blick wieder Zelda zu. Mit einem entschlossenen Ausdruck auf dem Gesicht. Man musste es ihr lassen. Sie gab sich große Mühe gefasst und professionell zu wirken. Vielleicht zollte Zelda ihren Hofdamen nicht genügend Respekt. Es war deutlich, dass Mina mit der Situation Schwierigkeiten hatte, aber sie hatte sich nicht von Zelda abgewandt. Sie nicht mit oberflächlichen Phrasen abgespeist und auch nicht die Stimme, oder den Zeigefinger zur Predigt erhoben. Sie versuchte ernsthaft, eine Hilfe zu sein. Eine jähe Welle der Zuneigung für diese strenge Frau mit der staubtrockenen Art überkam Zelda. Sie nahm sich vor, ihren Hofdamen in Zukunft nicht nur mit mehr Respekt, sondern auch mit mehr Geduld zu begegnen. Mit mehr Dankbarkeit. „Dann“, sagte Mina und holte Zelda aus ihrer Selbsterkenntnis, „werde ich Euch ein anderes zukommen lassen.“ Mina schluckte. „Da Ihr die … Grundlagen bereits gemeistert zu haben scheint.“ Zelda blieb stehen. Ihr Interesse war geweckt. „Was für ein Buch?“, fragte sie neugierig. Mina strich sich mit beiden Händen über ihr von Stoff verhülltes Haar. Glättete die kleinen Fältchen und ordnete ihre aufgewühlte Aura. Danach schien sie zu ihrem normalen, gefassten Selbst zurückgefunden zu haben. „Eines, um das Ihr mir dankbar sein werdet“, antwortete sie trocken und erhob sie in einer eleganten Bewegung. „Und für das Mistress Ires mich erwürgen wird, sollte sie jemals heraus finden, dass ich es Euch gegeben habe“, fügte sie düster hinzu. Dann schenkte sie Zelda eines ihrer seltenen Lächeln. „Ich werde es Euch selbst vorbei bringen. Noch heute.“ Ein Hauch von Wärme schwang in ihrer sonst so strengen, trockenen Stimme mit. Eine Wärme, die Zelda berührte und sie ebenfalls Lächeln ließ. „Ich danke dir, Mina.“   Ihre Hofdame verließ das Gemach ohne viel weitere Worte und Zelda verbrachte die Wartezeit damit, den Brief an Purah zu Ende zu verfassen und in ihrem Forschungsjournal die Fortschritte mit der Entdeckung am Plateau niederzuschreiben. Als sie aus ihrem Labor zurückkehrte, fand sie eine Nachricht von ihrem Vater vor. Eine der Wachen musste sie unter der Tür hindurch geschoben haben. Von Mina und dem versprochenen Lesematerial gab es keine Spur. Seufzend las Zelda die Nachricht. Ihr Vater verlangte ihre Anwesenheit. Und sie konnte sich nur zu gut vorstellen, worüber er mit ihr zu sprechen hatte. Sie beschloss den Weg über das Schlossgelände zum Thronsaal zu nehmen. Am Fuße der Treppe begegnete sie Fado, der sie mit einer galanten Verbeugung begrüßte, aber ansonsten vollkommen still blieb. Zelda antwortete mit einem Nicken und einem Lächeln, das sich ein wenig künstlich anfühlte. Es war seltsam, andere Schritte hinter sich zu hören. Nicht Links leichten, schnellen Gang. Fado ließ ihr viel Raum. Er lief weiter hinter ihr, als Link es anfangs getan hatte, bevor er begonnen hatte, neben ihr, statt hinter ihr zu laufen. Sie vermisste ihn. Auch wenn er noch nicht einmal einen Tag fort war. Zelda schob die heutige Rührseligkeit auf ihre monatliche Blutung.   Der König erhob sich bei Zeldas Ankunft und kam ihr zur Begrüßung entgegen. Er empfing ihren Kuss mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck und deutete ihr dann an, zwischen die Säulen nach draußen zu gehen. „Es ist eine Weile her, dass wir Gelegenheit hatten zu sprechen“, begann ihr Vater nachdem sie eine Weile in einvernehmlichem Schweigen über die blitzenden, dunkelblauen Dächer der Stadt geblickt hatten. „Du warst sehr beschäftigt, meine Tochter.“ Es war ein unschuldiger Satz. Eine unschuldige Aussage. Trotzdem ließ etwas darin Zeldas Nackenhaare zu Berge stehen. Sie leckte sich nervös über die Unterlippe und warf ihrem Vater einen schnellen Blick zu. Der König hatte die Hände hinter den Rücken gefaltet und sah geradeaus, auf die Ebene hinaus. Das Kinn erhoben. Es war Zeldas jahrelanger Erfahrung, die die Missbilligung in seinen Worten hörte und aus seinem Habitus herauslesen konnte. „Ich gehe meinen Pflichten nach“, antwortete sie knapp, versuchte sich ihre Anspannung und den aufkeimenden Unmut nicht anmerken zu lassen. Versuchte, nicht rechtfertigend zu klingen. „So, tust du das …“ Es war keine Frage. Es war ein Infragestellen. Mit der Absicht Schuldgefühle in ihr zu wecken. Zelda atmete tief ein. „Vater, ich-“ „Nein“, unterbrach der König sie, bevor Zelda sich erklären konnte. Ihm verständlich machen konnte, dass sie ihr Möglichstes tat. Ihr Bestes. Dass es nicht mehr gab, was sie tun konnte. Dass sie Fortschritte machte. Aber unter dem strengen Blick, mit dem er sie bedachte zerbröselten ihre Worte zu feinem Staub. Eine urplötzliche Erschöpfung kam über sie und ihr Schultern sanken nach vorne. „Das wird ein Ende haben. Dieses ziellose Umherstreifen. Die Ablenkungen.“ Der König erhob nicht die Stimme. Das brauchte er gar nicht. Aus seinem Ton sprach so viel stille Autorität. So viel ruhige Zurechtweisung, dass Zelda ein leichtes Zittern durchfuhr. Nicht wirkliche Angst, aber irgendeine Vorstufe davon. „Wenn ich gewusst hätte, dass du die Erforschung der Relikte als Ausrede benutzen würdest, um deinen wahren Pflichten den Rücken zu kehren, hätte ich nie erlaubt, dass du dich damit befasst.“ Die schiere Ungerechtigkeit seiner Aussage ließ Zelda erbleichen. Sämtlicher Atem entwich ihrer Brust und sie hatte für einen kurzen Moment das Gefühl zu ersticken. Ihren Pflichten den Rücken kehren? Das dachte er von ihr? Fassungslos öffnete sie den Mund. Riss die Augen auf und schüttelte den Kopf. Wollte etwas erwidern. Die Dinge richtig stellen. Wollte sagen, dass sie beinahe pausenlos betete. Dass sie tieferer in Trance versinken konnte, als je zuvor. Dass sie sich so sehr auf ihre spirituellen Übungen konzentrierte, dass sie davon träumte. Aber ihr Vater schnitt ihr mit einer knappen Geste das Wort ab, bevor sie etwas sagen konnte. „Nein“, fuhr er sie an. Immer nur gefährlich ruhig. „Es ist schlimm genug, dass du deine eigenen Pflichten vernachlässigst. Aber dass du einen ehrbaren, disziplinierten und loyalen Ritter dadurch der Schande aussetzt, geht zu weit. Ich habe jetzt keine Geduld mehr.“ Zelda schloss ihren immer noch geöffneten Mund. Scham fuhr ihr in heißen Wellen durch den Körper. Daher wehte also der Wind. Link. Es sollte sie nicht überraschen, dass ihr Vater mit unbeirrter Präzision zur Basis der Gerüchte vordrang. Zelda schluckte. Der König konnte unmöglich verstehen, wie es wirklich in ihr aussah. Wie immer kam er auf seine ganz eigenen Schlussfolgerungen. Aber spielte das eine Rolle? Es entsprach der Wahrheit. Zu einem gewissen Teil. Sie brachte Link mit ihrem Verhalten in Gefahr. Gedemütigt und verletzt zog sie sich in einen hinteren Ort ihres Geistes zurück. Fuhr die Schutzgitter ihrer Seele hinunter, um die Ungerechtigkeit der Worte besser aushalten zu können. Nicht unter der Erniedrigung, der Hoffnungslosigkeit in die Knie zu gehen. Sie reckte ihr Kinn in die Höhe. Straffte die Schultern und ballte ihre Hände zu Fäusten. Eine Haltung, die sie lange nicht eingenommen hatte. Es war bezeichnend für die Beziehung zu ihrem Vater, dass sie es nun, in seiner Gegenwart, wieder tat. „Die Erforschung der antiken Technologien ist bedeutend für unseren Sieg gegen die Verheerung Ganon“, begann Zelda mit hohler Stimme. Sie klang ruhig und gefasst, aber auch vollkommen leer. Wenigstens zitterte ihre Stimme nicht. Anders als ihre Hände. „Unsere Vorfahren wussten das“, fuhr sie fort, als ihr Vater noch keine Anstalten machte sie zu unterbrechen. „Und es ist meine Pflicht als Prinzessin Hyrules, das Wohlergehen meines Volkes an-“ „Zelda“, fuhr der König ihr ins Wort und mit einem schnaubenden Ausatmen verstummte sie. „Wir haben darüber gesprochen. Beleidige nicht meine Intelligenz, in dem du mir weiß machen willst, du würdest dich nicht erinnern.“ Seine Stimme klang so hart, dass Zelda zusammenzuckte. Der König atmete tief ein. Dann glätteten sich die Falten auf seiner Stirn ein wenig. „Mir ist die Wichtigkeit der antiken Technologien durchaus bewusst. Ich war es, der noch vor deiner Geburt die Shiekah mit deren Erforschung betraut hat. Aber unsere Vorfahren wusste genauso gut wie wir heute, deine oberste Pflicht als Prinzessin Hyrules ist es, war es und wird es immer bleiben, die Siegelkräfte zu erwecken.“ Er klang jetzt wesentlich ruhiger. Weicher. Die aufkeimende Wärme in seiner Stimme löste eine schreckliche Sehnsucht in Zelda aus. Das Verlangen sich an seine starke, väterliche Brust zu werfen. Ihm all ihr Leid zu klagen. Ihn um Verzeihung zu bitten. Sie tat doch schon, was sie konnte. Wenn sie wüsste, was sie ändern, was sie mehr tun könnte, dann würde sie es tun. Ohne zu zögern. Aber sie wusste es nicht. Niemand wusste das. Wieso konnte er das nicht verstehen. „Ich weiß“, antwortete Zelda stattdessen und rang das Verlangen nieder. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie der König bei ihrem leeren Blick und der emotionslosen Stimme lautlos aufseufzte. „Ich tue das nicht gerne, glaub mir“, sagte er nach einer Weile und suchte ihren Blick. Zelda sah an ihm vorbei ins Nichts, unfähig ihm in die Augen zu schauen. Sie fürchtete, sie würde dann in Tränen ausbrechen. Und das wäre nur ein weiteres Zeichen für ihren Vater, dass sie sich nicht unter Kontrolle hatte. Dass sie nicht wusste, wo ihr Platz war und wie sie ihn auszufüllen hatte. Das konnte sie nicht zulassen. Würde sie nicht zulassen. „Aber du wirst die Forschungsarbeit einstellen und dich mehr auf deine Gebete konzentrieren. Es gibt keinen anderen Weg.“ Bei seinen Worten fühlte Zelda, wie bodenlose Hoffnungslosigkeit sie zu ertränken drohte. Sie stählte ihren ganzen Körper gegen das Gefühl, ließ ihr Gesicht zu einer emotionslosen Maske erstarren, während sie sich innerlich vor Schmerz und Gram zusammenkrümmte. „Verlangt Ihr sonst noch etwas von mir, mein König?“, fragte sie ihn mit leerer Stimme. Erneut seufzte ihr Vater schwer auf. Etwas in seinen blauen Augen wurde weich und Zelda musste alles an geistiger Kraft auffahren, um nicht auseinanderzubrechen. Sie musste hier weg. „Zelda“, sagte er Vater mit sanfter, leiser Stimme. Eine unausgesprochene Bitte in der Stimme. Sei nicht so. Versteh mich doch. Ich bin nicht nur dein Vater. Ich bin der König. Zelda wusste das. Zelda verstand das. Aber das machte nichts leichter. Gar nichts. „Mit Eurer Erlaubnis, werde ich mich jetzt zurück ziehen.“ Ihr Vater nickte stumm. Er wirkte nun nicht länger wie der große, stolze König Rhoam. Sondern wie ein alter, von Sorge gekrümmter Mann. Und hätte Zelda nicht mit ihrem eigenen Schmerz kämpfen müssen, hätte sie sicherlich nicht ihr Herz vor ihm verschließen können. Doch die Dolche seiner Worte steckten noch immer in ihrer Seele, und auch wenn sie es nicht wollte, konnte sie ihm in diesem Moment nicht vergeben. Sie erwiderte das Nicken mit so viel Würde, wie sie aufbringen konnte, dann wandte sie sich zum Gehen. „Zelda“, rief ihr Vater ihr hinter her, nachdem sie ein paar Schritte gegangen war. Sie blieb stehen, drehte sich jedoch nicht nach ihm um. „Ich möchte, dass du von nun an beim Abendessen in der Halle erscheinst. Der Hof hat ein Recht auf deine Anwesenheit. Keine Ausreden mehr.“ Ohne zurück zu sehen oder zu antworteten, ging Zelda davon.   Es war ein Wunder, dass ihre Schritte keine Funken in die Luft aufsteigen ließen. Als sie den Weg vom Thronsaal hinab lief, fühlte sie sich, als könne die Wut, die sie von innen zu versengen drohte, alles in Brand stecken, mit dem sie in Berührung kam. Sie biss sich auf das Innenfleisch ihrer Wange, um einen Schrei zu unterdrücken. Ihre Schritte beschleunigten sich. Sie musste irgendwo hin, wo sie ungestört wäre. Allein. So niemand sie hören konnte, wenn sie auseinanderbrach. Aber so einen Ort gab es nicht. Nicht hier im Schloss, wo tausend Augenpaare jeden ihrer Schritte beobachteten. Auf jede noch so kleine Verfehlung lauerten. Ein kleiner Teil in Zelda wusste, dass sie dem Hof damit Unrecht tat. Doch im Moment konnte sie nicht klar denken. Zu aufgewühlt waren ihre Emotionen. Zu rau der Garten ihrer Gefühle, den sie sonst so sorgfältig glatt hegte. Um nicht zu fühlen, was sie jetzt fühlte. Wut und Verzweiflung, die ihr gleichzeitig die Brust zerrissen. In ihrer Kehle begannen die ganzen unterdrückten Schluchzer zu brennen. Heiße und kalte Schübe schüttelten abwechselnd ihren Körper. Darauf bedacht nichts davon auf ihrem Gesicht zu zeigen. So bemerkte sie kaum, wohin ihre Füße sie trugen. Bis sie mit steif gehaltenen Armen die Treppe zum Pavillon hinauf hastete. Der Pavillon, in dem sie nach der Ernennungszeremonie der Recken mit Purah und Robelo über die Inbetriebnahme der Titanen gesprochen hatte. Er war leer und schattig. Eine gnädige Präsenz inmitten all der Ungnade. Mit einem gebrochenen Ausatmen nahm Zelda auf der steinernen Bank Platz und vergrub ihr Gesicht in beiden Händen. Der kühle Stoff ihrer langen Ärmel schmiegte sich an ihre Wangen und verschloss die Welt vor ihrem Blick. Zelda versuchte ihr aufgewühltes Gemüt zu beruhigen. Die gehässigen Stacheln zu bändigen, die sich ausfahren wollten, um die Welt zu bestrafen. Die gemeinen Worte, die durch ihren Verstand rasten. Versuchte ruhige und gleichmäßige Atemzüge zu nehmen, um ihre Brust von der brennenden Sensation zu befreien. Von der erdrückenden, zittrigen Hoffnungslosigkeit. Wie? Wie nur, sollte es ihr gelingen? Wie sollte sie die Siegelkräfte erwecken? Welchen Weg gab es noch? Was war es, für das sie so blind blieb? War es überhaupt möglich? Link war davon überzeugt, dass die Kräfte bereits Teil von ihr waren. Dass sie geprüft wurde, um am Ende stärker zu sein als vorher. Aber Zelda fühlte sich nicht stärker. Jedes Mal, wenn ihre Bemühungen als ungenügend entlarvt wurden, wenn sie sich aus der Asche ihrer Hoffnungen erhob, um den Zweifeln erneut die Stirn zu bieten und dann wieder am Boden endete, starb sie ein wenig mehr. Wie sollte es weiter gehen? Sie betete den halben Tag und die halbe Nacht. Wenn sie nicht betete, schlief sie, aß sie oder versuchte die Rätsel der Vergangenheit zu entschlüsseln. Und sie brauchte diese Pausen. Sie brauchte diese Momente, in denen sie sich fühlte, als gäbe es etwas, in dem sie gut war. Etwas, in dem sie nicht versagte. Und nun sollte ihr das verboten sein? Es war unmöglich. Für einen Moment erschien es Zelda beinahe komisch, wie tief ihre Verzweiflung geworden war, an dem einen Tag, den Link nicht an ihre Seite war. Sie konnte nicht anders, als darin ein Omen zu sehen. Mit einem zittrigen Seufzen richtete Zelda sich auf. Ließ ihre Hände auf ihren Schoß fallen und starrte in die Leere vor sich. Sie wusste nicht wie viel Zeit verging, in der sie einfach nur so da saß. Blind vor sich hin starrte und einfach an nichts dachte. Sich von den Gefühlen überspülen ließ. Unterbrochen von langen Perioden, in denen sie absolut gar nichts fühlte.   „Prinzessin.“ Die Stimme unterbrach sie irgendwann, nachdem sie sich ein wenig hatte sammeln können. Der Schmerz war ein wenig tiefer in ihr Bewusstsein verbannt worden und war nicht mehr ganz so akut. Nicht mehr so schneidend. Die Verzweiflung kam nicht mehr in Wellen. Vielmehr fühlte Zelda sich wie gelähmt. Erdrückt von der Gewalt der Schuld. Lethargisch und schwer. Geschwollen und staubig, wie eine trockene Zunge in der Gerudowüste. Blinzelnd hob sie den Kopf. Brauchte einen Augenblick, bis sie erkannte, was sie sah. Ein junger, hochgewachsener Mann in eleganter Kleidung. Das helle, beinahe weiße Haar wies ihn als einen der Shiekah aus. Zelda richtete sich ein wenig auf, drehte kurz den Kopf, um sich ein wenig zu orientieren, bevor sie antwortete. Bis auf dem Fremden im Eingang zum Pavillon befand sie niemand in unmittelbarer Nähe. Nur Fado, der mehrere Hundert Schritte entfernt neben einem Baum stand. Zelda räusperte sich und fuhr sich mit ihren Händen kurz über Gesicht und Haar. Versuchte sich schnell ein wenig Leben einzuhauchen. Sie konnte nicht wie ein sterbendes Elend hier sitzend gesehen werden. Kurz dachte sie daran, dass sie dann wohl besser in ihren Turm gegangen wäre. Dort hätte sie tatsächlich niemand sehen können. Aber dazu war es nun zu spät. „Guten Tag“, bemühte Zelda sich um eine höfliche Antwort. Ihre Stimme klang rau und trocken in ihren Ohren und sie unterdrückte das Verlangen, eine Grimasse zu ziehen. Der Shiekah hatte sich nicht bewegt. Beobachtete sie nur mit diesen seltsam hellen Shiekah Augen. Stand absichtlich so, dass er ihr seine Präsenz nicht aufzwang. Mit höflichem Abstand und unaufdringlicher Körperhaltung. Zelda erkannte so viel von Links natürlicher Zurückhaltung darin, die kaum übersehbare Shiekah Ausbildung, dass ihr Herz schmerzhaft kontrahierte. „Verzeiht mir“, sagte Zelda und zwang sich zu einem Lächeln. Es erstaunte sie, wie wenig es wackelte. „Ich fürchte, ich war in Gedanken versunken.“ Der Fremde neigte galant den Kopf. „Bittet niemals um Verzeihung, Prinzessin. Für jede unglückliche Seele, die in diesen Gefilden ihr Schicksal finden muss, ist Euer Anblick ein Tropfen puren Glücks auf der ausgedorrten Ebene des fahlen Alltags der Normalität.“ Er besaß eine kultivierte Stimme, seine Vokale rund und deutlich, die Endungen der Worte weder zu lang gezogen, noch zu knapp ausgesprochen. „Das Geschenk, einen Blick auf die ungeschützte Welt Eures Geistes werfen zu dürfen, werde ich auf ewig kostbar und eifersüchtig hüten.“ Zelda blinzelte. Starrte den Fremden an. Er erwiderte ihren Blick schweigend. Beinahe bewegungslos. Nur das langsame Heben und Senken seiner Brust, das vereinzelte Bewegen seiner Augenlider unterschied ihn von einer Statue. Zelda betrachtete ihn genauer. Die feinen, hellen Augenbrauen unter einer hohen Stirn. Elegant geschnittene Gesichtszüge. Eine sinnlich geschwungene Oberlippe. Anders als die Shiekah die sie kannte, trug er das helle Haar nicht in einem Knoten auf dem Kopf gebunden, sondern in einem glatten, glänzenden Vorhang links und rechts gescheitelt. Etwas an seiner Erscheinung kam Zelda seltsam bekannt vor, doch würde sie sich an ihn erinnern, wenn sie ihn schon einmal getroffen hätte. Dazu war seine ganze Erscheinung zu schillernd. Niemand, den man so leicht übersah oder vergaß. „Ich hoffe, ich störe Euch nicht. Es scheint, ich habe Euch aus den Tiefen Eurer Seele hervorgeholt.“ Kurz dachte Zelda daran, dass er, wenn das seine Sorge war, sie wohl besser gleich in Frieden hätte lassen sollen. Der Höflichkeit halber schüttelte sie jedoch den Kopf. Wieso hatte Fado ihn zu ihr durchgelassen? „Was genau-“, begann Zelda zögerlich, nicht gewillt den Fremden vor den Kopf zu stoßen, aber dennoch daran interessiert, was er von ihr wollte. Damit sie so schnell wie möglich wieder allein sein und in den Tiefen ihrer Seele versinken konnte. So wie der Shiekah es ausgedrückt hatte. Wie geschwülzt er sprach. Beinahe wie ein … in diesem Moment erkannte sie ihn. „Ihr seid einer der Barden“, sagte sie mit ruhiger Feststellung in der Stimme. Und zwar nicht irgendein Barde. Der Barde, der als Einziger nicht von Links Heldentaten gesungen hatte, in diesem ersten Jahr nach seinem Auftauchen mit dem Bannschwert. Der Barde, der auf Zeldas Ablehnung reagiert hatte, obwohl sie diese angestrengt zu verbergen versucht hatte. Ein kluger und aufmerksamer Mann. Jemanden, dessen Auffassungsgabe man nicht unterschätzen sollte. Zelda richtete sich noch ein wenig mehr auf. Der Barde schenkte ihr zu Antwort ein Lächeln. Zwischen seinen hohen Wangenknochen und dem scharf geschnittenen Kinn bildete sich ein Grübchen, das nicht so ganz zu diesem kultivierten, eleganten Mann passen wollte. „Ich versuche die Essenz der Welt in Wort und Musik zu fassen, das ist wahr. Die Schönheit der Dinge in einem Lied noch schöner strahlen zu lassen.“ Sein Lächeln wurde feiner und das Grübchen verschwand. Zelda ertappte sich dabei, wie sie die Stelle anstarrte, an der es eben noch gewesen war. „Meist bleibt es jedoch bei dem Versuch. Wie könnte ich den Zauber in Musik bannen, wenn doch der Liebreiz eines Mädchens vor meinen sehenden Augen so unendlich viel heller erstrahlt, als ein Ton in meinem Ohr es je vollbringen könnte?“ Er hatte eine Art zu sprechen, die Zelda das Gefühl hab, dass er versuchte sie auf einer tieferen Ebene zu erreichen, als es mit Worten allein möglich war. Als versuche er sie an etwas zu erinnern. In seinen Worten lag ein Rätsel und die Aufforderung, dessen Lösung zu suchen. Sie spürte, wie sie errötete. Sich gegen ihren Willen geschmeichelt, berührt fühlte. Vielleicht war es auch der Blick, mit dem er sich betrachtete. Als wollte er jedes Detail von ihre aufsagen. Aufmerksam und suchend. Eine vollkommen neue, aufregende Erfahrung. Eine, die ihr entschieden unangenehmer sein sollte. Zeldas Lippen verzogen sich zu einem kleinen Lächeln. Und das, obwohl sie gedacht hatte, nie wieder lächeln zu können. Dann wandte sie den Blick ab. Lehnte sich auf der Bank ein wenig zurück und sah hinaus auf die Ebene. Zwischen den Säulen hindurch, die das Dach des Pavillons trugen. Der Barde schien es als Einladung zu verstehen, einen Schritt auf sie zu zugehen. „Verzeiht mir, wenn ich Euch damit zu nahe trete, Prinzessin“, sagte er vorsichtig. Mit warmer, ruhiger Stimme, in der keinerlei Unsicherheit zu spüren war. „Aber Ihr wirkt niedergeschlagen.“ Beinahe hätte Zelda geschnaubt. Niedergeschlagen reichte nicht einmal zur Hälfte aus, um die tiefe Grube zu beschreiben, in die sie hineingefallen war. „Vielleicht wünscht Ihr ein Lied, um Euch aufzuheitern …“ Er war deutlich näher gekommen, hielt aber immer noch respektvollen Abstand. Zelda warf einen kurzen Blick zu ihm hinauf. Auf dem Gesicht des Barden zeigte sich keinerlei Mitleid. Nur eine Art neutrale Offenheit. Und immer noch diese suchende Qualität, die Zelda nervös machen sollte, es aber seltsamerweise nicht tat. Irgendwas daran wie er sie ansah, reichte zu der Talsohle ihrer Hoffnungslosigkeit. Ein kleiner, dünner Sonnenstrahl, der es schaffte, ein wenig Licht in die Dunkelheit zu tragen. Zelda schüttelte den Kopf. „Es gibt Dinge, die ein Lied nicht in Ordnung bringen kann“, antwortete sie leise. Ein klein wenig erschreckte sie die Offenheit ihrer Worte. Die Botschaft zwischen den Zeilen. Sie sollte nicht so vertraulich mit einem Fremden sprechen. Mit einem reisenden Barden noch dazu. Einem Künstler, der ohne Zweifel immer auf der Suche war nach Inspirationen für seine Werke. Aber etwas an seiner Art erweckte in Zelda den Wunsch ihm zu vertrauen. Und ihr Gefühl sagte ihr, dass sie von ihm nichts zu befürchten hatte. Auch wenn ihr Gefühl und sie sich momentan nicht sonderlich nahe standen. „Nun“, entgegnete der Barde, eine kleine Note sanfter Belustigung hatte sich in seine Stimme geschlichen und ließ sie angenehm vibrieren. „Ich sehe das natürlich anders.“ Es war nicht ihre Aussage, die ihn amüsierte. Er lachte nicht über ihren Schmerz. Er sprach mit dem Tonfall eines Mannes, der sich selbst nicht immer ganz ernst nahm. Diese entwaffnende Selbstironie war so sympathisch, dass Zelda noch eine Stufe auf der Leiter tat, die in Grube hinab gelassen worden war, in der sie sich seit dem Gespräch mit ihrem Vater befand. „Ich danke Euch“, antwortete Zelda und meinte es ehrlich, „aber momentan steht mir der Sinn nicht nach Liedern.“ Sie wandte wieder den Blick ab. Starrte vor sich hin in das Nichts aus Luft und Staub. Es dauerte eine Weile, bis der Barde wieder das Wort erhob. „Auch nicht nach einem, das von der Tapferkeit eines Mädchens handelt, das entgegen aller Schwierigkeiten, trotz aller Hindernisse, die ihr von den Göttern in den Weg gestellt werden, immer und immer wieder den Mut findet, der Welt mit Hoffnung und Wohlwollen, mit Neugierde und der Anmut ihres Lächelns zu begegnen?“ Langsam drehte Zelda den Kopf. Die Stimme des Barden war leicht und unverfänglich gewesen. Ohne jeden Hinweis darauf, ob er den Worten die tiefere Bedeutung beimaß, die Zelda darin gehört hatte. Doch in seinem Blick las sie, dass sie richtig verstanden hatte. Ein Verständnis, eine Wärme, eine Hitze, die sie vollkommen unvorbereitet traf und ihr das Atmen schwer machte. Zelda brauchte einen Moment, bis sie ihre Sprache wieder fand. „Ihr habt ein Händchen für Worte“, stand sie ihm zu. Sie betrachtete ihn nachdenklich. Interessierter als vorher. Ihr fiel auf, dass er attraktiv war. Nicht dass sie das nicht schon vorher bemerkt hätte. Aber es hatte keine Rolle gespielt. Es hatte sie kein Bisschen berührt. Das Aussehen eines Mannes hatte sie nie sonderlich interessiert. Lange Zeit war sie für etwas Dergleiches einfach zu jung gewesen. Dann viel zu beschäftigt mit ihren spirituellen Verpflichtungen und dem Druck, der auf ihr lastete. Und dann hatte es für sie sowieso nur noch den einen gegeben. Link. Dessen goldene, jungenhafte Attraktivität alle anderen männlichen Wesen derartig überstrahlte, dass sie genauso gut geschlechtslos hätten sein können. Doch nun, aus keinem anderen Grund als dem, dass ein galanter Shiekah mit silberner Zunge ihr schmeichelte, bemerkte sie es: hier vor ihr, stand ein Mann. Ein Mann der kein Geheimnis daraus machte, dass er sie durchaus als weibliches Wesen wahrnahm. Ihr mit offener Bewunderung begegnete. Der Barde lächelte und wieder zeigte sich das Grübchen auf seiner Wange. „Nun“, antwortete er in diesem milde amüsiertem Tonfall, „Das sagt man mir manchmal nach, ja.“ Zeldas Mundwinkel zuckten. Gegen ihren Willen belustigt. Und ein klein wenig geschmeichelt. „Was tut die Prinzessin in diesem Lied“, begann sie nach kurzem Überlegen, „wenn die Hindernisse zu groß werden, um sie zu überwinden?“ Zelda legte den Kopf schief, betrachtete den Shiekah Barden ohne zu blinzeln. „Was tut sie“, fuhr sie fort, ihre Stimme immer leiser und harscher, „wenn die letzte Leiter unter ihren Füßen in Brand gesteckt wird?“ Der Shiekah begegnete ihrem konzentrierten Blick mit offener Kapitulation. Er ließ nicht erkennen, ob er verstand, was sie sagte. Doch Zelda war überzeugt, dass er die Sprache der Ambiguität besser beherrschte als sie und die tiefere Bedeutung ihrer Worte ganz genau erfasste. Sie sollte sich nicht auf diese Weise vor ihm offenbaren. Aber der Barde hatte irgendeinen Weg zu ihr gefunden. Eine Brücke gebaut, die hinter die Mauern aus Pflicht und Schuld führte. „Ich denke“, begann der Shiekah mit eindringlicher Stimme, „in diesem speziellen Lied erinnert sich die Prinzessin daran, dass sie die Prinzessin ist und das Reich ihr zu Füßen liegt.“ Sein Blick war so eingehend, dass er beinahe hypnotisch wirkte und Zelda ertappte sich dabei, wie sie aufhörte zu atmen, um ja keines seiner Worte zu versäumen. „Sie findet jemanden. Jemanden der ihr treu ergeben ist. Der sie ganz und gar bewundert, für ihre Liebe und ihr Leben, ihr Glück und ihr Heil, ganze Welten in Bewegung setzen würde. Und sie findet in ihm eine neue Leiter.“ Auch wenn der Shiekah keinen einzigen Schritt getan hatte, seit er begonnen hatte zu sprechen, hatte Zelda das Gefühl, dass er sehr viel näher gekommen war. Seine Stimme, seine Augen, seine Worte hatten einen Bann um sie gewebt und hielten sie gefangen. „Und dann“, sagte er, seine Stimme nun ein schmeichelndes Flüstern, seidig und dunkel, ein schwarzes Tuch, das ihre Ohren umschlang, „Dann erkennt die Prinzessin, dass sie die Leiter ohnehin nie gebraucht hat.“ Zelda atmete zittrig aus, bemerkte erst jetzt, dass sie die Luft angehalten hatte, ohne zu wissen, wie lange schon. Sie wusste, dass seine Worte eine tiefere Bedeutung hatten. Eine, die ihr weiter helfen sollte. Die sie verstehen musste. Doch es ergab keinen Sinn. Der Barde schien ihre Verwirrung zu spüren, denn er sprach weiter: „Denn die Kraft, sich über die Hindernisse zu erheben, stammte von Anfang an aus der Prinzessin selbst.“ Es verging eine lange Zeit, in der Zelda über seine Worte nachdachte. Das angebliche Lied nachdachte. Das Lied, das eine Hommage an ihr Leben darstellte, so meinte sie zumindest zu verstehen. Die Worte des Shiekah schmeichelten ihr. Und ähnelten in verblüffender Weise denen von Link. Beide sprachen ihr mehr Kraft zu, als Zelda in sich spürte. Beteuerten, dass sie ihr Bestes tat. Dass sie am Ende ihr Ziel erreichen würde. Woher nahmen sie nur die Gewissheit? Link hatte Bilder gesehen, Fetzen uralter Erinnerungen. Aber dieser Shiekah? Waren es nur leere Worte? Nein. Zelda konnte das nicht glauben. Es sprach eine Ehrlichkeit, eine tiefe Überzeugung aus der Dringlichkeit seiner Worte. „Ich glaube nicht, dass mir dieses Lied besonders gut gefällt“, sagte Zelda irgendwann, nachdem sie aufgegeben hatte, nach einer klugen Antwort zu suchen. Sie gab sich keine Mühe die Erschöpfung in ihrer Stimme zu verbergen. „Dann ist es gut, dass ich meine Rotta nicht dabei habe und es nicht werde singen können.“ Zelda warf dem Shiekah einen sardonischen Blick zu. Ein wenig amüsiert, aber nicht gewillt es aufrichtig zu zeigen. Wie zuvor schien er sie zu verstehen, ohne dass sie sich deutlich ausdrücken musste. Er lächelte. „Ihr könnt ohne die Begleitung Eures Instrumentes nicht singen, Barde?“ Sein Lächeln wurde breiter. Eine Reihe weißer Zähne zeigte sich. Und ein zweites, kleineres Grübchen zeigte sich auf der anderen Gesichtshälfte. Nun, das sie es einmal bemerkt hatte, fiel es Zelda wirklich schwer, seine elegante Attraktivität nicht sehen. Es sprang ihr förmlich ins Gesicht. „Bei Euch würde ich sie brauchen“, sagte er galant, seine Stimme dunkler Samt, der Zelda ein unruhiges Gefühl in den Knöcheln verursachte. Dieser verdammte Shiekah war sich seines Charmes nur zu bewusst. „Warum?“, fragte sie, obwohl sie es eigentlich besser wusste. Zelda hatte genug Erfahrung mit höfischer Tändelei um zu wissen, wenn eine Schmeichelei eingeleitet wurde. Doch dieses Mal ertappte sie sich dabei, wie sie es hören wollte. „Ich würde sie brauchen, um das Zittern meiner Hände zu verbergen, das mich immer quält, wenn ich Eurer lieblichen Gestalt angesichtig werde.“ Es sollte kitschig sein. Es war kitschig. Aber die Überzeugung mit der er es aussprach veränderte die Worte auf eine Weise, die sie ernst machten. Sie starrte ihn an. Dann spürte sie zu ihrer Beschämung, dass ihr das Blut in die Wangen schoss. Berührt, und geschmeichelt, sah sie zu Boden. Es war erstaunlich, dass sie zu der Sorte Mädchen gehörten sollte, deren tiefe Niedergeschlagenheit durch ein paar hübsche Worte aufgeheitert werden konnte. Sie lernte in letzter Zeit eine Menge Dinge über sich selbst. Kaum etwas davon war sehr erfreuend. „Danke“, sagte sie irgendwann. Denn auch wenn sie sich dafür schämte, so fühlte sie sich dennoch ein wenig besser. „Das war hilfreich.“ Sie hob den Kopf, um den Barden anzusehen, dessen Blick nichts von seiner Intensität verloren hatte. Dennoch fühlte sich Zelda nicht länger unwohl darunter. „Trotz fehlender Rotta.“ Der Shiekah antwortete auf ihren Versuch der Ironie mit einem charmanten Lächeln. „Dennoch blicken Eure schönen Augen düster und auf Eurer Anmut lastet der Schleier der Traurigkeit.“ Fast hätte Zelda gelacht. Nicht vor Bitterkeit, wie sie es noch vor kurzer Zeit getan hätte, sondern weil der Vorwitz des Barden sie ehrlich amüsierte. „Das ist mein normaler Gesichtsausdruck“, widersprach sie, nun mit einem Lachen in der Stimme. Die Augen des Shiekah begannen zu leuchten. „Nein“, sagte er daraufhin und sah sie lange an. „Normal ist es, wenn mich das Strahlen Eurer Schönheit mit dem Feuer tausend sterbender Sterne verbrennt. Ich kaum in Eurer Anwesenheit stehen kann, weil Euer Zauber den Boden unter meinen Füßen zum Wanken bringt.“ Er sprach mit ihr, als würde er es ernst meinen. Als wären seine Worte nicht eine hübsche Ansammlung poetischer Dummheiten, die amüsieren und schmeicheln sollten, aber wenig Wahrheit enthielten. Zelda kam sich lächerlich vor, dass ihr das Blut erneut in die Wangen schoss. Ihr der Atem in der Brust stecken blieb und ein heißer Schauer über ihren Nacken fuhr. „Heute allerdings, Prinzessin“, fuhr der Shiekah mit sanfter Stimme fort. „Heute ist Euer Glanz nicht zu blendend für meine unwürdigen Augen. Und würde diese Tatsache nicht bedeuten, dass Ihr unglücklich seid, würde ich Euch sagen, dass diese süße, zarte Flamme das schönste ist, was ich auf dieser Welt je erblicken werde.“ Er senkte seine Stimme herab zu einem fein intonierten Flüstern. „Und auch wenn diese Flamme mein Herz auf immer in Brand gesteckt hat, so würde ich dessen Explosion angesichts der ganzen Strahlkraft Eurer Seelentiefen Schönheit gern in Kauf nehmen, wenn ihr nur glücklich wäret.“ Bevor Zelda etwas erwidern konnte, oder auch nur ihren Atem wieder gefunden hatte, verbeugte sich der Barde – lang und tief – und drehte sich um. Er war beinahe aus Ihrem Blickfeld verschwunden, als Zelda ihm hinterher rief. „Wartet!“ Der Shiekah wandte sich ihr wieder zu. „Wie heißt Ihr, Poet?“ Das helle Haar des Barden funkelte wie ein von Sonne beglitzerter Schnee. Seine gesamte Erscheinung war unwirklich. Schillernd.Wie aus einer Legende entsprungen. „Für Euch würde ich jeden Namen annehmen, Prinzessin. Doch meine Eltern nannten mich Rafayl.“ „Danke, Rafayl.“ Er verbeugte sich. Eine langsame, bedachte Bewegung, in der er nie den Blick von ihr nahm. Dann drehte er sich um und verschwand die Treppe hinunter. Und hinterließ Zelda allein und einigermaßen verwirrt.   *   Beim Mahl in der Halle erfuhr Zelda, dass es sich bei ihrem nachmittäglichen Gast nicht einfach nur um einen Barden handelte. Die Frau des Zeremonienmeisters, eine große, rothaarige Frau mit kräftigen Augenbrauen, flüsterte ihr hinter vorgehaltener Hand zu, dass es sich bei Rafayl um den Barden handelte. Jahrelang hatte er Hyrule durchwandert, Geschichten und Lieder gesammelt und komponiert. Um seine Stimme rankten sich Legenden, die aufgeregt tuschelnd immer wieder erzählt wurden. Ein gut aussehender, junger Künstler mit silbrigem Haar und geschickter Zunge. Bei dem letzten Kommentar hatte die Matrone beinahe einen Kicheranfall erlitten. Was Zelda kurz von Rafayl abgelenkt hatte, den sie heimlich zu beobachten versuchte. Sie besah die Frau des Zeremonienmeisters mit einem strengen Blick, wovon diese sich aber nicht beeindrucken ließ. Stattdessen fechelte sie sich einfach nur Luft zu. „Wisst Ihr, Prinzessin, es ist ein Wunder, dass er bereits so lange bei Hofe weilt“, flüsterte die Dame, nachdem sie sich ein wenig beruhigt hatte. „Wie das?“, fragte Zelda, um Gleichgültigkeit bemüht. Täte sie zu interessiert, würde das womöglich noch mehr Gerüchte in Umlauf bringen. „Nun“, begann die Dame verschwörerisch leise und ließ sich Zeit mit der Antwort. Sie genoss es sichtlich, dieses saftige Stück Klatsch in ihrer Gewalt zu haben. „Er war lange Zeit ein Reisender. Wollte sich nirgendwo niederlassen, egal was für Geschenke und Ausgleiche man ihm für seine Dienste auch vorschlug. Aber dann, vor wenig mehr als einem Jahr, hat er aufgehört durch das Land zu ziehen.“ Die Frau zog reißerisch eine Augenbraue in die Höhe, offensichtlich genoss sie es, in der Prinzessin eine so interessierte Zuhörerin gefunden zu haben. „Er ist hier geblieben. Und dichtet für den königlichen Hof allein.“ Zelda gab sich Mühe ihr Interesse an dieser Geschichte zu verbergen. Sie musste zugeben, dass der Shiekah eine faszinierte Gestalt war. Mit wunderbarer Stimme, die gewaltig und einnehmend und sanft und schwebend sein konnte. Er verstand es Gefühle zu entfachen, den Raum zu füllen und das Publikum ganz nach seinem Willen in ein Reich jenseits des Hier und Jetzt zu entführen. Es war wirklich erstaunlich, dass ihr das vorher nie aufgefallen war. Aber sie hatte dem abendlichen Mahl auch nie sehr häufig beigewohnt. „Es heißt, der Stoff für seine Lieder stammt aus dem Anbeginn der Zeit. Er sucht überall nach Inspiration. Auch in den alten Texten und Schriften. Wahrscheinlich ein Wirken seiner Shiekah Herkunft.“ „Tatsächlich?“, fragte Zelda, nur noch interessierter als vorher. Der Barde forschte in alten Schriften nach Stoff für seine Lieder? Eine Gemeinsamkeit an unerhoffter Stelle. „Der König ist sehr erfreut über die verlängerte Spielzeit hier im Schloss“, fuhr ihre Gesprächspartnerin mit einem Blick auf den König fort. Auf ihrem Gesicht zeigte sich der befriedigte Ausdruck einer Katze, die eine unbeaufsichtigte Schüssel mit Sahne entdeckt hat. Zelda folgte dem Blick auf ihren Vater, der eine ähnliche Miene zur Schau trug. Er hatte einen Becher in der Hand, wahrscheinlich gefüllt mit einem edlen Tropfen der vergangenen Jahrzehnte, schien aber vergessen zu haben, daraus zu trinken. So sehr war er in das Spiel des Barden vertieft. Zelda musste das Lächeln unterdrücken, das in ihr aufstieg. Sie hatte ihren Vater nie für einen Conosseur der schönen Künste gehalten. Aber vielleicht hatten die schwierigen Zeiten in denen er König war, auch von ihm recht viele Opfer verlangt. Der Gedanke stimmte sie traurig und Verständnis und Mitgefühl durchfluteten sie, spülten ein wenig von dem Groll fort, der sich seit dem Gespräch am Morgen in ihre Brust gefressen hatte. Das Lied des Barden endete auf einer hohen, süßlich-melancholischen Note und Stille senkte sich über den Saal. Es meldete sich kurz ihr Gewissen – sie hatte mehr Zeit damit verbracht nachzudenken, als Rafayls Darstellung zu folgen. Dann brandete ein ohrenbetäubender Beifall durch die Halle und Zelda vergaß sich schlecht zu fühlen. Rafaly nahm den Dank seiner Zuhörer mit einer eleganten Verbeugung entgegen. Ein feines Lächeln umspielte seine Lippen, während seine Augen über die Gesichter wanderten. Zelda wandte den Blick ab, nicht gewillt sich von ihm dabei ertappen zu lassen, dass sie ihn angestarrt hatte. Stattdessen konzentrierte sie sich auf ihr Abendessen, das sie bis zu diesem Zeitpunkt mehr oder weniger ignoriert hatte. Zu Unrecht. Die Pastete aus süßlichen Rüben und zart gegartem Fisch war köstlich. So vertieft, bemerkte sie die Veränderung in der Halle erst, als die Frau des Zeremonienmeisters neben ihr sie ansprach. Das gehauchte „Prinzessin“ ließ Zelda den Kopf heben. Alle Blicke waren auf Rafayl gerichtet, der neben den langen Tischen entlang ging. In ihre Richtung kam. Langsam ließ Zelda ihr Besteck sinken. Er würde doch nicht den Fehler machen, zu ihr zu kommen. Vor den neugierigen, wertenden Blick der anderen. Seine beunruhigend hellen Augen glitten über die Köpfe der Höfischen, die in Zeldas Nähe saßen. Dann blieb sein Blick an ihr hängen. Fixierten sie. Für einen kurzen Moment geriet sie in Panik. Was Blödsinn war, dennoch ertappte sie sich dabei, wie sie mit huschenden Augen die Umgebung nach Link absuchte. Eine automatisierte Reaktion, die keine Verbindung zu ihrem bewussten Denken hatte. Schließlich wusste sie, dass Link nicht hier war, um sie zu beschützen. Er war bei Mipha. Um sich heilen zu lassen. Wegen einer Wunde, an der Zelda Schuld hatte. Die Reaktion war bezeichnend dafür, wie sie sich mittlerweile auf ihn verließ. Außerdem brauchte sie in diesem Moment kaum seinen Schutz. Zelda hielt den Atem an. Rafayl war fast bei ihr angekommen. Nur noch einige wenige Schritte von ihrem Platz entfernt. An der langen Seite der Tafel, ganz in der Nähe des Königs. Im letzten Moment jedoch, hob der Barde den Blick und ging an ihr vorüber. Die Luft, die sie angespannt eingehalten hatte, entfuhr ihr in einem tiefen, erleichterten Seufzen. Wovor hatte sie Angst gehabt? Dass Rafayl sie vor aller Augen blamieren würde? Dass er offenbaren würde, dass sie vor wenigen Stunden ein vertrauliches Gespräch geführt hatten, unbeaufsichtigt und ohne einander vorgestellt worden zu sein? Jetzt kam sie sich absolut lächerlich vor. Ein Mann wie dieser, jemand der das Wort und dessen Wichtigkeit zu seinem Lebensinhalt erklärt hatte, würde nicht den Fehler machen, den höfischen Wölfen ein so unbedachtes Opfer zum Fraß vorzuwerfen. Vielleicht fühlte sie sich einfach zu sehr außerhalb ihres Elementes, um nicht ständig vom Schlimmsten auszugehen. Es war weiterhin bezeichnend, dass sie Links Abwesenheit für dieses Gefühl des Balanceverlustes, diese ständige Nervosität verantwortlich machte.   „- Euch einen besonderen Wunsch erfüllen kann, zum Dank für Eure Kunst und die Unterhaltung. So zögert nicht, darum zu bitten.“ Anscheinend hatte Zelda – tief in die Gedanken um ihre seltsame Anspannung versunken – nicht mitbekommen, wie der König dem Barden gegenüber seine Hochachtung ausdrückte. Blinzelnd drehte sie den Kopf, um sich wenigstens nicht noch mehr des Gesprächs entgehen zu lassen. „Euer Dank, mein König, ist mir Lohn genug“, antwortete Rafayl und senkte Kinn und Blick mit galant auf die Brust gelegter Hand. Ihrem Vater gefiel diese Antwort, Zelda erkannte es an der Art, wie er sich in seinem Stuhl zurücklehnte, einen Ellenbogen auf die Lehne gestützt. „Und dennoch möchte ich Euch einen Wunsch erfüllen.“ Ein Lächeln beschwor das Grübchen in Rafayls Wange herauf und ein Kollektiv weiblicher Seufzer erklang in der Nähe. Zelda musste sich sehr darum bemühen, nicht den Kopf zu schütteln. Wer war sie schon, die Frauen für deren Faszination zu verurteilen? Sie neidete ihnen nur die Freiheit diese Faszination öffentlich zur Schau zu stellen. „Nun“, begann der Barde im untertänigsten Tonfall von jemanden, der genau wusste, wie man das höfische Spiel spielte. „Nichts läge mir ferner, als Eurer Majestät diese Freude zu verwehren.“ Wieder neigte er den Kopf und der König lachte. „Also, was ist es?“ Er hob auffordernd die Hand, eine Geste, der die Trägheit seiner natürlichen Autorität anhaftete wie eine dicke klebrige Harzschicht. Rafayl legte in gekonnt inszenierter Geste den Kopf schief und schwieg für einen Moment. Hielt die Spannung für genau die richtige Länge, bevor er sprach. „Ich hörte, dass die Forscher meines Volkes am Schloss eine Ausgrabung begonnen hätten“, eröffnete er in neutralem Tonfall. Er war gut darin, die Intensität seines Blickes zu verschleiern, so zu tun, als wäre es ihm eigentlich gar nicht wichtig. „Es heißt“, fuhr er fort, nun mit deutlich leiserer Stimme, „sie suchen nach einem Geheimnis aus alter Zeit.“ Ein leichtes Lächeln ließ seinen linken Mundwinkel in die Höhe zucken. „Und mein eigenes Forscherherz ist fasziniert.“ Er schwieg. Ließ die Anwesenden ihre eigenen Schlüsse ziehen. Zeldas Atem beschleunigte sich. Die Ausgrabung. Sie interessierte ihn? Zelda war schon eine Weile nicht mehr dort gewesen, hatte immer nur niederschmetternde Nachrichten erhalten – keine Neuigkeiten, nichts gefunden, ändern den Grabungswinkel auf zwei Grad südlich. Robelo hatte die Suche nach den Pfeilern aufgegeben. Ein anderer Shiekah leitete nun die Ausgrabung. Und Zelda machte sich ebenfalls keine großen Hoffnungen, dass sie finden würden, was in den alten Schriften beschrieben war. Aber nun, da sie die Ausgrabung nicht mehr würde besuchen können, ohne den Zorn ihres Vaters auf sich zu ziehen, wollte sie auf einmal nichts lieber, als sich den geänderten Grabungswinkel mit eigenen Augen anzusehen. Das Lächeln ihres Vaters wurde nachdenklicher. Als würde er sich fragen, wie man eine solche Bitte äußern konnte, wenn der König des Landes einen freien Wunsch gewährte. „Wenn Ihr sie sehen wollt, werde ich ein Treffen mit dem Ausgrabungsleiter arrangieren.“ Er nickte kurz in Rafalys Richtung, mit den Gedanken schon wieder ganz woanders, der enttäuschende Wunsch des begehrten Barden nicht länger interessant für ihn. „Eigentlich“, erwiderte Rafayl, bevor der König sich ganz abwenden konnte, „hatte ich gehofft, dass Eure Tochter mir Führerin und Lehrerin sein könnte.“ Der Tonfall des Barden war unverfänglich und leicht, dennoch flocht sich ein Stahl durch seine Stimme, die Zeldas Atem stocken ließ. Niemand sprach je so mit dem König. Auf eine solch fordernde Weise, die ihre Unerbittlichkeit hinter sanfter Höflichkeit versteckt hielt. Die Augenbrauen ihres Vaters zogen sich leicht zusammen und Zelda erwartete schon ein Donnerwetter, doch Rafayl sprach weiter, bevor etwas geschehen konnte. „Zweifellos ist der Leiter der Ausgrabung ein Meister seines Fachs und wird viel zu beschäftigt sein einem unbedeutenden Künstler unwichtige Fragen zu beantworten.“ Rafyal senkte leicht das Kinn, fixierte den König mit einem durchdringenden Blick und etwas in seinen Augen wurde scharf wie die Klinge eines hylianischen Schwertes. „Fragen“, fuhr er fort und betonte das Wort auf eine Weise, die ihm ungeahnte Bedeutung verlieh, „die ich ohne Zweifel stellen werde müssen, um das Gesehene verstehen und in einem Lied verarbeiten zu können. Einem Lied über die besonderen Anstrengungen und das ehrwürdig Band, das Hylianer und Shiekah nach all den Jahren der Entzweiung aneinander bindet.“ Der Barde hob den Kopf, sein hypnotischer Blick riss mit einem fühlbaren Schnappen und alle Zuhörer erwachten aus seinem Bann. Beinahe hätte Zelda gelächelt. Oh, er war gut. Er war ein Meister. Er manipulierte so gekonnt, dass er sich nicht einmal die Mühe zu machen brauchte, es zu verbergen. Ihren Vater spielte er mit ebenso viel Geschick wie das Instrument, das seinen Gesang begleitete. Er hielt dem König gleichzeitig die Wichtigkeit des öffentlichen Bildes vor Augen. Shiekah und Hylianer, die friedvoll für eine gemeinsame Sache Seite an Seite arbeiteten: Die Rettung des Landes. Ließ das Versprechen eines Liedes, das König Rhoam als Begründer dieser Allianz heroisch darstellte, vor seiner Nase baumeln. Ein Lied das er, als eben nicht nur unbedeutender Künstler, sondern einflussreichster Barde des Zeitalters, schaffen würde, wenn seine Wünsche erfüllt werden würden. Was nun wirklich nicht zu viel verlangt war. Schließlich verkaufte er seinen Wunsch als vorausschauende Lösung eines eventuellen Problems. Natürlich sollte der Ausgrabungsleiter nicht bei der Arbeit gestört werden. Und so schien der König ganz zu vergessen, dass es eigentlich Zelda war, die er nicht gestört sehen wollte. „Euer Wunsch sei erfüllt. Prinzessin Zelda wird Euch morgen zur Mittagsstunde zur Ausgrabung begleiten. Und Eure Fragen beantworten. So lange sie sich um die Ausgrabung drehen.“ Zelda musste sich auf das Fleisch an der Innenseite ihrer Lippe beißen, um das Lächeln zu unterdrücken, dass sich auf ihr Gesicht schleichen wollte. „Sieh dich vor, Tochter“, sagte er König an sie gewandt, mit einem gespielt verstimmten Gesichtsausdruck. „Ein Mann wie dieser, wird dir alle Regierungsgeheimnisse entlocken, bevor du überhaupt bemerkt hast, dass er dir eine Frage gestellt hat.“ Die Anwesenden lachten über den Witz des Königs und die allgemeine Aufmerksamkeit teilte sich. Wandte sich wieder den Speisen und Gesprächen zu. Der König bewegte seine Hand in die Richtung des Barden, ein Zeichen dafür, dass er entlassen war und beugte sich ohne einen Blick in Rafayls Richtung zu einem seiner Berater hinüber. Der Barde betrachtete den König für einen Moment schweigend. Dann verbeugte er sich mit der ihm so eigenen überladenen und dennoch eleganten Art, die an einem anderen Mann affektiert oder gar beleidigend ironisch gewirkt hätte. Als er sich umdrehte, begegneten sich ihre Blicke. Zeldas angestrengt neutral, während sie versuchte ihre Freude über diese unerwartete Wendung zu verbergen, seiner mit der subtilen Zufriedenheit einer Katze, die selbst mit geschlossenen Augen einen vagen Eindruck von Selbstgefälligkeit vermittelt. Seine Lippen kräuselten sich zu einem kleinen Lächeln und Zelda konnte nicht anders als es zu erwidern, während sie gleichzeitig leicht den Kopf schüttelte. Rafayl neigte das Kinn in einem respektvollen Nicken und schritt aus der Halle. Das silbrig glänzende Haar wie ein langer Umhang hinter sich. Langsam sah Zelda wieder auf ihren Teller hinunter. Um sie herum hatte die Gesellschaft wieder in die geschäftige, gesprächige Stimmung zurückgefunden, in der sie sich befunden hatte, bevor Rafayl die ersten Takte auf seinem klagend klingenden Instrument angestimmt hatte. Aber Zelda fühlte sich anders als zuvor. Nach einer Weile bemerkte sie, dass es Hoffnung war. Eine kleine tänzelnde Flamme in ihrem Bauch, die einen sanften Bann um sie gesponnen hatte. Ein Lächeln bewegte ihre Lippen und sie spürte, wie ein wenig von der desaströsen Anspannung von ihr abfiel. Wärme durchflutete sie, die nichts mit den Körpern neben ihr oder dem Kaminfeuer oder dem Licht der vielen Kerzen zu tun hatte. Seit Rafayls Auftauchen hatte er ihr stets eine helfende Hand gereicht. Eine Hand, die stark genug war, ihr aus der Schlucht ihrer Depression zurück ins Sonnenlicht zu helfen. Eine Hand, die mit einem Verstand verbunden war, der als einer der wenigen begriff, dass sie sich überhaupt in dieser Schlucht befand. Etwas das Zelda gut zu verbergen wusste. Unwillkürlich musste sie an Rafayls Worte denken. Sie findet jemanden. Jemanden der ihr treu ergeben ist. Der sie ganz und gar bewundert, für ihre Liebe und ihr Leben, ihr Glück und ihr Heil, ganze Welten in Bewegung setzen würde. Und sie findet in ihm eine neue Leiter. Bisher hatte sie gedacht, dass diese Leiter Link wäre. Eigentlich hatte sie gar nicht viel darüber nachgedacht, da es ihr so offensichtlich schien. Aber jetzt war Zelda sich nicht mehr so sicher. Vielleicht gab es noch eine andere Leiter. Vielleicht war es ihre Pflicht nach einer anderen Leiter zu suchen. Denn auf Links Schultern lastete genug Verantwortung, ohne dass er ihr Gewicht tragen musste. Wenn sie ihn schützen wollte, musste sie versuchen, ihn vor dem tiefen Sturz bewahren, den es bedeuten würde, wenn sie auf dem Weg aus der Schlucht heraus abrutschte.     Tief in Gedanken versunken betrat Zelda ihr Gemach. Es war dunkel geworden und sie musste sich beeilen, ihre Abendandacht zu beginnen. Doch es fehlte ihr an der nötigen Dringlichkeit. Leise schloss sie die Tür hinter sich. Die Gespräche zu Tisch hatten sie nach Rafayls Abschied gänzlich unberührt gelassen. Die Frau des Zeremonienmeisters hatte ohne viel Antworten zu verlangen geplappert, bis Zeldas Kopf geschmerzt hatte. Aber sie war für das bereitwillige Gerede der Frau dankbar gewesen. So war es nicht weiter aufgefallen, dass Zelda selbst kaum ein Wort gesprochen hatte. Wenn man nun auch noch begann ihr eine Schwärmerei für einen Shiekah Barden vorzuwerfen, würde sie wohl auch noch den letzten Respekt des Volkes verlieren. Zumal es nicht der Wahrheit entsprach. Anders als die anderen Gerüchte. Zelda konnte in ihrem Herzen keine Zärtlichkeit für den Barden finden. Nicht wenn es meilenweit entfernt, bei einem anderen Mann weilte. Zelda seufzte und nahm den goldenen Reifen von ihrem Kopf, um ihn auf die Kommode zu legen. Als sie einen Blick auf ihr Spiegelbild warf, bemerkte sie ein Päckchen auf ihrem Kissen und drehte sich danach um. Ihr Herz begann schneller zu klopfen. Das Buch. Aufgeregt griff Zelda nach dem Paket. Ein Zettel lag darauf, mit einem kurzen Satz in Minas enger Handschrift.     Ich hoffe, das hier wird alle Fragen beantworten. ~ M.   Zelda lächelte. Dann strich sie das Papier von dem kostbaren Inhalt. Riss vor lauter Ungeduld an der Schnur, die es umwickelt hielt. Das Buch selbst war unauffälliger als erwartet. Auch wenn Zelda nicht wusste, was sie genau erwartet hatte. Sicherlich keinen leinenen Einband, der kaum zweihundert Seiten zusammenhalten konnte. Zelda wendete das Buch und betrachtete die Rückseite. Keine Aufschrift. Nur drei Worte auf dem Buchrücken. Sinder und Jawine Zelda begann an ihrer Lippe zu kauen. Sie hätte zu gerne einen Blick hinein geworfen. Aber sie befürchtete, dass sie sich nicht würde loseisen können. Und sie war ohnehin schon spät dran für ihre Abendandacht. Nach einem kurzen Moment inneren Kampfes, legte Zelda das Papier zur Seite und versteckte das Buch unter ihrem Kissen. Dort würde hoffentlich niemand die Dreistigkeit haben nachzusehen. Dann schlüpfte sie in ihr weißes Priesterinnenkleid und erklomm mit schnellem Schritt die Treppe nach oben. Wo sie fast sofort tief im Gebet versank.   *   „Das ist nicht die erste Ausgrabung die Ihr besucht“, stellte Zelda nach einer Weile des Schweigens fest, in der sie Rafayl im Licht der von Wolken überschatteten Sonne betrachtete. Sein Gesicht zeigte den zufriedenen Ausdruck eines Mannes, der genau da war, wo er sein wollte. Aber nicht die Aufregung eines Geschichtsenthusiasten, der das erste Mal dabei zu sieht, wie die Vergangenheit ans Licht gebracht wird. Die hellen Lippen des Shiekah zeigten ein feines Lächeln als er ihren Blick erwiderte. Es dauerte einen Moment bis er sprach. „Ich war gerade drei Jahre alt, als meine Tante mich zu einem Schrein in der Nähe unseres Dorfes mitnahm. Es ist meine älteste Erinnerung.“ Sein Blick schweifte in die Ferne. Eine gekonnt inszenierte Reise in die Vergangenheit. Zelda kaufte ihm die Rührung nicht für einen Moment ab. „Seit dem haben mich die Rätsel meiner Vorfahren nie mehr losgelassen.“ Beinahe hätte Zelda gelacht. Stattdessen lächelte sie ein skeptisches Lächeln, ein Zeichen, dass sie ihn genau durchschaute, ihm aber nicht die Befriedigung geben würde, es auszusprechen. Sie wandte den Blick ab. Sah in die Grube zu ihren Füßen und beobachtete das halbe Dutzend Shiekah dabei, wie sie mit Schaufeln und Hacken das Erdreich aufwühlten. Sie waren bereits so tief vorgestoßen, dass es einfach nur entmutigend war, ihnen bei der Arbeit zu zusehen. Zelda seufzte. „Also“, begann Rafayl neben ihr, aber Zelda starrte weiterhin in das tiefe Loch hinunter. „Der Grund der Suche ist ein Hinweis auf weitere Wächter unter dem Schloss, wenn ich mich nicht irre?“ Zelda befeuchtete kurz ihre Unterlippe mit der Zunge und atmete dann tief ein. „Rafayl“, begann sie, sich sehr bewusst, wie unpassend es war, den Barden mit seinem Vornamen anzusprechen. Im Augenwinkel sah sie, wie er ihr den Kopf zuwandte, sein Haar ein silbriger Schleier, der sie beinahe blendete. „Wir beide wissen, dass Euch die Ausgrabung nicht interessiert.“ Sie drehte sich, bis sie dem Barden direkt gegenüber stand. Im hellen Mittagslicht, wenn auch gedämpft durch die dicke Wolkendecke die Regen versprach, wirkte er weniger mysteriös als im Kerzenschein der großen Halle. Allerdings nicht weniger eindrucksvoll. „Warum also sagt Ihr mir nicht, warum Ihr wirklich hier seid?“ Ihre Offenheit schien ihn für einen kurzen Moment zu überraschen. Dann lächelte er. Nicht das höfische Lächeln, das sie am Abend zuvor an ihm gesehen hatte. Belustigte Konzentration mit einem Hauch Selbstgefälligkeit. Sondern ein wirkliches, echtes Lächeln. Das die beiden Grübchen in seinen Wangen zeigte, die ihn Jahre jünger aussehen ließen. Wie alt er wohl tatsächlich war? „Warum sagt Ihr es mir nicht, Prinzessin? Wo Ihr doch mit so außergewöhnlicher Beobachtungsgabe gesegnet seid.“ Zelda lachte und schüttelte den Kopf. „Ich denke nicht. Nein. Ich werde nicht Eure Belustigung sein und Euren geschickt ausgesuchten Worten lauschen, mit denen ihr jede Wahrheit abstreiten werdet.“ Mit einem letzten Blick auf ihn, wandte sie sich wieder der Ausgrabung zu. Wahrscheinlich wäre es besser sie abzubrechen. Zu akzeptieren, dass sie nichts finden würden. Zumindest nicht an dieser Stelle. Egal wie tief sie gruben. Aber das war nicht länger ihre Aufgabe. Rafayl neben ihr hob eine Hand an seine Brust. „Hundert Stiche wütender Bienen können nicht so schmerzhaft sein, wie die eisernen Spitzen Eurer Worte, Prinzessin.“ Er klang rein gar nicht verletzt, eher amüsiert und Zelda lachte erneut. Es war wirklich seltsam, wie gut sie sich fühlte. Obwohl sie hinunter in das trübe Loch einer weiteren Enttäuschung sah. „Ich gebe zu, dass mein Anliegen nicht allzu viel mit dem Verlangen zu tun hatte, Shiekah Männern beim Schlammwühlen zu beobachten“, gestand Rafayl mit einer so komischen Ernsthaftigkeit in der Stimme, dass Zelda erneut lachen musste. Dann warf sie dem Barden einen strengen Blick zu. Zumindest versuchte sie es. „Aber“, fuhr Rafayl fort, ganz und gar nicht betrübt von Zelda bedrohlich aufragender Augenbraue, „ich bin hier wegen eines Liedes.“ Zelda betrachtete ihn skeptisch. „Tatsächlich?“, erwiderte sie trocken und betrachtete ihn für einen kurzen Moment. Rafayl schien sich unter ihrem zweifelnden Blick ganz und gar nicht unwohl zu fühlen. Er sah ihr mit derselben entspannten Konzentration entgegen, die er auch schon am Tag zuvor gezeigt hatte. „Ein Lied über im Schlamm wühlende Männer?“, fragte sie süßlich und lächelte unschuldig. Rafayl antwortete nicht sofort. Er erwiderte ihren Blick nur mit einer Intensität, die sie langsam nervös machte. Sie musste sich zwingen, nicht die Augen niederzuschlagen. „Nein“, antwortete er irgendwann, nachdem Zelda ihre Füße nicht daran hatte hindern können, ein wenig auf der Stelle zu treten. „Ein Lied über die faszinierende Fähigkeit eines Mädchens, die langweiligsten, staubüberzogenen Fetzen der Vergangenheit zu einer spannenden, fesselnden Geschichte zusammen zu fügen“, sagte er und senkte seine Stimme dabei auf eine eindringliche, dunkle Tonlage hinab. „Und dabei das Herz eines Mannes für alle Ewigkeiten zu binden.“ Zelda blinzelte. Ihre Standardreaktion auf die plötzliche, vorstoßende Kraft seiner Worte und deren Macht all ihre Vorbehalte mit Leichtigkeit zu durchschlagen. Es war ihr für einen Moment nicht möglich den Blick abzuwenden. Seine hellen Augen fixierten sie, tief und suchend in ihrer Intensität, saugten sich an ihrfest, sodass sie sich nicht davon lösen konnte. Zelda spürte, wie ihr Pulsschlag sich beschleunigte. Fühlte es an ihrem Hals und den Schläfen. In ihrem Bauch. Sie konnte sich nicht gegen die Welle aus Hitze wehren, die sie durchflutete. Konnte dem Effekt seiner schmeichelnden Worte nicht standhalten, auch wenn sie wusste, dass sie kaum ernst gemeint waren. „Ihr sprecht mir mehr Talent zu, als mir gebührt“, brachte sie irgendwann zustande zu antworten. Ihre Kehle fühlte sich trocken an und ihre Stimme klang zittriger als sie es gern gewollt hätte. Es gefiel Zelda nicht, dass dieser schöne, mysteriöse Mann die Fähigkeit hatte, sie mit Halbwahrheiten und leeren Worten in einen so nervösen Zustand zu bringen. Sie sollte ihm diese Macht verwehren. Zumindest die Stärke haben, es ihm nicht zu zeigen. Aber gleichzeitig fühlte es sich gut an. Schmeichelnde Worte zu hören, wenn es auch Phrasen waren, die sie nicht als Einzige oder gar Erste empfangen hatte. Sie mochte das Gefühl. Das Kribbeln. Die Hitze. Das Aufblühen von etwas, das ihr bisher fremd gewesen war. Deswegen wies sie ihn nicht zurecht, sondern ging auf seine koketten Narreteien ein. Wenn auch mit unerfahrener Zurückhaltung. Sie wusste nicht so ganz, wie man das Spiel spielte, das er ihr anbot. Außerdem konnte sie die Traurigkeit nicht ganz zurück halten, die sie überkam. Sie würde nie die Freiheit haben, auf dieselbe Weise mit jemanden zu tändeln, wie andere Mädchen sie hatten, wenn sie auf Bräutigamschau gingen. Wenn Zelda dieses Alter erreichen würde, gäbe es für sich keine geheimen Treffen und gehauchte Zärtlichkeiten. Keine verstohlen ausgetauschten Küsse. Sie würde nie die Freiheit haben jemanden zu küssen, als Austausch für eine Blume oder ein Lied. Also genoss sie diese Komplimente, solange sie unschuldig genug waren. Solange sie aus dem Mund eines erfahrenen Poeten kamen, der auf Kommando Süßholz raspeln konnte und es ohne Zweifel jede Gelegenheit dafür nutzte. Es war ungefährlich. Sie konnte mit dem Feuer spielen, ohne der Flamme jemals zu nah zu kommen. An Rafayls süßen Worten konnte sie sich nicht verbrennen. Aber sie ermöglichten ihr in dem unmöglichen Traum zu schwelgen, dieselben Worte von anderen Lippen zu hören. Lippen, die sie in Brand stecken konnten, wenn sie auch nur halb so geschickt von Zeldas Schönheit sprechen würden. „Verzeiht mir Prinzessin, aber ein Talent für das Geschichtenerzählen erkenne ich besser als jeder andere.“ Rafalys Worte holten sie zurück auf den Boden neben dem Oststollen, vor das tiefe Loch der Ausgrabung. Zelda seufzte und schüttelte den Kopf. Sie hatte dem Barden nur ein wenig von dem zusammengefasst, was sie über die alten Shiekah herausgefunden hatten. Und da er Teil dieses Volkes war, wusste Zelda mit Sicherheit, dass wenig davon neu für ihn gewesen war. Aber wenn er das Spiel weiter spielen wollte, würde sie ihn nicht davon abhalten. Dazu fehlte ihr ohnehin die Kraft. „In Ordnung“, erwiderte sie mit einer aufgebenden Handgeste, die deutlich zeigte, dass nur mit Worten zustimmte, nicht im Geiste. Rafayl antwortete mit einem wissenden Lächeln. „Vielleicht solltet Ihr nun besser anfangen Eure Fragen zu stellen“, sagte Zelda nach einer Weile des einvernehmlichen Schweigens, das sie damit verbracht hatte den Ausgrabungsleiter – ein älterer Shiekah mit besonders großem Traditionsbewusstsein und noch größerem Hut – dabei zu beobachten, wie er mit hektischen Gesten in Richtung Boden gestikulierte. „Schließlich habt Ihr meinem Vater ein Lied versprochen.“   *   Die Kühle in ihrem Gemach war ihr nie so wohltuend erschienen, wie an diesem schwülen Nachmittag. Undamenhaft schnaufend riss sich Zelda den goldenen Reifen von ihrem Kopf und warf ihn schwungvoll auf das Bett, wo er ein kleines Stück weit über die glatten Laken rutschte und sich dann in ihrem Kissen verfing. Durstig trank sie ein wenig kaltes Wasser direkt aus der Tonkaraffe und störte sich kein Bisschen daran, dass die Flüssigkeit über ihr Kinn lief und ihr Brustbein hinabtropfte. Die drückende Hitze würde sich spätestens in der Nacht in einem heftigen Gewitter entladen. Hoffentlich war Link noch nicht vom Dorf der Zoras aufgebrochen. Oder befand sich irgendwo, wo er sich unterstellen konnte. Zelda strich sich das schwere Haar aus ihrem Nacken und rieb sich die von Schweiß feuchte Haut, die schrecklich juckte. Ihr gefiel der Gedanke nicht, dass Link durch Dunkelheit und Regen reiste, nur weil er ihr versprochen hatte, so schnell wie möglich wieder hier zu sein. Sie hätte ihm versichern sollen, dass er sich nicht zu beeilen brauchte. Doch sie hatte geschwiegen, weil sie gewollt hatte, dass er schnell wieder zu ihr zurückkehren würde. Und damit wieder einmal bewiesen, wie selbstsüchtig sie doch war. Zelda verzog das Gesicht und stieß ein frustriertes Seufzen aus. Manchmal wünschte sie, sie wäre besser darin, sich selbst anzulügen. Dann müsste sie sich nicht mit halb so viel Selbstzweifel herumschlagen. Genervt von sich selbst, ließ sie sich auf ihr Bett fallen. Starrte die Decke an und versuchte, nicht im Trübsal zu versinken. Es gelang ihr nicht wirklich. Stattdessen holte sie das Buch unter ihrem Kissen hervor, in das sie bisher keinen einzigen Blick hatte werfen können. Sie drehte sich auf den Bauch und begann zu lesen. Zu ihrer Überraschung war es keine akademische Schrift. Kein lehrendes Buch, das Definitionen klärte und Vorgänge beschrieb. Es war eine Geschichte. Zelda war bei der vierten Seite angelangt, als sich ihre Augenbraue hob. Als sie das zweite Kapitel begann, waren ihre Augen so groß wie Suppenteller. Mit jedem Satz den sie las, wurde ihre Atmung flacher. Ihre Finger flogen an ihre Lippen. Geschockt, verwundert, entzückt flog sie über die Worte hinweg. Sog das Beschriebene auf. Wärme stieg ihren Hals hinauf. Unaufhaltsame Hitze, die sich in ihrer Körpermitte sammelte und weiter hinunter kroch. Hektisch blätterte sie die Seiten um. Nicht gewillt auch nur ein Wort zu verpassen. Endlich ergab alles einen Sinn. Einen furchtbaren, aufregenden, schrecklich wunderbaren Sinn. Wie hatte sie nur so blind sein können? So unfassbar blind? So dumm, so unwissend? Wäre sie nicht so schockiert gewesen, hätte sie gelacht. Doch sie konnte nicht lachen. Sie war viel zu gebannt von den Geschehnissen auf den leblosen Seiten vor ihr.   Als er in ihr Gesicht sah, verstummten ihre Zweifel. Ihre Ängste, ihre Fragen. Alles was zählte, war er. Er und die Wärme seiner nackten Haut an ihrer. Seine klugen, samtigen Finger. Seine Augen, braune Tiefen, aus denen ihr die Welt entgegen blickte, die er ihr zu Füßen legen würde. Jawine erwiderte seinen Blick mit all der Liebe, die sie für ihn fühlte. Die sie für ihn gefühlt hatte, seit sie ihn das erste Mal gesehen hatte, im kühlen Zwielicht des Thronsaals ihrer Vorfahren, umgeben von Härte und Ungewissheit. Er war ihr wie eine Vision erschienen. Rau und schroff wie der Norden aus dem er stammte und doch erfüllt von einer Hitze, die sie unendlich tief berührte. Sinder griff nach ihrer Hand. Hob sie an seine Lippen und drückte sie gegen die sanfte Haut seines Mundes. Kein richtiger Kuss und doch intimer als jede andere Berührung, die Jawine sich vorstellen konnte. Er starrte sie an. Schien wortlos, fassungslos. Unfähig etwas zu sagen, genauso überwältigt von der Stärke der Gefühle wie sie. Seine Brust hob und senkte sich in kräftigen Atemzügen. Als müsse er gegen Macht der Empfindungen ankämpfen, die aus seinen Augen sprachen. Jawine reagiert mit ihrer eigenen, femininen Leidenschaft. Ihre Finger strichen an seinen Wangenknochen entlang. Hinauf zu den dichten, dunklen Locken, von demselben durchdringenden Braun wie Augen und Bart, wie die kräftigen Augenbrauen. Beinahe schwarz. Ein faszinierender Kontrast neben seiner hellen, beinahe schneeweißen Haut. Haut, die überall war. Haut, die sich samtig über Härte spannte. Muskeln und Narben, ein Mann gestählt durch Kampf und Gewalt, Loyalität und Gefahr. Sie sah, wie er leicht den Kopf schüttelte, als könne er nicht begreifen, was geschah. Dass es wirklich geschah. Jawine wollte ihn beruhigen. Ihm versichern, dass es tatsächlich geschah und dass sie genauso überwältigt war. Doch ihr fehlten die Worte. Sie stockten in ihrer Kehle und ließen Tränen in ihren Augen aufsteigen. Tränen, die Sinders Stirn kräuseln ließen. Jawine versuchte zu lächeln, wollte ihm zeigen, dass es ihr gut ging. Dass es ihr nie besser gegangen war. Doch die Worte entflohen ihr. Also ließ sie ihre Hände sprechen. Ihr Herz, ihre Augen, ihre Seele. Sie konnte nur hoffen, dass er verstand. Sie konnte sehen, wann er aufhörte nachzudenken. Ein Zittern durchlief seinen kräftigen Körper. Ein spürbares Pulsieren. Dann stieß er einem Raubvogel gleich zu ihr hinab und seine Lippen eroberten die ihren. Nahmen sie in Besitz mit einem Feuer, das sie in Brand steckte. Mit einem gebrochenen Wimmern bog sie sich ihm entgegen. Eine gespannte Sehne, die auf seine Finger wartete. Finger, die sich in ihrem Haar vergraben hatten. Finger, die ihren Nacken entlang strichen, ihre Schultern liebkosten und schließlich ihre-   „Was liest du da?“ Zelda quiekte. Wirklich, sie quiekte. Es gab keine beschönigenden Worte dafür. Sie quiekte ein schrilles ertapptes Quieken und drehte sich in einer komischen, erschrockenen, zuckenden Bewegung auf den Rücken. Richtete sich gleichzeitig. Schweiß stand auf ihrer Stirn, ihrem Nacken, ihrer Oberlippe. Ihr Herz klopfte wild und ein Pochen durchfuhr ihren ganzen Körper abwechselnd zu der Regelmäßigkeit ihres Pulsschlag. Und nichts davon hatte mit dem fürchterlichen Schrecken zu tun, den Link ihr eingejagt hatte. Link! Zelda keuchte auf, als sie verstand. Link! Er war wieder da. In ihrem Zimmer. Hektisch fuhr Zeldas Blick durch den Raum, versuchte sich Orientierung zu verschaffen. Gleichzeitig strich sie sich über ihr Haar. Ihr überaus zerzaustes Haar, wie ihre Finger ihr meldeten. „Link!“, hauchte sie und saugte seinen Anblick in sich auf. „Link!“, wiederholte, diesmal etwas lauter und klang dabei freudiger, weniger, als hätte er sie dabei ertappt, wie sie die intime Geschichte zweier Liebender gelesen hatte. Zelda leckte sich über die Lippen und robbte zur Bettkante hinüber. Link hatte sich keinen Schritt bewegt. Bewegungslos stand er neben der Tür, so weit in ihrem Zimmer, wie er nie gewesen war und sah ihr lächelnd entgegen. Sein Anblick brachte etwas in ihrem Herz zum Überfließen. Am liebsten hätte sie sich ihm entgegen geworfen. Ihn an sich gedrückt. Ihn geschüttelt. Dafür, dass er so früh hier war. Er musste sein armes Pferd zu Tode geritten haben. Zelda stolperte von ihrem Bett herunter. Fing sich und bemühte sich um eine weniger aufgeregte Erscheinung. Es war schwer. So schwer. Wenn sie doch einfach nur dem übermächtigen Verlangen nachgeben wollte, über ihn herzufallen. Dank dem Buch hatte sie jetzt einige Vorstellungen davon, wie so etwas ablaufen konnte. Die Bilder ließen ihr noch mehr Hitze in die Wangen steigen, als sie es je für möglich gehalten hätte. Um Halt bemüht, krallte Zelda sie in den Pfosten ihres Bettes. Hielt sich mit beiden Händen daran fest, den Rücken in das harte Holz gepresst. Sie bemühte sich ruhig zu atmen. Ein. Aus. Pause. Ein. Aus. Während ihr Blick alles einsaugte, was sie von ihm sehen konnte. Seine vertrauten, blauen Augen. Sanft und warm, die Haut in den Winkeln im Gleichklang zu seinem Lächeln fein gekräuselt. Er sah müde aus. Staubig und zerzaust von dem langen Weg, den er in unfassbarer Geschwindigkeit hinter sich gebracht hatte. Aber er wirkte zufrieden. Betrachtete sie schweigend und beobachtend, überzeugte sich davon, dass es ihr gut ging. Was er wohl sehen musste? Ihre Robe war vom langen Liegen und den schwülen Temperaturen des Tages faltig und klamm. Ihre Wangen rot und ihre Stirn feucht. Ihr Haar musste wilder aussehen als sogar nach dem Aufstehen – wenn sie sich auf das Tastergebnis ihrer Hände irgendwie verlassen konnte. Und auf ihrem Gesicht zeigte sich das liebeskranke Grinsen einer Verrückten. Zumindest fühlte es sich so an. Zelda räusperte sich. Versuchte ihre Lippen unter Kontrolle zu bringen. Sie räusperte sich noch einmal, während Link langsam, aber unaufhörlich eine Augenbraue in die Höhe zog. „Was hast du?“, fragte er mit deutlicher Belustigung in der Stimme. „Was bei der Göttin hast du da gelesen? Du bist ja ganz nervös.“ Link machte einen Schritt auf sie zu und Zelda quietschte erneut. Wirklich, es war zum Haare raufen. Er blieb stehen, sah sie fragend an, nun noch amüsierter. „Nichts!“, sagte Zelda und machte einen Schritt zur Seite. Kurz darauf wäre sie sich dafür am liebsten auf die Füße getreten. Ging es noch offensichtlicher? Wohl nicht. Denn Links Blick huschte hinüber zu dem Buch, das immer noch offen auf ihrem Kissen lag. Link machte noch einen Schritt. Zelda wartete genau einen einzigen Wimpernschlag. Dann drehte sie sich mit wehender Robe um und warf sich auf das Bett. Auf das Buch. Schützte den verräterischen Inhalt mit ihrem Körper. „Es ist nichts!“, quietschte sie absolut verdächtig, aber mittlerweile war es sowieso egal. Wichtig war nur, dass Link nicht zu Gesicht bekam, was sie da gelesen hatte. Oh, bei der Göttin. Allein der Gedanke ließ sie vor Scham fast im Boden versinken. Ohne viel Finesse stopfte Zelda das Buch unter ihr Kissen. Dann richtete sie sich wieder auf. Pustete eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht und musste dann mit der Hand nachhelfen. „Absolut nichts“, wiederholte sie und griff nach einem zweiten Kissen, um es auf das erste zu legen. „Nichts Wichtiges.“ Sie strich sich erneut über ihr Haar, versuchte wenigstens ein paar der wild gewordenen Strähnen an ihrem Platz nach hinten zu kämmen. Ihr Atem ging immer noch heftig. Von Links Auftauchen und der panischen Hektik ihres Hechtsprungs. Link war mitten im Raum stehen geblieben und beobachtete sie mit der interessierten Aufmerksamkeit eines Jägers. „Was denn nun“, fragte er lauernd. „Nichts oder nichts Wichtiges?“ Oh je. Das hatte man davon, wenn man einen Leibwächter an der Nase herumführen wollte. Einen Ritter, dessen Lebensinhalt es war, Details aufzusaugen wie ein Schwamm. „Nichts, das dich angeht und nichts Wichtiges für mich“, antwortete Zelda und musste sich geistig für diese schnelle, elegante Ausflucht auf die Schulter klopfen. „Du bist wieder da!“, rief sie. Zum einen um ihn abzulenken und zum anderen, weil sie es sagen wollte. EsiIn die Welt hinausschreien wollte. Link nickte. Allerdings ließ er sich von dem Vorfall mit dem Buch nicht ablenken. Seine Augen ruhten auf den Kissen, als würde er Löcher hinein brennen wollen. Glücklicherweise war er viel zu sehr ein Ritter, um sich über ihren offensichtlichen Wunsch nach Geheimhaltung hinweg zusetzen. Der Gedanke stimmte Zelda ein wenig ruhiger. Zum zweiten Mal robbte sie über die nun zerwühlten Laken ihres Betts an den Rand. Um sicher zu gehen, dass sie ihre aufgewühlten Emotionen und ihre Freude über Links Rückkehr unter Kontrolle halten würde, blieb sie an der Bettkante sitzen. Vielleicht wollte sie auch ein klein wenig für den Fall gewappnet sein, dass Link seine ritterlichen Tugenden doch über den Haufen warf und sich auf das versteckte Buch stürzte. Für das sie gleich heute Abend ein besseres Versteck suchen würde. „W-war dein Besuch bei Mipha erfolgreich?“, fragte Zelda ein wenig zittrig. Sowohl in der Stimme als auch in den Knien. Auch deswegen war es eine gute Idee sitzen zu blieben. Wenn auch etwas unhöflich. Aber sie hatte sich Link gegenüber schon schlechter aufgeführt. Links Blick wanderte von den Kissen hinüber zu ihrem Gesicht. Für einen kurzen Augenblick sah es so aus, als würde er nicht auf ihre Frage reagieren und seine Neugierde über all die ritterlichen Lektionen siegen. Doch dann gab es eine deutlich sichtbare Verschiebung in seinen Prioritäten und ein wenig Anspannung verließ seinen Körper. Zelda schluckte. „Ja“, antwortete er gelassen und bewegte seinen Arm. „Alles heil und kampfbereit.“ Sie nickte. „Gut. Wie geht es Mipha?“ Kurz meinte sie etwas Dunkles über Links Gesicht huschen zu sehen, doch es war so schnell wieder verschwunden, dass sie es sich vermutlich eingebildet hatte. Das Licht war nicht mehr allzu hell. Was sie auffahren ließ. „Oh!“, entfuhr es ihr und Zelda sprang auf. Eine so plötzliche Bewegung, dass Link zusammen zuckte. Zelda erstarrte. Ihr Leibwächter atmete tief ein und besah sie dann mit einem leicht verstimmten Blick. „Meine Güte, Zelda …“ Er schüttelte den Kopf und trat auf der Stelle, versuchte den Schrecken loszuwerden, den sie ihm offensichtlich eingejagt hatte. Trotz der Erkenntnis dass sie zu spät für das Abendessen war, nahm Zelda sich Zeit kurz Befriedigung zu empfinden. Sie betrachtete ihn ein wenig selbstgefällig. Schließlich hatte er sie zuerst erschreckt. Und das mit voller Absicht. „Das Abendessen“, sagte sie, als erklärte das alles und setzte sich in Bewegung. Wohl wissend, dass sie Link damit ziemlich im Dunkeln ließ. Sie duckte sich vor ihrem Spiegel, um diesmal ein Bild vor Augen zu haben, wenn sie versuchte, ihr Haar zu glätten. Zelda verzog das Gesicht, als sie den Zustand ihrer Frisur sah. Oder was davon übrig geblieben war. „Abendessen?“, fragte Link hinter ihr, einigermaßen verwirrt. Er stand immer noch dort, in der Mitte des Raumes und beobachtete sie mit gerunzelter Stirn. Zelda warf ihm einen Blick über die Schulter zu, während sie nach einem leinernen Waschtuch tastete. „Ja“, antwortete sie und tupfte sich fahrig über Stirn und Nacken, um die klamme Feuchtigkeit dort zu trocknen. „In der Halle“, spezifizierte sie und warf das Tuch auf den Tisch zurück. Machte sich nicht die Mühe es zu falten, da sie es nach dem Essen ohnehin noch einmal verwenden würde. Mit einem letzten Blick in den Spiegel, glättete sie ihre Augenbrauen mit dem kleinen Finger und wandte sich dann wieder zu ihm um. „Und jetzt komm, sonst wird mein Vater mich vor aller Augen ohrfeigen.“ Das war reichlich übertrieben, setzte Link aber in Bewegung, obwohl er immer noch recht verwirrt aussah. Vielleicht war es auch einfach nur der Befehl in ihren Worten gewesen. Sie verließen Zeldas Gemach durch die Tür; das erste Mal das Link ihr Zimmer durch den offiziellen Eingang betrat. Beziehungsweise verließ. Es war überhaupt das erste Mal, dass Link ihr Zimmer betreten hatte. Zelda runzelte kurz die Stirn. Dann fiel ihr ein, dass sie ihre Krone vergessen hatte und blieb abrupt stehen. Zu schnell für ihren Leibwächter mit den fixen Reflexen. Mit einem Ächzen prallte er gegen sie. Man musste es ihm zu gute halten, wie schnell er sich wieder fing und Zelda ebenfalls. Ohne Links ausgestreckte Hände wäre sie wohl direkt in den Wandteppich getaumelt, der einen Alkoven verhängte. Sie hörte ein schlecht unterdrücktes Fluchen, dann starrte sie in ein paar äußerst verstimmt dreinblickender blauer Augen, die ziemlich nah vor ihrem Gesicht auftauchten. Einmal mehr viel Zelda auf, dass sie absolut gleich groß waren. Selbst die Spitzen ihrer Nasen endeten auf derselben Ebene. Dann fiel ihr alles andere ein. Ihre Gefühle, die Gerüchte. Links Verletzung. Und sie machte sich so hektisch von ihm los, dass sie erneut ins Stolpern kam. „Verfluchter Mist!“ Link stieß ein unwirsches Geräusch aus und griff wieder nach ihr, um sie am Fallen zu hindern. Wieder wich Zelda vor ihm zurück. Drückte sich mit dem Rücken an die Wand. Und in diesem Moment schien er zu verstehen. Er stoppte in der Bewegung. Ließ langsam den Arm sinken und sah sie mit so einem verwirrten, verletzten Ausdruck an, dass Zeldas Herz schmerzhaft kontrahierte. „Mein Diadem“, sagte sie leise, eine unausgesprochene Entschuldigung in der Stimme. Unartikulierte Trauer, die Link nicht verstehen konnte. Aber irgendetwas schien er zu verstehen, denn sein Gesicht verwandelte sich vor ihren Augen in die bekannte Maske aus emotionsloser Gleichgültigkeit. Das Messer dieses Anblicks traf sie so viel tiefer als erwartet. Aber es war besser so. Das versuchte sie sich zumindest einzureden. Sie unterdrückte ein Schluchzen, dann drehte sie sich um. „Ich gehe sie holen“, teilte sie ihm über die Schulter mit, als sie bereits einige Schritte zurück zu ihrem Gemach gelaufen war. Der Ritter neben ihrer Tür hatte nicht sehen können, was geschehen war, da sie bereits um die Ecke gebogen waren, den der Gang machte. Aber er hatte etwas gehört, denn er bedachte Zelda mit einem irritierten Blick, als sie an ihm vorbei hastete. „Guten Abend“, grüßte sie ihn atemlos, etwas was vorher vergessen hatte und verschwand in ihrem Zimmer. Der goldene Reif befand sich auf dem Boden neben ihrem Bett. Wie auch immer er da hin gekommen war, wo sie ihn doch auf die Matratze geworfen hatte. Auf dem Weg zurück zu Link bemühte sich Zelda um etwas mehr Gelassenheit. Um Würde und Eleganz. Alles was sie schaffte, war ein wenig langsamer zu laufen und dabei nicht allzu sehr zu wackeln. Die Würde war ihr wohl ebenso abhandengekommen wie ihre Krone. Letzteres war an sich schon bezeichnend genug. Link war ihr einige Schritte entgegen gekommen, um die Ecke herum, so dass er sie sehen konnte, sobald sie aus ihrem Gemach heraus trat. Natürlich. Immer der aufmerksame Leibwächter. Und sie hatte ihn verletzt, als sie vor ihm zurück gewichen war. Vielleicht sollte sie mit ihm sprechen. Ihm erklären, wieso sie sich von nun an distanzierter verhalten würde. Aber das würde die Frage nach dem Warum nach sich ziehen. Und Zelda hatte zu große Angst, dass sie am Ende über ihre Gefühle für ihn sprechen würde. Und das konnte nicht gut enden. Im schlimmsten Fall beschämte sie ihn so sehr, dass es unmöglich für ihn sein würde, weiterhin als ihr Leibwächter zu dienen. Und auch wenn er nicht ihr Leibwächter wäre, so war er dennoch der Held Hyrules. Sie war die Prinzessin. Zwei Seiten einer Medaille. Zelda konnte nicht zu lassen, dass er sich in ihrer Gegenwart derart unwohl fühlte. Sie würde es nicht ertragen können. Da war ihr die vorsichtige Zurückhaltung, die neutrale Gleichgültigkeit lieber. Zumindest würde das nicht ihr Herz brechen. Zelda versuchte sich an einem Lächeln, als sie neben Link zum Stehen kam. Sein Blick wanderte zu ihren verzerrten Lippen und der stoische Ausdruck auf seinem Gesicht wurde ein wenig weicher, unterbrochen von dem fragenden Zucken einer seiner Augenbrauen. „Können wir?“, fragte Zelda viel zu laut und fröhlich, sodass sie sich erneut dazu zwingen musste, keine Miene zu verziehen. Absolut lächerlich. Sie verhielt sich absolut lächerlich. Link deutete mit der Hand an voraus zugehen. Er schloss sich ihr an. Zwei Schritte hinter ihr. Es war seltsam, ihn wieder hinter sich zu wissen. Und es war nicht das, was Zelda hatte erreichen wollten. Sie hatte eigentlich gar nicht bewusst gehandelt. Sie wusste nur, dass sie nicht dabei gesehen werden durften, wie sie sich berührten. So viel war ihr mittlerweile klar. Berührungen waren intim. Es sei denn, es gab einen Notfall. Wie zum Beispiel, wenn die Hose eines Mannes Feuer gefangen hatte und man dabei half, sie mit klopfenden Bewegungen zu löschen. Berührungen jedweder Art, so unschuldig sie auch eigentlich sein mochten, würden immer als etwas Intimes angesehen werden, gerade von Außenstehenden. „Mein Vater hat mir offenbart, dass er beim Abendessen in der Halle meine Anwesenheit wünscht“, erklärte Zelda Link nach einigen Schritten, die sie in betretendem Schweigen verbracht hatten. Sie sah über ihre Schulter zu ihm nach hinten. Hoffte, dass er durch diesen Blickkontakt und ihre Erklärung verstand, dass sie ihn nicht schneiden wollte. Dass sie nicht wollte, dass er unwissend hinter ihr herlief. Dass sie mit ihm sprechen würde. Link betrachtete sie mit einem vorsichtig nachdenklichen Blick. Als würde er versuchen, aus ihren Tiraden schlau zu werden. Er antwortete ihr mit einem Nicken. Stumm. So wie zum Anfang seines Dienstes. Zelda seufzte unglücklich. Na super. Wann würde sie damit anfangen, nachzudenken, bevor sie handelte? Jetzt hatte sie Link verletzt, obwohl sie nur versucht hatte das Richtige zu tun. Und nun gingen sie schweigend hintereinander her. Obwohl Zelda ihn nach der Reise und nach Mipha fragen wollte. Bei dem Gedanken daran, wie er es so schnell zum Schloss geschafft hatte, fiel Zelda ein, dass sie ihn mit sich zum Abendessen geschleift hatte, ohne ihm die Möglichkeit zu geben, sich von der Reise auszuruhen. Sein plötzliches Auftauchen und ihre Verspätung hatten sie kopflos gemacht. Außerdem hatte sie ihn einfach in ihrer Nähe haben wollen. Mit ihm sprechen wollen. Wieder einmal handelte sie selbstsüchtig. Betroffen sah Zelda auf Boden des Ganges. Sah die goldenen Streifen des roten Teppichs in ihrem Augenwinkel vorbei ziehen. „Wenn du in die Kaserne gehen möchtest, um die von der Reise auszuruhen, solltest du das tun, Link“, sagte Zelda, als sie beinahe bei den großen Flügeltüren angekommen waren, die in den Speisesaal führten. Stimmgewirr der Geruch von gebratenem Fleisch wehte daraus zu ihr hinüber. Sie blieb stehen und wartete, dass Link zu ihr aufschloss. Betrachtete seinen stoischen Gesichtsausdruck und hoffte, dass er ihre Worte nicht falsch verstehen würde. Sie wollte ihn nicht loswerden. Sie wollte, dass er sich nicht verpflichtet fühlte dem Mahl beizuwohnen. Links Blick flackerte kurz hinüber zu den offenstehenden Türen, dann wieder zurück zu ihr. „Dauert es lange?“, fragte er kurz angebunden. Auf seinem Gesicht zeigte sich kein noch so kleiner Hinweis auf seine Gedanken. „Ewigkeiten“, antwortete Zelda wahrheitsgemäß und zuckte mit den Schultern. Link nickte. „Dann bin ich hier, wenn es vorbei ist.“ Zelda betrachtete ihn für einen Moment schweigend. Dann nickte auch sie. Versuchte die langsam dahin plätschernde Trauer nicht zu zeigen. „Ist gut“, bestätigte sie und lächelte. Link bewegte sich nicht. Wartete, dass sie in der Halle verschwand. Sie hob eine Hand zum Abschied und wandte sich ab. Er war nur kurze Zeit wieder da und sie hatten kaum ein Wort miteinander gesprochen. Es hatte eine schreckliche Verschiebung in ihrem Miteinander gegeben, von dem sie noch nicht wusste, ob er permanent wäre. Aber dennoch vermisste sie seine Präsenz so frisch wie vor zwei Tagen, als er das Schloss verlassen hatte.   Ihr Vater kommentierte ihre Verspätung nur mit einem kurzen Blick, doch Zelda zweifelte nicht daran, dass er es später mit Worten nachholen würde. Es war nicht seine Art, sie vor so vielen anderen Ohren zu schelten. Und sie war dankbar dafür. Auch wenn sie vermutete, dass es weniger mit dem Wunsch zu tun hatte, sie nicht vor der Öffentlichkeit zu blamieren, als damit, sie vor dem Volk als starke Prinzessin verkaufen zu wollen. Das Abendessen erschien ihr fad und konsistenzlos und sie musste sich zwingen, mehr als nur ein paar Löffel Suppe zu essen. Die meiste Zeit über, starrte Zelda auf ihren Teller. Beantwortete nur die Fragen, die ihre Sitznachbarin ihr stellte, dieses Mal die Tochter des Zeremonienmeisters. Ein Mädchen ein wenig älter als Zelda selbst, mit rotem Haar und vorwitzigen Sommersprossen, die sich über ein hübsches Gesicht sprenkelten. Zelda bereute, dass sie nicht mehr Elan für das Gespräch aufbringen konnte und dass das Mädchen sich recht schnell ihrem anderen Sitznachbarn zu wandte. An einem anderen Tag hätte Zelda den Austausch mit einer Gleichaltrigen genossen. Sie kannte das Mädchen nur flüchtig, aus einer Zeit, in der Zelda noch die Freiheit gehabt hatte, mit den Töchtern bei Hofe zu spielen. Sie lauschte den Barden nur am Rande, selbst als Rafayl seine Rotta zur Hand nahm, hörte sie ihm kaum zu. Viel zu versunken in ihren eigenen Gedanken. Sie sehnte sich danach, aufstehen und gehen zu können. Doch das wäre erst möglich, wenn die Reihen an Nachspeisen serviert worden wären, die das Mahl am Abend zu einer solch rauschenden Angelegenheit machten. Honig- und Nusskuchen, Obst und feiner Ziegenkäse, ertränkt von einem Strom sahnigem Honig. Eierpudding mit Beeren und Weinsauce. Nur vom Kuchen brach Zelda eine Ecke ab, ansonsten konnten auch die süßen Speisen sie nicht reizen. Sie wurde ungeduldig. Beobachtete die Anwesenden. Feuerte sie gedanklich an, ihr Abendessen doch einfach schneller hinunterzuwürgen. Ihr Blick huschte zur Tür. Immer und immer wieder. Bis sie schließlich sah, was sie gesucht hatte. Link, der im Gang stand. Mit dem Rücken an die Wand gelehnt und mit einem der dort stationierten Wachleute plaudernd. Ihre Blicke trafen sich über die vielen Köpfe hinweg und Zelda lächelte. Ein Lächeln, das Link mit einem knappen Nicken beantwortete. Es war nicht unhöflich oder abweisend. Es war vorsichtig. Und beobachtend. Aus der Blase ihres Glücks darüber ihn wieder zu sehen, entwich ein wenig Luft. Es war besser so. Wirklich. Rafayls Lied endete auf einer hohen, tragischen Note und Applaus brandete auf. Ein Zeichen dafür, dass die musikalische Unterhaltung für den Abend beendet wäre. Ein Zeichen dafür, dass Zelda endlich aufstehen konnte. Sie wartete einen Augenblick. Dann noch einen. Dann betupfte sie mit dem bereitliegenden Tuch ihre Mundwinkel und erhob sich. Sie küsste ihren Vater auf die Wange und knickste vor den wohlwollenden Blicken der nahebei sitzenden Würdenträger, dann wandte sie sich zum Gehen. Es fühlte sich an, als würde sie Link entgegen schweben. Selbst wenn er sich vor ihr zurückgezogen hatte, weil er glaubte, sie wolle seine Nähe nicht, so würde sie seine Gesellschaft, selbst stoisch und schweigend, allen anderen vorziehen. Immer. Und vielleicht würde er irgendwann verstehen, dass sie nicht vor ihm zurückgezuckt war. Sondern vor allem anderen. Sie lächelte ihm zu und kurz war es, als würde sich auf seinem unbeweglichen Gesicht etwas bewegen. Doch dann zuckte sein Blick seitwärts. Seine Augen wurden scharf und er machte einen Schritt nach vorne, genau in dem Moment, in dem Zelda neben ihm zum Stehen kam. Alles an ihm verwandelte sich in lauernde Vorsicht, abwartende Aggressivität. Verwirrt von seiner Reaktion, drehte Zelda sich um. Und sah Rafayl, der ihr durch die hohen Türen auf den Gang hinaus gefolgt war, seine Rotta in der Hand. Zelda blinzelte. Überrascht und irritiert von Links offensichtlicher Schutzhaltung, die in diesem Umfeld völlig unnötig und ebenso unangebracht war. „Link“, sagte Zelda und klang verwirrt und auffordern zugleich. Ihr Leibwächter reagierte nicht. Verharrte nur in einer Haltung aggressiven Abwartens. Die Knie leicht gebeugt, die Hände erhoben. Nicht um zu zuschlagen, sondern um das Schwert auf seinem Rücken ziehen zu können, falls es nötig werden würde. Zelda hielt den Atem an. Was sollte das? Ihr Blick huschte zwischen den beiden Männern hin und her. Konnte nicht anders, als deren Anblick zu vergleichen. Die hochgewachsene Eleganz des Barden, gegenüber Link agiler Vitalität. Es irritierte Zelda beinahe noch mehr, dass Rafayl nicht nur nicht überrascht von Links Reaktion schien, sondern ihr mit einem Ausdruck milden Verdruss' zu begegnen schien. Er betrachtete Link mit dunkler Miene, völlig frei von dem Hauch rechtmäßiger Überheblichkeit. Er wirkte … schlicht und ergreifend genervt. Zeldas Augenbrauen zogen sich zusammen. Was? Rafayl warf einen letzten Blick auf Link, der ihm bedrohlich gegenüberstand und hob den Kopf. Er bemühte sich um einen Ausdruck galanter Gelassenheit, wurde den leicht angestrengten Zug um seine Augen allerdings nicht los. Warum auch immer, aber Links Anwesenheit und dessen seltsam schützende Position, störten ihn gewaltig. Und nicht aus dem offensichtlichen Grund: weil es ihn beleidigte. Rafayl verhielt sich nicht wie ein in seiner Ehre getroffener Unschuldiger. Er wirkte genervt wie jemand, der von etwas abgehalten wird, was er gern getan hätte. Was auch immer das war. „Ich wünsche Euch einen guten Abend, Prinzessin“, sprach er Zelda über Links Kopf hinweg an. Sein Lächeln erreichte immer noch nicht seine Augen und es war nicht stark genug, um das Grübchen auf seiner Wange zu zeigen. Kein ehrliches Lächeln also. „Eure Anwesenheit zu Tisch am heutigen Abend ist der Grund für wunderbare Träume sein, derer ich mich diese Nacht würdig zu erweisen versuchen werde“, fuhr er mit seiner samtigen Stimme fort. „Und“, fügte er hinzu und sein Blick glitt von Zelda zurück zu Link, ein unergründliches Glimmen in seinen hellen Augen, „das Ende eines perfekten Tages.“ Triumph. Es war Triumph. Zeldas Stirn runzelte sich, doch bevor sie etwas erwidern konnte, hatte Rafayl sich gekonnt verneigt und war einige Schritte rückwärts gegangen. Sie sah ihm ein wenig fassungslos hinterher, während er sich umdrehte und den Gang hinunter verschwand. Für einen Moment versuchte sie die Ereignisse zu ordnen, zu verstehen, was gerade vorgefallen war. Doch es wirkte zu komplex. Verwirrend. Als würde ihr ein wichtiges Teilglied fehlen, um das Rätsel zu lösen. Also schüttelte sie leicht den Kopf. Versuchte die lähmende Verwirrung loszuwerden. Es war schließlich das Geräusch das Link ausstieß, das sie zurück holte. Sie blinzelte und starrte ihn an. Hatte er gerade geknurrt? Das musste sie sich eingebildet haben. Langsam fand Link in seine entspanntere, aufrechte Haltung zurück. Nicht länger darauf vorbereitet einem Angreifer mit gezücktem Schwert entgegen zu springen. Es war ihr immer noch ein Rätsel, welche Gefahr er in einem Barden hatte sehen können. Und warum besagter Barde reagiert hatte, als gäbe es dabei kein furchtbares Missverständnis. Kannten sich die Beiden aus Kakariko? Hatte sie hier einen lange zurückliegenden Streit beobachtet? Allerdings war Link eigentlich nicht nachtragend. Ihr selbst hatte er ihre Entschuldigungen immer hinterher geworfen. „Link“, sagte Zelda, nachdem ihr Leibwächter sich langsam zu ihr umgedreht hatte und ihr mit dem Kinn wies, voraus zugehen. Seine Kiefer waren so hart aufeinander gepresst, dass die feinen Muskeln in seinen Wangen hervortraten. Seine Nasenflügel blähten sich. So hatte er ausgesehen, als er die Monster am Todesberg bekämpft hatte. „Was sollte das?“, zischte sie, während sie sich in Bewegung setzte, leise genug, um nicht noch mehr Aufmerksamkeit auf sie zu ziehen. Die Wache neben der Tür hatte glücklicherweise eine kleine Runde zum anderen Eingang des Speisesaals gedreht, und von dem Zusammenstoß nichts mitbekommen. Aber nun kam der Ritter zurück und musterte sie neugierig. „Nichts“, erwiderte Link gepresst. Zelda verdrehte die Augen, während sie in raschem Tempo die Richtung zu ihrem Turm einschlug. „Es war nicht nichts“, widersprach sie und bedachte Link kurz mit einem strengen Blick. Innerlich gestattete sie sich ein kurzes Jubeln. Was auch immer ihn so wütend machte, hatte ihn vergessen lassen, dass er hinter ihr gehen wollte. Stattdessen passte er seine Schritte ihren an und lief genau neben ihr. „Also?“ Link warf ihr einen dunklen Blick zu. Die Sturmwolken in seinen Augen verschafften ihr ein wenig weiche Knie. Törichtes Mädchen. „Was also?“ Wieder verdrehte Zelda die Augen. „Was sollte das? Du hast ja so getan, als würde Rafayl mich angreifen wollen.“ Links Kopf schnappte so schnell zu ihr herum, dass es Wunder war, dass sie seine Wirbelsäule nicht knacken hörte. „Rafayl?“, wiederholte er mit so scharfer Stimme, dass Zelda ihn verwundert ansah. „Der Barde“, erwiderte sie irritiert. „Der, den du gerade- „Ich weiß, wer er ist“, fauchte Link. Nun war sie vollends verwirrt. Blinzelnd folgte sie Link um eine Ecke. Musste einige Schritte rennen, um mit seinem schnellen Gang mithalten zu können. „Aber-“ setzte sie an, stoppte dann aber, weil sie ohnehin nicht wusste, was sie sagen wollte. Sie verstand einfach nicht. „Er gefällt mir nicht“, knurrte Link und unterband damit Zeldas Versuch, erneut den Sinn in dem eben Beobachteten zu suchen. „Er gefällt dir nicht?“, fragte Zelda fassungslos. Ungläubig starrte sie Link an. „Aber das ist doch kein Grund ...“ sie brach ab. Schüttelte den Kopf und beschloss damit zu warten, bis sie in ihrem Gemach angekommen waren. Vielleicht wäre Link dann so weit abgekühlt, dass er wieder klar denken konnte. Für gewöhnlich hatte er damit sonst keine Probleme. Schweigend gingen sie nebeneinander her, auch wenn Zelda manchmal meinte, Link etwas vor sich hin murmeln zu hören. Aber das könnte auch Einbildung sein. Sie konnte nicht mal sehen, dass er die Lippen bewegte. Gemeinsam hasteten sie den Gang entlang auf die Tür ihres Gemachs zu. Ob sie versuchte ihn abzuhängen, oder eher mit ihm mitzuhalten, war ihr nicht ganz klar. Die Wache vor der Tür deutete eine Verbeugung an, doch Zelda war schon an ihm vorbei, bevor er seine Rüstung ordentlich zum Klappern bringen konnte. Erst als sie mit schnellem Atem mitten in ihrem Zimmer stand fiel ihr auf, dass Link ebenfalls hier war. Die Tür fiel hinter ihr ins Schloss. Panik durchflutete sie wie ein kalter Regenschauer. Link war hier in ihrem Zimmer. Er war hier und starrte sie mit so etwas wie schlecht verhüllter Missbilligung an. Die Wache hatte Link in das Zimmer gehen sehen. Was es bedeuten würde, wenn der Ritter jemandem davon berichtete, war vor dem Abendessen Zelda nicht klar gewesen. Als Link sie mit seinem plötzlichen Auftauchen überrascht hatte. Da war er ebenfalls aus ihrem Zimmer gekommen. Vor den Augen der Wache. Schreck und Freude waren zu diesem Zeitpunkt so prominent gewesen, dass sie zuerst nicht an das Gerücht gedacht hatte. Aber jetzt … Er sollte nicht hier sein. Außerdem war sie wütend auf ihn. Das Problem war nur, dass seine Anwesenheit hier sie mit einer freudigen Erwartung erfüllte. Ein abwartendes Prickeln, so aufregend und angenehm, dass es unendlich schwer war, die richtigen Worte auszusprechen. Weswegen sie es wohl auch nicht tat. Stattdessen entschied sie sich dafür, ihn zurechtzuweisen. „Link“, begann sie in ihrem besten strengen Ton. Ihr Leibwächter legte den Kopf ein wenig in den Nacken, um sie mit besser mit den blauen Blitzen zu treffen, die aus seinen Augen schossen. Trotzdessen dass sie wütend auf seine übertriebene Reaktion war und sie sich wahrscheinlich nie in einer seltsameren Situation befunden hatte, verursachte der Anblick ein kleines nervöses Flattern in ihrer Magengegend. Aus irgendeinem Grund fühlte sie sich auf einmal sehr weiblich. Zelda presste die Lippen aufeinander. Oh, bei der Göttin. Verflucht sei Mina für dieses Buch. Sie hätte sie vorwarnen müssen, dass so etwas geschehen konnte. Aber Links düsterer Blick, die zusammengezogenen Augenbrauen und der zurückgeworfene Kopf verliehen ihm eine Aura dunkler Sinnlichkeit. Das dämmrige Zimmer, nur beleuchtet von einigen Kerzen die eine Zofe angezündet haben musste, während Zelda sich beim Abendessen befand, trug erschwerend zu diesem Eindruck bei. Nicht zuletzt, weil die Schatten aufregende Dinge mit Links Gesichtszügen anstellten. Seinen rechten Wangenknochen hervorhoben und den anderen in dunkles Zwielicht tauchten. Zelda holte tief Luft. Versuchte das Kribbeln in ihrer Brust zu ignorieren und unbeirrbar und standhaft zu wirken. Ihre Fäuste ballten sich. „Weißt du wie beleidigend es ist, jemandem zu unterstellen er sei eine Gefahr für mich? Vor allem, wenn das genaue Gegenteil der Fall ist?“ Zeldas Augenbrauen zogen sich weiter zusammen, während sie Link anstarrte. Nach Anzeichen von Verständnis, oder Entschuldigung auf seinem zugezogenen Gesicht suchte. Was nicht der Fall war. Stattdessen trat so etwas wie sture Selbstgefälligkeit auf seine Züge. Was sie noch wütender machte. Eigentlich hatte sie ihm sagen wollen, wie sehr sie seine Meinung schätzte, dass sie ihm und seinem Urteil vertraute. Aber dass er bei gewissen Charakteren aufpassen musste. Manchmal war es wichtig, die richtigen Leute nicht zu verärgern. Aber diesen dickköpfigen Starrsinn hatte sie an ihm noch nie erlebt. Wahrscheinlich sollte es sie nicht überraschen. Link war zäh. Jemand der immer wieder aufstand, selbst wenn er eigentlich keine Kraft mehr hatte. Aber dass sie sich einmal an dieser Härte die Zähne ausbeißen würde, hätte sie nie gedacht. Der Gedanke entzündete ihr Temperament. Und das, obwohl sie ihm gegenüber nie wieder die Stimme hatte erheben wollen. „Du kannst nicht einfach jeden anknurren, nur weil dir seine Nase nicht passt“, fauchte Zelda und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie stürzte die Lippen. Wütend darüber, dass sie kurz davor waren zu streiten. Oder dass sie mit ihm stritt. Man konnte ihm wohl kaum eine aktive Rolle zusprechen, wenn er nichts weiter tat, als sie herausfordernd anzustarren. Und spöttisch zu schnauben. Wie er es gerade eben getan hatte. Fassungslos sah Zelda ihn an. Ihre Lippen öffneten sich, um etwas zu erwidern, doch heraus kam nur ein ungläubiges Keuchen. Der Kerl war doch wirklich unmöglich. Und er zwang sie dazu die Herrschaftskarte auszuspielen. „Nein“, sagte sie mit distanzierter, schneidender Stimme. „Du wirst dich meinem Wunsch fügen.“ Innerlich zuckte sie vor dem Befehl zusammen. Sie hasste es, so mit ihm zu sprechen. Warum tat sie es eigentlich? Wollte sie ihn in seine Schranken verweisen? Eine Stimme in ihrem Kopf sagte ihr, dass Link einen Grund gehabt haben musste, Rafayl von ihr fern halten zu wollen. Und Zelda vertraute seinem Urteil. Aber es war die Art und Weise wie er es getan hatte, die sie wütend machte. Dass er ihr nicht genügend vertraute, ihr diesen Grund zu erklären. Dass er sie wie ein unmündiges Kind behandelte. Es regte in ihr das Verlangen, es ihm mit gleicher Münze zu bezahlen. Links Augen formten sich bei ihren Worten zu Schlitzen. Die Spannung in seinem Kiefer erhöhte sich noch weiter. Bis beinahe jede Farbe aus seinen Lippen entwichen war. Aber er sagte nicht, was er so offensichtlich sagen wollte. Fast hätte Zelda vor Frustration aufgeheult. Immer noch vertraute er ihr nicht genug, um sie wie eine Gleichberechtigte zu behandeln. Eher würde er an dem Druck der aufgestauten Worte explodieren, als sie auszusprechen. Verletzt und wütend holte Zelda zum nächsten Schlag aus. „In Zukunft wirst du Rafayl nicht daran hindern, sich mir zu nähern“, teilte sie ihm schneidend mit, während sie sich innerlich krümmte. „Er war sehr freundlich zu mir und verdient es nicht, mit fadenscheinigem Verdacht beleidigt zu werden. Ich habe seine Gesellschaft sehr genossen.“ Es war der letzte Satz, der etwas in Link veränderte. Seine Brust hob sich in einem gewaltigen Atemzug, wie ein Blasebalg in der Schmiede. Sein Gesicht nahm einen so mörderischen Ausdruck an, dass Zelda einen Schritt vor ihm zurückwich. Nicht genug. Link holte den Abstand auf, war so schnell heran, ihr direkt gegenüber, dass die Luft ihr vor Schreck im Hals stecken blieb. Ein kleines Pfeifen ertönte, dann hielt Zelda den Atem an. Ihre Muskeln spannten sich. Spannten sich gegen den Impuls weiter vor ihm zurückzuweichen. Gegen den Impuls, sich ihm an den Hals zuwerfen. Sie standen sich gegenüber, im Halbdunkeln des Zimmers, ohne sich zu berühren. Draußen hörte Zelda wie die erste Donnerschläge das nahende Gewitter ankündigten, das sie schon am Nachmittag gespürt hatte. Dann öffnete der Himmel seine Schleusen und prasselnder Regen scheuchte eine Woge kalter Luft durch das offene Fenster ihres Balkons in den Raum. Zelda erschauerte. Nicht nur wegen des plötzlichen Temperaturwechsels. Sondern wegen der Spannung, die sich zwischen ihren Körpern aufgebaut hatte. So nah beieinander, das kaum ein Blatt Papier dazwischen gepasst hätte und dennoch ohne sich zu berühren. Sie konnte die Wärme spüren, die von ihm ausging. Sein Atem, der über sie hinweg wusch wie der Wind, der die Vorhänge wehen ließ. Ihre Blicke bohrten sich ineinander, aufgebracht und unnachgiebig. Stur und schneidend scharf. Alles was außer den aufschlagenden Regentropfen und dem Rauschen des Windes zu hören war, waren Links schnelle Atemzüge, während er sie aus zusammengezogenen Augen anstarrte. Ein weiterer Schauer durchfuhr Zelda, als er schließlich den Mund öffnete um zu sprechen. „Was hat er gemeint“, begann er erstaunlich gefasst, seine Stimme ein dunkles Raunen. „Das Ende eines perfekten Tages … “ Zelda brauchte einen Moment um zu verstehen, dass er Rafayls letzte Worte wiederholte. Sie wusste nicht, was sie wütender machte, die Kraft die sie benötigte, um sich gegen das raue, sinnliche Kratzen seiner Stimme zu wehren oder dass er all ihr Gesagtes ignorierte, um sich auf die Worte des Barden zu stürzen. Außer sich, ließ Zelda ein genervtes Stöhnen verlauten. Sie unterbrach den Blickkontakt, um aufgebracht den Kopf zu schütteln. „Woher soll ich das wissen? Ich kann nicht hinter seine Stirn sehen!“, fauchte sie und machte Anstalten sich von ihm abzuwenden. Ihre Drehung wurde von Links Hand verhindert, die ihren Arm festhielt. Zelda keuchte leise und sah fassungslos auf die Stelle, an der ihren Ellenbogen umklammerte. „Du hast seine Gesellschaft genossen?“, fragte er gefährlich leise und Zelda hob den Kopf. Begegnete seinem glühenden Blick. Sie unterdrückte den Impuls die Augen zu verdrehen. „Kannst du mir endlich sagen, was es mit diesem ungehobelten-“, sie begann ihren Arm zu schütteln, um Links Griff los zu werden, „Benehmen-“, sie ächzte, als Links Hand sich fester um sie schloss „auf sich hat?!“ Wieder stöhnte sie. Genervt. Wütend. Hilflos. Und gab auf sich befreien zu wollen. Stattdessen sah sie ihn auffordernd auf. Die Augenbrauen hochgezogen, die Lippen aufgebracht gekräuselt. „Zelda“, fuhr Link sie an und es war der Hauch von Verzweiflung darin, der sie aufhorchen ließ. „War er mit dir alleine?“ Sie blinzelte und befeuchtete sich mit der Zunge die Unterlippe. Kaute kurz darauf herum, um das zittrige Gefühl in ihrem Inneren abzubauen. Doch sie hörte auf damit, als Link Blick nach unten fiel, hinab zu ihrem Mund. Verlegen und hitzig senkte sie den Kopf. Sie verstand nicht, worauf er hinaus wollte. Sie wünschte, er würde ihr einfach sagen, was das alles auf sich hatte. „Er hat mich heute Mittag zur Ausgrabung begleitet“, antwortete sie nach einer Weile mit kleiner Stimme und sah wieder auf. Warum sie sich auf einmal so unsicher fühlte, wusste sie auch nicht. Sie hatte nichts Unrechtes getan. Sogar ihr Vater hatte ihr für diesen kleinen Ausflug seinen Segen erteilt. Sie wäre verdammt, wenn sie Link um Erlaubnis hätte bitten müssen. Doch was auch immer sie sich ausgemalt hatte, was immer ihr das unbestimmte Gefühl gab, irgendwie doch etwas Unpassendes getan zu haben, als sie Rafayl zur Ausgrabung begleitet hatte, es hätte sie nicht auf den Schwall an Profanitäten vorbereiten können, die sich augenblicklich aus Links Mund ergossen. Zelda starrte ihn mit großen Augen an. Zu geschockt von der Mannigfaltigkeit an Flüchen, die er ausstieß, um sich zu bewegen. Sie bemerkte sogar nur am Rande, dass er sie losgelassen hatte. Ihr Blick flog nach oben, als Link sie erneut mit seinen blauen Augen fixierte. Stürmisch und dunkel im Zwielicht des Zimmers. Während Blitze über die vom Regen aufgescheuchte Ebene Hyrules jagten. „Wo war Fado?!“ Die unverhüllte Aggressivität in seiner Stimme verunsicherte Zelda so sehr, dass sie nichts weiter tun konnte, als Link ungläubig anzustarren. Mit offenem Mund und großen, weit aufgerissenen Augen. „Wo war er?“, wiederholte Link forsch, nachdem sie nicht sofort geantwortet hatte. Zelda zuckte zusammen. Sie hatte ihn noch nie so erlebt. Selbst im Gefecht am Todesberg hatte er nicht derartig kontrolllos wütend gewirkt. Und selbst wenn sein Zorn sich gegen sie gerichtet hatte, was so gut wie nie vor kam – und für seine ungeheure Geduld sprach – hatte er es nie so deutlich gezeigt. „G-gleich hinter mir“, stotterte sie. „Also i-irgendwo hinter mir. Ich weiß nicht genau. Wieso ist das so wichtig?“ Link tat einen tiefen Atemzug und fuhr sich mit beiden Händen über das Gesicht. Es war keine sanfte Bewegung. Eher schien es, als wollte er mit seinen Fingern seine Wangenknochen in Brand setzen, so schnell rieb er daran entlang. Wieder hörte sie dieses knurrende Geräusch. Nur dass sie dieses Mal sicher wusste, dass es von Link kam. Als er die Hände wieder senkte, war etwas von der dringlichen Angriffslust von seinem Gesicht verschwunden. Eine gewisse Müdigkeit hatte sich darüber gelegt, als hätte seine Reaktion ihn selbst erschöpft. „Es war seine Aufgabe Abschaum wie ihn von dir fernzuhalten“, sagte er dunkel, aber nicht länger mit dieser gefährlich leisen Stimme voller kaum verhohlener Aggressivität. Abschaum? Sprach er von Rafaly? „Und das Erste, was dieser Vollidiot tut, ist dich mit so einem Wüstling allein zu lassen.“ Link schloss die Augen und stöhnte leise, während er den Kopf schüttelte. Zelda starrte ihn an. „Abschaum? Wüstling?“, fragte sie ungläubig. „Wer? Ein Barde, der Interesse an der Geschichte seines Volkes zeigt?“ Link schnaubte derart laut, dass Zelda der Mund offen stehen blieb. „Geschichtsinteresse?“ Er wandte ihr den Blick zu. Das Gewitter in seinen sturmblauen Augen heftiger als das, das draußen wütete. Er blähte verächtlich die Nasenflügel. „Wenn du glaubst, das ist es was dieser Kerl von dir will“, sagte er und fuhr erbost mit der Handkante durch die Luft, „dann bist du naiver als ich gedacht habe.“ Der Stich war überraschend schmerzhaft. Auf eine körperlich spürbare Weise. Zelda hielt die Luft an. Starrte ihn fassungslos an. In diesem Moment verließ jeder Kampf Links angespannten Körper. Er schüttelte den Kopf und schloss die Augen. Atmete lange und gepresst aus, bevor er sie wieder öffnete. Auf seinem Gesicht zeigte sich ein leidvoller Ausdruck. Eine offene Entschuldigung. „Das hätte ich nicht sagen sollen“, sagte er ernst und mit Nachdruck. Was das Fass zum Überlaufen brachte. „Du hättest es nicht sagen sollen?“ Er hätte es nicht denken sollen! Zelda stieß ein wütendes Geräusch aus. Irgendetwas zwischen einem unterdrückten Kreischen und einem Quietschen und drehte sich um, damit sie voller Recht schaffendem Zorn davon brausen konnte. Zumindest versuchte sie es. Es war erneut seine Hand, die sie aufhielt. Dieses Mal nur sehr viel sanfter. „Zelda.“ Abrupt drehte sie sich wieder zu ihm um. Entriss ihm ihren Arm mit so enormer, zorngespeister Kraft, dass Link dem nichts entgegenzusetzen hatte. Sein leidender Geschichtsausdruck entflammter nur noch mehr Zorn in ihr. „Was bei der Göttin denkst du eigentlich, was du tust?“, fauchte sie, um ihn an irgendeiner anderen Stelle zu treffen. „Du solltest nicht hier sein! Mach dass du verschwindest!“ Und es entsprach der Wahrheit. Dennoch bewahrte sie es nicht vor dem Stich den sie spürte, als sie Links überraschten, verletzten Gesichtsausdruck sah. Er schwieg einen Moment, während Zelda seinen schnellen Verstand arbeiten sah. Kurzzeitig sah es so aus, als würde er genau das tun: verschwinden. Doch dann glättete sich etwas in seiner Miene und eine gewisse Ruhe schien in ihm einzukehren. „Was ist los mit dir?“, fragte er dermaßen gefasst, dass Zelda ihm am liebsten ein Kissen an den Kopf geworfen hätte. „Was mit mir los ist?“ Fassungslos schnaufte sie und schüttelte so vehement den Kopf, dass die Krone auf ihrem Kopf zu rutschen begann. Links Blick folgte dem Goldreif und Zelda riss ihn sich ungeduldig herunter. Mit dem Diadem in der Hand gestikulierte sie aufgebracht in seine Richtung. „Du hast kein Recht zu fragen, was mit mir los ist, wenn du dich derartig …“ sie suchte nach einem passenden Wort. Leider war ihr Wortschatz Profanitäten betreffend ziemlich unterentwickelt „derartig...“, sie ruderte mit dem Diadem durch die Luft, „schafsköpfig aufführst!“ Sie stemmte die Hände in die Taille und versuchte ihn niederzustarren, störte sich dann jedoch an dem Goldreifen, der ihr angenehm in die geballte Faust schnitt. Ohne viel Umschweife warf sie dem Kopfschmuck hinter sich auf ihr Bett. Wo er mit viel Schwung über das Laken rutschte und mit einem Klappern zu Boden fiel. „Schafsköpfig?“, wiederholte Link mit einem amüsierten Beben in der Stimme. „Wechsel nicht das Thema!“, zischte Zelda. Link seufzte und schüttelte den Kopf. Sah kurz nach unten, wahrscheinlich um sich zu sammeln. „Dieser Barde schleicht dir schon die ganze Zeit hinterher“, antwortete er schließlich und fuhr sich mit der Hand in den Nacken. „Ich hätte mir denken können, dass er die erste Gelegenheit nutzt, um dir nachzustellen.“ Wieder atmete Link tief ein. Seine plötzliche Ruhe dämpfte auch etwas von ihrem eigenen Zorn. Aber ihr Temperament war immer noch gefährlich nah davor erneut hochzukochen. „Es macht mich wütend, dass er es geschafft hat.“ Er suchte ihren Blick. Begegnete dem Zorn in ihren Augen mit offener Kapitulation. „Es tut mir leid. Aber wenn du wüsstest, welchen Ruf er hat ...“ Link brach ab, presste kurz die Lippen aufeinander. „Welchen Ruf?“, fragte Zelda, weil sie sich nicht traute all die anderen Fragen zu stellen, die sich in ihrem Kopf überschlugen. Link schwieg für einen Moment. Betrachtete sie nachdenklich, mit einem Hauch Bedauern auf seinem Gesicht. „Sagen wir so“, begann er zögerlich. Sehr zögerlich. „Er will etwas von dir, das ein wohlerzogenes Mädchen für gewöhnlich nur mit ihrem Ehemann tun würde.“ Zeldas Augen wurden groß. Dann überkam sie die Hitze so schlagartig, dass sie sich abwenden musste. Dieses Mal ließ Link es zu. Oh. Allein der Gedanke ließ ihr die Schamesröte in alle Winkel ihres Körpers schießen. Mit Link darüber zu sprechen, war mehr als Zelda in diesem Moment vertragen konnte. „Und ich denke, es versteht sich von selbst, dass ich das nicht zulassen werde“, fuhr Link hinter ihr fort. Diesmal mit wesentlich festerer Stimme. Zelda bemerkte kurz, dass ihn nicht dieselbe Scham zu quälen schien, die sie überkommen hatte. Er sprach, wie er es immer tat, wenn es um ihre Sicherheit ging. Ernst und nachdrücklich. Aber es gab keine Anzeichen dafür, dass er unangenehm berührt war. Zelda wagte einen Blick hinter sich, um diesen Verdacht zu überprüfen. Link betrachtete sie schweigend. Offen und gefasst. Vielleicht immer noch ein wenig entschuldigend. „Wenn du dir darum Gedanken machst“, begann Zelda vorwurfsvoll, damit sie nicht unsicher und beschämt klang, „meine Tugend.“ Sie spuckte das Wort aus wie ein Stück faulen Apfel, „Dann solltest du besser von hier verschwinden, bevor so ein Verdacht dir gegenüber erhoben wird. Wie schon einmal.“ Sie wandte ihn wieder den Rücken zu. Angestrengt versuchte sie die Tränen fort zublinzeln, die sich ihren Weg auf ihre Wangen bahnen wollten. Sah zur Decke und bewegte die Augen, damit kein Tropfen überfließen konnte. Links Schritte waren so leise, dass sie nicht hörte, dass er an sie heran trat. „Das ist es, worum du dich sorgst?“, fragte er sanft. „Deswegen bist du so nervös wie ein junges Pferd? Dieses alberne Gerücht, dass niemand sich zu verbreiten trauen wird? Es geschweige denn glauben wird?“ Zelda warf ihm einen sardonischen Blick zu. Hoffte, dass sie die Tränen genügend zurückgedrängt hatte, damit sie nicht mehr in ihren Augen glitzerten. „Dein Vater hat es geglaubt.“ Sie deutete auf seinen Arm. Auf die nun verheilte Wunde. „Und wozu hat das geführt?“ Links Brust hob sich in einem tiefen Atemzug. Er betrachtete sie schweigend, nachdenklich und mit irgendetwas weit hinten im schimmernden Blau seiner Augen, das sie nicht deuten konnte. Irgendeine Emotion, die das Eis dort in flüssiges, ruhiges Wasser verwandelte. „Was habe ich dir geschworen, Zelda?“, fragte er auf diese rhetorische Weise, die keine wirkliche Antwort verlangte. Doch sein Blick blieb auffordernd, weswegen sie begann darüber nachzudenken. „Was meinst du?“ „Was habe ich dir gesagt, immer und immer wieder, wenn du mein Handeln infrage gestellt hast?“ Zeldas Augenbrauen zogen sich zusammen. Was meinte er? „Du hast gesagt …“, sie brach ab. Konnte den Satz nicht weiterführen, da sie nicht wusste, was er meinte. Wann hatte sie sein Handeln infrage gestellt? Am Anfang. Aber da hatte er kaum mit ihr gesprochen. Außer ... „Ich habe gesagt, mein Leben gehört dir“, antwortete Link an ihrer Stelle. „Ich habe es dir geschworen. Draußen, vor der Stadt, auf dem Festplatz.“ Ohne zu blinzeln starrte Zelda ihn an. Sie erinnerte sich. Natürlich erinnerte sie sich. Dieser eine Satz, der so viel bedeutete. Und für den sie nie eine Antwort hatte. Weil sie darauf nichts erwidern, nichts zurückgeben konnte. „Und nichts, gar nichts kann mich je so entehren, wie wenn du mir das nicht glaubst.“ Seine Augen bohrten sich in ihre, während der Nachhall seiner ruhig gesprochenen Worte durch das dunkle Zimmer schwebte. Sich mit dem würzigen, frischen Geruch regenfeuchter Luft vermischte. Zelda wusste nicht, was sie sagen sollte. „Du musst mich nicht beschützen, in dem du mich abweist“, fuhr er fort, seine Stimme ein sanftes Flüstern. „Ich bin dein Leibwächter. Dein Ritter. Was auch immer das Schicksal mir entgegen wirft, ich kann damit umgehen.“ Ein kleines Lächeln zupfte an seinen Mundwinkel. „Und ein paar dümmliche, unwahre Gerüchte werden mich nicht von dir fernhalten.“ Er schüttelte mit einem amüsierten Geräusch den Kopf. „Bei der Göttin, das stört mich nicht im geringsten.“ Seine Offenheit, sein Vertrauen, seine unschuldige Überzeugung beschämten Zelda. „Mich aber!“, sagte sie mit zittriger Stimme und sie wich einen Schritt vor ihm zurück. Hatte Angst vor der Nähe, vor der unbestimmten Sehnsucht in ihrer Brust, die ihr Herz schwer machte und süßlichen Schmerz durch ihren Körper jagte. „Mich stört es. Und ich werde es nicht zulassen, dass schlecht über dich geredet wird. Nicht wenn du … wenn du ...“ sie brach ab. Unfähig ihre Gefühle in Worte zu fassen, ohne sich zu verraten. Fürchtete, dass sie bereits zu viel gesagt hatte. Link schwieg. Begegnete ihrem aufgewühlten Blick mit gefasster Ruhe. Eine Ruhe, die in Zelda keine Resonanz fand. Sie fühlte sich ganz und gar nicht ruhig. In ihrer fahrigen Nervosität hatte sie begonnen, mit ihren Fingern den Stoff ihrer Robe zu zerknittern. Link betrachtete ihre nervöse Hand für einen Moment, dann fuhr sein Blick an ihrer Gestalt herab. Unterzog sie einer Bestandsaufnahme. „Du musst aus diesem Schloss heraus“, sagte er schließlich mit beschlossener Nachdrücklichkeit in der Stimme. Zelda blinzelte überrascht. „Was?“ „Der Prinzessinnenenzian wächst nur in der freien Natur. Versuche ihn zu domestizieren sind fehlgeschlagen“, entgegnete er. Scheinbar vollkommen aus dem Zusammenhang gerissen. Aber Zelda erkannte ihre eigenen Worte. Die Worte, die sie vor wenigen Tagen, in der Hoffnung er würde die tiefere Bedeutung darin verstehen, ausgesprochen hatte. Er spielte auf die Parallele zwischen ihrem Leben als Prinzessin und der Blume an. Dass auch sie das Gefühl hatte, nur in der freien Natur wirklich leben zu können. Ihr stockte der Atem. Er hatte sie verstanden. Etwas in ihrem Inneren schmolz dahin. Irgendeine Mauer, die sie bisher krampfhaft aufrecht erhalten hatte, deren Substanz sie mit Regelmäßigkeit auf Risse überprüft und geflickt hatte. Sie bröckelte einfach dahin und löste sich in Staub auf, der von ihrem schnellen Atem hinfort geweht wurde. „Link“, hauchte Zelda beinahe ohne Stimme. Sie wusste nicht, wieso sie seinen Namen sagte. Eine stille Bitte? Eine Warnung? „Die Quelle des Mutes“, sagte Link, bevor Zelda etwas Dummes tun konnte. Eine Aufforderung, ein Beschluss, ein Befehl in der Stimme. „Und morgen brechen wir auf.“   Kapitel 14: Kapitel 14 ---------------------- Als Link ohne auch nur in die Richtung der Stallungen zu sehen auf das Schlosstor zuhielt, quittierte Zelda an diesem Morgen das erste Mal seine Anwesenheit. „Keine Pferde?“, fragte sie knapp – ihr löchriger Stolz gebot es ihr, ihm die Geschehnisse am Abend zuvor, zumindest ein bisschen übel zu nehmen. Auch wenn sie nicht genau sagen konnte, worüber sie sich eigentlich ärgerte. Wahrscheinlich über sich selbst. Link schien es ohnehin nicht zu stören. Er hatte schon immer gut schweigen können. Doch nun, da sie das Wort an ihn richtete, warf er ihr einen kurzen Blick zu. Er wirkte äußerlich ruhig, auf dieselbe beherrschte, disziplinierte Art, die ihn als einen Ritter Hylias auszeichnete, aber Zelda spürte dennoch eine gewisse Anspannung. Für einen kurzen Moment ließ sie die Befriedigung darüber, diese kleine Veränderung seiner Stimmung wahrzunehmen, durch ihren Körper fließen. Vielleicht beschäftigte ihn ebenfalls, was am Abend zuvor vorgefallen war. Etwas von ihrem Unmut bröckelte. „Ja“, antwortete Link ebenso knapp und setzte seinen Weg zielstrebig fort. Keine Pferde, auf dem ganzen Weg nach Phirone. Sie würden Ewigkeiten unterwegs sein. Ein Lächeln wollte sich auf ihr Gesicht stehlen und Zelda fuhr sich mit der Zunge kurz über die Schneidezähne, um den Impuls zu unterdrücken. „Es ist ein langer Weg nach Phirone ohne Pferde“, sagte sie in lauerndem Tonfall, nachdem sie das Schlossportal durchschritten hatten. Links Antwort war ein einziges klickendes Zungenschnalzen. Wie passend, dass die erste patzige Reaktion seinerseits vollkommen wortlos ausfiel. Zeldas Mundwinkel zuckten belustigt. „Ich schätze, eine Pilgerreise ist keine Pilgerreise, wenn man die ganze Strecke jemand anderen für sich laufen lässt“, bemerkte sie leichthin. „Auch wenn wir doppelt so lange brauchen werden“, fügte sie so nonchalant hinzu, als würde sie das Wetter kommentieren – das sich am heutigen Tag so trübe zeigte, dass es keinen Kommentar wert wäre. Link antwortete dieses Mal überhaupt nicht. Er lief einfach stur vor ihr her, den Kopf geradeaus gerichtet, während er sie auf dem kürzesten Weg durch das Labyrinth an kleinen, engen Straßen führte. Es war früh am Morgen, doch die Händler und Bürger waren bereits auf den Beinen und tummelten sich geschäftig in den Gassen und auf den Plätzen. Zelda liebte das bunte Treiben der Stadt, die wehenden Fahnen und Girlanden, die Springbrunnen und glänzenden, blauen Dächer. Die sauberen, ordentlichen Straßen und liebevoll hergerichteten Häuschen, die sich eng aneinander schmiegten. Dennoch war sie Link dankbar, dass er sie so effizient und ungesehen an dem Treiben vorbei führte. Beinahe ohne eines Blickes gewürdigt zu werden, gelangten sie an den Stadtrand und befanden sich draußen auf der grünen Ebene, noch bevor die Stunde vom frühen Morgen zum Vormittag fortgeschritten war.   Sie sprachen nicht viel, während sie den direkten Weg in Richtung Phirone einschlugen. Vorbei an wohlhabenden Farmen und hindurch zwischen dem Flötengras Hügel und dem Bodenlosen Sumpf. Sie übernachteten in einer Herberge am Hylia Fluss, in einem Zimmer mit Balkon, der über die saftige Flusslandschaft hinaus blickte. Der Tag in der freien Natur hatte Zelda gut getan. Ihr Teint fühlte sich frisch an und ihre Glieder angenehm träge, nach dem langen Gang zu Fuß. Einzig und allein Links Schweigsamkeit, ausgelöst durch ihre eigene Unsicherheit ihm gegenüber, störte ihr Wohlgefühl. Selbst während der schmackhaften Mahlzeit aus saftigen Fleischpasteten und süßem Obst hatten sie kaum ein Wort gewechselt. Seufzend warf Zelda ihrem Leibwächter einen Blick über die Schulter zu. Link saß auf dem Holzboden des Zimmers und glättete die Federn an einigen seiner Pfeile, den halb vollen Köcher vor sich auf dem Schoß. Er sah nicht einmal auf, obwohl er ihren Blick bemerken musste. Zelda sah wieder hinaus auf den schnell und gurgelnd dahin fließenden Fluss. Gedankenverloren strich sie mit den Fingerspitzen über das rissige Holz der Balustrade ihres kleinen Balkons. Sanfter Nebel stieg in der kühlen Abendluft vom Wasser auf und spielte mit den immer dunkler werdenden Schatten Verstecken. Manchmal vergaß sie, wie wunderschön das Land war, in dem sie lebte. Selbst wenn die Geheimnisse der Dunkelheit sich darüber legten und man kaum noch sehen, sondern nur noch fühlen konnte, liebte sie Hyrule mit jeder Faser ihres Herzens. Ein kleines, verzweifeltes Stechen durchfuhr sie bei dem Gedanken daran, dass sie es vielleicht nicht würde retten können. Unwillkürlich faltete sie die Hände zu einem Gebet. Sie wandte ihr Gesicht himmelwärts und schloss die Augen. Richtete ihren Geist in die Weite, hinaus in die Welt, hinein in die Zeit.   Bitte, Hylia. Lass mich würdig sein. Lass dieses Land nicht vergehen. Vergib mir meine Verfehlungen. Doch rette dieses Land. Dein Land.   „Ist es nicht ein bisschen früh dafür?“, durchdrang eine Stimme ihr Bewusstsein und die dicke, schwere Decke aus Nichts, die sich um Zelda gelegt hatte, lüftete sich ein wenig. Desorientiert öffnete sie die Augen. Blinzelte gegen das trübe Licht, das sie kurz darauf als Kerzenschein erkannte. „Was-“, murmelte sie mit rauer Stimme und fuhr sich langsam mit der Hand an die Kehle, als könnte sie auf diese Weise die Enge dort loswerden. Sie hatte sich unbewusst zum Herkunftsort der Stimme umgedreht: Link, der nicht länger auf dem Boden saß, sondern seltsam leger in einem der Sessel fläzte. Es war dieser Anblick, der sie wieder zurück in die Welt holte. Sie hatte Link noch nie fläzen sehen. Doch Zelda konnte es nicht anders bezeichnen. Arme und Beine von sich gestreckt, lag er mehr auf dem Rücken, als das er wirklich im Sessel saß. Er hatte den Hinterkopf auf dem höchsten Punkt der gepolsterten Lehne abgelegt und betrachtete sie herausfordernd, einen sardonischen Zug um die Mundwinkel, die Lider halb geschlossen. Auf ihre verwirrte Reaktion hin, hob er langsam eine seiner Augenbrauen. Immer noch herausfordernd. Zelda wusste nur nicht wieso. Sie war immer noch ein wenig benommen, wohl von der Trance ihres Gebets. Sie verstand seine Haltung nicht. Seinen Habitus, der so anders, so viel direkter war. Er wirkte nicht nur herausfordernd, er wirkte beinahe … geladen. Nicht wirklich wütend, auch nicht einfach nur angespannt. Zelda löste sich von ihrer Position auf dem kleinen Balkon und trat zurück in den, nun von ein paar Kerzen erhellten Raum. Sie schloss die Tür hinter sich und zog die Vorhänge vor das Holz, um vor eventueller Zugluft zu schützen. Sie schwieg, als sie zu der Anrichte an der rechten Wand des Raumes ging, um sich aus der Karaffe, die dort stand, etwas Wasser einzugießen. „Wieso hast du mich gestört?“, fragte sie verhalten, nachdem sie einige Schlucke getrunken hatte, und drehte sich dann mit dem Becher in der Hand zu Link um. Sie wusste nicht, ob sie wütend auf ihn sein sollte. Er hatte sie gestört. Sie hatte sich tief in ihrem Gebet befunden. Ein Gebet, das fast ohne Anstrengung zu ihr gekommen war. Aber so tief sie auch in sich suchte, alles, was sie fand war eine beinahe aufgeregte Neugierde. Sie selbst konnte sich vielleicht nicht vorstellen, wieso er sie ganz bewusst aus der Trance gerissen hatte. Aber ihr schneller schlagendes Herz verriet ihr, dass etwas in ihr, daraus bestimmte, hoffnungsvolle Schlüsse zog. Törichtes Mädchen! Zelda runzelte die Stirn. Wollte er ihre Aufmerksamkeit? Nun, so viel war klar. Aber warum? Und wieso jetzt? Den ganzen Tag war er so still wie ein Stein gewesen. Und nun war der Drang, mit ihr so sprechen so stark, dass er den Respekt vor dem heiligen Hintergrund ihrer Abwesenheit absichtlich in den Wind schlug? War er wütend auf sie? Wollte er sie verärgern? Link rutschte noch ein wenig tiefer in den Sessel hinein – insofern das möglich war – und eine gewisse Zufriedenheit tröpfelte über seine Gestalt. Zelda verschränkte die Arme, den halb leeren Becher immer noch in der Hand und legte den Kopf schief, während sie ihn betrachtete. So sehr er sich auch bemühte entspannt auszusehen, schien Anspannung von ihm abzustrahlen wie vor Hitze flimmernde Luft. Die blauen Augen hinter den schweren Lidern – dunkel im Halbschatten des Zimmers – besaßen eine harte, suchende Qualität, als er ihren Blick erwiderte. „Morgen, Prinzessin“, antwortete er und hob dabei sein Kinn, konnte die Angriffslust in der kleinen Geste nicht ganz verbergen. Zelda spürte, wie ihre Augen sich ein wenig zusammenzogen, als sie versuchte schlau aus ihm zu werden. Sie öffnete den Mund, um eine Erklärung zu erlagen, aber Link sprach weiter, bevor sie etwas sagen konnte. „Morgen kannst du in irgendeiner Welt fernab von Raum und Zeit verschwinden. Wenn wir an der Quelle sind. Aber heute …“, ein kleines dunkles Lächeln zeigte sich auf seinen Zügen, „heute bleibst du hier!“ Sie konnte nicht anders. Ihr blieb der Mund offen stehen. Fassungslos starrte sie ihn an. Er starrte zurück. Mit diesem verwirrenden, berechnenden, herausfordernden Ausdruck auf dem Gesicht. Fast schien es so, als würde er sie tatsächlich wütend machen wollen. Und es hätte beinahe funktioniert. Wenn eine Stimme in ihrem Inneren nicht voller Überzeugung dafür plädierte, dass Link sie nie einfach so verletzen wollen würde. Verletzen, verärgern, oder irgendetwas anderes, das ihren Seelenfrieden stören würde. Von ein wenig gutmütigem Spott einmal abgesehen. Sein Verhalten hatte einen Grund. Und vielleicht wusste sie auch welchen. Dieser halbherzige Versuch einen Streit zu provozieren, um die schrecklich aufgeladene Stimmung zwischen ihnen zu entladen, die seit seiner Rückkehr zwischen ihnen herrschte, sollte sie eigentlich nicht belustigen. Es sollte sie froh machen. Aber einmal entlarvt, konnte sie einfach nicht anders, als darüber zu lachen. Vor Glück vielleicht. Weil er die angespannte Atmosphäre ebenso wenig mochte wie sie. Wieso hatte er dann aber den ganzen Tag geschwiegen? Langsam hob Zelda das Kinn. Winkelte den Kopf ein wenig nach hinten. Betrachtete konzentriert den abwarteten Ausdruck auf seinem Gesicht. Dann spitzte sie die Lippen und drehte sich nach hinten, um ihrem halb leeren Becher auf die Anrichte zu stellen. „Meine Güte“, sagte sie in gespielter Empörung, „hast du einen Befehlshaber verschluckt? Seit wann bist du so gebieterisch?“ Link konnte die Überraschung, die ihn bei ihren Worten durchfuhr, offensichtlich nicht ganz verbergen. Seine Augen weiteten sich kaum merklich. Dann huschten in schneller Abfolge eine Reihe anderer Emotionen über sein Gesicht: Verwirrung. Erleichterung. Zufriedenheit. Zelda konnte sehen, wie er sich langsam entspannte. Wie hatte sie diesen blauen Augen nur jemals für ausdruckslos halten können? Es war erstaunlich, wie schnell er sich in den ihr so bekannten Link zurück verwandelte. Tiefe Erleichterung durchfuhr sie. Sie hatte ihn so sehr vermisst. „Es würde mir im Traum nicht einfallen, Euch Befehle zu erteilen, Prinzessin“, antwortete er. Nun nicht länger herausfordernd, sondern mit diesem ihm so typischen selbstironischen Charme. Ein weicher Schauer durchfuhr Zelda, als ihr bewusst wurde, dass er ebenso froh schien wie sie, dass die Luft zwischen ihnen nicht länger vor unterdrückter Anspannung flimmerte. Das Lächeln, das daraufhin aus der Tiefer ihrer Seele heraufstieg, konnte sie nicht ganz unterdrücken. „Ach ja? Dann muss es wohl etwas anderes sein, das dich dazu bringt, mich herumzukommandieren!“ Das entsprach nicht ganz der Wahrheit, aber er hatte ihr den ein oder anderen Befehl gegeben. Und heute war von dem sonst so mühelos dargebotenen Respekt ihr gegenüber, wenig zu spüren gewesen – nicht dass sie sich daran störte. Links rechter Mundwinkel zuckte. Zelda nutzte den ruhigen Moment, um sich von der Anrichte abzustoßen und ein paar Schritte auf ihn zu zugehen. Sein entspanntes Fläzen wurde wachsamer. Dann ließ sich Zelda auf die gepolsterte Bank fallen, die dem Sessel gegenüber stand. Die mit weichen Federn gefüllten Kissen fingen ihren Schwung ab, trotzdem knackte das hölzerne Gerüst des Möbelstücks, als es ihr Gewicht so plötzlich abfangen musste. Links amüsierter Blick flackerte an der Bank hinunter, suchte wahrscheinlich nach Anzeichen akuter Gefahr, rührte sich aber ansonsten kein Stück. Zelda ignorierte ihn und kickte ihre Stiefel von den Füßen. Erst als sie die Beine angewinkelt hatte und dabei war, sich in eine bereitliegende Decke aus fröhlich bunt gefärbter Wolle zu wickeln, richtete sie das Wort an ihn. „Ich hoffe, du kannst mit etwas Gutem als Entschädigung aufwarten“, sagte sie und wackelte mit der Schulter, damit die Decke an ihrem Schulterblatt keine unangenehmen Falten warf, „jetzt wo du mich von meiner Andacht abgehalten hast.“ Sie zog erwartungsvoll eine Augenbraue hoch und sah Link an. Sein Blick wanderte über ihre Gestalt, die angezogenen Knie, die wollene Decke und blieb schließlich an ihrem Gesicht hängen. Fixierte sie mit seinen auffallenden Augen. Zelda redete sich ein, dass das wohlige Kribbeln in ihrem Bauch, mit der plötzlichen Wärme ihres Überwurfs zu tun hatte, nicht mit seiner Musterung, die sich nur in ihrer Einbildung wie ein sanftes Streicheln angefühlt hatte. Seine halb liegende Position, der zurückgeworfene Kopf, die halb geschlossenen Lider verliehen ihm eine sinnliche Aura, von der er nicht wissen konnte. Und die ganz sicher nicht gewollt war. Zelda stählte sich gegen den Effekt, den er auf sie hatte. Sie würden ein ganz normales Gespräch führen. So wie sie es schon vorher getan hatten, bevor ihr Herz angefangen hatte, verrückt zu spielen. Wenn sie Links Worten, wenn sie dem Schwert Glauben schenkte, dann taten sie das bereits seit Jahrhunderten: Gespräche führen. Freunde sein. Sie waren Freunde. Ein warmes Gefühl breitete sich in ihrer Brust aus, das rein gar nichts mit der leichten Wolle der Decke zu tun hatte. „Wie wäre es mit einem Bericht über die Fischleute?“, schlug Zelda mit einem gespielt überlegten Ausdruck auf dem Gesicht vor. Link ließ ein uncharakteristisch lautes Schnauben verlauten. „Sie haben es nicht besonders gern, wenn man sie so nennt“, antwortete er sardonisch. „Glaub mir!“, fügte er hinzu und Zelda wollte schon nach dem Grund für die Sicherheit in seiner Stimme zu fragen. Aber sie ließ davon ab, da sie so vieles andere wissen wollte. „Erzähl mir von Mipha! Wie kommt sie mit Ruta voran?“ Link zuckte kurz mit den Schultern, eine Bewegung, die wegen seiner Position und der Polsterung des Sessels ein wenig unrund ausfiel. „Sie scheint keine Probleme zu haben, den Titanen als volles Mitglied der zoranischen Bevölkerung einzubinden“, sagte er und richtete sich ein wenig in seinem Sessel auf. „In meiner kurzen Anwesenheit hat sie ihn dazu gebracht ein Stück Land unterhalb der Klippen zu bewässern, einen Sprühnebel zur Erheiterung eines ganzen Kindergeburtstages zu erzeugen und hat mit seiner Hilfe eine Gruppe Veteranen in Schnelligkeit und Reflexen trainiert.“ Wieder zuckte er mit den Schultern. Diesmal war es eher ein Beiwerk zu der lockern Art wie er über seinen Besuch sprach. Es war wirklich erstaunlich, auf wie viele Arten er mit den Schultern zucken konnte. Zelda lächelte. „Sie war von Anfang an die Begabteste unter den Recken.“ Ihr Lächeln wurde breiter. „Wahrscheinlich, weil sie zu Ruta eine besondere Verbindung gespürt hat und ihn als mehr als eine Kampfmaschine betrachtet.“ Sie runzelte die Stirn, als sie an Revali dachte. „Oder als Möglichkeit dem eigenen Namen mehr Ruhm beizumessen.“ Ihr Stirnrunzeln verlor sich, als sie in Gedanken wieder zu Mipha zurückfand. Sie lehnte sich ein wenig entspannter gegen die weiche Lehne der gepolsterten Bank. „Ich weiß auch nicht, wieso mich ihr Talent so überrascht.“ Zelda schlang die Arme um ihre angezogenen Knie und starrte auf die Maserung der Sitzpolster. Eine filigrane Ranke überzog die schneeweißen Kissen, gefolgt von den roten Tupfern zarter Blüten. Eine hübsche, sehr feine Arbeit für ein einfaches Zimmer in einer einfachen Herberge, die dem Raum eine elegante Note verlieh. „Vielleicht habe ich in ihr nur die Prinzessin gesehen“, murmelte Zelda. Eine Weile war nur das schnelle Rauschen des Flusses zu hören, dessen entferntes Raunen sogar durch die geschlossenen Fenster an ihre Ohren drang. Dann knarzte Links Sessel und Zelda sah auf. Er hatte sich aufgerichtet und betrachte sie mit einem eindringlichen Blick. „Du bist voller Zweideutigkeit in den letzten Tagen, was?“ Zelda blinzelte und runzelte verwirrt die Stirn. Verstand nicht. Zweideutig? Wann hatte sie sich zweideutig ausgedrückt? Dann fiel es ihr ein. Die Sache mit dem Prinzessinenenzian. Da hatte sie von den Parallelen ihres eigenen Lebens zu dem der Pflanze gesprochen. Und Link hatte sie verstanden. Hatte ihre Worte sogar an gestrigen Abend wiederholt und als Begründung für ihre Pilgerung zur Quelle des Mutes herangezogen. Und jetzt hatte er ebenfalls aufgeschnappt, dass sie eigentlich nicht allein von Mipha gesprochen hatte. Sondern von ihrem eigenen Versagen als Prinzessin, das sie auf Mipha übertragen und ihr unbewusst Kompetenz abgesprochen hatte. Zelda öffnete den Mund, um ihm zu antworten. Um ihm zu erklären, dass sie nicht beabsichtigt hatte, das Thema auf sich zu lenken. Dass es ihr, ohne nachgedacht zu haben, herausgerutscht war. Aber bevor sie etwas sagen konnte, seufzte er und etwas in seinem Blick wurde sanft. „Es gibt viele Arten von Stärke, Zelda“, sagte er leise. Seine blauen Augen suchten ihre, dunkel im flackernden Halblicht der Kerzen und von den Schatten, die seine dichten Wimpern auf seine Wangen warfen. Zelda atmete tief ein und bewegte abwehrend den Kopf, ein abgebrochener Halbkreis, der damit endete, dass sie die Mundwinkel nach unten zog und die Augen schloss. Sie wollte nicht über ihr Versagen reden. Nicht schon wieder. Sie wollte seine ermutigenden, vertrauensvollen Worte nicht hören. Sie wollte dieses berauschende Gefühl der Hoffnung nicht spüren. Nicht die zittrige Unsicherheit, die darauf folgte. Was, wenn sie diese Erwartungen am Ende doch enttäuschte? Wie viel schlimmer wäre es, vor Links unerschütterlichem Vertrauen in sie, nicht bestehen zu können, als vor dem restlichen Land; ihrem Vater. Die ohnehin nicht an sie glaubten. Zeldas Brust hob sich in einem schweren Atemzug. Sie öffnete die Augen. Begegnete Links suchendem Blick entschlossen.   „Du wolltest mir doch von Mipha erzählen!“ Link brauchte eine Weile, um zu antworten. Sie konnte den exakten Moment sehen, in dem er ihrem Streben nach einem Themawechsel nachgab. Ein unhörbares Seufzen durchfuhr ihn und er besah sie mit einem Blick nachsichtiger Enttäuschung, auf den Zelda sich nicht einlassen würde. Dann bewegte er sich ein wenig in seinem Sessel. Nahm, angesichts der abfallenden Ernsthaftigkeit, eine gelassenere Haltung ein. „Wollte ich das?“ „Du konntest es kaum erwarten“, sagte Zelda und ihre Augen wurden schmal. Drohte ihm mit Tonfall und Mimik jetzt bloß nicht ironisch zu werden. Sein Gesicht nahm einen gequält belustigten Ausdruck an, der auf seinem hübschen Gesicht beinahe komisch aussah. Er ließ einen ergebenen Laut ertönen, irgendetwas zwischen einem Stöhnen und einem Summen. „Mipha richtet Grüße aus“, sagte er irgendwann und betrachtete Zelda mit einem Blick, der ihr wohl zeigen sollte, dass er davon ausging, das würde als Bericht seines Besuchs genügen. „Ja“, entgegnete Zelda ein wenig ungeduldig. „Schön. Und weiter?“ Sie löste ihre rechte Hand von ihrem Schienbein und gestikulierte kurz, dass er weiter sprechen sollte. Woraufhin Link doch tatsächlich die Augen zur Decke verdrehte. „Sie ist der Augapfel ihres Vaters, der Stern ihres Volkes und die Heldin ihres Bruders. Bald wird der oberste Bildhauer die Statue von ihr beendet haben, an der er seit Monaten arbeitet.“ Eine schmale Augenbraue zog sich nach oben. Eine stumme Herausforderung. Zelda sah ihn einfach nur weiter an. Genoss diese nicht ernst gemeinte Stichelei, das Gefühl von Vertrautheit und Freundschaft. Von Normalität. Link musste es ebenso gehen, denn seine Mundwinkel zuckten in diesem Halblächeln, bevor er die Tirade vollkommen aufgab und begann von seinem kurzen Ausflug in das Reich der Zoras zu erzählen. Und Zelda genoss es ihm einfach nur zu zuhören. Genoss seine lockere, entspannte Haltung. Liebte es, wie er von Mipha und den Zoras berichtete. Wie er deren Art zu sprechen nachahmte, wann immer er eine der Lobworte für Mipha aus den Mündern eines ihrer Untertanen wiedergab. Seine scharfen Z's und S-Laute brachten Zelda so sehr zum Lachen, dass sie sich irgendwann krümmend die Tränen aus den Augen wischen musste. Auf ihr Nachfragen hin berichtete er ihr von Sidons Fortschritten beim Hinaufschwimmen von Wasserfällen und beim Gedanken an den kleinen Charmeur lächelte Zelda wehmütig. Er erzählte ihr, dass Mipha die Wunde an seinem Arm geheilt hatte, während sie auf dem höchsten Punkt des Wassertitanen saßen – inmitten von wehendem Wind und feinem Sprühnebel aus Rutas Rüssel, ganz Hyrule zu ihren Füßen. Wie schade, dass Mipha nie Hilfe bei der Steuerung des Titanen benötigt hatte. Zelda hätte nur zu gern dieselbe Aussicht genossen. Während sie der Vorstellung nachhing, bemerkte sie zuerst nicht, dass Link still geworden war. Erst nach einer Weile sah sie seine gerunzelte Stirn und den nachdenklichen Gesichtsausdruck. „Was ist los?“, fragte sie unvermittelt und hätte sich für ihre Neugierde am liebsten sofort auf die Zunge gebissen. Link blinzelte und sah auf, anscheinend aus tiefen Gedanken aufgeschreckt. „Hm?“ „Du warst auf einmal so weggetreten.“ Kurz sah er so aus, als würde er nicht antworten. Dann straffte sich etwas in ihm und er begegnete ihrem Blick beinahe forsch. „Oh. Ja. Ich habe über etwas nachgedacht, das Mipha gesagt hat.“ Wenn er darüber sprechen wollen würde, hätte er ihr jetzt erzählt, was genau Mipha gesagt hatte, das ihn jetzt so nachdenklich stimmte. Er hatte es nicht getan. Deswegen wollte er nicht, dass Zelda es wusste. Trotzdem konnte sie nicht anders, als nachzuhaken. „Was hat sie gesagt?“, fragte sie zögerlich. Irgendetwas Intuitives in ihrem Inneren sagte ihr, dass sie es vielleicht gar nicht wissen wollte. Ein bedauernder Ausdruck huschte über Links Gesicht. Dann trat unversehen eine Härte in seine Augen, die Zelda zurückschrecken ließ. „Es ist Zeit Schlafen zu gehen, Prinzessin“, sagte er, anstatt zu antworten und erhob sich abrupt. Es war in Ordnung. Zelda versuchte, sich das zumindest einzureden. Es war in Ordnung, wenn er nicht darüber sprechen wollte. Und sie sollte wirklich nicht verletzt sein. Aber der Wunsch, dass er sich ihr offenbart hätte, löste sich trotzdem nicht in Luft auf.   *   Zelda wusste, dass sie erleichtert sein sollte. Zwischen Link und ihr war alles wie zuvor. Normal. Wie vor den Geschehnissen am Todesberg und am königlichen Institut. Bevor sie verstanden hatte, dass sie ihn mit aller Macht ihres kleinen, törichten Herzens liebte und ihn damit in Gefahr gebracht hatte. Bevor sein eigener Vater das Gefühl gehabt hatte, ihn zur Rechenschaft ziehen zu müssen und ihn im Kampf der darauf folgte, verletzt hatte. Bevor Link sich von Mipha hatte heilen lassen und Zelda dafür allein hatte lassen müssen. Bevor Rafayl sie mit süßen Worten eingehüllt und sie sich deswegen mit Link gestritten hatte. Sie redeten miteinander. Tauschren Blicke und kleine, unschuldige Gesten. Sie sorgte für sein Frühstück, er für ein Kissen, auf dem sie schlafen konnte, wenn sie an der Quelle des Mutes ihr Lager aufschlagen würden. Er zog sie damit auf, dass sie es überhaupt nicht eilig zu haben schien, in Phirone anzukommen und den Morgen vertrödelte. Sie lachte über die Pedanterie, mit der er das Bannschwert auf seinem Rücken zurechtrückte, bis er mit dessen Position zufrieden war. Alles war gut. Wirklich. Er machte sich keine Sorgen um die Gerüchte, die im Schloss auf sie lauerten. Er war nicht befangen in ihrer Gegenwart. Er war nicht wütend. Bei den guten Göttinnen, er hatte sogar darüber gelacht, als Zelda es kurz zur Sprache gebracht hatte. Und sie war erleichtert. Doch sie kam nicht umhin, sich die Vehemenz, mit der er diese Gerüchte über sie als lächerlich abtat, ein wenig zu sehr zu Herzen zu nehmen. Zelda wusste, dass sie zu empfindlich war. Schließlich hätte sie diese Reaktion von ihm überhaupt nicht gebraucht, um zu wissen, dass er für sie sowieso nicht mehr als platonische Ergebenheit und Loyalität empfand. Sie wusste es bereits. Und es war gut so. Zelda wusste, dass sich ihrer beider Situation dramatisch verkomplizieren würde, wenn er etwas anderes für sie empfinden würde. So etwas, wie es in Sinder & Jawine beschrieben war, dem Buch das nun unter ihrer Matratze versteckt war. Aber stattdessen war sie enttäuscht. Und ein kleines bisschen wütend. Vielleicht fielen ihre Sticheleien deswegen heute besonders kreativ aus. Glücklicherweise schien Link das aber nicht verdächtig zu finden. Er lachte nur weiterhin gutmütig, wenn sie ihm scherzhafte Ritternamen gab, oder versuchte ihn an den Haaren zu ziehen – was ihr nicht ein einziges Mal gelang. Lag es an ihr? Rafayl hatte doch Interesse an ihr gezeigt. Wenn das auch nicht ernst gemeint und zudem äußerst oberflächlich war. Zelda zweifelte zwar stark daran, dass Link mit seinen Vermutungen über die unehrenhaften Absichten des Barden richtig lag. Wahrscheinlicher war, dass sie der überfürsorglichen Natur ihres Leibwächters entsprangen. Außerdem wusste Zelda, dass Rafayl sie nicht wirklich begehrt hatte. Dennoch hatte Zelda seine Aufmerksamkeit genossen. Sie hatte sich geschmeichelt gefühlt. Auch wenn es nur ein Spiel gewesen war. Stirnrunzelnd dachte Zelda darüber nach, während sie Link durch die dichte Landschaft des Damsel Waldes folgte. Konnte sie keine echten Gefühle, keine wahre Leidenschaft wecken? Würde sie nur wegen ihrer Geburt, ihrer Rolle in der Geschichte Hyrules Bewunderung inspirieren, aber keine tief empfundene, herzerfüllende Liebe? Diese Art der Selbstzweifel waren neu für Zelda. Und sie mochte sie nicht. Sie zurückzudrängen, viel ihr deswegen schwer. Oder war es Link? Würde er sich überhaupt erlauben, je auf diese Weise zu empfinden? Für irgendjemanden? Zelda warf dem Rücken ihres Leibwächters einen nachdenklichen Blick zu. Das Licht der Sonne spielte mit den dichten Baumkronen Verstecken und tauchte Links aufrechte Gestalt in ein Wechselbad aus Hell und Dunkel. Sie befanden sich auf Höhe des Banmesa Sees und hatten einige Zeit des Schweigens hinter sich. Das war in Ordnung. Zelda stand der Sinn nicht mehr nach Reden. Es war zu warm und sie waren zu lange gelaufen. War es lächerlich, dass sie sich wünschte, Links Verhalten gegenüber Rafayl hätte nicht Sorge, sondern Eifersucht zugrunde gelegen? Ja. Es war lächerlich. Trotzdem gestattete sie sich, diesem Tagtraum nachzuhängen. Sie hatte ohnehin nichts Besseres zu tun. Schließlich kam sie auf ihren vorherigen Gedanken zurück. Hatte Link Erfahrung in der Liebe? Die Vorstellung verhalf Zelda zu heißen Wangen und einen noch schwitzigeren Nacken. Ungerichtete Eifersucht und unerträgliche Neugierde ballten sich zu einem pulsierenden Knoten und sie musste sich gegen den heftigen Impuls zur Wehr setzen, die wenigen Schritte zu Link vor zu sprinten und die Antworten auf ihre unzähligen Fragen aus ihm herauszuschütteln. Himmel. Als wäre sie für diese Antworten bereit. Sie dachte an Sinder & Jawine und ihre Phantasie beschwor eine Abfolge bewegter Bilder vor ihrer Stirn herauf. Ineinander geschlungene Körper. Heißer Atem. Sinnliche Berührungen. Nur dass die Gesichter nicht länger die von Fremden waren, geschmolzen aus den Beschreibungen des Buches, sondern ihr eigenes. Und das von Link. Beinahe wäre Zelda gestolpert. Gerade noch rechtzeitig konnte sie sich fangen. Schockiert starrte sie den Boden an. Sie würde schnell ein Lochen finden und darin versinken müssen, wenn Link sie jetzt ansprechen würde. Oder sie berühren würde. Ein Schauer durchfuhr sie. Sie war sich sicher, dass ihre Gedanken so offensichtlich waren, dass sie sich durch ihre Stirn brannten. Für jedermann zu sehen. Für ihn zu sehen! Glücklicherweise hatte ihr Leibwächter genug damit zu tun die Umgebung im Auge zu behalten. Er drehte sich nicht zu ihr herum. Und ein wenig ihrer kostbaren Würde blieb erhalten. Nach einigen Schritten beruhigte sich auch Zeldas Herzschlag wieder. Wenn die klebrig schweißige Feuchtigkeit in ihrem Nacken auch bestehen blieb. Aber wahrscheinlich würde die sich erst mit der rituellen Reinigung in der Quelles des Mutes verflüchtigen. Erleichtert atmete Zelda auf und unwillkürlich fanden ihre Gedanken zurück zum Thema. Links Gefühle. Beziehungsweise deren Abwesenheit. Oder hatte es einmal jemanden für ihn gegeben? Himmel, gab es jemanden in seinem Leben und Zelda wusste nichts davon? Aber das war nicht möglich oder? Er hätte keine Zeit dazu. Aber nur weil er nicht die Möglichkeit hatte, eine Liebschaft zu unterhalten, während er als ihr Leibwächter diente, hieß das nicht, dass nicht irgendwo ein Mädchen auf ihn wartete. Oder dass er auf seinen Reisen nicht die Zuneigung und Gesellschaft von zarten Armen genossen hatte. Ohne eine bewusste Verknüpfung schallten ihr Urbosas gefühlt so lang vergangene Worte durch den Kopf. Einige meiner Kriegerinnen kennen ihn. Damals hatte sich Zelda nicht viel dabei gedacht. Aber jetzt fragte sie sich, ob es mehr damit auf sich hatte. Zelda spürte, wie sich ihre Stirn zusammenzog, als sie zu entscheiden versuchte, ob die Vorstellung sie störte oder nicht. Hätte sie eher ein Problem damit, wenn Link der Liebe mit Abwehr gegenüberstand oder er sich für dergleichen einfach nicht interessierte? Oder wäre es schlimmer, wenn er solche Gefühle durchaus empfand, allerdings für ein unbekanntes Mädchen? Während die erste Vorstellung sie mit stumpfer Traurigkeit erfüllte, ließ der Gedanke an eine Armee aus gesichtslosen Frauen, die Link glücklich machen konnten, einfach nur, weil sie anders waren als Zelda, eine Stichflamme zielloser Eifersucht in ihr auflodern. Nun, das erklärte zumindest die Frage danach, womit sie größere Schwierigkeiten hätte. Dann tanze Miphas Gesicht vor ihrem inneren Auge vorüber. Mipha, mit ihrer sanften Stimme, ihrer juwelenbesetzten Eleganz und der Fähigkeit einen wilden Bären mit einem gezielten Hieb ihres Speeres aufzuspießen. Mipha mit den heilsamen Händen. Mipha, die eindeutig Gefühle für Link hegte. Die Falte auf Zeldas Stirn wurde noch ein wenig tiefer. Dass Mipha Link auf ihre stille Weise heftig bewunderte und wahrscheinlich innig liebte, war Zelda schon so früh klar gewesen, dass sie nie weiter darüber nachgedacht hatte. Vor allem hatte sie sich nie gefragt, ob Link davon wusste. Und wie es um ihn bestellt war. Mit der Plötzlichkeit eines Wassereimers, der über ihr ausgeleert wurde, durchfuhr Zelda eine kalter, feuchter Schauer. Er war dort gewesen. Bei Mipha. Alleine. Für einen Moment musste Zelda all ihre geistige Kraft darauf verwenden, sich zum Weitergehen zu zwingen. Dann fand sie in den gewöhnten Rhythmus ihrer Atmung zurück und ihr Herzschlag beruhigte sich so weit, dass sie einige logische Gedanken zu fassen bekam. Er war nicht lange dort gewesen. Er war nicht freiwillig gegangen, sondern der König hatte ihn angewiesen zu gehen. Link würde nicht lügen. Er hatte nicht gehen wollen. Aber etwas war vorgefallen, während er sich dort aufgehalten hatte. Etwas, das ihn verschlossen und nachdenklich machte. Etwas, das ihn gestern dazu gebracht hatte, sich von ihr abzuwenden, obwohl es offensichtlich etwas zu berichten gab. Zelda hob die Hand, um sich am Schlüsselbein zu kratzen, wo ein kleiner Tropfen Schweiß ein unangenehmes Kribbeln hinterlassen hatte. Die warme, schwüle Gegend von Phirone war in ganz Hyrules wohl am wenigsten geeignet, um wilde Büsche paranoider Wahnvorstellungen im eigenen Kopf wachsen zu lassen. Aber Zelda konnte sich nicht stoppen. In ihren Gedanken erdachte sie ein Szenario nach dem anderen. Fügte Fiktion an Fiktion und kam einer nachvollziehbaren Lösung trotzdem nicht näher. Wenige Schritte später war sie kurz davor, sich mit der flachen Hand vor die Stirn zu schlagen, nur damit es endlich aufhörte. Ihr Blick fiel erneut auf Links Rücken. Würde er erneut abweisend reagieren, wenn sie ihn einfach fragte? Wahrscheinlich. Aber vielleicht würde er es ihr erzählen, wenn sie nicht nachgab. Wenn das auch die für sie am wenigsten schmeichelhafteste Lösung war. Zelda verfiel ins Grübeln. Und ergab sich bereits nach wenigen Augenblicken. Es war einfach zu heiß, um lange standfest zu bleiben. Vielleicht würde es Link ja ebenso gehen. Mit dem letzten Bisschen ihres Stolzes, tat die das Beste was sie tun konnte, um seine Aufmerksamkeit zu erlangen, ohne ihn direkt zum Warten auffordern zu müssen: Sie blieb stehen. Er machte genau drei Schritte, dann stoppte auch er. Drehte sich um. Auf diese ganz bestimmte Art und Weise, die ihr das Herz hinauf in den Hals schlagen ließ. Nicht auf den Ballen und mit einer Drehung. Sondern mit einem seitlichen Schritt. Es war etwas so Link-typisches. So vertraut. Zelda lächelte. „Was ist los?“ Sie nahm sich die Zeit, ihn zu betrachten. Halb zu ihr umgedreht, der Griff des Bannschwerts über seiner Schulter, das blonde Haar in Strähnen um Kopf und Schulter. Das Aufblitzen von Blau an den Ohren. Rauschende Zärtlichkeit durchflutete ihre Brust und Zelda musste sich auf die Innenseite ihrer Unterlippe beißen, um nicht ebenso verliebt zu lächeln, wie sie sich fühlte. Stattdessen setzte sie sich in Bewegung. Überbrückte die Distanz zwischen ihnen. Zelda betrachtete ihn von der Seite, während sie nebeneinander herliefen, nahm den Blick von ihm, außer wenn sie den Weg vor neu auskundschaftete, um nicht in Gefahr zu laufen zu stürzen. Link schien es erst gar nicht zu bemerken. Dann drehte er immer häufiger den Kopf zu ihr. Begegnete ihrem forschenden Blick mit leicht amüsierter Verwirrung. „Was?“, fragte er mit dieser irritierten Belustigung in der Stimme, die seine Mundwinkel zu einem Lächeln formte. Zeldas Augen wurden schmal, während sie ihn konzentriert anstarrte. „Ich frage mich“, begann sie rätselhaft und brach dann ab, legte den Kopf schief und grub ihre untere Zahnreihe in die Oberlippe. Link hob eine Augenbraue. Fragend. Auffordernd. Sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass er nicht weiter nachhaken würde. Entweder sie sprach aus, was ihr im Kopf herumging, oder sie tat es nicht. Selbst wenn es ihn brennend interessierte, würde er sie nicht drängen. Sie entließ ihre Oberlippe aus dem nagenden Griff ihrer Zähne. „Ich frage mich“, begann Zelda erneut, „was eine zarte Seele wie Mipha gesagt haben könnte, dass es dem Helden Hyrules seine stets so unantastbare Ruhe geraubt hat.“ Bereits während Zelda sprach, spürte sie, wie Link sich anspannte. Er warf ihr einen gequälten Blick zu und machte sich dann mit großer Geste daran, die großen Blätter einer Bananenstaude aus dem Weg zu biegen. Nach wenigen Schritten seufzte er und betrachtete sie mit einem Ausdruck ebenso amüsierter wie verdrossener Kapitulation auf dem Gesicht. „Ich hätte es wissen sollen“, sagte er und eine Falte bildete sich zwischen seinen Augenbrauen. Dennoch wirkte er nicht wirklich abweisend. Zelda gestattete sich ein kleines triumphales Hüpfen in ihrem Inneren. „Also?“, hakte sie nach, während sie ihm durch den dichter werdenden Dschungel folgte. Ihr Gefühl sagte ihr, dass es nicht mehr allzu weit bis zur Quelle war. Dieses Mal brauchte Link so lange bis er antwortete, dass Zelda sich innerlich schon zu einem erneuten Vorstoß wappnete. Doch dann stieß er ein tiefes Seufzen aus, als der letzte Widerstand in ihm brach und er begann zu sprechen. „Meine Freundschaft zu Mipha war immer geprägt von einer gewissen Wildheit“, sagte er zögerlich, als wüsste er nicht so ganz, wo er beginnen sollte. „Als ich sie kennenlernte, waren wir uns sehr ähnlich.“ Er warf ihr einen schnellen Blick zu und gestikulierte erklärend mit der Hand. „Wir waren gleich groß und liebten das Abenteuer. Die Wildnis und das Kämpfen.“ Er lachte kurz, während seine Augen irgendwie nach vorne starrten, durch die dichte grüne Feuchtlandschaft hindurch in die Vergangenheit. „Zumindest was wir damals für Kämpfen hielten.“ Mit einem Lächeln in Zeldas Richtung fand er wieder in die Gegenwart zurück. „Ich mochte sie, weil sie das erste Mädchen war, das ich kannte, mit dem man raufen konnte.“ Zelda erwiderte sein Lächeln, während sie dem inneren Bild in ihrem Kopf Raum gab. Ein kleiner, draufgängerischer Link und eine spitzbübische Mipha, die sich lachend jagten und ihre Grenzen und Fähigkeiten austesteten. „Aber das hielt nicht lange an“, fuhr Link fort und ein ernster Schatten huschte über sein Gesicht. „Mir war es nicht sofort klar, weil ich es nicht verstehen konnte, aber unsere Wege kreuzten sich in einer Zeit, in der unsere Leben für einen kurzen Moment im gleichen Takt schlugen.“ Wieder schweifte sein Blick in die Ferne. „Aber ich bin voran galoppiert, mit einem Schwert in der Hand und einem Bogen in der anderen, während Mipha zurückblieb, um mir hinterher zu sehen.“ Link wandte ihr wieder den Blick zu. Das offene Bedauern auf seinem Gesicht sandte ihr ein Stich durch das Herz. „Es war so schnell vorüber, dass wir Beide es erst nicht begriffen haben. Aber irgendwann wurde mir klar, dass ich nicht der Freund sein kann, den Mipha wünscht und braucht. Und dann ...“ Er fuhr sich mit der Hand durch das Haar. Eher eine Geste die zeigte, dass es ihm nicht unbedingt angenehm war über das Thema zu sprechen, als das wirkliche Verlangen die dicken, goldenen Strähnen zu ordnen, „und dann kamen die ersten Träume.“ Zelda wusste sofort, von welchen Träumen er sprach. Das Bannschwert, das ihn zu sich rief. Die Verantwortung, die auf ihm lastete, sein Leben, das sich mit einem Schlag änderte. „Das muss schwer gewesen sein“, sagte sie leise. „Ich habe nie darüber nachgedacht, aber ich bin mit den Geschichten aufgewachsen.“ Sie warf ihm einen kurzen Blick zu, den er mit derselben Konzentration erwiderte, mit dem er alles tat, das ihm wichtig war. Ermutigt sprach sie weiter. „Ich wusste, was mein Leben für mich bereithalten würde. Von Anfang an. Aber du dachtest, dein Leben würde in anderen Bahnen verlaufen. Für dich muss es ein großer Schock gewesen sein.“ Link schwieg und betrachtete den kleinen, schmalen Pfad, auf dem sie nun liefen. Schließlich zuckte er mit den Schultern. „Ich habe auch nie wirklich darüber nachgedacht“, gab er zu, klang aber nicht wirklich erstaunt von dieser Erkenntnis. „Aber ich schätze, dass mein Leben nicht so viel anders verlaufen wäre. Immerhin wäre ich sowieso Ritter geworden.“ Er lächelte sie kurz an. Ein Aufblitzen von ehrlicher Belustigung und der ihm so eigenen, entwaffnenden Ironie. „Vielleicht wäre ich ohnehin dein Leibwächter geworden.“ Zelda konnte sein Lächeln nicht erwidern. Stattdessen betrachtete sie ihn schweigend, während sie darüber nachdachte, dass dieser Gedanke ihr nicht neu war. Wahrscheinlich wären sie sich tatsächlich auf eine ähnliche Art begegnet, selbst wenn er nicht der Auserwählte des Schwertes gewesen wäre. „Ich schätze, es spielt ohnehin keine Rolle“, sagte er und riss Zelda damit aus ihren Gedanken. Sie sah ihn fragend an. „Schicksal, der Plan der Göttin. Mir scheint, dass es nur diese eine Möglichkeit für uns gab. Von Anfang an“, erklärte er mit einer ruhigen Akzeptanz in der Stimme, die Zelda wie so oft beschämte. „Du meinst, dass wir ohnehin nie eine Wahl haben, wie unser Leben verlaufen wird?“, fragte sie irgendwann, nachdem sie einige Zeit schweigend nebeneinander hergegangen waren. Aus dem Augenwinkel sah Zelda, dass er mit den Schultern zuckte. „Ich weiß es nicht“, sagte er und klang rein gar nicht so, als würde ihn diese Tatsache stören. „Aber ich denke, dass es ohnehin vor allem darauf ankommt, wie wir mit dem umgeben, das das Leben für uns bereit hält.“ Seine Aussagen warfen so viele Fragen auf, dass Zelda davor kapitulieren musste. Bevor ihr Verstand begann sich zu überschlagen, ließ sie in ihrem Kopf eine Blockade herunter. Versuchte sich zu sammeln, um ihre geistigen Kapazitäten wieder in die Aufnahme des ursprünglichen Gespräches fließen zu lassen. „Wieso glaubst du, dass du nicht der Freund sein kannst, den Mipha braucht?“, fragte sie und betrachtete ihn von der Seite. Link schien nicht überrascht, dass sie das Thema wieder aufnahm. Aber er ließ sich Zeit mit seiner Antwort. „Während sie mich geheilt hat, saßen wir auf dem Titanen“, begann er nachdenklich. „Und sie hat gesagt, sie würde gern mehr Zeit mit mir verbringen. Nachdem die Gefahr, die die Verheerung darstellt, gebannt ist.“ Zelda runzelte die Stirn, als Link nicht weitersprach. Sie begriff erst nach einem Augenblick, dass das die Erklärung gewesen war. Etwas in seinen Worten stimmte sie nachdenklich. Ließ sie eine tiefer gehende Botschaft vermuten, wenn die Unschuld dieses Wunsches, sie auch kurz ratlos hinterließ. Zelda sah zu Link hinüber. Zwischen seinen Augenbrauen hatte sich eine konzentrierte Falte gebildet. Er wirkte unzufrieden und angespannt. Vorsichtig setzte Zelda dazu an, zu sprechen. „Link-“, begann sie und brach dann wieder ab. Nicht sicher, ob sie sagen sollte, was sie sagen wollte. Nicht sicher, wie sie es sagen sollte. „Ist dir bewusst, dass Mipha ...“, wieder stoppte sie. „Ich meine, dass sie... dass ihre Gefühle-“ Bevor sie weiter sprechen konnte, wurde sie von Link unterbrochen. „Ich bin kein Dummkopf, Zelda“, sagte er so harsch, dass sie erschrocken den Kopf hob. Ihre Augen wurden groß und sie warf ihm einen überraschten Blick zu. Sie war schon dabei den Kopf zu schütteln, um abzustreiten, dass sie das hatte sagen wollen, doch er hob die Hand. um sie zu unterbrechen. „Mipha ist wundervoll. Sanftmütig und warmherzig. Ihrem Volk treu und ehrenhaft ergeben. Sie ist stark. Und wunderschön.“ Der Granit, aus dem sein Gesicht für einen Moment gemeißelt zu sein schien, schmolz bei seinen Worten dahin. Ein erschöpfter, gequälter Ausdruck huschte über seine Züge. „Ihre Gefühle ehren mich“, fuhr er fort, nun mit einer gebrochenen Qualität in der Stimme, die Zelda das Herz gebrochen hätte, wäre sie nicht so schrecklich angespannt gewesen. Von der Angst, der Hoffnung, der wilden Freude Einblick in die Tiefe seiner Gefühle zu erhalten. „Aber ich bin nicht frei.“ Der Nachdruck in seiner Stimme, machte aus dieser einfachen Feststellung ein Mantra. Freude blubberte in Zeldas Brust auf, nur um, wie eine Schneelawine in ein tiefes Tal der Verzweiflung zu stürzen. Er war nicht frei... Was sollte das bedeuteten. „Ist das wahr?“, hauchte Zelda und blieb stehen. Link erwiderte ihren Blick nicht sofort. Die Spannung, die plötzliche Erkenntnis, dass die Antwort auf diese Frage alles ändern konnte, war kaum aushaltbar. Dann hob Link den Kopf und Zelda befand sich inmitten des Lichtkegels seiner kristallenen Augen. Und alles Denken verdampfte unter der plötzlichen Hitze des Augenblicks. Er betrachtete sie mit einem unlesbaren Blick. Zelda erkannte Bewegung hinter seiner verschlossenen Miene. Aber sie wusste nicht, was sie da sah. Eine ruhelose Qualität huschte über sein Gesicht, dann wandte er den Blick ab. „Mein Leben gehört dir“, antwortete er, ebenso ernst und nachdrücklich wie immer und doch lauerte etwas in seiner Stimme, das es ihr schwer machte zu atmen. Mit großen Augen verfolgte sie, wie er sich von ihr abwandte und von Neuem einen Weg durch das dichter werdende Gelände bahnte. War es Frustration gewesen, die sie gehört hatte? Bedauern? Sie hatte so oft darüber nachgedacht, was seine Pflicht als ihr Leibwächter für sein Leben bedeuten würde. Dass es ihm nicht möglich wäre, eine eigene Familie zu gründen, sein eigenes Leben zu leben, während er das ihre schützte. So wie es auch für die Leibgarde des Königs der Fall war. Ihn selbst darüber sprechen zu hören, so vorsichtig er sich dem Thema auf genähert haben mochte, kam einem Schock gleich. Und auch wenn sie keinerlei Sicherheit hatte, dass er mit Verdruss auf seine Aufgabe sah, auch wenn sie nicht wusste, ob es ihn frustrierte an ihrer Seite kleben zu müssen, auch wenn er ihr so viele Hinweise gegeben hatte, dass er Vertrauen in ihre Zukunft hatte, hinterließ die Möglichkeit, dass er es doch fühlte, sie taub und erschlagen. Ein stumpfes, starres Gefühl, das sie nicht los ließ, selbst als sich der Dschungel um sie herum öffnete und Blick auf den verborgenen Eingang der Quelle freigab. Zelda versuchte Oberhand über ihren Geist zu erlangen. Versicherte sich mental immer und immer wieder, dass es ohnehin egal war, wie Link empfand. Doch sie konnte sich nicht überzeugen. Sie konnte die schockierte Verletzung, das Gefühl der Zurückweisung nicht auflösen, so sehr sie sich auf bemühte, sich die Fakten vor Augen zu halten. Sie wusste nicht, wie Link fühlte. Er hatte sie nie fühlen lassen, dass er seine Position an ihrer Seite mit etwas anderem als Ergebenheit und Pflichtgefühl erfüllte. Aber all die Jahre des Misstrauens in sich und ihre Fähigkeiten hatten sie zermürbt und mit einer tiefen Unsicherheit erfüllt. Sie konnte nicht anders, als an seiner Freundschaft zu zweifeln und ihm aus der ersten Aussage, die ihr missverständlich vorkam, einen Strick zu drehen. Sie war paranoid und suchte nach Zeichen seines Verdruss' ihr gegenüber. Zelda wusste das. Aber sie brachte es nicht fertig, damit aufzuhören. Schweigend folgte sie Link in den uralten Gang hinein, der zur Quelle führte. Die Dorfbewohner in der Nähe mussten die Fackeln an den Wänden entzündet haben, denn anders als bei ihrem letzten Besuch, erfüllte glühendes Licht die Dunkelheit und tauchte den feuchten Boden in schimmerndes Feuer. Sie befand sich in keinem guten Zustand, um der Göttin gegenüberzutreten. Voller Bedauern versuchte Zelda etwas von der Hoffnung zu generieren, von der sich seit ihrem letzten Besuch hier erfüllt gewesen war. Mit der sie auf diesen Besuch geblickt hatte. Dachte an die Fortschritte, die sie gemacht hatte, das besondere Gefühl, das sie das letzte Mal erfasst hatte, als sie in das Wasser gestiegen war. Doch sie wollte sich nicht entfachen lassen. Mit einem tiefen Seufzen trat Zelda aus dem Gang hinaus in das sanfte Licht der eingefassten Quelle. Sah hinauf in das gütig lächelnde Gesicht der Göttin, für die Ewigkeit in den Stein der Statue gemeißelt. Dann wandte sie den Blick ab. Sie würde trotzdem in das Wasser steigen. Vielleicht konnte sie die quälenden Gedanken mithilfe der Göttin fortwaschen. Vielleicht würde das Gebet ihr geistige Klarheit bringen und sie aus diesem unbesonnen Fall in das Tal ihrer eigenen unsicheren Selbstzweifel hinausheben. „Ich werde das Lager aufschlagen, während du dich umziehst“, sagte Link und begann seine Ankündigung in die Tat umzusetzen. Zelda sah ihm kurz dabei zu, wie er in den Tiefen seiner magisch vergrößerten Tasche nach ihrem eigenen Gepäck suchte und es dann auf einem Stein ablegte. Sie nickte, auch wenn sie sich sicher war, dass er es nicht sehen konnte, machte aber keine Anstalten sich zu bewegen. Erst als er beinahe fertig damit war, aus totem Holz ein Feuer für den bald hereinbrechenden Abend zu schichten, rührte sie sich. Ein kurzer Blick auf Link sagte ihr, dass er ihr starr den Rücken zuwandte, um ihr die nötige Privatsphäre zu geben, während sie sich umzog. Bei ihrem letzten Besuch hatte sie in ihrem Unterkleid im Wasser gestanden. Der Gedanke konnte sie nicht belustigen. Langsam zog sie sich die Tunika über den Kopf und stieg in das weiße Kleid der Hohepriesterin. Dann entledigte sie sich der Stiefel und ihrer Hose, öffnete ihr Haar und legte den rituellen Schmuck an.   Es überraschte sie, dass die sanft prickelnde Ladung des Wassers dieses Mal schon zu spüren war, während sie in die Quelle stieg. Zelda hielt ihre Hände dicht über die Oberfläche und nahm das Gefühl in ihren Körper auf. Ich bin es. Ich bin hier, um mich meinem Schicksal und deinem Willen zu beugen. Zelda tauchte die Hände in das kühle Wasser und formte sie zu dem vertrauten Gefäß, mit dem sie das reinigende Nass über ihren Kopf gießen konnte. Wie du weißt, hat meine Mutter nicht die Möglichkeit gehabt, mir beizubringen, wie man mit dir Kontakt aufnimmt. Um ganz ehrlich zu sein, sie hat es aussehen lassen, als wäre es nicht besonders schwierig. Immer und immer wieder ließ sie sich Wasser über Haar und Gesicht rinnen. Spülte Schmutz und Schweiß von ihrem Körper, reinigte ihren Geist und ihren Verstand von den Sorgen des Alltags und der Welt. Aber irgendwie kann ich es trotzdem nicht richtig machen. Ich bitte dich, Hylia. Ich bitte dich um Gnade. Ich bitte dich um Erbarmen. Ich weiß nicht, wie es geht. Hilf mir! Hilf mir deine Dienerin zu sein. Hilf mir, nur dieses eine Mal. Zeig mir, wie es geht! Zeig mir, was ich tun muss! Bitte! Sie sah auf zu dem milde lächelnden Gesicht der Göttin und versank im Gebet.   „Zelda.“ Links sanfte Stimme an ihrem Ohr holte sie in die Welt zurück. „Genug für heute. Du musst dich aufwärmen.“ Verwirrt öffnete Zelda die Augen. „Aber ich habe gerade erst angefangen.“ Sie wandte den Kopf und sah Link, der neben ihr im Wasser stand. Zuerst verstand sie seine ernste Miene nicht. Dann sah sie, dass er zitterte. „Was-“, begann sie erschrocken, doch Links Stimme übertönte ihre. „Nein, du bist seit Ewigkeiten hier drin. Es ist weit nach Mitternacht.“ Blinzelnd sah Zelda auf. Bis auf das flackernde Feuer, dessen schwaches Licht sie kaum erreichte, umhüllte sie tiefe Dunkelheit. Nur der orangegelbe Schein des Lagerfeuers, verstärkt durch seine Ruflektion im Wasser, erhellte die Umgebung gerade genug, dass sie Link erkennen konnte. Er hatte Recht. Sie musste eine lange Zeit gebetet haben. Aber das war ein gutes Zeichen. Trotz ihres abgelenkten Geisteszustandes hatte sie in einer tiefen Trance versinken können. Und sie fühlte etwas. Jetzt noch stärker als sie in die Quelle gestiegen war. Schwach schüttelte sie den Kopf. „Nein. Ich muss weiter machen, ich-“ Link unterbrach sie, indem er ihre im Wasser versunkene Hand nahm und sie begann, daran in Richtung des Lagers zu ziehen. „Du musst dich ausruhen, sonst hast du keine Kraft mehr, um morgen weiter zu machen.“ Er hatte Recht. Zelda wusste das. Aber Verzweiflung trieb sie an. „Du verstehst nicht-“ Wieder unterbrach er sie. „Ich bin nicht dazu da, um zu verstehen“, sagte er gepresst und warf ihr von der Seite einen schnellen Blick zu. Die Hitze in seiner Stimme ließ sie zurückschrecken, aber die Sorge in seinen Augen heilte den Schock mit einem zarten Gefühl, das sich wie Balsam über eine Wunde legte, die sie vorher nicht bewusst wahrgenommen hatte. „Ich bin hier, um dich zu schützen“, fügte er nüchtern hinzu und zog sie weiter aus der Quelle. Je näher sie dem Ufer kamen und desto mehr Zelda die unterstützende Tragekraft des Wassers verlor, konnte sie spüren, wie erschöpft sie tatsächlich war. Ihre Beine konnten ihr Gewicht kaum halten und sie musste sich gegen Link lehnen, um nicht den Halt zu verlieren. Sie hatte kaum Gefühl in ihrer unteren Körperhälfte, was das Gehen zusätzlich erschwerte. Ohne ihr auch nur einen Blick zu zu werfen, stützte er sie, während sie aus der Quelle wankte. „Auch wenn ich dich vor dir selbst schützen muss“, sagte er knapp, dann zögerte er. „Oder der Göttin.“ Etwas in der Art wie er das aussprach, ließ Zelda den Kopf heben. Doch es war zu dunkel und Links Gesicht zu sehr von Schatten überzogen, als dass sie etwas hätte erkennen können. Aber er hatte verstimmt geklungen. Als wäre er nicht einverstanden damit, dass die Göttin sich Zelda nicht offenbarte. Sie wusste, dass sie ihn verbessern musste. Es war nicht die Schuld der Göttin. Es war ihrer, Zeldas Fehler. Aber sie fühlte sich mit einem Schlag vollkommen kraftlos. Also ließ sie zu, dass seine Anteilnahme sie freute. „Wo sind meine Kleider?“, fragte sie schwach und sah sich nach dem unordentlichen Haufen um, den sie zurückgelassen hatte, bevor sie in die Quelle gestiegen war. „Sie sich noch feucht“, antwortete Link und bevor Zelda die Stirn runzeln und eine Erklärung dafür verlangen konnte – sie konnte sich nicht daran erinnern, dass sie feucht gewesen waren, als sie sich ihrer entledigt hatte – hatte er ihr etwas Weiches in die Hand gedrückt. „Hier“, sagte er und ließ sie hinunter auf einen der Steine nahe dem Feuer gleiten. „Zieh das an, ich werde nicht hinsehen.“ Dann drehte er ihr den Rücken zu und Zelda sah hinunter auf ihre Hände. Sie entdeckte eines ihrer Unterkleider, allerdings nicht das, das sie am gestrigen Morgen angezogen hatte. Darum war ein dunkles, samtiges Kleidungsstück gewickelt, das sich als eine Art Umhang entpuppte, als sie genug Kraft sammeln konnte, um es anzuheben und zu betrachten. Verwirrt betrachtete sie die Kleidung. Vor allem ihr Unterkleid gab ihr Rätsel auf. Es war eines der Vielen ähnlichen Stücke aus seidig fein gesponnenem Leinen, die sie zum Schutz ihrer Kleider direkt auf dem Leib trug. Sie hatte es nicht eingepackt, also wieso war es hier? Einen Moment starrte sie es an. Dann gab sie auf. Dieses Rätsel würde sie nicht allein lösen können. „Du sollst aus dem nassen Ding raus“, unterbrach Link ihrer Gedanken und Zelda sah auf. Ihr Leibwächter hatte begonnen über dem Feuer eine Mahlzeit zu zu bereiten und drehte ihr immer noch rigoros den Rücken zu. Allerdings waren seine Ohren wohl nicht so abgewandt, wie seine Augen. Die Hitze die ihr in die Wangen schoss, als ihr klar wurde, dass er ihr beim Umziehen zuhören konnte, war eine angenehme Abwechslung zu der Kälte, die sie tief bis in die Knochen fühlen konnte. „Wo ist das Unterkleid her?“, fragte sie, um sich davon abzulenken, dass sie sich kaum einen Schritt von ihrem Leibwächter entfernt ihr tropfendes Gewand über den Kopf zog. Ein Frösteln durchlief sie, als die abgekühlte Nachtluft über ihre nasse Haut fuhr. Sie spürte ein Kribbeln in den zarten Spitzen ihrer Brüste, als nur noch Wasser und Luft ihre nackte Haut berührte. Dafür war ihr Körper natürlich nicht zu müde. Schnell zog sie sich das Unterkleid über den Kopf, wobei sie versuchte so wenig wie möglich mit der schweren Masse ihres feuchten Haares in Berührung zu kommen. Sie zog den nassen Stoff ihrer Priesterinnenrobe auseinander und versuchte ihn auf einem Stein neben sich auszubreiten. Ihre klammen, kalten Finger bereiteten ihr Schwierigkeiten und das Kleid fiel es ihr aus den tauben Händen. Seufzend betrachtete sie das Häufchen klammen Stoffs, der nun traurig und schmutzig auf dem Boden lag. Der Gedanke es morgen wieder anziehen zu müssen, erfüllte sie mit Grauen. Sie bemerkte erst, dass Link ihr Dilemma mitbekommen hatte, als er sich seufzend nach dem Gewand bückte und es, ohne ihr einen Blick zu schenken, hinüber zur Quelle trug. Ein wenig von Zeldas erschöpfter Müdigkeit verblasste, als sie beobachtete, wie ihr Leibwächter in dem heiligen Wasser das Kleid wusch, das sie jeden Morgen und jeden Abend auf dem Leib trug. Mit einem Mal hätte sie das Feuer nicht mehr gebraucht, so heiß war das erschrockene, wunderbare, verwirrende Gefühl das iht bei diesem Anblick durch die Glieder raste. Es war so ein intimer Dienst. So unschuldig und freundlich und so bedeutsam. Hilflos sah sie zu, wie Link ihr nun wieder strahlend weißes Kleid zurück zum Lager brachte und es über einem breiten Stein direkt am Feuer ausbreitete. Beobachtete, wie er in dem Topf rührte, in dem das Abendessen kochte und erstarrte, als er ihr schließlich einen genau musternden Blick zuwarf. Erst als er mit geschäftiger Forschheit näher kam und sie in die weiche Wärme des Umhangs hüllte, den sie nicht geschafft hatte überzuwerfen, fiel ihr auf, dass er ihre Frage nicht beantwortet hatte. Er war ihr so nah, als er sich vor sie kniete und das Kleidungsstück um ihre Schultern legte, dass Zelda nicht wusste, ob der wundersame Duft von Link selbst, oder dem Stoff kam, der sie nun schützend wärmte. Denn dass der Umhang von Link stammte, war unübersehbar. Sie unterdrückte den Impuls, sich tiefer in die weiche Wärme zu kuscheln. Stattdessen fixierte sie ihn mit so viel Aufmerksamkeit, wie sie aufbringen konnte, während sie versuchte, die überstürzten Empfindungen zurückzudrängen, die seine Nähe in ihr auslöste. Zelda befürchtete, nicht genug Kraft aufbringen zu können. Sie fühlte sich absolut knochenlos. Und die langsam aufsteigende Wärme, Links Nähe, sein Geruch, das umsorgte Gefühl, schwächten ihre Widerstandskräfte mehr als sonst. Sie wollte nichts mehr, als sich nach vorne zu lehnen. Erneut die sanft ruhende Stärke seines Wesens und seines Körpers zu spüren. Noch einmal in dem sicheren Käfig seiner Arme liegen und seinem Herzschlag lauschen. Noch einmal in der Illusion wiegen. Was wäre wenn? Doch sie durfte nicht. Sie konnte nicht. Es gab keine Hoffnung. Es gab nur Leid auf diesem Weg. Also stählte sie sich mit den letzten Reserven. Ignorierte das Streicheln seiner Hand, als er ihr die Kapuze über den Kopf zog, um ihr nasses Haar gegen die kühle Nacht zu schützen. Versuchte die Gänsehaut zu ignorieren, die sich prickelnd auf ihrem Nacken und ihren Armen ausbreitete. „Link?“, fragte sie müde. „Hm?“ Er klang beinahe ebenso träumerisch wie sie sich fühlte. Aber das war wahrscheinlich nur ihrer Erschöpfung zu verschulden, die sie delirös machte. „Wo hast du das Unterkleid von mir her?“ Er antwortete nicht sofort. Stattdessen erhob er sich. Abrupt. Zelda hob den Kopf. Bildete sie sich das ebenfalls ein, oder war eine leichte Farbe über seine Wangen gekrochen? Wahrscheinlich ein Lichtspiel des Feuers. „Es ist nicht dein Unterkleid“, sagte er knapp, wobei seine Stimme reichlich gepresst klang. Mental verlangsamt und so müde, dass sie am liebsten sofort eingeschlafen wäre, akzeptierte Zelda diese Erklärung zuerst. Dann runzelte sie die Stirn, als sie sich an die charakteristische Stickerei an Ausschnitt und Saum des Kleides erinnerte. „Doch“, widersprach sie kraftlos, „es-“ „Es ist egal. Hauptsache es ist trocken“, unterbrach Link sie drehte sie um, wandte sich wieder dem Feuer zu. Immer noch die Stirn gerunzelt, betrachtete sie seinen Rücken. Wieso war er so forsch? Sie hatte ihm nur eine Frage gestellt. Wahrscheinlich hatte er Recht. Wieso sollte er nicht die Wahrheit sagen? Was gab es schon für eine andere Erklärung? Dass er eines ihrer Unterkleider entwendet hatte? So betrachtet, war die Vorstellung einfach lächerlich. Zelda spürte, wie sie den Gedanken nicht länger halten konnte. „Vorsicht!“, hörte sie Links mahnende Stimme und sie zuckte zusammen. Müde blinzelte sie ihn an. Sie konnte sich nicht erinnern, gesehen zu haben, wie er sich wieder zu ihr umdrehte. Aber nun hockte er genau vor ihr, eine Schüssel in der einen und einen Löffel in der anderen Hand. Belustigung ließ seine Mundwinkel auf die ihr so vertraute Weise zucken, doch etwas anderes verwandelten seine Augen in tiefe Tümpel flüssiger Emotionen. „Nicht einschlafen“, raunte er und hielt ihr die Schüssel entgegen. „Hm?“, machte Zelda verwirrt, zu müde um zu verstehen, dass sie tatsächlich im Sitzen eingeschlafen war. „Iss es etwas“, sagte er leise und klang dabei so bittend, dass sie das Kopfschütteln unterdrückte, mit dem sie hatte verneinen wollen. „Einen Löffel“, murmelt er und griff nach ihrer Hand, um ihre Finger um den hölzernen Löffel zu legen. „Komm schon, Prinzessin“, neckte er mit einer Stimme, die sie sich als zärtlich einbildete. „Für mich.“ Mit sanftem Nachdruck führte er ihre Hand zu der Schüssel. Tauchte den Löffel in den dampfenden Inhalt und hob ihn gefüllt an ihre Lippen. Zu müde um sich zu wehren und begierig ihm seinen Wunsch zu erfüllen, öffnete Zelda den Mund. Wohltuende Wärme breitete sich erst in ihrem Mund, dann in ihrem Körper aus. Sanfte Würze kitzelte ihre Zunge und als Link ihre Hand ein zweites Mal zu der herrlich duftenden Schüssel führte, gab sie sich so viel Mühe wie sie aufbringen konnte, um die Bewegung zu unterstützen. Sie schaffte fünf Bissen. Dann fiel der Löffel aus ihren schlaffen Fingern und landete klappernd auf den Steinen. „Nicht schlimm“, murmelte Link augenblicklich, als würde er wissen, dass sie sich deswegen schlecht fühlte. Sie wollte nicht verschmähen, was er mühsam zubereitet hatte. Aber sie war so müde. Ein Protestlaut entwich ihrer Kehle. Eine Art wimmerndes Krächzen, zu weit von wirklichen Worten entfernt, um irgendetwas zu bedeuten, aber Link schien sie zu verstehen. Er stellte die Schüssel auf eine gerade Stelle auf dem Boden und nahm ihre beiden Hände in seine. „Ich weiß“, sagte er in einem Ton, in dem man mit kleinen Kindern oder Tierbabys sprach und fuhr mit einem sanften Streicheln ihren Arm hinauf bis zur Schulter. Schamlos lehnte sich Zelda in die Berührung. Zu müde um sich gegen den gewaltigen Zug zu wehren, den sie zu ihm spürte. „Ich weiß“, wiederholte er noch leiser als vorher und rieb ihre Schulter. Es fühlte sich so gut an, dass Zelda aufseufzte. „Schon gut. Du warst so tapfer“, murmelte er sanft, dann erhob er sich langsam und zog sie mit sich hinauf. Als sie protestieren wollte, schob er einen Arm an ihrem Rücken vorbei, um sie an der Taille gegen seine Körper zu ziehen. Sofort schmiegte sich Zelda an ihn. Sie war bereits viel zu weit weg, um sich für das zufriedene kleine Summen zu schämen, das sie ausstieß. Sie fühlte nur Frieden und Wärme. Ruhe und Geborgenheit. Ganz am Rande nahm sie wahr, wie Link sie an den Steinen vorbei zu dem Lager führte, das er aus weichen Decken am Boden errichtet hatte. „Noch ein Schritt, Prinzessin. Und noch einen. Vorsicht. Ja, so ist es gut.“ Ohne Widerstand ließ sie sich von ihm auf die Decken drücken. Sie hatte ohnehin kaum Kraft alleine zu stehen. Sanft führte er sie, während sie nach unten glitt. Zog die Kapuze seines Umhangs über ihren Kopf und hüllte sie in eine weiche Decke. Warm und mit dem Duft von Freiheit und Link in der Nase, drückte Zelda ihren Kopf tiefer in die lockende Weichheit. Dann fühlte und wusste sie nichts mehr. Kapitel 15: Kapitel 15 ---------------------- Es war der unbarmherzige Schrei eines Vogels, der sie weckte. Ein hohes, durchdringendes Kreischen, das ihr ins Mark fuhr. Ruckartig schlug sie die Augen auf. Zuerst wusste Zelda nicht wo sie war. Sie sah grau und grün, ein dumpfes Farbenspiel vor dem trüben Hintergrund eines hereinbrechendes Tages. Zelda stöhnte und blinzelte gegen die Schwere, die sich ihrer Lider bemächtigte, nachdem der erste Schreck verflogen war. Die Lautstärke des erwachenden Dschungels war ohrenbetäubend. Der Dschungel. Langsam öffnete Zelda wieder die Augen. Kämpfte gegen die Schläfrigkeit, die sie mit lockenden Fingern zurück in die warme Weichheit ziehen wollte, der sie so unsanft entrissen worden war. Die Quelle des Mutes. Sie lag auf dem Rücken. Gebettet auf weichen Decken, die das schwere Gefühl in ihren Gliedmaßen erklärten: sie war entspannt. Und müde. So müde, dass sie sich anstrengen musste, die Augen geöffnet zu halten. Der Geruch von Rauch und Feuchtigkeit lag in der Luft, klamm und warm an dem frühen Morgen. Langsam drehte sie den Kopf. Nahm das heruntergebrannte Feuer nicht weit von ihr wahr, sah ihr auf einem Stein zum Trocknen ausgebreitetes Kleid, nicht mehr ganz so weiß wie am Tag zuvor. Ein Topf stand auf den wohl immer noch warmen Kohlen des Lagerfeuers, denn Dampf wirbelte in hübschen Kringeln daraus hervor. Link saß an einen der Steine gelehnt, kaum ein paar Schritte von ihr entfernt, die Beine angewinkelt und das Bannschwert locker dazwischen gelagert. Er hatte die Augen geöffnet und sah direkt über sie hinweg, in das Dickicht des Dschungels hinein, aus dem oberhalb der tieferliegenden Quelle der ganze Lärm herausschallte. Seine Stirn war leicht gerunzelt und etwas sagte Zelda, dass es nicht einfach nur Konzentration war, die ihm einen so grimmigen Blick verschaffte. Zelda nutzte die Zeit, um ihn ungestört zu betrachten. Sie erinnerte sich nur dunkel daran, wie sie es aus der Quelle auf das himmlisch weiche Lager geschafft hatte. Aber sie wusste, dass Link ihr dabei geholfen hatte. „Danke“, sagte sie leise. Sofort befand sie sich im Mittelpunkt seiner gesamten Aufmerksamkeit. Sein Stirnrunzeln wurde tiefer. „Schlaf!“, raunte er ebenso befehlsbetont wie leise, doch Zelda seufzte nur und drehte sich auf die Seite, ihm zugewandt. Sie schmiegte sich mit der Wange an das Kissen, das Link am Tag zuvor für sie erworben hatte. Es war wunderbar weich und viel zu verlockend. „Ich war mir so sicher, dass es dieses Mal anders sein würde“, murmelte Zelda und starrte in die kräuselnden Wirbel, die von dem Topf in der Asche aufstiegen. Sie leckte sich kurz über die Lippe und räusperte sich. Versuchte die morgendliche Ungeübtheit aus ihrer Stimme zu entfernen. „Ich habe etwas gespürt. Ich bin mir ganz sicher.“ Zelda spürte, wie sich ihre Stirn in Falten legte. „Aber es ist einfach nichts passiert.“ Jahrelange Übung gaben ihr die Kraft, dem Beben ihrer Unterlippe nicht nachzugeben. Die Enttäuschung sollte keine so große Wunde reißen. Aber Hoffnung erwies sich als ihr schlimmster Feind. Mit einem tiefen Seufzen setzte Zelda sich auf. Die Decke, die ihr die ganze Nacht über eine stetig angenehme Temperatur beschert hatte, rutschte hinunter und ballte sich in ihrer Taille. Unwillkürlich zog Zelda die Füße an. Legte die Sohlen aneinander, sodass ihre Knie wie Schmetterlingsflügel auseinander fächerten. Als sie erneut hinüber zu Link sah, hatte sich dessen Blick erheblich verdunkelt. „Was glaubst du, was du da tust?!“, fragte er auf diese rhetorische Weise, die Zelda deutlich machte, dass er genau wusste, was sie vorhatte zu tun. Und dass er nicht einverstanden war. Beim Aufsetzen war ihr Haar nach vorn gefallen und sie hob die Hand, um es zurück zu streichen. Die Kapuze aus schwerem, weichem Tuch die sie bei der Bewegung in ihrem Nacken spürte, brachte ein wenig von der Erinnerung zurück. Link, der sie aus der Quelle führte. Link, der ihr trockene Kleidung und etwas Heißes zum Essen und Aufwärmen gab. „Was würde ich nur ohne dich tun?!“, sagte Zelda ohne Frage in der Stimme. Die sachliche Bemerkung schienen ihn verlegen zu machen und ein wenig seines Missfallen bröckelte ab. Er hielt ihrem nachdrücklichen Blick stand, während sich Stille über sie legte. Schließlich antwortete er auf eine leichte Art, die ihren Worten die Bedeutsamkeit nehmen sollten. „Wenn die Göttin will, werden wir das nie herausfinden müssen“, sagte er und beugte sich leicht nach vorne, um in den dampfenden Topf hineinzusehen. Eine geschickte Ablenkung, die Zelda nicht entging. Einen Moment verbrachte sie damit sich zu sammeln. Kraft heraufzubeschwören, um in sich die Stärke dafür zu finden, aufzustehen und erneut in die Quelle hinein waten zu können. Nach wenigen Augenblicken erhob sie sich mit einem undamenhaften Ächzen, das sich nicht unterdrücken ließ, weil sich ihre Glieder noch nie in ihrem ganzen Leben so schwer und so steif angefühlt hatten. Eine dumpfe Welle aus hellem, sumpfigem Nichts überrollte sie und drohte ihr die Beine unter den Füßen wegzureißen. Kurz wankte sie, dann war Link an ihrer Seite. „Zelda!“, herrschte er, doch die Sorge in seiner Stimme nahm ihr sogleich auch die Schärfe. „Mir geht’s gut“, sagte Zelda und streckte die Hand aus, um ihn von sich weg zu drücken. „Nur ein bisschen schwindlig.“ Es blieb bei dem Versuch. Selbst wenn sie nicht so schwach gewesen wäre, hatte sie seiner Stärke nichts entgegenzusetzen. Sie bedachte ihn mit einem entschuldigenden Blick, der hoffentlich nicht allzu leidend wirkte. „Du weißt, dass ich weiter machen muss“, raunte sie und machte erneut Anstalten an ihm vorbei zu gehen. Diesmal ließ er sie. Beinahe war sie enttäuscht. „Und du weißt, dass du nicht ohne ausreichende Regeneration weiter machen solltest.“ Sein Tonfall war streng, doch die Sorge immer noch nicht aus seinen Augen verschwunden. Zelda schaffte es ein kleines Lächeln zustande zu bringen. „Das hier ist die Quelle des Mutes. Ich denke, das ist genau das, was ich hier zu tun habe.“ Der Gedanke kam schnell und überraschend, aber Zelda spürte mit jeder Faser ihres Seines, das etwas Wahres daran war. Ihren Mut beweisen. Entgegen ihrer Hoffnung, entgegen ihrer Kraft in die Quelle steigen. Dem Versagen entgegen blicken. Nun, das tat sie bereits ihr ganzes Leben lang. Link schnaubte, während sich Zelda nach ihrem Priesterinnenkleid bückte. Es war immer noch ein wenig klamm. Kurz zögerte sie. Der Gedanke es wieder anziehen zu müssen, war ihr zuwider. Aber war das nicht nur ein weiterer Teil der Prüfung? Sie zog die Hand zurück und drehte sich um. Wandte sich Link zu, um ihm die stumme Botschaft zu schicken, sich umzudrehen, während sie sich auszog. Doch er sah sie nicht an. Er hockte neben dem ausgebrannten Feuer und füllte einen Becher mit der dampfenden Flüssigkeit aus dem Topf, der dort stand. Als sie ihn dabei beobachtete, fiel Zeldas Blick auf den Saum ihres Unterkleides. Sie zog die Augenbrauen zusammen, als sie sich erinnerte. „Link?“, versuchte sie seine Aufmerksamkeit zu erlangen. Ohne zu antworten, sah er auf. Auffordernd. Unwillkürlich griff Zelda in den zarten Stoff des Unterkleides. „Wo hast du das her?“ Für einen Moment bildete sie sich ein, dass er unsicher wirkte. Doch es war so schnell vorüber, dass sie es beinahe sofort vergaß. Ein störrischer Ausdruck trat auf sein Gesicht und er fuhr fort mit dem Topf zu hantieren. „Frag mich das ein anderes Mal“, sagte er grimmig und so abweisend, dass Zelda die Stirn runzelte. Aber sie hatte nicht die Kraft, dem weiter auf den Grund zu gehen. Später also. Einen Moment starrte sie unschlüssig den Boden an. Dann sagte ihr ein Geräuscht, dass Link sich wieder erhoben hatte. Kurze Zeit später drückte er ihr den Becher mit dem heißen Getränk in die Hand. „Hier“, sagte er dunkel, „trink das!“. „Was ist das?“, erkundigte sich Zelda und betrachtete die bläuliche Flüssigkeit, die in dem Tonbecher hin und her schwappte, skeptisch. Als er nicht antwortete, hob sie den Kopf. Alles, was sie als Antwort bekam, war ein dreckiger Blick, der deutlich machte, dass er es ihr nicht verraten würde. Also musste es etwas Unerfreuliches sein. Zelda verzog den Mund. Dann kippte sie die heiße Flüssigkeit mit einem Ruck die Kehle hinunter. „Uärg. Schmeckt nach ungewaschenen Füßen.“ Link schnaubte erneut. Ein Geräusch das belustigt klang, aber nicht zu seinem missmutigen Gesichtsausdruck passte. Er nahm ihr den Becher aus der Hand. Sie allein schien zu bemerken, wie ihre Finger sich dabei berührten. Ein Schauer durchfuhr Zelda. „Du hast doch in deinem ganzen Leben noch keinen ungewaschenen Fuß gesehen.“ Ganz untypisch für ihn ließ er den Becher einfach auf den Boden fallen. „Geschweige denn geschmeckt.“ Zelda warf ihm einen sardonischen Blick so. Wie sie geahnt hatte, breitete sich die Wärme des Tranks erst in ihrem Bauch, dann in ihrem restlichen Körper aus. Wärme, die es ihr ermöglichen würde, einen ganzen Tag in der Quelle zu verbringen, ohne auszukühlen. Oder zumindest die Kälte des Wassers erträglicher machen würde. Sie wäre nicht einmal auf die Idee gekommen, auf ein solches Hilfsmittel zurückzugreifen. Aber Zelda war dankbar, dass Link daran gedacht hatte. Es stimmte sie ein bisschen zuversichtlicher. Sie brauchte ihn nicht daran zu erinnern, dass er sich umdrehen sollte, während sie sich umzog. Alles was sie tun musste, war auffordernd eine Augenbraue hochzuziehen. Mit einem schweren Seufzen, drehte er sich um und wanderte ein paar Schritte von ihr weg in Richtung des tunnelartigen Zugangs zur Quelle. Missbilligung schien von ihm zu tropfen wie Regen aus einer grauen Wolke. Seine offensichtliche Ablehnung ihres Vorhabens hatte die genau gegenteilige Wirkung. Es rührte sie, dass er sich sorgte. Und es erfüllte sie mit einer grimmigen Befriedigung, dass sie etwas tat, das Link für gefährlich hielt. Beinahe fühlte sie sich wirklich tapfer. Vor allem, als sie den warmen Umhang ablegte und aus ihrem trockenen Unterkleid schlüpfte. Zelda erschauderte, als sie das immer noch klamme Gewand aufhob. Ihr ganzer Körper spannte sie an, während sie es sich über den Kopf zog. Kalt schmiegte sich der Stoff an ihre Haut und sie konnte ein kleines Zittern nicht unterdrücken. Mit Links stetiger Präsenz hinter sich, machte Zelda einen Schritt. Und dann noch einen. Bis sie Wasser unter ihren nackten Füßen spürte. Und sie tat noch einen. Und noch einen. Langsam, behutsam, bedacht, aber ohne Zögern, betrat sie erneut die Quelle des Mutes. Ihr Kleid sog erneut Feuchtigkeit in sich auf. Das Wasser benetzte ihre Knöchel, ihre Knie, ihre Haarspitzen. Umspülte ihre Hüften, ihren Bauch. Die Hitze des Trankes in ihrem Inneren kämpfte gegen die Kälte des stetig aus dem Boden quellenden Wassers. Ein ebenso kräfteraubender, aussichtsloser Kampf wie der, den Zelda seit dem Tag ausfocht, an dem ihre Mutter sie allein gelassen hatte, ohne ihr die Geheimnisse ihrer Vorfahren zu verraten. Der Kampf, der jetzt in ihr tobte, in diesem Moment. Während sie vor die Göttin trat, ohne Hoffnung auf Antwort. Ohne Hoffnung auf Erfolg. Aber dennoch stand sie hier. In der Quelle des Mutes. Und kämpfte um den Mut, nicht einfach wegzulaufen und all das hinter sich zurückzulassen. Die Angst. Die Enttäuschung. Ihr Versagen. Hylia. Ich bitte dich. Hylia. Seit Zelda denken konnte, war sie die Göttin, der sie ihre ganze Aufmerksamkeit schenkte. Die Schutzheilige Hyrules und des Königshauses. Der Legende nach ihre eigene Vorfahrin. Aber lange vor Hylia, hatte es andere Göttinnen gegeben. Die drei goldenen Göttinnen hatten diese Welt erschaffen. Din, Farore und Nayru. Hylias Aufgabe war es, deren Essenz zu beschützen, die im Triforce weiterlebte. Gebet war so sehr zum Synonym für Hylia geworden, dass Zelda nicht mehr trennen konnte, zwischen der Bedeutung und der Geschichte des Wortes Göttin und ihrem eigenen Kampf um die Kraft des Siegels. Alles was sie tat, zielte auf die Erweckung dieser Kräfte. Auf die Erfüllung ihres Schicksals. Sie hatte verlernt zu fühlen, was heilig bedeutete. So früh hatten sich Pflicht und Furcht miteinander vereint, dass sie keinen göttlichen Sinn mehr spüren konnte. Nur noch Angst und Enttäuschung und Anstrengung. Dabei war Hylia nicht Herrin dieser Quelle. Die Quellen gehörten den goldenen Göttinnen, geboren durch die Geister der Drachen, die den Funken von Din, Farore und Nayru in dieser Welt hielten und sie an diesen heiligen Orten zum Leben erweckten. Die Quelle des Mutes gehörte Farore und Farodra und … etwas in Zelda stockte, als ihr ein Gedanke kam: Link. Gesegnet von Farore stand Hyrules Held hinter ihr. Und das erste Mal, das sie in der Quelle etwas anderes als kaltes Wasser und ihr eigenes Versagen gespürt hatte, war bei ihrem ersten gemeinsamen Besuch hier gewesen. Wie wahrscheinlich war es, dass die subtile Spannung im Wasser, das spürbare Kribbeln auf der Oberfläche, nichts mit ihrem eigenen Fortschritt zu tun hatte, sondern mit Farores Kraft, die an diesem heiligen Ort lebendig wurde, in der Reaktion auf die Anwesenheit des, durch das Triforce des Mutes, gesegneten Helden? Zeldas vor dem Bauch gefaltete Hände lösten ihre Umklammerung und fielen kraftlos in das stille Wasser. Sehr wahrscheinlich. Aber was war mit der Zeit, die so schnell verging, das Zelda sie nicht spüren konnte? Was war mit der tiefen Trance, die sie vorher nicht hatte erreichen können? War es Links Glauben in sie, der ihr erlaubte, von der heiligen Kraft der Quelle zu schöpfen? Hatte etwas von seinem Mut auf sie abgefärbt, so dass die Aussicht auf Versagen sie nicht länger zögern ließ, sondern ihre Entschlossenheit nur stärkte? Sie fühlte sich stärker als vorher, generell hoffnungsvoller, weniger einsam. Warm. Sie war in die Quelle gestiegen, obwohl Link dagegen gewesen war. War das nun Mut? Oder war es Waghalsigkeit? Das elektrische Gefühl, das Kribbeln auf der Oberfläche des Wassers wurde beinahe fühlbar stark. Als könnte sie mit den Händen daraus schöpfen und zu Formen ballen. Was auch immer es war. Sie würde weiter machen. So lange wie Link an sie glaubte.   Farore, verzeih mir meine Ignoranz. Ich hoffe du siehst und du verstehst. Ich war blind. Ich war taub. Ich habe nicht gesehen, nicht gefühlt. Aber jetzt verstehe ich. Meine Angst war übermächtig. Ich konnte nicht an ihr vorüber sehen. Ich konnte dich nicht sehen. Aber jetzt sehe ich. Jetzt fühle ich. Und ich bin dankbar. Danke, dass du ihn mir gesandt hast. Danke, dass du jemand Würdigen erwählt hast. Ich bete, dass ich mich ebenso würdig erweisen werde. Wenn das hier eine Prüfung ist, dann werde ich nicht aufhören zu versuchen. Ich werde vielleicht nicht erfolgreich sein. Aber ich werde nicht aufhören. Selbst wenn ich scheitern werde.   Die Elektrizität begann zu knistern. Wurde zu einem beinahe sichtbaren Glühen über der Oberfläche. Sie fuhr an Zeldas Körper entlang, füllte ihre Knochen mit prickelnder Spannung, einem kaum aushaltbaren, berstenden Gefühl. Steigerte sich zu einem hohen, zittrigen Fiepen. Dann entlud es sich in einem ohrenbetäubenden Krachen und Zelda schreckte auf.   Eine Stimme. Graues Licht. Kälte. Regen. „Zelda!“ Sie schlug die Augen auf. „Zelda!“ Sie blinzelte und drehte sich in Richtung der Stimme. „Link?“ Langsam fand sie zu sich selbst zurück. Fand sich in der Quelle vor, im trüben Dämmerlicht. Und um sie herum, floss der Himmel in prasselndem Regen auf sie hernieder. Hatte sie nicht gerade noch in der Sonne gestanden und deren prallende Hitze auf dem Kopf gefühlt? Verwirrt runzelte Zelda die Stirn. Dann merkte sie, wie kraftlos sie sich fühlte. „Was-“ begann sie matt und machte einen ziellosen Schritt auf dem glitschigen Quellenboden. Link fing sie, bevor sie auf dem Wasser aufschlagen und unter der Oberfläche verschwinden konnte. Ein Fluchen drang an ihr Ohr. Sie verstand nicht, was er sagte, aber sehr wohl dass er beinahe panisch war. Warum? Wegen des Wetters? „Ich versuche seit einer Ewigkeit dich zurückzuholen“, sagte er, Erleichterung in der Stimme, gepaart mit deutlich hörbarer Sorge. Zelda krallte sich in den nassen Stoff seiner Tunika. Flatternd öffneten sich ihre Augen. Sie hatte nicht einmal bemerkt, dass sie sie wieder geschlossen hatte. Unter ihren Fingern fühlte sie nicht das Reckengewand, sondern nur den Stoff der dünnen, weißen Tunika, der er immer darunter trug. Mit Wasser vollgesaugt, klebte sie vollkommen durchsichtig an seinem Oberkörper und trennten ihre Hand kaum von dem heißen Glühen seiner Haut. Bebend versuchte Zelda ihre Finger zurückzuziehen. Link fing sie wieder ein und zerrte an ihrem Unterarm. Völlig verlangsamt nahm sie wahr, wie er ihr den rituellen Schmuck vom Handgelenk zog. Mit einem unverständlichen Murmeln warf er das Armband hinter sich, dann griff er nach Zeldas Halskette. Der prasselnde Regen war so laut, dass sie nicht hören konnte, ob der Schmuck ins Wasser fiel, oder auf dem Boden außerhalb der Quelle aufschlug. Sie hatte keine Kraft, um zu protestieren. Ihrer Kehle entwand sich nur ein seltsam abgewürgtes Wimmern. „Wir befinden uns in der Mitte eines verdammten Gewitters und du stehst hier mit Metall am Körper im Wasser.“ Sie hörte wie aufgewühlt er klag, wie aufgebracht. Seine Stimme ein dunkles Raunen, tief und sonor in seiner Brust, an die er sie wieder gedrückt hatte, nachdem der Schmuck im grauen Nichts aus heftig fallenden Regentropfen verschwunden war. Erst jetzt spürte Zelda, dass er sie aus dem Wasser zog. Oder es zumindest versuchte, denn ihre Glieder waren so steif und schwer, dass sie keine Kontrolle über ihre Schritte hatte und beinahe jedes Mal vornüber gefallen wäre, wenn er sie nicht gehalten hätte. „Verfluchte Mist-“, fluchte Link, wobei sie nur die Hälfte verstehen konnte. Das Wasser ging ihnen nur noch bis zu den Oberschenkeln und Zelda hatte jegliche Unterstützung der tragenden Schwerelosigkeit verloren. Schwer hing sie an Links Seite. Wieder fluchte er. Dieses Mal klang es wie eine andere Sprache. Kehlig und holprig. Gerudo wahrscheinlich. Dann fühlte Zelda, wie der Boden unter ihren Füßen verschwand. Die Welt wankte und sie stieß ein erschrockenes Keuchen aus, zu kraftlos für einen Schrei. Mit einer fließenden Bewegung, hatte er seinen Arm unter ihre Knie gebracht und sie nach oben gehoben. Hoch, an seine Brust. „-auch noch ein verfickter Sturm-“, konnte sie von Links permanenter Tirade ausmachen, bevor heftig ausgestoßenen Worte in einem krachenden Donner untergingen. Zelda zuckte zusammen. Das Wasser prasselte ihr nun direkt ins Gesicht und sie duckte sich an seine Schulter. Zugleich auf der Suche nach der Wärme seines Körpers und vor Schutz vor den hagelnden Tropfen. Erst jetzt nahm sie ihr eigenes unkontrolliertes Zittern wahr. Wieder sagte er etwas, das Zelda nicht verstehen konnte. Dieses Mal spürte sie es eher, als dass sie es hörte. Sie konnte sein Herz fühlen, das schnell und heftig schlug, wahrscheinlich von der Anstrengung ihr Gewicht tragen zu müssen und gleichzeitig gegen den Widerstand des Wassers zu kämpfen. Langsam verstand Zelda. Sie hatte den ganzen Tag in der Quelle gestanden. Die Zeit war vergangen, ohne dass sie es wirklich gespürt hatte. Während Gedanken ineinander geflossen waren und sich in ihrem Kopf Verständnis und Worte geformt hatten, waren Stunden vergangen, ohne dass sie sich rührte. Und nachdem die elektrische Ladung der Quelle sich aufgestaut und schließlich entladen hatte, war eines der vielen Gewitter aufgezogen, für die Phirone so berüchtigt war. Link hätte sie einfach in der Quelle lassen sollen. Doch so gnädig war die Göttin nicht. Sofort bereute Zelda diesen Gedanken. Sie meinte es nicht ernst. Sie fühlte keine Enttäuschung wegen ihres erneuten Versagens. Es war anders als sonst. Wenn es auch weiterhin schwer auf ihr lastete, dass sie keinen Schritt näher an der Erweckung ihrer Siegelkräfte heran war. Links beständiger Monolog – Vorwürfe, Flüche, zusammenhangslose Profanitäten – waren so untypisch für ihn, dass Zelda nicht anders konnte, als fasziniert zu zuhören. Sie verstand nicht einmal die Hälfte von dem was er sagte. Es war zu laut und er manchmal zu leise. Oder er sprach in einer anderen Sprache, die sie wegen der Lautstärke des Regens und seines Atems und ihrer klappernden Zähne noch weniger verstehen konnte. Ihr Denken war ebenso verlangsamt wie ihre Bewegungen und Zelda fragte sich, ob sie sich in einer Art Schock befand. Nur so konnte sie sich erklären, dass Links Nähe auf sie nicht die typische Wirkung hatte. Kein beschleunigter Herzschlag, keine Hitze, die sie durchfuhr, keine aufstobenden Schmetterlinge in ihrem Bauch. Nur Dumpfheit und Schwere. Und diese seltsame Faszination mit der für Link so untypischen Vulgarität. Vielleicht sollte ihr das Angst machen. Aber die Emotion schien sich nicht in ihrem Körper verteilen zu wollen. Am Rande nahm Zelda wahr, dass Link sie durch das Gewitter zu der Höhle trug, durch die man zur Quelle gelangte. Urplötzlich stoppte der schnell fallende Regen. Zelda hob den Kopf. Nicht viel, ihr fehlte die Kraft um wirklich aufzublicken, aber genug, um zu sehen, dass ein Feuer von den Steinen widerflackerte. Es war ein seltsames Gefühl, der fehlende Regen auf der Haut. Als würde die Nässe schwerer werden, sobald keine neuen Tropfen nachkamen, um die vorherigen fort zuwaschen. „Spricht mit mir!“, forderte Link sie auf, während er auf das Feuer zuging. „Wie geht es dir?!“ Zelda blinzelte langsam. „Bisschen müde“, antwortete sie matt und brachte ihn damit zum Lachen. Es war kein wirkliches Lachen. Eher ein Krächzen, aber immerhin fluchte er nicht mehr. „Mal sehen, was ich tun kann“, sagte er daraufhin und klang ein wenig mehr wie Link, ein Hauch der alten gutmütigen Ironie in der Stimme. Doch seine Bewegungen waren weiterhin schnell und etwas abgehakt, als würde er mit Anstrengung versuchen, seinem Körper Effizienz abzuverlangen, während er ebenfalls mit der Kälte kämpfte. Er war genauso durchnässt wie sie. Die Welt schaukelte, als er sich mit ihr im Arm am Feuer niederließ. Kurz fühlte Zelda Wärme, abgestrahlt von den tanzenden Flammen und von Link, dessen Arme und Oberkörper nun eine Art Käfig formten. Sie spürte, wie er sich unter ihr reckte. Nach links, nach rechts, nach vorne. Dann wurde sie in eine Decke gewickelt. „Du musst aus dem nassen Zeug raus“, murmelte Link und hielt die Decke mit einer Hand vor ihrer Brust zusammen, während die andere zwischen ihren Schulterblättern lag. Zelda machte einen Versuch ihn anzusehen. Bibbernd und mit heftig aufeinander schlagenden Zähnen, hob sie das Kinn. Links Haar war dunkel vor Nässe und seine Wimpern hatten sich in kleine Speere aus Schwarz verwandelt, zusammengeklebt von dem Regenwasser, das immer noch Tropfen formte und an seiner Haut hinab rann. Ein kleines Rinnsal fand den Weg zu seinem Kinn und hing dort, bis sich ein Tropfen löste. Er fiel auf ihre Oberlippe und Zelda zuckte leicht zusammen. Links Atem ging immer noch schnell, hob und senkte seine Brust in einem rasanten Rhythmus, ganz im Kontrast zu ihrer eigenen, flachen Atmung. Alles an ihm war schnell. Seine Augen, die Gedanken hinter seiner Stirn, die so laut zu sein schienen, dass Zelda sich darüber wunderte, sie nicht hören zu können. Seine Eile sagte ihr, dass die Situation ernst war. Und die Taubheit ihres Körpers, die fehlenden Reaktionen, unterstützten diesen Eindruck. Aber es war, als fehlte ihr eine Starthilfe, eine Art Impuls, der sie wieder richtig biegen, wieder in Fahrt bringen würde. Ihre Blicke begegneten sich. Es schien so viel auf einmal hinter diesen blauen Augen vor sich zu gehen. Irgendeine Erkenntnis durchlief Zelda, aber sie wusste nicht welche. Sie wusste nur, dass etwas vor sich ging. Dass er etwas von ihrem Gesicht ablas und tausend kleine Dinge auf einmal dachte. Gern hätte sie ihm geholfen. Aber in diesem Moment konnte sie kaum sagen, wo oben und wo unten war. Sie sah den Augenblick, in dem er zu irgendeiner Art Entscheidung kam. Er schluckte und die Falte auf seiner Stirn, die sich mit jedem Heben seiner Brust vertieft hatte, glättete sich abrupt. Dann spürte Zelda eine Hand an ihrer Wange, während die Decke vor ihrer Brust auseinander klaffte. Seine Hand. Sie war nass. Und warm. Heiß in der Kälte, die ihren Körper überspülte. Wahrscheinlich war es gut, dass sie fühlen konnte, wenn etwas heiß war. Oder war es schlecht? Sollte es sich heiß anfühlen? „He“, raunte er leise. Seine Finger fuhren an ihrem Wangenknochen vorbei in ihr Haar, krümmten sich um die Rundung ihres Kopfes. Zelda bemerkte am Rande, dass seine Hand zitterte. „Bist du irgendwo da drin?“, fragte er sanft, während seine Hand leichten Druck ausübte. Sie stützte und hielt, verhinderte, dass ihr Kopf zur Seite kippte. Eine Vorsichtsmaßnahme, die ebenso vorausschauend wie klug war, denn diese kleine Berührung reicht aus, um ihrem Nacken alle Kraft zu rauben. Sie lehnte sich gegen seine Hand. Gegen den tröstlichen Kontakt, den Schutz, die Sorge. Zelda versuchte zu nicken, ihm zu antworten, aber alles was geschah, als sie ihren Körper den Befehl dazu gab, war dass sie ein Zittern durchlief. Ein kleines beruhigendes Geräusch klang an ihr Ohr. „Ist schon gut. Es wird alles wieder gut“, murmelte er. Seine Augen huschten über ihre Schulter hinweg, als er etwas hinter ihr betrachtete. Dann fühlte sie, wie der stützende Halt seiner Hand sie verließ. Dieses Mal brachte sie einen Laut des Protestes zustande. Oder eher eine Warnung, denn sobald er seine Finger aus ihrem nassen Haar entwirrt hatte, machte ihr Kopf Anstalten, nach hinten zu fallen. Wieder fluchte Link. Dann fühlte sie sich an seine Brust gedrückt. Ihr Kopf sank herunter und ihr Körper folgte dem Impuls seiner Bewegung, bis sie sich in einer einigermaßen stabilen Position zusammengerollt hatte. Ein Seufzen wehte aus ihr hervor, ohne dass sie es bewusst veranlasst hatte. Mittlerweile war die Kälte nicht mehr ganz so akut. Nur noch sehr unangenehm. Und nass. So, so nass. „Verzeih mir hierfür“, sagte Link auf einmal und eine weitere Bewegung rüttelte sie durch. Zelda murrte. „Nicht einschlafen!“, ermahnte Link sie und arrangierte ihren schwachen Körper auf seinem Schoß, wobei er wieder die Decke vor ihrer Brust zusammenhielt. „Du musst aus diesen Sachen heraus“, wiederholte er und Zelda fragte sie, ob er wirklich von ihr verlangte, dass sie sich auszog. Das Hauptproblem wäre nicht die Schicklichkeit. Sondern ihre Unfähigkeit sich zu rühren. Sie versuchte, ihm das zu sagen, doch ihre Kehle hatte ihre Funktion endgültig eingestellt und herauskam nur ein weiteres Wimmern. Wieder wurde sie durch geschaukelt, als er sich bewegte. Was machte er nur? „Entschuldige“, sagte er und klang dieses Mal nicht nur hektisch, sondern auch noch nervös. „Bitte entschuldige“, wiederholte er und Zelda blieb nicht mal Zeit, sich zu fragen, wofür er sich entschuldigte. Denn als er das Knie hob, um ihren Rücken dagegen zu lehnen, fuhr er mit einer Hand in die Öffnung der auseinanderklaffenden Decke. Und in diesem Moment hörte sie auf zu denken. Er arbeitete schnell und effizient, dafür dass er ebenfalls frieren musste. Dafür dass die Position komisch und ihr schlaffer Körper ihm keinerlei Hilfe bot. Dafür dass er keine Erfahrung darin hatte, mit nur einer Hand eine Prinzessin aus ihrem nassen Kleid zu schälen. Er war geschickt. Erst lösten seine Finger den Gürtel, der den Stoff zusammenhielt. Dabei bewegte sich die Decke kein Stück. Zu geschockt um die Augen zu schließen, starrte Zelda ins Leere. Kurz, nur ganz kurz zündete die Berührung seiner bloßen Finger auf der nackten Haut ihres Rückens einen Funken von etwas Beschämtem. Von etwas, das wirr und aufgeregt und fassungslos war. Etwas, das begeistert war. Doch die große Schwere, das kalte, klamme Nichts das sie niederdrückte, erstickte diesen Funken, bevor ein Feuer entzündet werden konnte. Bewegungslos lauschte Zelda seinem Atmen. Hörte sein rasch schlagendes Herz. Versuchte die ständigen Entschuldigungen zu ignorieren, die er an ihr Ohr murmelte, während er versuchte, sie auszuziehen, ohne sie zu berühren. Was für ein Segen diese Gedankenlosigkeit war. Sie wollte nicht über das nachdenken, was geschah. Sie wollte nie darüber nachdenken müssen. Als Link das Kleid bis zu ihren Hüften hinunter gezerrt hatte, durchfuhr ein weiteres Rucken seinen Körper. Er streckte sich, um nach ihrem Unterkleid zu greifen, wie sich herausstellte. „Ich muss kurz die Decke wegnehmen“, sagte er betont teilnahmslos, doch Zelda hörte in seiner Stimme, dass das hier nichts war, das er gern tat. Sie versuchte erst gar nicht zu nicken. Und er schien es auch nicht erwarten. „Ich werde nicht hinsehen“, versicherte er, während er die Decke schon von ihrem Oberkörper zog. Die kühle Luft der Höhle strich über ihren nassen Körper und Zelda erschauderte. Eine weitere Entschuldigung drang an ihr Ohr. Sie wünschte, er würde aufhören sich zu entschuldigen. „Kannst du deine Arme heben?“, fragte er und wenn sie gekonnt hätte, hätte Zelda laut gelacht. Ihre einzige Möglichkeit zu antworten war, zu schweigen. „Tja, scheiße“, entfuhr es Link. Dann seufzte er und zog ihr das Kleid über den Kopf. Ihre schlaffen, kalten Arme mussten sich wie Fische in seinen Händen anfühlen. Zumindest fühlten sie sich für Zelda so an, als er erst den einen, dann den anderen durch die Armlöcher des Kleides schob. Langsam und wohl bedacht darauf ihrer Brust nicht zu nahe zu kommen. Er arbeitete ein wenig holprig, aber erstaunlich zielstrebig für jemanden, der einem vollkommen paralysierten Mädchen ohne hinzusehen in ein Kleid helfen musste. Ein erleichterter Laut entfuhr ihm, als das Unterkleid ungehindert nach unten fiel und sich über dem nassen Stoff ihrer Priesterinnenrobe ballte. Beinahe sofort fühlte Zelda, wie die Decke sich wieder über ihre Schultern legte. Danach ging alles ganz schnell. Link zerrte den restlichen Stoff über ihre Beine nach unten und schleuderte das heilige Gewand unzeremoniell hinter sich. Denn zog er sie noch enger an seine Brust und legte die Arme um sie. Sofort wurde alles wärmer. Auch wenn Link weiterhin nass war und ebenso frieren musste. Kurz versuchte Zelda ihn darauf hin zu weisen, doch er drückte ihren Kopf nur fester an seine Brust und begann ihr über das Haar zu streicheln. „Sch-sch“, machte er sanft und einlullend und auch wenn es lächerlich war, fühlte Zelda, wie jeder Widerstand sie verließ. Im nächsten Moment fielen ihr die Augen zu und ihr Bewusstsein knipste aus, wie eine gelöschte Kerze.   Es war warm. Das war alles, was sie für lange Zeit fühlte. Wärme. Nicht nur um sich herum, sondern auch in ihrem Inneren. Wärme, die ihre eigenen Knochen vor schierem Wohlgefühl zu produzieren schienen. Wärme, die in ihren Kopf sickerte und dort für Ruhe sorgte. Ruhe. Einfach nur Ruhe. Als sie ein wenig aus der flauschigen Tiefe zurückkehrte, in der Ruhe und Wärme die einzigen wichtigen Dinge zu sein schienen, war sie der seltsamen Überzeugung, dass sie sich in Gerudo Stadt befand. Behütet in Urbosas unmittelbarer Nähe und warm und gemütlich in einer der wohl temperierten Wüstenbauten, inmitten von einem Bett aus weichen Kissen. Das einzig Störende war das Knie in ihrem Rücken. Zelda brauchte einen Moment um zu verstehen. Knie? Mit einem Flattern öffneten sich Zeldas Augen. Das erste was sie sah, war Link. Oder eher, Links Brust. Woher sie mit sofortiger Überzeugung sagen konnte, dass es sich um Links Brust handelte, musste an irgendeiner unbewusst abgespeicherten Information liegen, die sie nicht aktiv heraufbeschwören konnte. Zelda blinzelte. Er war ihr so nah, dass sie seinen Herzschlag hören konnte. Ruhig und stetig, so anders als zuvor, als er sie aus der Quelle getragen hatte. Sie konnte wohl stolz auf sich sein, dass sie in diesem Moment nicht begann zu würgen. Die Erinnerungen strömten so plötzlich, so akut auf sie ein, dass ihr für kurze Zeit die Luft zum Atmen fehlte. Sie musste allerdings ein Geräusch gemacht haben, denn die Arme, die sich um ihren Oberkörper geschlungen hatten, bewegten sich. Verstärkten ihren Griff. Der Herzschlag an ihrem Ohr beschleunigte sich ein wenig, ebenso wie der Atem, den sie nun über ihre Stirn hinweg streichen fühlte. Er bewegte sich – unter ihr, wie sie mit immer schneller errötenden Wangen feststellte – und ihre Wange rutschte an seiner Brust entlang zu seiner Schulter. Ihr Kopf kippte leicht in den Nacken und Link unterstützte die Bewegung, in dem er sich leicht von ihr weg drehte. Als ihre Blicke sich trafen, hielt Zelda den Atem an. Doch alles, was sie in seinem Gesicht las, war Erleichterung. Und Erschöpfung. „Du bist wach!“, stellte er unnötigerweise fest, aber es schien ihn derart zu überraschen, dass es für ihn wohl weniger eine Feststellung war. Eher ein freudiger Ausruf. „Du hast mir eine ganz schöne Angst eingejagt“, sagte er in leichtem Tonfall. Ähnlich wie ein Onkel zu seiner Lieblingsnichte sagen würde, die beim Spielen am Strand dem Wasser zu nahe gekommen war. Es klang so anständig und ehrlich, dass Zelda für einen Moment vergaß, dass sie in seinen Armen lag. Dass sie in seinen Armen aufgewacht war, weil sie in seinen Armen geschlafen hatte. „Tut mir leid“, antwortete sie automatisiert, auch wenn ihr wahrscheinlich etwas anderes leid tat, als er sich vorstellen konnte. Seine Mundwinkel zuckten, dann verstärkte sich der Griff seiner Arme noch ein wenig. Eine beruhigende Geste und auf diese Art so viel direkter als eine Umarmung, dass es Zelda sofort wieder daran erinnerte, in welcher Position sie sich befanden. So sollte aufstehen. Von ihm fort robben. So viel Abstand wie nur möglich zwischen sie bringen. Aber sie konnte nicht. Aus dem schlichten Grund, dass sie nicht wollte. Nicht sofort. Nicht nach dem gestrigen Tag. Schweigend wandte Zelda den Kopf in Richtung der Quelle. Link musste ihr Lager irgendwann in den Schutz der Höhle verschoben haben, während sie gebetet hatte. Nur so war es möglich, dass ein Feuer auf sich wartete, nachdem er sie aus der Quelle getragen hatte. Von ihrem Platz aus konnte sie die Statue nicht ganz sehen. Nur deren Kopf, das ewig selige Lächeln und die bewegungslosen Flügel ragten über dem Stein auf, der Zelda den Blick versperrte. Es war hell draußen. Tag also. Sie hatte die ganze Nacht geschlafen. Zelda drehte den Kopf zurück, so dass sie Link ansehen konnte. „Danke“, wiederholte sie ihre Standartantwort, nachdem er wiedereinmal bewiesen hatte, wie wichtig er in ihrem Leben geworden war. Etwas verdunkelte sich in seinem Blick, doch nicht so sehr, dass es die Erleichterung vertreiben konnte, die von dort auf sie hinab funkelte. Sie in ein warmes Licht tauchte. „Ich habe versagt“, flüsterte Zelda ihr Geständnis hinauf in sein offenes, ehrliches Gesicht. Er verdiente nichts anderes als die Wahrheit. Zumindest solange sie sie ihm geben konnte. „Nein“, war seine unmittelbare Antwort. Mit so viel hitzigem Nachdruck in der Stimme, so einer tiefen, intensiven Überzeugung in seinen Augen, dass es ihr Herz erwärmte. Dennoch musste sie ihm die Wahrheit sagen. Zelda schüttelte den Kopf. „Wie kannst du das sagen?“, erwiderte sie und runzelte die Stirn. „Ich kam hier her, um die Siegelkräfte zu erlangen. Um zu verstehen, was ich tun muss, damit ich sie verwenden kann.“ Sie widerstand dem Impuls ihm mit der Hand über die Wange zu streichen. Er war viel zu nah. Aber es fühlte sich zu gut an. Seine Wärme, die stetige Kraft seines Körpers. Sein Herzschlag, sein Atem. Alles. „Ich dachte, ich würde mehr spüren. Ich dachte, die Quelle würde sich mir öffnen. Aber sie hat auf dich reagiert, Link. Auf Farores Segen, den du in dir trägst.“ Ihre Stimme war frei von der Bitterkeit, die sie so lange mit sich getragen hatte. Ja, sie hatte versagt. Erneut. Aber sie hatte auch verstanden. Sie würde weiter machen müssen. Auch wenn sie versagte. Es gab keinen anderen Weg. Eigentlich war das schon immer klar gewesen. Sie wollte ihm erklären, dass ihr Versagen nicht länger auf dieselbe Weise schlimm für sie war, da schüttelte Link bereits heftig den Kopf. „Dein Ziel mag sein, die Siegelkraft zu erlangen. Und das ist nicht geschehen. Bis jetzt“, sagte er mit derselben nachdrücklichen Überzeugung, mit der er sie stets von seinem Glauben in sie überzeugt. Die Überzeugung, die aus seinem Innersten zu kommen schien und von ihm abstrahlte wie ein weicher, sanfter Schein. Um sie darin zu sonnen, wie eine kleine, zarte Pflanze, die ihre ersten Blätter in das Licht des Tages hielt. „Aber das heißt nicht, dass du versagt hast.“ Die Finger seiner rechten Hand pressten sich fester in ihre Taille. „Zelda, ich habe dich gesehen. Du hast dich nicht bewegt. Einen ganzen Tag lang.“ Seine Stimme wurde zu seinem eindringlichen Flüstern. „Du hast nicht versagt. Du hast brilliert. Was immer du dort getan hast, was immer du hier tun sollst. Du hast es getan.“ Wieder schüttelte er den Kopf. Weniger um etwas zu verneinen, sondern als wäre es die einzige Geste, die passend wäre, um auszudrücken, dass er selbst kaum glaubte, was er gesehen hatte. „Das Wasser sah aus, als würde es durch dich durch fließen. Es sah aus, als würde es pulsieren, und sich deinem Takt anpassen. Du warst beinahe durchscheinend. Du hast geglüht. Von innen heraus.“ Sein Blick wanderte über ihr Gesicht, fing schließlich ihre Augen ein, die seinen nicht ganz stand halten wollten. „Und dann hast du ein verdammtes Gewitter ausgelöst“, endete er. Ein kleiner ungläubiger Laut entfuhr Zelda und für einen Moment wirkte er ernsthaft pikiert. „Es ist wahr“, sagte Link und runzelte die Stirn. „In einem Augenblick schien sich die ganze Quelle zu heben und dann hat sich der Himmel geöffnet. Ich habe versucht, dich aus der Trance zu holen, aber du kamst erst zurück, als das erste Donnern gekracht hat.“ Zelda starrte ihn an. Was er da sagte, war ihr nicht unbekannt. Auch für sie hatte es sich so angefühlt, als würde eine Kraft, eine Art geladene Energie von der Quelle in die Höhe steigen. Genau die Kraft, die sie das letzte Mal zu aller erst gefühlt hatte. Die knisternde Spannung, die die Quelle wegen Links Anwesenheit ausstrahlte. Sie runzelte die Stirn. Dass das Gewitter in dem Moment begann, als sie in ihrem Inneren akzeptiert hatte, dass sie scheitern würde, konnte nur ein Zufall sein, oder? Zelda wandte den Blick ab. Glaubte sie wirklich an Zufälle? In dieser Welt, in der das Schicksal ihr in jedem Winkel jeden noch so kleinen Raumes begegnete? Nun, es spielte keine Rolle. Wenn sie etwas richtig angestellt hatte, umso besser. Aber es würde ihr nicht die Siegelkräfte geben. Dennoch musste sie weiter machen. „Nun“, begann sie ein wenig unbehaglich, „vielleicht sollten wir dann als nächstes der Quelle der Kraft einen Besuch abstatten.“ Link seufzte und arrangierte sie in wenig bequemer auf seinem Schoß. Zelda sah auf. Sie konnte einen kurzen Blick auf einen leicht gequälten Ausdruck erhaschen, der sein Gesicht für einen Moment im Griff hatte. Dann lächelte er. Jedoch hatte sie das erste Mal das Gefühl, dass es nicht ehrlich gemeint war. „Was immer dein Herz dir sagt, Prinzessin.“ Er wollte nicht, dass sie zur Quelle reiste. Das verstand Zelda. Und sie meinte auch zu verstehen, warum nicht. Sie hatte ihm gestern tatsächlich Angst eingejagt. Seine Aufgabe war es, für ihren Schutz, für ihre Sicherheit zu sorgen. Aber gegen den Willen der Göttin, gegen Zeldas heilige Aufgabe war er machtlos. Was für ein ungewohntes Gefühl musste das für ihn sein. Wenn man seine Aufgabe nicht richtig erfüllen konnte. Wie musste es für ihn sein, wenn er stundenlang tatenlos zusehen musste, wie sie sich in der Quelle die Beine abfror und er rein gar nichts tun konnte? Wie lange hatte er ausgeharrt, bevor er sich entschlossen hatte, sie aus dem Wasser zu holen? Wahrscheinlich so lange, bis es für ihn absolut unerträglich wurde. Eine Welle der Verbundenheit mit diesem perfekten, unperfekten Ritter, diesem wunderbaren, aufrichtigen, tapferen Helden durchfuhr sie wie eine sanfte Frühlingsbrise. Lächelnd sah sie auf, in seine strahlenden Augen und spürte eine kurze, heftige Dankbarkeit für seine Anwesenheit. Dann hob sie den Arm, um seine Schulter zu tätscheln. Eine freundschaftliche Geste, eine unschuldige Berührung der kameradschaftlichen Verbundenheit. Aber sie schien Link zu überraschen. Wie auch immer das passieren konnte, wo sich doch sowieso schon so viel ihrer Körper berührte. Er blinzelte und sah hinab auf ihre Hand, die unter seinem Starren mit dem Tätscheln aufhörte und ruhig liegen blieb. Es gab Zelda Zeit zu fühlen. Zu fühlen, wie wenig Stoff seine nackte Haut von ihren Fingern trennte. Wie unnachgiebig und weich zugleich das Gewebe unter ihrer Hand war. Die subtile Anspannung, die seine Muskulatur durchzog. Langsam hob er wieder den Blick. Starrte nun nicht länger ihre Hand, sondern sie an. Zaghaft zog Zelda ihren Arm zurück. Ihre Finger rutschten dabei leicht über seine Brust, da sie nicht genug Kraft in die Bewegung gegeben hatte. Sie spürte das leichte Beben, das ihn durchlief, konnte es aber nicht einordnen. Das war ihm unangenehm, obwohl sie die ganze Nacht zusammengerollt auf seinem Schoß geschlafen hatte? Vielleicht konnte er nicht damit umgehen, wenn die Berührung von ihr ausging. Denn so konnte er nie genau sagen, mit welchem Hintergrund sie den Körperkontakt herstellte. Wenn er sie berührte, wusste er, warum er es tat. Dass es unschuldig war. Dieses Katz- und Mausspiel in ihrem eigenen Kopf kam unerwartet nach der Erfahrung die sie an der Quelle gemacht hatte. Es wirkte fehl am Platz und Zelda entschloss sich, diesen Gedanken keine Macht zu geben. Sie hatte Besseres zu tun. Wichtigeres. Also gab sie sich einen mentalen Ruck und überwand die Scheu, ungelenk aus seinem Schoß zu klettern. Mit der Decke vor ihrer Brust erhob sie sich ein wenig steif. Stehend warf sie ein Lächeln zu Link hinab, der immer noch am Boden saß. „Wir sollten aufbrechen, so lange das Wetter mitspielt“, sagte sie so fröhlich, wie sie konnte. „Nicht ohne Frühstück“, antwortete er so ernst, dass Zelda lachen musste. So lange er bei ihr war, würde sie immer lachen können.   *   „Es sieht nach Regen aus“, bemerkte Link, nachdem sie Adeya hinter sich gelassen hatten. Bei ihrer letzten Reise zur Quelle des Mutes hatten sie hier übernachtet, aber dafür war es viel zu früh. Sie sah über ihre Schulter hinweg nach hinten zu ihrem Leibwächter, der stehen geblieben war und in den Himmel hinauf starrte. „Schon wieder?!“ Link senkte den Kopf und grinste. Nach all dem was an der Quelle vorgefallen war, kam sein befreites Grinsen so überraschend, dass sie sich kurz so fühlte, als wäre sie vor eine Wand gelaufen. „Du hast nicht zufällig wieder die Göttin des Sturmes angebetet, oder?“ Die Anspielung ließ Zelda das Gesicht verziehen. „Sie ist die Göttin des Windes, du Schlauberger“, sagte sie gespielt beleidigt und wedelte mit der Hand, um ihm zu zeigen, dass er sich beeilen sollte. „Und jetzt hör auf in den Himmel zu starren und such uns einen Unterschlupf!“ Mit einem letzten Blick nach oben, setzte Link sich in Bewegung. In seinem lockeren Trab kam er angelaufen. Er deutete nach vorne, in Richtung eines Hügels, der sich gegen den nun rasch verdunkelnden Horizont abzeichnete. „Wenn wir uns beeilen, sollten wir es dort hin schaffen, bevor es anfängt zu regnen.“ Zelda beschleunigt ihre Schritte. Sie hatte keine Lust auf eine weitere nasse Erfahrung. Außerdem hätte sie keine trockene Kleidung zum Wechseln. Die Alternative brachte sie dazu, noch schneller gehen. Link musste erneut einige Schritte in seinem Beinahe-Rennen laufen, um zu ihr aufzuholen. „Und was werden bei vorfinden, wenn wir bei dort hin angekommen sind?“ Sie nickte nach vorne, in Richtung des Hügels, den Link ansteuerte. „Nichts Besonderes“, antwortete er leichthin, sein Atem ging nicht mal ein kleines Bisschen schneller, während Zelda begonnen hatte zu keuchen. „Unterschlupf.“ Sie warf ihm einen sardonischen Blick zu. „Sehr präzise.“ Wieder grinste er und ihr Herz machte einen schnellen Satz. Das konnte allerdings auch mit ihrem Seitenstechen verursachenden Tempo zu tun haben. Sie gab dem Drängen ihres Körpers nach und ging ein wenig langsamer. Wieder drehte Zelda den Kopf, um Link ansehen zu können. „Freust du dich etwa auf das Gewitter?“, fragte sie ungläubig, nachdem sie seine gute Laute als Enthusiasmus erkannt hatte. Er zuckte mit den Schultern. „Ich freue mich eher über das kleine Wettrennen hier“, meinte er und deutete zwischen ihnen hin und her. „Ist lange her, dass ich mich richtig bewegt habe.“ Bei diesem Geständnis fielen Zelda beinahe die Augen aus dem Kopf. „Wie bitte?“, hakte sie fassungslos nach. „Wir sind bereits den halben Tag unterwegs. Vorgestern waren wir fast den ganzen Tag unterwegs, bis wir an der Quelle ankamen. Davor sind wir den ganzen Tag gelaufen. Und du sagst, du hast dich schon lange nicht richtig bewegt?“ Wenn sie ein bisschen vorwurfsvoll klang, hatte das nur damit zu tun, dass ihre Lunge brannte und sie so schnappartig atmete, wie eine alte Frau beim Treppensteigen. Wieder zuckte Link mit den Schultern. Er hatte den Anstand, ein wenig beschämt auszusehen. „Ich bin regelmäßiges Training gewöhnt“, gab er zu, aber seine Offenbarung war lange nicht kleinlaut genug, um sie zu besänftigen. Zelda stieß ein „Pff“ aus, das es in sich hatte und begnügte sich damit, ihm einen überlegenen Blick zu zuwerfen. Aber sie konnte die Farce nicht lange aufrechterhalten. Bei seinem schiefen Grinsen verlor sie die Kraft für ihr Spiel und Zelda entfuhr kleines Lachen. Sie erreichten den Hügel tatsächlich bevor der Himmel seine Schleusen öffnete. Eigentlich war es kein richtiger Hügel. Von weitem hatte die Steinformation, die eine Art Unterstand formte, nur so ausgesehen. Der Anblick des einsamen Baumes mit den zwei kleinen Statuen daneben, hatte etwas an sich, das Zelda innehalten ließ. Inmitten der immer dunkler werdenden Gewitterstimmung, löste sie den Shiekah Stein von ihrem Gürtel und hielt das Bild darauf fest. Eine Erinnerung an sich selbst, später einmal Näheres über diese Tradition herauszufinden. Sie waren überall, diese kleinen Statuen. Und ihr Anblick brachte Zelda zurück an die Quelle des Mutes, wo sie unter dem unbeweglichen Blick eines größeren Exemplares gebetet hatte und gescheitert war. Ohne viel Umschweife ließ Zelda sich im Schutz der Baumkrone zu Boden fallen. Sie beobachtete Link dabei, wie er wieder in den Himmel starrte. Wahrscheinlich abzuschätzen versuchte, wann der Regen sie erreichen würde, den sie über die Ebene herbei ziehen sehen konnten. Es dauerte nicht lange, dann rauschten die fallenden Tropfen heran. Nicht so stürmisch und heftig wie an der Quelle des Mutes. Eher in einem zarten fadenartigen Schauer. Link machte keine Anstalten sich ebenfalls unterzustellen. Er blieb einfach mitten im Regen stehen und starrte in den Himmel. Ließ sich das Wasser über das Gesicht laufen. Zelda erinnerte sich, dass er, nachdem er ihr aus dem nassen Kleid geholfen hatte, sich selbst nichts Trockenes angezogen hatte. Seine Nacht war nass und kalt gewesen, wahrscheinlich weil er sie nicht hatte stören wollen. Wie viel er doch für sie opferte. Und nun wohl auch seinen Drang nach körperlicher Ertüchtigung. „Und jetzt?“, fragte Zelda in den sanften Regen hinein und wartete, dass Link sich zu ihr umdrehte. „Wirst du jetzt anfangen, um den Baum herumzurennen?“ Sein Lächeln blitzte durch den grauen Vorhang aus Wasser und erneut musste sie sich darüber wundern, wir vergnügt er war. Beinahe als freute er sich über die Verzögerung. Ihr stockte der Atem. Vielleicht war es das sogar? „Nein“, antwortete er und kam einige Schritte näher. Dann griff er hinter sich und löste das Bannschwert samt Scheide von seinem Rücken. Das letzte Mal hatte Zelda es im Einsatz gesehen, als er die Monster am Todesberg bekämpft hatte und die Erinnerung zog albtraumhaft vor ihrer Stirn entlang. „Ich werde meine Schwertübungen machen, wie ein guter Ritterlehrling“, sagte er und zwinkerte ihr zu. Er zwinkerte! Zelda schüttelte den Kopf, als er das Schwert aus der Scheide zog und diese neben ihr fallen ließ. Er entfernte sich einige Schritte von ihr und begann dann die drehenden Stoß- und Hiebbewegungen auszuführen, die sie ihn manchmal vollführen sah, wenn er vor ihrem Turm Wache hielt. Und sie wäre zufrieden gewesen, seiner eleganten Routine zuzusehen, wenn nicht das ungute Gefühl in ihr aufstiegen wäre, dass seine Übungen ihm zu Können verholfen hatte. Während ihr Training an den Quellen anscheinend dazu da war, um ihr zu zeigen, dass sie zum Scheitern verurteilt war, aber dennoch nicht aufgeben durfte. Aber war es denn Scheitern, wenn es für den Weg zum Erfolg notwendig war? Das Problem war nur, dass Zelda nie Gewissheit haben würde, dass ihr Weg zu Erfolg führen würde. Was sie wieder zurück zum Anfang brachte. Dem Versagen. Seufzend hielt sie die Hand nach vorne, um sich den sanft fallenden Regen über die Haut laufen zu lassen. Die kühlen Tropfen rannen über ihre Finger und bescherten ihr eine Gänsehaut. Ihr Erschauern musste für Links wachsame Leibwächtersinne stark genug gewesen sein, dass er seine Drehungen unterbrach. „Frierst du?“, fragte er über die Schulter gewandt und ließ das Bannschwert sinken, bis dessen Spitze das feuchte Gras streifte. Zelda schüttelte den Kopf. „Nein, es ist warm.“ Sie zog ihre Hand zurück und legte sie in ihren Schoß, wo auch die andere ruhte. Mit einem Lächeln erwiderte sie seinen suchenden Blick. „Mach nur weiter“, ermunterte sie ihn und arrangierte ihre Füße bequemer auf dem Boden. Link zögerte, hob dann aber das Schwert und fuhr fort, mit der Luft zu kämpfen. Es hatte etwas Gemütliches, dieses Sitzen im Trockenen, während der Himmel um sie herum die Erde küsste. Denn genau so sah es aus. Wie eine Verbindung zwischen Oben und Unten, geschaffen durch die endlosen Fäden aus fallendem Wasser. Wie in einem Konkon wurde die Welt um sie herum still. Zu hören war nur das sanfte Geräusch der Regentropfen auf dem Gras und das Bannschwert, das die Luft zerschnitt, gefolgt von den Lauten von Links Anstrengung. „Sieht nicht aus, als würde es bald aufhören“, bemerkte Zelda mit einem Blick zum Himmel. Sie wusste, sie sollte Link in Ruhe lassen. Ihren eigenen Gedanken nachhängen und ihn nicht damit behelligen. Aber mit der kleinen Frage danach, ob ihr warm genug war, hatte er das Schweigen gebrochen und die Worte purzelten einfach aus ihr hervor. Drangen aus ihr hervor, um sich das lauernde Gefühl von der Seele zu reden. „Wie dein Vater hast du den Weg des Ritters gewählt“, begann sie mit einem wehmütigen Lächeln. „Auch wenn die Ausbildung hart war, du hast nicht aufgegeben.“ Diese Hartnäckigkeit, die ihm so zu eigen sein schien, war etwas, das Zelda wirklich inspirierte. Das ihr an der Quelle des Mutes die Augen geöffnet hatte. Zumindest für den Sinn ihres Besuches dort. „Und letztendlich hast du dich als würdig erwiesen, das Bannschwert zu führen.“ Vielleicht schwang neben dem Stolz ein wenig von der alten Bitterkeit in ihrer Stimme mit, denn bei ihren Worten verlangsamte er einen schwungvollen Seitwärtshieb und beendete seine Übung mit einem sammelnden Atemzug. Er sandte ihr über die Schulter hinweg einen Blick zu, den Zelda lächelnd erwiderte. „Ich freue mich von ganzem Herzen für dich“, sagte sie mit so viel Wärme in der Stimme, wie es ihr möglich war. Link schwieg dazu. Betrachtete sie nur mit diesem suchenden Blick, der nicht wirklich skeptisch war, sondern eher fragend. Als versuche er auszumachen, was sie zu dieser Bekenntnis gebracht hatte. Ihr Lächeln verlor sich und ihr Blick wanderte vorbei an der eindrucksvollen Gestalt die er abgab, bohrte sich in das feuchte Gras. „Aber...“, begann sie zögerlich und krallte ihre Finger in den Stoff ihrer Hose. „Aber … was, wenn ...“, sie stockte, sammelte in sich den Mut zu offenbaren, was in ihr vorging, „wenn du mit dem Schwert nicht hättest umgehen können?“, fragte sie stockend und Link senkte das Schwert, während er sich zu ihr umdrehte. Ihr seine ganze Aufmerksamkeit zuwandte, als er ihre Verzweiflung wahrnahm. Zelda schluckte und sah kurz zu ihm auf. „Wenn trotzdem jeder gesagt hätte, du musst in die Fußstapfen deiner Vorfahren treten. Du musst ein Ritter werden, um jeden Preis!“ Er erwiderte ihren Blick reglos. Auf diese konzentrierte Weise, während er versuchte jedes ihrer Worte, jedes Detail ihrer Haltung, ihres Tonfalls, ihres Gesichtsausdrucks aufzunehmen. Mit bebender Stimme senkte Zelda wieder den Kopf. „Wenn sie einfach nicht damit aufgehört hätten“, fuhr sie mit tonloser Stimme fort. Stellte ihm die Frage, die sie sich selbst so viele Male gestellt hatte. Die sie sich selbst wohl immer stellen würde, auch wenn die Antwort darauf nichts an ihrer Zukunft ändern würde. „Was“, sagte sie und sah mit schweren Lidern zu ihm auf, „was hättest du dann gemacht?“   Die Frage hing zwischen ihnen, in der regenschwangeren Luft, die sanfte Nebelschwaden bildete, die um die Steine herumtollten, um sich dann aufzulösen. Link schwieg und betrachtete sie nur weiterhin so verständnisvoll, so dröhnend in seinem Mitgefühl, dass es Zelda die Tränen in die Augen trieb. Dennoch nahm sie den Blick nicht von ihm. Von seiner stolzen Erscheinung, edel und gut, selbst strahlend und stark in der grauen Regenlandschaft. Inmitten von all dem Wasser, dass sein Haar in dunklem Gold an seine Stirn klebte, an seinen Schultern und über seine Brust hinabrann, um dann von dem Schwert hinabzutropfen. „Ich weiß es nicht“, antwortete er irgendwann und der plötzliche Klang seiner Stimme nach der langen Stille, ließ Zelda leicht zusammen zucken. Sie nahm den Blick von dem Rinnsal, das seinen Weg über das Bannschwert nach unten fand und sah ihm in die Augen. Augen die so viel ausdrückten. So viel sahen und so viel verstanden. Er stieß einen seufzenden Laut aus, zu gepresst um ein wenig Frustration als Ursache ausschließen zu können. Dann betrachtete er das Bannschwert. „Ich weiß es nicht“, wiederholte er, dieses Mal deutlich leiser, als er würde ihn die Erkenntnis überraschen. „Ich kann es nicht wissen“, spezifizierte er und sah wieder auf. Ernst und klug unterzogen seine blauen Augen sie einer schnellen Bestandsaufnahme, bevor er einen Schritt näher kam. Zelda musste den Kopf in den Nacken legen, um ihn anzusehen. „Ich möchte von mir denken, dass ich versucht hätte, mein Glück zu finden. Ganz egal was das bedeutet hätte.“ Wieder sah er auf das Bannschwert hinab. Das Schwert das ihn erwählt hatte und damit als den Einen offenbarte, der es führen konnte. Eine Pause trat ein, in der er weiter nachzudenken schien, Zelda ihn aber einfach nur betrachten konnte. Schließlich überbrückte er die Distanz zwischen ihnen und bückte sich nach der Schwertscheide, die neben ihr auf dem Gras lag. „Aber ich bin, wer ich bin“, sagte er und richtete sich wieder auf. Betrachtete sie mit einem ernsten Blick, aus dem eine tiefe Ruhe sprach. Der Blick eines Mannes, der ganz genau wusste, wer er war. „Es spielt keine Rolle, ob ich dieses Leben gewählt habe, oder nicht. Ich lebe es. Es ist nicht dieses Leben, das zur mir passt oder ich, der zu diesem Leben passt.“ Mit einer sicheren Bewegung, die von unzähligen Wiederholungen zeugte, steckte er das Bannschwert zurück in die zeremonielle Scheide. Ein verirrter Sonnenstrahl wählte diesen Moment, um zwischen den schweren, grauen Wolken hervorzulugen und eines der Triforce Insignien in goldenem Schein aufleuchten zu lassen. Zelda stockte der Atem. „Ich bin geboren worden, um dieses Leben zu leben. Die einzige Wahl die ich habe, ist, wie ich damit umgehe. Wie ich es wahrnehme und was ich empfinde. Aber der Pfad, der vor mir liegt, stellt mich nicht vor Abzweigungen. Nicht wirklich.“ Er sah ihr fest in die Augen. „Mein Weg liegt vor mir. Mir stellt sich nicht die Frage, ob ich mein Leben anders leben würde, wenn ich anders geboren worden wäre. Denn ich bin so geboren. Für dieses Leben.“ Zelda wandte den Blick ab. Beneidete ihn für diese Sicherheit, verstand aber worauf er hinaus wollte. Er glaubte daran, dass ihr Schicksal vorbestimmt war. Und dass die einzige Freiheit die sie hatten darin bestand, zu entscheiden, wie sie damit umgehen wollten. Geschehen würde, was geschehen würde. Aber man konnte der Zukunft aufrecht entgegen blicken, oder mit Abneigung. Man konnte sich dem Schicksal ergeben und darauf vertrauen, dass man von der Weisheit des Lebens durch die Zeit geführt werden würde, oder dagegen aufbegehren und umher geschleudert werden. Zelda wusste nicht, ob sie mit ihm überein stimmte. Aber die Weisheit seiner Worte war nichtsdestoweniger faszinierend. „Und begehrst du dagegen auf?“, traute sie sich zu fragen, auch wenn sie sich vor der Antwort fürchtete. „Manchmal?“ Sie hörte wie Link das Bannschwert fallen ließ. Erschrocken sah sie ihn an, doch die Ernsthaftigkeit in seinem Blick ließ sie stocken. Langsam senkte er sich in die Hocke, bis ihre Augen auf einer Ebene waren. Er nahm eine ihrer Hände in seine, warm und nass von Regen und von dem Schweiß, den sie an ihm riechen konnte, so nah wie er war. Ein würziger, berauschender Duft, der ihren Herzschlag ebenso beschleunigte, wie das leuchtende Blau seiner Augen und all das Unausgesprochene, was sie dahinter sehen konnte. „Manchmal“, bestätigte er ihre Vermutung mit einem kleinen Lächeln, dann drückte er liebevoll ihre Hand. „Aber für das Meiste bin ich einfach nur unsäglich dankbar.“ Oh. Zeldas Lippen öffneten sich leicht, als sie den Atem anhielt. Das konnte sie sich nicht einbilden. Sie war sich sicher, dass seine Worte, sein eindringlicher Blick, ihre Hand in seiner, ihr etwas sagen sollten. Dass das hier, sie, er an ihrer Seite, nicht dazu gehörte, gegen das er in seinem Leben aufbegehrte. Es war, als würde die Sonne in ihrem Inneren aufgehen. Keine heiße, verheerende Glut, sondern zart und lieblich wie eine Blume, die ihre Blüte dem Licht öffnet. Mut, Zelda. Mut! „Ich...“, begann sie atemlos, „ich fühle auch mehr Dankbarkeit“, gestand sie stockend und schluckte die aufkeimende Hysterie hinunter, die aus ihr hervor blubbern wollte, weil sie etwas ansprach, das sie nicht ansprechen durfte. „Seit du bei mir bist“, flüsterte sie und sah zu Boden. Der Druck an ihrer Hand verstärkte sich, zwang sie wieder den Kopf zu heben und Links Blick zu erwidern. Eine Weile schwieg er, während seine Augen ihr eine stumme Botschaft übermittelten. Dann belohnte er ihre Ehrlichkeit mit einem seiner seltenen, offenen Lächeln, die nicht nur sein Gesicht, sondern auch die ganze Umgebung und ihr eingesperrtes kleines Herz erleuchtete. „Ich bin froh“, sagte er nachdrücklich. Er hielt ihren Blick noch für einen kleinen Moment, dann ließ er ihre Hand sinken. Er bückte sich nach dem Schwert und hob es auf seinen Rücken, wo er die Scheide wieder befestigte. „Wi-willst du nicht weitermachen?“, fragte Zelda ein wenig zittrig nach dieser gegenseitigen Offenbarung, die so ganz anders ausgefallen war, als sie es sich je hätte vorstellen können. Ohne Scham. Ohne Gefahr. Als wäre nichts davon unangebracht, oder gar besonders. Link deutete nach oben, wo die Sonne langsam und stetig ihren Weg durch die Wolken fand und sie weiter in Richtung Osten schob. „Sieht so aus, als wäre das Schicksal uns hold“, antwortete mit einem Lächeln in der Stimme. Belustigt warf er ihr einen Blick über die Schulter zu. „Der Weg zurück ist nun wieder frei, Prinzessin.“ Er behielt Recht. Es dauerte nicht lange und der Regen wurde schwächer, bis er schließlich nur noch feuchtes Gras und eine tropfende Baumkrone zurückließ. Seufzend erhob sich Zelda, um zu ihm aufzuschließen. Sie würden vielleicht heute Abend bereits beim Schloss ankommen. Die Frage war nur, ob das nun bedeutete, dass das Schicksal ihnen hold war, oder nicht. Kapitel 16: Kapitel 16 Teil I ----------------------------- Es war bezeichnend für die verschwindend kleine Rolle, die Zelda seit dem letzten Machtwort ihres Vaters in der Erforschung der antiken Technologien spielte, dass die ersten Wächter genau an dem Tag im Schloss eintrafen, an dem sie zur Quelle des Mutes aufgebrochen war. Bei ihrer Rückkehr erwartete sie ein Heer aus Wächtern – sie waren überall. Vor den Toren der Stadt, an den beiden Torhäusern, sogar unterhalb ihres Turmes. Die eingetroffene Verstärkung von der Akkala Festung fiel dabei weniger auf als die Shiekah, die aus dem königlichen Institut geströmt waren. Deren traditionelle Hüte durchmischten den bekannten Anblick der hylianischen Rüstungen und wirkten von der erhöhten Position von Zeldas Labor aus wie weiße Pilze. Nicht dass sich Zelda viel in ihrem Labor aufhielt, seit Link und sie vor einigen Tagen von der Quelle des Mutes zurück gekehrt waren. Ihr Vater war deutlich genug gewesen und sie hatte nicht vor seine Worte zu ignorieren. An der Quelle hatte sie geschworen, dass sie nicht aufgeben würde. Deswegen hatte sie all ihren Forschungsgeist in das Aufspüren von alten Traditionen gesteckt. Hatte Schriften und Bücher nach Legenden und Geschichten durchkämmt, hatte Aufzeichnungen von Weisen studiert, um mehr, um irgendetwas über die drei goldenen Göttinnen und deren Verehrung herauszufinden. Auch wenn sie das Gefühl hatte, das Leben würde an ihr vorbeiziehen, wenn sie die verhaltenen Ausrufe der Begeisterung hörte, die zu ihrem Turm heraufschallten, während die Shiekah und Ritter gemeinsam mit den Wächtern Manöver übten und unter Robelos Anweisung Experimente ausführten. Es stimmte sie zumindest zufrieden, dass etwas geschah. Dass die Wächter funktionierten und von ihnen gesteuert werden konnten. Es war zumindest zum Teil so, wie es sein sollte. Endlich fühlte sie sich nicht mehr verloren. Auch wenn sie nicht glücklich war. So war sie zumindest zufrieden. Ja. Das passte gut. Zufrieden. Sie war zufrieden.   „Gerade hat ein Wächter mit einem einzigen Energiestrahl eine zwei Fuß hohe Säule zerstört, an der der hoheitliche Bildhauer seit fünf Tagen gearbeitet hat.“ Zelda sah von dem alten, in Leder gebundenen Buch auf, als sie Link hinter sich hörte. Er musste mal wieder an der Mauer des Turmes hinauf geklettert sein, denn er hatte sich den ganzen Morgen nicht blicken lassen. Sie legte einen Finger auf die Stelle, die sie gerade gelesen hatte, um nicht wieder vor vorne anfangen zu müssen. „Ach ja?“, sagte sie so desinteressiert sie konnte, obwohl alles in ihr danach schrie, mehr Information zu verlangen. Link schien sich davon nicht irritieren zu lassen. Was mal wieder bewies, wie gut er sie kannte. „Robelo hat sie zu Testzwecken in Auftrag gegeben. Sie war so dick wie zwei Männer.“ Zelda hörte, dass er näher kam. Ein steinernes Kratzen verriet ihr, dass er sich an die Wand gelehnt hatte. Sein Blick kitzelte sie im Nacken, aber sie drehte sich nicht um. Link seufzte ein zufriedenes Seufzen. Die Aufregung und die Bewegung im Schloss schienen ihm gut zu tun. „Alle sind gewaltig aus dem Häuschen.“ Zelda leckte sich über die Lippe. Kämpfte für einen Moment mit sich selbst. Dann gab sie auf. Mit einer schnellen Bewegung drehte sie sich auf ihrem Stuhl um. „Wer hat das Manöver ausgeführt?“, fragte sie und krallte ihre Finger unter sich in die Sitzfläche des Hockers. Links Mundwinkel zuckten, während er sie belustigt betrachtete. Wie geahnt lehnte er an der Mauer und hielt, so ganz untypisch für ihn, lässig die Arme vor der Brust verschränkt. Er wirkte erholt. Und nicht ganz so unruhig wie er es manchmal tat, wenn der alltägliche Trott der Tage im Schloss ihn begann zu zermürben. Zelda bildete sich ein, in seiner Miene eine gewisse Befriedigung lesen zu können. Ausgelöst durch seinen Erfolg darin, sie zu gebracht zu haben, sich umzudrehen. Aber sie konnte sich irren. Er deutete einen Blick über seine Schulter an, bevor er antwortete. „Keine Ahnung, einer der Shiekah.“ Zelda legte den Kopf schief, bis ihr Haar seitlich nach vorn fiel und ihren Oberschenkel streifte. „Du willst mir sagen, dass du nicht gesehen hast, wer den Wächter gesteuert hat?“ Sie schnalzte ungläubig mit der Zunge. „Du kennst doch fast jeden der Shiekah aus deiner Zeit in Kakariko.“ Link bewegte sich ein wenig an der Mauer, rutschte mit einem Fuß ein wenig nach außen, um sich bequemer gegen die Wand lehnen zu können. „Ich hab es nicht genau gesehen.“ Zelda zog eine Augenbraue hoch. „Ich war dabei, die Mauer hochzuklettern.“ Sie warf ihm einen gespielt unwirschen Blick zu, dann lächelte sie. Mit einem Seufzen erhob sie sich und strich ihr Haar zurück. Mit einigen vorsichtigen Schritten ging sie zum Eingang ihres Labors und lehnte sich an den Türrahmen, in der Hoffnung von ihrer Position etwas von dem Treiben am Fuße ihres Turms sehen zu können. Sie hörte, wie Link sich neben ihr von der Mauer abstieß und näher an sie heran trat. „Weißt du“, begann er auf diese unschuldige Art, auf die er nur sprach, wenn er einen seiner gutmütigen Späße einleitete, „du könntest einfach rausgehen, und zusehen.“ Mit einem leidenden Blick drehte sie den Kopf und sah ihn an. Sein Gesichtsausdruck wirkte ernst, wie so oft, wenn sie im Schloss waren und Zelda vermisste seine seltenen, befreiten Lächeln. „Ich sollte wirklich nicht“, sagte sie und versuchte sich in einer abwinkenden Geste, die ihr nicht ganz gelingen wollte. Link antwortete mit einem seiner lauten Schweigen und blickte an ihr vorbei zum Geschehen auf dem Schlossgelände, das von dem hohen Wehrgang einigermaßen schlecht einzusehen war. Zelda begann an ihrer Oberlippe zu kauen. „Oder vielleicht nur ein kurzer Blick?“, murmelte sie und sah Bestätigung suchend zu Link, der einfach nur mit den Schultern zuckte. Zelda interpretierte eine gewisse Aufforderungshaltung in diese Geste hinein. Grinsend machte sie einen kleinen Hopser nach vorne, hinaus in das helle Sonnenlicht. Link folgte ihr. Sofort hörte sie Stimmen und das Geräusch der aktivierten Wächter. Aber die hohe Wehrmauer versperrte ihr immer noch den Blick. Als sie schließlich zwischen den Zinnen einen weißen Shiekahhut aufblitzen sah, legte Zelda die letzten Schritte laufend zurück, um so schnell wie möglich sehen zu können, was seit diesem Morgen kaum ein paar Fuß von ihr entfernt passiert war. Die Geräusche und enthusiastischen Laute der anderen hatten sie mehr gequält, als sie es vor sich zugeben wollte Nun fiel all diese Anspannung von ihr ab. Liebevoll betrachtete Zelda den Wächter, der am Fuße der Treppe, die zu ihrem Turm führte, von einigen Shiekah und Rittern in Augenschein genommen wurde. So weit Zelda es erkennen konnte, gehorchte die Maschine den Steuerungsbefehlen ohne Schwierigkeiten. Mit einem satten Geräusch drehte sich der elegante Kopf des Wächters erst in die eine, dann in die andere Richtung und der solide Körper hob und senkte sich auf die Kommandos des Steuerers hin. Das mechanische Summen war wie Musik in Zeldas Ohren. Seufzend beugte sie sich über die Balustrade und beobachtete mit vor Stolz schwellender Brust, wie der Wächter sich einige Schritte nach vorne bewegte. Das ist es. Wir haben es geschafft! Die euphorische Welle die sie packte war so stark, dass Zelda ihre Finger in das Mauerwerk graben musste, um nicht aufzuquietschen. Oder irgendetwas ganz und gar unprinzessinenartiges zu den übenden Soldaten nach unten zu rufen. Eine tiefe Erleichterung durchströmte sie, die für den Moment beinahe etwas Tragisches hatte. Nun wurde sie wirklich nicht weiter gebraucht. Die Soldaten würden mit den Wächtern trainieren, die Shiekah sie weiter erforschen, nun, da sie aktiviert waren. Vielleicht würden weitere Modelle hinzukommen, wenn Robelos weitere Ausgrabungen erfolgreicher wären, als die letzte, bei der Zelda selbst beigewohnt hatte. Es gab nicht mehr viel zu tun. Es war erleichternd und traurig zugleich. Zelda stählte sich gegen die ungewohnten Empfindungen. Nur noch einen Moment. Dann würde sie sich zurück ziehen. „Wir sind so weit“, sagte sie ebenso sehr zu Link wie zu sich selbst. Sprach die Erkenntnis aus, um festzuhalten, was so lange ihre Hoffnung gewesen und nun wahr geworden war. „Endlich ist es uns gelungen, die Wächter zu aktivieren.“ Sie beugte sich ein wenig zurück und fühlte die sanfte Brise, die ein paar Strähnen ihres Haars bewegte. „Wir sind ganz nah dran“, fuhr Zelda fort und hob leicht die Schulter, während ihr die Bedeutung ihrer Worte ganz tief bewusst wurde. „Wir müssen die Wächter und die Titanen nur weiter studieren“, sagte sie und drehte sich zu Link herum, der sie immer noch mit diesem ernsten, konzentrierten Gesichtsausdruck ansah. „Dann könnten wir uns vielleicht zur Wehr setzen, wenn die Verheerung Ganon tatsächlich zurück kehrt.“ Das war alles, was sie immer gewollt hatte. Eine Chance. Eine Möglichkeit Ganon besiegen zu können, auch wenn sie ihre Fähigkeiten, das Geburtsrecht ihres Blutes, nicht rechtzeitig erwecken könnte. Einen Ausgleich für ihr Versagen. Link betrachtete sie nachdenklich, für einen Moment sah es so aus, als wollte er antworten, wahrscheinlich etwas Ernstes, das ihr Hoffnung geben und seinen Glauben in sie ausdrücken würde. Doch dann durchbrach eine Stimme die Stille, deren Klang die einvernehmliche Entspannung des Augenblicks in Stücke riss. „Was tut ihr hier?“ Link wandte der Stimme zuerst den Kopf zu, dann fuhr Zelda mit einem erschrockenen Laut herum. Heiß fuhr ihr der Schock durch die Glieder. Der König! Mit einem tiefen Atemzug spannte Zelda ihren Rücken an. Versuchte so sehr Haltung anzunehmen und Würde auszustrahlen, dass es ihr weh tat. Versuchte all das, was ihr Vater von ihr als Prinzessin verlangte, in diesen Moment zu pressen. Unwillkürlich hob sie eine Hand. Warum wusste sie nicht. Eine Geste, um sich erschrocken die Hand vor das Gesicht zu schlagen, wie ein Kind, dass die Realität nicht sehen wollte, auf halbem Weg stecken geblieben, weil sie einfach kein Kind mehr war? Oder ein Versuch ihr geschundenes kleines Herz zu schützen, das doch gerade erst neue Hoffnung geschöpft hatte? Sie hörte wie Link hinter ihr beinahe augenblicklich auf die Knie sank. Sie konnte es nicht verübeln, aber am liebsten hätte sie ihn für diesen Ausdruck der Loyalität ihrem Vater gegenüber angefahren. Er sollte ihr gegenüber loyal sein. Wie unfair dieser Gedanke war, machte sie unglücklich. Die Tür zu ihrem Turm schlug mit einem Ruck zu, während die zwei Ritter, die ihren Vater begleiteten, sich daneben postierten. Was sollte das? Wollte er unbedingt Zeugen, während er sie erneut blamierte? Erhoffte er sich davon eine tiefere Schmach und damit mehr Durchsetzungskraft seiner Befehle? Zeldas Blick flatterte zurück zu ihrem Vater. Beobachtete jeden seiner Schritte wie in Zeitlupe. Langsam kam er näher. Jeder Schritt durchwirkt von der natürlichen Autorität seiner Macht, die sie erzittern ließ. Sie hatte nichts Falsches getan. Wieso war er hier? Ausgerechnet jetzt, wo sie auf dem Wehrgang stand und einen Blick – einen Blick– hinunter gewagt hatte. Zelda atmete erneut tief ein, stählte sich gegen seinen missbilligenden Blick, der kurz über Link gesenkten Kopf hinweg huschte und dann wieder sie in einfing. Sie schluckte gegen die Enge in ihrer Kehle, dann zwang sie ihre Hand hinunter und hob in stiller Gegenwehr das Kinn. „Wir haben uns das Experiment mit den Wächtern angesehen“, antwortete sie. Sollte er doch denken, was er wollte. Er würde ihr sowieso nicht glauben. Sie sammelte all ihre innere Kraft und ballte die Fäuste, trat ihm einen Schritt entgegen. Sie durfte sich nicht in die Knie zwängen lassen. Er konnte ihr gegenüber nicht mehr so streng sein, nun, da die Wächter im Schloss angekommen waren und die ersten Übungsmanöver so dermaßen erfolgreich verliefen. „Wenn wir diese antike Technologie beherrschen, sind wir der Verheerung Ganon nicht hilflos ausgeliefert“, wiederholte sie, worüber sie schon unzählige Male gesprochen hatten. Aber nun standen die Erfolge ihrer Arbeit im und um das Schloss verteilt. Sie liefen! Sie zerstörten auf das Kommando ihrer Ritter mächtige Steinsäulen. Sie waren dem Ziel so viel näher als je zuvor. Er musste doch sehen, dass der Weg, den sie bisher gegangen waren, richtig war. Dass es nun Hoffnung gab, auch wenn sie die Siegelkräfte nicht erwecken könnte. Also konnte er sie jetzt endlich in Ruhe lassen. Der Wind wählte diesen Moment, um ihre langen Ärmel fliegen zu lassen. Doch der heroische Augenblick war nur von kurzer Dauer. Fast sofort nachdem Zelda gesprochen hatte, wurden die Augen ihres Vaters kalt. „In der Tat“, sagte er tonlos. „Die Erforschung dieser Relikte ist von höchster Wichtigkeit für unser Königreich“, bestätigte er, was er ihr bereits bei ihrem letzten Gespräch bestätigt hatte. Zelda hatte das Gefühl, dass er es vor allem für die anderen Anwesenden aussprach, auch wenn diese die Aufgabe hatten, bei einer solchen Unterredung weder Augen noch Ohren zu besitzen, es sei denn es drohte akute Gefahr. „Aber“, begann der König und tiefe, bodenlose Furcht bemächtigte sich Zelda als sie den Zorn in den hellen Augen ihres Vaters sah, „als Prinzessin von Hyrule hast du weit bedeutendere Aufgaben zu erfüllen.“ Damit sagte er ihr nichts Neues. Aber dass er diesen Moment wählte, um es ihr erneut klar zu machen, erfüllte sie mit einem unwirklichen Gefühl von Fassungslosigkeit. Ein kleines schockiertes Geräusch entfloh ihrer Kehle, als sie verstand, dass sich durch die erfolgreiche Inbetriebnahme der Wächter im Schloss nichts an ihrer Situation ändern würde. Dass der König diesen Tag gewählt hatte, um sie in ihrem Labor zu besuchen, roch zu sehr nach der Erwartung, sie beim Verstoßen gegen seinen Befehl zu ertappen, als dass sie hoffen konnte, dass es nicht noch viel schlimmer für sie werden würde. Zelda schlug die Augen nieder. Wie flüchtig Hoffnung doch war. Wie schnell und unstetig. Wie grausam. „So geht das nicht weiter“, fuhr ihr Vater sie an und wieder einmal konnte Zelda innerlich nur den Kopf darüber schütteln, wie wenig es ihn zu interessieren schien, dass nicht nur Mitglieder der Familie diese Zurechtweisungen zu hören bekamen. Ein krankmachender Verdacht durchfuhr sie: Vielleicht tat er es absichtlich. Um die Scham zu verdoppeln und den erzieherischen Effekt zu erhöhen. Tiefe Abscheu durchfuhr sie mit gewaltiger Kraft und sie musste jeden einzelnen Muskel in ihrem Körper anspannen, um ihm nicht den Rücken zu zu kehren und einfach davon zu laufen. „Wie lange wirst du noch vor deiner Verantwortung davon laufen?“, fuhr er in seiner tiefen, autoritären Stimme fort. Der Stimme des Königs, nicht ihres Vaters. Er hätte keine passenderen Worte wählen können, um zu beweisen, dass er sie überhaupt nicht kannte. Und selbst wenn er sie geschlagen hätte, wäre das nicht so verletzend gewesen. Hier stand sie nun und musste sich von ihrem Vater anhören, dass sie vor ihrer Verantwortung davon rannte, wenn alles was sie denken konnte, diese Verantwortung war. Wenn alles, was sie von der Flucht abhielt, die Verantwortung war, von der er behauptete, sie würde ihr den Rücken kehren. Seine Worte waren nicht nur unfair, sie waren unwahr. Die ungebändigte Wut, die ihr durch den Körper fuhr, gab Zelda genug Kraft um den Kopf zu heben und seinem Blick wieder standzuhalten. Sie machte einen Schritt nach vorne. Ein Exempel, eine Geste die zeigte, dass sie nicht davon lief. Sondern darauf zu. „Das tu ich doch gar nicht“, begann sie sich zu rechtfertigen, auch wenn eine kleine Stimme in ihrem Kopf ihr sagte, dass es keinen Zweck hatte. Wie zittrig sie klang, half nicht unbedingt, ihr mehr Sicherheit zu geben. „Erst vor wenigen Tagen habe ich mich in der Quelle des Mutes gereinigt und dort gebetet“, sagte sie, falls er nicht davon unterrichtet worden war. Sie war versucht, ihm von ihren Fortschritten und ihren Erkenntnissen zu erzählen. Aber sie bezweifelte, dass er sich überhaupt darüber interessierte. Wenn es nicht ihre Siegelkräfte waren, mit denen sie zum Schloss zurückkehrte, dann hatte sie in seinen Augen versagt. „Und-“, wollte sie fortfahren und von ihren weiteren Plänen und Recherchen erzählen, von denen sie hoffte, dass sie ihr auf ihrem spirituellen Weg helfen würden, doch er unterbrach sie, bevor sie die Gelegenheit dazu hatte. „Vergeude deine Zeit nicht mit diesen Relikten!“, herrschte er mit all der Macht seiner königlichen Position. „Von jetzt an gibt es für dich nur noch deine Übungen und sonst gar nichts!“ Diesen Befehl unterstrich er mit einer niederschmetternden Bewegung seiner Hand, die all die gekränkten, rechtfertigenden Erklärungen in Zeldas Kehle stecken bleiben ließen. „Oder glaubst du, die Macht die Verheerung zu versiegeln, fliegt dir einfach so im Schlaf zu?“ In all ihrer aufgewühlten Verzweiflung wählte Zelda prompt die falschen Worte, als sie endlich eine Lücke in seiner Tirade fand. „Natürlich nicht“, stammelte sie und hasste sich dafür, wie klein und zittrig ihre Stimme klang. „Aber“, sagte sie und drehte vor Gram das Gesicht ab, „ich gebe ja schon mein Bestes.“ Ein Schluchzen drohte ihr zu entreißen und sie zwang sich, ihren Blick ruckartig wieder ihrem Vater zu zu wenden. „Das alles … bringt nur nichts.“ In dem Moment, in dem die Worte gesagt waren, wusste sie, dass sie nichts Falscheres hätte sagen können. Für ihren Vater war es der Beweis dafür, dass sie aufgegeben hatte. Sie sah es daran, wie seine Miene sich weiter verdunkelte. Ihr dummes, dummes Unterbewusstsein, erlaubte sich daraufhin den zweiten Fehler, zu aufgewühlt um ihre Worte bedacht auszuwählen, rannte sie in die nächste Falle: „Bei der Erforschung der Relikte, könnte ich wenigstens-“ Der König schloss die Augen einem Ausdruck lang in leidvoller Resignation. Auf eine Weise erfüllte dieser Anblick Zelda mit mehr Hoffnungslosigkeit als sein vorheriger Zorn. „Spar dir dein Ausflüchte!“, sagte er knapp. „Von heute an ist Schluss damit.“ Und dann kam er. Der Befehl, mit dem sie insgeheim die ganze Zeit gerechnet hatte: „Ich verbiete jede weitere Beschäftigung mit diesen Relikten.“ Da war er wieder – der Zorn. In seinem Blick als auch in Zeldas Bauch. Hässlich und kraftvoll brodelte er inmitten ihres Körpers und für den Moment war es das einzige, das sie aufrecht hielt. „Widme dich deiner Ausbildung an den Quellen!“ Zelda versuchte erst gar nicht zu erklären, dass sie das doch bereits tat. Sie tat Recht daran, denn er wandte sie der Balustrade zu, sobald er gesprochen hatte. Mit einem kurzen, unberührten Blick auf den quicklebendigen Wächter zu ihren Füßen, fuhr er fort. Als hätte er nicht bereits alles zerstört, was Zelda in den letzten Wochen aufgebaut hatte. „Weißt du, wie man am Hof über dich redet? Wie man dich hinter vorgehaltener Hand nennt?“, fragte er auf eine rhetorische Weise, die nur auf eine Art von Antwort hinauslaufen konnte. Auf eine ganz Schlimme. „Missratenes Prinzesschen, heißt du da. Oder, Prinzessin Machtlos.“ Auch wenn Zelda mit so etwas gerechnet hatte, tat es weh, es zu hören. Nicht nur, weil es ihren Verdacht bestätigte, sondern weil ihr eigener Vater es aussprach, als würde er es ebenfalls denken. Als würde es ihn mit einer gewissen Befriedigung erfüllen, es auszusprechen. Sie konnte das drängende gebrochene Schluchzen nicht länger zurückhalten. Nie in ihrem Leben – und ihr war mit erschreckender Gewissheit klar, dass das nach allem, was sie bisher erlebt und erleiden hatte müssen, unglaublich schwer war – hatte sie sich so vernichtet gefühlt. So absolut, absolut leer und zerstört. Kaputt. Und sie wusste nicht, wie sie sich je wieder aufrichten sollte. Sie erschauderte und versuchte die Hysterie hinunter zu schlucken, die sie einen weiteren Schritt in Richtung des Zusammenbruchs taumeln ließ. Die mechanischen Geräusche des Wächters drangen an ihr Ohr herauf, ein Beweis, dass das Leben um sie herum weiter ging, auch wenn sie das Gefühl hatte, das ihres gerade beendet worden war. „Ich will, dass du ihnen das Gegenteil beweist“, sagte ihr Vater und klang für einen kurzen Moment so, als würde er ihr Mut zusprechen wollen. Doch dann wandte er ihr den Blick zu und die Illusion zerplatzte wie ein Regentropfen auf einem heißen Stein. „Ist das klar?!“, herrschte er so kalt und so wenig wie der Vater aus ihrer Kindheit, dass Zelda für einen Augenblick schwarz vor den Augen wurde. Sie wusste auch nicht, woher sie die Kraft für eine Antwort nahm. Aber sie brauchte nicht einmal sehr lange, bis sie ergeben die Hände vor dem Körper faltete und würdevoll den Blick senkte. „Jawohl, Euer Majestät.“ Mehr schien der König nicht erwartet zu haben, denn ohne ein weiteres Wort oder auch nur einen Blick, wandte er sich von ihr ab. Drehte sich um und ging die Wehrmauer entlang zu ihrem Turm, um dann aus ihrem Sichtfeld zu verschwinden. Absolut ignorant dem gegenüber, was er ihr mit seinen Worten angetan hatte.   Zelda konnte nicht sagen, wie lange sie auf der Mauer gestanden hatte. Bewegungslos bis auf das automatisierte Heben und Senken ihrer Brust, das ihr gnadenlos den Lebenshauch verschaffte, den sie in sich selbst nicht länger spüren konnte. Wie oft, fragte sie sich, wie oft würde sie sich selbst wieder zusammen setzen müssen, nachdem sie in tausend kleine Teile zerborsten war? Wann würde sie nicht mehr die Kraft dafür aufbringen können? Kraft… Dieses Wort brachte sie schließlich zurück in ihren Körper. Zurück auf die Wehrmauer zwischen den Türmen, die ihr Heimat sein sollten. Zurück zum Ort ihrer letzten Demütigung. Sanft löste Zelda ihre zu Fäusten verkrampften Finger. Langsam bewegte sie ihren Kopf, die Schultern und Füße. Spürte Leben in ihrem Körper, wo sie seit den harschen Worten ihres Vaters nur Taubheit gefühlt hatte. Das stetige Surren der Maschinen und die aufgeregten Stimmen der Männer hallten an ihr Ohr und für einen Moment musste Zelda sich gegen die ohnmächtige Wut wehren, die durch ihren Körper rauschte. Sie schloss die Augen und neigte den Kopf zur Seite, zog Kraft aus der abgewandten Geste. Kraft. Diese Chance auf Rückzug war zu einem Befehl geworden und ihr Innerstes rebellierte gegen den Plan die Quelle zu besuchen, obwohl er ihr noch an diesem Morgen so schmackhaft vorgekommen war. „Du kannst aufstehen, Link“, sagte Zelda leise, während sie sich langsam umdrehte und die Augen öffnete. Die absolute Stille hinter ihr zeugte von dem Verharren ihres Leibwächters, der wahrscheinlich nicht einen Augenblick ihres Selbstmitleides hatte stören wollen. Nein. Das war nicht fair. Mit einem Stirnrunzeln begegnete sie Links ernstem Blick. Er schien sich alle Mühe zu geben neutral zu erscheinen, aber nicht einmal erwar so beherrscht, um komplett zu verbergen, dass ihn schockiert hatte, was gerade eben geschehen war. Oder vielleicht berührte es ihn so stark, weil siees war, die erniedrigt worden war. Ein wenig Selektivität in seinem Mitgefühl konnte sie wohl erwarten. Und beinahe hätte es die Sache besser gemacht. Beinahe. „Ich“, begann Link mit einem Ausdruck auf dem Gesicht, der fassungslos wirkte. Zumindest für seine Gewohnheiten. Allerdings unterbrach er sich und begnügte sich damit sie anzusehen. Vielleicht war er sprachlos. Zelda war es nur Recht. Sie winkte ab. Bedeutete ihm nicht weiter zu sprechen. „Jetzt steh schon auf“, raunte sie kraftlos, weil er immer noch wie ein Lakai auf dem Boden kniete. Für eine begleitete Geste fehlte ihr die Motivation. „Es ist niemand mehr hier, vor dem du knien müsstest.“ Mit einem letzten Blick auf die fidelen Wächter unten im Hof, wandte sich Zelda ihrem Labor zu, während Link sich langsam erhob. Als sie an ihm vorbei ging, bemerkte sie seine zu Fäusten geballten Hände. Der Anblick ließ sie stehen bleiben. „Dein Platz ist an meiner Seite, Link. Nicht zu meinen Füßen“, murmelte Zelda leise und streckte die Hand aus, um ihn an der Schulter zu berühren. Es war eine vollkommen unschuldige Geste und hielt nur sehr kurz an. Kaum lange genug, um die Wärme seines Körpers durch die Lagen seiner Kleidung in ihre Finger sickern zu lassen. Ihre Blicke begegneten sich, als Link ruckartig den Kopf drehte. Die Hitze in seinen Augen resonierte mit irgendetwas Unbekannten in ihrem Inneren. Etwas Unkontrollierten, das ihr Angst machte. Sie löste ihre Hand von seiner Schulter. Nahm sie vorsichtig zurück, anstatt sie müde nach unten fallen zu lassen. Scheute weitere Berührung. Es fühlte sich so natürlich an, dass es ihr jedes Mal wenn es geschah erst danach einfiel, dass genau dieses Verhalten sie in Schwierigkeiten bringen würde. Kein ungebührlicher Kontakt. Zelda atmete tief ein. Dann zwang sie sich zu einem Lächeln. Ihre Mundwinkel zuckten ein wenig tragisch in die Höhe und Links Blick flackerte hinab zu ihren Lippen. Etwas in seinen Augen wurde weich. „Ich schwöre dir“, sagte er mit einer Stimme die nicht nach Link klang, „wäre dieser Mann nur dein Vater und nicht auch mein König, würde er jetzt auf seinen Knien um Verzeihung flehen.“ Er sprach nicht einmal sehr laut, aber die rohe Gewalt in seiner Stimme, die kaum unterdrückte Wildheit war so prominent, dass Zelda ihn erschrocken anstarrte. Er erwiderte ihren Blick mit nachdrücklicher Ruhe, die ihr eine Gänsehaut verschaffte. „Link“, hauchte sie, unschlüssig ob sie dieses beherzte Versprechen missbilligen sollte. Zelda schüttelte sanft den Kopf, eine kaum wahrnehmbare Bewegung. Aber sie konnte sich nicht helfen. Es brach ihr das Herz, ihren loyalen Leibwächter in einen solchen Konflikt zu drängen. Zwischen seinem Herrscher, dem er die absolute Treue geschworen hatte und seinem Schützling, mit dem er eine Jahrtausende alte Verbindung teilte, die weit über dieses Leben hinaus ging. „Sag so etwas nicht“, flüsterte Zelda. Etwas in Links Gesicht flackerte. Es war seltsam mit anzusehen und noch weniger zu verstehen. Sie wusste nicht, was es war, aber sie spürte, dass die Situation ihm große Schwierigkeiten bereitete. Doch es war ihr nicht möglich die richtigen Worte zu finden. Sie konnte es einfach nicht. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte, sagen konnte, um den Konflikt in ihm beizulegen. Schwer atmete Zelda ein. Nur verlangsamt füllte sich ihre Brust mit Luft und das seichte Gefühl zu ersticken überkam sie. Zitternd atmete sie wieder aus. Dann sah sie zu Boden. Wich seinem suchenden Blick aus, seinem Blick der so viel sagte und so viel verlangte. Zelda schluckte. „Ich denke, es wäre das Beste, wenn wir die Reise zur Quelle der Kraft nicht erst am Ende der Woche beginnen, sondern gleich morgen früh“, sagte sie, sich unangenehm bewusst wie klein und tragisch ihre Stimme klang. „Zelda“, begann Link neben ihr mit einem dunklen Raunen, doch sie unterbrach ihn mit einem schnell gemurmelten Geständnis. „Auch wenn es sich als sinnlos erweist, ich muss hier fort, Link. Bitte.“ Aus dem Augenwinkel sah sie, wie er ruckartig den Kopf senkte. Es folgte ein knappes Nicken, das einige feine Haarsträhnen aus seiner Frisur löste. „Natürlich, Prinzessin“, antwortete er steif. „Was immer Ihr wünscht.“ Kurz fragte sie Zelda, ob er wechselnde Förmlichkeit seiner Anrede ihr gegenüber bewusst einsetzte. Dann nickte auch sie. „Danke“, hauchte sie und zwang sich zu einem Lächeln. Gern hätte sie ihn berührt. Ihm beschwichtigend über den Arm gestrichen. Doch sie fürchtete sich vor den Konsequenzen. „Du bist entlassen, Link“, sagte Zelda mit starrer Stimme. Sie warf ihm einen Blick von der Seite zu, gerade noch rechtzeitig um zu sehen, wie sich sein Kiefer verhärtete. So wie immer, wenn er mühsam Worte zurückhalten musste, die ihm auf der Zunge brannten. Zum ersten Mal war Zelda froh, dass er nicht aussprach, was immer er dachte. Er verabschiedete sich mit einer knappen Verbeugung, dann nahm er den Weg über die Treppe nach unten. Es war das erste Mal, dass er ihren Turm über den normalen Zugang verließ und nicht die Mauer empor kletterte. Noch nie zuvor hatte Zelda ihn so abgelenkt erlebt. Der Gedanke schoss ihr direkt in das Herz und ihre Lippen pressten sich gegen den plötzlichen Schmerz fest aufeinander. Es war nicht fair, Link in das Debakel ihrer Verfehlungen mit hineinzuziehen. Ihn sich verantwortlich fühlen zu lassen, so dass er hin und her gerissen zwischen der Loyalität ihr und seinem König gegenüber war. Sie würde ihm das klar machen müssen. Jedoch nicht heute. Heute würde sie nicht einmal Kraft finden, weiter an den alten Traditionen um die Göttin zu forschen. Teilnahmslos wanderte Zelda in ihr Schlafgemach, mit dem Ziel für die Reise zur Quelle zu packen. Stumpf sammelte sie den rituellen Schmuck zusammen und wickelte ihn in das gesäuberte Gewand. Alles hatte ihre letzte Pilgerung glücklicherweise heil und vollständig überstanden. Als Zelda ihr Tagebuch in die Tasche gleiten ließ, hielt sie inne. Es war Wochen her, seit sie das letzte Mal darin geschrieben hatte. Sie hatte sich lange nicht mehr hilflos und ohnmächtig gefühlt, mit dem leblosen leeren Buch als einzige Möglichkeit etwas von ihm Frust los zu werden. Seiten die sie nicht bewerten, nicht verurteilen würden, ganz wie unfair und undamenhaft ihre Worte und Gedanken auch waren. Beinahe ohne ihr Zutun öffnete Zelda das dicke Lederband und griff nach einer Feder. Ihre Hand entwickelte ein Eigenleben, flog beinahe ohne wirkliche Verbindung zu ihrem Kopf über die Seiten.   Mein Vater hat mir die Forschung an den Relikten verboten. Ich soll mich ganz auf meine Siegelkräfte konzentrieren. Ich war so verletzt, dass ich nicht antworten konnte. Seit ich ein Kind bin, bemühe ich mich ununterbrochen. Meiner Mutter verstarb im Jahr, bevor meine Unterweisung beginnen sollte. Ich verlor zugleich Mutter und Mentorin. Meine Mutter sagte mir lächelnd: „Sorge dich nicht, Zelda. Du wirst deine Kräfte in kürzester Zeit erweckt haben.Doch es ist mir nicht gelungen. Wie viel Zeit auch vergeht, wie oft ich es auch versuche… Besitze ich sie überhaupt? Morgen werde ich mit Link zur Quelle der Kraft aufbrechen. Doch auch dies wird vergebens sein. Ich weiß es jetzt schon.   Eine seltsame Ruhe überkam Zelda, nach dem sie die Feder zur Seite gelegt hatte. Bewegungslos starrte sie in die Leere des Raumes, fühlte nur das sanfte Schwingen ihres Körpers, im Rhythmus ihres Herzschlags. Vielleicht war es nicht wirklich Kraft, aber etwas schöpfte Zelda aus ihrem Versprechen, das sie an der Quelle des Mutes abgegeben hatte. Aus der verzweifelnden, aussichtslosen Situation, in die ihr Vater sie mit seinen knapp gewählten Worten gestoßen hatte. In einem hatte er Recht behalten. Es gab keine Ausflüchte mehr für sie. Kein Verstecken hinter Angst und Selbstmitleid. Nicht hinter Wut und Verzweiflung. Es gab für sie nur den einen Weg. Und sie hatte geschworen ihn zu gehen. Ganz gleich was ihr dabei begegnen mochte. Ganz gleich welche Steine das Schicksal ihr in den Weg legte. Sie hatte geschworen ein wenig mehr zu sein wie Link. Der nicht gegen das Leben rebellierte, das für ihn vorgesehen war. Eine unbestimmte Schwerelosigkeit half ihr, die restlichen Gegenstände zusammen zu suchen, die sie für die Pilgerung zur Quelle benötigen würde. Dieselbe gefühllose Leere ließ sie die Treppe zur Mauer hinauf schweben, als es Zeit für ihr Abendgebet wurde. Und sie erfüllte sie mit genug Stärke um weiter zu machen. Einfach weiter zu machen. Es gab sowieso keine Alternative.   *   Es erschien Zelda am nächsten Morgen wie ein Wunder, dass sie hatte Schlaf finden können. Als sie nach einem düsteren Gebet, das sie mit einer bodenlosen Hoffnungslosigkeit erfüllte in ihr Bett taumelte, fürchtete sie sich davor die Augen zu schließen. Aus Angst die Dämonen in der dunklen Einsamkeit ihres Gemachs nicht länger zurückhalten zu können. Doch sie mussten ihr dennoch zu gefallen sein, denn sie erwachte im dämmrigen Zwielicht das müde und fahl durch das Fenster hinein fiel und das Zimmer in Schatten tauchte. Langsam blinzelnd drehte Zelda den Kopf und verfolgte das trübe Licht des frühen Morgens. Für gewöhnlich erwachte sie, bevor es draußen hell wurde und begrüßte den Tag mit der aufgehenden Sonne. Sie war spät dran. Und trotzdem verspürte sie keine Eile. Die unscharfen Fetzen eines Traums schoben sich in ihr Bewusstsein, das unbestimmte Gefühl sich nicht richtig erinnern zu können, aber es dennoch zu müssen. Angestrengt runzelte Zelda die Stirn, griff mit unsicheren Fingern durch das stolpernde Wirrwarr ihres halb wachen Verstandes und versuchte die Erinnerung einzufangen. Wie die Spiegelung eines Schmetterlings auf der glitzernden Oberfläche eines Teiches blitzten die Bilder vor ihrem inneren Auge auf, nur um dann wieder zu verschwinden. Eine Frau, da war eine Frau gewesen. Mit einem Ruck setzte Zelda sich auf. Ihr Haar, von ihrem unruhigen Schlaf verwirrt, fiel durch den Schwung nach vorne und kitzelte sie an der Wange. Geistesabwesend strich sie es zurück, während sie auf die prächtigen Stickereien auch ihrem Betttuch starrte. Eine wunderschöne Frauengestalt inmitten von alles durchdringender Dunkelheit. Hatte sie von der Göttin geträumt? War ihr in dieser Nacht Hylia erschienen? In der Nacht ihres größten Tiefpunktes, dem Moment ihres größten Verzweifelns … hatte die Göttin endlich Erbarmen gezeigt? Konnte es wahrhaftig sein? Wenn sie sich doch nur erinnern konnte. Ein wenig von dem Schleier ihres Vergessens lichtete sich, wie so oft, wenn ein wenig dessen, das man versucht zu greifen sich der Erinnerung nicht mehr sträubt. Scheinbar erinnerte sich sich durchaus. Die Frau in ihrem Traum hatte gesprochen, doch Zelda hatte sie nicht hören können. Ein tiefes, zittriges Seufzen entfuhr Zelda. Sie hatte sie nicht verstehen können.   Zelda widerstand der Versuchung ihr Kissen zu nehmen und durch den Raum zu schleudern. Stattdessen versuchte sie sich zu sammeln und ruhig zu atmen. Vielleicht war das kein schlechtes Zeichen. Doch sie hatte Schwierigkeiten, es nicht als solches zu sehen. In einer langsamen Geste rieb sie sich über die Stirn. Vorsichtig schob Zelda das Betttuch über ihre Beine und setzte die Füße auf den Läufer neben ihrem Bett. Die Kühle des Steins sickerte durch den geknüpften Teppich, doch an diesem Morgen fühlte sie sich zu taub um das Erschaudern zu spüren, das für gewöhnlich ihre Waden hinauf kroch. Es war kein guter Morgen. Und sie war das nicht mehr gewöhnt. Ähnlich einem Schlafwandelnden bückte sich Zelda nach ihrer fertig gepackten Tasche und zog ihr Tagebuch aus den ledernen Untiefen ihres Gepäcks. Sich zurück auf ihr zerwühltes Bett setzend, begann sie zu schreiben.   Diese Nacht hatte ich einen Traum. Ich stand an einem düsteren Ort und eine in Licht gehüllte Frau sah mich an. Sie schien mir nicht von dieser Welt zu sein. Doch ob Geist oder Göttin … sie war von herausragender Schönheit. Sie sprach, doch ihre Stimme erreichte mich nicht. Hätte ich sie verstanden, wenn meine Kräfte erwacht wären? Oder entsprang dieser Traum nur meinen Ängsten? Ich werde die Antwort erfahren, ob ich will oder nicht.   Langsam ließ Zelda das Buch sinken, bis es auf ihren Knien zum Liegen kam. Auf beinahe magische Weise hatte das Niederschreiben ihres Traumes, die Erinnerung daran getriggert und nun flüsterten Bilder um Bilder durch ihren Kopf, flochten sich ineinander und zogen sich zusammen, bis ihr das Herz in der Brust schwer wurde. Hatte sie von der Göttin geträumt? Hatte sie eine Nachricht von Hylia erhalten und sie nicht verstehen können? Hatte sie ihre erste, vielleicht einzige Chance damit vertan? In einem Versuch sich zu sammeln und diesen verstörenden, verängstigenden Gedanken abzuschütteln, krallte Zelda in die Bettdecke unter ihr. Die latente Wärme der Nacht hing noch in dem Material und hätte Trost spenden können, wenn Zelda nicht unfähig gewesen wäre, es zu zu lassen. Sie strich sich hektisch mit dem Daumen über ihren Mundwinkel und erhob sich dann ruckartig.Ihr Tagebuch fiel zu Boden. Erst nach einigen Momenten fiel ihr auf, dass sie es anstarrte, vollkommen bewegungslos, still wie eine Statue und genauso lebenslos. Vehement bückte sie sich nach dem Einband und verstaute es dann mit mehr Kraft in ihrer Tasche, als nötig gewesen wäre. Dann, schwer atmend, mit dem Haar wirr in den Augen, riss sie es wieder hervor und warf es auf ihr Bett. Eine Blitzentscheidung es doch lieber nicht mitzunehmen. Sie wollte nicht an den Traum denken, nicht in Versuchung geraten, sich die gerade geschriebenen Zeilen noch einmal durchzulesen. Das subtile Gefühl langsam verrückt zu werden, streckte seine spinnenfingrigen Greifer nach ihr aus und Zelda musste sich gegen den Impuls wehren, wie eine Verrückte in der Luft herum zu wedeln, um die gestaltlosen Gespenster zu vertreiben. Erneut strich sie sich über ihr Gesicht, ordnete ihr wildes Haar und kämmte es mit ihren Händen, bis es in dem gewohnten Vorhang links und rechts ihre Schultern hinabfloss. Ein wenig kaltes Wasser hätte ihrem aufgewühlten Verstand sicherlich gut getan, aber Zelda konnte sich einfach nicht dazu durchringen. Sie riss sich ihr Nachthemd vom Leib und trat aus dem unschuldigen Häufchen Weiß hinaus, am ganzen Körper zitternd, nackt bis auf ihre Unterwäsche und nach Atem ringend. Sie musste sich beruhigen. Sie durfte dieser Hysterie nicht nachgeben. Zelda zwang sich zu atmen. Ein. Aus. Ein. Aus. Irgendwann spürte sie, dass sie mit dem Kopf an der Wand neben ihrem Bett lehnte. Ihre Finger griffen in die Nischen zwischen dem alten Stein, das Ziel ihrer intuitiven Suche nach Halt und Sicherheit. Ein Augenblick verstrich in dem Zelda nichts tat außer zu atmen. Dann noch einer. Langsam öffneten sich die tausend kleinen Knoten in ihrem Inneren und sie konnte die Wand loslassen. Konnte einige Schritte gehen und nach dem Kleid greifen, das seit so vielen Jahren ihren Morgen begleitete. Sie schlüpfte in das Gewand, die Gedanken der Sonne entgegen gerichtet. Hyrule entgegen gerichtet. Hylia entgegen gerichtet. Sie würde nicht aufgeben. Sie hatte es geschworen. Außerdem war sie nicht allein. Sie hatte Link.   Ihr Leibwächter stand an der natürlichen Mauer die die hohe Steinwand formte, in die das Schloss gebaut war und sah zu ihr hinauf, wie er es häufig tat, wenn sie am Morgen zum Gebet unter den Säulen des Turmdaches kniete. Doch anders als sonst, führte er sein Training nach einer kurzen Bestandsaufnahme und einem zufriedenen Blick nicht fort, sondern starrte weiter zu ihr hinauf. Bei seinem Anblick flatterte etwas unter ihrem Herzen. Trotz des Märtyrertums des gestrigen Tages, konnte ihr Körper sich mit der schieren Freude ihn zu sehen nicht zurück halten. Als wäre ein kleiner Vogel in ihrem Brustkorb eingesperrt, flatterte das Gefühl gegen ihre Rippen. Zelda schluckte, während Link zu ihr hinauf starrte. Niemand wandte den Blick ab. Wie dankbar sie war, dass es ihn gab. Dass die Göttin ihn an ihre Seite gestellt hatte, nicht nur in diesem Leben,sondern in allen die noch kommen sollten. In allen die gewesen waren. In diesem Moment wusste Zelda, dass es die Wahrheit war. Sie kannte Link. Kannte seine wundervolle, tiefe, wunderschöne Seele. So ewig hatte sie gezweifelt. An sich, an ihrem Blut, ihrem Schicksal. Hatte sogar gedacht, dass ein riesiger, unfassbar großer Fehler vorliege und sie gar nicht die Zelda wäre. Dass sie ein Fehler wäre. Doch was sie fühlte, was sie tief in sich spürte, konnte nicht das Ergebnis eines Lebens voller Geschichten sein. Was sie fühlte war alt. Sehr alt. Und vielleicht war sie ein Fehler. Oder an ihr war ein Fehler. Oder was sie tat war ein Fehler. Eine Reihe unaufhörlicher, unüberschaubarer Fehler. Aber Link war es nicht. Mit seinem tapferen, freien Herzen, seinem unerschütterlichen Glauben in sie, obwohl sie doch der ganzen Welt täglich keinen Grund gab, an sie zu glauben, war Link ihr Fundament geworden, das verhinderte, dass sie einfach davon flog. In dem Sturm ihres eigenen Lebens, das so verwirrend und verzweifelt geworden war, egal was sie auch tat. Zelda schluckte, etwas ihrer inneren Aufruhr, ihrer Zerrissenheit musste sich in ihrem Gesicht abzeichnen. Oder Link spürte einfach nur, das etwas nicht stimmte. Obwohl die Klarheit, die sie bei seinem Anblick empfand, sie mit einer seltsamen Kraft erfüllte. Seine Stirn runzelte sich und Zelda fühlte mehr, als dass sie sah, wie er sich anspannte. Er schien sich aufzurichten, ohne sich tatsächlich zu bewegen. In diesem Moment gaben ihre Knie nach und langsam, wie als wäre die Zeit angehalten worden, sank Zelda zu Boden, den Blick immer noch fest auf Link gerichtet. Und er hielt die Verbindung, die sie ungeplant zwischen ihnen aufgebaut hatte und nun nicht wieder loslassen konnte. Das Kribbeln wurde stärker, genährt durch die neue, uralte Erkenntnis, durch die verzweifelte Stille in ihrem Kopf und irgendetwas Unbekanntem. Die Luft schien sich zu verdicken, schien die Welt noch mehr zu verlangsamen, als würde sich inmitten der unsichtbaren Macht nichts bewegen können. Nicht einmal sie Beide.   Hylia, ich habe dich nicht gehört. Aber ich höre auf das hier.   Und Zelda betete. Still und leise und inbrünstig. Doch es schien nicht länger Hylia zu sein, an die sie das Gebet schickte. Sondern ein Mann aus Fleisch und Blut und unendlicher Güte, so unerschütterlich in seinem Glauben, dass er Zeldas fehlenden ausgleichen konnte. Kapitel 17: Kapitel 16 Teil II ------------------------------ Ihr ansonsten so schweigsamer Leibwächter war nicht wieder zu erkennen. Erst hatte es Zelda irritiert. Die sporadischen Kommentare über das Wetter. Die genaue, akribische Darlegung des Weges, der vor ihnen lag, wo genau sie für eine Pause anhalten und welche Straßen sie nehmen würden. Was er gedachte am Abend zuzubereiten und dass er plante, ihr um die Mittagszeit die kleinen in der Pfanne gebackenen Fladen zu servieren, die Zelda so mochte. Aber dann wurde es schlicht und ergreifend gruslig. Waren die Lilien nicht wunderschön? Und war es nicht seltsam, dass Hyrule Gras Blüten besaß, die von der gleichen Farbe waren wie der Rest der Pflanze? Und, wusste sie denn eigentlich, dass es einen herrlichen Geschmack abgab, wenn man es mit ein wenig Steinsalz und ein paar Pilzen zu einem Barsch in die Pfanne schmiss? Außerdem gab es auf dieser Wegstrecke den besten Blick über den Hylia Fluss und war es nicht wunderschön, wie die Vormittagssonne auf dem Wasser funkelte? Zelda stand ernsthaft kurz davor ihm zu befehlen in seine übliche schweigsame Routine zu verfallen. Doch irgendwann um die Mittagszeit, nachdem sie diese Möglichkeit im Kopf von allen Seiten beleuchtet hatte, fielen ihr die Blicke auf, die er ihr von der Seite zu warf, wann immer er sich unbeobachtet fühlte. Und dann verstand sie. Es war schon aussagekräftig genug, dass er nicht den genauen Moment bemerkte, in dem sie ihn durchschaute. Als sich ihre mühsam verborgene Ungeduld mit seinem Geplapper in Verwirrung und dann in Verstehen wandelte. Dass sie ihn nicht länger genervt betrachtete, sondern mit Dankbarkeit. Das seltsame Schauspiel, sein so untypisches Verhalten hatte ihr tatsächlich etwas gegeben, auf das sie sich konzentrieren konnte, anstatt den selbstzerstörerischen Gedanken nachzugeben, die sie in die Tiefe ziehen wollten. Also hatte Link sein Ziel erreicht. Ob nun nervend oder nicht, er hatte sie ablenken wollen. Es Zelda erfüllte ein wenig mit Unbehagen, dass er sich gezwungen sah, so weit außerhalb seiner Komfortzone zu agieren. Und die Wärme, die ihre Brust füllte, beschwerte ihr Gewissen nur noch weiter. Nachdem er ihr einen kleinen Vortrag darüber gehalten hatte, wie und woran man erkannte, dass Geflügelfleisch, das man an einem Spieß breit, wirklich gar war, reichte es Zelda. Entschlossen fixierte sie Link mit ihrem besten ‚Noch ein Wort und dein Kopf wird rollen‘-Blick. Ihr Leibwächter ignorierte ihn recht gekonnt, doch seine zuckenden Mundwinkel sagte Zelda, dass er sehr wohl wahrnahm. Ein wenig amüsiert schüttelte sie den Kopf. „Du brauchst das nicht zu tun.“ Das schien seine Aufmerksamkeit genug zu binden, denn er wandte ihr den Blick zu. Er hob eine Augenbraue, nun scheinbar ganz und gar wortlos. Kein Wunder, schließlich hatte er den ganzen Vormittag so viel gesprochen, dass seine Zunge vermutlich bereits Blasen warf. Zelda gestikulierte in seine Richtung. „Das hier“, sagte sie und bewegte bestärkend den Kopf. „Deine kleine ein-Mann-Aufführung.“ Sie befeuchtete ihren Mundwinkel mit der Zunge. „Ich bin nicht kurz davor verrückt zu werden oder so was“, versicherte sie ihm mit ernsterer Stimme. „Mir geht es gut.“ Zweifel huschte über Links Gesicht, doch er widersprach ihr nicht. „Was nicht bedeutet, dass ich es nicht wertschätzen kann“, fuhr Zelda fort und kickte einen Stein zur Seite. Kurz ließ sie ihren Blick über die weiten Hügel schweifen, die grün und warm, von Sonne beschienen und von Insektengezirpe erfüllt, da lagen. „Aber wirklich“, begann sie und warf Link einen gespielt spöttischen Blick zu, „so langsam wird es gruslig. An diesem Morgen hast du so viel gesprochen wie in dem ganzen Jahr, seit ich dich kenne.“ Sie lächelte. „Und es gerade mal Mittag!“ Ihre übertrieben aufgerissenen Augen brachten Link dazu den Kopf zu senken – ein kleines, unfreiwilliges Lächeln auf den Lippen. Als er wieder auf und sie ansah, erkannte Zelda, dass sie zu ihm durchgedrungen war. Eine Art Maske schien sich von ihm zu lösen, eine kaum wahrnehmbare Aura, das, was ihn dazu gebracht hatte, kurzfristig in die Fußstapfen einer der Quasselstrippen bei Hofe zu treten. Er warf ihr kurz einen Blick zu, den Zelda als amüsiert, aber ein wenig leidend interpretierte und hoffte, dass sie von jetzt an wieder normal miteinander umgehen würden können. Sie schenkte ihm ein dankbares Lächeln und konzentrierte sich dann auf den Weg vor ihr und das Land um sie herum. Erst jetzt bemerkte sie, dass eine angenehme Brise herrschte, die sanft durch ihr Haar und die umstehenden Bäume fuhr. Zelda mochte Wind, diesen Wind. Jeden Wind. Er hatte die Eigenart den Moment, die ganze Welt zu erfrischen, alte Energien davon zu wehen und alles Leben mit sauberer Luft zu erfüllen. Zelda seufzte, als ihr ein Gedanke kam. Eigentlich war es kein Wunder. Die Göttin des Windes war Farore. Mit einem nachdenklichen Seitenblick auf Link begann Zelda an ihrer Oberlippe zu kauen. War das ein Zufall? Schätzte sie die Frische und Leichtigkeit und die Kraft des Windes einfach nur, weil sie eine seltsame Vorliebe für flatterndes Haar hatte? Sie wandte den Blick ab und sah wieder nach vorne. Betrachtete den ausgetretenen Weg, dem sie zwischen den Hügeln folgten, um der befahrenen Straße fernzubleiben, das sanfte Rauschen der Gräser und Büsche wie ein Wiegenlied in ihren Ohren. Mit einem Stirnrunzel verbannte Zelda den Gedanken. Was hatte es für einen Sinn darüber nachzudenken? Es würde keine Antwort darauf geben und ihr Verstand versuchte ohnehin nur, sie von dringenderen Angelegenheiten abzulenken. Wie zum Beispiel der, dass sich ihr endlos loyaler, Königs-liebender Leibwächter wegen ihrer eigenen Unzulänglichkeit, in einer unfairen und hoch problematischen verzwickten Situation befand. Entschlossen hob Zelda das Kinn und straffte ihre Schultern. „Link“, begann sie mit einem schnellen Seitenblick, um seine Aufmerksamkeit zu erlangen – als hätte sie sich jemals darum Gedanken machen müssen. „Ich habe dir eine wichtige Sache zu sagen und ich möchte, dass du ernsthaft, sehr ernsthaft“, sie betrachtete ihn streng, „zuhörst und deine ehrbare Ritterpersona für einen Moment hinter Gittern ankettest.“ Link warf ihr einen überraschten Blick zu, dem jedoch sehr schnell etwas Amüsiertes anhaftete. Als Zelda nicht zu sprechen begann, sondern ihn nur weiterhin maßregelnd ansah, vertiefte sich der Ausdruck auf seinem Gesicht zu echter Belustigung. Er gestikulierte ihr mit der Hand fortzufahren. Nachdem Zelda ihn weiterhin prüfend anstarrte, verdrehte er kurz die Augen. „Bei Farore, wirst du wohl sprechen, Mädchen?“, sagte er in gespielt genervtem Tonfall. Trotz der Abwesenheit jeglicher Romantik in seiner Ausdrucksweise oder seine Stimme, spürte Zelda, wie die unbekümmerte Bezeichnung für kurze Zeit ihren Puls beschleunigte. „Ich verspreche, alle ritterlichen Aspekte meines Wesens und mögen sie noch so rudimentär sein, sind tief vergraben unter den unritterlichen.“ Er zog beide auffordernd beide Augenbrauen hoch. Zufrieden, aber weiterhin gespielt skeptisch, warf Zelda ihm einen letzten Blick zu, dann holte sie Luft, um auszusprechen, was sie den ganzen Morgen im Stillen ausformuliert hatte. „Link“, begann sie erneut mit seinem Namen, der wie immer nicht seine Aufgabe verfehlte, und sie gleichzeitig beruhigte und mit Kraft erfüllte, „i-ich ...“ sie stockte und starrte zu Boden. „Es fällt mir schwer darüber zu sprechen“, fuhr sie mit leiser Stimme fort, „aber ich möchte dennoch, dass du weißt, dass ich nicht von dir verlangen, zwischen mir und deinem König zu wählen.“ Zelda hörte, wie Link neben ihr kurz stockte, dann aber weiterging, als sie keine Anstalten machte ebenfalls stehen zu bleiben. Sie widerstand dem Impuls ihn anzusehen und starrte weiterhin strikt geradeaus, auch wenn es ihr einige Anstrengungen bereitete, gegen den Drang anzukämpfen es doch zu tun. Sie zwang sich weiterzusprechen. „Ich weiß, in deiner riesengroßen, loyalen Heldenseele tut sich bestimmt ein riesengroßer Abgrund auf, wenn ich das sage. Dein Ehrgefühl schreit gepeinigt auf und dein Verstand empört sich über den reinen Vorschlag.“ Zelda räusperte sich und wedelte ungeduldig mit der Hand durch die Luft, um den anderen Teil ihrer vorbereiteten Rede abzukürzen – ausgesprochen klag es weitaus ironischer als es in ihrem Kopf getan hatte. „Wie auch immer“, fuhr sie fort und warf Link nun doch einen Blick zu, sah aber schnell wieder nach vorne, als seine blauen Augen zu sie fixieren versuchten. „Ich will nicht Grund dieses Konflikts sein. Wenn wir all diesen Unsinn mit Göttinnen und Schwertern und Helden beiseite lassen, bist du vor allem ein Ritter, Sir Link.“ Ihn mit seinem Ehrentitel anzusprechen, war eine spontane Idee. Sie befeuchtete ihre Unterlippe mit der Zunge, um die aufkommende Nervosität in den Griff zu bekommen. „Es war das, was du werden wolltest, bevor es mit dem Schwert und den Erinnerungen losging. Du hast einen Eid geschworen.“ Zelda nahm einen tiefen Atemzug, versuchte die schrille Note in ihrer Stimme loszuwerden. „Du hast geschworen, deinem König zu dienen“, fuhr sie etwas ruhiger fort und suchte erneut seinen Blick. Allerdings waren Links Augen in die Ferne gerichtet. Beinahe, als würde er ihr gar nicht zuhören. Doch Zelda wusste es besser. Sie seufzte. „Und nur weil du danach gezwungen warst, einen anderen Eid zu schwören und dein Leben dem Schwert und einer missratenen Prinzessin zu unterwerfen, macht das den ersten Eid nicht ungeschehen.“ Sie seufzte erneut, es dermaßen leid, sich unwürdig zu fühlen. „Und ich denke, ich kenne dich gut genug, um zu wissen, dass es dir Schwierigkeiten bereitet, wenn sich beide Eide gegenseitig bekriegen.“ Ein Geräusch, eine Art unterdrücktes Schnauben ließ Zelda zur Seite schauen, doch Link sah immer noch geradeaus, schien sie zu ignorieren, da er ihren Blick unmöglich nicht bemerken konnte. Zelda verzog das Gesicht und nahm sie die Freiheit mit den Augen zu rollen. Stoischer Dickschädel. „Jedenfalls wollte ich sagen, ich nehme es dir nicht übel.“ Kurz kräuselten sich ihre Lippen wegen der Härte ihrer Stimme. So ausgesprochen klang es, als würde sie es ihm durchaus übel nehmen. „Wirklich!“, versuchte Zelda es erneut, diesmal wesentlich sanfter. Sie schluckte und hob die Hand, um sich eine vorwitzige Haarsträhne aus dem Nacken zu schieben. Als sie die Bewegung beendete, bemerkte sie, dass Link aufgegeben hatte, ungerührt geradeaus zu starren und stattdessen sie ansah. Unter der Hitze seines Blicks erschauerte sie. Kleine kalt-heiße Ströme aus verstörender Empfindung rasten an ihren Gliedern entlang. Ließen ihre Finger zucken und setzten vorübergehende ihre Fähigkeit außer Kraft, ihre Beine rhythmisch zu bewegen. Zelda blieb stehen. Stockte in jeder Bewegung, vollkommen überfordert mit den Emotionen, die sie auf einmal in dem tiefen, flüssigen Blau seiner Augen sah. Link blieb im selbem Moment stehen wie sie. Am meisten überraschte Zelda der kaum verhohlene Zorn in seinem Blick. Sie hatte wenig Erfahrung mit Links Zorn, deswegen geschah es wohl eher intuitiv, dass sie die Emotion überhaupt als solchen erkannte. Doch ähnlich hatte er ausgesehen, als sie am Todesberg von Monstern überfallen worden waren. Oder bei dem unschönen und immer noch sehr fragwürdigem Zusammenprall mit Rafayl. Wenn jetzt auch die mörderische Zielgerichtetheit fehlte. Er wirkte mehr wie jemand der … „Du hast wirklich keinen guten Tag heute, oder?!“ Zelda blinzelte. Was? Links Augen wurden schmal. Dann zuckte ein Muskel in seinem Kinn und mit einem kaum wahrnehmbaren Kopfschütteln wandte er den Blick ab. Verwirrt runzelte Zelda die Stirn, versuchte aus seinem abgewandten Profil irgendetwas abzulesen, dass seine Wut erklären konnte. Bevor sie dem Impuls nachgeben konnte, einen Schritt um ihn herumzugehen, um ihm ins Gesicht sehen zu können, schnaubte er explosiv und schüttelte den Kopf nur noch heftiger. „Es ist meine Schuld, oder?“, sagte er schließlich, seine Stimme stählern, was Zelda noch mehr verwirrte als die Worte selbst. Wie konnte er sich die Schuld geben? „Deine Schuld?“, wiederholte Zelda zögerlich, nachdem ihr einfach nicht einfallen wollte, was er gemeint haben könnte. „Dass du an mir zweifelst. Immer noch.“ Ein Blitz von unheiligem Blau erwischte sie von der Seite, seine Augen so voller Hitze, dass Zelda zurückgezuckt wäre, hätte sein Blick sie nicht so vollkommen gefangen genommen. Wieder schnaubte Link. „Es muss meine Schuld sein.“ Zelda schluckte, überfordert von der schlagartigen Wendung, die dieses Gespräch genommen hatte. „Link, ich-“ Ihr Leibwächter hob eine Hand und sie verstummte augenblicklich. Sie konnte sich nicht erinnern, dass er ihr jemals auf diese Weise das Wort verboten hatte. Und es sollte Zelda irritieren, besser noch verärgern. Das Gegenteil war jedoch der Fall. Beinahe augenblicklich entspannte sie sich. Link hatte sich ihr zugewandt und betrachtete sie mit leicht schräg geneigtem Kopf. Eine zarte, vogelartige Bewegung, während sein Kiefer auf die ihr bekannte Weise all die Emotionen zermalmten, die er ihr nicht zeigen würde. „Niemand hat das Recht so mit dir zu sprechen. Kein Mann, kein König. Und auch nicht dein verdammter Vater!“ Seine Worte klangen wütend, doch aus seiner Stimme und seinem Blick war der Zorn so schnell verschwunden, wie er aufgetaucht war. Stattdessen sah er sie so durchdringend an, dass die Luft zwischen ihnen zu schmelzen begann. Die Zeit schien stehen zu bleiben. „Ich weiß nicht, ob ich dich jemals dazu bringen kann, mir zu glauben. Ob du es jemals verstehen wirst. Aber, Zelda“, er stockte kurz, um Luft zu holen, seine Stimme nun ruhig und konzentriert, voller Deutlichkeit und offener Ehrlichkeit „meine Loyalität dir gegenüber wird nie ein Problem sein.“ Seine Mundwinkel zuckten kurz, als würde der Gedanke ihn amüsieren. „Nie!“ Wieder bewegte sich sein Kopf auf diese zarte, ruckartige Weise, wie ein Vogel, der ein auf dem Boden liegendes Blatt herumdreht. „Ich habe Hyrule einen Eid geschworen. Und ich habe dir einen Eid geschworen. Und selbst wenn sie sich gegenseitig aufheben würden, was sie nicht tun-“, warf er mit erhobener Hand ein, als Zelda ihm ins Wort fahren wollte, „ist für mich klar, wie ich mich entscheiden werde.“ Er fixierte ihren Blick mit einer suchenden Qualität, als würde er versuchen die Tiefe ihrer Seele zu erreichen. „Ich habe nur deswegen weder Wort noch Schwert gegen den König erhoben, weil ich wusste, dass es dir nicht geholfen hätte.“ Etwas in seinem Gesicht wurde weicher, bedauernd. „Im schlimmsten Fall hätte es mich den Platz an deiner Seite gekostet und das ist ein Risiko, das ich nicht eingehen kann. Niemals. Selbst wenn es mich all meine Kraft kostet, still zu bleiben.“ Die Linien neben seinen Mundwinkeln vertieften sich, als er schluckte. „Es wäre nicht mal eine richtige Entscheidung.“ Zelda spürte, wie ihre Stirn sich runzelte, war aber zu gelähmt, um wirklich zu begreifen, was Links Worte in ihr auslösten. Eine Art taube Entrücktheit hatte sie überkommen und irgendwie begriff sie ihre eigenen Gefühle nicht. „Zelda“, begann Link eindringlich und ihr desorientierte Blick fixierte sich auf ihn. Sein Gesicht wirkte ruhig. Entspannt. Sicher. Kein Zweifel war zu sehen. „Nie würde ich irgendetwas tun, das meinen Platz an deiner Seite gefährden könnte. Auch wenn das bedeutet, dass ich mit ansehen muss, wie mein König …“ mit einem Seufzen brach er ab und seine Augen flackerten kurz, als er an ihr vorbei in die Ferne sah. Es gab Zelda einen Moment Zeit, ihn uneingeschränkt zu betrachten. Konnte es sein? Konnte es sein, dass sie wieder falsch gelegen, ihn wieder nicht richtig eingeschätzt hatte? War er tatsächlich nicht zwischen zwei Pflichten hin- und her gerissen? War der Eid ihr gegenüber nicht Grund für seine innere Angespanntheit, die schwelende Unzufriedenheit, die von ihm ausging? Als Links Blick sich wieder auf sie konzentrierte, seine Augen sie mit der so typischen uneingeschränkten Aufmerksamkeit fixierten, verloren sich die Fäden des Puzzles, das sie kurz davor gewesen war zu lösen. „Ich bin dein Ritter, Zelda. Für immer.“ Kein Funken Zweifel war in seiner Stimme zu hören, nur eine ruhige Entschiedenheit, Akzeptanz und … Ruhe. Er war nicht zerrissen. Nein. Zelda hatte mal wieder falsch gelegen. Die Erkenntnis, das plötzliche Verstehen, wusch über sie hinweg wie eine erfrischende, kühle Brise. Mal wieder hatte sie das Gefühl ihn überhaupt nicht zu kennen. Wie oft musste er es ihr noch beweisen? Er hatte ihr so häufig das Gegenteil von dem bestätigt, das sie, verloren in ihren Selbstzweifeln, wie sie war, von ihm geglaubt hatte. Er war bei ihr, jetzt, auf dem Weg neue Kraft zu schöpfen. Er würde immer bei ihr sein. Er kannte sie. Kannte sie wie kein anderer. Kannte sie seit tausenden von Jahren. Er zweifelte nicht, weil er Zugriff auf uralte Erinnerungen hatte, die zu sehen Zelda selbst verwehrt blieb. Wie hatte sie von ihm glauben können, dass er einen irdischen Eid gegenüber einem irdischen König stärker wiegen lassen konnte, als die über unzählige Leben gewachsene Verbindung von Schwert und Göttin? Sie hatte geglaubt ihn zu kennen. Und bewiesen, dass sie es nicht tat. Ihr fehlten diese Erinnerungen. Sie hatte nur dieses Leben. Dieses Leben voller Enttäuschung und Scheitern. Und es war ihre größte Angst, dass sie am Ende aller Dinge auch Links unerschütterlichen Glauben in sie enttäuschen würde. Es erfüllte sie nicht mit Bitterkeit. Stattdessen lächelte sie. Er war wütend, weil ihr Vater sie gerügt hatte. Einfach nur reine, eindeutige Wut. Ohne tiefere Bedeutung, ohne Gewissensbisse und Schuldgefühle. Einfach nur unschuldige Empörung, weil man Zelda gedemütigt und beleidigt hatte. Weil man sie unfair behandelt hatte. Weil Link verstand, wieso die Worte ihres Vaters so viel tiefer getroffen hatten als sonst. Weil Link dabei gewesen, der Grund dafür war, dass Zelda neue Hoffnung geschöpft hatte. Weil Link sah, was ihr Vater, der König, nicht sehen konnte. Der Moment streckte sich und das aufgeladene Zittern, das in der Luft gelegen hatte, verlor sich. Trotzdem dauerte es ein wenig, bis Zeldas Angespanntheit sich legte. Ihr entfuhr ein Kichern. Dann noch eins. Links Augen verschmälerten sich fragend und seine Mundwinkel vertieften sich in einem Ausdruck irritierter Belustigung. ‚Was?‘, schien sein Blick zu fragen. Zelda schüttelte den Kopf. „Was bin ich doch für ein Huhn“, murmelte sie und sie schnaubte leise. Sie hob die Schultern und sah ihn bedauernd an. „Ich hätte es besser wissen müssen.“ Links Gesicht zeigte deutlich, dass er nicht verstand. Dennoch setzte sich Zelda in Bewegung. Wandte sich ab von ihm, um ihren Weg fortzusetzen. „Es tut mir leid“, sagte sie nach einer Weile, nachdem sie die bekannten Schritte hinter sich hörte, die ihr versicherten, dass Link ihr folgte. Er antwortete nicht und Zelda versicherte sich mit einem Blick über ihre Schulter, dass er sie überhaupt gehört hatte. Das Funkeln in seinen Augen erreichte sie selbst über die Entfernung zwischen ihnen. Ein Gefühl sagte Zelda, dass er sie verstanden hatte. Dass er wusste, was genau ihr leid tat. Ohne, dass sie sich hätte erklären müssen. Eine gewisse zögerliche Befriedigung, vorsichtige Belustigung lag in seinem Blick, als er ihren schweigend erwiderte. Eine Zeitlang sagte niemand von ihnen etwas. Eine einvernehmliche Stille in der Zelda ihren Gedanken nachgehen konnte, so ganz anders als die Spannung, die seit dem Morgen in der Luft gelegen hatte. Es fühlte sich gut an, dieses Schweigen. Dennoch konnte Zelda nicht zurückhalten, es irgendwann zu brechen. „Und wieder einmal hat Zelda versagt“, seufzte sie. Die Worte waren leicht dahin gesprochen. Ohne Zorn, ohne Verzweiflung. Erfüllt von einer amüsierten Akzeptanz. Worauf Zelda allerdings nicht gefasst war, war Links prompte Antwort. „Ich kann keinen Fehler an dir finden!“ Seine ruhige Ehrlichkeit stoppte sie. Ihre Schritte verloren sich und für einen Moment lang sah sie ihn einfach nur an. In einer halben Drehung nach hinten eingefroren. Sah ihm in die Augen, in das so lieb gewonnene, freundliche, endlos loyale Gesicht und raffte all die zerstreuten Teile ihrer Seele zusammen. Sie konnte Hyrule retten, in diesem Leben, tausende Male in der fernen, unbekannten Zukunft. Sie könnte unendlich gute Dinge tun. Und dennoch würde sie diesen Mann nie verdienen. Mit einem gebrochenen, erschlagenen Seufzen wandte Zelda den Blick ab. Dann lachte sie. „Na toll“, sagte sie und schüttelte den Kopf, „nur du kannst einen so perfekten Moment zerstören.“ Sie verzog das Gesicht und gestikulierte gespielt empört in die Luft. „Wann bietet sich denn schon mal so eine gute Gelegenheit zum Selbstmitleid? Ich war so kurz davor mich so richtig hinein fallen zu lassen.“ Sie entspannte sich ein wenig, gab ihre halb verkrümmte Position auf und verschränkte die Arme vor der Brust. Links Mundwinkel zuckten. „Entschuldige“, bemerkte er ironisch und neigte den Kopf. „Würde es helfen, wenn ich dich ein wenig beleidige?“ Zelda schniefte. „Nein“, antwortete sie und sah zur Seite. „Jetzt ist es vorbei und ich kann unmöglich noch einmal in dieselbe Stimmung kommen.“ Sie schwiegen für einen Moment. Ein Vogel zwitscherte. Dann fanden sich ihre Blicke. Zelda lächelte und die Haut um Links Augen kräuselte sich auf diese herrlich warme Weise. Dann allerdings wurde seine Miene neutral. „Ich habe es ernst gemeint“, sagte er. Als hätte Zelda das nicht gewusst. Doch für heute hatte sie genug lebensverändernden Zuspruch aus seinem Mund gehört. Mit jedem Mal, wenn er das tat, sie aufbaute, ihr seinen tiefen Glauben in sie, seine absolute Loyalität versicherte, wurde die Waage mehr ins Ungleichgewicht gebracht. Das war nicht gut. Es ängstigte sie, wie viel Macht Link mit seiner Freundlichkeit und seiner unerschütterlichen guten Meinung von ihr über sie hatte. In seinen Augen war sie keine missratene Prinzessin. Und Zelda wusste mit absoluter Sicherheit, dass er es ernst meinte. Er konnte keinen Fehler an ihr finden. Wie viel schlimmer würde es dann wiegen, wenn sie ihn am Ende doch enttäuschen würde… * Trotz ihrer merklich gebesserten Laune gelang es Zelda nicht, die Worte ihres Vaters abzuschütteln. Sie klebten an ihr wie ein schlechter Geruch. Eine Glocke, die sich betäubend über sie stülpte, wann immer sie versuchte, die Schönheit des Moments in sich aufzunehmen. Oh, Zelda spürte den Wind in ihrem Haar, die Sonne auf ihrer Haut, das Land unter ihren Füßen. Sie konnte sich an den Blumen erfreuen, die sie pflückte, ebenso wie an dem seltenen Exemplar eines Käfers, das sie an einem Stein entdeckte. Sie genoss die Abgeschiedenheit der Straße, die Freiheit der Entscheidungen. Sie schmeckte das Mahl, das Link ihr um die Mittagszeit im Schatten eines großen Baumes bereitete. Sie lachte über seine trockenen Bemerkungen und wies ihn auf besondere Wolkenformationen hin. Sie mochte die saubere Einfachheit der kleinen Herberge, in der sie am Abend ein Zimmer mieteten. Sie sah hinauf in den klaren Sternenhimmel. Betrachtete den beinahe vollen Mond am, zu einem dämmrigen Blau erhellten Dunkel des Firmaments. Aber etwas war verloren gegangen. Ein Funken. Ein Strahl. Eine Flamme. Etwas, das Zelda seit einiger Zeit begleitet hatte, geboren aus Hoffnung und Glauben, das gewachsen war und jeden Tag mehr Raum gewonnen hatte. Es war fort. Zerdrückt unter dem Stiefelabsatz eines Königs. Link spürte es. Aber anders als am Morgen versuchte er nicht sie abzulenken und zu unterhalten. Er spürte ein weiteres Kissen für sie auf, auch als Zelda ihm versicherte, dass sie wirklich keines benötigte. Er verkündigte, dass er in dieser Nacht wirklich keinen Schlaf brauchen würde. Und er besorgte ihr zum Abendessen einen Kuchen. Obwohl das wohl zum gleichen Teil für ihn selbst geschah wie für sie. Dennoch, er zeigte ihr, dass er es wusste. Und dass er es nicht ändern wollte, aber für sie da war. Und es half. Einfach weil er irgendetwas tat. Weil er da war. Weil er Link war. Zelda hätte sowieso keine Kraft gehabt es abzuwehren. Sie wollte es nicht abwehren. Auch wenn sie gesollt hätte. Sie wollte nur schlafen. Und das tat sie. Bis ein Albtraum sie hochschrecken ließ. Und dann noch einer. Und noch einer. Irgendwann, als Zelda sich durch den dicken Teppich aus Dunkelheit und Leere und Angst kämpfte, durch die tiefen Wellen von Pein und Schrecken tauchte, keuchend nach Luft schnappte und desorientiert in das heillose Durcheinander ihres Erwachens blinzelte, war Link da. Einfach da. Neben ihr auf dem Bett und lehnte an das hölzerne Kopfteil. Still und bewegungslos betrachtete er sie. In der Dunkelheit glänzten seine Augen schwarz und alle Gefühle, die sie tagsüber unterdrücken musste, schienen sich darin zu spiegeln. Wimmernd flüchtete sich Zelda in seine Arme. Und er hielt sie. Mit einer Selbstverständlichkeit, die sie später irritieren würde. Doch in diesem Moment war er ihre einzige Sicherheit. Ihr Hafen. Ihr Halt. Und sie drückte sich mit einer Verzweiflung an ihn, die ihn erschrecken sollte, es aber irgendwie nicht tat. „Schsch ... Ich hab dich“, raunte er an ihre Stirn. Seine Arme umfingen sie und zogen sie tiefer in die sichere Wärme, die ihre Welt bedeutete. Dann ging Zelda wieder in der Dunkelheit unter. * Sie musste die gesamte Gerudowüste verschluckt haben. Oder zumindest die Hälfte davon. Das waren Zeldas erste Gedanken, als sie am nächsten Morgen die Augen aufschlug. Nur so konnte die elendige Trockenheit in ihrem Mund erklärt werden. Stöhnend drehte Zelda sich auf die Seite. Die Decke, die sie bis eben noch wärmend eingewickelt hatte, löste sich und ließ ihre gesamte Rückseite schutzlos. Sie brummte unwillig, als kühle Morgenluft auf warme Haut traf, ein Geräusch, das ihr in der Kehle kratze und sie das Gesicht verziehen ließ. Einen Moment lang tat Zelda nichts anderes als einfach dazuliegen und die Nachwirkungen der Nacht zu fühlen, während sie langsam erwachte. Sie konnte spüren, dass die Sonne bereits aufgegangen war. Auf ihren Reisen hatte sie den bisher strengen Rhythmus ihrer Gebete stark gelockert, aber die lange Gewohnheit weckte sie für gewöhnlich dennoch vor dem ersten Tageslicht. Was der erste Hinweis war, dass etwas ganz und gar nicht stimmte. Sie fühlte sich müde. Unendlich müde. Was nach der Nacht die sie durchlebt hatte, wohl kein Wunder war. Ihr Schlaf war nicht erholsam gewesen, sondern hatte sie noch mehr erschöpft. Vielleicht wäre dies der Moment, die Schreckensbilder ihrer Träume in der Helligkeit des Tages zu betrachten. Ihnen das Potenzial der Furcht auszutreiben und ihren Geist reinzuwaschen. Vielleicht hätte gerade heute das Morgengebet und die Meditation gut getan. Aber Zelda hatte keine Kraft dazu. Stattdessen flüchtete sie sich in die Gegenrichtung. Fort von der Nacht und ihren Träumen. Lenkte ihre Gedanken in eine andere Richtung. Irgendeine. Aber auch hier fand Zelda keine Ruhe. Ihr aufgewühlter Geist führte sie zwar fort von der Nacht, aber dafür hin zum kommenden Tag. Der Grund dafür, dass sie hier aufgewacht war. In einem fremden Zimmer in Akkala. Die Quelle der Kraft. Ein Seufzen hob ihre Brust. Wie himmelschreiend sinnlos es doch war, diesen Ort aufzusuchen. Zeldas Mangel an Kraft, das Fehlen, der ihr eigentlich innewohnenden Kraft, war doch der Grund, aus dem sie diese Pilgerfahrt überhaupt unternahm. Die besondere Energie, die die Quelle des Mutes durch wirkte, hatte auf Links Anwesenheit reagiert. Auf die Anwesenheit von Mut. Würde die Din geweihte Quelle auch auf Kraft reagieren, wenn solche in ihren heiligen Wassern auftauchte? War das der Schlüssel zu den Quellen? Zelda spürte, wie sich ihre Stirn runzelte, als sie darüber nachdachte. Wenn die Quelle der Kraft auf jemanden reagieren würde, dann auf Link, nicht auf sie selbst. Welche Kraft konnte sie schon mitbringen? Mut war etwas, das man in sich finden konnte. Etwas, das man zeigte, in dem man seine eigenen Ängste überwand. Und Zelda mochte Mut gezeigt haben, in dem sie sich weigerte aufzugeben, so hoffnungslos sie sich auf häufig fühlte. Aber Kraft? Sie besaß keine Kraft. Genau das war doch das Problem. Zelda bewegte langsam ihren Kopf und schluckte. Dass ihre Kehle sich immer noch wie ausgedörrt anfühlte, half nicht viel, diesem leidigen Tag einen guten Start zu geben. Aber es hatte keinen Zweck. Sie sinnlos es sich auch anfühlte, so wenig ihr Volk auch an sie glaubte, sie musste den Weg weitergehen. Sie musste zur Quelle der Kraft pilgern. Selbst wenn fruchtlos bleiben würde. Wenigstens gab ihr dieser gedankliche Entschluss genug mentale Kraft, um sich für den Tag bereit zu fühlen. Intuitiv begannen ihre Augen den Raum nach etwas zu trinken abzusuchen. Es würde ihr helfen, wenn sie sich weniger fühlte, als sei sie krank. Zelda sah den Stuhl neben dem Bett beinahe sofort. Ein Krug stand darauf und daneben ein Becher. Bereits gefüllt mit klarem Wasser, wie Zelda herausfand, als sie sich mühsam aufrichtete und in die Richtung des Stuhls beugte. Sie trank gierig, während sie Link in Gedanken dankte. Er musste das Wasser bereitgestellt haben, denn am Abend zuvor hatte dieser Stuhl noch nicht hier gestanden. Zelda brauchte ein paar Schlücke, bis es ihr wieder einfiel. Link! Er hatte die Nacht in ihrem Bett verbracht. Er war da gewesen, als sie sich aus einem Albtraum hervor gekämpft hatte. Er hatte sie gehalten, während sie schlief. Bei der Erinnerung ließ sie beinahe den Becher fallen. Es waren keine klaren Bilder. Dazu war sie zu sehr in der Dunkelheit von Nacht und Furcht verloren gewesen. Aber sie wusste noch, wie es sich angefühlt hatte. Die Angst und der abgrundtiefe Horror. Und dann, Sicherheit und Wärme. Geborgenheit. Die Albträume waren verschwunden und bis zum Morgen nicht wieder gekehrt. Link hatte sie mit seiner puren Anwesenheit vertrieben. Doch zu was für einem Preis? Wo war er jetzt? Nicht hier, in diesem Zimmer. Er war verschwunden, bevor Zelda aufgewacht war. Um sie nicht zu beschämen oder weil sie ihn beschämt hatte? Zelda verzog das Gesicht und stellte den Becher wieder neben den Wasserkrug. Nein. Sie würde Link nicht schon wieder Unrecht tun. Sie wusste, dass sie ihn nicht beschämt hatte. Dafür waren seine Gedanken, seine Taten viel zu unschuldig. Geboren aus dem puren Verlangen zu schützen. Das war sein erster Impuls. Sie zu schützen. Und wenn auch vor ihren eigenen Ängsten und Albträumen. Zelda rieb sich über die Stirn und ließ den Kopf hängen, die Decke eine zerknitterte Masse in ihrem Schoß. Ihr Haar fiel links und rechts zu ihren Schultern nach vorne und sie strich es sich mit beiden Händen aus dem Gesicht. Ihre Finger fühlten sich angenehm auf der Kopfhaut an und die subtile Spannung, das sie gepackt hatte, verlor an Stärke. Sie hob das Kinn und wandte dem Morgenlicht, das durch das Fensterglas strömte, das Gesicht zu. Ließ die Haut von den Sonnenstrahlen wärmen. Ein Seufzen hob ihre Brust, während sie hinauf in den Himmel starrte. Auch wenn die einzige Kraft die sie heute mit zur Quelle bringen würde, die drückende und schiebende Kraft der Erwartung war, die in Zelda gesetzt wurde. Sie würde in das Wasser waten und zur Göttin beten. So kraftlos sie auch war, auch wenn sie sich so schwach und körperlich erschöpft fühlte, so vollkommen ohne jede Kraft sie auch vor Din treten würde. Sie würde es tun. Sie hatte es geschworen. Und dann würde Zelda ihre Gebete zur Quelle der Weisheit tragen. Zu Nayru. Wo ihre letzte Hoffnung lag. Ein Geräusch im Nebenzimmer ließ sie aufhorchen. Eine Tür, die geöffnet wurde. Das leise Raunen von Stimmen. Dann das Schließen einer Tür. Dann ein sanftes Klopfen. „Zelda?“ Der Klang ihres Namens wirkte aufrüttelnd. Durchbrach den vorsichtigen Frieden, der sich über das Zimmer gelegt zu haben schien. Hektisch riss Zelda an ihrer Decke, bis sie genug Stoff in den Händen hatte, um sie bis unter den Hals hochzuziehen. „Ja?“ Der Impuls war geradezu lächerlich. Link hatte sie in wesentlich kompromittierenderen Situationen gesehen. Geschwächt vom stundenlangen Stehen in der Quelle. Verschwitzt von der Kletterei auf dem Todesberg. Wütend und traurig. In jeder Phase nach dem Aufstehen. Warum sollte es anders sein, wenn er nun die Tür öffnete und ihre zerzausten Haare und müden Augen sah? Doch irgendwie wäre es anders. Er hatte die Nacht in ihrem Bett verbracht. Und Zelda war dankbar dafür. Für den Halt und die Sicherheit, die er ihr gegeben hatte. Dafür, dass sie zuletzt doch hatte Ruhe finden können. Aber ein anderer Teil in ihr, das junge, verzweifelt verliebte Mädchen, konnte nicht anders als nervös zu sein. Beschämt. Aufgeregt. Ahnungslos wie sie nun mit ihm umgehen sollte. Sollte sie es überhaupt erwähnen? Es einfach ignorieren? Link würde ihr Nervosität ohnehin spüren. Es gab kaum etwas, das seiner Aufmerksamkeit entging. Der Gedanke machte sie nur noch nervöser. Hatte sie Recht damit? Gab es kaum etwas, das seiner Aufmerksamkeit entging? Wusste er es? Wusste er, was sie für ihn empfand? Dass ihr Herz beim Klang seiner Stimme einen Satz machte? Dass sich ihre Brust bei seinem Anblick vor schmerzlicher Zärtlichkeit zusammen zog? Dass sie ihm mehr entgegen brachte, als die reine, über unzählige Leben gewachsene Freundschaft, die tiefe Loyalität, die er empfand? „Wenn du weiterhin den Weg zur Quelle fortsetzen möchtest, wird es langsam Zeit aufzubrechen“, sagte Link durch die Tür. Er klang absolut normal. Seine Stimme ein Musterbeispiel für Neutralität. Nichts zeugte davon, dass in der Nacht irgendetwas Außergewöhnliches vorgefallen war. Er ließ sie nicht einmal spüren, dass ihm der Gedanke so bald zur Quelle aufzubrechen, wo sie sich zweifellos einem weiteren Martyrium unterziehen würde, überhaupt nicht gefiel. Nun, für ihn war auch nichts Außergewöhnliches geschehen. Er hatte seine Pflicht als ihr Leibwächter erfüllt. Es war nicht einmal das erste Mal, dass er sie gehalten hatte, während sie schlief. Zelda biss sich auf die Lippe, als die Bilder vor ihrem inneren Auge erblühten wie belebte Gemälde. Bisher hatte sie es gut geschafft die Geschehnisse an der Quelle des Mutes zu verdrängen. Die körperliche Nähe, die Verzweiflung und die ekstatische Freude, die sie Zelda bereitet hatten. Seine Sorge um sie, die ihn seine Zurückhaltung hatten vergessen lassen. Bei den Göttinnen, sie war praktisch nackt gewesen. In seinen Armen. Mit seinen Händen auf ihrer Haut. Zelda verzog das Gesicht. Hitze durchlief ihren ganzen Körper und sie wurde mit dem überwältigenden Bedürfnis erfüllt, sich zu winden und unter der Decke zu verstecken. Gleichzeitig wollte sie sich das Nachthemd vom Leib reißen und die störende Tür einschlagen, um die Erfahrung zu wiederholen. Nur dieses Mal richtig. Ohne halbe Ohnmacht und Kältestarre. Oh je. Das war nicht gut. „Zelda?“ Sie holte tief Luft, sammelte die aufgewühlte Energie in ihrem Inneren und leitete sie mit dem Ausatmen nach Außen ab. Dann tat sie es noch einmal. Die Wogen ihrer Emotionen glätteten sich. Ein und aus. Als sie das vage Gefühl von Kontrolle verspürte, richtete sie ihren Blick auf die Tür. „Ich brauche nur einen Moment, dann bin ich aufbruchbereit“, antwortete sie, selbst erstaunt davon, wie normal ihre Stimme klang. „Du musst dich nicht beeilen“, sagte Link prompt und brauchte Zelda damit zum Lächeln. „Ich flechte mir nur das Haar.“ Ihr Ritte bewegte sich zu leise, deswegen konnte sie nicht hören, wie er von der Tür fort trat. Doch als sie sich einige Zeit später genug gestählt hatte, um die Schlafkammer zu verlassen, saß Link auf der gegenüberliegenden Seite auf dem Boden, das Bannschwert auf dem Schoß. Er blickte auf, als sie dir Tür öffnete, sein Blick schwer zu lesen. Mittlerweile kannte Zelda ihn gut genug, hatte die verschiedenen Nuancen von Neutralität auf seinem Gesicht zu lange studiert, um nicht zu bemerken, dass er nicht so ruhig war, wie er vorgab. Sie schob es darauf, dass er nicht zur Quelle der Kraft aufbrechen wollte. Zumindest hoffte sie, dass es das war, was ihn zu einer Statue erstarren ließ. Denn mit allem anderen konnte sie nicht umgehen. Sie erreichten die Quelle mit dem schwächer werdenden Licht des Nachmittags. Es war noch recht hell, aber man fühlte den Abend hereinbrechen. Sah es an den immer länger werdenden Schatten und dem weicher werdenden Licht. Auch wenn Zelda zur Quelle der Kraft spirituell nie eine starke Verknüpfung gespürt hatte – dazu war die Legende Dins und die subtilen Seile, die diese an Ganons Geschichte knüpften ihr von je her zu fremd gewesen – so empfand sie die heiligen Wasser rein landschaftlich wunderschön. Der Weg zur Quelle führte durch eine verwunschene Schlucht zu einem malerisch von Pflanzen verhangenen Tunneleingang, der nichts mit der tropfenden Klammheit zu tun hatte, die man in Phirone vorfand. Das Rauschen der zauberhaften sanften Wassergefälle vermischte sich mit dem Hall ihrer und Links Schritte, als sie immer weiter zu dem kleinen Rund vordrangen, das den heiligen Ort verbarg, der Dins Energie beherbergte. Beinahe andächtig trat Zelda aus dem Tunnel heraus in die warme Nachmittagssonne. Das Licht glitzerte auf den schimmernden Strudeln des Wassers, so viel dynamischer und bewegter als der Gegenpart im Dschungel es gewesen war. Seerosen tanzten auf den zarten Wellen, die die Wasseroberfläche kräuselten und pastellartig leuchtende Wasserpflanzen leuchteten durch die kristallklare Oberfläche hindurch ins Tageslicht. Zelda seufzte. Es war ein wunderschöner Ort. Ein friedvoller Ort. Und er erfüllte sie unerwartet mit der Stärke, all die aufwühlenden Sorgen und niederdrückenden Gefühle der letzten Tage ruhen zu lassen. Zumindest vorerst. Mit einer Entschlossenheit die sie vor wenigen Augenblicke noch nicht gefühlt hatte, hob Zelda die Hände und begann ihr Haar zu lösen. Ein Seitenblick auf Link sagte ihr, dass er ebenfalls begonnen hatte, Vorbereitungen für ihren Aufenthalt hier zu treffen. Er hatte ihr Gepäck um Schutz des Tunnels abgelegt und war dabei, einiges an Feuerholz aus den Untiefen seiner vergrößerten Tasche zu ziehen. Seine Bewegungen waren schnell und effizient wie immer, wobei er es dennoch schaffte, ihr ständig kleine Blick zuzuwerfen. Ein kleines Lächeln schlich sich auf Zeldas Gesicht, während sie ihr Gewicht verlagerte, um sich mit der Spitze ihres Stiefels den anderen vom Fuß zu streichen. Immer noch damit beschäftigt, ihr Haar zu lösen, drehte sie sich wieder nach vorne, ihre Augen auf die bekannte Silhouette der Göttinnenstatue gerichtet. Einen Moment später, stand Link neben ihr, die lederne Tasche mit Zeldas Gepäck in der Hand. Der stoische Gesichtsausdruck, mit dem er ihre Sachen nicht entgegen- sondern einfach nur hielt, sagte Zelda mehr, als es Worte jemals gekonnt hätten. Ihre Lippen zuckten und sie hob eine auffordernde Augenbraue, doch ihr Leibwächter blieb still. Zumindest bis Zelda ihm die Tasche aus der Hand nahm und den Rücken zuwandte. Dann hörte sie ihn gepresst ausatmen. Über ihre Schulter hinweg sah sie, dass er den Boden anstarrte. Mit so fest aufeinander gepressten Zahnreihen, dass die Struktur seines Kiefers sich deutlich unter der im späten Tageslicht golden schimmernden Haut abzeichnete. Zelda stockte in ihrer Bewegung. Runzelte die Stirn. Und musste irgendetwas getan haben, das Links Aufmerksamkeit wieder auf sie lenkte, denn er sah auf. Und ließ sie einen kurzen Blick auf die Zerrissenheit in ihm werfen. Für einen kleinen Moment, leuchteten, pulsierten, schrien ihr so viele Emotionen aus den Tiefen seiner Augen entgegen, dass Zelda spürte, wie sie aufhörte zu atmen. Sie sah Zorn. Sie sah Zuneigung. Sie sah schimmernde Empfindungen, für die sie einfach keine Worte hatte. Es war zu viel. Viel zu viel um es zu erkennen und viel zu schnell vorbei, um es zu kategorisieren. Zeldas Augen weiteten sich. Sie konnte zusehen, wie der Vorhang sich wieder über das Fenster zu seiner Seele schob und all die Offenbarungen, die sie nicht hatte greifen können, wieder versteckte. Stück für Stück entspannte sich Links Gesicht in die bekannte stoische, neutrale Maske und der einzige Hinweis darauf, dass dahinter so viel mehr vor sich ging, war die immer noch sichtbare Anspannung in seinem Kiefer. Ihre Blicke waren immer noch ineinander verhakt, ein wenig Herausforderung hatte sich hineingemischt, zumindest von Links Seite aus. Zelda holte tief Luft. Hatte sie es sich eingebildet? Die Zerrissenheit? Ein Schmerz, der dem ihrem gleichzusetzen war? Interpretierte sie zu viel in etwas hinein, das sie nicht richtig sehen, nicht richtig einordnen können? Sie wusste, dass Link tief empfand. Und sie wusste, dass er all diese Empfindungen vor der Welt verborgen hielt, ihr nur einen winzigen Teil von sich Preis gab, wenn überhaupt. Aber was Zelda meinte in seinem Blick gesehen zu haben, war ihr neu. Und sie hasste sich selbst dafür, was genau sie darin sehen wollte. Liebe. Nein. Nein! Ein kurzer mentaler Schüttler war alles, was Zelda brauchte, um sich zurecht zu rufen. Die uralte Verbindung zwischen ihr und Link mochte Liebe beinhalten. Eine pure Liebe, die alles umfassende Kraft die die Welt zusammenhielt. Aber nicht die körperlich eingefärbten Gefühle, die Zeldas Herz schneller schlagen ließen. Es war unfair. Sie musste aufhören, danach zu suchen. Und es war gefährlich. Das hatte sich selbst doch schon oft genug bewiesen. Zelda zwang sich zu einem Lächeln. Sie spürte, dass es ihre Augen nicht ganz erreichte und rechnete nicht damit, Link täuschen zu können. Aber sie hoffte, dass er den genauen Grund nicht erkennen und ihre offensichtliche Irritation und vage Trauer damit in Verbindung bringen würde, dass sie sich an diesem Ort befanden. „Ich verspreche es“, sagte sie in einem Versuch mit dem Schwert des Humors durch die angespannte Luft der Situation zu schneiden, „keine Unterkühlung dieses Mal.“ Links Reaktion blieb verhalten. Erst blieb er vollkommen still, dann nickte er in Richtung der Quelle, bevor er ihr den Rücken zu wandte. Eine direkte Aufforderung, sich für das Ritual umzuziehen. Er antwortete ihr, bevor Zelda eine Gelegenheit hatte, dem nachzukommen. „Wenn du mir dein Wort dafür geben könntest, hätte ich es dir bereits abgenommen.“ Seine Stimme klang neutral, beinahe flach. So leer, dass Zelda die Frustration dahinter nur erkannte, weil sie mit diesem Mechanismus von ihm ein wenig vertraut war. Und vielleicht, weil sie es erahnte. Sie biss sich auf die Unterlippe und drehte sich schließlich wieder um. Er hatte Recht. Der Sinn ihrer spirituellen Übungen war es, sich in Zeit und Raum aufzulösen. Die Grenzen zwischen den körperlichen Banden verschwimmen zu lassen und Kontakt mit den Kräften dazwischen aufzunehmen. Willen und Energie der Göttin zu empfangen. Und bisher hatte Zelda diesen Zustand so häufig erreicht, seit Link zu ihrem Leibwächter ernannt worden war, dass sie heute wieder damit rechnete. Sie bildete sich ein, Links Reaktion und den Grund seiner Frustration nun besser verstehen zu können. Sie waren hier, damit Zelda ihre spirituelle Ausbildung fortführen konnte. Damit sie die Siegelkraft erwecken und damit Hyrule würde retten können. Gemeinsam mit ihm. Um das zu tun, was sie – laut den Erinnerungen, die das Schwert ihm zeigte – bereits seit so vielen Leben taten. Aber dieses Training brachte Link in die prekäre Lage, seinem geschworenen Schützling dabei zu sehen zu müssen, wie er körperlich, mental und seelisch an seine Grenzen ging. Ohne Hoffnung auf Erfolg. Immer und immer wieder. Und Link war es nicht gewöhnt, für ein Problem keine Lösung zu haben. Er war in dieser Situation ebenso sehr gefangen wie Zelda es war. Aufhören würde es erst, wenn sie die Siegelkräfte erwecken würde. Wie frustrierend musste es für ihn sein? Wenn sie schon für sich selbst und wegen ihres eigenen Gewissens ihrer Aufgabe nicht den Rücken kehren konnte, war es noch unmöglicher, es seinetwegen zu tun. Außerdem wusste sie, dass Link nicht wollen würde, dass Zelda ihn auch noch zu der Last hinzufügte, die bereits auf ihren Schultern lastete. Also schloss sie Frieden mit dem Gedanken, ihn aus dieser zwiespältigen Situation nicht befreien zu können. Link war ihre Hoffnung, jemand, der wirklich daran glaubte, dass sie tun konnte, was zu tun ihr Schicksal war. Und Zelda wollte nicht, dass sie sich noch schuldiger fühlte, wenn sie ihn ansah, als sie es ohnehin schon tat. Nicht deswegen. Es war ihre Pflicht alles daran zu setzen, zumindest zu versuchen, ihre heilige Aufgabe zu erfüllen. Und so weh es ihr auch tat, Link würde mit diesem Problem fertig werden müssen. Mehr oder weniger entschlossen begann Zelda ihre Kleidung abzulegen. Schlüpfte in das weiße Kleid und schloss das Gewand mit dem Triforce Insignia unterhalb ihrer Brust. Sie machte sich nicht die Mühe ihre Sache zu falten, sondern hob den ganzen Haufen einfach auf, bevor sie sich wieder zu Link umdrehte. Wie erwartet hatte er ihr immer noch den Rücken zugewandt. Mittlerweile berührte es Zelda nicht mehr wie am Anfang, wenn sie sich umzog, während er so nah bei ihr stand. Sie wusste schlichtweg, dass er sich nicht umdrehen würde. Es sei denn, es würde Gefahr drohen. Und eine solche hätte er schon viel früher wahrgenommen, sie gewarnt, oder Zelda gar nicht erst das Kommando zum Umziehen gegeben. Obwohl er hören musste, dass sie fertig damit war, sich auf das Ritual vorzubereiten, blieb er wo er war. Den Rücken zur Quelle gewandt, den Blick auf den Tunnel gerichtet. Wahrscheinlich rechnete er eher mit einem potentiellen Angriff von dieser Seite. Obwohl der Zugang zur Quelle gut versteckt im Geheimen lag und die Wasser über die besser zugängliche Öffnung mitten in der Ebene von Nord Akkala in die runde Vertiefung flossen. Aber sie vertraute Link. Wahrscheinlich wollte er ihr ohnehin nur das Gefühl von Ungestörtheit vermitteln und hatte die Umgebung über seine anderen Sinne gut genug ausgelotet. Nachdem Zelda ihre Kleidung auf einem Haufen neben dem bereits aufgerichteten, aber noch nicht entzündeten Lagerfeuer hatte fallen lassen, trat sie auf die sanft gewellte Wasseroberfläche zu, die nun halb im Schatten da lag. „Danke, dass du mit mir hier bist, Link“, murmelte sie, bevor sie vorsichtig einen Fuß voran setzte. Das Wasser war warm, erstaunlicherweise. Nicht kühl wie in Phirone. Ob durch die geografische Nähe zu einem Feuer spuckenden Berg oder die Anwesenheit des Geistes von Din, wusste Zelda nicht. Aber sie war froh darum. Es hieß, dass sie nicht wieder aus einem katatonischen Zustand gerettet werden müsste, sollte sie in Trance verfallen. Wenn es auch Fortschritt für ihre spirituelle Ausbildung bedeutete, so war Zelda doch nicht wirklich scharf darauf. Außerdem war das eine Sorge weniger für Link. Link, der auf ihre leise Dankesbekundung nur mit einem kaum wahrnehmbaren Geräusch reagierte, das seine Füße verursachten, als sie sich auf dem uralten Steinboden bewegten. Jedoch antwortete er nicht. Aber Zelda schob es eher auf seine Rücksichtnahme die rituelle Reinigung betreffend, als darauf, dass ihm die Worte fehlten. Außer der Erleichterung über die angenehme Temperatur des Wassers, spürte Zelda rein gar nichts, als sie die Quelle betrat. Sie hatte auch nicht wirklich damit gerechnet. Dennoch war die Gewissheit erdrückend. Passend zu der sofortigen Schwere ihres Gewandes, als das Wasser in die zarten Fasern des Stoffes gesaugt wurde, türmte sich das Verstehen, dass ihr Besuch hier tatsächlich reine Zeitverschwendung war auf ihren Schultern. Keine Zeitverschwendung flüsterte eine Stimme in ihrem Kopf, nur ergebnislos. Wie konnte sich Zeit verschwendet anfühlen, die Zelda in Links Anwesenheit verbrachte? Sie atmete tief durch. Fühlte die restliche Wärme der langsam am Horizont sinkenden Sonne auf ihrem Haar, den feinen Sprühnebel der fallenden Wasser. Es war ein schöner Ort, ohne Zweifel. Wärme und Feuer durchzog die Luft hier, anders als an der Quelle des Mutes, wo die Umgebung geprickelt hatte, wie von einer unsichtbaren Spannung getragen. Zelda versuchte sich fallen zu lassen. Eins zu werden mit dem Wasser, das sie mit beiden Händen über ihren Schopf und ihre Stirn laufen ließ. Mit der Luft und der verbliebenen Anwesenheit Dins. Doch es funktionierte nicht. Immer wieder fand Zelda sich von der Schönheit des Ortes abgelenkt. Verführt. Es fiel ihr schwer die Augen geschlossen zu halten. Die Geräusche auszublenden. Die Zeit blieb nicht stehen und zog an ihr vorbei, wie sonst, wenn sie tief in ihren Gebeten versank. Etwas hielt sie davon ab, wirklich anzukommen. Sich zu öffnen. Sich zu verlieren. Din, es gibt nichts, das ich dir anbieten kann. Zelda runzelte die Stirn. Das waren nicht die Worte, die sie vorbereitet hatte. Nichts womit ich mich empfehlen könnte. Dir zu eigen ist die Kraft und das Feuer. Die Macht das Triforce der Kraft zu schaffen. Und die einzige Kraft, die ich in mir trage, ist die, hier herzukommen, auch wenn ich weiß, dass es mir nicht helfen wird. Bei diesem Gedanken, der sich so plötzlich und ungeplant in ihr Gebet platzte, schien etwas in Zeldas Kopf mit einem lauten Klicken zuzuschnappen. Langsam hob sie das Kinn. Als sie die Augen öffnete, war das erste, das Zelda sah, ihre gefalteten Hände. Dann die Dunkelheit. Es war Abend geworden und sie hatte dieses Mal jeden Moment gespürt, in dem die Sonne ihr Licht weiter von der Welt zurückgezogen hatte. Frustration bäumte sich in ihr auf, ein ohnmächtiges Gefühl zu gleichen Hälften Wut und Trauer, eines, das sie versuchte zu unterdrücken, seit sie vor zwei Tagen aufgebrochen waren. Seit ihr Vater sie in die Knie gezwungen hatte. Ohne ihr bewusstes Zutun begann Zelda zu sprechen. „Die Prinzessin ist auserwählt“, sagte sie tonlos. „Sie besitzt die Kraft die Verheerung Ganon zu versiegeln“, wiederholte sie die Worte, die sie schon ihr ganzes Leben begleiteten. Ihr Mantra. Ihr Credo. „Es ist eine heilige Kraft, die durch Gebete erweckt wird. Das wurde mir immer wieder gesagt.“ Ihr Blick glitt an der Statue empor. Majestätisch inmitten dieser wunderschönen Quelle, der volle Mond wie eine Lampe der sie leuchten zu lassen schien. So groß. So starr. So anonym. Und doch berührte der Anblick etwas in Zelda, das mit ihrer Aufgabe hier nichts zu tun hatte. Eine Vertrautheit. Ein Gefühl von Mütterlichkeit. Aber vielleicht bildete sie sich das auch nur ein, weil die Göttin und ihre Mutter unaufhaltsam miteinander verwoben waren. Es immer sein würden. Ihre Pflicht, ihre heilige Aufgabe. Zelda seufzte. „Und trotzdem ...“ Es hatte ihr immer gut getan, ihre Ängste vor Link auszusprechen. Ihre Zweifel zu vokalisieren, selbst wenn es nur wenige Worte gewesen waren, verglichen zu dem, was permanent in Zeldas Innerem schwelte. Erhoffte sie sich dieselbe Erleichterung, wenn sie nun hier, an einem Ort göttlicher Heiligkeit, vor Hylia, das Gleiche tat? War das der unterbewusste Wunsch, der sie zu dieser Offenbarung trieb? Warum fühlt es sich richtig an, jetzt zu sprechen? Was wollte sie? Absolution? Verständnis? Oder waren die Speicher in ihrem Inneren letztendlich aufgebraucht und Zelda würde nur weiter machen können, wenn sie die Worte befreite, die sie sich sonst kaum getraute, stumm für sich allein zu denken? „Meine Mutter, sie … sie konnte diese Macht spüren. Meine Großmutter konnte sie hören … Die Stimmen der Geister.“ Zelda schloss die Augen und wandte den Blick ab. „Ich hingegen spüre und höre nichts.“ Es sollte sie vielleicht erstaunen, dass dieser hoffnungslose, zerschmetternde Satz den Weg auf ihre Lippen fand, wo Zelda doch auf dem Weg gewesen war, sich selbst und der Zukunft mehr Vertrauen zu schenken. Diese absolute Formulierung zeigte nur, wie sie sich ganz ehrlich, ganz tief auf den Grund ihrer Seele fühlte. Verlassen. Und es tat gut es auszusprechen. Es offen anzuklagen. Sie sah nach oben. Hinauf zu dem Gesichtslosen Abbild der Kraft, deren irdischer Ausdruck sie angeblich sein sollte. „Vater hat mir oft vorgeworfen, dass es meine Schuld ist. Weil ich zu viel Zeit mit Forschen verbringe. Aber...“, sie brach ab, versuchte zurückzuhalten, was sich in ihr aufbäumte und drohte empor zu brodeln. All die Enttäuschung. Die Angst. Die Wut. Sie versuchte die Hände zu falten, Trost und Erdung in der bekannten Haltung zu finden. Doch es nützte nichts. Mit einem innerlichen Aufschluchzen ließ Zelda die Hände fallen. Das Geräusch das sie verursachten, als sie auf dem Wasser aufschlugen, war befriedigend und erschreckend zugleich. „Seit ich denken kann, verbringe ich jeden Tag Stunden mit Gebeten. Ich besuche heilige Orte wie diesen hier, einen nach dem anderen. Und doch hat sich die heilige Kraft nie in mir gezeigt.“ Es waren Worte, die harmlos schienen, aber es bedeutete viel, dass Zelda sie an diesem Ort aussprach. Ihrer Verzweiflung, dem Gefühl des Verlassenseins hier Ausdruck zu verleihen, vor der riesenhaften Statue der Göttin, an einem der heiligsten Orte Hyrules. Es war ein Zeichen dafür, wie weit Zeldas Verzweiflung fortgeschritten war. Die Erkenntnis machte sie unendlich müde. Wie ironisch das Ganze doch war. Hier stand sie, in der Quelle der Kraft und hatte einfach keine Kraft mehr. In einem Versuch sich Trost zu verleihen, schlang Zelda die Arme um ihren Oberkörper. Ihr Kopf sank nach unten und feuchte Haarsträhnen kitzelten die klamme Haut ihrer Ellenbogen. „Bitte sag mir“, flehte Zelda. „Was ist es, das mir fehlt“, hauchte sie, ihre Stimme so leise und bedrückt, dass das Schluchzen, das sich ihrer Kehle entreißen wollte, kein Gehör fand. Link war beinahe sofort an ihrer Seite. Zelda zuckte zusammen, als er sich berührte. Sie sah auf, während er ihre Arme sanft aus dem Klammergriff löste, den sie um ihren Oberkörper hatte. Zelda hatte ihn nicht kommen hören. Ein kleines Wunder, wo doch Wasser und geräuschlos nicht zu vereinen war. „Warum, bei der Verheerung, bist du nicht eiskalt?!“ Verwirrt von der Frage und Link angespanntem Gesicht vergaß Zelda für einen Moment, wie fürchterlich sie sich abgesehen von ihrem Temperaturempfinden fühlte. „Das Wasser ist warm“, entgegnete sie zögerlich, verwirrt und verlangsamt, unter anderem auch davon, dass er offensichtlich fror. Er zitterte, weswegen sie sich nicht sträubte, als Link sie bei den Händen aus dem Wasser zog. Zelda warf einen letzten Blick auf die sprühenden Wasserfälle, dann nahm sie die Decke entgegen die Link ihr reichte. Er sah sie auffordernd an und drehte ihr dann den Rücken zu. Als Zelda kurze Zeit später in trockener Kleidung an das Feuer trat, hatte Link immer noch nicht aufgehört zu zittern. Er schien seine Hände an einer Schüssel mit dem Eintopf zu wärmen, der in dem Topf über den Flammen köchelte. Zelda machte Anstalten, ihm die Decke um die Schultern zu legen, doch ein Blick von ihm stoppte sie. Schweigend nahm sie die Schüssel entgegen, die er ihr reichte. Der Duft, der daraus empor stieg, war himmlisch und für einen Moment war Zelda froh, geistig bewusst genug zu sein, um die Mahlzeit genießen zu können. Bevor sie einen ersten Bissen zum Mund führen konnte, lenkte Link sie allerdings ab. „Gar nichts fehlt dich“, sagte er und überraschte sie damit. Sein Blick war dunkel im Widerschein des Feuers und Zelda durchfuhr eine Gänsehaut, die rein gar nichts mit Nässe und Kälte zu tun hatte. „Und es ist nichts falsch an dir.“ Er nickte in Richtung der Quelle. „Ist der Fakt, dass das Wasser sich für dich warm angefühlt hat, nicht Beweis genug? Mir war innerhalb kurzer Zeit so kalt, dass mein ganzer Körper taub wurde.“ Er war so aufgewühlt, dass er die Schüssel mit Eintopf neben sich auf den Boden stellte. „Zelda“, raunte er und fixierte sie mit durchdringendem Blick. „Die Quelle hat mir jede Wärme ausgesaugt. Bei dir konnte sie das nicht.“ Seine Worte ergaben keinen Sinn, nicht wirklich zumindest. „Aber“, begann sie und stellte ihre Schüssel ebenfalls bei Seite ohne gekostet zu haben, „wieso fühle ich mich dann nicht anders? Warum ist die Siegelkraft in mir nicht erwacht?“ Link betrachtete sie für einen Moment schweigend. „Spielt das denn wirklich eine Rolle?“ Ein Ausdruck purer Fassungslosigkeit entfuhr ihr. Ob es eine Rolle spielte? Es war das einzige, was eine Rolle spielte. „Natürlich!“, keuchte sie. „Es ist der einzige Grund, aus dem ich hier bin.“ Seine Miene wurde zweifelnd. „Dann liegt dort vielleicht das Problem.“ Zelda starrte ihn an. Verstand nicht. Er betrachtete sie einen Moment stumm. Als deutlich wurde, dass sie ihn weiterhin nicht verstand, holte er tief Luft. „Dein Streben nach den Siegelkräften ist zu einem einzigen Zwang geworden. Du hastest deinem Geburtsrecht hinterher, ohne wirklich fühlen zu können, warum du es haben willst.“ Zeldas Augenbrauen schossen in die Höhe. Wie konnte er behaupten, dass sie nicht fühlen konnte, warum sie die Siegelkräfte erwecken wollte. Sie musste es tun. Es war ihr Schicksal. Ihre Pflicht. Hyrule war darauf angewiesen. Link schien ihre Reaktion vorherzusehen, denn er stieß einen ungeduldigen Laut aus und setzte sich aufrechter hin. „Du willst es für deinen Vater. Dein Volk. Hyrule.“ Seine Stimme wurde rau, während sie eine Oktave nach unten zu sinken schien. „Das sind alles gute Gründe, Zelda. Aber-“ er stockte und seine Miene wurde fest, während ein harter Zug um seine Augen entstand, „aber sie sind dir alle von Außen auferlegt worden.“ Er schüttelte ruckartig den Kopf. „Verstehst du, was ich sage?“ Anscheinend wollte er keine Antwort, denn er sprach augenblicklich weiter. „Du bist nicht hier, um dich auf diesen Ort einzulassen, auf die Energie, die hier fließt. Du bist hier, weil es dir auferlegt wurde. Weil du dich gezwungen fühlst. Von deinem Schicksal. Und von dir selbst.“ Während Zelda ihn einfach nur anstarrte und versuchte seine Worte zu verstehen, betrachtete er sie mit einem abwartenden Ausdruck auf seinem Gesicht. Das sporadische Knacken des Feuerholzes hallte im langen Tunnelraum unnatürlich laut und durchbrach die Starre, die sie überkommen hatte. Zelda wusste nicht, ob sie einfach nur verwirrt oder wütend sein sollte. Hinzukam, dass sich langsam ein vages Gefühl von Verstehen einstellte, ohne wirklich Sinn zu ergeben. Als hätte sie auf diese Worte gewartet, ohne es zu wissen. Als würde sie dadurch an etwas erinnert werden, das sie vergessen hatte. Etwas, das wichtig war. Bevor sie antworten konnte, unterbrach Link sie mitten im Luftholen. „In deinem Streben nach dem Ziel, bist du blind für den Weg geworden.“ Zelda blinzelte. Der Weg? Was spielte der Weg schon für eine Rolle? Link seufzte und wandte kurz den Blick ab. Eine ungeduldige Geste, die sie von ihm nicht kannte. Doch etwas in seinem Gesicht war weich geworden, sodass Zeldas Reaktion weniger scharf und verletzt ausfiel. „Es gibt viele Arten von Kraft, Zelda“, begann er erneut und nahm ihr damit die Gelegenheit etwas zu sagen. So wirklich wusste Zelda auch nicht, was sie hätte antworten sollen. Dennoch war es ihr, als ob ihr Worte auf der Zunge lagen, die sich formen würden, wenn sie nur den Mund öffnen und sie herauslassen würde. „Und deine ist gewaltig“, fuhr Link fort, mit derselben Nachdrücklichkeit in der Stimme, die sie nun schon ein paar Mal von ihm gehört hatte. Die Nachdrücklichkeit, mit der er immer zu ihr durchdrang, egal wie verwickelt Zelda in ihren eigenen Gedanken und emotionalen Verstrickungen auch sein mochte. „Du gehst einen steinigen Weg, voller Zweifel und Ängste, im Glauben nie am Ziel anzukommen. Und du gehst ihn trotzdem.“ Er war lauter geworden. Beugte sich ihr entgegen. Das vertraute Blau seiner Augen beinahe völlig vom Dunkel seiner geweiteten Pupillen verdrängt. „Bei Farore, Zelda. Ich bekomme eine Gänsehaut davon, wie stark du bist!“ Erneut konnte Zelda nicht anders reagieren, als ihn stumm anzublinzeln. Mehr war auch nicht notwendig, denn Link sprach einfach weiter. „Dich zu sehen, wie du den Druck erträgst, lehrt mich wahre Demut.“ Wieder schüttelte er den Kopf. Fahrig, so vollkommen entgegen seiner Art, bewegte er die Hände in ihre Richtung. „Deine Entschlossenheit und dein Pflichtgefühl machen dich stark. Und das, obwohl du dich für schwach hältst. Dein ganzes Leben schon.“ Er hatte sich aufgerichtet, aus der Hocke auf die Knie und lehnte sich noch weiter nach vorne, ihr entgegen. So nah heran, dass sie sich beinahe berührten. „Und dein Weg hat dich noch stärker gemacht.“ Er unterbrach sich für einen Moment, um ihren Blick zu suchen. Erst als er sich sicher war, dass Zelda ihn erwiderte, ihn bewusst wahrnahm und ihm wirklich zu hörte, fuhr Link fort. „Meine Loyalität und Freundschaft war immer etwas, derer du dir sicher sein konntest. Sie gehörten dir, seit wir das erste Mal gemeinsam gegen Ganon gekämpft haben. Aber Zelda-“ er brach ab und tat etwas, das er noch nie zuvor getan hatte: er streckte die Hand aus und berührte ihre Wange. Strich mit den Fingerspitzen an der Linie ihres Kiefers hinauf bis er ihr rechtes Ohr berührte, schmiegte seine unbehandschuhte Handfläche an ihr Gesicht. Zelda konnte das Zittern, das sie durchfuhr, nicht unterdrücken. So sehr sie sich auch angespannt hatte, seit Link sie mit diesem unbegreiflichen Bekenntnis überfahren hatte, ihre körperliche Reaktion ließ sich von ihrer mentalen Aufregung nicht irritieren. „In diesem Leben“, flüsterte er, „gehe ich in die Knie vor dir.“ Kapitel 18: Kapitel 17 ---------------------- In diesem Leben gehe ich in die Knie vor dir.   Links Worte hallten in Zeldas Kopf wider. Wiederholten und überlagerten sich, füllten die Lücken und Ecken ihres Bewusstseins und umhüllten sie wie eine warme, weiche Decke. Trugen sie empor, höher und höher, in Wirbeln und Spiralen, bis ihr ganz schwindelig wurde. Bis sie wieder sanft und langsam zurück in die Wirklichkeit fand. Zurück auf den Balkon ihres Turmgemachs, wo Zelda an die kühle Mauer gelehnt stand und träumerisch in die Ferne starrte. Sie sah weder die wandernden Kissen flauschiger Wolken, die träge über den Horizont zogen, noch die strahlende Schönheit der weiten Ebene Hyrules. Stattdessen sah Zelda Feuer- und Mondschein. Flimmernde Lichter auf rauschendem, klaren Wasser. Und Links Gesicht. So nah vor sich, dass sie selbst in Gedanken nur eine Hand ausstrecken müsste, um ihn berühren zu können. Unauslöschlich eingeprägt in ihre Erinnerungen. Ebenso wie seine Worte. Wieder hatte Link es geschafft, Zeldas Universum mit wenigen Sätzen ins Wanken zu bringen. Ihre Denkweise zu verändern und von neuem Hoffnung schöpfen zu lassen. Wenngleich sie sich davor fürchtete, die Realität aus den Augen und sich in Wunschträumen verlieren, so tat es dennoch gut. Zelda seufzte und löste sich von dem steinernen Halt, den das Gemäuer des Turms ihr bisher geboten hatte und wandte der Natur den Rücken zu. Sie sah ohnehin nichts von der Aussicht. Heute, zwei Tage nach ihrer Rückkehr von der Quelle, grenzte es für Zelda an ein kleines Wunder, dass sie im Schloss angekommen war. Sie konnte sich kaum an den Weg erinnern, den sie genommen hatten. Nicht daran, wie sie gelaufen war und schon gar nicht, wie sie ihre Füße dafür benutzt hatte. Aber Zelda wusste, dass sie es geschaffte hatte, ein wenig Würde zu waren, trotz der Aufruhr in ihrem Inneren. Wenigstens hatte sie nicht die ganze Zeit über gegrinst wie ein dämlicher Idiot. In Anbetracht des immer noch drohenden Unheils, wäre das auf unwürdigste Weise unpassend gewesen. Nicht zu vergessen beschämend. Und äußerst verdächtig. Aber sie hatten geredet. Link und sie. Beinahe ohne Unterlass. Es war wundervoll gewesen. Und die Erinnerung daran, ließ Zelda dafür jetzt grinsen, wie einen dämlichen Idioten. Wie einen verliebten, dämlichen Idioten. Ein Idiot, der einfach nicht anders konnte. Für einen Moment ließ sie ihren Blick durch ihr geräumiges Turmgemach schweifen, bevor sie sich erneut in dem roten Nebel verlor, der ihren Kopf zu umhüllen schien, seit sie in Akkala aufgebrochen waren. Es hätte kein solcher Schock für sie sein sollen, aber auf dem Rückweg hatte sie so viel darüber gelernt, was Link über die vielen nützlichen Eigenschaften der Flora und Fauna Hyrules wusste. Sie hatte an seinen Lippen gehangen, während er auf ihrem Weg auf dieses und jenes Insekt deutete und die Möglichkeiten aufzählte, daraus Elixiere zu brauen. Sein Erfahrungsschatz diesbezüglich war gewaltig, etwas, das er sich auf seinen Reisen angeeignet hatte. Nie wieder würde Zelda mit dem Hilfskoch über eventuelle Nebenwirkungen oder die genaue Dosierung grübeln müssen. Link war ein wandelndes Nachschlagewerk, wenn es um widerliche Medizintränke ging. Zelda hatte sich so häufig vor Lachen und fasziniertem Ekel schütteln müssen, dass ihr manchmal schier die Luft zum Weitergehen gefehlt hatte. Im Austausch hatten Links Augen vor Interesse geglänzt, wenn sie ihm über die färbenden Substanzen in vielen von Hyrules Pflanzen und Gesteinen erzählt hatte. Anscheinend hatte er auf seinen früheren Reisen vor allem mit natürlichen Materialien und Flussschlamm experimentiert, um mit der Umgebung verschmelzen zu können. Eingefärbte Kleidung war dem gegenüber nicht nur angenehmer zu tragen, sondern einfach viel praktischer. Was zu einem überaus interessanten Vortrag über die verschiedenen Fellfarben der in Hyrule auftauchenden Monster geführt hatte und wie man daran aus der Ferne ungefähr deren Alter und vor allem auch Kraft und Stärke ablesen konnte. Es juckte Zelda selbst jetzt, das von Link gesammelte Wissen zu Papier zu bringen. Wie sehr sie sich selbst in diesen Dingen ergänzten, beflügelte sie. Und gleichzeitig schmerzte es, wie gut sie zusammen waren. So profan und banal es auch klang. Eine kleine Regenwolke schob sie vor ihre kindische Euphorie, als sich Zelda erinnerte, dass die Zeiten des Forschens für sie vorbei waren. Zumindest bis sie es geschafft hatte, die Kraft der Versieglung in sich zu erwecken. Dahin flog der Impuls Links Wissen über Elixiere in einem tatsächlichen Nachschlagewerk zu sammeln. Zelda biss sich auf die Lippe und zwang sich, ihre fliegenden Gedanken einzufangen. Zurückzukehren in ihr Gemach, auf den kalten Steinboden, auf dem sie stand. Zurück zu den drückenden Gedanken, denen sie in den letzten Tagen so gut hatte entfliehen können. Jetzt packte sie deswegen eine Woge des schlechten Gewissens. Sie stählte sich gegen die Kraft, mit der sie heranrollte. Es würde nichts bringen, sich davon unterspülen zu lassen. Zelda hatte ihren Vater seit dem Vorfall vor ihrem Labor nicht gesehen. Er hatte sie nicht zu sich beordert, nachdem Link und sie vorgestern zum Schloss zurückgekehrt waren. Er hatte ihr nicht mal Wort geschickt, ob er zum Anlass ihres siebzehnten Geburtstags, der in zwei Tagen stattfinden würde, besonderes Verhalten von ihr verlangte. Entweder er wollte die Luft zwischen ihnen abkühlen lassen oder er strafte Zelda mit Schweigen. Da ihr Vater eigentlich kein grausamer Mann war, vermutete Zelda, dass die Auseinandersetzung ihm ebenfalls nahe ging. In ihrem Herzen konnte sie dennoch keine Sanftheit für ihn finden. Noch nicht. Sie war zu verletzt und enttäuscht davon, dass ihr eigener Vater sie so wenig zu kennen schien. Und ihr Vorsatz und Nachsichtigkeit vorwarf, wo es doch gerade für ihn deutlich sein müsste, wie sehr sie sich bemühte. Link hatte Recht. Seit dem Tod ihrer Mutter, war die Erweckung die Siegelkräfte ein ständig drohendes Schwert gewesen, das über Zeldas Leben hing und der Beziehung zu ihrem Vater und ihrem Volk immer tiefere Wunden zufügte. Dabei hatte Zelda verlernt, Leichtigkeit zu empfinden. Sie hatte verlernt, zu leben. Link hatte ihr das gezeigt. Er hatte ihr das Gefühl gegeben, dass es etwas gab, das außerhalb des eng gezogenen Kreises aus Pflicht und Angst und Versagen gab. Es konnte kein Zufall sein, dass Zelda im Umgang mit den mythischen Kräften Hyrules seitdem so große Fortschritte gemacht. Wie ihr Weg wohl ausgesehen hätte, wenn Link früher in ihr Leben getreten wäre? Vielleicht wären ihre Kräfte längst erwacht. Ganz natürlich und ohne Druck. Zelda seufzte. Es hatte keinen Zweck darüber nachzudenken, was gewesen wäre, wenn die Umstände anders gewesen wären. Es zählte nur, dass sie eine Pflicht zu erfüllen hatte. Und auch wenn die Dinge nicht gut standen, so war es doch nicht hoffnungslos. In zwei Tagen wäre sie siebzehn Jahre alt. Ein Geburtstag, den sie sei Jahren gleichzeitig herbeisehnte und so gut es ging verdrängte. In zwei Tagen wäre es ihr erlaubt, die Quelle der Weisheit zu besuchen. Ein letzter Hoffnungsschimmer. Nayru war die Göttin, der die Prinzessin auf ewig am meisten verbunden sein würde. Vielleicht würde Nayrus Kraft etwas in Zelda erwecken. Sie hatte beinahe Angst, zu sehr daran zu glauben. Aber sie bildete sich ein, zu spüren, dass an der Quelle der Weisheit etwas geschehen würde. Wenngleich sie auch wusste, dass das nicht der klassische Weg war, um die Siegelkräfte zu erwecken. Ihre Mutter hatte ihr auf dem Sterbebett gesagt, dass es nicht mehr lange dauern würde. Dass Zelda Kräfte bald erwacht wären. Zehn Jahre nach diesen Worten ihrer Mutter, waren Zeldas Kräfte allerdings immer noch nicht erwacht. Zehn Jahre. Ihre Mutter hatte also viel eher damit gerechnet. Obwohl ein Kind nicht auf der Ranellspitze erlaubt war. Die Quelle der Weisheit war also nicht der Schlüssel. Nicht wirklich. Aber vielleicht … Das leise Geräusch einer Tür die geschlossen wurde, holte Zelda aus ihren Gedanken. Sie runzelte die Stirn. Das Scharren hatte so geklungen, als würde es von oben kommen. Die Tür die von der Wehrmauer in das oberster Geschoss ihrer Gemächer führte. „Prinzessin!“ Ihr Herz machte einen Sprung und begann dann nervös in ihrer Brust zu flattern. Natürlich. Link. Sonst gab es niemanden, der auf der Mauer zu ihrem Labor herumspazierte. Oder auf den Dächern der beiden Türme. Zelda lächelte. Sie winkelte ihren Blick in Richtung der Treppe. Link kam selten in diesen Raum. Meist hielt er sich außen auf, auf der Mauer, auf den Dächern, in diversen Orten dazwischen. Manchmal auf dem Boden um ihre Türme herum. Aber erst wenige Male hier. Wo ihr Bett stand. Zelda konnte den schnellen Seitenblick zu dem großen Himmelbett nicht verhindern. Ebenso wenig die Gedanken, die ihr in den Kopf schossen. Oder die verfluchte Röte, die ihren Hals hinauf kroch und die sie wirklich nicht gebrauchen konnte. Link hatte sie einmal überrascht, als sie auf genau diesem Bett gelegen hatte und darüber las, was genau man auf einem Bett alles tun konnte. Noch mehr Hitze stieg Zelda ins Gesicht und etwas, das sich wie Panik anfühlte, kletterte ihr in die Brust. Dieses verfluchte Buch würde noch einmal ihr Ende sein. Dann war Link da. Kam langsam die Treppe hinunter. Etwas, das sie ihn noch nie hatte tun sehen. Für gewöhnlich kletterte er. Und Zelda war sich ziemlich sicher, dass er das letzte Mal, als er hier gewesen war, durch das Fenster herein gekommen war. Für einen Moment hörte Zelda einfach auf zu atmen. Auf halbem Weg fror ihre Brust einfach ein. Im Augenblick des Luftholens schien sich der Raum über ihrem Herzen einfach zu weiten. Wuchs an zu einer Größe, mit der ihr Körper einfach nicht mithalten konnte und gezwungen war, einfach zu stoppen und zu zu sehen. Wie gleichzeitig alles heller und dunkler wurde. Zeldas Welt erstrahlte und gleichzeitig schrumpfte sie. Wurde kleiner und kleiner, bis ihre gesamte Aufmerksamkeit auf diese eine Gestalt konzentriert war, die soeben die letzten Treppenstufen hinabstieg. Er. Link. „Prinzessin“, grüßte er erneut. Dieses Mal keine Ankündigung, sondern eine Begrüßung. Er neigte den Kopf ein klein wenig zur Seite, ernst und ruhig, so wie Zelda ihn kannte. Doch nun kannte sie ihn zu gut, um das kleine Funkeln in seinen Augen nicht zu bemerken. Die Gelöstheit in seiner Haltung. Die fehlende Anspannung in seinem Kiefer. Mit einem Zittern von dem Zelda hoffte, das sie es gut genug unterdrücken konnte, atmete sie die aufgestaute Luft aus, die ihr auf die Brust drückte. Und danach so schnell wieder ein, dass ihr kurz schwindlig wurde. „Link.“ Mit einem schnellen Lächeln versuchte sie ihre Unsicherheit zu überspielen. Hoffentlich fasste er es als Begrüßung auf. Und Freude an seinem Besuch. Was sie dazu brachte: „Was-“ Sie hatte fragen wollen, was er hier tat. Mitten am Tag, in ihren Gemächern. Wo es doch sonst eine unausgesprochene Regel war, dass er nicht hier her kam. In Gedanken korrigierte sie sich. Dass er kaum hier her kam. Im selben Moment jedoch begann Link zu sprechen und prompt stoppte Zelda. Ihre Blicke trafen sich für einen kurzen Moment, dann zuckten Links Lippen und er sah zu Boden. Zelda schluckte und unterdrückte den Impuls, sich nervös über ihr Haar zu streichen. War aus ihr wirklich eines dieser närrischen jungen Dinger geworden, dass in Anwesenheit eines jungen Mannes zu nichts weiter zu gebrauchen waren, als dämlich zu kichern und rot anzulaufen? Wieder musste sie sich korrigieren: Link. Nicht irgendein junger Mann. Sondern Link. Nun, es sollte keinen Unterschied machen. Sie war nicht nur eine Prinzessin. Sie war Zelda. Die Prinzessin Hyrules. Und Link hatte Besseres verdient. Link, der diesen Moment wählte, um wieder aufzublicken. Mit sanfter Belustigung im Gesicht, die ihm etwas Schelmisches verliehen und Zeldas Herz erneut zum Flattern brachten. Sie unterdrückte den Impuls sich Luft zu zu fächeln. Er bedeutete ihr mit einem minimalen, aber äußerst verständlichem Zusammenspiel von Hand und Augenbraue, zu sprechen. Zelda antwortete mit einem Lächeln. „Bitte, sprich. Ich hatte wirklich nichts Wichtiges zu sagen.“ Link betrachtete sie einen Moment schweigend. Abwartend. Als schien er zu scharf nachzudenken. Oder etwas aus ihr herauslesen wollen. Dann zuckten Links Mundwinkel und die seltsame Spannung, die sich unbemerkt aufgebaut hatte, brach in sich zusammen wie ein Spielkartenhaus. „Was haltet Ihr von einem Ausritt?“ Zelda blinzelte. Nicht zuletzt, weil er zu der höflicheren, distanzierten Anrede gewechselt war. Aber auch, weil sie das äußerst starke Gefühle hatte, dass er eigentlich etwas anderes hatte sagen wollen. Ihr Brauen zogen sich zusammen und sie setzte zu sprechen an. Aber im letzten Moment hielt etwas in ihr sie zurück. Sie schüttelte kaum merklich den Kopf und ließ seine Frage zu ihr durch dringen. Zelda seufzte und wandte sich ein wenig von ihm ab. Sah an ihm vorbei, aus der Öffnung zu ihrem Balkon hinaus auf den freien Himmel. Die ziehenden Wolken. „Ich wünschte, ich könnte, Link. Wirklich.“ Zelda hob leicht die Schultern. „Aber so kurz vor meinem Geburtstag.“ Sie lächelte ein entschuldigendes Lächeln, von dem sie hoffte, dass es verdeutlichte, wie gern sie in der Natur wäre. Mit ihm zusammen. Wieder schüttelte sie den Kopf. „Ich muss mich auf meine Pflichten konzentrieren. Die Anweisungen meines Vaters waren sehr deutlich und wenn ich dem Volk nicht das Gefühl gebe, mich zumindest zu bemühen ...“ Sie ließ den Satz unvollendet. Es war auch nicht nötig ihn zu beenden. Link wusste genauso gut wie sie, was das Problem war. Das Volk verlor den Glauben in sie. Und Zelda wollte nicht, dass es sie sorglos herumspazieren oder herumreiten sah. Link begegnete ihrem erneuten Versuch an einem Lächeln mit einem berechnenden Blick. Was sie noch vor einem Jahr für absolute Starre gehalten hatte, erkannte Zelda jetzt als scharfes Nachdenken, blitzschnelles Umschalten. Zärtlichkeit umfloss ihr Herz. Und wurde zu Neugierde, als Link eine Entscheidung zu treffen schien und hinter sich, an seine Gürteltasche griff. Sie trat einen Schritt auf ihn zu, als sie sah, dass er ihr etwas hin hielt. Der Inhalt seiner Handfläche war so klein, dass sie erst erkannte, was es war, als sie beinahe direkt vor ihm stand. Zelda streckte die Finger aus, stockte aber im letzten Moment. Zog sie ein kleines Stück zurück und sah auf. Link war ihr so nah, dass sie die hellen Spitzen seiner dunklen Wimpern sehen konnte. „Was ist das?“, fragte sie leise, beinahe flüsternd. Erfürchtig. So etwas wie ein selbstzufriedener Ausdruck huschte über Links Gesicht. Genaueres Hinsehen ließ Zeldas Atem stocken. Es sah aus wie … „Sind das etwa-“. Sie brach ab und starrte Link an. Der nur mit einem Lächeln antwortete. Und einem auffordernden Nicken. „Oh, Link...“, hauchte Zelda. Auf seiner ausgestreckten Handfläche lagen unzählige, winzige Körnchen. So klein, dass Zelda Schwierigkeiten hatte, sie mit den Augen zu fokussieren. Aber die spezielle Form, die grünlich-graue Färbung und die gekräuselte Oberfläche, ließen kaum Zweifel zu. Ein kleines zittriges Geräusch entfloh Zeldas Kehle. Kein richtiges Keuchen, eher ein ersticktes Schluchzen, für das sie sich geschämt hätte, wäre sie nicht zum Bersten voll mit anderen Gefühlen gewesen. Aufregung. Rührung. Dankbarkeit. „Man hat versucht sie in Gewächshäusern zu züchten, aber sie gedeihen nur im Freien“, sagte Link und Zelda war sich sicher, dass er absolut genau die Worte wiedergab, die sie vor nicht all zu langer Zeit auf der Wiese in der Nähe des königlichen Institus gesprochen hatte. Seine sanft gesprochenen Worte streichelten über sie hinweg, wie ein warmer Wind. Ihre Augenlider flatterten, als sie sich zwang seinem Blick standzuhalten, ohne die Tränen zu zulassen, die in ihr aufstiegen. „Also versuchen wir es auf diese Weise. In der Natur. Wo sie frei wachsen können.“ Pflanzensamen. Prinzessinnen Enzian Samen. „Aber“, hauchte Zelda so ungläubig, wie sie ihn immer noch anstarrte. „Woher? Wie? Wann...“ Prinzessinnen Enzian Samen. Und so viele davon. Link beantwortete ihr Gestammel mit der für ihn so typischen Geste eines Schulterzuckens. Keine große Sache. Zelda wusste nicht, ob sie ihn schütteln oder ihm um den Hals fallen sollte. „Link?!“ Fassungslos hob sie eine Hand an ihre Stirn. „Wo hast du die nur her? Wie...“, wieder brach sie ab. Von der Tiefe und Bedeutung dieser Geste überwältigt. Es bezeugte so viel. Dass Link sie verstand und kannte wie kein anderer. Dass er wusste, wie sehr Zelda an dieser kleinen Blumer hing, was sie für sie und ihr Leben bedeutete. Und er hatte es irgendwie geschafft, Samen zu beschaffen. Um… um sie in der Natur auszusähen. Um ihr beim Gedeihen zu verhelfen, sie vor dem Aussterben zu bewahren. Erneut atmete Zelda zittrig ein und aus. „Aber … wie?“ Wieder ging ein Zucken durch Links Körper, als er die Schultern hob. Zelda konnte es nur aus dem Augenwinkel sehen, da sie immer noch wie hypnotisiert die winzigen matt grünlichen Samen in seiner Hand anstarrte. „Sie wachsen an den Feenquellen.“ „Feenquellen?“ Sie musste aussehen wie ein Fisch, mit riesigen Augen und vor Verwunderung offen stehendem Mund. Zelda wusste von den Feenquellen. Aber die nächste war einen halben Tagesritt vom Schloss entfernt. Und unabhängig davon, dass sie sich nicht erklären konnte, wann er dort gewesen war, wo er doch die ganze Zeit über an ihrer Seite weilte. Woher wusste er vom Fruchtzyklus und Reifezeitpunkt des Prinzessinnen Enzians? Er schien ihre unausgesprochene Frage hören zu können. „Deine Bücher“, sagte er und klang dabei ein klein wenig befangen. Ob es an der Erklärung lag, oder daran, dass Zelda ihn immer noch fassungslos anstarrte, wusste sie nicht. „Bücher“, wiederholte sie, als wüsste sie nicht, wovon er sprach. Dabei wusste sie, was er meinen musste. War nur wegen der Implikation nicht zu mehr fähig, als sein jeweils letztes Wort zu wiederholen, wie ein Dummkopf. Link hatte herausgefunden, wann die Samen des Prinzessinnen Enzians reif waren. Und zwar aus Zeldas eigenen Büchern. Dann hatte er die Samen gesammelt und musste dabei geritten sein wie ein Sturm. Denn sie hatte nie mitbekommen, dass er nicht hier gewesen wäre. „Aber, wann?“, stammelte sie, immer noch genauso fassungslos wie am Anfang, als er ihr die Samen präsentiert hatte. Zelda konnte nicht erkennen, ob ihre Reaktion im unangenehm war, oder Freude bereitete. Er musste wissen, wie viel es ihr bedeutete. Deswegen hatte er es doch getan, oder? Er konnte es nicht einfach des Erhalts der vollständigen Flora Hyrules getan haben… „Auch ich habe Pausen“, war seine einzige Antwort. Und sie bedeutete, dass er es in der Nacht getan haben musste. In irgendeiner Nacht, die nicht lange zurückliegen konnte. „Link“, begann Zelda in einem Versuch ihre Empfindungen über dieses Geschenk auszudrücken, „ich … das ist-“ Sie brach ab, ohne irgendetwas ausgedrückt zu haben. Dennoch schien Link zu verstehen. Etwas in seiner Miene wurde weich und in Antwort darauf verflüssigte sich Zeldas Innerstes, bis ihr kaum noch Kraft blieb, sich auf den Beinen zu halten. Was konnte sie tun, um diesen Mann in ihrem Leben zu verdienen? „Also“, unterbrach er ihre innere, geheime Liebeserklärung an ihn, bevor Zelda damit hätte richtig beginnen können, „zählt das als eine wichtige Hyrulemission? Bedeutsam genug, dass sich die Prinzessin ihrer annehmen kann?“ Wenn er so lächelte, ein klein wenig schelmisch, ehrlich erfreut und offen, dann musste er der schönste Mann auf der ganzen Welt sein. Es war ein Klischee, Zelda wusste das nur zu gut, aber dennoch schien ihr die Luft zum Atmen zu fehlen, wenn er so befreit und unbeschwert aussah. Jungenhaft und gut und stark und klug. Es war verheerend. Er war verheerend. Und Zeldas Herz für immer verloren. Deswegen brachte sie nicht mehr zu Stande als ein Nicken. Dann, irgendwoher, kam die Kraft, seinen Zauber abzuschütteln. Wenn auch nur für einen Moment. Genug für ein paar Worte. „Wann gehen wir?“ Als Antwort verstaute Link die Samen wieder in seiner Gürteltasche. Zelda entging dabei nicht, wie vorsichtig er darauf achtete, keinen einzigen der winzigen Kostbarkeiten zu verlieren. „Die Pferde stehen bereits hinter der westlichen Stadtmauer.“ Das weckte Zeldas Neugierde. „Hinter der Mauer?“ „Wir werden ein bisschen wie Shiekah sein müssen.“ Zelda hob eine Augenbraue. Ihr Leibwächter klang, als hätte er ziemlich viel Spaß an der Tatsache, dass er für sie einen heimlichen Ausflug geplant hatte. In ihrer Vorstellung sah sie sich an einem Seil aus Bettlaken, die Stadtmauer hinabklettern. Ein kleiner waghalsiger Zug in ihr erwachte bei dem inneren Bild zu Leben. Aufregung kochte in ihr empor. Zelda raffte ihren Rock und grinste. „Dann ziehe ich mich schnell um.“   Ob es das Schicksal war, das gnädig auf sie herab sah und ihnen freies Geleit verschaffte, einfach nur unverschämtes Glück, das dafür sorgte, dass ihnen kaum eine Seele begegnete, als sie sich über das Schlossgelände und durch die Stadt zum Tor schlichen. Oder ob es letztendlich Links Fähigkeiten im Schleichen und Auskundschaften waren, hätte Zelda beim besten Willen nicht sagen können. Aber sie gelangten zum westlichen Teil Hyrule Stadts, ohne dass irgendjemand von ihnen Notiz nahm. Was ein kleines Wunder sein musste. Nicht nur wegen Zeldas Titel und Links Mythos. Auch wegen ihrer Erscheinung. Blond wie sie beide waren, in den leuchtend blauend Reckengewändern und mit dem legendären Schwert auf Links Rücken, das in seiner blitzenden Scheide allein schon genug Aufmerksamkeit auf sich zog. Für gewöhnlich. Nicht so heute. Heute schien jeder Bürger der Stadt und jede Wache auf dem Schlossgrund, ihnen genau im richtigen Moment den Rücken zu kehren. Mehrere Male schüttelte Zelda milde belustigt den Kopf. Link schien einfach so viel Spaß an der Sache zu haben. Hierfür war er ausgebildet, nein, geboren worden. Und es zeugte nur davon, dass ihr Leibwächter mit den langgezogenen Aufenthalten im gut bewachten Schloss ungeheuerlich unterfordert war. Also gönnte Zelda ihm diese Aufregung und leistete seinen leise gemurmelten Anweisungen Folge. Senkte den Kopf, sah in die eine oder andere Richtung, blieb stehen und drehte sich so schnell sie konnte dorthin, wo er sie hinwies. Sie ließ sich in beschatte Ecken leiten und in dunkle, schmale Gassen ziehen. Dagegen hätte sie sich nicht wehren können, selbst wenn sie gewollt hätte. Ihre Reflexe waren denen Links haushoch unterlegen. Und am wichtigsten war: dass sie sich nicht wehren wollte. Gegen Berührungen war Zelda hilflos. Kaum jemand berührte sie je. Und wenn es dann auch noch Link tat, so fliehend es aus sein mochte, dann konnte sie einfach nicht anders, als alles dafür zu tun, dass sie so lange wie möglich anhielten. Sie schämte sich kaum noch deswegen, da sie überzeugt davon war, es gut verbergen zu können, wie sehr sie diese kleinen Momente genoss. Der Weg zur Mauer war also leichter zu bewältigen, als Zeldas Vorstellung ihr prophezeit hatte. Die Mauer selbst aber stellte ein Problem dar. Zumindest dachte sie das, als sie im Schatten eines Hauses zu ihr hinüber starrte. Warum war es noch mal wichtig, dass sie keiner zu Gesicht bekam? War der Aufwand das wirklich wert? „Warte einen Augenblick“, murmelte Link und zupfte noch einmal an Zeldas Ärmel. Sie folgte der sanften Weisung und zog sich tiefer in den Schatten zurück. „Wohin gehst du?“ Er bedeutete ihr mit der ausgestreckten Hand stehen zu bleiben. Dann, mit einem letzten Grinsen, verschwand er zwischen ein paar gezogenen Karren, die wenige Schritte entfernt über das Pflaster rollten. Zelda stürzte die Lippen und seufzte unwirsch. Sie vertraute ihm ja. Aber sie hier so einfach alleine stehen zu lassen? Gerade war sie dabei, sich eine glaubwürdige Ausrede für ihr Erscheinen hier auszudenken, die sie hervorbringen könnte, sollte jemand sie erkennen und ansprechen, da schreckte ein furchtbar lautes Geräusch sie aus ihren Gedanken heraus. Was bei Hylia… Ein Krachen. Ein schreckliches Rummsen, als würde etwas riesig Großes auf etwas noch Größeres und vor allem Härteres treffen. Es war so laut, dass ihre Vorstellungskraft überfordert war. Es schepperte. Tiere kreischten, wieherten und bellten. Babies schrien und Anwohner liefen aufgeregt durcheinander. Im heillosen Durcheinander das entstand, drückte Zelda sich näher an das Gemäuer des Hauses, in dessen Sichtschutz sie stand, während sie gleichzeitig versuchte den Hals zu recken, um irgendetwas zu erkennen. Sie war gerade dabei sich ernsthaft Sorgen zu machen, als eine Hand sie am Arm fasste. „Ich bin es.“ Erschrocken atmete Zelda aus. Link. Der aus dem Nirgendwo plötzlich aufgetaucht war. „Himmel.“ Sie bedachte ihn mit einem, wie sie hoffte, flammenden Blick. „Was sollte das? Wo warst du“, fauchte sie. „Du kannst mich doch hier nicht allein lassen.“ Sie gestikulierte in Richtung des Aufruhrs. „Sieh nur, was hier lost ist. Was wenn-“ Sie war gezwungen ihre gezischte Tirade aufzugeben, als Link ihr einen Finger an die Lippen legte. „Sch-“, machte er und Zelda verstummte augenblicklich. Doch nicht wegen des lächerlichen Lautes, das er gemacht hatte. Sondern wegen der Berührung. Er berührte ihre Lippen. Zelda hielt die Luft an. In diesem Moment schien Link zu bemerken, war er tat, denn seine Hand fiel nach unten und er senkte den Blick. Als er ihn wieder hob, ließ er Zelda keine Zeit darüber nachzudenken, was soeben geschehen war. Darüber, dass ihre Lippen brannten und ihr Herz klopfte, als wolle es innerlich den Brustkorb prellen. Er packte sie stattdessen am Handgelenk und zog sie aus dem schützenden Schatten des Hauses hervor. Unzeremoniell und präzise steuerte er auf das westliche Torhaus zu. In einem solchen Tempo, dass Zelda nicht anders konnte, als sich auf ihre Füße zu konzentrieren und an nichts anderes zu denken, wenn sie nicht stolpern wollte. Noch während sie in der Kühle des Torhauses verschwanden, bemerkte Zelda, dass der Aufruhr, ausgelöst durch das ominöse Geräusch von dem sie immer noch nicht wusste, was es verursacht hatte, ihnen ein vollkommen unbemerktes Verlassen des Stadt ermöglichte. Als Link dem einzigen verbleibenden Wächter am Tor mit einem Nicken einige Worte zuraunte, worauf dieser vor ihm salutierte, erhärtete sich in ihr der Verdacht, dass ihr Leibwächter etwas mit dem Vorfall zu tun haben könnte. Storm und Links kräftiger Hengst warteten friedlich grasend an einem der hinteren Wachtürme. Ein Zelda völlig unbekannter Junge in roten Hosen und passender Mütze hielt die Pferde am langen Zügel und starrte Link voller Ehrfurcht an, während er Zelda vollkommen ignorierte. Lächelnd begrüßte sie Storm, bei dessen sanftem Schnauben ihr genauso das Herz anschwoll, wie beim stolzen Anblick, der er mit seinem weißen Fell und dem edlen Geschirr abgab, mit dem er gesattelt worden war. „Du hast niemanden gesehen!“, raunte Link dem Jungen zu, als er ihm die Zügel aus der Hand nahm. Stumm schüttelte er den Kopf und die Ehrfurcht auf seinem Gesicht wandelte sich zu tiefer Vergötterung. Zelda musste sich räuspern, um das Lachen zu unterdrücken, dass aus ihr hervor prusten wollte. Mit einem Klaps auf die Schulter des Jungen bedankte sich Link und schickte ihn wieder auf den Weg in die Stadt zurück. „Link“, begann Zelda süßlich, nachdem das Kind außer Hörweite war. Ihr Leibwächter sandte ihr einen kurzen Blick zu, während er ihr den Steigbügel zurecht hielt, damit sie aufsitzen konnte. Sie folgte der stillen Aufforderung und griff nach dem Sattelknauf. „Kannst du mir sagen, was du mit meiner Stadt gemacht hast?“, fragte sie unschuldig, nachdem sie aufgesessen und die Zügel angezogen hatte. Storms starker Körper strahlte Ruhe und Wärme aus, als sie ihn neben Links Hengst lenkte und beinahe konnte sie die Befriedigung darüber, wie leicht ihr Pferd ihren Befehlen folgte, in ihren Knochen spüren. Wie anders das noch vor so wenigen Monaten gewesen war. Link sah über seine Schulter hinweg zur Stadt zurück. Als müsste er sich davon überzeugen, welche Stadt sie meinte. „Ablenkung“, meinte er kurz angebunden und schnalzte mit der Zunge, um das Tempo vorzugeben. Das Geräusch resonierte in Zeldas Adern wie ein warmer Strom und stellte komische Sache mit ihren Knöcheln an, die sich in den Steigbügeln auf einmal ganz schwach wurden. Wie immer, wenn er auf diese sanfte Art mit Tieren kommunizierte oder so ruhig und entschieden Anweisungen gab. Nach einem kurzen mentalen Schüttler hatte sie sich allerdings glücklicherweise genug gefangen, um Storm erst in einen schnellen Schritt und dann in einen flotten Trab fallen zu lassen, um Link folgen zu können, der die westliche Ebene ansteuerte. Sie ritten schnell und ohne viel zu reden. Nicht durch die Todbringerschlucht, wie Zelda erst gedacht hatte, sondern sie überquerten den Regenziafluss südwestlich der Schlucht auf einer natürlichen Steinbrücke, die aus den Felsen dort herausgewaschen oder -gehauen worden sein musste. Zelda sah sie zum ersten Mal und wusste es nicht genau. Auf der anderen Seite angekommen, wandte Link sich nach Süden. Und da erst kam es Zelda in den Sinn zu fragen, wo eigentlich ihr Ziel lag. Es war bezeichnend dafür, dass sie nicht eher nachgefragt hatte. Dafür, wie sehr sie das Schloss verlassen wollte. Und dafür, wie sehr sie Link vertraute. Aber hier ging es nicht nur um ein wenig frische Luft und einen Ausritt im Grünen. Es ging um Hyrule. Um eine wichtige Pflanze mit bedeutender spiritueller Kraft und Wichtigkeit. Sonst hätte Zelda sich dieses Intermezzo nie gestattet und wenn sie es sich noch so sehr herbei gewünscht hatte. Sie zügelte Storm und griff nach einer Wasserflasche, für deren Existenz Link gesorgt haben musste, als er die Pferde hatte satteln lassen. Nach ein paar gierigen Schlücken, sah sie zu ihrem Leibwächter hinüber, der ebenfalls das Tempo gedrosselt hatte, als Zelda langsamer geworden war. Wie immer behielt er die Umgebung mit der ihm so unvergleichlichen Aufmerksamkeit im Blick. Als würde er tausend Dinge gleichzeitig wahrnehmen, was wahrscheinlich nicht mal übertrieben war. Was hatte er einmal gesagt? Wenn er sich stark konzentrierte, dann schien es ihm, als würde die Zeit langsamer werden? Zelda seufzte. Sie wünschte, sie hätte ebenfalls ein wenig Kontrolle über ihr Zeitempfinden. Oder über ihr generelles Empfinden. Oder über irgendetwas. „Ich nehme an, du hast einen bestimmten Ort im Kopf“, begann sie und verstaute die Flasche wieder in der Satteltasche. „Verzeih, dass ich nicht eher danach gefragt habe.“ Link wandte ihr den Blick zu. Wie immer, wenn sie ihn plötzlich ansprach, war es, als müsste er erst einmal das richtige Maß an Energie abstecken, die er für ein Gespräch mit ihr von seiner Konzentration abzweigen konnte. Als würde er die Aufmerksamkeit neu verteilen und für einen kleinen Moment, war sie beinahe ausschließlich nur auf sie gerichtet. Sie hätte sich wohl daran gewöhnen sollen. Schließlich bedeutete es nichts. Aber Zelda konnte nicht anders, als ein wenig kurzatmig zu werden, wenn er sie auf diese Weise ansah. Törichtes Mädchen. „Also? Wo geht es hin?“ Es vergingen einige Atemzüge, bevor er antwortete. „An Orten mit besonders starker spiritueller Energie scheinen sie einfacher wachsen zu können“, sagte er und sah wieder nach vorne. „Die Quellen der großen Feen. In der Nähe der Zitadelle der Zeit.“ Er stockte kurz. „Die Quelle der Weisheit.“ Zelda runzelte die Stirn. An der Quelle der Weisheit wuchs Prinzesinnen Enzian? Auf einer verschneiten Bergspitze? Als Link allerdings nicht weitersprach, tat sie dieses Rätsel als bald lösbar zur Seite. Sie würde mal auf die Ranelle Spitze steigen, nicht wahr? Da würde sie es selbst sehen. „Und wo meinst du-“, begann Zelda, als Link nach einigem stillen Momenten immer noch nicht weiter ausgeführt hatte, an welchen Ort er für diesen Aussaatversuch gedacht hatte. Die Antwort flog ihr jedoch beinahe im selben Augenblick zu, als ihr Blick über die Landschaft schweifte. Rechts von ihnen erhoben sich die fernen Hebraberge und weiter vorne warfen andere Erhebungen ihre Silhouette. „Satori Berg“, raunte Zelda. Es war so einfach, so logisch, dass ein kleiner Teil in ihr über sich selbst den Kopf schüttelte. Darüber, dass es ihr nicht selbst eingefallen war. Ein kleines Lachen entfuhr ihr. Ein Geräusch, das mehr Schnaufen als Kichern war. Ein winziges Prusten mit ungläubiger Färbung. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Link ihr einen schnelle Blick zu warf. „Du warst schon einmal dort oben?“, fragte Zelda wenig später, wobei sie die Antwort darauf bereits kannte. War er nicht überall gewesen? „Nicht häufig“, sagte er ein wenig zögerlich,, was ihre Aufmerksamkeit weckte. Natürlich ging er nicht näher auf auf seine Gründe dafür ein. Zelda lächelte. „Ist dir der Aufstieg zu anstrengend?“ Link warf ihr einen sardonischen Blick zu und ihr Lächeln wurde noch breiter. „Die Aura dort hat mir immer das Gefühl gegeben, dass sie lieber ungestört bleiben will“, sagte er und stimmte Zelda damit nachdenklich. Doch Link schien ihre Gedanken zu lesen, bevor sie sich ganz in ihr ausgebreitete hatten. „Er wird eine Ausnahme für die Prinzessin machen. Und ihren Enzian.“ Zelda sah ihn von der Seite an. Die Stirn fragend gerunzelt. „Er?“ Für einen kurzen Moment neigte Link ebenfalls den Kopf und erwiderte ihren Blick. „Der Herr der Wildnis.“ Zelda sah wieder nach vorne. Natürlich hatte sie von ihm gehört. Dem Herren der Wildnis. Eine sanfte, starke spirituelle Entität die in Hyrule auftauchte und Geister um sich scharrte. Eine Schutzgottheit der Wildnis und der Natur. Dass diese Energie den Prinzessinnen Enzian beschützen und zum Wachsen bringen konnte, hatte Zelda verstanden, als Link ihr offenbart hatte, dass sie zum Satori Berg unterwegs waren. Aber Link Worte bedeuteten, dass die Legenden der Wahrheit entsprachen. Und der Herr der Wildnis mehr war als eine Aura, eine Energie. „Er ist … korporal?“, deduzierte Zelda unsicher und suchte erneut Links Blick. Er nickte und schickte ihr eines seiner kurzen Lächeln. „Sehr.“ Plötzliche Aufregung durchzuckte Zelda. Oh, das versprach wundervoll zu werden. Nicht nur, dass sie reife und keimfähige Samen des Prinzessinnen Enzians in ihrer Reichweite hatte und einen sicheren, vielversprechenden Ort für deren Aussaat. Sie würde die geheimnisvolle Energie des Satori Berges spüren und – Zelda traute sich kaum dem Gedanken Raum zu geben, so neu war er – den Herren der Wildnis sehen. Zumindest war das wahrscheinlich. Oder? „Werde ich ihn sehen?“, fragte sie einige Zeit später, nachdem sie einen nahen Stützpunkt des Militärs passiert hatten und der Weg begann sich abwärts zu schlängeln. Bald würden sie an den sonderbaren Felsformationen vorbeireiten, die aussahen wie kleine Pranger. Ein grusliger Anblick, weswegen Zelda den sonderbaren Ort auch nicht mochte. Doch von dort aus würden sie über die Jaad Brücke den Tamiond Fluss überqueren und damit beinahe am Fuße des Satori Berges angelangen. „Wenn du möchtest“, antwortete Link, dieses Mal deutlich amüsiert. Natürlich wusste er, dass der Gedanke dieses weitere Mysterium Hyrules zu durchdringen, sie unendlich begeisterte. Zelda seufzte, als das bekannte, süße Gefühl ihre Brust durchzog. „Dann werden wir die Nacht dort verbringen müssen“, unterbrach Link ihre Gedanken. „Er zeigte sich nur in der Dunkelheit.“ „Oh. In Ordnung.“ Es war bereits Nachmittag. Wirklich weit hätten sie es auch nicht geschafft, wenn sie den Berg erst erreichen, dann hinauf steigen und dann auch noch sichere Plätze für die Aussaat der Samen suchen mussten. Es war auch ohne den Herrn der Wildnis und dessen anscheinende Vorliebe für die Nacht die praktikabelste Lösung, ihr Nachtlager auf dem Berg aufzuschlagen. Zeldas Puls beschleunigte sich dennoch. Ein dumpfes Klopfen in den Gliedmaßen und an ihrem Hals, das mit jedem Schritt, den Storm unter ihr tat, stärker pochte. Es war nicht die erste Nacht, die sie außerhalb des Schlosses in Links Nähe verbrachte. An den Quellen war es schließlich auch nicht anders gewesen. Ohne Türen und Wände zwischen ihnen. Wieso fühlte es sich also dieses Mal so anders an? Kribblig. Aufregend. Unsicher. Sie versuchte sich innerlich zur Ordnung zu rufen. Das hier war kein romantisches Picknick. Das hier war wichtig! Der Prinzessinnen Enzian musste überleben. Ganz tief in ihrem Inneren wusste sie einfach, dass diese Blume wichtig für Hyrule war. Für die unsichtbaren Bande, die das Land mit der Göttin verknüpften, mit der Prinzessin als Mittelskraft. Wenn die Blume auf Zeldas Wacht ausstarb, was wäre das für ein Zeichen? Sie schüttelte sich. Sie wagte nicht mal daran zu denken.   Sie erreichten den Fuße des Berges gegen frühen Abend. Die Sonne hatte bereits ihren Weg des Untergangs zur Hälfte bestritten und das Licht war nicht mehr von goldener Wärme durchtränkt, sondern begann sich gräulich zu färben. Link schien es trotzdem nicht eilig zu haben. Zielgerichtet und gemächlich lenkte er seinen Hengst einen mit Gras überwachsenen Weg hinauf, der gerade so anstieg, dass sie nicht von den Pferden steigen würden müssten. Zumindest vorerst nicht. „Ab wann müssen wir selber gehen?“, fragte Zelda, als sie die leichte Steigung durch Storms kräftigen Körper spüren konnte und sich instinktiv nach vorn lehnte. Sie und ihre eigenen Beine würden um Mitternacht noch nicht am Gipfel angekommen sein. Link warf ihr einen kurzen Blick zu, bevor er antwortete. „Bis zu unserem Lagerplatz. Danach gehen wir zu Fuß weiter.“ Zelda nickte, obwohl er sie bereits nicht mehr ansah. Also würden sie nicht auf dem Gipfel ihr Lager aufschlagen. Link plante aber dennoch weiter hinauf zu gehen. Das war gut. Etwas zog Zelda den Berg hinauf. Eine Kraft oder Energie, irgendetwas, das sie in ihren Fingern und Zehen spüren konnte, wie ein unterschwelliges Summen. Etwas, das stärker wurde, je höher die Pferde sie die Steigung hinauf trugen. Ein Geräusch, das Zelda bereits aus der Ferne gehört hatte, lenkte ihren Blick zum Himmel. Krächzende Vogelstimmen, sich überlagernd und lauter werdend, je näher sie zum Berg gekommen waren. „Krähen“, murmelte Zelda, als sie verstand. Ganze Schwärme davon umkreisten die Spitze des Berges und wirbelten mit ihren Flügeln die Luft in der Nähe auf. „An diesem Ort gibt es vieles, das es hier eigentlich nicht geben dürfte“, sagte Link. Erstaunt, dass er sie überhaupt gehört hatte, wandte Zelda ihm den Kopf zu. Allerdings sah er weiterhin gerade aus. „Oder was überall sonst nur selten wächst.“ Zelda erhaschte einen kurzen Blick auf sein Gesicht, als der Weg ihre Pferde näher zusammen zwang. Der offensichtlich entspannte Ausdruck darauf, brachte sie zum Lächeln. Er klang äußerst zufrieden mit sich selbst. „Nun, das klingt vielversprechend“, antwortete sie und warf ihm einen amüsierten Blick zu. Allerdings war ihr Leibwächter zu sehr in seinem Element, um darauf zu reagieren.   Es war kein richtig angelegter Weg, auf dem sie ritten. Eher eine Art natürlich entstandener Hohlweg. Eine Senke zwischen den Steinen, die mit Gras überwachsen war und von der zu beiden Seiten Abzweigungen abgingen, die zu Flecken von Vegetation führten. Zelda sah Nadel- und Laubbäume. Roch den süßlich-säuerlichen Geruch von Äpfeln. Storm unter ihr begann mit jedem Schritt stärker zu schnaufen und mittlerweile musste sie sich beinahe über seinen Hals beugen, um nicht nach hinten geschaukelt zu werden. Ermutigend kraulte Zelda ihm die Mähne. „Wie weit ist es noch?“, fragte sie in einem Anflug aus Mitgefühl und strich Storm erneut über den Hals. Inzwischen waren sie so weit oben, dass Zelda den nicht weit entfernt gelegenen Park mit seinem hübschen Springbrunnnen sehen konnte. „Nicht weit“, war die hilfreiche Antwort ihres Leibwächters. „Weiter oben gibt es eine kleine Lichtung an einer kleinen Quelle.“ Zelda sah wie Link die Richtung mit einem Nicken anzeigte. „Klingt schön.“ „Ist es auch“, bestätigte er und warf ihr einen seiner kurzen Kontrollblicke zu. Die schnellen Bestandsaufnahmen, der er sie schon unterzogen hatte, als sie ihn zum Kuckuck gewünscht hatte. Und Zelda wusste, dass es nur seine Aufgabe war. Er war ihr Leibwächter. Der ihr zugewiesene Ritter. Aber sie konnte nicht anders, als sich unter diesen Blicken sicher zu fühlen. Warm und geborgen.   Link behielt Recht. Es war tatsächlich nicht mehr weit. Nicht, dass Zelda an ihm gezweifelt hätte. Allerdings war es keine Quelle, die sich vor ihren Augen auftat, als er seinen Hengst wenig später zügelte und ihr bedeutete abzusteigen. Zelda folgte seinen Anweisungen, allerdings sehr viel langsamer als Link. Sobald dessen Füße den Boden berührten, offenbarte er das so bekannte Bild geschäftiger Effizienz. Er schnallte das Gepäck von ihren Pferden und hob die Sättel von ihren Rücken, bevor Zelda es ganz geschafft hatte, das königliche Geschirr von Storm zu lösen. Zelda folgte ihm, als er einen gezielten Haken nach Rechts schlug und an Büschen und Steinen vorbei zwischen zwei Felsen verschwand. Mit gerunzelter Stirn trat sie in die schattige Halbhöhle, die die natürlichen Steinmauern bildeten, die hoch neben ihr aufragten. Ein Blick nach oben sagte ihr, dass die Felsen sich nicht trafen, sondern einen kleinen Spalt zwischen ihnen frei ließ. Der Anblick erinnerte sie an die Zwillingsberge, nur in viel kleinerem Maßstab. „Ich denke nicht, dass es heute regnen wird“, meinte Link, der die Sättel bereits mit den Knäufen nach unten auf den Boden gestellt hatte. Er hatte ihren Blick missgedeutet. „Nein, ich-“, begann Zelda, unterbrach sich aber, als ihr die Feuerstelle auffiel, die sich genau in der Mitte der kleinen Felsschlucht befand. Vorbei war der Drang Link zu erklären, dass sie nicht daran gedacht hatte, nass zu werden, sondern nur dieses natürlich schützende Fleckchen Erde bewundert hatte. Jetzt war sie nicht länger verwundert, sondern neugierig. „Ist das dein Kochtopf?“, fragte sie mit schräg gelegtem Kopf, während sie näher an besagten gusseisernen Vierbeiner herantrat, unter dessen Vertiefung alte Asche von nicht allzu lang vergangener Benutzung zeugte. Es würde zu ihm passen, an mehreren geeigneten Plätzen in ganz Hyrule geheime, kleine Lagerplätze errichtet zu haben. Aber Link schüttelte den Kopf und bückte sich, um in den Tiefen seines Gepäcks herum zu wühlen. Zelda hatte kaum mehr Zeit, als vage zu erkennen, dass er etwas Helles aus Stoff daraus hervorzog, bevor er es ihr auch schon in die Hand drückte. „Hier.“ Reflexartig griff Zelda danach. Vergessen die Frage, wer für die Installation eines Kochtopfes an diesem Ort verantwortlich war. „Oben auf dem Gipfel ist es kalt.“ „Was ist das?“, fragte sie beinahe gleichzeitig, ohne tatsächliche Absicht die Antwort abzuwarten. Keinen Augenblick später hob sie das Kleidungsstück hoch und erkannte, was ihre Finger beinahe sofort begriffen hatten. Warm und flauschig und leicht, eine Jacke gefüllt mit warmen Daunenfedern. Nicht irgendeine Daunen gefüllte Jacke. Es war Links Jacke. So viel versicherte ihr der köstliche Geruch der dem Kleidungsstück anhaftete. Sie warf Link einen überraschten Blick zu. „Alternativ kann ich dir auch einen Trank anbieten.“ Er ruckte mit den Schultern und ein kleines Lächeln bewegte seine Lippen. „Aber ich weiß ja, wie du die magst.“ Zelda antwortete nicht. Sie war zu sehr damit zu beschäftigt, ihr wild pochendes Herz niederzuringen. Einen Kampf, den sie natürlich verlor, aber dennoch nicht scheuen durfte. Mit welcher Selbstverständlichkeit er sie in seine Kleidung hüllte. In etwas, das er am Leib getragen hatte. Das nach ihm duftete. Tief und heimatlich und würzig. Männlich. Link. Zelda schluckte und drehte sich um. Willte die gewaltige Röte hinab, die ihr kochend heiß in die Wangen stieg und ihren ganzen Oberkörper in Flammen zu stecken schien. Ein kleines hysterischen Lachen blubberte in ihr auf, doch es gelang ihr, es zu unterdrücken. Wer hätte gedacht, dass Links Versuch sie zu wärmen, so effektiv sein würde. Sie konnte spüren, wie kleine Schweißperlen unter der schweren Masse ihres Haares auf ihrem Nacken erblühten. Hitze durchlief in heißen Wellen ihren Körper. Zelda war so weit davon zu frieren, wie man nur sein konnte. Eher war sie kurz davor, sich mit der Hand Luft zu zu fächeln. „Danke“, quetschte sie stattdessen aus ihrer eng gewordenen Kehle hervor, beruhigt, dass ihre Stimme nur halb so zittrig klang, wie sie sich fühlte. Sie ging einige Schritte zurück zu der Stelle, an der sie Pferde zurückgelassen hatten. Sie waren nicht weit gelaufen und grasten friedlich. Sie vermutete, dass von den Pferden keine Flucht zu befürchten war. Link hätte sie sonst niemals so selbstverständlich frei gelassen. Vermutlich würde sich jedes Pferd auch eher selbst verletzten, als von Links Seite zu weichen. Zelda tat ein paar tiefe, unbedingt notwendige Atemzüge. Es half ein wenig gegen die unverhältnismäßig törichte Reaktion ihres Körpers. Ein wenig versunken in dem Versuch andere, weniger närrische Gedanken in sich aufkommen zu lassen, stierte sie auf die Schönheit dieses Ortes. Nicht allein die Geographie des Berges, sondern vor allem die unterschwellige Energie hier war es, die das Gefühl von etwas Besonderem, etwas Heiligem heraufbeschworen. Die wechselnde Vegetation war dabei wohl eher Konsequenz als Ursache. Und die Geräusche der Tiere umschwirrten den Berg in einer einmaligen Kulisse. Es war schön hier. Und Zelda war froh, dass sie die Möglichkeit hatten, diese Ecke Hyrules so lebendig und nah zu erleben. Nicht nur aus der Ferne betrachten zu können, wie es bisher bei ihren flüchtigen Stopps im Sanidin Park möglich gewesen war. Hinter sich hörte sie Link die vertrauten Geräusche machen, die davon kündeten, dass er ihr Lager aufschlug. Holz, das zu einem Feuer aufgeschichtet wurde. Steine, die aneinander schlugen, als er das Feuer mit ihnen umrandete. Das Flattern von Decken, als er die Matten und Decken auf dem Boden zurecht legte, die Zeldas Bettstatt für die Nacht sein sollten, sowie eine wärmende Unterlage für seine eigene Wache. Kochgeschirr, das leise klapperte, als er es aus den Weiten seiner Tasche hervorzog. Wie Link sich in der magisch vergrößerten Untiefe seines Gepäcks zurecht fand, war Zelda ein Rätsel. Jedoch war der Gedanke ablenkend genug, sodass sie sich ein klein wenig normaler fühlte, als sie sich darauf konzentrierte. Auf der Unterlippe kauend, drehte sie sich wieder herum und betrat erneut das natürliche entstandene Felsenzelt. Wie erwartet war der steinige Untergrund auf dem Link ihr Lager errichtet hatte wie verändert. Gemütlich wirkte das ebenerdige Bett aus Decken und Fellen und beinahe freute sich Zelda bei diesem Anblick auf die Nacht. Kalt würde sie zumindest nicht werden. Schon allein, weil sie nicht vor dem Schlafen in einer kalten Quelle stehen würde. Allerdings, wo waren die Felle hergekommen? An ihrem Sattel waren diese ganz bestimmt nicht festgeschnallt gewesen. Mit einer fragend hochgezogenen Augenbraue trat Zelda näher an das noch unentzündete Feuer heran. Schluckte um den immer noch heftig pochenden Puls herum, der bis in die Kehle hinauf zu schlagen schien und räusperte sich. Link sah bei dem Geräusch von seiner knienden Position zu ihr auf. Für einen Moment trafen sich ihre Blicke. Im schwindenden Tageslicht und beschattet von dem hohen Felsen wirkten seine Augen dunkel wie graue Regenwolken. Mysteriös inmitten der golden schimmernden Seide seiner Haut. Rauchig unter den licht geschwungenen Brauen. „Du rechnest also mit einem nächtlichen Blizzard?“, fragte sie und neigte den Kopf in Richtung des heimeligen Bettes, das er ihr bereitet hatte. Link folgte ihrem Blick. Dann schickte er ihr ein kurzes Lächeln hinauf. Ein kleines Zucken seiner Mundwinkel. „Es wird kalt hier“, antwortete er und fuhr fort, Zutaten für das Abendessen aus seiner Tasche zu ziehen. Zelda sah allerlei Pilze und Gewürze und ein in Ölpapier gewickeltes Stück Fleisch. „Außerdem sorgt das Wasser für eine höhere Luftfeuchtigkeit.“ Er begann den Kessel mit alter Asche und einigen effizienten Bewegungen zu säubern. „Noch mehr Kälte. Deswegen die Felle.“ „Hm“, machte Zelda, ein undefinierbares Geräusch, das nicht wirkliche eine Antwort war, sondern eher amüsierte Verwirrung ausdrückte. „Schon wieder sprichst du von Wasser“, sagte sie und sah sich gespielt aufmerksam um. „Ich sehe nur keins.“ Zelda meinte ein belustigtes Geräusch zu hören, ein kleines Lachen vielleicht. Ein dunkles Glucksen. Link deutete ohne sich umzusehen mit dem Kopf hinter sich, in Richtung des Berges. „Ich meine auf dem Gipfel. Die Quelle an der sein Geist sich meistens aufhält.“ Kurz sah er zu ihr auf, bevor er begann, mit einem Messer Gemüse in den Topf zu schneiden. „Wenn wir dort hingehen, wird es dort kalt sein. Und hier auch.“ „Wundervoll“, murmelte Zelda und presste das Gewand an ihre Brust. Ihr Blick war wieder an der Bettstand hängen geblieben. Dort zu schlafen machte sie nervöser, als es in allen Nächten zuvor der Fall gewesen war. Die hatte Zelda nämlich nur halb bei Bewusstsein miterlebt. Und die achtsamen, galanten Vorbereitungen die Link unterlief, um für ihre nächtliche Bequemlichkeit zu sorgen, hatte sie auch nie wirklich beobachtet. Für gewöhnlich stand sie zu diesem Zeitpunkt bereits hüfttief im Wasser und rang mit der Göttin und dem Schicksal. Diese offensichtliche Fürsorglichkeit, die Wertschätzung und Voraussicht, stellte ganz neue kribbelige, warme Dinge mit Zeldas Gefühlen an. Sie fühlte sich sicher und geschätzt. Über alle Maßen geborgen. Geliebt. Dieses ungewollte Flüstern einer unbewussten Stimme in ihrem Kopf, ließ Zelda erschrocken zusammenzucken. Ihr ganzer Körper spannte sich an, geistig wie physisch. Komm nicht auf dumme Gedanken. Fang bloß nicht damit an, dir etwas einzubilden. Hör auf, sein Pflichtbewusstsein fehlzuinterpretieren. Es war mehr als gefährlich. Sie zwang sich, ihre Hände aus den Fäusten zu lösen, zu denen sie sich unbewusst geballt hatten. Streckte ihre Finger durch pure Willenskraft. Zelda fühlte es als ein Zug an ihren Organen. Stark und beinahe schmerzhaft. So langsam müsste sie sich daran gewöhnen. Daran, dass dieses Namenlose in ihrem Inneren sich bewegte, sich streckte und hüpfte, wenn Link etwas tat, das sie aufwühlte. Für den Moment schien es Zelda, als wären sie nicht nur die einzigen zwei Seelen auf diesem Berg, sondern im ganzen Land. Auf der ganzen Welt. Sie unterdrückte den Impuls, die Augen über sich selbst zu rollen. Seufzend faltete Zelda schließlich den Wams auseinander, den sie die ganze Zeit über mit ihren Armen an die Brust geklammert hatte. Der tröstlich maskuline Duft der davon ausging, umhüllte sie noch stärker, als sie das Kleidungsstück ausschüttelte und hineinschlüpfte. Weich und unglaublich warm schmiegte sich der mit Orni Daunen gefütterte Stoff an ihr eigenes Gewand. Kurz war ihr, als würde der Geruch sie benebeln, sie ein wenig auf den Füßen wanken lassen und ihr Sichtfeld einschränken. Dann beruhigte sich ihr wild schlagendes Herz mit dumpfem Pochen, lullte sie in einen tieferen, weniger hektischen, aber dafür stärkeren Rhythmus, der ihren ganzen Körper mit jedem Schlag ins Schaukeln zu bringen schien. Die Aromen der Mahlzeit die Link zu kochen begonnen hatte, stiegen Zelda in die Nase und vertieften das außerzeitliche, heimelige Gefühl und für einen Moment fühlte sie sich einfach nur warm. Als würden innerhalb dieses steinigen Zufluchtsortes keine Probleme existieren. Langsam tat Zelda ein paar Schritte auf die temporäre Bettstatt zu, die Link ihr am Boden, wenig entfernt vom Feuer errichtet hatte und ließ sich darauf nieder. Sie sprachen kaum, während sie Link dabei zu sah, wie er im Kessel rührte und sporadisch Gewürze oder Zutaten hinzugab. Zelda fühlte sich ein wenig benommen, beinahe so, als hätte sie zu viel von dem schweren Rotwein getrunken, der bei Festessen im Schloss gereicht wurde und den man für sie immer mit Wasser abmilderte. Es fühlte sich an, als sei kaum Zeit vergangen, als Link nach den irdenen Schüsseln griff und dampfenden Eintopf hinein schöpfte. Allerdings musste Zeldas Zeitgefühl mal wieder verrückt spielen, denn mittlerweile war die Nacht vollkommen über sie hereingebrochen. Sie hörte es an den Geräuschen um sie herum. Dem stärker gewordenen Wind und den fehlenden Krächzen der Krähen. Grillen zirpten irgendwo in der Nähe, aber auch die würden bald ihre Aktivität einstellen. Link reichte ihr eine Schüssel. Schon allein der Duft wärmte sie von innen und kitzelte prickelnd auf ihrer Zunge. Sie hatte schon vor einer Weile aufgehört, wegen Links aufopferungsvoller Tätigkeit als ihr Feldkoch ein schlechtes Gewissen zu empfinden. Mittlerweile wusste sie, dass er es vor allem für sich selbst tat. Er brauchte herzhafte, energiereiche Mahlzeiten. Sonst würde er den Tribut, der seinem Körper abgefordert wurde, nicht aufbringen können. Die langen Nächte ohne Schlaf. Die ständige geistige und körperliche Wachsamkeit. Nahrung war der Brennstoff für seine hervorragenden Fähigkeiten. Und aus seinen Erzählungen wusste Zelda, dass er es nicht anders tat, wenn er allein reiste. „Danke“, sagte sie und nahm die Schüssel entgegen. Dabei berührten sich kurz ihre Fingerspitzen. Ein Kontakt, der hundert Mal mehr für die Hitze verantwortlich war, die ihre Arme hinauf raste, als die heiße Tonschüssel selbst. „Das riecht wunderbar“, beeilte sich Zelda zu komplementieren, um den aufgeladenen Moment zu überbrücken. Link antwortete mit einem unverbindlichen Geräusch, bereits vollkommen darin vertieft, in Rekordgeschwindigkeit Eintopf aus der Schüssel zu löffeln. Mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen begann Zelda zu essen. Sie hatte Recht. Natürlich schmeckte es eben so wunderbar wie es roch. Herzhaft und nährend und nicht nur wegen der Zutaten allein. Als ihr Bauch angenehm gefüllt und ihr Körper sich warm und schwer anfühlte, hatte Link bereits drei Schüsseln geleert und war dabei den Inhalt der vierten zu verschlingen. Zeldas amüsiertes Kopfschütteln quittierte er nur mit einem Schulterzucken. „Wird es denn auch reichen?“, fragte sie mit offensichtlicher Ironie in der Stimme, begleitete den belustigten Kommentar allerdings mit einem Lächeln. Link antwortete mit einem sardonischen Blick, was Zeldas Lächeln nur verstärkte. Sie fühlte sich zu träge, um auch nur zu versuchen ihm dabei zu helfen, wie er ihre Schüsseln und den Kessel mit Wasser und frischer Asche reinigte. Ihre aufgestellten Knie mit beiden Armen umschlungen, beobachtete sie seine effizienten, automatisierten Bewegungen, die von jahrelanger Wiederholung sprachen. Wie immer hätte sie Stunden damit verbringen können, ihn einfach nur anzusehen. Schon immer hatte sie seine Art sich zu bewegen fasziniert. Es als elegant zu beschreiben, hätte nicht funktioniert. Es war mehr als das. Ökonomisch traf es auch nicht, obwohl es genau das war. So wenig Bewegung wie möglich und die waren präzise und die Kraft dahinter, umschimmerte ihn dabei wie ein beinahe sichtbares Luftflimmern. Fluide, aber nicht fließend wie ein Tanz. Entschlossen, zielstrebig, unbeirrt. Beständig und sicher. Gelassen und ungezwungen. Von einer inneren Leichtigkeit bestimmt die deutlich machte, dass er ganz genau wusste, wo sein Platz im Leben war. Kein Wunder, dass es Zelda so unendlich faszinierte. Aber Link hatte diesen Effekt auf viele. Unabhängig von Alter und Geschlecht. Selbst der König war von Anfang an von ihm angetan gewesen. Und doch war es all das, was darunter existierte, das Zelda nachhaltig und absolut ohne Hoffnung auf Befreiung gebannt hatte. Die flüchtigen Blicke auf das urinnere Wesen das dahinter schlummerte. So selten und kurz sie auch waren. Das warme, gute Herz. Der schelmische Humor. Die Unerschütterlichkeit. All die kleinen Besonderheiten die ihn ausmachten und die er so selten zeigte. Und selbst, wenn Zelda all das sortieren und aufzählen konnte, hätte sie nur an der Oberfläche dessen gekratzt, was ihre Gefühle für ihn ausmachten. Sie hätte ihn ohne all das geliebt und liebte ihn gerade deswegen. Es war so viel mehr als das Greifbare. Selbst nach so viel Denken und so vielen Versuchen es sich zu erklären, war Zelda nicht mal ansatzweise dazu in der Lage, es zu beschreiben. „Bist du bereit?“, durchbrach Link ihr Sinnieren. Überrascht blinzelte sie und sah auf. Er hatte sich bereits erhoben und hielt einen armlangen Stock in der Hand, um den an der Spitze ein Stück Tuch geschlungen war. Eine Fackel, wie Zelda vermutete. So tief aus ihren Gedanken geholt, brauchte sie einen Moment, um zu antworten. Sie nickte erst stumm und strich sich dann mit den Händen über Augen und Haar. „Ja“, sagte sie schließlich und stand auf. Sie klopfte sich ein wenig Asche und Staub von Oberschenkeln und Ärmeln und räusperte sich leise. Aufregung züngelte sanft in ihr empor, als ihr der Grund für ihr Hiersein wieder bewusst wurde. Der Herr der Wildnis. Die Samen des Prinzessinnenenzians. „Bereit.“ Link schob einige dicke Holzscheite in das Feuer und entzündete die Fackel. „Dann los“, sagte er und wandte sich in Richtung Bergspitze.   Die Pferde begrüßten sie mit einem sanften Schnauben, als sie an ihnen vorbei gingen. Link griff mit der Rechten in seine Tasche und beförderte einen Apfel für je Storm und seinen Hengst daraus hervor. Er kraulte dem Braunen die Ohren und murmelte einige Worte, die Zelda nicht verstehen konnte, die ihr aber dennoch heiße Röte in die Wangen schickte. Die Szene wirkte so intim und vertraut, dass sie einfach nicht anders konnte, als sich abzuwenden. Unerwünschte und beschämende Eifersucht vermischten sich mit einem so akuten Sehnen, dass ihre Kehle ganz trocken wurde. Nicht zum ersten Mal an diesem Abend, war Zelda von sich selbst genervt. Wer war schon eifersüchtig auf ein Pferd? Anscheinend sie selbst. Sie wünschte sich diese Art von Aufmerksamkeit. Von Nähe. Zärtliche Worte und Berührungen. Und es war ärgerlich. Ihr Gefahr und Ungewissheit. Es war so viel anderes so viel wichtiger. Dennoch gelang es ihr einfach nicht, all die albernen Reaktionen, die Wünsche und Gefühle zu unterdrücken. Die jahrelang angeeignete Disziplin erlaubte es ihr nur, all das ein wenig in Schach zu halten. Zelda atmete tief aus, um die innerliche Gereiztheit und Ungeduld mit sich selbst wieder loszuwerden. Gerade rechtzeitig, denn Links leise Schritte scharrten hinter ihr über den felsigen Untergrund und zeugten davon, dass er begann den Weg zum Gipfel wieder voran zuführen. Zelda machte einen Schritt nach vorne, allerdings waren ihre Augen an das warme Licht von Feuer und Fackeln gewöhnt und sie konnte in der Dunkelheit kaum etwas ausmachen. Unsicher blieb sie stehen. „Siehst du das?“, fragte Link keine drei Atemzüge später, als der Lichtkegel der Fackel den Pfad vor Zeldas Füßen wieder erhellte. Aus dem Augenwinkel sah sie, dass er den Blick geradeaus gerichtet hatte, nach oben, zur Bergspitze hinauf. Zeldas Augen folgten ihm. Und wirklich. Wie hätte sie das nicht sehen können? Blaues Licht strahlte in wabernden Schwaden in den Nachthimmel hinauf. Beinahe grünlich, mit Effekten von Weiß und Silber war es seltsam und mysteriös, geheimnisvoll und anziehend zugleich. Zelda musste nicht fragen, was es war. Oder was es auslöste. Es war seltsam, doch der Anblick überraschte sie nicht. Es war die Ruhe, die sie irritierte. Außer dem Wind war es so still, dass es beinahe unheimlich war. Ein so helles Licht, das so tief in ihrem Inneren etwas anrührte, das ihr fremd und vertraut zu gleich war, sollte mit einem unterschwelligen Dröhnen einher gehen. Mit einem Vibrieren oder Schwingen in der Luft. Doch nichts dergleichen. Es blieb stumm. Mit einem Zittern atmete Zelda aus. „Es ist-“, begann sie, brach dann aber ab, weil sie nicht wusste, was sie sagten wollte. War es schön? War es unheimlich? „Ich weiß“, antwortete Link und setzte sich in Bewegung. Zelda folgte ihm, den Blick immer noch auf den Strahl seltsamen Lichts gerichtet. Und es fühlte sich tatsächlich so an, als wüsste Link, was sie meinte, auch wenn sie es selbst nicht so ganz wusste. Nicht das erste Mal teilten sie diese Art unausgesprochenes Verständnis. Sanfte Zufriedenheit erfüllte Zelda und ein kleines Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht, während sie weiter schweigend Schritt für Schritt Links Fackel folgte. Der Weg war nicht besonders weit. Dennoch war es ungewohnt im Dunkeln einen Weg zu laufen, den sie nicht kannte. Der Pfad war wie weiter unten von Gras überwachsen und relativ eben, trotzdem stolperte Zelda mehr als einmal, da sie den Blick einfach nicht von der Bergspitze abwenden konnte. Der Weg führte sie kurz um eine abschüssige Kurve, sonst die meiste Zeit über direkt nach oben. Kalte Luft ließ Zeldas Lungen nach kurzer Zeit brennen und Link brachte sie mehrere Male dazu stehen zu bleiben, damit sich ihr Atem beruhigen konnte. Es war vorausschauend. Denn so würde sie, was auch immer da oben auf sie warten würde, nicht mit dem lauten Schnaufen ihres Atems verjagen. Link gab ihr nur eine kleine Vorwarnung. Bevor sie über einen besonders steilen Abschnitt hinüber waren, hob er kurz die Hand und deutete nach vorne. Absolut stumm. Zelda wagte kaum zu atmen. Und dann, als sie die Steigung noch nicht einmal ganz überwunden hatte, sah sie es. Glitzerndes Wasser. Zarte Farben. Schimmernde Lichter. Dutzende kleine Wesen. Zauberhaft in ihrer Andersartigkeit. Und unter dem riesigen, uralten Kirschbaum, inmitten malerisch fallender Blätter, das majestätischste Wesen das sie je gesehen hatte. Ein Hirsch und doch wieder nicht. Menschlich und intelligent. Weise. Friedlich. Mächtig. Ehrfurcht ergriff Zelda. Sie hätte sich nicht rühren können, selbst wenn sie es gewagt hätte. Und wagen wollte sie es nicht. Ein unwirkliche Ruhe herrschte hier. Ein Ort der nicht von dieser Welt, nicht von dieser Zeit war und dennoch beides mit ihnen teilte. Zeldas Atem kräuselte sich weiß vor ihren Lippen. Kaum zu sehen inmitten des plötzlich aufgekommenen Nebels. Kein richtiger Nebel. Eher das plötzlich nun mehr matt wirkende Licht, das von diesem Ort ausging. Das von den silbrig schimmernden Wesen ausging, die die spiegelglatte Oberfläche der Quelle umringten. Ergriffen starrte sie. Erstarrt in jeglichem Denken und Fühlen. Ergriff und tief bewegt.   Der Herr der Wildnis.   Umringt von gekrönten Wesen, die Zelda vorher nur aus Geschichten und Büchern kannte.   Rumis. Geschöpfe die Glück und Reichtum brachten.   Link hatte sich ebenfalls nicht bewegt. Sie spürte seine Präsenz neben sich, ebenso die absolute Reglosigkeit, die es ihr leichter machte, ebenfalls Ruhe zu bewahren. Nicht die Augen weit aufzureißen und schneller zu atmen. Auf und ab zu springen wie ein junger Hirsch. Einziges Zugeständnis an ihre eigene Lebendigkeit, waren das unterdrückte Heben und Senken ihrer Brust und das Zwinkern ihrer Lider, das sie leider nicht unterbinden konnte. Zelda wusste nicht, wie lange sie so da standen. Irgendwie wusste sie, dass der Herr der Wildnis ihre Anwesenheit bemerkt hatte. Sie duldete, so lange keine Gefahr von ihnen ausging oder sie die Ruhe dieses Ortes störten. Zelda würde sich eher die eigene Zunge abbeißen, als das zu tun. Irgendwann jedoch spürte sie Kälte in ihre Glieder kriechen, nachdem die erste Aufregung und die Unwirklichkeit dieser besonderen Begegnung abgeklungen waren. Plötzlich spürte sie jähe Dankbarkeit für Links Vorbereitung in sich aufwallen. Das Feuer, die Mahlzeit, der wärmende Wams. Ohne all das hätte sie nun wahrscheinlich erbärmlich gefroren. Langsam wandte sie den Kopf in seine Richtung, um zumindest seinen Blick zu suchen, doch im selben Moment fühlte sie, wie er ihre Hand nahm. Zum zweiten Mal froren all ihre Bewegungen vollkommen ein. Dieses Mal wagte sie es tatsächlich nicht einmal zu atmen. Ihre Augen begannen zu tränen, als kalter Wind über ihr Gesicht wehte, aber der instinktive Impuls die Lider zu schließen, ausblieb. Sie spürte wie seine Finger an ihrem Unterarm entlang fuhren. Ihr Handgelenk streiften und schließlich ihre Hand so drehte, dass die Fläche nach oben zeigte. War ihr gerade noch kalt gewesen? Es schien so abwegig, so weit weg, dass ihr Körper jemals wieder nichts anderes als brennende Hitze fühlen konnte. Flammen züngelten ihren Arm empor, sammelten sich in ihrer Brust zu einem lodernden Inferno und entzündeten alle nur erdenklichen Arten von Emotionen. Reaktionen. Schweiß perlte in ihren Nacken. Ein dumpf schlagender Puls begann in ihren Kniekehlen zu pochen. In ihrem Bauch. Ihrem Hals. Dann strich Link mit seiner Hand ihre Finger auseinander. Sanft und behutsam, kaum zu spüren, wären Zeldas Sinne nicht mit jedem bebenden Atemzug mehr an genau diesen Ort in ihrem Körper geflossen. Geruch, Geschmack, Tastsinn. Beinahe war es, als würden ihre Finger sehen können. Erst als er seine andere Hand hob und daraus mehrere kleine, beinahe nicht erkennbare Samenkörner in ihre nun geöffnete Handfläche fallen ließ, wurde Zelda klar, dass ihr Denken für einen Moment vollkommen ausgesetzt hatte. Sie hatte sich nicht gefragt, wieso er ihre Hand genommen hatte. Gezählt hatte nur, dass er es tat. Und wie es sich anfühlte. Und das laute Ja, das sie mit jeder stummen Faser ihres Körpers geschrien hatte. Ja. Ja. Ja! Und, mehr davon!   Und jetzt verstand sie. Sie erinnerte sich. Sie waren hier, um die Samen des Prinzesinnen Enzians zu verteilen. In der Hoffnung, dass sie an diesem besonderen, diesem behüteten Ort aufgehen und erblühen würden. Und Link hatte ihr die Samen geben wollen, ohne dass sie ein Wort sprechen mussten. Zelda schluckte. Versuchte das plötzlich aufgekommene Zittern ihrer Hand zu unterdrücken. Mit wenig Erfolg. Es setzte sich ihren Arm hinauf fort, bis ihr ganzer Körper bebte. Link bedachte sie mit einem fragenden Blick, dem Zelda gern ausgewichen wäre. Stattdessen sah sie ihm fest in die Augen und schloss mit einem schnellen, geräuschlosen Schnappen ihre Hand über dem kleinen, kostbaren Schatz. Dann rieb sie sich in übertriebener Pantomime über die Arme. Gab ihm stumm eine logische und dennoch absolut unwahre Erklärung. „Kalt“, formte sie stumm das Wort mit ihren Lippen. Bevor Link ihr ritterlich eine Lösung für das nicht vorhandene Problem suchen konnte, deutete sie mit dem Kopf an, dass sie sich vorwärts zu bewegen gedacht. Link nickte und deutete mit zwei Fingern nach oben. In Richtung der Spitze des Berges, die über die groß über ihnen aufragende Felsen nur kletternd zu erreichen wäre. Kurz runzelte Zelda die Stirn, während der Nachhall ihrer übermäßig starken Reaktion auf seine Berührung immer noch durch ihr Blut zirkulierte und ihr das Denken erschwerte. Trotzdem nickte sie. Sofort wandte er sich ab. Blitzschnell und dennoch absolut still in seinen Bewegungen. Link hatte den Felsen bereits einige Meter in die Höhe erklommen, da ging Zelda ein Licht auf. Er wollte die Samen von der Spitze des Berges in den Wind streuen. Auf diese Art müssten sie keinen Ort für die Aussaat suchen, sondern der Magie dieses Ortes die Wahl überlassen. Nun, es war eine gute Idee. Es dauerte einen Moment seiner Abwesenheit, bis sich Zelda genügend gefangen hatte, um ernsthaft den Plan zu verfolgen. Wirklich, das wurde immer lächerlicher. Sie wurde immer lächerlicher. Und dabei hatte sie doch gerade noch innerlich dafür beglückwünscht, dass sie sich in seiner Nähe mittlerweile ein wenig besser unter Kontrolle hatte. Vielleicht war es die Plötzlichkeit gewesen. Außerdem war sie vom Anblick des Herrn der Wildnis vollkommen abgelenkt gewesen. Mit einem mentalen Ruck zog Zelda ihren Geist aus dieser Sackgasse heraus. Sie musste sich auf den Moment konzentrieren. Nicht auf die deplatzierte Reaktionen des liebeshungrigen kleinen Mädchens in ihrem Inneren. Dafür wäre später Zeit. Wenn es das überhaupt Wert war. Entschloss setzte sich Zelda in Bewegung. Langsam. Beinahe in Zeitlupe begann sie seitwärts zu laufen. Steuerte die Mitte des Plateaus an, von dem aus die Felsen in den Himmel ragten. Von dieser leicht erhöhten Position erhoffte sich Zelda einen Überblick. Vielleicht würde ihr der ein oder andere Fleck besonders ins Auge fallen. Sie anziehen und zu ihr sprechen. Denn sie wusste, hier, genau hier, in der Nähe der Quelle und des uralten, wunderschönen Baumes, würde sie einen Samen in die Erde setzen. Ihr war nur noch nicht klar wo. Sie konnte Link nicht mehr sehen, als sie schließlich an ihrem Ziel ankam. Er war bereits zu hoch nach oben geklettert. Stattdessen entdeckte sie, dass auch hier wieder nicht ein einzelner Felsen die Spitze bildete, sondern sich dazwischen ein Spalt auftat, ähnlich dem, den sie weiter unten gerade als Lagerplatz nutzten. Ein Weg tat sich weit nach hinten gähnend auf, durch den der Nachtwind hindurch pfiff und die losen Strähnen ihres Haars aufwirbelte. Erneut ließ sich Zelda von der majestätisch silbrigen Schönheit ergreifen. Langsam saugte sie die Details des Ortes in sich auf. Atmete die Kälte und die Anmut ein, ließ die Schauer zu, die sich ihr über Nacken und Rücken ergossen. Sie spürte die tiefen Wurzeln, die von hier aus in das ganze Land zogen. Fühlte die Kraft, die von hier aus ging. Heiliger Boden. Und doch so anders, als es sich in der Zitadelle der Zeit oder an den Quellen der Kraft und des Mutes anfühlte. Hier herrschte eine andere Macht. Eine wildere Macht, die einzig und allein dem Land und dem Leben diente. Die keine Gebete brauchte und keine Statuen. Keine Völker und Könige. Keine Prinzessinnen. Aber die Göttin durchflocht auch diesen Ort. Zelda konnte es spüren. Und sie konnte spüren, dass sie willkommen war. Freude und Demut schossen ihr ins Herz und ließen erstmalig an diesem Tag wirkliche, wahrhaftige Ruhe zu. Langsam machte Zelda einen Schritt nach vorne. Dann noch einen. Das große, mächtige Geschöpf wandte ihr seinen majestätischen Kopf zu. Musterte sie aus seinen vielen Augen.   Ich bin nicht hier, um für mich zu bitten. Ich bitte dich um Zuflucht. Um deinen Segen. Für das Land und seine vielen zarten Bewohner. Für eines deiner Kinder. Das deinen Schutz braucht. Da ich nicht weiß, wie ich ihn geben kann.   Nie hatte sie ein solches Gebet geführt. Ein Gebet, bei dem sie wusste, wen sie ansprach. Bei dem sie spürte, dass es wirklich gehört würde. Bei dem sie wusste, dass es nicht nötig gewesen wäre. Zart stellten sich die feinen Härchen auf ihren Armen auf. Ein Schauer kroch über ihren Rücken, aber Zelda zwang sich, das Schütteln ihres Körpers zu unterdrücken. Sie machte noch einen Schritt. Und noch einen. Dann wandte der Herr der Wildnis seinen Blick ab. Zelda entwich Luft, von der sie nicht gewusst hatte, dass sie sie zurück hielt. Wenn sie vorher geduldet worden war, so war sie jetzt willkommen. Sie spürte es in jeder Faser ihres Seins. Vorher hatten die kleinen, silbrigen Geschöpfe hektisch aufgesehen, wenn sie sich bewegt hatte. Hatten bei ihrem Herren um Antwort ersucht oder waren im Nichts verschwunden. Jetzt duckten sie ihre Köpfe und schienen sie kaum noch wahrzunehmen. Tiefer Frieden erfüllte Zelda.   Danke.   Wie von selbst hoben sich ihre Hände. Bot die kostbaren Samen in der Schale die ihre Handflächen bildeten, dem Schicksal dar. Dann erhob sich der Wind. Eine plötzlich aufkommende, starke Brise, die sich pfeifend durch die Gesteinsverengung hinter Zelda hindurchpresste und ihr das Haar nach vorn über ihre Schultern wirbelte. Der Atem der Wildnis, der die Samen empor hob und sausend hinfort trug. Kapitel 19: Kapitel 18 ---------------------- Die friedvolle Trance hielt Zelda umschlungen, während der Mond seine Reise über den heute so weit entfernt scheinenden Himmel fortsetzte. Sie lächelte. Fühlte sich weich und gelassen. Ruhig inmitten all des Zaubers. Das Wasser schimmerte hell und silbrig, warf das Licht der mystischen, überall um sie herum hüpfenden Kreaturen, glitzernd in die Nacht zurück. Gefangen in der majestätischen Präsenz, stand Zelda einfach nur da. Ohne Gedanken. Ohne Zeitgefühl. Als Links Stiefel hinter ihr auf dem steinigen Boden aufschlugen, so sanft das Geräusch auch war, gedämpft durch den zarten Grasbewuchs, schreckte sie mit einem halb erstickten Keuchen zusammen. Mehrere der Rumis verschwanden augenblicklich. Verpufften in winzigen Wölkchen aus furchtsamer Scheu. Zelda konnte den kleinen Zischlaut nicht unterdrücken, der ihr entfuhr, als sie sich nach ein paar beruhigenden Atemzügen zu ihrem Leibwächter umdrehte. Sie erhaschte gerade noch einen Blick auf das amüsierte Zucken seiner Lippen, bevor die verschwindenden Rumis das letzte silbrige Licht mit sich nahmen. „Wirklich toll.“ Es gelang ihr nicht wirklich genügend Ärger auszudrücken, während sie gleichzeitig versuchte leise zu sprechen, um die restlichen Wesen auf dem Plateau nicht auch noch zu verjagen. Aus dem Schatten antwortete Link mit einem Schnaufen. Zelda verzog das Gesicht, zu gleichen Teilen amüsiert und enttäuscht. „Sie sind gleich wieder da“, flüsterte ihr Leibwächter, nun ganz nah hinter ihr. Oh, er war gefährlich, wenn er flüsterte. Seine Stimme senkte sich zu einem sonoren Raunen hinab, das über sie hinweg strich. Umschmeichelnd und glatt und rau und heiser. Eine kratzige Liebkosung, die ihre Nackenhaare dazu brachte, sich mit einem Schaudern aufzustellen. „Wirklich?“ Sie klang ein wenig atemlos, hoffte aber, dass Link es ihrem Versuch leise zu sprechen zuschob. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie er nickte. Er stand nun neben ihr und betrachtete ebenfalls den Herrn der Wildnis, der in ruhiger Hoheit majestätisch da stand und Hof über die wenig verbliebenen Rumis hielt. „Es braucht einen Moment“, sagte er leise, wieder in diesem gefährlichen Flüstern, das für Zeldas Ohren erschreckend sinnlich klang, „aber sie kommen wieder. Und es geht schneller, wenn man kurz verschwindet.“ Zelda antwortete mit einem unverbindlichen Summen. Sie hatte ein wenig Schwierigkeiten seinen Worten zu folgen, wenn er so nah bei ihr stand, dass sich ihrer beider Atem in sichtbaren kleinen Wolken aus weißem Nebel vermischte. „Hast du die Samen verstreut?“, fragte Link nach einer Weile, während sie in stiller Übereinkunft die mystische Szene beobachteten. Zelda nickte. „Er hat mir dabei geholfen“, antwortete sie leise, beinahe stimmlos. Ihr starrer Blick nach vorne ließ keine Zweifel daran, wer er war. „Du?“, fragte sie nach einigen Atemzügen, nachdem Link nicht reagiert hatte. Er schüttelte den Kopf und Zelda hob eine Augenbraue, während sie ihn von der Seite ansah. „Ich habe noch welche.“ Er warf ihr einen schnellen Blick zu. Der immer wieder aufbrausende Wind hatte ihm Strähnen seines ohnehin ständig wirren, blonden Haares in die Stirn geweht und seine Frisur wirkte mehr denn je, als hätte er sich den Aufwand eines Haarbandes eigentlich sparen können. Zelda gefiel es. Es verlieh ihm das herrlich ramponierte Aussehen eines Schurken. Ungezähmt und ein kleines bisschen wild. Verwegen. Süß. „Uh-hm“, machte sie unverbindlich. „Ich dachte, wir könnten morgen früh noch welche pflanzen.“ Wieder warf er ihr einen schnellen Blick zu. „Wenn du möchtest.“ Eine sonderbare Energie schien von ihm auszugehen. Eine Art Vibrieren, die Zelda bekannt vorkam. Die für ihn sonst so typische stoische Ruhe fehlte. Die Aura von Unverwüstlichkeit, die ihn sonst umgab. Da Zelda ihn so nur kannte, wenn er für Wochen gezwungen war, an ihrer Seite im Schloss zu verbringen, brauchte sie eine Weile, um zu erkennen, was mit ihm los war. Er konnte nicht angespannt sein, weil er die Wildnis und das Abenteuer vermisste. Die typische Zufriedenheit, die sich nach langem Eingesperrt sein hinter den Schlossmauern einstellte, war den ganzen Tag schon deutlich an ihm lesbar gewesen. Sie rollte an ihm auf und ab wie ein Schwarm aus unsichtbaren Insekten. Also war es etwas anderes. Zelda blinzelte, vom Verstehen völlig perplex: Er war verunsichert. Deutlich weniger sichtbar, als es bei jedem anderen gewesen wäre. Aber für Zelda dennoch zu erkennen. Wenngleich ihre Erkenntnis sie nicht minder verwirrte. Link war verunsichert. Wegen der Prinzessinnen-Enzian-Samen? Nachdem er ihr dieses wunderbare, unbezahlbare Geschenk gemacht hatte? „Natürlich“, sagte Zelda mit Nachdruck. In der dröhnenden Stille dieses surrealen Ortes klang ihre Stimme so laut wie ein Donnerschlag. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie die restlichen Rumis verschwanden. Link wandte ihr den Kopf zu. Die schnelle Bewegung brachte den Herrn der Wildnis dazu, sich ebenfalls aufzulösen. Er verschwand im Nichts seiner Magie und hinterließ nichts weiter als die Erinnerung an ihn. Ein wenig irritiert folgte Link der wandelnden Szene, bis er beinahe sofort wieder ihren Blick suchte. Die Unsicherheit war aus seiner Miene verschwunden. Stattdessen sah er sie fragend an. Zelda nutzte den Moment, um ihn an der Schulter zu berühren. Keine sanfte Geste, die sie mit zärtlicher Scham erfüllte, sondern ein robustes Greifen, das ihre Worte untermauern sollte. „Link“, begann Zelda mit so viel Nachdruck, wie sie aufbringen konnte, während ihre Finger das feste Fleisch seiner Schulter drückten. Sie schluckte und ließ ihre Hand wieder sinken. „Ich danke dir“, fuhr sie fort. Versuchte den sonderbaren Moment zu überbrücken, keine Aufmerksamkeit darauf zu lenken, dass sie ihn berührt und damit die unausgesprochene Regel zwischen ihnen gebrochen hatte. Sie initiierte keinen Körperkontakt. Das war nur Link erlaubt und auch nur dann, wenn Zeldas Sicherheit oder ihr seelisches oder körperliches Wohlbefinden dies vonnöten machte. „Ich habe keine Worte dafür, was es mir bedeutet“, sagte Zelda, nun mit wesentlich leiserer, von der Vielzahl an Emotionen beinahe erdrückten Stimmte. Sie legte den Kopf ein wenig schief, als sie in sich nach Möglichkeiten suchte, sich dennoch auszudrücken. Ein frustrierter kleiner Laut entfuhr ihr, ein ersticktes Ausatmen, bei dem sich ihre Lippen aufeinander pressten. Sie sah wie Links Blick der zarten Bewegung folgte, seine Augen für einen kurzen Moment auf die untere Hälfte ihres Gesichtes fixiert, bevor das verheerende Blau Zelda wieder in ihren Bann schlug. Sie spürte, wie ihr Herz wieder einen verrückten, schnellen Rhythmus aufnahm und sie war froh um den wieder aufgekommenen Wind. Ansonsten hätte ihr Leibwächter mit den feinen Sinnen bestimmt das Donnern in ihrer Brust gehört und die eindeutigen Schlüsse gezogen. Stattdessen betrachtete er sie weiterhin mit der ihm so eigenen unerschütterlichen Ruhe. Ließ ihr Zeit, nach den Worten zu klauben, die ihr immer wieder zu entwischen drohten, während Zelda versuchte, ihre Dankbarkeit von den anderen, tieferen Gefühlen zu trennen, die durch sie hindurch pulsierten. Sie lächelte ein wenig zittrig. „Die Hoffnung die du mir schenkst, immer und immer wieder“, flüsterte sie und hob in einer hilflosen Geste die Schultern, „Link, du kannst nicht wissen, wie sehr du mir damit hilfst.“ Sie schluckte. Blinzelte um die aufsteigenden Tränen herum, die aus dem Nichts kamen und ihre Augen brennen ließen. Links Stirn runzelte sich, als er so schnell und sicher wie immer ihre innerliche Aufruhr erkannte. Sie sah, wie er Luft holte, wahrscheinlich um etwas verzweifelt Perfektes zu sagen, was ihr die restliche Selbstbeherrschung rauben und sie heulen lassen würde, wie ein kleines Mädchen. Wie das kleine Mädchen, das sie immer noch war, tief in ihrem Inneren. „Nein“, entfuhr es ihr, lauter als gewollt in ihrem Verlangen dieses eine Mal auszudrücken, was für ein Geschenk seine bloße Anwesenheit für sie war. Wieder ließ Zelda die Hand fallen, die sie im unbewussten Verlangen ihn zu stoppen, ausgestreckt hatte. „Ich sage es nicht häufig genug, denn würde es es immer tun, wenn es nötig wäre, würde ich nichts anderes mehr tun.“ Sie holte tief Luft. „Aber ich danke dir. Ich danke dir für alles, Link. Für deine Güte und deine Stärke. Deine Beständigkeit. Und deinen Glauben.“ Einmal angestoßen, flossen die Worte aus ihr hervor, wie ein lange angestauter Gebirgsbach. Überschlugen sich fast in der Hektik, mit der sie gesprochen und gehört werden wollten. „Himmel“, hörte Zelda sich zu ihrer Demütigung krächzen, „was danke ich dir für deinen Glauben.“ Mit einem Hicksen brach der erste Schluchzer aus ihrer hervor. In einer Geste der Abwehr schüttelte sie den Kopf. Wilde Haarsträhnen flogen um ihren Kopf. Allem Anschein nach war Links Frisur nicht die einzige, die der Wind in einen Zustand beinahe vollständiger Auflösung überführt hatte. Nasse Tropfen flogen über Zeldas Gesicht, trafen sie an der Stirn, dem Kinn, den Lippen, als sie durch die Kraft ihres Kopfschüttelns von ihrem normalen Fließweg die Wangen hinab, abgedrängt wurden. Zelda hörte, wie Link leise fluchte. Wenig später spürte sie seine Hände an ihren Armen. Fühlte wie er sie vorwärts zog, während er mit rauer Stimme beruhigende, kehlige Laute formte. Wieder stoppte sie ihn. Mit beiden Handflächen, die auf seine Brust stießen. Warm und stark und unter ihren behandschuhten Fingern konnte sie das schnelle Heben und Senken deines Atems spüren. Fühlte das noch schnellere Beben seines Herzens. Im Einklang mit dem Ihren. Ruckartig hob Zelda die Hände. Riss ihre Arme fort von Sehnsucht und Einbildung, von Irrglaube und Interpretation. „Nein!“ Ihre Stimme war laut in der Nacht. „Nein“, wiederholte sie ruhiger, nachdem sie sich zu einem tiefen Atemzug hatte zwingen können. Zelda sah auf in sein Gesicht, so nah vor ihr. So vertraut. So geliebt. Das Verlangen ihn zu berühren, verbrannte ihr beinahe die Finger. Krümmte sie zusammen und ließ ihre Mundwinkel tragisch erzittern. Immer noch hielt Link sie umklammert, unnachgiebiger Halt, der sie aufwühlte und beruhigte zugleich. Aber er gestattete, dass sie sich in seinem Griff zurücklehnte, wenngleich er sie auch nicht völlig los ließ. „Ignorier‘ die Tränen. Bitte. Sie haben keine Bedeutung“, sagte Zelda und fixierte ihn mit ihrem Blick. „Ich bin dir nur so, so dankbar.“ Ihre Stimme wankte. Klang so feucht und erbärmlich wie ihr Gesicht sich anfühlte. „Ich war an einem dunklen Ort, als du in mein Leben getreten bist“, flüsterte sie. Ein wenig sicherer, nun, das sie Zugriff gefunden hatte zu einer der Kammern, die ihre Gefühle für diesen Mann beherbergten. Dieser Mann, der seit Äonen von Jahren in unübertroffener Treue, in größter Gefahr und Verzweiflung immer wieder an ihrer Seite stand. „Zu diesem Zeitpunkt wusste ich es nicht, aber ich war einsam und verzweifelt und ohne jede Hoffnung.“ Wieder schüttelte Zelda den Kopf, diesmal aus Unglauben dass sie wirklich diese Worte sprach. Das sie in die Welt hinaus ließ, was so lange in ihr geschlummert hatte. Dass sie ausdrückte, was in den Tiefen ihres Herzens gegärt hatte und nun, mit jedem kleinen Wort, das ihr entfloh, mit Leichtigkeit ersetzt wurde. „Ich hatte nichts anderes für dich, als Bitterkeit und Neid und Wut. Und trotzdem hast du an mich geglaubt.“ Etwas wie Ablehnung huschte über Links Gesicht. Aber Zelda ließ sich davon nicht beirren. Es war seine typische Reaktion von Lob auf etwas, das sich für ihn selbstverständlich anfühlte. Welches Zeichen hätte sie noch dafür gebraucht, dass er all diesen Lob und noch so viel mehr verdiente? Die Erinnerung an ihr unverzeihliches Verhalten ihm gegenüber, ließ frische Wut in ihr aufsteigen. Sie stieß ein zorniges Geräusch aus. „Doch, Link, du musst das hören“, brach es aus ihr heraus. Die Gewalt der Emotionen brachte sie dazu, die Barriere ihrer Scheu ihn zu berühren, zu überwinden. Mit beiden Händen griff sie in das Reckengewand, vergrub die Hände in den festen Stoff und zog. Versuchte die Stärke ihrer Empfindungen mit einem Schütteln zu untermauern. Sie hätte genauso gut versuchen können, einen Stein zu bewegen. Doch es spielte keine Rolle. Genauso wenig wie Links Hände, die sich um ihre Handgelenke schlossen. Sie war zu sehr in ihrem Ausbruch gefangen, als das sie der Hitze große Aufmerksamkeit schenken konnte, die von seiner Haut ihre Arme hinaufkroch. „Ich weiß, dass du es nicht als Besonders empfindest. Dass du zu mir gehalten hast, auch wenn ich beinahe alles getan habe, um dich zu fortzustoßen. Aber das ist es.“ Sie lachte ein amüsiertes, ungläubiges Lachen. „Niemand hat an mich geglaubt. Niemand!“ Wie eine Verrückte klammerte sie sich an ihn, riss am Stoff seines Gewands und stierte in sein vertrautes, loyales Gesicht. Sah wie seine Miene in kleinen Nuancen immer besorgter wirkte. Sah es an dem Winkel seiner ausdrucksstarken Augenbrauen. An der Spannung in Stirn und Kiefer. Dem strengen Zug um seine schönen Lippen, der sich gebildet hatte, während seine wunderbaren Augen ihr unhörbare Worte einflüsterten. Sie spürte, wie seine Hände begonnen hatten, beruhigend an ihren Unterarmen auf und ab zu streichen. Nicht viel, nur eine kleine, langsame Berührung, die mit hypnotischer Kraft Ruhe in ihr erregtes Gemüt brachte. Dennoch konnte Zelda nicht aufhören. „Aber du glaubst an mich“, sagte sie. Ruhiger als zuvor, gefasster, aber nicht mit weniger Stärke. „Egal was ich tue, wie sehr ich auch scheitere. Du bist immer da.“ Ihre Stimme hatte sich zu einem Flüstern herabgesenkt, während ihre Hände sich aus der krallenartigen Verkrampfung lösten, mit der sie Links Gewand zerknüllt hatten. Flach lagen sie erneut auf seiner Brust. Doch immer noch war sie zu sehr in der reißenden Energie ihres Ausbruchs gefangen. „Und manchmal glaube ich, dass ich nicht mehr brauche als das. Dass es dein Glaube ist, der mich aufrecht hält. Deine Kraft, der ich würdig sein will.“ Zelda leckte sich über ihre Unterlippe, die sich von ihren gekrächzten Worten rau und trocken anfühlte. Sie spürte, wie sie aus dem plötzlich aufgekommenen Sturm ihres Geständnisses in die Ruhe des Augenblicks zurückfand. Links Blick verankerte sie auf dem Boden unter ihren Füßen. Seine Berührung ließ sie ihren Körper wieder richtig wahrnehmen. Sein Atem unter ihren Händen und in dem rhythmisch wiederkehrenden warmen Hauchen, das über ihr Gesicht strich, gaben ihr ein Gefühl für Zeit. Er betrachtete sie ernst und abwartend, nicht mehr bescheiden abwehrend. Eine Falte hatte sich auf seiner Stirn gebildet, während sein Blick zwischen ihren Augen hin und her flog, ihre Aufmerksamkeit an sich band, aber sie einfach gewähren ließ. Wie immer verstand er genau, was sie brauchte. Am liebsten hätte sie mit den Fingern über seine Stirn gestrichen. Die kleine Falte geglättet und die Anspannung aus seinen Zügen gebügelt. „Also, lass mich Danke sagen“, wisperte sie. „Für alles.“ Sie lächelte, während sich ein wenig von der früheren Ruhe über sie legte. „Und für das hier.“ Sie nickte hinter sich. „Diese Blume bedeutet mir sehr viel. Ich fühle mich ihr so verbunden.“ Wieder leckte sie sich über die Lippen. „Und jetzt habe ich das Gefühl, dass sie eine echte Chance hat.“ Das Lächeln verschwand von ihrem Gesicht. „Dass ich eine Chance habe.“     Die Stille zwischen ihnen war ein wenig aufgeladen, als sie den Weg zu ihrem Lagerplatz antraten. Zelda konnte es Link nicht verübeln. Sie war so weit in den Bereich vorgedrungen, den er ihr als angenehm abgesteckt hatte, dass es sie selbst mit Unwohlsein erfüllte. Aber gleichzeitig fühlte es sich unendlich gut an, ihm ein wenig von dem offenbart zu haben, was sie für ihn empfand. Etwas von dem, das nicht gefährlich war. Sie fühlte sich erleichtert. Nicht mehr länger als wäre sie kurz davor, vor lauter Gefühlen für ihn zu bersten. Außerdem war es notwendig. Link sollte wissen, wie tief die Dankbarkeit ging, die sie für ihn empfand. Auch wenn es ihm unangenehm war. Auch wenn es ihr unangenehm war. Zelda zuckte ein wenig zusammen, als ihr die frische Erinnerung in den Kopf schoss. Die unangemessene Nähe. Der unschickliche Körperkontakt. Die aufgeladenen Blicke. Die hektischen Bewegungen, mit denen sie sich von einander gelöst hatten. Die unausgesprochenen Worte danach. Ihr Ausbruch war ungeschickt, stürmisch durcheinander und mehr als peinlich gewesen. Und sie sollte sich danach nicht derartig befreit und glücklich fühlen. Wirklich nicht. Sie hatte Link beschämt. War ihm wirklich unanständig nah gekommen. Ein kleines Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht. Und vor die Wahl gestellt, würde sie es wieder tun. Es war, als wäre eine schwere Last von ihrer Brust genommen worden. Auch wenn sie Link nie das volle Ausmaß ihrer Liebe zeigen würde, so durfte sie zumindest das: ihm versichern, wie wichtig er ihr war.   Das Feuer das Link vor einigen Stunden entfacht hatte, glühte noch schwach, als sie in den dunklen Schutz der natürlichen Felsenschlucht traten. Sofort kniete er sich nieder und fachte mit einigen kräftigen Atemzügen neue Scheite an, die er über die Glut schichtete. Er ignorierte sie nicht direkt, war aber deutlich entrückter, als er es sonst war. Zelda verstand, dass er ein wenig Abstand brauchte. Sie hatte ihn erschüttert. An den festen Gittern des hohen Zauns gerüttelt, den er um sich errichtet hatte. Ihre Dankbarkeit erfüllte ihn mit Unwohlsein, weil sein eigenes Handeln für ihn so selbstverständlich war. Sie komplementierte etwas, das er einfach war. Etwas, das er sich nicht mit Kraft und Disziplin erarbeitet hatte, wie so vieles andere in seinem Leben. Verdammter, bescheidener Kerl! Das war ein Charakterzug, den Zelda nicht mit ihm teilte. Sie konnte auch keine Ansprüche an der Tatsache geltend machen, dass ihr Haar blond und ihre Augen grün waren. Trotzdem erfreute es sie, wenn man ihr deswegen schmeichelte. Aber mittlerweile kannte Zelda ihren Leibwächter gut genug um zu wissen, dass Lob und Preisung, ihn eher noch mehr unter Druck setzten. Ihm verdeutlichten, wie sehr er unter Beobachtung stand. Nicht dass er unbedingt fürchtete, dass man ihm das Lob wieder entziehen könnte. Er betrachtete es eher als seine Pflicht, dieser Preisung gerecht zu werden, sobald sie vergeben wurde. Zelda seufzte, während sie auf Link hinunter starrte, der immer noch ins Feuer pustete, obwohl bereits neue Flammen an dem frischen Holz leckten. Es war ziemlich deutlich, dass sie ihn aus dem Konzept gebracht hatte. Denn anders als alle anderen, dankte sie ihm nicht nur seine Fähigkeiten und Taten. Sondern sein ureigenes Wesen. Allem Anschein nach wusste Link nicht wie er damit umgehen sollte. Der Gedanke erfüllte Zelda mit amüsierter Trauer. Eine sonderbare Mischung an Gefühlen. Um Link nicht weiter anzustarren, bückte sie sich nach der Wasserflasche, die aus dem Deckengewirr ihrer temporären Bettstatt hinausschaute. Kühles Wasser rann ihren Hals hinab, als sie zum Trinken ansetzte und legte sich angenehm über ihre von Kälte und Emotionen raue Kehle. Sie warf die Flasche in dem Moment zu Boden, als Link sich aus der knienden Position erhob. Er betrachtete sie kurz von der Seite, schaffte es, sie einer gründlichen Bestandsaufnahme zu unterziehen und gleichzeitig ihren Blick zu meiden. Am nächsten Tag würde sie das vielleicht amüsieren. Aber jetzt fühlte sich Zelda ziemlich unwohl. Das Bedürfnis irgendetwas etwas zu sagen, um die aufgeladene Stille zwischen ihnen zu durchbrechen, war überwältigend. Aber ihr fiel einfach nichts sein. Ihr Kopf war wie leer gefegt. Weswegen sie wohl keine Schuld traf, dass sie einfach drauf los plapperte, als Link das Bannschwert aus der Scheide auf seinem Rücken zog und damit einen großen, flachen Stein aus dem Feuer schob. Erst irritierte Zelda sein Handeln. Dann, als er den Stein näher in Richtung ihres Bettlagers stieß, verstand sie. „Oh“, machte Zelda überrascht und beobachtete, wie Link sich bückte und den Stein mit einer der Decken auf ihrem Lager umwickelte. Wie nicht zum ersten Mal an diesem Tag, löste der Anblick seiner Voraussicht und Fürsorglichkeit bis tief in ihre Knochen Wärme in ihr aus. Es war also wirklich, wirklich nicht ihre Schuld, dass sie herausplatzte: „Einen heißen Stein legt mir Mina auch immer ins Bett, wenn ich meinen roten Flu-“. Sie stoppte sich erst im allerletzten Moment. Und da war es eigentlich bereits zu spät. Es gab kein Szenario, in dem Link, aufmerksamer, kluger, scharfsinniger, geistesgegenwärtiger Link, nicht genau wusste, was Zelda hatte sagen wollen. Gerade so konnte sie den Impuls unterdrücken, sich mit der Hand vor die Stirn zu schlagen. Das kleine beschämte Stöhnen das ihr entfuhr, konnte sie jedoch nicht zurückhalten. Ebenso wenig wie sie verhindern konnte, dass ihre Augen sich in einer winzigen Bewegung nach oben rollten. Wo war nur ihre über Jahre anerzogene Zurückhaltung geblieben? Die damenhafte Schamhaftigkeit? So viel zu weiblicher Zartheit und femininen Mysterien. Zelda, du Trottel! „Wenn es kalt ist“, fuhr sie in einem hastigen Versuch von dem eben Gesagten abzulenken fort. Erneut wollte sie sich vor die Stirn schlagen. Stattdessen zwang sie sich zu einem Lächeln, während sie spürte, dass ihre Wangen sich mit verräterischer Hitze füllten. Sie sah wie Link ihr von der Seite einen kurzen Blick zu warf. Auch wenn im Feuerschein auf seinem Gesicht der typische neutrale Ausdruck beleuchtet wurde, der rein gar nichts darüber verriet, was ihm vorging, vermutete Zelda, dass er ganz genau wusste, was sie hatte sagen wollen. Noch mehr Blut und Hitze schossen ihr in die Wangen und sie sah zu Boden, um ihre kindisch beschämte Reaktion zu verbergen. Das würde alles noch offensichtlicher machen. „Ich werde nach den Pferden sehen.“ Zelda blinzelte und sah auf. Link hatte sich bereits zur Bergseite hin gewandt, die außerhalb des Lichtkegels des Feuers in vollkommener Dunkelheit da lag. Er verharrte. Bis Zelda wortlos nickte. Erst dann setzte er sich in Bewegung und verschwand beinahe lautlos aus dem Schutz der Felsnische. Da es nicht wirklich einen Grund dafür gab, nach den Pferden zu sehen, vermutete Zelda, dass Link ihr ein wenig Privatsphäre verschaffen wollte. Sie wartete einige Augenblicke ab, in denen sie nur dem Rauschen in ihren Ohren lauschte und einfach nur hoffte, dass er außer unmittelbarer Hörweite war. Dann ließ sie das angestaute, gedemütigte Stöhnen los, das ihr in der Kehle steckte. Dumm. Dumm. Dumm. So dumm! Zelda verzog das Gesicht und hob beide Hände, um sich damit über die Stirn zu reiben. Sie seufzte gepeinigt. Dann, wie um der Welt zu beweisen, dass sie endgültig verrückt war, lachte sie. Ein kleines hysterisches Kichern, das eher klang, als hätte sie Schluckauf. Nicht nur, dass sie Link in dieser Nacht bedrängt und ihm ihre Gefühle aufgedrängt hatte. Jetzt hatte sie ihn endgültig dazu gebracht, vor ihr die Flucht zu ergreifen. Tränen und unangebrachte körperliche Nähe waren auszuhalten. Aber die Erwähnung urweiblicher Eigenheiten war letztendlich selbst für ihren standhaften Leibwächter zu viel. Vielleicht tat sie ihm auch Unrecht und Link wollte ihr nur einen Moment Zeit geben, um sich selbst zu ordnen. Sich die längst überfällige mentale Ohrfeige zu verpassen. Und damit sie ihre Kleidung wechseln oder etwas anderes tun konnte, das verlangte, dass er ihr den Rücken zudrehte. Seufzend ging Zelda einige Schritte in die entgegengesetzte Richtung, in die Link aus ihrem Blickfeld verschwunden war. Trat heraus aus dem Lichtschein, den das Feuer warf, weiter nach hinten zwischen die Felsen. Dort nahm sie all ihren Mut zusammen und hockte sich so nah am Abgrund auf den Boden, wie es ihr möglich war, um sich erleichtern. Die kalte Nachtluft tat ihr Möglichstes, um ihr mit eisigen Zangen in die Beine zu kneifen und als sich Zelda wieder erhob, zitterte sie am ganzen Leib. Zurück am Lager, schnürte sie ihre Stiefel auf und kroch in das weiche Deckenlager, das sie wohlig und warm empfing. Erneut entglitt ihr ein sanftes Seufzen, während sie in die Flammen starrte. Das rot-goldene Tanzen des Feuers beobachtete und sich davon bannen ließ. Auf der Seite liegend glitt sie hinüber in eine Welt, in der es nur Wärme und Weichheit zu geben schien. Diese Nacht fühlte sich an wie ein Traum. Für einen Moment fühlte sie sich sicher und geborgen. Von Hoffnung erfüllt. Vielleicht würden die Samen, die sie auf dem Berg verstreut hatten, keimen und wachsen. Zur Blüte kommen und sich erneut aussähen. Sicher würden es einige der kleinen Samenkörner schaffen. Es musste einfach so sein. Zelda fühlte es tief in ihrem Herzen.   Sie wusste nicht wie viel Zeit vergangen war. Nur wenige Augenblicke oder Stunden, ob sie geschlafen hatte, oder nicht, aber als sie das nächste Mal blinzelte, war Link wieder da. Er hockte wenig entfernt am Feuer und starrte hinein. Völlig unbeweglich. Der Schein der Flammen spiegelte sich in seinen Augen wider wie winzige Feuergeister und tauchten sein Gesicht in goldene Schatten. Schlaftrunken bewegte Zelda den Kopf. Das sanfte Gleiten von Haut auf der weichen Unterlage der Decken reichte aus, um Link aus seiner Trance zu holen. Als er den Kopf in ihre Richtung drehte, beleuchtete das Feuer die eine Hälfte seines Gesichts, während die andere im Schatten lag. Golden schimmerte der blonde Schopf seines Haars im warm flackernden Licht und setzte ihm eine Krone aus Zwielicht auf. Etwas erblühte in Zelda bei diesem Anblick. Etwas, das sich wie eine Erinnerung anfühlte und gleichzeitig nicht. Ein vages Erkennen, das Wissen von etwas, das sie nicht erklären konnte und im trägen Dahinfließen dieses Wachtraums auch keine Chance hatte zu begreifen. Sie wusste nur, dass sie gefährlich nah davor war, ihm ihr Herz zu schenken. In Worten. Mit Gesten. Verzweifelnd und drängend. Mit der Gewalt von Jahren unterdrückter und umgeleiteter Liebe. Mit der naiven Unschuld eines Mädchen und der hitzigen Kraft noch nicht ganz erwachter Weiblichkeit. Worte wollten in Zelda aufsteigen. Wollten auftauchen aus den dunklen Wogen ihrer Seele. Wollten gesagt werden. Gehört werden. Vielleicht war es einfach Glück, dass sie in diesem Moment ein wenig mehr aufwachte. Vielleicht auch der Rest jahrelanger Disziplin. Vielleicht purer Selbstschutz, der auf sie Acht gab, selbst in solch gefährlich entspanntem Wohlgefühl, gefangen zwischen Schlaf und Wachsein. Doch etwas in Zelda erkannte die Situation und schaffte es, das Tor zu schließen, aus dem ihr Herz beinahe hinaus galoppiert wäre. Im letzten Moment wie es schien, denn etwas in Links Blick flackerte und wurde aufmerksam. Schärfte sich und bohrte sich in sie hinein. Als würde er es wissen. Dass es da etwas gab, das zu ihm wollte. Und als würde er es hervor locken wollen. Es gelang ihm. Zumindest ein wenig. Das Bisschen, das Zelda nicht hatte zurückhalten können, quetschte sich durch die unnachgiebige Mauer, die sie kaum geschafft hatte, hochzuziehen. Sie konnte es nicht festhalten. Und es flog von ihren Lippen wie ein Geständnis. „Bleib bei mir“, flüsterte sie. Zelda wusste nicht, was sie meinte. Nicht wirklich. Denn er war nicht dabei, zu gehen. Für die Nacht würde er genau das tun. Hier bleiben. Bei ihr. Um über sie und ihren Schlaf zu wachen, wie so viele Nächte davor. Denn das war seine Aufgabe. An ihrer Seite zu bleiben. Es war seine Aufgabe. Aber Zelda wünschte sich, dass er genau dort war, dort bleiben würde, bis ans Ende aller Tage, weil er es wollte. Und nicht nur bei ihr. Sondern näher. Immer noch näher. In ihrem Herzen. An ihrem Körper. In ihrem Geist. Und sie hätte nicht die Kraft ihn zu halten, sollte er jemals gehen wollen. Im schläfrigen Halbwachzustand, in dem sie sich befand, konnte sie Links Reaktion noch weniger lesen als sonst. Aber sie meinte, sich einzubilden, dass ihre Bitte ihn Kraft kostete. Es war, als würde der Glanz in seinen Augen matter werden, bis sie nur noch vom Widerschein des Feuers erleuchtet wurden. Kurz zuckte etwas in de Zügen seines Gesichts auf. Bitterkeit? Abwehr? Zelda wusste es nicht. Sie wusste nur, dass seine Reaktion sie jeglicher Illusionen beraubte, die irgendwie in einem Hinterzimmer ihres kleinen Mädchenherzens überlebt hatten, trotz ihrer Vorsicht. Zelda schlug die Augen nieder. Verschloss sich vor der Antwort auf die dutzenden ungestellten Fragen, die in den drei Worten gelegen hatte, die Link aus ihr hervor gekitzelt hatte. Sie war zu müde, um wirklich zu verstehen. Zu weit in die Unterwelt von Schlaf und Traum vorgedrungen. Aber vage Erleichterung mischte sich mit offenbarendem Schmerz.   Die Erinnerungen an die Nacht flogen nur in Fetzen an ihr vorbei, während sie am nächsten Morgen müde und lustlos die Getreidegrütze aß, die Link ihr als Frühstück auftischte. Auch als sie ihm hinterher kletterte, nachdem sie beschlossen hatten, die übrig gebliebenen Samen um den Satori Berg herum zu verteilen, war es eher eine vage Ahnung, ein seltsames Gefühl, das ihr zwischen den Schulterblättern zu sitzen schien. Erst gegen Nachmittag, nachdem sie schwitzend und mit schmerzenden Gliedern von ihrer Bergerkundung zu ihrem Lagerplatz zurückkehrten, um hastig einige getrocknete Früchte und kaltes Wasser aus Links mitgebrachtem Vorrat zu verzehren, fiel Zelda ein, was sie in der Nacht vor sich hin gemurmelt hatte. Wie nah sie davor gewesen war, all die Geheimnisse ihres Herzens zu verraten. Es fiel ihr ein, als sie Link dabei zusah, wie er mit schnellen und vertraut effizienten Gesten ihr Lager zusammenpackte und schließlich mit dem Stiefel Erde über die noch vom Frühstück heiße Asche schob. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Zelda gedacht, dass ihre Unsicherheit und ihre zurückhaltende, plötzliche Schüchternheit damit zu tun hatte, wie sie sich auf der Bergspitze verhalten hatte. Der übermäßig emotionale Ausbruch, für den sie sich zwar nicht wirklich schämte, von dem sie aber wusste, dass er Link unangenehm gewesen war. Dann ihr peinlicher Ausrutscher mit dem heißen Stein. Sie wollte immer noch am liebsten den Kopf darüber schütteln, wenn sie daran dachte. Aber dass die seltsame Aufladung die sie spürte, noch mehr Gründe hatte, war ihr erst bei diesem Anblick wieder eingefallen. Ihre gemurmelte Bitte. Das verzweifelte Gefühl ihn mit irgendetwas an sich binden zu müssen. Und die kurz aufflackernde Bitterkeit in Links Augen. Obwohl Zelda im hellen Licht des Tages, immer noch von der Anstrengung der Kletterei und Sucherei nach guten Pflanzplätzen, nicht mehr sicher war, ob sie sich auf diese nächtlichen Interpretationen seines Gesichts verlassen konnte. Es war nicht das erste Mal, dass sie die falschen Schlüsse gezogen hätte, was sein Verhalten anging. Sie musste nur an den Anfang ihrer Bekanntschaft denken. Und sie konnte sich immer noch nicht richtig erinnern, was in der Nacht genau geschehen war. Weil kaum etwas geschehen war. Einzig und allein ihre zweifelhafte Erinnerung, die immer wieder aufflackerte und sich ihr dann wieder entzog, wie es so typisch mit Träumen und Halbträumen und unbewussten Eindrücken war. Link hatte bereits die beiden Pferde gesattelt und das Gepäck verteilt, als Zelda beschloss, es einfach ruhen zu lassen. Es hatte keinen Zweck weiter darüber nachzudenken. Zurücknehmen konnte sie es sowieso nicht. Genauso wenig wie alles andere, was in der Nacht geschehen war. Also brachte sie ein hoffentlich glaubwürdiges Lächeln zustande, als Link ihr mitteilte, dass sie die Pferde an einem weiter unten gelegenen kleinen Teich tränken würden. Er half ihr aufzusitzen und auf ihr leises Schnalzen hin, setzte sich Storm in Bewegung, den Berg hinunter. Allerdings half es Zelda nicht allzu sehr dabei, das ungute Gefühl abzuschütteln, das immer noch wie ein nicht erreichbares Kratzen, zwischen ihren Schulterblättern zu sitzen schien.   Es war nicht Links Art Zeit zu vertrödeln. Deswegen war Zelda nicht wirklich darüber beunruhigt, dass die Sonne ihren Zenit längst überschritten hatte, als sie am Fuß des Berges ankamen und langsam in Richtung des Hauptweges ritten. Es war ein schöner Tag, ein laues Lüftchen wehte und hübsche Schäfchenwolken glitten sanft über einen strahlend blauen Himmel. Ab und an wurden kleine Blätter und Blüten durch die Luft gepustet, reflektierten das Licht der ganz langsam dem Abend entgegen schreitenden Sonne und tauchten die Umgebung in eine zusätzliche Aura aus goldener Lebendigkeit. Zelda genoss es, sich faul im Sattel hin und her schwanken zu lassen, nicht länger genötigt, zwischen Felsen und Steinen umher zu klettern und Ausschau nach geschützten Plätzen für den Prinzessinnen-Enzian halten zu müssen. Nicht dass der Teil sie angestrengt hätte. Sie war froh, so, so froh, etwas zum Fortbestand Hyrules beigetragen zu haben. Etwas, das Wurzeln schlagen würde, hoffentlich. Etwas, das die Verbindung der Göttin und der zeitlosen Verknüpfung ihrer Menschenform in der Prinzessin mit dem Land in die Zukunft tragen würde. Falls … falls sie, Zelda, es nicht tun konnte. Bei dem Gedanken entwich ihr ein zitterndes Seufzen. Aber dennoch verlor sich das Lächeln auf ihrem Gesicht nicht, als sie es in die Sonne drehte. Zelda war glücklich. So viel sie es sich erlaubte, inmitten des ungewissen Zukunft, an der sie zu Teilen Schuld war. Aber die Hoffnung war noch nicht verloren. Storm wählte diesen Moment um ein Schnauben von sich zu geben. Zelda lenkte ihren Blick auf den starken, weißen Hals vor sich, die im sachten Wind flatternde Mähne, die sich aus der elaborierten Flechtung herausgelöst hatten, mit dem die Stallburschen ihn manchmal ausstatteten. Sie wusste nicht, ob es Zufriedenheit oder Anspannung war, die ihn hatte schnauben lassen, weil er ihre innere Unruhe spürte. Es spielte ohnehin keine Rolle. Ihr Lächeln wurde breiter, als sie sich nach vorne lehnte, um ihm über den Hals zu streicheln. „Geduld und Liebe“, sagte sie und genoss das Gefühl des weichen Fells unter ihren behandschuhten Fingern, „mehr braucht es gar nicht.“ Sie kraulte Storm den Mähnenkamm und lauschte zufrieden dem erneuten Schnauben, das er von sich gab, als er sich unter ihr entspannte. Seine kleinen, ausdrucksstarken Ohren bewegten sich freundlich in ihre Richtung, um sich dann wieder aufmerksam aufzustellen. „So kann man jedes Pferd für sich gewinnen“, wiederholte sie Links Worte, die er scheinbar vor so langer Zeit mit ihr geteilt hatte. Damals, kurz bevor sie in die verlorenen Wälder spaziert waren. Sie lachte leise und richtete sich wieder auf. Sie wusste nicht, ob er sich daran erinnerte. „Das hast du mir gesagt, weißt du noch?“ Link ritt neben ihr, doch auf dem leichten Aufstieg, den die Pferde auf dem Weg zum Sanidin Park zu überwältigen hatten, war sein Hengst eine halbe Länge zurückgefallen. Zelda wandte ihm nach hinten gerichtet den Kopf zu, als sie weiter sprach. Aus der halben Drehbewegung heraus sah sie, dass er sich ihr zugewandt hatte. Aufrecht wie immer, verschmolzen mit den mächtigen, kraftvollen Tier unter sich. „Und jetzt komme ich wirklich viel besser mit ihm klar.“ Eine Sache mehr, die sie ihm verdankte. Sie sah wie Links neutraler Ausdruck ungeteilter Aufmerksamkeit durch den Anflug eines Lächelns ein wenig weicher wurde. Ein zarter Anflug von Stolz ließ sie inne halten, während sie kurz daran dachte, wie angsterfüllt sie noch vor wenigen Monaten gewesen war, wenn sie auf Storms Rücken gestiegen war. Es schien ihr kaum möglich, wie sehr sich das geändert hatte. Genauso wie so vieles andere. In Gedanken versunken betrachtete Zelda den elegant gewölbten Hals des Pferdes. Das Aufblitzen der handgearbeiteten Königsinsignien, die sein Geschirr verzierten, die ausgebreiteten Schwingen gekrönt vom gülden glitzernden Triforce. „Am Anfang dachte ich, er würde dieses königliche Geschirr nie im Leben akzeptieren.“ Oder es vielleicht nicht verdienen, da er ihr Pferd war. Das Pferd der Prinzessin die ihre Siegelkräfte nicht erwecken konnte. Doch Zelda hatte ihn dennoch damit ausstatten zu lassen. Damit er nicht unter den Zweifeln zu leiden hatte, mit denen sie selbst täglich kämpfte. „Aber guck jetzt!“, forderte sie Link glücklich auf. Sie hob ein wenig unbeholfen die langen Zügel, während sie versuchte einen guten Blick auf das hübsch klimpernde Geschirr zu erhaschen. „Er hat sich ganz und gar daran gewöhnt.“ Zelda verharrte für einen Moment in dem Gedanken. Dann lächelte sie und hob den Kopf, wandte sich Link zu, der nun beinahe auf einer Ebene mit ihr ritt. „Die Gefühle des anderen zu verstehen … darauf kommt es an.“ Sie betrachtete ihn lächelnd, hoffend, dass er verstand. „Das hast du mir auch beigebracht“, sagte sie, die Dankbarkeit in ihrer Stimme offensichtlich. Das Halblächeln auf Links Gesicht wurde zu einem der seltenen, ehrlich belustigten Grinsen, als er ihr einen gewitzten Blick zuwarf. „Es ist schön, dass dein Pferd von meinem Leiden profitiert.“ Sein Grinsen wurde noch breiter, als er sah, dass Zeldas Augenbrauen in die Höhe schossen. „Wenigstens wird er jetzt verstanden.“ Dieser Lump. Zelda betrachtete ihn mit einem überspitzten Ausdruck still verletzter Würde. „Wenn du mich nicht ausreichend für mein Verhalten bei unserem Kennenlernen entschuldigen lässt, ist es dir auch verboten, darüber Scherze zu machen.“ Ihre Augen verkleinerten sich zu Schlitzen, während er weiterhin grinste. „Sir Link!“ Aber ihr ehrwürdiger Leibwächter lachte nur. Ein raues Glucksen, das ihr bis in die Zehenspitzen fuhr. Zeldas Herz zog sich süßlich schmerzend zusammen. „Es ist mein absolutes Recht, darüber Scherze zu machen, Prinzessin.“ Die starke Betonung ihres Titels machte deutlich, dass er ihn ebenso ironisch verwendete, wie sie den Seinen gerade noch. Diese unbekümmerte Nichtachtung ihrer Stellung sollte sie nicht so glücklich machen. Aber törichtes Mädchen das sie war, wurde ihr beinahe schwindlig vor Freude darüber, dass Link so normal mit ihr umging. Mit ihr herumalberte und es ihr ermöglichte, diese schreckliche Zeit ihrer ersten Bekanntschaft und ihr furchtbares Verhalten hinter sich zu lassen. „Lass mich nur nicht darüber nachdenken, was meine Rechte sind, Herr Ritter.“ Zelda warf ihm ihren besten königlichen Blick zu. „Es wäre eine Schande einen so hübschen Kopf auf der Schlossmauer aufspießen zu müssen.“ Sie hatte gerade die Nase so arrogant wie es ihr möglich war in die Luft gestreckt, da fiel ihr siedend heiß auf, was sie gesagt hatte. Oh, du Trottel, Zelda. Aber Links unbeschwertes Lachen ließ sie aufatmen. „Ist das so?“ Zelda nickte würdevoll. „Er würde nicht mal den Zweck erfüllen, Kriminelle und Gesindel abzuschrecken. Und die Straßen wären gepflastert mit weinenden Mädchen mit gebrochenem Herzen.“ Ein Teil von ihr beobachtete sich mit gelähmten Schock dabei, wie sie sich immer tiefer in diesem selbstinduzierten Blödsinn verlor. Aber sie konnte nicht aufhören. Nicht wenn Link den Kopf in den Nacken warf und sie mit dem Anblick blendete. Sein Hals und die von seinem Lachen gespannten Sehnen unter goldener, weicher Haut. Zelda fühlte sich ein wenig, als wäre sie vor eine Wand gelaufen. Ähnlich benommen, nur ohne den Schmerz. Ein Jammer. Der hätte sie vielleicht dazu gebracht, endlich ihren großen, tattrigen Mund zu halten. „Es wäre eine solche Unbequemlichkeit.“ Sie schnalzte mit der Zunge. Innerlich schüttelte sie den Kopf. „Also pass lieber auf, das du sagst, Sir Link.“ Sein Lachen senkte sich hinab zu einem dunklen Glucksen, das gefährliche Dinge mit ihrem Bauch anstellte. Und ihren Zehen. Die in unvorhersehbarer Weise zu Kribbeln begonnen hatten. „In Ordnung, Prinzessin.“ Blaue Blitze purer Belustigung funkelten in ihre Richtung. „Keine Witze mehr in Eurer holden Anwesenheit.“ Seine Miene wurde mit einem Mal so ernst, dass nun Zelda diejenige war die lachen musste. „Oh, du Spinner“, sagte sie liebevoll und lächelte, in der Hoffnung, dass ihre Stimme nicht nur zärtlich geklungen hatte. Wohl nicht, denn Link warf ihr einen kurzen amüsierten Blick zu und übernahm dann wieder die aufmerksame Tätigkeit als ihr voll konzentrierter Leibwächter. So konnte Zelda sich weiter an dem schönen Tag erfreuen, während die späte Nachmittagssonne den Himmel langsam in goldenes Feuer tauchte. Noch nicht wirklich das rote Licht des älter werdenden Tages, aber die Erinnerung daran, dass die Sonne nicht mehr allzu lange am Horizont verweilen würde. Sie näherten sich in ruhigem Tempo dem Sanidin Park. Weit und breit war niemand zu sehen, was sonderbar genug war, für so einen schönen Tag. Aber Zelda war dankbar für die ungestörte Zeit. So musste sie nicht in die Prinzessinnen Persona verfallen. Das starke Mädchen, das nicht über die Witze ihres Leibwächter kicherte.   Sie bat Link um eine kleine Pause an der schönen Fontäne des Parks, obwohl sie noch nicht lange geritten waren und ihnen nicht mehr allzu viel Zeit blieb, um es vor Nachteinbruch zurück zum Schloss zu schaffen. Zelda ließ sich direkt neben der Statue eines steigenden Pferdes aus dem Sattel gleiten. Sie mochte diesen Ort. Die Anwesenheit eines Parks so weit von einer Siedlung entfernt, einfach zur Ehrung der edlen Tiere. Aus dieser Gegend stammten die schönsten und kräftigsten Pferde Hyrules. Storm war ein Spross der hier gezüchteten Linie. Stolze, temperamentvolle Pferde mit edler Körperform und Kraft und Ausdauer. So zumindest hatte man es ihr angepriesen, als sie sich Storm ausgesucht hatte. Um ehrlich zu sein, war Zelda allein von dem Strahlen seines Fells überwältigt gewesen. Sie war wohl doch nur ein dummes, oberflächliches, kleines Mädchen. Der Gedanke ließ sie seufzen, als sie sich dem immer röter werdenden Himmel zuwandte. Ihr Blick schweifte über die Ebene und blieb an der fernen Erhöhung hängen, die hoch und selbst aus der Entfernung einschüchternd den Horizont zerteilte. Wie ohne ihr Zutun taten ihre Beine die letzten steifen Schritte bis an die Balustrade heran, die das gepflasterte Rondell um das Monument und den Springbrunnen herum von dem Abhang trennte, der sich weiter unten auftat. Sie spürte mehr, als dass sie hörte, wie Link ihr folgte, der vertraute Abstand zwischen ihnen. Mit ihm im Rücken fühlte sie sich sicher genug, um die Worte auszusprechen, die ihr beim Anblick des bedeutsamen Berges auf den Schultern lasteten. „Dort hinten erhebt sich der Berg Ranelle“, sagte sie, mit festerer Stimme, als sie sich zugetraut hätte. „Nelle ist ein alter Name für Nayru, die Göttin der Weisheit.“ Natürlich wusste Zelda, dass das für Link nichts Neues war. Genauso wie er mit absoluter Sicherheit jeden einzelnen Hügel in Hyrule namentlich kannte und ihn wahrscheinlich auch schon bereist hatte. Es war mehr ein Automatismus, der Zeldas Zunge lockerte. Ein Reflex, in Angesicht ihrer Verpflichtungen, so entfernt die Verknüpfung auch sein mochte. „All jene unter siebzehn Jahren sind noch nicht weise genug, den heiligen Berg zu betreten. Mit diesem Brauch wird die Göttin Nayru geehrt.“ Ein Seufzen hob Zeldas Brust, während sie für einen Moment ihren Gedanken nachhing und einfach nur das warme, sanfte Licht auf ihrem Gesicht genoss. Die sacht wehende Brise, die durch ihr Haar und die Zweige des großen Baumes neben ihr strich. „Ob in der Quelle der Kraft, oder der Quelle des Mutes … nirgendwo sind meine Fähigkeiten erwacht.“ Links Präsenz hinter ihr war so tröstend wie eh und je. Nie hatte Zelda das Gefühl, das die ewige Litanei all ihrer Ängste ihn ungeduldig machte. Oder dass sie nie seine volle Aufmerksamkeit hatte, auch wenn er gleichzeitig so viele Dinge im Auge behielt. Nie gab er ihr das Gefühl, dass sie sich wiederholte. Auch wenn sie es tat. Zeldas Blick wanderte von dem so weit entfernten Berg zurück über die grüne Ebene, das glitzernde Wasser zu ihren Füßen, bis er schließlich auf der Balustrade zu ruhen kam. „Vielleicht ist es hier anders“, sagte sie mit ruhiger Stimme. Sie blinzelte und sah wieder auf. Betrachtete die ferne Bergspitze und erlaubte sich zu hoffen. „Die Quelle der Weisheit ist mächtig. Sie enthält Nayrus Weisheit. Also vielleicht ...“ Zelda stoppte die schnell gesprochenen Worte, als sie bemerkte wie töricht sie klangen. Wie konnte es sein … all die Arbeit, die kurzen Nächte, die Gebete, die Disziplin. Und dann würden ihre Kräfte erwachen, wenn sie in die Quelle stieg, die die Macht der Göttin enthielt, die der Prinzessin am nächsten verbunden war? Einfach so? Nein, sicher nicht. Aber vielleicht bekam sie dort einen Hinweis. Eine Antwort. Ein Rätsel. Zelda wäre alles Recht. Wenn sie nur gehört werden würde. Wenn sie … Erneut seufzte sie. „Ich weiß, dass ich mich damit an Strohhalme klammere“, gab sie nüchtern zu, während ihre Hände sich scheinbar wie von allein vor ihrer Brust verschränkten. Das Licht um sie herum senkte sich immer weiter herab zu einem feurigen Leuchten, das den Himmel in Flammen aufgehen ließ. „Aber ich muss jede Möglichkeit nutzen, die sich mir bietet, und sei sie auch noch so klein.“ Es war die Wahrheit. Und Zelda würde jede Möglichkeit nutzen. Sie würde nicht aufgeben. Niemals. Sie senkte den Kopf, als ihre Hände sich aus der schützenden Haltung lösten. „Morgen ist mein siebzehnter Geburtstag.“ Wie in Trance sah Zelda erneut in die Ferne, überspült vom Licht der langsam untergehenden Sonne. Und es kam ihr vor wie ein Schwur, den sie tat, auch wenn die Worte so unpassend und unpoliert waren. „Ich gebe nicht auf“, sagte sie, als sie sich umdrehte und das Verständnis in Links Augen sah. Sie fand Trost in den Worten die er nicht aussprechen würde und sein Anblick, beleuchtet wie eine Fackel aus Versprechen und Kraft, erfüllte sie mit der Stärke sich innerlich aufzurichten. Erneut. „Ich werde zu diesem Berg gehen.“ Sie spürte wie ihre Augen sich bei diesem Versprechen leicht weiteten, als müsste sie ihren Worten damit mehr Nachdruck verleihen. „Und ich hoffe wirklich, wirklich sehr, dass du mich begleiten wirst.“ Sie sagte es eigentlich als eine Art Scherz, etwas, um die Atmosphäre, die so plötzlich so viel ernster und dunkler geworden war, wieder zu erleichtern. Zelda zweifelte nicht dran, dass er mit ihr zur Quelle der Weisheit gehen würde. Auch wenn sein Gesichtsausdruck nicht gerade einladend wirkte. Zwischen seinen Augenbrauen hatte sich eine Falte gebildet und wie immer, wenn er explosive Worte zurück hielt, zeichneten sich die feinen Muskeln seines Kiefers an seinen Wangen ab. Zelda blinzelte verwirrt. „Gleich morgen ...“, sagte er, seine Stimme genauso angespannt, wie sein Gesicht. Er schüttelte den Kopf, bevor Zelda ihn nach seiner offensichtlichen Verärgerung fragten konnte. „Ich bezweifle, dass das möglich sein wird.“ „Oh ...“ Fragend legte Zelda den Kopf schief. „Wir schaffen es bis morgen Abend höchstes bis zur Ranelle Straße, aber nicht den ganzen Berg hinauf.“ Link sah an ihr vorbei über die Ebene hinaus. „Der Berg ist das ganze Jahr über vereist.“ „Oh“, erneut blinzelte Zelda und formte den Laut dieses Mal nicht aus Verwirrung, sondern als sie verstand. Sie machte einen Schritt auf Link zu. „Nein, ich dachte an den Tag danach. Oder danach. Also nicht morgen, sondern … danach.“ Sie zog ihre Unterlippe hinter ihre Vorderzähne, um darauf herum zu kauen. „Um sicher zu sein.“ Sie warf ihm einen unsicheren Blick zu. „Dass ich Nayrus Weisungen befolge. Und wirklich siebzehn bin und nicht-“, sie brach ab, wischte den Versuch sich zu erklären beiseite. „Link, was ist los?“ Er schwieg eine Weile, während er ihr mit einem Nicken seines Kopfes zu verstehen gab, dass es Zeit war aufzubrechen. Er sagte immer noch nichts, als er ihr mit der üblichen Geschicklichkeit in den Sattel half. Er war vielleicht ein wenig energischer in der Ausführung, was Zelda dazu brachte, ihn erneut zum Sprechen aufzufordern. Was war nur los mit ihm? „Link!“ „Mein Leben gehört dir.“ Die Worte schlüpften in ihren Kopf und schepperten dort umher, klirrten und schallten und hinterließen ihr Gehirn geschwollen von den vielen Bedeutungen, die sein Mantra für sie hatte. Sie klangen ergeben genug, die Worte allein. Doch seine Stimme und seine Augen – Himmel seine Augen – sagten etwas ganz anderes. Das, was er nicht aussprach. Das, was ihn so offensichtlich wütend machte. „Du willst nicht, dass ich zur Quelle gehe?“ Sie klang selbst für ihre eigenen Ohren klein und unsicher, trotzdem zwang sie sich, seinen Blick zu suchen, als er auf sein Pferd gestiegen war und mit typisch knapper Effizienz auf den Weg lenkte. Seine Augen glitten kurz über sie hinweg, als Zelda Storm in einen flotten Schritt trieb, um nicht hinter Link zurück zu bleiben. Das unheilvolle Funkeln seines Blicks wirkte im roten Gold der untergehenden Sonne beinahe giftig. Etwas ihrer verletzten Verwirrung musste sich auf ihrem Gesicht zeigen, denn sofort wurde seine Miene weicher. „Ich weiß, dass du auf diesen Berg musst, Zelda.“ Wie immer, wenn er ihren Namen aussprach, musste sie zuerst gegen die kleinen fliegend-geschwinden Strudel in ihrem Bauch kämpfen, bevor sie sich auf seine Worte konzentrieren konnte. „Aber?“ Sie hörte kaum ihre Stimme über all den Lärm in ihrem Kopf. „Morgen ist dein siebzehnter Geburtstag.“ Etwas in seiner Miene gab Zeldas das Gefühl, dass es ihn schmerzte, diesen Fakt auszusprechen. Warum wusste sie nicht. „Und verzeih mir, aber es sollten andere Dinge wichtiger sein, als diese verdammte Quelle so schnell wie möglich zu erreichen.“ Die ruppige Fürsorge seiner Worte machte sofort alles besser. Der graue Nebel der auf ihre Brust gedrückt hatte, verschwand sofort. Zurück blieb nur das Klingeln in ihrem Kopf. „Ich wünschte, dieser ganze Druck würde verschwinden.“ Er zuckte mit den Schultern. „Das ist alles.“ Zelda betrachtete ihn von der Seite, während er ihrem Blick offensichtlich auswich. Ein kleines Lächeln zupfte an ihren Mundwinkeln. Aber gleichzeitig erfüllte seine Erklärung sie mit Traurigkeit. Sie verstand jetzt, was ihn so wütend machte. Und sie fühlte sich auf eine seltsame Art geschmeichelt. Dass er so sehr davon überzeugt war, dass sie die Quellen nicht brauchte. Dass er an sie glaubte, mit einer solch Inbrunst. Dass er über den Fakt seine eiserne Beherrschung verlor, dass ihre verzweifelte Situation sie dennoch dazu trieb, weiter zu suchen. Genau das war es, was sie traurig stimmte. Und sie ein wenig schwindeln ließ. Zelda seufzte. „Es tut mir leid, dass es dich ärgert. Aber ich möchte keine Zeit verlieren.“ Er sah sie immer noch nicht an, deswegen drehte Zelda ihren Kopf wieder nach vorne. Sie konnte gerade die Pfeiler der Jaad Brücke in der unteren Kurve des Weges auftauchen sehen. „Wenn die Quelle der Weisheit eine Enttäuschung ist, dann möchte ich es so bald wie möglich wissen.“ Auch wenn Zelda nicht wusste, was sie dann tun würde. Was würde sie ihrem Vater sagen? Würde er ihr überhaupt glauben? Oder würde er ihr vorwerfen, vorsätzlich versagt zu haben? Ein Schnauben von der Seite ließ sie wieder Links Blick suchen. Seine Augen waren starr nach vorn gerichtet, doch der Rest seines Körpers schien vor unterdrückter Energie beinahe zu vibrieren. „Ich bin nicht-“, begann er mit dunkler Stimme, stoppte sich dann und presste die Lippen aufeinander. Er zischte etwas, das Zelda nicht verstehen konnte. Aber sie vermutete, dass es etwas von dem geheimen Repertoire an Flüchen war, mit dem er sie immer wieder überraschte. „Fein!“ Endlich wandte er ihr den Kopf zu. Der Sturm an Emotionen auf seinem Gesicht, im glühenden Blau seiner Augen, nahm ihr für einen Moment den Atem. „Gehen wir auf diesen verfluchten Berg.“ Zelda entschied, dass es besser war, ihn für eine Weile in Ruhe zu lassen. Es erfüllte sich mit peinlich berührter Hilflosigkeit, dass er immer die richtigen Worte zu wissen schien, wenn sie inmitten ihrer Ängste feststeckte. Aber sie nicht wusste, wie sie ihm den selben Dienst erbringen konnte. Sie überquerten die Brücke schweigend. „Lass mich wenigstens die anderen nach Kakariko beordern“, sagte er nach einer Weile, nachdem sie kurz davor waren, den Militärstützpunkt der westlichen Hyrule-Ebene zu erreichen. Zelda warf ihm einen fragenden Blick zu. „Die anderen?“ Link gestikulierte ungeduldig mit der Hand. Glücklicherweise hielt er seinen Hengst am langen Zügel, so dass dieser sich nicht daran störte und weiterhin in ruhigem Tempo voran schritt. Zelda dachte kurz ein wenig besorgt daran, dass sie noch ziemlich weit vom Schloss entfernt waren und der Abend immer weiter fortschritt. Bald würde sich dämmriges Zwielicht über sie legen, bevor es vollkommen dunkel werden würde. „Die Recken“, antwortete er, seine Stimme lauter als gewöhnlich und voll Ärger. Langsam spürte Zelda etwas wie Belustigung in sich aufsteigen. „Sie könnten uns durch die Ranelle Straße begleiten. Und uns am Abend Gesellschaft leisten.“ Ihre Augen weiteten sich, als Zelda verstand, was er nicht aussprach. Eine Feierlichkeit. Da es im Schloss für sie keine geben würde. Riesige Blumen aus warmer Zuneigung erblühten in ihrer Brust. Oh, Link. Sie brauchte einen Moment, um zu antworten. Und als sie es tat, war ihre Stimme weich vor Emotionen. „Das wäre wirklich schön.“ Link reagierte mit einem ruppigen Geräusch, bevor er sie schließlich anwies, das Tempo anzuziehen. Den Weg bis zur Steinbrücke über den Regenzia Fluss verbrachten sie abwechselnd in gemäßigtem Galopp und schnellem Trab, um die Pferde nicht allzu sehr zu belasten. Sie erreichten den Gustaf-Berg mit dem letzten grauen Licht des Tages. Zelda erinnerte sich an das letzte Mal, dass sie in der Dunkelheit gereist waren. Damals war es ihre Schuld gewesen, da sie aus Trotz den Weg zum Plateau nicht hatte reiten wollen – entgegen Links Rat. Sie hatte damals fürchterliche Ängste ausgestanden, bis sie schließlich die Stadt am Fuße des Plateaus erreicht hatten. Doch jetzt, beschienen von weichem Mondlicht und mit wesentlich mehr Vertrauen in Links Fähigkeiten, fühlte Zelda auf dem restlichen Weg zur Stadt nur ein wenig Beunruhigung. Und die konnte genauso gut mit der nahenden Offenbarung zu tun haben, die sie an der Quelle der Weisheit erwarten würde. Im Schloss verabschiedete sich Link bereits am Stall von ihr, um den Recken auf schnellstem Wege Boten zukommen zu lassen. Er überließ es einer der Wachen, Zelda zum Fuße ihres Turms zu begleiten.   Zelda schlief schlecht in dieser Nacht, obwohl sie nach dem harschen Ritt so erschöpft war, dass eigentlich das Gegenteil der Fall hätte sein sollen. Sie verbrachte Stunden in dem zehrenden Zustand zwischen Traum und Wachen, so dass sie nie das Gefühl hatte, wirklich geschlafen zu haben. In den frühen Morgenstunden, lange bevor die Sonne wirklich aufgehen würde, gab Zelda es schließlich auf. Mit einem schweren Gefühl in den Knochen schob sie die Decke von ihrem Körper und rollte sich von der weichen Matratze. Sie wusste nicht, ob die nahende Konfrontation an der Quelle der Weisheit sie so unruhig stimmte, oder ob es die Geschehnisse auf dem Satori Berg waren. Oder die generelle Aura von Ungewissheit und lauernder Gefahr, die so lange ihr ständiger Begleiter gewesen war. Die Wolke aus Verhängnis und Angst, die sich erst verzogen hatte, als sie Link mehr und mehr in ihr Leben gelassen hatte. Vielleicht war es die schlummernde Erinnerung an den vergangenen Traum. Die schöne weiße Frauengestalt, die ihr etwas zugerufen hatte, ohne dass Zelda sie hören konnte. Mit einem schweren Seufzen rieb sich Zelda über ihr Gesicht. Ihre Augen fühlten sich geschwollen an und ihr Kopf schmerzte ein wenig. Ein wenig indigniert strich sie sich das verknotete Haar hinter die Ohren. Das waren wirklich wunderbare Voraussetzungen für die Reise nach Ranelle. Noch bessere, wenn man bedachte, dass heute ihr Geburtstag war. Ein wichtiger Geburtstag noch dazu! Im Dunklen tapste Zelda zur ihrem Spiegel und entzündete dort eine Kerze. Das kleine Licht flackerte munter und durchbrach die Schatten ihres Gemachs auf ziemlich beeindruckende Weise, wenn man bedachte, wie winzig die Kerze war. Zelda ließ sich auf den gepolsterten Stuhl plumpsen. Ihr Kinn auf beide Hände gestützt, richtete sie den Blick auf ihr Spiegelbild. Grüne Augen. Helle Brauen. Runde Wangen. Geschwollene Lider. Eine Falte unter ihrem rechten Wangenknochen – im Schlaf musste sie ziemlich zerknautscht auf ihrem Gesicht gelegen haben. Das selbe bekannte Gesicht. Kein bisschen anders. Nicht dass Zelda etwas anderes erwartet hätte. Man sah nicht plötzlich von einem Tag auf den anderen völlig verändert aus. Trotzdem suchte sie danach, immer, am wiederkehrenden Datum ihrer einstigen Geburt. Danach, dass sie anders wäre. Irgendwie. Reifer vielleicht. Klüger. Verändert durch den Fakt, dass sie nun älter war. Es war absoluter Blödsinn. Zelda verzog das Gesicht und entließ ein leises Grummeln, während sie sich mit den Händen über die Stirn strich. Langsam, ganz langsam, ging sie zu den vertrauten Handgriffen über. Bürstete und flocht sich das Haar. Wusch ihr Gesicht mit Wasser aus der bereitstehenden Schüssel. Ihre Wangen fühlten sich rau an. Kühlte sich die müden, tränenden Augen mit einem nassen Tuch. Ihre Gedanken verweilten bei der Nacht. Dem seltsamen Gefühl, das sich in ihr hinauf geschlichen hatte, bis sie es einfach nicht mehr fort schieben konnte. Hieß es vielleicht, dass sie doch etwas spürte? Dass dieser Tag, dieser besondere Geburtstag etwas bedeutete? Zelda dachte an den Traum, an die Worte der weißen Frau und mit einem Ruck setzte sie sich auf. Nach wenigen Schritten erreichte sie den kleinen Tisch in der Ecke und öffnete mit hektischen Händen ihr Tagebuch. Zelda biss sich auf die Lippe, während sie las. Nichts. Absolut nichts. Sie wusste nichts mehr von dem Traum, außer dem, was sie hier niedergeschrieben hatte. Sie sprach, doch ihre Stimme erreichte mich nicht. Vielleicht würde die Stimme sie an der Quelle der Weisheit erreichen. Oder in ihren Träumen danach? Seufzend ließ sich Zelda auf den Stuhl fallen. Zog das in Leder gebundene Buch näher an sich heran und begann zu schreiben.   Heute ist mein siebzehnter Geburtstag. Nun ist mir auch der Besuch der Quelle der Weisheit erlaubt. Ich werde mit Link bald zur Ranelle-Spitze aufbrechen. Die anderen Recken begleiten uns bis zum Fuß des Berges. Ich habe Vater seit unserem Streit nicht mehr gesehen. Nach meiner Rückkehr werde ich zu ihm gehen. Seit ich diesen Traum hatte, verspüre ich etwas. Auch wenn niemand einer talentlosen Prinzessin Glauben schenken wird. Ohne den Anlass zu verstehen, trage ich große Furcht in mir.   Langsam ließ Zelda die Schreibfeder sinken. Sie kratzte über die eben beschriebene Seite Papier und verschmierte die noch leicht feuchte Tinte ein wenig. Zelda betrachtete den Spur aus blauer Farbe ohne sie richtig zu sehen. Ihr Tagebuch. Wie oft hatte sie sich darin ausgeschüttet? Wie viele von diesen Büchern hatte sie in den letzten Jahren gefüllt? Mit ihren Gedanken, den Ängsten und Gefühlen, die sie vor der Welt versteckt hielt. Im letzten Jahr hatte sie allerdings kaum die tröstende Akzeptanz der leeren Seiten beanspruchen müssen. Zelda blätterte zurück zu dem Eintrag, der ihr in den Kopf sprang.   Morgen tritt der Ritter seinen Dienst an, den mein Vater mir als Leibwächter zugeteilt hat.   Wie anders sie sich doch seit dem Tag fühlte, als sie diese Worte geschrieben hatte. Ihr Gesicht mochte sich nicht verändert haben, aber alles andere hatte es getan. Und dennoch saß Zelda hier, im Streit mit ihrem Vater und der gleichen großen Gefahr in ihrem Rücken: die Verheerung Ganon. So viel war anders und trotzdem war alles gleich. Zelda blätterte die Seiten wieder zurück zu ihrem letzten Eintrag. Ihre Hand war dabei einfach über das leere Papier geflogen. Hatte etwas niedergeschrieben, das sie nicht geplant, beinahe nicht gewusst hatte. Ja, sie trug eine große Furcht in sich. Das war es, was sie spürte. Eine unbestimmte Angst, die mit der ständig drückenden, dröhnenden Drohung der erwarteten Verheerung nichts zu tun hatte. Zelda schluckte. Was mochte das bedeuten? Dass die Zeit reif war? Dass es bald geschehen würde? Oder dass sie bereit war die Quelle der Weisheit zu betreten und sich damit ihrer letzten behüteten Hoffnung zu stellen? Mit der großen Wahrscheinlichkeit diese zerquetscht zu sehen.   Ein Klopfen riss Zelda aus ihren Gedanken und ihren Kopf nach oben. Ihr Blick flog zur Tür. Wieder das Klopfen. Sie blinzelte und beeilte sich, aufzustehen. Ihre Füße trugen sie zu ihrem Wandschirm, wo sie am Abend zuvor nachlässig ihren Morgenmantel hingeworfen hatte. „Ja-eh, Moment!“ Sie fluchte, als sie mit einer Hand an einem der gepolsterten Sessel hängen blieb, die mitten in ihrem Zimmer standen. Zelda zischte und drückte schützend den Arm an ihre Brust. „Wer ist da?!“ Ihr Stimme klang ein wenig rau vom Schlaf und sie zuckte bei dem Klang leicht zusammen. „Ich bin es“, antwortete Link ein wenig gedämpft von der anderen Seite der Tür. Zu gleichen Teilen erleichtert und beunruhigt, kämpfte Zelda ihre Arme in den störrischen Morgenmantel. Der hauchdünne Stoff schien bei jeder Gelegenheit in sich zusammenfallen zu wollen. „Oh, eh, ja. Warte!“ Sie war dabei die Schlaufe um ihre Taille zu binden, als sie ungeschickt die schwere Tür aufschob, die sich zur Treppe zu den Schlossgründen öffnete. Zwielichtiges Grau floss in den Raum und beleuchtete Links aufrechte Gestalt. Aufgeregte Freude vermischten sich mit ein klein wenig engstirnigem Neid. Er wirkte so adrett und aufgeräumt wie immer, während Zelda sich fühlte, als hätte jemand mit einem Fleischhammer auf sie eingeschlagen – nachdem Fleisch damit platt gehämmert worden war. Ihr Herz machte dennoch einen Satz. Noch bevor sie etwas sagen konnte, war er auch schon an ihr vorbei. Ein kurzer Blick zum Himmel, mehr um um Geduld und Ruhe zu bitten und die Augen zu verdrehen, als die Tageszeit abzuschätzen, sagte ihr, dass Morgenanbruch nicht mehr allzu weit entfernt war. Zelda konnte die ersten Vögel fröhlich zwitschern hören, als sie die Tür geräuschvoll zu schlagen ließ. Sie verkniff sich jeglichen Kommentar bezüglich Links ungebührliches Eindringen in ihre Gemächer. Sie waren längst über solche Regeln hinaus gewachsen. Und Zelda hoffte einfach, dass niemand ihn gesehen hatte. Oder sie, in ihrem morgendlichen Aufzug. Mit einem indignierten Geräusch auf den Lippen, drehte Zelda sich um und verschränkte die Arme vor der Brust. Ihr Leibwächter war inzwischen in die Mitte ihres Gemachs vorgedrungen und musterte erst ihr zerwühltes Bett und dann Zelda mit einem viel zu aufmerksamen Blick. Sie unterdrückte den Impuls ihm auszuweichen und auf den Boden zu starren. Sie entschied sich für die wesentlich konfrontierendere Variante von Trotz und hob ihr Kinn. „Was?“, fragte sie so würdevoll wie möglich, während sie spürte, dass sie unter Links weiterhin beobachtendem Blick zu zappeln begann. Hitze stieg ihr in die Wangen. „Was?!“ Links Mundwinkel zuckten. „Konntest du nicht schlafen?“ Zeldas Augen verengten sich zu Schlitzen. „Bist du etwas hier, um das zu fragen? Weißt du wie spät es ist?“ Ihr Fauchen ließ ihn allerdings völlig unbeeindruckt. „Ich wusste, dass du wach bist“, sagte er, als würde das alles erklären. Dieses Mal fehlten ihr die Worte und so fuhr sie einfach nur fort, ihn anzustarren. „Sonst hätte ich dich geweckt.“ Diese Unterhaltung war wirklich etwas surreal. Sie war kurz davor die Arme in die Luft zu werfen und in ihrem sarkastischsten Tonfall wunderbar zu rufen. Doch das erschien ihr ein wenig zu kindisch. „Na wunderbar.“ Nicht, dass an kindisch etwas auszusetzen wäre. Link ließ sich davon nicht beunruhigen. Im Gegenteil. Offensichtliche Belustigung zeigte sich auf seinem Gesicht. „Wir treffen die Recken gegen Mittag am Osttor. Sie begleiten uns über die Ranelle Straße.“ Endlich ging Zelda ein Licht auf. Müdigkeit und mysteriöse Zeichen mussten ihr den Kopf vernebelt haben. Dabei hatte sie es doch gerade eben erst in ihr Tagebuch geschrieben. Links kaum wahrnehmbares Lächeln nahm einen verschlagenen Zug an. „Hopp, hopp, Prinzessin. Beeil dich. Auch wenn du nicht mehr so jung wie gestern bist.“ Er war aus ihrem Fenster verschwunden, noch bevor Zelda damit fertig war, empört zu schnaufen. Das Kissen, das sie nach ihm warf, landete an der Wand und fiel mit einem höhnisch sanften Geräusch auf dem Boden. Von irgendwo unter ihr erklang ein bellendes, verdächtig bekanntes Lachen. Aber als Zelda auf ihren Balkon gerannt war und die glatte Mauer ihres Turms hinunter spähte, sah sie nichts außer grauen Stein. Sie seufzte, als sie sich an die Mauer lehnte. Ein kleines Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht. Ein paar kleine Worte von Link und all die dunklen Wolken hatten sich verzogen. Jetzt fühlte sie sich schlicht weg überzogen dramatisch. Zelda biss sich auf die Unterlippe, aber das Grinsen konnte sie trotzdem nicht zurück halten. Bei der Göttin. Sie war wirklich ein törichtes Mädchen. Es tröstete sie mehr als es ein tiefer Schlaf getan hätte, dass der Gedanke sie nicht länger beschämte.   Sie traf Link wenig später am Fuße der Treppe, die zu ihrem Turm hinauf führte. Der einzig direkte Weg zur Ranelle-Spitze war die Ranelle Straße. Gut geschützt inmitten der umliegenden Berge, stand Kakariko als Torwächter zwischen dem Rest Hyrules und dem heiligen Berg. Zelda hatte nie darüber nachgedacht, aber wahrscheinlich war es überhaupt der Grund für die Entstehung der Shiekah Siedlung gewesen, die sich zu einem Dorf und schließlich zu einem strategisch wichtigen, geschützten Ort entwickelt hatte. Sie hätten den längeren Weg über die Ebene, entlang des Hylia-Flusses, durch die Zwillingsberge nehmen können. Den direkten, sicheren Weg für jeden Reisenden. Die andere Möglichkeit, die Ranelle Straße zu erreichen, war der gefürchtete Aufstieg über die Sahasra-Hügel, ein gefährliches, stark bewachtes und mit Shiekah Fallen gespicktes Gefälle, das, wenn man es überlebte, einen Reisenden direkt nach Kakariko führte. Niemand nahm diesen Weg, dafür hatten die Shiekah gesorgt. Aber es hatte einen Vorteil, wenn man mit dem Helden Hyrules reiste und die Prinzessin war. Impah war Links Lehrerin und Zeldas Beschützerin gewesen. Die Shiekah und deren Fallen stellten für keinen von ihnen eine Gefahr dar. Also konnten sie nach dem schnellen, kräftezehrenden Ritt am Tag zuvor, die Ausdauer der Pferde schonen und in gemütlichem Tempo die Stadt und schließlich die Möwenebene über die Rebona-Brücke verlassen. Sie erreichten den Sahasra-Hügel gegen Mittag und ritten unter den hölzern klimpernden Schutzzaubern in Kakariko ein, als die Schatten begannen länger zu werden. Wie immer fühlte sich Zelda, als würde sie in eine Höhle aus Geheimnissen und Zeitlosigkeit treten. Fremdartig und vertraut zugleich, wusste sie nie so ganz, ob sie sich hier wohl fühlte oder nicht. Aber anders als sonst, rannten keine kreischenden Kinder auf den Dorfplatz, als sie ankamen. Um die Göttinnenstatue am kleinen Teich leuchteten unzählige Lichter und die Wachen, die am Aufgang zur großen Halle standen, in der das Oberhaupt der Shiekah wohnte und waltete, waren ganz in Schwarz gehüllt. Ein schlechtes Gefühl wallte in Zelda auf. Ein Blick in Links Richtung sagte ihr, dass es ihm ebenso ging. Auf einen Wink von ihm hin, wandte sich eine der Wachen ab und stieg in typischem Shiekah Tempo die Stufen zur Halle hinauf. Ein anderer Shiekah, ebenfalls in Schwarz gekleidet, kam, um ihnen die Pferde abzunehmen. Zelda strich Storm noch einmal über den Hals. Ihre Gedanken rasten. Es konnte doch nicht wegen ihres Geburtstages sein oder etwa doch? Was war ihr entgangen? Trauerten die Shiekah, weil die Prinzessin noch nicht ihre Siegelkräfte erlangt hatte und damit ihr Volk in Gefahr brachte? War es ein geheimes Ritual, das ihr beim Erklimmen der Ranelle-Spitze und dem Gebet in der Quelle der Weisheit beistehen sollte? Aber warum das Schwarz? Eine Farbe der Trauer, die die Shiekah nur trugen, wenn … Zelda sog mit einem scharfen Geräusch Luft ein, als sie verstand. Sie spürte, wie ihre Augen sich weiteten, geschockt und betroffen, als sie sich zu Link umdrehte. Doch ihr Leibwächter hatte sich schon der Treppe zu gewandt und ging der Gestalt entgegen, die dort hinab schritt, den großen Hut auf dem Kopf, der sie als Oberhaupt der Shiekah auswies. „Impah“, hauchte Zelda. Wie erstarrt beobachtete sie, wie Link ihre alte Beschützerin mit der angebrachten Ehrerbietung begrüßte. Den Kopf neigte und einen geheimen Shiekah Gruß mit den Händen vollführte. Impah, gertenschlank und anders als die anderen in leuchtendes Weiß gekleidet, streckte die Hand aus, um Link mit einer sanften Geste die Schulter zu drücken. Dann wandte sie sich mit majestätischer Eleganz Zelda zu. Ein Blick genügte und sie flüchtete in Impahs Arme. Ein Schluchzen entwich Zeldas Kehle, als sie den vertrauen Duft einatmete. Frische Luft und feines Leinen. Stärke und Weisheit. „Wann?“, fragte Zelda mit zitternder Stimme und löste sich aus der Umarmung. Helle Augen erwiderten ihren Blick mit stiller Würde. „Unsere hohe Anführerin ist gestern Abend friedlich im Traum entschlafen, als die Sonne unter und der Mond aufging.“ Das erklärte, wieso die Nachricht im Schloss noch nicht angekommen war. „Und nein“, sagte Impah, bevor Zelda aussprechen konnte, was ihr aus der Kehle springen wollte, „es hat nichts mit dir und dem heutigen Tag zu tun.“ Impah schob Zelda ein Stück nach hinten, um ihr besser ins Gesicht sehen zu können. „Anders als du gerne glauben möchtest, ist nicht alles deine Schuld.“ Zelda begegnete Impahs leicht belustigtem Blick mit großen Augen. „Aber-“ Impah unterbrach sie mit einem Kopfschütteln. „Nein. Großmutter war steinalt und es war wirklich an der Zeit für sie zu gehen. Ich konnte sehen, wie das Sterben sie erleichtert hat. Ihre Seele ist jetzt frei.“ Ein kleines, schelmisches Lächeln tauchte auf Impahs Gesicht auf, das so im Kontrast zu der latenten Trauer stand, die ihre Augen erfüllte und dennoch genau dorthin zu passen schien. „Und ich bin endlich frei von der vermaledeiten Glocke, mit der sie mich an ihr Bett geklingelt hat. Ich war kurz davor, sie ihr an den Kopf zu werfen.“ Zelda wusste nicht, ob sie mehr über Impahs Worte oder Links belustigtes Schnauben empört sein sollte. „Ach, reg dich nicht auf“, meinte Impah, als Zelda ihr einen geschockten Blick zu warf, nachdem sie Link fassungslos von der Seite angesehen hatte. „Wir waren auf diesen Tag vorbereitet. Und ich habe schon vor Jahren ihre Position als Anführerin übernommen. Es war nur unglücklich, dass Purah nicht hier war.“ „Wo ist Purah?“ Link hatte diese Frage gestellt. Weder Impahs fehlende Pietät noch der Todesfall als solcher, schien ihn sonderlich zu irritieren. Zelda vergaß häufig, dass die Shiekah in so vielen Dingen so anders waren als der Rest der Hylianer, obwohl sie ihnen doch so ähnlich sahen. Leben und Tod hatten andere Bedeutungen in ihrer Kultur. „Sie ist in Hateno und steckt den Kopf mit Robelo zusammen. Wir haben einen Boten geschickt, also müsste sie bald hier sein. Was mich dazu bringt: was macht ihr hier?“ „Robelo ist in Hateno?“, fragte Zelda, ohne auf Impahs Frage einzugehen. Diese Neuigkeit ließ so viele Fragen in ihr entstehen, dass Zelda kurz den Schock über den nahen Tod des Shiekah Oberhauptes und den saloppe Umgang der Nachfolgerin damit vergaß. Impah hob nur die Schultern. „Wenn zu viel Zeit vergeht, ohne dass die Beiden sich anschreien können, sterben sie, oder so was.“ Zelda blinzelte. Link neben ihr gab wieder dieses amüsierte Schnaufen von sich. „Also?“ Zeldas Blick flackerte zurück zu Impah, die sie aufmerksam ansah. Es war Link der antwortete, da Zelda das Gefühl nicht abschütteln konnte, für dieses Gespräch ungefähr zehn Stufen zu langsam zu sein und hoffnungslos hinterher zu hinken. Für einen kurzen Moment fühlte sie sich merkwürdig ausgegrenzt. „Zelda wird die Quelle der Weisheit besuchen.“ Bei diesen Worten wurde Impahs Blick scharf. „Ah.“ Sie betrachtete Zelda mit diesen alles sehenden Augen, die sie furchtbar stark an Link erinnerten und unter denen sie sich sofort unwohl zu fühlen begann. „Ja“, meinte Zelda und sah kurz zu Boden. „Morgen ist es mir erlaubt, die Quelle zu betreten. Die anderen Recken begleiten uns bis zum Fuß des Berges.“ Zelda unterdrückte den Impuls mit den Füßen zu scharren. „Ach ja.“ Impah streckte sich und kratzte sich mit der rechten Hand am Kopf. Die Bewegung ließ des übergroßen Hut auf und ab wippen und die daran befestigten Insignien aus Metall fröhlich klimpern. „Ich dachte dein Geburtstag sei erst nächsten Monat.“ Zelda spürte wie ein bisschen von der Anspannung aus ihr entwich. Es sollte vielleicht verletzend sein, dass dieser Tag der Ehre von ihrer alten Beschützerin mit so wenig Nachsicht behandelt wurde. Aber auf seltsame Weise war es befreiend, dass man nicht die Tage zählte, bis die Prinzessin die Quelle der Weisheit betreten konnte und nicht noch mehr Augen auf diesem Ereignis lasteten. Es half ein wenig. Zelda antwortete mit einem nichtssagenden Summen und verschränkte ihre Hände hinter dem Rücken wie ein kleines Mädchen. „Ich nehme an, dann wollt ihr nicht mit hinauf kommen?“ Wieder übernahm Link das Antworten. Er schüttelte den Kopf. „Ich muss meinen Pfeilvorrat auffüllen. Und ich hatte gehofft, dass jemand unsere Pferde zurück zum Schloss bringen könnte. Den Rückweg werden wir zu Fuß gehen.“ Zelda warf ihm einen überraschten Blick zu. Das hatten sie bisher nicht besprochen. Jähe Dankbarkeit ließ ihr Herz schneller schlagen. Er hatte ihr mit diesem kleinen Detail mehr Zeit mit den Recken verschafft. Und den Zeitpunkt hinausgezögert, zu dem sie im Schloss würde auftauchen müssen. Er schenkte ihr das vertraute Halblächeln, als er ihrem Blick begegnete. „Ich brauche nur einen Moment“, murmelte er ihr zu. Zelda nickte. Sie ließ sich von Impah zu einer der Bänke begleiten und nahm darauf Platz. Sie tauschten Neuigkeiten und alte Erinnerungen, während Link ohne Hektik, aber trotzdem in schnellem Tempo, die Pferde von dem wenigen Gepäck erleichterte, das er ihnen aufgeschnallt hatte. Er verschwand im nahe gelegenen Dorfladen und kam unverändert, wenig später daraus hervor. Aber Zelda wusste, dass er nun das Gepäck in seinen magisch vergrößerten Taschen trug und seinen Vorrat an Pfeilen aufgestockt hatte. Ob er auf ihrem Weg Gefahr vermutete oder er einfach nur keine Pfeile mehr gehabt hatte, wusste sie nicht. Aber Zelda vermutete, dass er vor allem gewollt hatte, dass sie an ihrem Geburtstag ihre Freundin und einstige Vertraute sehen konnte. Er war so raffiniert in diesen Dingen, dass Zelda manchmal gar nicht bemerkte, was er für sie tat. Aber sie war ihm dankbar. Es hatte gut getan, Impah zu sehen. Alles in einem hatte ihr Besuch kaum eine Stunde gedauert, als sie sich wieder auf den Weg machten. Als sie an der Quelle der großen Fee vorüber kamen, die hier seit Urzeiten lebte, hörten sie ein hohes, mädchenhaftes Kichern. Zelda warf neugierige Blicke zu der schimmernden Quelle hinüber, aber Link trieb sie weiter. Er ging so weit, dass er ihr Handgelenk umfasste und sie weiter zog. Auf ihr amüsiertes Nachfragen ging er nicht ein, sondern murmelte nur etwas, das die Worte ‚aufdringlich‘ und ‚verdammt nervig‘ enthielt und Zelda ein Kichern entlockten. „Zusammenstoß mit einer Fee gehabt, was?“, fragte sie und lächelte, als er ihr einen warnenden Blick zu warf. „Frag nicht!“, war seine dunkle Antwort. Zelda hatte selbst mal eine der Feen gesehen. Sie hatte wenig Erinnerung an die Begegnung, da sie sehr jung gewesen war. Sie wusste nicht mal, wer sie dorthin gebracht hatte oder welche der Feen es gewesen war. Sie erinnerte sich nur an eine laute Stimme, die sie gesegnet hatte und eine schockierend große Frauengestalt, die Zelda gleichzeitig fasziniert und geängstigt hatte. Es war wahrscheinlich Links Absicht, in diesem Moment das Tempo seiner Schritte so sehr zu beschleunigen, dass Zelda die Luft zum Nachhaken weg blieb. Verfluchter Leibwächter! Sie würde ihn so was von dazu zwingen, diese Geschichte zu erzählen. Der Gedanke allein gab ihr Kraft genug, die restliche Wegstrecke bis zum West-Tor der Ranelle- Straße durchzuhalten. Zwischen den Hügeln war es schattig und kühl und die stattliche Pracht der steinernen Straße blitzte ihnen schon von Weitem entgegen. Es brauchte eine kleine Armee aus Steinmetzen und Arbeitern, um das prächtige Bauwerk in Schuss zu halten. Das hoch aufragende Tor war der Treffpunkt, an dem sie auf die anderen Recken warten würden. Dort angekommen, stützte sich Zelda mit den Händen in die Taille und atmete gegen das heftige Stechen in ihrer Seite. Sie warf Link einen vorwurfsvollen Blick zu, dem er nur mit der üblichen Ruhe begegnete. Sein Mundwinkel zuckte kurz, doch von schlechtem Gewissen war weit und breit nichts auf seinem Gesicht zu sehen. Für mehr als einen giftigen Blick fehlte Zelda leider der Atem, also fuhr sie fort ihn anzufunkeln, während er mit gelassener Behäbigkeit eine Wasserflasche aus den Untiefen seiner verzauberten Tasche zog. „Hier, Prinzessin, du solltest etwas trinken.“ Zeldas Augen verengten sich bei der falschen Besorgtheit in seiner Stimme zu Schlitzen. „Du...“, begann sie, doch der Rest ihres geplanten Fluchs ging in ihrem heftigen Schnaufen unter. „Soll ich dir ein bisschen Luft zu fächeln?“, fragte er liebenswürdig, als er ihr die Flasche reichte. „Es würde wirklich keine Umstände machen.“ Zelda dachte ernsthaft darüber nach, ihm den Hals umzudrehen. Wirklich! Stattdessen versuchte sie ihn an den Arm zu boxen, als sie die Flasche entgegen nehmen wollte. Link reagierte mit einer schnellen Seitdrehung, die so leicht aussah, dass sie ihn für einen ganz kleinen Moment hasste. Dann lachte er und schnalzte mit der Zunge. „Was ist los, Prinzessin? Du hast keine Kraft, selbst zu trinken?“ Er grinste und bevor Zelda darüber nachdenken konnte, was auf einmal in ihn gefahren war, hatte er die Flasche auch schon an ihren Mund gesetzt und drückte ihren Kopf damit nach hinten. Sie konnte nicht anders, als zu schlucken, als das kühle Wasser ihren Mund füllte. Sie machte ein abwehrendes Geräusch, als Link den Druck erhöhte und das Wasser begann, ihr Kinn hinabzurinnen. Zelda drehte den Kopf zur Seite und prustete. Blind streckte sie die Arme aus und wehrte die nasse Invasion mit wütenden Schlägen ins Nichts ab. Wasser lief ihr in die Augen und den Hals hinunter. In ihren Nacken und unter ihr Gewand. Zwischen ihre Brüste. Ihre Hand flog an ihren Mund, schnaufend und Profanitäten zischend wischte sie sich über Gesicht und Hals. Strich sich das wirre, feuchte Haar aus der Stirn, die ganze Zeit über mit Links Lachen im Ohr. „Oh, du Scheusal“, fluchte sie und warf ihm einen dunklen Blick zu. Gab sich alle Mühe ihn unter zusammen gezogenen Augen bestrafend anzufunkeln. Bei dem unbefangenen, freien, ehrlichen Lachen und dem hellen Strahlen seiner Augen fiel es ihr allerdings unheimlich schwer. Sie begnügte sich mit einem weiteren Schnauben und gab sich Mühe, trotz der Nässe und der Peinlichkeit würdevoll auszusehen. Doch das ließ Link nur erneut Glucksen. Die offene, befreite Belustigung auf seinem Gesicht war ansteckend und Zelda kämpfte gegen das Lachen, das in ihrer Brust zu rumoren begann. „Ach, hör schon auf, du Ochse“, fauchte sie und schnappte sich die Flasche, die Link immer noch in der Hand hielt. Dieses Mal gab er sie ohne Weiteres frei und Zelda versuchte sich mit ein paar Schlücken daraus, abzulenken. „Gut, dass du nicht zu schlafen brauchst, Sir Ritter“, sagte sie mit dunkler Stimme, als sie ihm die geschlossene Flasche mit mehr Kraft als nötig entgegen warf. „Ich schlage vor, dass es dabei bleibt. Sonst würde ich mich nicht wundern, wenn du mit einem Messer am Hals aufwachst, solltest du doch einmal müde werden.“ Zelda verschränke die Arme vor der Brust und betrachtete ihn so hochmütig, wie es ihr möglich war, wenn ihr all die Freude und charmante Belustigung entgegen strahlte. Es war ihr schlichtweg einfach nicht möglich ihr Herz davor zu verschließen. Außerdem war sie nie verstimmt gewesen, über diesen Anflug spitzbübischen Unsinns. Im Gegenteil. Ihr Herz sang bei dem Gedanken, dass er so mit ihr herum alberte. Sie strenge, starre Distanz zwischen ihren Ständen beinahe absolut aufgelöst. „Wie blutrünstig du doch bist.“ So wie er es sagte, klang es eindeutig wie ein Kompliment. Genau wie der beinahe zärtliche Blick, mit dem er sie lächelnd betrachtete. Auch wenn sie sich den einbildete und den Blödsinn mit dem Messer natürlich nicht ernst gemeint hatte, räkelte sich bei seinen Worten etwas in ihr. Etwas das sich strecken und zufrieden schnurren wollte. Zelda verpasste sich innerlich den Boxschlag, dem Link gerade eben so gekonnt ausgewichen war. „Keine gesunde Reaktion“, murmelte Zelda und wandte den Blick ab, bevor sie noch etwas sehr, sehr Dummes sagen konnte. Über ihr wild und verrückt hüpfendes, absolut entzücktes Herz, hatte sie allerdings keine Kontrolle. Vor allem nicht, als Link es mit einem erneuten liebenswerten Glucksen erneut anstachelte.   Es war dieser Moment, in dem ein heftiger Windstoß, sie beinahe umgestoßen hätte. Ohne Links Arm, der augenblicklich für Halt und Gleichgewicht sorgte, hätte die Stärke der Böe Zelda wahrscheinlich zu Boden taumeln lassen. „Wird aber auch Zeit“, schnarrte es von irgendwo über ihnen. Ein flatterndes, schlagendes Geräusch ertönte, gefolgt von metallischem Gleiten. Zeldas Blick flog nach oben, während ihr Atem vor verspätetem Schreck stockte. Sie meinte ein kurzes Knurren zu hören, doch als sie ruckartig den Kopf drehte, um Link anzusehen, war auf dessen Gesicht nichts zu sehen, als die bekannte aufmerksame aber ansonsten neutrale Eindringlichkeit. Er hatte das Bannschwert gezogen, hielt es aber, nun da er die Quelle des plötzlichen Windstoßes erkannte, locker in einer Position, die nicht wirklich aggressiv wirkte. Zelda sah wieder nach oben. Revali nutzte den Augenblick ihrer beider voller Aufmerksamkeit, um sich in einem Sturm aus Eleganz und laut schreiender Arroganz hinab zu wirbeln. Sich dem Effekt seines Auftritts absolut bewusst, erhob sich der Orni Recke aus der knieenden Position, in der er gelandet war. Nicht eine Feder war zerzaust, wie immer wirkte er unnahbar und stolz und eingebildet bis zur Grenze der Unausstehlichkeit. Das blaue Tuch, das ihn als Recken auswies um den Hals geschwungen und mit klingelndem Kopfschmuck kam er näher, den Schnabel erhoben und die Augen kalt. Er verschränkte die Arme, als er das Schwert in Links Hand mit einem hochmütigen Blick bedachte. „Steck das lieber weg, bevor du dir noch ein Auge ausstichst.“ Zelda runzelte die Stirn. Es war eine Sache Revalis Eigenarten zu akzeptieren und respektieren. Etwas anderes, wenn er vorsätzlich verletzend war. Vor allem mit so offenkundig haarsträubenden Behauptungen. Link Ungeschick mit dem Schwert vorzuwerfen, war ungefähr genauso wahr, wie Revali als flugunfähig zu schimpfen. Es war lächerlich. Und ging damit einfach nur nach hinten los. Aus dem Augenwinkel sah Zelda, dass Link das Schwert allerdings tatsächlich wieder in dessen Scheide steckte. Revalis selbstgefälliger Blick machte sie dabei ein kleines Bisschen wütend. Dabei wusste sie, dass die Worte des Orni Recken, anders als er wohl glaubte, ihren Leibwächter nicht dazu bewogen hatten, das Schwert wegzustecken. Vielmehr berührten die kleinlichen Versuche Revalis, Link zu beleidigen, diesen nicht wirklich. Hatten es nie. Link hatte beinahe den Eindruck gemacht, als würde er Revali nicht einmal wahr nehmen. Was ihn wahrscheinlich noch mehr ärgerte, als eine wütende Reaktion es getan hätte. Revali ließ eines der für ihn so typischen schnaufenden Geräusche hochmütigen Missfallens ertönen. „Ich habe zwar damit gerechnet, dass ich als Erster hier sein würde“, sagte er und klang dabei so von sich überzeugt, dass Zelda sich schon nicht mehr über ihn ärgern konnte. „Aber dass ich so lange warten musste... Ich habe Besseres zu tun, nur damit ihr es wisst.“ Die Dynamik zwischen den Beiden zu beobachten war wirklich sonderbar. Es schien beinahe, dass Revali in seiner Obsession Link eine Reaktion zu entlocken, vergaß, dass sie, Zelda, überhaupt hier war. Die Erkenntnis die ihr so unbewusst gekommen war, breitete sich in all ihrer Glorie hinter Zeldas Stirn aus. Genau das war es. Revali war so daran gewöhnt, sich mit seinem gesamten Umfeld in ständiger Reibung auseinander zu setzen, dass Links stoische Ruhe ihn vollkommen aus dem Konzept brachte. Zelda konnte es ihm nicht verübeln. Ihre erste Reaktion auf Links Verhalten war ähnlich gewesen. Nur dass sie mit weniger Aggressivität gehandelt hatte. Wie viel sich doch in einem Jahr geändert hatte. „Ich danke dir trotzdem, Revali“, sagte Zelda und lächelte, nun mit nichts anderem als sanft amüsiertem Mitgefühl für den stachligen Recken erfüllt. „Es ist schön, dass du hier bist. Es ist zu lange her, dass wir uns gesehen haben.“ Bei ihren Worten wandte sich Revali ihr in seiner ganzen gereizten Nervosität zu. Allerdings wich sofort etwas von seiner Anspannung, als er spürte, dass sie es ehrlich meinte. Ohne die unsichtbar gesträubten Federn wirkte er sofort viel kleiner. Und versöhnlicher. „Naja“, rümpfte er und wandte den Blick ab. „Es ist schließlich meine Pflicht als Recke.“ Zelda konnte sich nun ein Lächeln nicht länger verkneifen. „Nichts desto trotz. Ich freue mich über dein Kommen.“ Sie warf Link einen schnellen Blick zu, der außer einem winzigen Zucken seines Mundwinkels nichts davon zeigte, was in ihm vor sich ging. Der Unterschied zum unbefangenen, beinahe albernen Mann von gerade eben war erdrückend. Zelda zwang sich, nicht enttäuscht darüber zu sein. Denn trotz allem hatte sie die Wahrheit gesagt. Sie freute sich über Revalis Kommen. „Ich habe euch wohl erschreckt“, meldete dieser sich wieder. Er klang jetzt wieder wie der beherrschte, nur ein wenig harsche Orni, den Zelda in deren Dorf in Hebra kennen gelernt hatte. Einen Blick auf ihn zeigte ihr, dass er nun wieder Link anstarrte. „Du warst wohl abgelenkt, was?“ Bei diesen Worten zeigte ihr Leibwächter das erste Mal eine Reaktion die über das reine Bewegen von Gliedmaßen und Schwertern hinaus ging. Seine Augen verengten sich sichtlich und so etwas wie eine Warnung huschte über sein Gesicht, bevor er es wieder in einem passive Maske bringen konnte. Seine ganze Haltung schien sich zu spannen. Sein Körper blieb absolut reglos, doch das plötzlich aufgeflammte dunkle Feuer in seinen Augen verschwand nicht. Im Gegenteil. Je länger er und Revali sich stumm anstarrten, einen unsichtbaren und wortlosen Kampf ausfochten, desto stärker wurde es. So etwas wie selbstgefällige Zufriedenheit blitzte in den Augen des Orni auf, während die Aura kaum in Schach gehaltener Energie um Link immer gefährlicher wurde. Und war das ein Knurren gewesen? Wer hatte es ausgestoßen? Zelda sah hilflos zwischen den Beiden umher. Verwirrt darüber was vor sich ging und nicht ganz sicher, ob sie sich wegen Revalis Worten Sorgen machen sollte. Was meinte er? Hatte er das kindische Gekabbel wischen ihr und Link beobachtet? War mehr darin lesbar gewesen, als zwei Freunde, die frei miteinander herumalberten, dort wo es den Konventionen und Regeln einer Standes orientierten Gesellschaft nicht schaden konnte? Warum reagierte Link so aggressiv? Seine sonst so verhaltene Gelassenheit, die leicht genervte Belustigung gegenüber Revalis Tiraden, war wie weggeblasen. Nicht dass seine stummen Drohungen Revali irgendwie einschüchterten. „Was ist denn hier los?“ Noch nie war Zelda so froh gewesen, eine Stimme zu hören. Ruckartig drehte sie sich um, überschlug sich beinahe, als sie sich zu der Retterin dieser vertakten Situation umwandte. „Urbosa!“ Die Königin der Gerudo kam mit langen, wiegenden Schritten den Weg entlang. Das blaue Reckentuch flatterte in der Brise ihres Hüftschwungs und verlieh ihr, zusätzlich zu der würdevollen und mütterlichen Aura, die sie umgab, eine beinahe greifbare Sinnlichkeit. „Dachte ich mir doch, dass ich deinen Weißen in Kakariko gesehen habe, kleiner Vogel“, begrüßte sie Zelda mit einem warmen Lächeln auf den blau gefärbten Lippen. Doch die Zärtlichkeit mit der sie Zelda betrachtete, täuschte nicht über die Härte hinweg, mit der sie erst Link und dann Revali ins Visier nahm. „Ein kleiner Ehestreit, bevor die Sonne untergeht?!“ Ihre Stimme klang gefasst und nur ein kleines bisschen spöttisch, während sie Zelda in die Arme schloss, den Blick aber nicht von den voreinander aufgebauten Recken nahm. Mit ihren Worten verurteilte sie den Disput genauso wie sie ihn als lächerlich darstellte. Es war die perfekte Strategie. Zelda atmete erleichtert auf, als sie den Effekt beobachtete, den das Wort Ehestreit vor allem auf Revalis stachelige Gereiztheit hatte. „Gut so. Werdet es besser hier los, bevor ihr euch noch später am Abend weh tut. Ihr wisst schon, wenn wir diesen besonderen Tag im Leben der Prinzessin ehren?!“ Die deutliche Implikation von Urbosas Worten reichte aus, um die Situation vollends zu entschärfen. Link wandte den Blick von Revali ab und ließ seine Augen schnell über Zeldas Gestalt huschen. Eine stumme Bestandsaufnahme unter der sie sich so aufgewühlt und beruhigt wie immer fühlte. Aus seinen Augen sprach eine wortlose Entschuldigung, die Zelda mit einem winzigen Kopfschütteln abwinkte, bevor sich sein Gesicht wieder zu einem unlesbaren Ausdruck verschloss. Er trat einen Schritt näher an sie heran, während Urbosa Revali etwas zuraunte, das verdächtig nach Reiß dich zusammen klang. Noch bevor weitere Worte fallen konnte, ließ ein fernes Rumpeln sie alle aufblicken. Einzig und allein Link schien von dem schnell näher kommenden Geräusch nicht irritiert zu sein, was Zelda genauso entspannte, wie es ihr sagte, worum es sich dabei handelte. Wenig später rollte Daruk in einer riesenhaften Kugel aus Gestein und lautem Lachen heran. Er begrüßte sie laut polternd und drückte erst Zelda, dann Link und schließlich Urbosa an seinen harten, unnachgiebigen Körper. Zelda quietschte, als ihr die Luft wegblieb. Bevor Link ihr aus der erstickenden Freudesbekundung des Goronen heraushelfen konnte, war er selbst darin gefangen. Er ertrug sie allerdings mit mehr Fassung als Urbosa, die rot anlief und ein wenig schwindlig aussah, als Daruk sich lachend Revali zuwandte. Dem Orni entwich ein seltsam würgendes Geräusch, als er sein Schicksal zu spät erkannte und sein Fluchtversuch in einer kleinen Wolke aus ausgerissenen und durch die Luft fliegenden Federn endete. „Freunde“, bellte Daruk, nachdem er Revali losgelassen hatte, scheinbar vollkommen blind für die Dolche, die der Orni ihm mit seinen Augen in den Rücken rammte, während er sich mit verletztem Hochmut das Gefieder glättete. „Es ist viel zu lange her. Großartig, großartig!“ Er stemmte die Hände in die mächtigen Seiten und lachte so laut, dass sich durch den Schall weiter oben am Berg einige Steine lösten und in die Schlucht polterten. Daruks Eintreffen hatte die restliche Anspannung endgültig verpuffen lassen und sie begannen sich über ihren Weg hierher auszutauschen, während sie auf Miphas Eintreffen warteten. Urbosa hatte den längsten Weg hinter sich. Glücklicherweise hatte der Ornibote den Link am Abend zuvor geschickt hatte, sie erreicht, als sie an den östlichen Gerudo Ruinen verweilte, auf der Suche nach einem Versteck der Yiga. Mit einem gemieteten Pferd aus dem nächsten Stall, war sie über die Straße am Präludia-Fluss und über Kakariko gekommen, wo sie die Stute zum Ausruhen abgestellt hatte. Daruk war in den frühen Morgenstunden des Todesberg hinabgerollt und hatte einen ähnlichen Weg wie Link und Zelda hinter sich, nur dass er nicht die Abkürzung den Sahasra-Hügel hinauf hatte nehmen können. Auch er war über die schwer bewachte, aber für Reisende geöffnete Kakariko-Brücke gekommen. Revali war geflogen, auf dem schnellsten Weg, wie er mit knappen Worten und verschränkten Flügeln hervor presste. Er schielte immer noch etwas nachtragend zu Daruk hinüber, der die zornigen Blicke überhaupt nicht zu bemerken schien. Urbosa gelang es, dem Orni einen Bericht über den aktuellen Zustand seines Dorfes und die allgemeine Verehrung des Titanen zu entlocken, als Link Zelda eine Hand auf den Arm legte, um ihre Aufmersamkeit zu erlangen. Sie folgte seinem Blick und sah auf. Es war Mipha, die den Pfad von der Folbluth-Ebene hinauf kam. Ihr Anblick ließ etwas in Zelda zur Ruhe kommen. Die Zora Prinzessin umgab eine Aura aus Sanftheit und zarter Würde und das obwohl sie an Land überhaupt nicht in ihrem Element war. Der reiche Schmuck ihres Volkes glitzerte im Licht der Nachmittagssonne und hüllte sie in schillerndes, wechselndes Licht, das so blendend wurde, als sie näher kam, dass Zelda den Blick abwenden musste. Die anderen Recken verstummten, was Zelda als Zeichen deutete, dass sie Mipha ebenfalls bemerkt hatten. Mit einem scheuen Lächeln trat Mipha an die kleine Gruppe heran, die im Schatten des gewaltigen steinernen Tores stand. Sie faltete die kleinen Hände vor der Brust und legte den Kopf schief, während sie alle nacheinander begrüßte. Mit einer Mischung aus Eifersucht und Scham beobachtete Zelda, wie Mipha Link einmal kurz über den Arm strich. Doch dann erkannte Zelda, dass es der Arm war, an dem ihn sein Vater verwundet und den Mipha geheilt hatte. Die Erinnerung trieb Zelda Hitze in die Wangen. „Meine Glückwünsche, Prinzessin“, sagte Mipha mit ihrer zarten, melodischen Stimme und lächelte Zelda an. „Lasst mich Euch sagen, dass Ihr für Euer Alter sehr jung ausseht. Da die Zora so viel langsamer alterten als die Hylianer, wusste Zelda nicht ob das ein Kompliment sein sollte. Sie blinzelte, wurde in dem Gedanken jedoch von den Glückwünschen der anderen Recken unterbrochen. „Jaaah, Glückwünsche, Prinzessin!“ „Mögest du lang und vollkommen leben, kleiner Vogel!“ „Fff. Ja. Glückwunsch!“ Zelda neigte den Kopf in Dankbarkeit, als die Worte und deren Ehrlichkeit ihr Herz mit Wärme füllte. „Ich danke euch. Wirklich. Für euer Hiersein. Und euren Beistand. Hyrule … ich, sind euch zu tiefem Dank verpflichtet.“ Sie sah in lächelnde Gesichter – mit Ausnahme von Revali, der einfach nur starrte – und spürte, wie sie ebenfalls zu lächeln begann. „Jaja, und jetzt ist mal gut mit der ganzen Verpflichtung“, sagte Urbosa mit einem eleganten Winken ihrer geschmückten Hand. „Lasst uns endlich losgehen. Es hieß, wir würden am Fuße des Berges auf Zelda warten, wenn sie morgen zur Quelle hinauf klettert.“ Sie setzte sich mit einem Schwung ihrer runden Hüften in Bewegung, die rote Mähne hinter sich her schaukelnd. „Worauf warten wir also noch?“   Sie erreichten das Osttor der Ranelle-Straße am späten Nachmittag. Das Lager schnell errichtet, ebenso wie ein mächtiger Stapel mit Holz für die Nacht aufgetürmt. So nah am schneebedeckten Berg und mit dem Wasser gleich bei, würde es eine kalte Nacht werden. Es war schnell klar, dass jeder von ihnen etwas für ihr abendliches Mahl beizutragen hatte. Mipha hatte einige Lachse mit feurig roten Schuppen mitgebracht, die Link beinahe noch schneller zu köstlich duftenden Bratspießen verarbeitete. Revali zog mit einem Stirnrunzeln mehrere weiche Brotleibe aus seinem Gepäck hervor und Urbosa stellte unter einem grölenden Jubeln von Daruk mehrere kleine bauchige Flaschen mit einer hellen Flüssigkeit neben sich auf den Boden. Link überraschte Zelda mit einem riesigen Nusskuchen, für den sie ihn am lieben geküsst hätte und spießte außerdem mehrere Fleischstücke auf kleine Hölzer, die er dann über einem behelfsmäßigen Grill aus mehreren Steinen garte, die er ins Feuer gelegt hatte. Um sie herum wurde es immer dunkler und bald war die Luft erfüllt vom herrlichen Geruch von Gebratenem, dem rauchen Aroma der Flammen und ihrer aller Gelächter, als Daruk Link seinen Hoheitsplatz am Feuer absprüchig zu machen versuchte, um seine dubiosen Felsenfilets zu garen. Bald starrte Zelda zufrieden und satt in die tänzelnden Flammen und fühlte sich so glücklich wie schon lange nicht mehr. „Einen Trinkspruch!“, rief Urbosa und holte Zelda aus ihrer wärme- und entspannungsinduzierten Trance. „Hört, hört!“, machte Daruk und schlug sich mit einem ohrenbetäubenden Schmettern auf die Brust. Revali schüttelte mit einem Schnauben den Kopf und Link sah nur kurz von seiner Tätigkeit das Feuer mit neuem Holz zu füttern auf, um Urbosa ein kleines Lächeln zu zu werfen. Zelda spürte wie ihr ein wenig Röte in die Wangen stieg. „Urbosa“, begann sie abwehrend, da sie nicht der Mittelpunkt dieses Zusammentreffens sein wollte, selbst wenn heute ihr Geburtstag war. Aber Urbosa schüttelte nur den Kopf und deutete mit dem Finger auf sie. „Heute bist du siebzehn Jahre alt. Eine Erwachsene vor Mensch und Göttin. Und das-“, sagte sie und begann die bauchigen Flaschen umher zu reichen, bis jeder von ihnen in der Hand hielt, „muss gefeiert werden.“ Urbose entkorkte ihre eigene Flasche und hielt sie auf Brusthöhe, während die anderen am Feuer es ihr gleich taten. „Auf Zelda! Die schönste und klügste und tapferste aller Prinzessinnen!“ „Auf Zelda!“, grölten die anderen im Chor und die Hitze in Zeldas Wangen erreichte brennende Gefilde. Sie schluckte gerührt, während die anderen die Flaschen hoben und auf ihr Wohl tranken. Mipha nippte vorsichtig an dem Getränk und verzog dann ausgiebig das Gesicht. Revali trank mit genießerischer Langsamkeit, während Daruk seinen Kopf nach hinten kippte und mit einem Mal beinahe die Hälfte der Flasche leerte. Sie sah noch aus dem Augenwinkel, wie Urbosa Link dazu aufforderte, seine Flasche zwei Mal an die ihre und dann drei Mal auf den Boden zu Klopfen, bevor sie mit einem lauten Lachen ebenfalls den Kopf in den Nacken warf, bevor Zelda die Augen zu Boden senkte. „Ich danke euch“, murmelte Zelda, als ein wenig Ruhe eingekehrt war. „Erneut. Für euer Kommen. Und eure Hilfe. Für eure Freundschaft.“ Sie hob wieder den Kopf. Ließ ihren Blick über jeden Einzelnen in der Runde gleiten. „Es bedeutet mir mehr, als ihr wissen könnt.“ Zelda schluckte und atmete tief ein. Dann entkorkte sie ebenfalls ihre Flasche und hob sie. „Auf gute Freunde. Eine gemeinsame Sache und darauf, dass wir zusammen allen Gefahren trotzen können.“ Ihre Worte wurden mit einem Jubel empfangen, erschreckend kräftig dafür, wie wenige sie waren und dann wurden die Flaschen wieder angesetzt. Dieses Mal trank Zelda ebenfalls. Brennende Flüssigkeit erfüllte ihren Mund und rann heiß ihre Kehle hinab. Jetzt konnte sie Miphas Gesichtsausdruck verstehen. Das war wirklich garstig. Zelda zog erschrocken Luft ein, als das Brennen sich ihren Hals hinab ausbreitete und verschluckte sich prompt an dem versengenden Zeug. Sie hustete und hätte beinahe die Flasche in ihrer Hand fallen gelassen. „Oh“, schüttelte sie sich. „Oh, das ist ...“ Das Lachen der anderen ließ sie wieder die Augen öffnen. „Keine Sorge, kleiner Vogel“, sagte Urbosa und hob mit amüsiertem Blick erneut ihre Flasche. „Das soll so sein.“ Sie nahm einen großen Schluck. Daruk hatte es mit dem zweiten Trinkspruch geschafft, seine Flasche zu leeren und erbeutete sich von Urbosa noch eine weitere. Revali war dazu übergegangen, in kleinen Schlücken aus seiner Flasche zu trinken, obwohl sie auf gar nichts mehr anstießen und Mipha hatte sich heimlicher ihrer entledigt und sie zu Daruk hinüber geschoben. „Alles in Ordnung?“, fragte Link leise, nachdem Zeldas Husten nachgelassen hatte. Mit tränenden Augen sah sie ihn an. Da er nicht wirklich besorgt schien, war ihre Reaktion wohl tatsächlich einigermaßen normal. „Was ist dieses Zeug?“ Ihre offensichtliche Ablehnung musste sich deutlich auf ihrem Gesicht zeigen und einigermaßen belustigend sein, denn in Links Augen entstand ein amüsiertes Funkeln, als er ihr die Flasche abnahm und stattdessen einen mit Wasser gefüllten Becher reichte. „Palmfruchtschnaps“, sagte er in sachlichem Ton und ließ sich von ihr den Becher wieder geben, nachdem Zelda getrunken hatte. „Gerudo gebrannt.“ Er reichte ihr wieder die Flasche. Ein wenig benommen nahm Zelda sie entgegen, obwohl sie nicht vor hatte, je wieder einen Schluck daraus zu trinken. Als ihre Hände sich berührte, zuckte sie kurz zusammen. Link presste die Lippen aufeinander, als er es bemerkte. Er schien es misszuverstehen. „Du musst nichts davon trinken, wenn du es so schrecklich findest.“ Er warf ihr einen matten Blick zu. „Ich würde dir sogar ausdrücklich empfehlen, es nicht zu tun. Zumindest nicht ohne mindestens genauso viel Wasser zu trinken.“ Er deutete auf den Wasserbecher, den er neben ihr angewinkeltes Bein gestellt hatte. „Aber vielleicht möchtest du ihm eine zweite Chance geben.“ Sein Blick flackerte zu der Flasche, die Zelda in einem seltsamen Winkel von sich fern hielt. „Es wird besser, glaub mir. Und es wärmt mindestens genauso gut wie ein Kälteschutztrank.“ Zelda betrachtete zuerst ihn und dann die Flasche skeptisch, was Link dazu brachte, leise zu lachen. Da Links Lachen wie eine Droge für sie war, seufzte sie schließlich ergeben und hob den bauchigen Glaskolben mit der Miene von jemandem, der sein Schicksal akzeptiert hatte. Mit einem Ohr hörte sie, wie Urbosa eine Geschichte über eine ihrer Kriegerinnen erzählte, die beim Wachen über den Eiskeller in der Gerudowüste, schlimmes Fieber bekommen hatte. Eine Erzählung, die Daruk aus irgendeinem Grund fürchterlich komisch zu finden schien. Zelda seufzte erneut. „Ich werde es bereuen“, murmelte sie und hob die Flasche todesmutig an die Lippen. Es brannte erneut, aber Link hatte Recht behalten. Es wurde besser. Dieses Mal verschluckte sich Zelda nicht an der brennenden Flüssigkeit. Was allein schon eine große Verbesserung darstellte. Sie konnte sogar einen sonderbaren Geschmack wahrnehmen. Etwas Säuerlich-süßes, bevor die Hitze ihren Sinn für Geschmack übernahm und sie von Innen heraus wärmte. Sie leckte sich über die Lippen, als sie die Flasche wieder absetzte. Link betrachtete sie mit abwartender Belustigung. „Und?“ Zelda antwortete mit einem unverbindlichen Summen, was ihn erneut zum Lachen brachte. Noch mehr Wärme durchfloss sie, als sie sein lächelndes Gesicht betrachtete, das beleuchtet vom Feuerschein nicht mehr nur attraktiv, sondern von Innen heraus zu strahlen schien. Mitten in der golden-roten Färbung schimmerten seine Augen wie blaues Eis und ließen ihr die Knochen ganz weich werden. Zelda nahm noch einen Schluck aus der Flasche. Wieder huschte Feuer ihre Gliedmaßen entlang. Vielleicht, dachte sie, während eine dämmrig, wolkige Ruhe in ihrem Kopf einsetzte, waren es gar nichts Links schöne Augen. Sondern was immer für eine Flüssigkeit in dieser Flasche war. Träge blinzelnd hob Zelda das kleine runde Glas an, um es genauer betrachten zu können. Die Flüssigkeit darin schwappte munter, als sie die Flasche schüttelte. „He“, protestierte Zelda, als Link sie ihr abrupt aus der Hand nahm. „Hier“, meinte er und drückte ihr ohne viel Federlesen das Wasserglas in die Hand. „Trink!“ Und Zelda trank. Aber nicht ohne ihm einen verdrossenen Blick zu zu werfen. „Du bist eine Nervensäge, weißt du das?“ Links Mundwinkel zuckten, als er ihr den Becher wieder abnahm. „Und du bist betrunken. Gib schon her!“ Zelda hatte nicht bemerkt, dass sie den Becher nicht losgelassen hatte. Irgendetwas schien mit ihrer Koordination nicht richtig zu funktionieren. Fasziniert starrte sie ihn an. „Bin ich das?“ Sie war noch nie betrunken gewesen. Bei Zeldas faszinierter Miene verzogen sich Links Lippen zu einem kleinen Lächeln, während Daruks lautes Gelächter erneut von den Felsen um sie herum wider hallte. „Nein“, antwortete er und lachte leise, als sie enttäuscht das Gesicht verzog. „Aber du wärst es, wenn ich dich weiter trinken lasse.“ Mit diesen Worten griff er nach der Flasche aus der sie getrunken hatte und stellte sie außerhalb ihrer Reichweite an seine andere Seite. „Aber-“, machte Zelda, wurde aber unterbrochen, als er ihr unversehens auf die Nase tippte. „Keine Chance, Prinzessin. Nicht unter meiner Wache.“ Er lehnte sich zurück und bedachte sie mit einem sanften Blick, bevor er sich einen der übrig gebliebenen Fleischspieße griff. Es wurde schnell klar, dass weder Urbosa noch Daruk Anfänger waren, wenn es darum ging, Palmenfruchtschnaps zu trinken. Beide versicherten Mipha, die sie mit immer größeren und immer schockierter Miene anstarrte, dass der Alkohol ihnen half, in dieser verdammten Kälte warm zu bleiben. Dann prosteten sie sich erneut zu und schütteten die klare, scharfe Flüssigkeit hinunter, als würde es sich dabei um Wasser handeln. „Ich kann diese Scharmedizin einfach nicht ertragen“, erklärte Urbosa Link, der die Arme auf die Knie gestützt, mit dem Fleischspieß in der Hand, amüsiert beobachtete, wie sie mit der Flasche in seine Richtung gestikulierte. „Und es ist mir ganz egal, was du dazu sagst. Jedes einzelne Rezept ist einfach widerlich.“ Sie schüttelte sich merklich und nahm noch einen Schluck vom Palmfruchtschnaps. „Ihr Hylianer habt es gut. Ihr seid für die gemäßigten Klimaten gemacht. Und wenn ihr woanders hin geht, dann zieht ihr euch einfach etwas anderes an.“ Fasziniert beobachtete Zelda die roten Flecken, die auf den Wangen ihrer Freundin auftauchten. Alkohol konnte den Geist vernebeln, wenn man zu viel davon trank. Deswegen war Zelda Link dankbar, dass er sie genau davor bewahrt hatte. Aber sie hatte nicht erwartet, mit welchem Wohlgefühl das Ganze einher ging. Alles schien ihr unwichtiger und gleichzeitig viel komischer zu sein. Und sie konnte nicht mal sagen, dass ihr Geist sich vernebelt anfühlte. Alles in einem, fühlte sie sich rundum wohl. „Daruk hier, weiß wovon ich spreche. Nicht wahr, Daruk?“ Daruk hob mit einem abwehrenden Ächzen die Schultern. „Wenn es nach mir ginge, würde ich überhaupt nichts tragen“, meinte er und verzog das Gesicht, während er in seiner sitzenden Position ein wenig umher rutschte. „Am liebsten mag ich es, wenn alles frei und luftig ist.“ Revali ließ bei seinen Worten ein so lautes Schnauben los, das Mipha, die bis dahin an sich hatte halten können, in einen Kicheranfall verfiel, der erst nachließ, nachdem sie sich an dem Wasser verschluckte, das Link ihr reichte. „Ich weiß, was du meinst“, sagte Urbosa und warf sich mit geübter Bewegung die schwere Masse ihres Haars über die Schulter. Sie betrachtete Mipha mit einem Blick schelmischer Berechnung, dann lehnte sie sich leicht in ihre Richtung. „An manchen Tage schnappe ich mir gern meine Sandrobbe und lasse ich mich von ihr zur Süd-Oase ziehen. Da lege ich mich dann unter die Palmen. Vollkommen nackt.“ Für einen Moment sah es so aus, als würde Mipha sich an ihrem eigenen Atem verschlucken. Dann begann sie zu würgen und schließlich brach ein so hilfloses Gelächter aus ihr hervor, dass sie sich an Revalis Flügel festhalten musste. Der Orni sah aus, als würde er in diesem Moment alles tun, um irgendwo anders sein zu können. Bei dem Anblick fing auch Zelda an zu lachen. Link neben ihr gluckste leise und begann, ein wenig rot an den Ohrenspitzen, mit den Füßen Kreise auf den Boden zu zeichnen. Daruk schien das Ganze völlig normal zu finden und Urbosas Gesicht hatte einen so selbstzufriedenen Ausdruck angenommen, dass Zelda ganz sicher wusste, dass der Geist ihrer Freundin weit davon entfernt war vernebelt zu sein. Nachdem sich Mipha hatte beruhigen können, setzte sich Urbosa aufrechter hin. Sie warf einen scharfen Blick in die Runde, bis sie schließlich Revalis einfing, der sie vorsichtig beobachtete. „So“, sagte sie und ihr Gesicht wurde ernst, „Ich habe ein Geheimnis mit euch geteilt. Jetzt seid ihr dran. Erst die Geheimnisse und dann das gemeinsame Rührseligwerden. Du hast damit angefangen, Daruk. Also musst du jetzt auch die Regeln befolgen.“ Sie fixierte Daruk mit ihren Kriegerinnenaugen und für einen kleinen Moment wurde selbst Zelda ein wenig seltsam zumute. Auf dem Gesicht des Goronen erschien allerdings nur ein Ausdruck milder Verwirrung. Auf diesen starken, gemeißelten Zügen wirkte das immer ein wenig verloren. „Und was dann?“ Urbosa verschüttete etwas von ihrem Palmenfruchtschnaps, als sie sich ruckartig zu ihm wandte. „Wie, was dann?!“ Daruk sah sie mit seinen käferartigen Augen an. „Was kommt danach?“ „Oh“, machte Urbosa und wirkte einigermaßen erstaunt. Sie überlegte für einen Moment. „Ich weiß nicht. Für gewöhnlich schlafe ich dann ein.“ Ein Ausdruck schärfster Überlegung trat auf ihr Gesicht. Dann hellte sich ihr Blick auf. „Oh, ich weiß. Manche Gerudo vollführen einen Akt des Bluttausches und einen Schwur der ewigen Verschwesterung.“ Bei ihren Worten schnaufte Revali so heftig, dass es klang, als würde er grunzen. „Ich glaube nicht, dass das funktionieren wird“, schnarrte er und betrachtete den Himmel, als würde er ein stummes Gebet hinauf schicken. Zelda kicherte. Urbosa schenkte ihr einen sanftmütigen Blick und ein mütterliches Lächeln. Für einen kleinen Moment hatte Zeldas das Gefühl, dass sie das Ganze hier nur inszenierte. „Ich wundere mich“, begann Urbosa und betrachtete Zelda für einen Augenblick nachdenklich. Ein unheilvolles Gefühl beschlich sie, als sie sah, wie Urbosas Augenbrauen sich merklich verschoben. „Wo ist eigentlich dein Kleid?“ Alle Augen richteten sich auf Zelda. Die ungeteilte, plötzliche Aufmerksamkeit half ihr nicht unbedingt dabei eloquent zu sein, als sie ihre Verwirrung ausdrückte. „Was?“ Urbosa richtete ihren Blick in einem Ausdruck von Ungeduld zum Himmel. „Na das hübsche, weiße Ding, in dem du dir immer deine süßen kleinen Zehen abfrierst. Wo ist es?“ Zelda blinzelte, während sie versuchte, den tieferen Sinn der Frage zu ergründen. Sie gab schnell auf. „Oh. In meiner Tasche. Ich ziehe es morgen an.“ Es war ihr unbegreiflich, wie diese Tatsache so viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen konnte. Aber selbst Revali schien es kurz davon abzubringen, sich in einen Mantel aus erhabener Unberührtheit zu kleiden, obwohl das Zusammensein ihn insgeheim zu amüsieren schien. „Verstehe ich das richtig? Du wirst auf einem schneebedeckten Gipfel stehen, in nichts weiter als einem Kleid?“ „Einem dünnen Kleid“, half Urbosa aus, als Zelda den Orni anstarrte, immer noch überrascht, dass ihn das tatsächlich interessierte. „Ohne Träger“, fügte Urbosa hinzu, als würde das von irgendeiner Bedeutung sein. Zelda warf ihr einen sardonischen Blick zu. Nicht, dass Urbosa Recht das hatte, über Freizügigkeit von Kleidung zu urteilen. Von Schicklichkeit hatten die Gerudo schlichtweg keine Ahnung. Wahrscheinlich wurde man in diesen Fragen nachsichtig, wenn die heiße Wüstensonne einem den letzten Verstand aus dem Schädel brannte. Würdevoll wandte Zelda sich Revali zu. „Ja. Es ist ein rituelles Gewand. Das Gewand der Hohepriesterin Hyrules und es erweist der Wichtigkeit und Tragweite meines Besuchs die nötige Bedeutung.“ Revali schnaufte und verschränkte die Flügel vor der Brust. Zelda war sich ziemlich sicher, dass sie ihn etwas wie verrückte Hylianer murmelt hörte. Doch Mipha lenkte sie ab. „Aber, verzeih, Prinzessin. Wirst du nicht frieren?“ Zelda seufte, als sie sich ihr zu wandte. „Ja, es ist sehr unpraktisch. Aber die Forscher im königlichen Institut haben mich mit genügend wärmenden Tränken ausgestattet, sodass ich den Weg unbeschadet überstehen werde.“ Sie verzog das Gesicht. „Auch wenn die Aussicht auf Glutflügler, gemischt mit Fledermausaugäpfeln, mich nicht gerade glücklich stimmt.“ Mipha kicherte und Zelda betrachtete sie mit einem Lächeln. „Eine Schande, dass die Quelle der Weisheit sich nicht auf dem Todesberg befindet“, meinte Daruk daraufhin. „Da müsste man keine wärmenden Tränke schlucken, um nicht zu erfrieren.“ Bei dem Gedanken an seine geliebte Heimat grinste er glücklich und sah dabei so liebenswert treuherzig aus, dass Zelda es nicht über ihr Herz brachte, ihn auf den offensichtlichen Fehler in seiner Überlegung aufmerksam zu machen. Aber Daruk war ein schlaues Kerlchen und kam selbst darauf. „Aber dann hätte man wohl das Problem, dass man in Flammen aufgehen würde, wenn man kein Gorone ist, oder?“ Er lachte bellend über seinen eigenen Witz und schlug dann Link so hart auf den Rücken, dass dieser den neuen Fleischspieß fallen ließ, den er sich gerade auf dem Feuer gebraten hatte, weil er all die anderen aufgegessen hatte. „Der Kleine hier musste das auf die harte Weise lernen, was?“ Link betrachtete den verlorenen Fleischspieß mit einer so traurigen Miene, dass Zelda ein Lachen nicht unterdrücken konnte. Er war ein solcher Vielfraß. Es war Revali, der die Möglichkeit auf eine gute Geschichte über Link nicht ruhen lassen konnte. „Wieso?“, fragte er Daruk und sprach damit aus, was alle anderen ebenso interessierte. Es folgte die Geschichte über einen jungen Link, der, nachdem er Daruk mit einigen Monstern geholfen hatte, lichterloh brennend nach Goronia spazierte und im Krämerladen seelenruhig nach feuerfester Kleidung fragte. „Stellte sich heraus, ihm war auf halbem Weg die Löschmedizin ausgegangen, weil er sich in der Zeit verschätzt hatte.“ Die Geschichte ließ Urbosa schon inmitten der Erzählung den Kopf in den Nacken werfen und lauthals lachen. Mipha wirkte mit jeden Wort bestürzter. „Das könnte mir nicht passieren“, meinte Revali mit überlegendem Ton und belohnte sich mit einem erneuten langsamen Schluck aus seiner Flasche. Zelda betrachtete Link von der Seite, der Daruks Geschichte stumm über sich hatte ergehen lassen und nicht einmal bei Revalis Hochmütigkeit eine andere Reaktion gezeigt hatte, als das wehmütige Starren ins Feuer. Dort war sein Fleischspieß bereits zu unersichtlicher Asche verkohlt. Am liebsten hätte sie ihm den Arm getätschelt. Daruks Geschichte stachelte die anderen ebenfalls an, lustige Erinnerungen zu teilen. Die meisten davon auf Kosten von Link, der den verlorenen Fleischspieß irgendwo in der Mitte von Urbosas Geschichte darüber, wie er sich in Frauenkleidern nach Gerudo Stadt geschlichen hatte, aufgegeben hatte. Er zuckte beim allgemeinen Gelächter nur mit den Schultern. „Der Schleier ist praktisch. Und ich mag die Schuhe“, sagte er und brachte Zelda damit so heftig zum Lachen, dass ihr am Ende die Tränen kamen und sie sich die Seiten halten musste, weil diese von der Heftigkeit ihres Gekichers schmerzten. Alle Recken schienen instinktiv zu spüren, dass es genau das war, was Zelda brauchte. Gelächter. Albernheit. Selbst Revali sprang auf seine ruppige, selbstbezogene Art ein und erzählte von den phänomenalen Fehlschlägen einiger junger Ornis auf dem Flugübungsplatz des Dorfes. Es war wundervoll. „Ich danke euch“, sagte Zelda irgendwann, als die späte Stunde ihren Tribut zollte und ihre Augen begannen schwer zu werden. „Ich habe nicht gewusst, wie sehr ich einen solchen Abend gebraucht habe.“ Sie sah in die vertrauten Gesichter und lächelte. „Es war eine wunderbare Feier und ich möchte nicht, dass sie endet. Aber morgen muss ich früh aufbrechen.“ Sie erhob sich und zupfte ihre Ärmel zurecht. „Es war uns eine Ehre, Prinzessin“, antwortete Mipha mit sanftem Nachdruck in der Stimme. „Ihr solltet versuchen zu schlafen.“ Sie sah in die Runde. „Ihr alle, solltet schlafen. Ich übernehme die erste Wache.“ Mit plötzlicher Strenge wandte sie sich Link. „Und du auch!“ Urbosa lachte beim Anblick der sonst so zarten Zora Prinzessin, die den großen Helden Hyrules ins Bett schickte. Aber Link tat wie geheißen, wenngleich Zelda auch vermutete, dass es nichts mit Miphas Anweisung, als viel mehr mit seinem Energielevel zu tun hatte. Immerhin hatte er diesen letzten Fleischspieß nicht mehr essen können. Es folgte einiges an Bewegung, als jeder der Recken sich sein Nachtlager bereitete. Revali wirbelte Asche und Glut durch die Luft, als er sich mit kräftigen Schwingen in die Nacht erhob, um auf dem Torbogen über ihnen, eine für ihn passende Schlafposition zu finden. Daruk fegte sich etwas Glut in eine Kuhle, die er sich mit den Händen zurecht schaufelte und Urbosa schüttelte eine Matte aus dickem Teppich aus, auf dem sie sich in eine Decke hüllte und beinahe sofort zu schnarchen begann. Link bereitete Zelda ein Lager aus den Fellen, auf denen sie schon auf dem Satori Berg geschlafen hatte und machte sich dann, nachdem sie sich kurz vom Feuer entfernte, um sich zu erleichtern, ein zweites provisorisches Bett direkt neben dem ihren. Irgendwie fühlte es sich so natürlich an wie das Atmen, dass sie nebeneinander liegend in die Augen des jeweils anderen sahen, das Feuer nahebei und den endlosen Sternenhimmel über ihnen. Ruhe hatte sich über den Ort gelegt, ein seltsamer, aber willkommener Kontrast zu der lärmenden Lustbarkeit des Abends. Stille entstand auch zwischen Ihnen. Ein Moment bedeutsamer Ruhe, der sich streckte und aufspannte, größer und weiter wurde, bis er so dünn war, dass sie Luft um sie herum beinahe zu Schreien begann. „Danke“, hauchte Zelda schließlich und ein wenig von der aufgeladenen Energie entwich. Zerteilte sich und floh über die Berge zu irgendeinem anderen Paar, das nicht die richtigen Worte für all das Unausgesprochene zwischen ihnen fand. Link verbrachte keine Zeit damit, ihre Dankbarkeit abzuweisen oder als unnötig abzuwinken. Ein bekümmerter Ausdruck huschte über sein Gesicht, seine Augen in der halben Dunkelheit zwei Untiefen aus unbenannten Emotionen. „Du solltest deinen Geburtstag anders verbringen, als damit, vor der Sonne aufzustehen und dir die Schenkel wund zu reiten, damit du so schnell wie möglich auf einen einsamen, kalten Berg steigen kannst.“ Seine Stimme war rau in ihrem Flüstern, aber Zelda fühlte, dass etwas anderes ihn ebenfalls aufwühlte. Der Konflikt zwischen seiner Sorge für sie und dem Wissen um die Pflicht, die sie Beide zu tragen hatten. Seine Lippen pressten sich für einen kurzen Moment aufeinander, eine Bewegung, die Zeldas Blick auf seinen Mund lenkte. „Du solltest zumindest deine Freunde um dich haben. Das ist alles, was ich...“ Er brach ab. Holte tief Luft, um fort zu fahren, sprach dann aber wieder nicht weiter. Aber Zelda wusste, was er hatte sagen wollen. Das ist alles, was ich für dich tun kann. Das ist alles. Oh ja. Es war so viel. Es war alles. Um den Impuls die Hand auszustrecken und ihn zu berühren zu unterdrücken, sei es aus Trost oder dem tiefen Bedürfnis nach seiner Nähe, legte Zelda ihren Kopf auf ihre Finger und presste sie in das weiche Kissen. Wie konnte er glauben, dass sie mehr brauchte? „Ich verbringe ihn mit dem besten Freund, den eine Siebzehnjährige haben kann. Ich bin glücklich, Link. Glaub mir.“ Es schien als würde ein wenig Farbe über seine Haut streichen und das warme Gold seiner Haut verdunkeln. Seine Augen strahlten in dem Kontrast dunkler als sonst. Aber vielleicht war das nur ein Trick, den das Licht Zelda spielte. Oder ihre temperamentvolle Einbildungskraft. Sie würde den Anblick für immer in ihrem Herzen tragen.   Zelda wusste es noch nicht, aber dieses Bild würde ihr helfen. Später, wenn sie in der Hölle litt, die Ganon für sie geschaffen hatte, in der Ewigkeit aus immer wieder verschwindender und wiederkehrender Zeit. Es wäre eine der Erinnerungen, die sie bei Verstand behielt. Auch wenn die Schönheit des Moment und die Hoffnung die daraus sprach, sie beinahe entzwei riss.   *   Am nächsten Morgen erwachte sie, als Link sie sanft an der Schulter berührte. Zelda blinzelte zu ihm hinauf, eine Schattengestalt aus ihren Träumen. „Du hast wirklich schöne Augen“, hauchte sie mit schlafrauer Stimme. Links Verblüffung war der Spiegel, der sie endgültig erwachen ließ. Zelda unterdrückte ein beschämtes Stöhnen und blieb absolut starr, während Link sie entgeistert anstarrte. So früh am Morgen schien auch er keinerlei Finesse für den Umgang mit derlei plakativer Schamlosigkeit zu haben. Urbosas Stimme war Zeldas Rettung vor ihrer eigenen Demütigung. „Ja, seine Augen sind schön und blau wie der Morgenhimmel. Und jetzt raus aus den Federn.“ Wie am Abend zuvor besprochen, hatte Urbosa die letzte Wache übernommen. Als Zelda aufgestanden war, reichte Urbosa ihr das weiße Kleid, über das sie vor so wenigen Stunden gelacht hatte. Link machte sich geschäftig daran, ihre Bettstatt verschwinden zu lassen. Von seiner war bereits nichts mehr zu sehen. „Los, geh dich umziehen“, raunte Urbosa ihr zu. „Dann könnt ihr los, bevor die anderen aufwachen und habt einen schnelleren Start.“ Zelda nickte ein wenig betäubt und stolperte hinter den Torbogen, um sich dort aus ihren warmen Sachen zu schälen und in das kalte Kleid zu steigen. Von hier aus hatte sie einen besseren Blick auf den Himmel und konnte sehen, dass es nicht länger Nacht, sondern kurz vor Morgenanbruch war. Sie zitterte, als sie zurück kam. Link nahm ihr ihre Kleidung ab und drückte ihr einen Becher mit etwas Warmem in die Hand. Sie wich seinem Blick aus und bedankte sich leise. Sie trank den Inhalt des Bechers, ohne nachzufragen, worum es sich dabei handelte. Sofort durchströmte sie angenehme Wärme und löste ein wenig von der morgendlichen Steifheit aus ihren Gliedern. Urbosa winkte sie ans Feuer heran, das entweder immer noch brannte oder wieder entfacht worden war. Sie drückte Zelda eine Schüssel mit Getreidebrei in die Hand und deutete ihr, sich zu setzen und zu essen. „Du machst das schon lange genug, Zelda“, begann Urbosa in eindringlichem Ton. „Du wirst schnell genug wissen, ob du dort oben findest, weswegen du her gekommen bist.“ Bei Urbosas Worten verstand Zelda den Grund für das unwirkliche, losgelöste Gefühl, das ihren Geist lähmte, seit sie aufgewacht war. Es war nicht die frühe Stunde oder ihre peinliche Bekundung Link gegenüber. Es war Angst. „Du hast genug wärmende Medizin, damit du in der Kälte keine Probleme bekommst. Nicht mal in diesem dünnen Ding.“ Sie deutete auf Zeldas Kleid. „Nimm dir da oben so viel Zeit, wie du brauchst. Link ist darauf vorbereitet, auch die Nacht dort zu verbringen.“ Urbosa wartete auf Zeldas Nicken, bevor sie fort fuhr. „Wir werden hier auf dich warten, auch wenn es länger dauert. Revali wird ab und an nach oben fliegen, um nach euch Ausschau zu halten.“ Wieder nickte Zelda, als Urbosa sie abwartend ansah. „Gut. Iss jetzt auf.“ Sie strich Zelda über das Haar, dass diese mit den Händen behelfsmäßig geglättet hatte. „Mach dir keine Sorgen, kleiner Vogel. Das wird schon.“ Wie gern hätte Zelda diesen Worten Glauben geschenkt. Das Bedürfnis sich in diese freigiebig geschenkte Zuversicht fallen zu lassen, war überwältigend. Aber sie konnte nicht. Stattdessen schnürte es ihr die Kehle zu und sie schob die Schüssel von sich. Urbosa betrachtete den übriggebliebenen Inhalt mit einem scheelen Blick. „Also gut“, sagte sie schließlich und zog Zelda auf die Beine. Am Arm geleitete sie die wenigen Schritte weiter, wo Link stand und auf sie wartete. Dort drückte sie Zelda an sich. „Ich bin bei dir, Zelda. Du bist nicht allein. Niemals.“ „Danke, Urbosa“, antwortete Zelda mit so fester Stimme, wie es ihr möglich war. Für ihre Mühe drückte Urbosa ihr einen Kuss auf den Scheitel. „Gut so, kleiner Vogel. Immer weiter so.“   Der Weg die Ranelle Spitze hinauf war nicht allzu schwer. Erst führte der Weg sie über grünes Feld, das sanft anstieg. Als sie die Schneegrenze überwanden, begann es schwieriger zu werden. Nicht wegen des Weges, sondern wegen des Schnees, der es anstrengend machte zu gehen und ihre Schritte verlangsamte. Sie kamen nur in einem Tempo voran, das eine Schildkröte beschämt hätte. Sie sprachen wenig. Nicht nur wegen der Anstrengung und dem peinlichen Vorfall am Morgen. Sondern auch wegen der immer näher rückenden Prüfung, der Antwort, die so vieles entscheiden würde. Als sie den eigentlichen Aufstieg zum Berg begannen, war Zelda gleichzeitig erleichtert und enttäuscht, da sie nun schneller voran kamen. Hier waren Stufen in den Stein gehauen und das raue Klima des immer höheren Berges, verwehte viel von dem Schnee, der sie weiter unten am Fortkommen behindert hatte. Das Wetter blieb klar und wolkenlos und sie erreichten die vereiste Spitze des Berges nach wenigen Stunden, nachdem die Sonne am Himmel hinauf geklettert war und hell und strahlend beschien, was sich vor ihnen auftat. Eine Klarheit herrschte hier oben, die an den anderen Quellen nicht da gewesen war. Nur Eis und Wasser und die Statue der Göttin. Zelda zögerte nicht. Sah nicht einmal zu Link hinüber. Das war es. Das war der Moment. Sie trat vor und setzte einen Fuß in die Quelle. Kapitel 20: Kapitel 19 ---------------------- Zuerst geschah gar nichts. Das Wasser fühlte sich lau an, weder warm noch kalt, sondern … weich. Tausende Eiskristalle glitzerten in der Luft und kitzelten sie im Gesicht, als Zelda vorwärts schritt. Das Wasser schien keinen normalen Widerstand zu leisten. Anders als sonst, fühlt es sich beinahe leicht an, durch die Quelle zu gehen, bis sie schließlich vor der Statue der Göttin stand. Zelda hob den Kopf und faltete die Hände. Sie atmete durch die Nase ein und ließ alle irdischen Gedanken mit dem Senken ihrer Brust aus ihr hinaus fließen.   Prinzessin … willkommen.   Sie hörte die Worte nicht, Zelda war sich sicher. Sie entstanden in ihrem Kopf und zuerst wusste sie nicht, ob sie selbst sie gedacht hatte. Anstatt heiße Ströme aus Aufregung zu fühlen, spürte sie ein eisiges Prickeln, das sich in ihrem Körper ausbreitete. Es fiel ihr mit einem Mal schwer zu atmen. Nicht vor Kälte, es schien keine Kälte zu geben. Sondern vor wilder, wahnsinniger Hoffnung.   „Ich-ich höre dich“, antwortete Zelda, zittrig und ungewiss, eher mit einer Frage in der Stimme und besorgt, ob sie laut sprechen sollte.   Natürlich tust du das, Prinzessin.   Erneut, Worte in ihrem Kopf, wieder das eisige Prickeln. Wie ein frischer, kalter Windzug, Kristalle, die durch sie durch wirbelten und die Gewissheit der Worte hinterließen. Eine Stimme aus kalter, klarer Energie.   „Nayru“, wisperte Zelda, als sie verstand und ihr Herz begann so heftig zu schlagen, dass sie im lauwarmen Wasser zu schwanken begann.   Der Tag deiner Prüfung ist gekommen. Bist du bereit?   Der Tag ihrer Prüfung. Die Quelle wollte sie prüfen? War das der Weg ihre Kräfte zu erlangen? Erleichterung und Angst sprudelten gleichzeitig in Zelda hinauf, wie ein frisch geschlagener Brunnen. Dieses Mal antwortete die Stimme ihr, ohne dass sie gesprochen hatte.   Die Kraft des Siegels ist überall hinter deiner Stirn. Du siehst sie an mit tiefer Seelenqual. Warum ist das?   Die Worte in ihrem Kopf kamen fragend, aber nicht urteilend. Zelda klammerte ihre Hände noch fester zusammen und leckte sich über die Lippen. Ihre Stimme überschlug sich beinahe, als sie antwortete. „Deswegen bin ich zu dir gekommen, weiseste der drei Göttinnen. Mein ganzes Leben habe ich im Gebet verbracht, um die Kraft das Dunkel zu versiegeln, in mir zu erwecken. Ich bin hier, weil ich diese Kraft von dir erbitten möchte.“   Du bist mit dieser Kraft geboren, Prinzessin … es steht niemandem zu sie zu vergeben, außer der großen Göttin selbst.   Die kristallenen Worte formten sich ohne einen Hauch von Gefühl. Kein Spott, keine Enttäuschung. Kein Trost. Nur eine klare Feststellung, die Zeldas Welt in Stücke riss. „Nein“, wimmerte sie und schüttelte den Kopf. Ihr Haar musste sich mit Wasser vollgesaugt haben, denn es klatschte ihr an die Oberarme, als sie sich vor Abwehr und Angst schüttelte. „Ich habe diese Kraft nicht. Ich sollte sie haben, aber sie ist nicht da. Egal was ich auch tue. Ich habe alles versucht.“ Zelda fiel nach vorne, streckte die Hand nach der Statue aus. „Bitte!“ Sie blickte flehend zu der steinernen Göttin nach oben, in das glatte, stumme Gesicht, das keine Regung zeigte und nicht erkennen ließ, dass sie in telepathischem Kontakt mit Zelda stand. „Bitte, hilf mir! Hilf mir, damit ich meinem Volk helfen kann. Wie kann ich die Kraft in mir erwecken?“ Sie begann am ganzen Körper zu zittern, als all die Panik und Verzweiflung, die sie seit Jahren in sich fühlte, in ihre Stimme kroch. Zelda hatte nicht mal Zeit für Tränen, so dringlich klammerte sie sich an den kalten Stein unter ihren Fingern. „Meine Mutter sagte mir, die Siegelkräfte würden zu mir kommen, als sie starb. Aber sie sagte nicht wie. Ich hatte keine Lehrerin. Ich weiß nicht, was ich noch tun soll. Bitte … bitte…“ Zuerst dachte Zelda, sie hätte die Stimme verjagt, als sie die Statue berührt hatte. Oder ihr dringliches Flehen war zu wenig gefasst für den edlen Geist, der die Quelle bewohnte. Sie zuckte zusammen als sich erneut Worte in ihrem Kopf formten.   Die Prinzessin ist immer willkommen in Nayrus Quelle. Und Hilfe soll ihr gewährt werden, wenn sie die richtigen Fragen stellt. Doch Nayru kann den Wind nicht lehren zu wehen, der Sonne nicht lehren zu scheinen, den Regen nicht lehren zu fallen. Die Kraft des Siegels durchfließt die Prinzessin. So wie Atem und Blut und Güte. Sie muss sie nur benutzen.   Und damit verstreuten sich die unzähligen kleinen Kristalle, die in der Luft geschwebt hatten, in alle Richtungen und die Präsenz verschwand. Zeldas Kopf blieb leer. „Nein“, hauchte sie. „Nein ...“ Zelda schwankte. Mit einem Mal so leer und geschlagen, dass sie keinen Gedanken fassen und nicht länger die Kraft aufbringen konnte, zu stehen. Es waren Links Arme, die sie hielten und daran hinderten mit dem Kopf an den Stein der Statue zu schlagen. Links Arme die sie führten, als Zelda beinahe blind durch das Wasser watete. Sie wehrte sich für einen kurzen Moment. Wollte einfach versinken in dem Frieden versprechenden Nass. Aber Link war unerbittlich und Zelda viel zu schwach. Als sie aus der Quelle traten, wickelte er sie in eine Decke und half ihrem tauben Körper, sich nieder zu lassen. Sie spürte das Fell und den wärmenden Trank, den er ihr einflößte, nur durch eine Wand aus Pein und Elend. „Ich habe nichts erreicht“, flüsterte Zelda nach einer Weile. Ihre Stimme ein raues Krächzen voller ungeweinter Tränen. Sie spürte kaum, dass sie sprach. „Ich habe nichts erreicht“, wiederholte sie und ihr ganzer Körper erbebte, als die ganze Macht der Erkenntnis sie traf und hoffnungslose, verzweifelte, wahnsinnige Wut in ihr weckte. „Mein ganzes Leben fußte auf dieser winzigen Hoffnung. Dieser Vorstellung. Und sie ist eine Lüge.“ Sie drehte den Kopf und sah Link in die Augen. Er war ihr so nah, dass sie die hellen Spitzen seiner Wimpern sehen konnte. Doch die Nähe löste nichts in ihr aus, außer die tiefe Scham elendig versagt zu haben. „Es gibt keine Kraft, die ich erwecken kann“, stieß sie hervor, ihre Stimme ein geschundenes, kratzendes Geräusch. Etwas erblühte in Links Augen bei diesen Worten. Überraschung? Angst? Die selbe Verzweiflung, die Zelda ihr ganzes Leben lang spürte? „Die Stimme sagte mir, dass sie bereits in mir ist, die Kraft des Siegels. Ich muss sie nur benutzen.“ Die letzten Worte spuckte sie mit Verachtung in die Kluft zwischen ihnen, die große Kluft die sie teilte. Auf der einen Seite der große Held, bereit sein Schicksal mit allen Konsequenzen zu erfüllen und auf der anderen die Prinzessin, die um ihr Leben nicht dazu fähig ist. Ein trockenes Schluchzen stieg in Zelda auf. Nie hatte sie sich weiter von ihm entfernt gefühlt. Doch es kamen keine Tränen. Es wirbelte zu viel Wut in ihr, die alle Feuchtigkeit sofort verdampfen ließ. Ein winziger restlicher Teil ihres logischen Verstandes war empört über ihren fehlenden Respekt diesem Ort und dem geschenkten Rat gegenüber. Der Rest von ihr konnte keine Kraft in sich finden, sich darum zu scheren. Link schwieg und ließ sie gewähren. Ließ sie die kristallenen Worte immer und immer wieder in ihrem Kopf wenden und hören, bis die Wut langsam verrauchte und in ihrem Schatten nichts als ermattete, leere Akzeptanz hinterließ. Irgendwann, nachdem ihr Haar und das Kleid unter der Decke, in die Link sie gewickelt hatte, getrocknet war, erhob sich Zelda mit einer plötzlichen Bewegung, die selbst ihren aufmerksamen Leibwächter zu überraschen schien. Zelda vermutete, dass auch er tief in Gedanken versunken war. Wahrscheinlich war er dabei Pläne zu schmieden, für ein Hyrule ohne funktionierende Prinzessin. Nein. Sie tat ihm damit Unrecht. War es nicht das, was Link ihr versucht hatte zu sagen? Dass die Kräfte einfach kommen würden, wenn Zelda nur aufhören würde, so gierig und verzweifelt danach zu greifen? Link hob die Decke auf, die zu Boden gefallen war, als Zelda aufstand. Mit einem schnellen Blick auf sie, verstaute er das alte Webstück in seinen magisch vergrößerten Taschen. Mittlerweile war sich Zelda sicher, dass seine Mutter diese Decke für ihn gefertigt hatte. Ohne ein weiteres Wort trat er an ihre Seite und stumm begannen sie den Abstieg.   Wie konnte sie nur zum Schloss zurückkehren? Wie konnte sie weiter in dieser Farce leben, nun mit der Gewissheit, dass ihr Weg die Kräfte zu erwecken, der Falsche gewesen war? Wie sollte sie ihrem Vater erklären, dass er Unrecht hatte? Würde er es ihr überhaupt glauben? Oder würde er es für eine Lüge halten? Eine Lüge die es Zelda ermöglichte, ihren Studien nachzugehen, ohne sich weiter um die Siegelkräfte bemühen zu müssen. Würden Angst und Schmerz ihn überhaupt zuhören lassen? Aber wie konnte Zelda diesem Leben den Rücken kehren? Gebete und spirituelle Übungen, Tagein und Tagaus. Nur unterbrochen von ein wenig Müßiggang und ihren Studien. Das war alles, was sie kannte. Musste sie fliehen? Würde sie darum kämpfen müssen, den einzig richtigen Weg einzuschlagen? Sich selbst erlauben, loszulassen und kommen zu lassen, was bereits Teil von ihr sein sollte, so instinktiv und einfach wie das Atmen? Würde ihr Vater versuchen sie zu zwingen, wenn sie sich gegen ihn behauptete, auch wenn er ihr nicht glauben würde? Würde er sie einsperren?   Immer dunkler und wahnwitziger wurden ihre Gedanken, während sie Link den Berg hinab folgte. Link … Er würde ihr folgen, wenn sie fliehen würde. Zelda wusste das mit Sicherheit. Aber wie konnte sie ihm das antun? Er war von Anfang dem richtigen Pfad gefolgt. Er wusste, was das Leben für ihn bereit hielt. In dazu zu verdammen, fernab davon ein Dasein auf der Flucht zu pflichten. Es war unvorstellbar. Zelda warf ihm einen Blick von der Seite zu. Ihre Augen trafen sich und sie sah dieselbe nackte Pein dort gespiegelt, die sie selbst empfand. Nur, dass er sich um sie sorgte. Und ihr das Herz um ganz Hyrule schmerzte. Zelda war sich sicher, dass er verstanden hatte, was oben in der Quelle der Weisheit geschehen war. Er hatte ihre eigenen Worte gehört und genug von dem, was Zelda danach von dem stimmlosen Austausch in ihrem Kopf preisgegeben hatte. Und dennoch war es nicht Hoffnungslosigkeit die über sein Gesicht flimmerte, als er ihren Blick erwiderte. Sondern Sorge. Eine stille Trauer, die wertfrei und tröstend war. Zeldas Augen flackerten zurück zu dem alten, schneeüberwehten Stein unter ihren Füßen. Sie spürte die Schritte die sie machte kaum, hörte nur immer und immer wieder die klare, kristallene Stimme in ihrem Kopf. Du musst sie nur benutzen. Aber wie? Ihre eigene Mutter hatte diese Kraft gebrauchen können, ohne dass Ganon je etwas von seiner Präsenz in Hyrule gezeigt hatte. Ihre Großmutter hatte Geister hören können, obwohl dem Land keine Gefahr drohte. Waren diese Fähigkeiten einfach in ihnen erwacht, organisch und natürlich, weil sie frei von dem Druck lebten, dass diese Kräfte gebraucht wurden? Die königliche Zelda hatte stets die Position der Hohepriesterin inne. Eine Rolle die sie, die einzig lebendige Zelda, nicht hatte ausfüllen können, weil ihr die Kräfte fehlten, die dazu benötigt wurden. Oder waren diese Fähigkeiten für ihre Großmutter und ihre Mutter immer da gewesen? Immer in Reichweite, immer spürbar, so dass nie Zweifel aufkamen, ob sie sie verwenden konnten, oder nicht? Wieso nur, wieso, hatte niemand irgendetwas gesagt? Wieso hatte ihre Mutter Zelda nicht von dem Tag erzählt, als ihre eigenen Kräfte erwachten? Oder, wenn sie immer da gewesen waren, nicht davon gesprochen, wie sie sich anfühlten? Irgendetwas. Zu irgendwem. Ihrem Vater. Urbosa. Ein geheimes Tagebuch. Wieso konnte niemand Zelda sagen, was sie tun musste?   Mit einem Mal erreichten sie flachen Boden. Der Schnee zog sich zurück und ihre Füße trugen sie die restliche Distanz hinüber zu den vier wartenden Recken. Ein Blick auf deren Gesichter sagte Zelda, dass sie alle es wussten. Schon von weitem sahen, was jeder von ihnen wohl vorausgesehen hatte. Versagen. Nicht nur an der Quelle. Sondern ihr ganzes Leben lang. Zelda hätte es wissen sollen. Gebete und erbärmliche Bitten an Quellen waren nicht der richtige Weg. Irgendwie hatte sie es immer gewusst. Aber sie hatte gehofft … denn welchen anderen Weg gab es schon? Aber es gab so viel anderes, was sie hätten erforschen, was sie hätten versuchen müssen. Der Shiekah Stein war sicherlich viel mehr als ein Apparat, mit dem man detailgenaue Abbilder der Umgebung anfertigen konnte. Die Leitsteine waren um diesen Stein konzipiert worden! Die versteckten Säulen rund um das Schloss, von denen die alten Schriften schrieben. Die Schreine in denen sich Prüfungen für den auserwählten Helden befanden. Mit ihrem Versagen hatte sie Link vielleicht die Möglichkeit genommen, sich so gut wie möglich auf die Verheerung vorzubereiten. Bei Hylia, was würde Zeldas Versagen dieses Land kosten? Ihre Kräften waren nicht aufgetaucht. Und sie hatte aus Angst, sich gegen ihren Vater zu behaupten, ihr Volk um die anderen Möglichkeiten der Verteidigung gebracht.   Obwohl Zelda die Gewissheit auf den Gesichtern der Recken ablesen konnte, ließ Daruk die drückende Gewissheit nicht auf sich beruhen. Sorge sprach aus seinen blauen runden Augen. Dieselbe bekümmerte Sorge, die Zelda auch in den Gesichtern der anderen sah. „Na?“, sagte Daruk und ging seitwärts ein paar Schritte mit Zelda, als sie sich nicht dazu bringen konnte, in der wartenden Mitte der Recken stehen zu bleiben. „Hat‘s geklappt, Prinzessin? Mit dem Training am Berg der Göttin?“ Möge er gesegnet sein. Dieser unerschütterliche Koloss von einem Goronen. Mit dem großen Herzen. Der sich nicht scheute die Frage zu stellen, die allen anderen ebenfalls auf der Brust brannte. Zelda blieb stehen. Im warmen Licht der Nachmittagssonne – waren sie wirklich so lange auf dem Berg gewesen? – aber sie spürte sie nicht. Kurz überlegte sie, was sie Daruk antworten sollte. Ob sie von den kristallklaren Worten erzählen sollte, die so deutlich und dennoch so nebulös gewesen waren. Würde es die Recken beruhigen? Dass Zelda dieses Mal zumindest eine Antwort bekommen hatte? Oder würde es alle noch mehr verunsichern. Es würde noch mehr Fragen aufwerfen, für die Zelda keine Antworten hatte. Nicht jetzt. Sie brauchte Zeit. Zeit, um eine Strategie zu entwerfen. Um das zu tun, was sie von Anfang an hätte tun sollen. Und um zu beten, dass ihnen noch genug Zeit blieb. Also schüttelte sie den Kopf. Ein schweres, niedergeschlagenes Seufzen stieg in ihr auf. Die Geste hatte den erwarteten Effekt auf die Recken. Betroffene Stille breitete sich aus. Selbst die Vögel, die bis eben fröhlich gezwitschert hatten, schienen die Lust an ihren Stimmen verloren zu haben. Ihren Blick zum Boden gerichtet, spürte sie die Hitze in ihren Wangen. Wie sollte sie den Recken nur beibringen, was die Stimme ihr an der Quelle gesagt hatte? Mit dem strengen Plan ihres Vaters hatte Zelda zumindest einer Weisung folgen können. Einer Chance auf ihre Kräfte. Nun wusste sie überhaupt nicht, was sie tun konnte, damit sie in ihr erwachen würden. Und auch wenn Zelda alle Geheimnisse der antiken Technologien entschlüsseln könnte. Ganz Hyrule, die Recken, ihr Vater, wären trotzdem nie wirklich in Sicherheit, wenn ihre Siegelkräfte sich nicht zeigen würden. „Sie hat sich nicht gezeigt, oder?“, sagte Revali und kam ein bisschen näher heran. Seine Stimme klang ungewohnt weich. Ein Zeichen, dass er zu sehr viel mehr Mitgefühl fähig war, als er sonst zeigte. „Die Siegelkraft?“ Sein Blick war so scharf wie eh und je. Beinahe hatte Zelda das Gefühl, dass er wusste, dass etwas dort oben geschehen war. Doch Zeldas Entschluss verhärtete sich. Sie würde nicht über das sprechen, was sie in der Quelle der Weisheit erfahren hatte. Noch nicht. Erst musste sie nachdenken. Sie schaffte es, Revali kurz in die Augen zu sehen und zu nicken. Dann senkte sie den Blick wieder. „Es tut mir leid“, antwortete Zelda und meinte damit alles. Ihr Versagen. Ihre Unwissenheit. Dass sie ihnen jetzt gerade nicht die ganze Wahrheit preisgeben konnte. Sie verschränkte die Hände vor dem Körper. „Ach Zelda.“ Urbosas Stimme war weich, doch frei von Unsicherheit oder Mitleid. „Du hast dein Bestes gegeben. Das muss reichen, oder etwa nicht?“ Es waren Links Worte. Vielleicht nicht genau derselbe Wortlaut, aber ihre Bedeutung war gleich. Auch er hatte gesagt, dass Zeldas Erfahrungen an den Quellen keine Zeitverschwendung waren. Dass nichts, was sie tat umsonst war. Dass man sie nicht dafür verurteilte, wenn das Ergebnis, dass sich Zelda so erhoffte, ausblieb. Diese Worte von Urbosa zu hören, war keine Überraschung. Aber jetzt trugen sie nur dazu bei, Zelda die Schizophrenie der Situation vor Augen zu halten. Ja. Sie hatte ihr Bestes gegeben. Immer! Aber es war das falsche Beste gewesen. „Und“, sagte Urbosa und drehte sich in Richtung der Ranelle-Spitze, „was bedeutet denn schon dieser Berg?“ Daruk, die großen weißen Zähne in einer Mischung aus ermunterndem Lächeln und tiefer Sorge entblößt, nickte zustimmend. Selbst Revali verneinte Urbosas Worte nicht. Die fehlende Ehrerbietung in der Reaktion der Recken hätte Zelda vor einiger Zeit schockiert. So wie Link mit seiner viel pragmatischeren Religiosität der Göttin und ihrem Ausdruck in Hyrule gegenüber trat. Der Feuer an den Quellen entfachte und über verschwindende Rumis lachte. Jetzt wusste Zelda ebenfalls, dass die falsche Heiligkeit, die sie hatte leben müssen, nicht dem Wunsch der Göttin entsprach. „Vielleicht“, fuhr Urbosa überlegend fort, „erweckt am Ende etwas völlig anderes die Kraft des Siegels.“ Es entsprach so sehr der Wahrheit, für die anscheinend jeder außer dem König und Zelda nicht blind gewesen war, dass sie beinahe geschnaubt hätte. Aus Respekt vor den Recken unterdrückte Zelda ihre bittere Reaktion. „Ich danke dir, Urbosa“, sagte Zelda, die selbstmitleidige Note aus ihrer Stimme verschwunden, ersetzt mit ein wenig von der Bitterkeit, die immer stärker in ihr zu rumoren begann. Sie hörte wie Mipha einen Laut von sich gab und hob leicht den Blick. Die Prinzessin der Zora spiegelte Zeldas Haltung; die Arme vor dem Körper verschränkt. Sie sah aus, als wäre ihr gerade ein wichtiger Gedanke gekommen, doch ihr Blick war auf Link gerichtet, der in schützendem Abstand, nicht weit hinter Zelda stand. Zelda unterdrückte den Impuls, Miphas Blick zu folgen. Stattdessen starrte sie weiter den Boden an. „Prinzessin.“ Als Mipha ein wenig schüchtern einen Schritt nach vorne trat, sah Zelda langsam auf. Miphas Stimme klang weich und verständnisvoll, aber war vollkommen frei von erdrückendem Mitleid oder der Enttäuschung, die Zelda bisher in allen Recken vergeblich gesucht hatte. Bei dem Ausdruck auf Miphas Gesicht, entwich Zelda ein zittriger, überraschter Laut. Sie sah dort, worauf sie scheinbar ihr ganzes Leben gewartet hatte: Ein Angebot der Hilfestellung. Vorsichtig und zaghaft. Wie alles was Mipha tat. Aber es war trotzdem deutlich, dass Mipha sich sicher war, dass ihre Worte Zelda helfen würden. Zarte Knospen von etwas, das sich wie ehrliche Hoffnung anfühlte, reckten ihre Spitzen in Zeldas Brust nach oben. Da die Angst vor Enttäuschung dieses Mal fehlte, fühlte es sich außerordentlich seltsam an. „Also … ich kann das leider nicht gut in Worte fassen“, begann Mipha zögerlich, sah kurz zu Boden, als sie überlegte und dann wieder auf, während sie mit eindringlichem Blick näher an Zelda heran trat. „Aber, wenn ich meine Heilkraft einsetze“, sagte sie und sah hinunter auf ihre verschränkten Hände. Dieses Mal nicht aus Schüchternheit, sondern weil sie nachdachte, „dann habe ich immer ein ganz klares Bild im Kopf.“ Der Wind bewegte sanft Miphas Kopfschmuck und Ohren, während sie leicht schwankte, als sie kurz in den Erinnerungen an ihre Heilkunst abdriftete. Natürlich! Wieso hatte niemand vorher daran gedacht? Miphas Gabe war etwas magisches. Wenn jemand Zelda etwas darüber sagen konnte, wie es war von einer fernen Kraft durchflossen zu sein und diese nach dem eigenen Wollen einzusetzen, dann Mipha. „Das ist nur so ein Gedanke“, fuhr Mipha in ihrer sanften, langsamen Art fort, während Euphorie aufgeregte kleine Ströme durch Zeldas Körper schickte. „Aber“, Mipha sah auf und trat noch ein bisschen näher an Zelda heran. Ihr Blick hatte an Nachdrücklichkeit gewonnen, es war beinahe so, als würde sie Zelda auf diese Weise etwas mitteilen wollen. „Es hilft mir, wenn ich, wenn ich daran denke-“ Woran Mipha dachte, wenn sie ihre Heilkunst einsetzte, wurde aus ihren Köpfen fortgeblasen, als eine entfernte Explosion gewaltsam durch das Tal hallte und die Erde kurz daraufhin heftig zu Beben begann. Das Erschrecken hallte aus den Kehlen aller Recken und sie alle hatten Schwierigkeiten, das Gleichgewicht zu halten, als die Erde weiter erzitterte. Zelda spürte Links Hand an ihrem Rücken, als sie nach vorne fiel und er sie wieder zurück zog. Mipha fand ihr Gleichgewicht zuerst wieder, leicht und sicher auf den Füßen wie sie war und wirbelte herum, in die Richtung aus der die Explosion gekommen war. Die anderen taten es ihr gleich und Revali verlor keine Zeit sich auf seinem selbst erzeugten Aufwind in die Höhe zu katapultieren. Der Wind rauschte in ihnen vorbei und bald sahen sie nur noch seine auf und ab fliegende Gestalt am Himmel, während ein fernes, krankhaft violettes Licht wabernd den Horizont erhellte. Ein schreckliches, Grauen erregendes Gefühl wühlte in Zeldas Magen. Eine fürchterliche, katastrophale Ahnung. Sie hoffte, mit aller Inbrust, dass es der Todesberg war. Eine schrecklicher Unfall im königlichen Institut. Alles … alles, nur nicht das, was sie in ihrem Herzen für die Wahrheit hielt. Zelda streckte unwillkürlich die Hand nach Link aus. Sie erwischte ihn am Oberarm, ein Rettungsanker in einer unheilvollen, grausamen Welt. Als ein röhrendes Gebrüll durch die Schlucht hallte, ein ohrenbetäubendes Geräusch, das aus derselben Richtung stammte, aus der die Explosion ertönt war, da wurde aus düsterer Ahnung verhängnisvolle Sicherheit. Zeldas Hand löste sich mit einem trockenen Ächzen von Links Gewand. Fiel hinunter, als sie ihre Arme vor den Körper zog, den Blick in Schock und Angst dem Himmel zu gewandt, wo sich das unheilvolle Leuchten weiter ausbreitete. Revali landete in dem Moment, als Urbosa begann auszusprechen, was sie mittlerweile alle wussten. „Das ist ...“ sagte sie in der ruhigen, gefassten Stimme der Königin der Gerudo, brach dann aber ab, als würde es die Wahrheit schlimmer machen, wenn sie sie letztendlich aussprach. „Kein Zweifel“, sagte Daruk, die großen Hände zu Fäusten geballt. „Es ist so weit“, sagte Mipha und klang gefasster, als Zelda sich fühlte. „Er ist es“, bestätigte Revali und schüttelte kurz seine Flügel. „Er ist … erwacht“, sagte Zelda, den Blick in die Ferne gerichtet und tiefe, schwere Furcht im Herzen. Ganon! In diesem Moment, wie als grauenvolle Belohnung ihrer Deduzierung, erreichte das krankhafte, wabernde Licht den Bergkamm. Jetzt sahen sie, dass es eine Wolke war. Eine schreckliche Wolke aus Übelkeit erregenden Wirbeln von Rot und Violett und alles verschlingendem Schwarz. Blitze schossen daraus hervor, krachender Donner, der in Zeldas Knochen resonierte und Steine von den Wänden der Schlucht löste. So nah. Er war bereits so nah. Und die Kraft des Siegels kam nicht! Zelda spürte nichts. Nichts außer fürchterlicher Angst und dem schrecklichen Gefühl, dass es zu spät war. Alles. Sie hatte zu spät verstanden. Und jetzt war alles verloren. Zelda brauchte all ihre mentale Kraft, um die alles zu verschlingen drohende Panik von sich abzuhalten. Das gebrochene Wimmern das sie ausstieß, als sie vor dem Verstehen zurückwich, konnte sie allerdings nicht verhindern. Sie schwankte einen Schritt zurück, eine Bewegung, die Daruks Kopf herum fahren ließ. Er drehte sich zu ihr um und neigte seinen großen Körper, um sie direkt ansehen zu können. „Keine Sorge, Prinzessin! Wir finden auch so einen Weg, ihn aufzuhalten.“ Zelda hörte seine Worte, spürte seine Sicherheit, aber sie konnten den dichten Nebel aus Schuld und Angst nicht durchdringen, der sie fest eingeschnürt hatte. Aber Daruk war daran gewöhnt, Befehle zu erteilen. Er brauchte keine Antwort von ihr. „Los Leute! Alle zu ihren Titanen!“ Er riss den Arm hoch und deutete in Richtung Westen. Zelda konnte seine geballten Befehle über das dröhnende Rauschen in ihren Ohren kaum hören. „Macht euch zum Angriff bereit!“ Er ließ den Arm sinken. „Sobald Link sich im Kampf mit Ganon befindet, feuern wir alle im gleichen Moment. Bruder“, sagte er nun an Link gewandt, „ab mit dir nach Schloss Hyrule. Du kannst dich auf uns verlassen. Jetzt geh und verpass Ganon `ne Abreibung!“ Oh, bei der Göttin. Link! Er würde Ganon direkt in die Arme laufen. Allein wenn nötig. Da Zelda nicht bereit war. SIE WAR NICHT BEREIT! Urbosas Hände berührten Zeldas Schultern, immer noch entblößt von dem weißen Kleid, das sie für so viele Jahre völlig umsonst getragen hatte. Dass zu verdienen sie sich so lange bemüht hatte. Dass rein und gut zu halten, sie beinahe ihre gesamte Kraft gekostet hatte. Auf ihrer nackten Haut löste die Berührung Starre aus, anstatt Trost. Blinde, nach innen gerichtete Panik, die blitzend und donnernd in ihr Herz einritt, als Zelda die Wahrheit erkannte. Link! Er würde die Dunkelheit alleine bekämpfen. Aber das Bannschwert ohne die Kraft des Siegels … was für eine Chance hatte er denn? „Komm, Zelda. Du musst dich in Sicherheit bringen.“ Sicherheit? Sicherheit?! Wo gab es denn schon Sicherheit? Wo wäre sie vor der Verheerung sicher? Vor einer Wolke, einer Macht aus Bosheit und Tücke und Gewalt? Zelda wäre nirgendwo sicher. Selbst wenn sie ans Ende der Welt flöhe, hinaus über die Meere, würde ihr Versagen sie verfolgen. Ihr Schuld würde sie finden und vernichten. Es war ein schlimmeres Schicksal als der Tod. Wenn Link zum Schloss reiten würde, direkt hinein in die wabernde Wolke aus Unheil und dämonischer Urgewalt, denn war das auch ihr Weg. Der Held und die Prinzessin gegen die Verheerung Ganon. Das war die Geschichte. Die Legende. Das war Zeldas Schicksal. Und auch wenn ihr Schicksal sie ihr Leben lang gepeinigt hatte und es so aussah, als würde sie es nicht erfüllen können: es gab keinen anderen Weg für sie. Nicht so lange Link da war, um mit der Fackel seines mutigen Herzens zu beleuchten, wohin sie Beide zu gehen hatten. Sie würde die Recken, sie würde Hyrule, sie würde ihn nicht im Stich lassen, um ihr erbärmliches Leben zu retten. Niemals! Zeldas Hände ballten sich zu Fäusten, als die Entscheidung durch sie hindurch zuckte. „Nein!“, rief sie und löste sich ruckartig aus Urbosas Griff. Ihre Drehung wandte sie Daruk zu, ein Flehen auf dem Gesicht. „Ich werde auch mit euch gehen! Vielleicht bin ich keine große Hilfe, aber … bitte, bitte lasst mich mit euch kommen.“ Daruk erwiderte ihren zitternden Blick mit dem ihm so eigenen seltsamen Lächeln, das zur Hälfte ehrlich und zur anderen künstlich schien und rieb sich mit einer gewaltigen Faust über den Nacken. Konfrontiert mit Zeldas offensichtlicher Verzweiflung, ihrem Flehen nicht als unwichtig in eine Ecke des Landes gekarrt zu werden, schien der Gorone jede Sicherheit zu verlieren, mit der er gerade die anderen Recken angetrieben hatte. „Sie kommt mit mir“, sagte Link hinter ihr, bevor Daruk gezwungen war eine Entscheidung zu treffen, die ihm eigentlich nicht zustand. Alle Recken wandten sich überraschte zu Link um, der bisher kein einziges Wort gesagt hatte. Zelda drehte sich einen Atemzug später als die anderen. Doch Links blauen Augen, strahlend hell inmitten der plötzlichen, erstarkten Gefahr, auf die er sich vorbereitete, seit das Schwert ihn zu sich gerufen hatte, suchten allein Zeldas Blick. Was sie darin las, schien für einen Moment die Zeit anzuhalten. Seine Augen bohrten sich in ihre, verankerten und umhüllten sie, während die Welt auseinander zu brechen drohte. Zelda spürte wie sich ihr Atmen beruhigte und ein wenig von der blinden Panik aus ihrem System verschwand. „Die Prinzessin zu beschützen obliegt mir“, sagte Link, seine Stimme nachdrücklich und fest. „Sie geht dahin wo ich hingehe und nirgendwo sonst.“ Er sprach zu den Recken, doch sein Blick war mit Zeldas verriegelt. Etwas Stummes und Instinktives tauschte sich zwischen ihnen aus. Nur sie Beide zählten, die restliche Welt existierte nur in einer vagen, halbschattigen Erinnerung. „Wir sind dafür geboren. Wir sind vorbereitet.“ Er löste den hypnotischen Bann seines Blicks und fixierte jeden der Recken für einen kurzen Augenblick. „Der Plan wird nicht geändert!“ Keiner der anderen sagte etwas. Alle schienen gebannt von dem wortlosen Austausch zwischen Held und Prinzessin, dem winzigen Blick auf die uralte Kraft, die zwischen ihnen floss. Geboren aus Not und wieder erweckt in Anbetracht der Rückkehr des bekannten Bösen. „Link hat Recht“, sagte Zelda ein wenig wie in Trance. Sie hob den Kopf und sah die allgemeine Aufmerksamkeit nun auf sich gerichtet. Zelda atmete tief ein und fasste einen Entschluss. Sie ließ ihren Blick über die Recken schweifen. Die latente Angst, die Entschlossenheit, den Mut auf ihren Gesichtern. Sie verdienten die Wahrheit. „Ich habe meine Kräfte in der Quelle der Weisheit nicht erlangen können. Aber ich habe eine Stimme gehört.“ Der Effekt war augenblicklich. Urbosa richtete sich noch höher auf, einen fassungslosen Ausdruck auf dem schönen, bronzenen Gesicht. Mipha wirkte überrascht, aber froh, während Revali Zelda mit einem schwer deutbaren Blick musterte. Daruk stieß hinter Zelda einen überraschten, erfreuten Laut aus. Und Link betrachtete sie mit einem feinen Lächeln, aus dem Ermutigung und Stolz sprach. „Ich weiß nicht, ob ich die Kraft des Siegels rechtzeitig in mir finden werde. Aber die Stimme hat mir bestätigt, dass ich sie in mir trage.“ Eine neue Welle frischer Angst durchrollte Zelda. „Sie ist nicht groß, aber es gibt Hoffnung. Und ich schwöre euch, dass ich alles in meiner Macht stehende tun werde, um Hyrule vor diesem Dämon zu beschützen!“ Ein kleines, nur für sie bestimmtes Nicken von Link ließ Zelda erleichtert ausatmen. In Ordnung. Das war der Plan. Sie würden Ganon entgegen treten. Mit oder ohne die Siegelkräfte. Und mit der geeinten Kraft der antiken Technologien. Es war, als wäre die Vergangenheit auf ihrer Seite. Niemand sprach. Das Fehlen von Widerspruch ließ Zelda in Operationsmodus gleiten. Sie wandte sie Revali zu. „Kannst du Urbosa tragen? Ihr Weg zurück in die Wüste ist der Weiteste.“ Der Orni nickte sofort, auch wenn Urbosa nicht begeistert schien. „Gut. Bring sie zu Naboris und dann mach dich auf der schnellsten Flugbahn auf zu Vah Medoh. Daruk“, sie drehte sich zu dem Goronen um. „Dein Weg ist beinahe ebenso lang wie der von Urbosa, aber du bist schneller. Lenke Rudania auf das Schloss und feuer mit ganzer Kraft, wenn sich etwas Körperliches zeigt. Ganon muss mehr geschickt haben als dieses Wabern und Blitzen.“ Daruk nickte grimmig. Zelda atmete zitternd ein und nickte ebenfalls, während ihr Tränen aus Dankbarkeit und Angst in die Augen stiegen. „Gut. Pass auf dich auf!“ Der Gorone ließ ein mächtiges Grinsen in die Runde blitzen. „Auf geht’s, Freunde. Zeigen wir diesem Schweinedämon, wer der Boss ist!“ Mit diesem Schlachtruf sprang er in die Luft, wo er sich zu einer wirbelnden, granitharten Kugel zusammenrollte und katapultierte sich die Straße hinunter. Zelda wirbelte zu Urbosa herum. „Urbosa-“, begann sie, doch diese unterbrach sie, in dem sie Zelda fest an sich drückte. „Ich wusste es, kleiner Vogel“, raunte sie an ihr Ohr, rückte dann von ihr ab, um ihr einen schnellen Kuss auf den Scheitel zu drücken. „Hab keine Angst. Der Geist deiner Mutter wacht über dich. Du wirst es schaffen.“ Bevor Zelda etwas erwidern konnte, hatte Urbosa sich zu Link umgedreht, um ihn ebenfalls an sich zu drücken. Link ließ ein seltsam ersticktes Geräusch erklingen, als er in der heftigen Umarmung der so viel größeren Frau versank. Urbosa schien auch für ihn eine Botschaft zu haben, denn Zelda sah, wie Link die Gerudo Königin scharf ansah und dann ruppig nickte. Es blieb keine Zeit, nachzuforschen, denn Urbosa begann in diesem Moment zu rennen. „Enttäusch uns nicht, kleiner Bruder“, schnarrte Revali in Links Richtung, doch aus seinem Schnabel klang der Spitzname, den Daruk Link verpasst hatte, mehr wie eine Beleidigung. „Prinzessin“, sagte der Orni an Zelda gerichtet, bevor er sich mit einem lauten Rauschen in die Luft erhob. Zelda verfolgte mit offenem Mund, wie er Urbosa folgte und schließlich zu ihr hinabstieß, um sie mit den kräftigen Krallen an den Armen zu packen. Seine schnellen Schwingen hatten die Beiden bald außer Sichtweite getragen. Mit einem noch größeren Stein auf dem Herzen, drehte Zelda sich zu Mipha um. Doch bevor sie sprechen konnte, hatte die Zora Prinzessin sich in Zeldas Arme gestützt. Zelda erschauerte bei dem kalten, feuchten Kontakt. „Gebt die Hoffnung nicht auf, Prinzessin“, raunte Mipha an Zeldas Ohr. „Ich denke daran zu helfen. Daran jene zu heilen, die ich in meinem Herzen trage.“ Sie lehnte sich ein kleines Bisschen zurück, bis ihr schönes, edles Gesicht ganz nahe vor Zeldas war. „Nichts entfacht größere Kraft und Stärke in uns, als der Wille jemanden zu beschützen, den man liebt.“ Ihre großen, goldenen Augen blinzelten. „Ich hoffe, das kann Euch helfen. Lebt wohl!“ Bevor Zelda antworten konnte, war Mipha zurück getreten. Sie küsste Link auf die Wange und hielt kurz seinen Blick. „Denk daran, was ich geschworen habe. Egal wo du bist und egal wie schwer die Wunde ist.“ Sie strich ihm über die Stirn und wandte sich dann Richtung Westen. Wahrscheinlich würde sie den anstrengenderen, aber schnelleren Weg über das Ranelle Plateau nehmen, der sie direkt zum Luzida-Fluss bringen würde. Und dann waren sie allein. „Lass uns das hinter uns bringen“, sagte Link und riss damit an den Korken, den Zelda auf ihre Angst gestöpselt hatte, um die Recken in Schlachtposition bringen zu können. „Ich habe Angst, Link“, sagte Zelda mit einem Herz, das ihr bis in die Kehle klopfte. Unwillkürlich machte sie einen Schritt auf ihn zu. „Ich habe keine Anweisungen von der Stimme erhalten. Nur die Bestätigung, dass die Kraft irgendwo in mir schlummert. Ich weiß nicht, ob ich dir helfen kann, wenn wir vor Ganon stehen. Ich habe Angst, dass ich nur eine weitere Belastung für dich sein werde.“ Zelda trat noch einen Schritt in seine Richtung, hoffnungslos unfähig dazu, ihre Worte und ihre Aktionen zu kontrollieren, nun, da die Panik wieder so weit in ihr aufgestiegen war. „Ich weiß nicht, was ich tun kann“, hauchte sie. „Dann“, sagte Link und streckte lächelnd seine Hand aus, „werden wir uns durchmogeln.“ Er grinste, die fehlende Angst in seinem Blick schockierender, als der Kontakt ihrer Haut, als Link ihr Handgelenk so sanft umfasste, als würde er einen Schmetterling einfangen wollen. „Unser Schicksal ist nie mehr, als wir tragen können.“ Er zog sie ein wenig näher an sich heran, auf einmal eine Flasche in seiner anderen Hand. „Ich könnte das nicht ohne dich tun“, raunte Zelda. Ein winziges Grübchen zeigte sich auf Links Wange, als er die Flasche entkorkte und an Zeldas Lippen hob. „Wie gut also, dass du das nicht musst.“ Geschmacklose, kühle Flüssigkeit füllte ihren Mund und rann ihre Kehle hinab. Bevor Zelda sich versah, hatte Link die Flasche auch schon wieder zurückgezogen. Er war so nah, dass Zelda die Tropfen des Tranks sehen konnte, die von seinen Mundwinkeln tropfte, als er die Flasche ebenfalls ansetzte. Mit einem letzten nachdrücklichen, diesmal viel ernsteren Blick verstaute er die Flasche wieder in seiner Tasche. Er drückte ihre Hand. Dann versetzte er ihr einen heftigen Zug und gemeinsam begannen sie zu rennen.   Zelda hielt Schritt mit ihm. Erst dachte sie, es wäre die reine Panik, die nicht nur ihr Herz, sondern auch ihre Beine mit purer Energie überschwemmte. Doch die Schnelligkeit mit der sie das Osttor der Ranelle-Straße erreichten, verrieten ihr die Wahrheit. Spurt-Medizin. Link hatte ihr Spurt-Medizin gegeben. Der Moment auf der Wiese am königlichen Institut, als Zelda ihm spielerisch mit der Spurtkröte gedroht hatte, schien so lange her zu sein. Das königliche Institut… der Gedanke an das Schloss, Hyrule-Stadt, die Menschen dort, ließ Zelda zittern und die erneute Woge ungewisser Furcht durchrollte sie sengend. Vater … Ihre Schritte beschleunigten sich, flogen noch schneller dahin, über die erhöhte Geschwindigkeit der Spurt-Medizin hinaus. Rohes, rotes Donnern erhallte über den Horizont, als sie Kakariko erreichten. „Kommt“, rief Impah schon von Weitem und winkte sie heran. Das Dorf war nicht wiederzuerkennen. Verschwunden waren die schwarzen Banner und die Straßen waren voll von geschäftigen Kriegern. Keine Kinder waren mehr zu sehen. „Ihr habt nicht viel Zeit. Ich habe die Schutzmechanismen noch nicht aktiviert. Ihr müsst den Sahasra-Hügel hinunter, bevor wir die Falle zuschnappen lassen.“ „Zur Not wäre ich von der Klippe gesprungen“, sagte Link, der sofort als er neben Impah zum Stehen gekommen war, begann, sein Gepäck von sich zu reißen. Zuerst dachte Zelda dass er einen Scherz gemacht hatte. So unpassend und verwirrend das auch in diesem Moment gewesen wäre. Aber keiner lachte, weder Imaph, noch die umstehenden Shiekah, die, wie Zelda nun wusste, nur auf Impahs Befehle den Weg nach Kakariko zu blockieren, warteten. „Hier“, sagte Link und drückte Zelda erneut eine Flasche an die Lippen. Dieses Mal übernahm sie selbst die Aufgabe die Flasche zu halten. „Ausdauer-Medizin“, erklärte Link, während der Stapel von Ausrüstungsgegenständen und Waffen neben ihm immer größer wurde. „Trink! Du wirst es brauchen.“ Impah nickte grimmig, als Zeldas Blick den ihrer alten Freundin traf. „Ihr dürft keine Zeit verlieren. Ganon ist stark und er hat das lange Zeit geplant. Die Überraschung liegt noch auf seiner Seite. Aber wir lassen ihm keine Zeit sich darauf auszuruhen.“ Impahs Worte wurde von noch grimmigerer Entschlossenheit in den Gesichtern der umstehenden Shiekah Krieger bestätigt. „Wir haben die Truppen in den Hügeln verstärkt und an der Brücke verfünffacht“, verkündete Impah, vor allem an Link gewandt. Auch wenn Zelda die Prinzessin und damit Thronerbin dieses Landes war, so stand Link den Shiehak deutlich näher. Er war von ihnen ausgebildet worden. Er war einer vor ihnen. Er war bekannt mit den geheimen Strategien, dem Kriegsrat des Dorfes. Was immer Impah auch sagte, Link würde die Information verarbeiten können. „Die Brücke bleibt offen. Wir brauchen sie im Falle eines strategischen Rückzugs.“ Bei diesen Worten sah Link kurz von seiner geschäftigen Sortierei auf. Neben dem mittlerweile gigantisch großen Stapel war ein kleinerer entstanden. Auf den er auch die Flasche mit Ausdauer-Medizin warf, die Zelda im mit zitternder Hand zurückreichte. Er tauschte einen bedeutsamen Blick mit einem der Krieger, der nahe bei Impah stand. Einem jungen Mann von mittlerer Statue und auffallend dunklen Augenbrauen, die in seinem hellen Gesicht harsch hervor traten. „Was ist mit Hateno?“, fragte Link und Zeldas Herz zog sich kurz schmerzhaft zusammen. Seine Familie war in Hateno. Die Familie seiner Mutter. Der junge Krieger neben Impah war es, der antwortete. „Wir stehen in Kontakt mit der Festung. Wenn es so weit kommt, werden wir gemeinsam die Baccanera Ebene und den Rest von Necluda verteidigen.“ Link nickte einmal knapp und fuhr dann fort zu sortieren. Zelda drehte den Kopf und suchte Impahs Blick, in der Hoffnung dort Antworten und Rückversicherung zu erhalten. Doch das neue Oberhaupt der Shiekah war deutlich damit beschäftigt, für die Sicherheit ihres Volkes zu sorgen. Sie hatte sich abgewandt und sprach leise und schnell mit einem älteren Mann mit wuchtiger Gestalt und dunkler Miene, dessen weißes Haar sein Alter Lügen strafte. Zelda fühlte sich trotz des Ausdauertrankes mit einem Mal müde und verlassen. Dies war vermutlich der sicherste Ort in Hyrule. Und sie würde ihn gleich hinter sich lassen, um in das Herz der Gefahr zu schreiten. Sie fürchtete, dass sie es ohne Link an ihrer Seite nicht wagen würde. Link, der sich in diesem Moment aufrichtete, mit seiner unverändert kleinen Tasche am Gürtel, deren Gewicht er prüfte, in dem er einige Male auf den Füßen wippte. Dem restlichen Stapel – Zelda sah Waffen und Kleidungsstücke, ein Seidenschleier?, Felle und Nahrungsmittel – schenkte er keinerlei Beachtung mehr. Niemand schien sich darum zu kümmern, dass er gerade Unmengen an Kram mitten auf dem Dorfplatz abgeladen hatte. Er zog kurz das Bannschwert und unterzog es einer Musterung, wischte schnell mit dem Ärmel des Reckengewandes über die Klinge, bevor er es wieder in die Scheide auf dem Rücken gleiten ließ. Dann griff er nach einem Schild. Ein großes, massiv aussehendes, metallenes Rechteck, auf dem das Wappen Hyrules prangte. Er befestigte es ebenfalls auf dem Rücken. Der Anblick verdeutlichte, wie ernst die Situation war. Zelda hatte ihn noch nie mit einem Schild gesehen. Es war ungewohnt. Und furchteinflößend. Link rechnete damit, sich dahinter ducken, sich schützen zu müssen. Wenn die Gefahr ihr nicht bereits in den Knochen vibrieren würde, wäre jetzt der Moment gekommen, wo sie verstanden hätte. Aber als er den Kopf hob und sie ansah, war auf seinem Gesicht nichts davon zu sehen, dass er kurz davor stand, in den wichtigsten und größten und gefährlichsten Kampf seines Lebens zu ziehen. Er wirkte ruhig. Gefasst. Beinahe ein wenig beschwingt. Er warf ihr ein beruhigendes Lächeln zu und wandte sich dann an Impah. „Gib auf mein Hab und Gut acht, ja?“ Noch einmal prüfte er das neue Gewicht seines reduzierten Gepäcks. Ein Grinsen huschte über sein Gesicht. „Und versuch dem Verlangen zu widerstehen, mein Feuerschwert zu klauen.“ Impahs Antwort war ein lautes Schnauben und Zelda beschlich der Verdacht, Zeuge eines vertrauten Spiels zu werden. „ Als ob ich irgendeines deiner Spielzeuge bräuchte, Junge. Ich an deiner Stelle würde mir mehr Sorgen um deine dreckigen Unterhosen machen.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Nicht jeder von uns muss mit Stöcken herumfuchteln, um sich Krieger nennen zu können.“ Mehrere der Shiekah um sie herum lachten. Link erwiderte die allgemeine Belustigung mit einem Grinsen. Wie viel gelöster er hier wirkte, inmitten seines gewählten Volkes. „Natürlich. Wenn das Talent fehlt, braucht man andere Tricks um sich in einem Kampf nicht zu blamieren.“ Noch mehr von den Shiekah lachten und Impahs Mundwinkel zuckten. Etwas wie fassungsloser Schock wühlte in Zeldas Brust, als sie dem albernen Beleidigungsaustausch folgte. Mit offenem Mund starrte sie Link an, der jetzt einige Flaschen an sein Ohr hielt und schüttelte, um deren Füllstand zu überprüfen. Das Ergebnis schien ihn nicht zu begeistern. Seine Augenbrauen zogen sich kurz zusammen. „Ihr habt nicht zufällig noch etwas Ausdauer-Medizin?“, fragte er Impah, die den Kopf schüttelte. „Die letzte Ration ist an die diejenigen gegangen, die die Strecke nach Hateno patrouillieren.“ Sie nickte mit dem Kopf hinter sich. „Wir stellen für die Nachhut neue Elixiere her. Wenn ihr also noch ein bisschen wartet ...“ Link schüttelte schon den Kopf. „Keine Zeit.“ Er suchte Zeldas Blick. „Bist du bereit?“ Die Frage traf sie heftiger als erwartet. Aber sie brachte ein zittriges Nicken zustande. Kurz wurde etwas in Links Gesicht weich. Dann trat er näher und schaffte es, sie noch tiefer zu schockieren, als das plötzliche Auftauchen der Verheerung Ganon es getan hatte. Er streckte die Hand aus und berührte sie an der Wange. Umfasste mit einer seiner behandschuhten Handflächen beinahe eine ganze Hälfte ihres Kopfes, als er die Finger in ihr Haar gleiten ließ. Zelda stockte der Atem, als er leichten Druck ausübte und sie über diesen Winkel so nahe an sich heran zog, dass ihre Nasen sich beinahe berührten. Von der Bewegung nach vorne gerissen, stolperte sie gegen Link, gerade noch in der Lage die eigenen Hände zu heben und sich an seiner Brust abzustützen. Sein warmer Atem strich über ihre Wangen, als er seine Stirn an die ihre legte. In diesem Moment verschwand alles außer der Kontakt ihrer Berührung aus Zeldas Bewusstsein. Sie fand dort Kraft und Ruhe, einen kurzen Augenblick Verschnaufpause zwischen grauenvoller Angst und Ungewissheit. „Hab Vertrauen“, raunte er leise, die Augen geschlossen, während Zelda hoffnungslos schockiert da stand und sich nicht rührte. Sie konnte Links Herzschlag unter ihren Händen spüren, nicht schnell und rasend wie der ihre, sondern stark und rhythmisch, unfehlbar. Sie konnte nicht verhindern, dass sie die Finger in sein Gewand krallte. „Ich bin immer bei dir.“ Als er die Augen öffnete und seinen Kopf hob, um sie ansehen zu können, schien sein Blick eine stumme Frage zu vermitteln. Instinktiv nickte Zelda, auch wenn sie nicht genau wusste warum. Link hielt sie noch einen kleinen Moment, dann ließ er los. Sofort strömte alles wieder auf sie ein. Die Verheerung Ganon. Die Stimme auf der Ranelle-Spitze. Das ganze verfluchte Dorf der Shiekah, das diesen seltenen, intimen Moment mit angesehen hatte. Es war der schlechteste aller Augenblicke um rot anzulaufen. Aber Zeldas Leben war eine Ansammlung von Dingen die im schlimmsten aller Augenblicke geschahen. Wie die Misere bewies, in der sie jetzt alle steckten. „Versuch bei deiner ersten Prüfung als Shiekahoberhaupt nicht zu sterben, ja, Impah?“ Er grinste Impah zu, während er Zelda erneut bei der Hand fasste. Impah nickte, ernster als Links Tonfall es gewesen war. „Ich sehe, was ich tun kann.“ Sie deutete eine Verbeugung in Zeldas Richtung an und damit zog Link Zelda in Richtung der Narisha-Höhen davon. „Wie … wie kannst du so sein?“, stotterte Zelda, als sie Tempo aufnahmen und fand damit ihre Stimme zurück. „So, so unbesorgt und … und…“ Zelda fand nicht die richtigen Worte. Denn die Wahrheit war, Link wirkte beinahe begierig. Als würde er sich auf den Kampf freuen. Ein Lächeln, so offen, so ehrlich, so wunderschön blitzte in seinem Gesicht auf und Zelda, klein und zitternd, voller Angst und voller Zweifel, konnte nicht anders, als einfach zu starren. In diese perfekten, blauen Augen, in denen das Funkeln das Zelda so verwirrte, noch stärker zu werden schien. Er blieb stehen, kurz bevor sie auf den streng bewachten Pfad traten, der sie südlich aus Kakariko heraus führen würde. Seine Hand drückte ihre. Ein Anker inmitten dieses Schreckens. „Wir sind hierfür geboren worden“, sagte er voller ruhiger Überzeugung. „Alles an dir, innen und außen und alles an mir, wurde für diesen Moment erschaffen. Etwas in deiner Seele hat auf genau diesen Tag gewartet. Genauso wie ich.“ Wieder erschien dieses Grübchen, von dem Zelda nicht gewusst hatte, dass es existierte. „Deswegen weiß ich, dass wir nicht scheitern werden.“ Und Zelda verstand. Er wirkte begierig auf diesen Kampf, weil er es war. Link hatte darauf gewartet. Genauso wie sie diesen Tag der Rückkehr der Verheerung erwartet hatte. Mit Schrecken und Furcht und Schuld und Grauen. Aber Link war vorbereitet. Alles hatte ihn auf den Pfad dieses Kampfes gelenkt, seit das Schwert ihn zu sich gerufen hatte. Für Link musste es sein, als würde er endlich einen Juckreiz stillen können, der ihn seit Jahren plagte. Er freute sich auf diesen Kampf. Zelda spürte wie sie unwillkürlich den Kopf schüttelte. Eine kleine Bewegung begleitet von einem leisen Schnaufen. Ein ungläubiges Geräusch, das es nicht ganz schaffte, auch ein wenig amüsiert zu sein, aber ganz kurz davor war. Link antwortete mit einem Nicken und der Druck an ihrem Handgelenk verstärkte sich. „Du kannst das, Zelda. Du bist dafür geboren. Du musst nur du selbst sein.“ Oh, bei der Göttin. Wie sehr sie diesen Mann liebte. Inmitten all der Ungewissheit, der Plötzlichkeit und der Gefahr, brachte er es immer noch fertig, ihre Zweifel zu zerstreuen. Hoffnung zu sähen und Glauben zu erwecken. Er hatte Recht. Zeldas Körper, sie, in diesem Leben, mochte ein hilfloser Anfänger sein. Aber ihre Seele hatte diesen Kampf unzählige Male ausgefochten. Und dieser tapfere, mutige, kampferprobte Mann an ihrer Seite, war alles was sie jemals brauchen würde. Sie liebte ihn. Himmel, sie liebte ihn. „Ich weiß nicht mal, wer ich bin, Link“, hauchte sie mit zitternder Unterlippe. Wie sollte sie es anstellen, sie selbst zu sein, wenn sie ihr ganzes Leben lang geübt hatte, genau das nicht zu tun. Doch er hatte auch darauf die richtige Antwort. „Dann lass es uns heraus finden!“ Mit diesen Worten zog er sie wieder fort. Hinein in den engen Pfad durch die Narisha-Höhen, von denen Zelda erst jetzt wusste, wie streng sie bewacht wurden. Link hob im Laufen die Hände an die Lippen und blies durch die Finger eine Abfolge von Tönen, die in dem schluchtartigen Weg ein Echo erzeugten. Bis Zelda erkannte, dass das Echo gar kein Echo war, sondern Antworten. Die unsichtbaren Wachen. Natürlich würde Link die geheimen Zeichen kennen, die sie sicher durch die Wege führten. Genauso wie er die Fallen und versteckten Verteidigungsanlagen kannte. Der Weg öffnete plötzlich und unvermittelt in die breite, sanfte Fläche des lang gezogenen Hügelabfalls. Überrascht ließ sie sich von Link stoppen, der ihr Tempo abrupt drosselte. Ohne ein weiteres Wort ließ er Zelda einige Schritte nach rechts gehen, bevor er sie hinter sich schob und nach vorne ging. Vorsichtig, immer abwartend und mit einem Ausdruck äußerster Konzentration auf seinem Gesicht. Er wies ihr an ihm zu folgen und sie begannen einen merkwürdigen Abstieg, der von Weitem absolut geistesgestört aussehen musste. Manchmal hockte Link sich auf den Boden und wartete, bevor er weiter ging oder vollführte einige seltsame Handzeichen, die Zelda ihn noch nie auch nur Ansatzweise hatte formen sehen. Links Ausbildung in den geheimen Künsten der Shiekah war nie so deutlich und nie so nützlich gewesen wie an diesem Tag. Er kamen langsam voran. Stoppten immer wieder und folgten einem unsichtbaren, verschlungenen Pfad, der immer wieder die Richtung wechselte, manchmal schräg nach unten und manchmal sogar wieder nach oben führte. Die ganze Zeit über wagte Zelda kaum zu atmen. Am Horizont begann das Flackern und Wabern der unheilvollen Farben dichter und stärker zu werden, je mehr der Nachmittag dem Abend wich und das Licht schwächer wurde. Und immer wieder ertönte fernes Gebrüll und markerschütterndes Donnern. Als sie schließlich am Fuße des Hügels ankamen, hatte Zelda sich das Innere ihrer Wange wund gebissen. Zelda wusste, dass sie die unsichtbaren Verteidigungsanlagen überwunden hatten, als Link tief durchatmete und sich dann zu ihr umdrehte. Ein wenig Erleichterung durchströmte sie. Diese Hürde hatten sie geschafft. Zelda spürte jetzt erst, wie sehr die offensichtliche Gefahr, die von den Shiekah ausging, sie verunsichert hatte. Gleichzeitig war sie froh um deren Schlagkraft. Wenigstens Kakariko war vorbereitet und ernsthaft fähig sich zu verteidigen. Jetzt stand nichts weiter als eine Brücke und die Ebene zwischen ihnen und Ganon. Link wandte ihr den Kopf zu und was immer er auf ihrem Gesicht sah, ließ ihn in einer Weise lächeln, die Zelda noch nie gesehen hatte. Er war glücklich. Glücklich. Inmitten all dieses Chaos, mitten drin in diesem absoluten, verheerenden Wahnsinn, war er glücklich. Glücklicher, als Zelda ihn je gesehen hatte. Oh, die Göttin stehe ihr bei. Sie war eine Närrin. Ein verliebte, hoffnungslos verliebte, verrückte Närrin. Sie musste es ihm sagen. In dem Moment, als der Himmel sich öffnete und all seine Wasser über dem Land auszuschütten begann, wusste Zelda, dass sie es ihm sagen musste. Vielleicht würde es keine andere Möglichkeit geben. Jetzt. Genau jetzt. „Link“, begann sie, „ich-“ „Es tut mir leid, Zelda.“ Die Stimme dröhnte durch ihren Kopf und löschte alle anderen Gedanken aus. Zwang sie in die Knie und nahm ihr den Atem. Eine Stimme in ihrem Kopf. Wie an der Quelle der Weisheit, doch dieses Mal war die Stimme … Die Stimme war … „Es tut mir leid, meine Tochter. Ich habe dir endlosen Kummer bereitet. Versprich mir, rette Hyrule. Rette dein Volk!“ Ein ersticktes Wimmern brach aus Zelda hervor. Dann war die Stimme verschwunden. „Nein!“ Zeldas Hand traf auf nasses Gras und glitschige Erde. Blind für die Welt versuchte sie zu greifen, die Stimme festzuhalten. Vater … „Was ist los, Zelda? Was ist passiert?!“ Links Stimme. Nicht in ihrem Kopf. Neben ihr. Eine Hand an ihrer Schulter. Heiß und feucht. Zelda holte Luft, ein keuchendes Schnappen, gedämpft von dem dröhnenden Prasseln des Regens. Sie wollte antworten. Sich zu ihm drehen. Dann kamen die anderen Stimmen. Schreie. Klagen. Immer mehr Stimmen. Ein Crescendo aus Schrecken und Angst und purem Grauen.   Nein. Mein Kind. Mein Kind. Oh Göttin, rette mein Kind.   Was ist geschehen? Wo bin ich?   Bin ich tot?   Heilige Göttin, schütze meine Frau, lass sie geflohen sein.   Nein. Ich muss zurück. Ich muss zurück.   Wo ist die Prinzessin? Wo ist Link?   Mit einem Rucken ihres Kopfes brachte Zelda die Stimmen zum Schweigen. Heftiges Atmen klang an ihr Ohr, als endlich Stille eintrat. Dampf entstand vor ihrem Gesicht. Sie zog die Hände zurück, richtete sich auf, matt und erschlagen wie ein Schlafwandler. Links Gesicht tauchte vor ihren Augen auf, blass und angespannt. Seine Lippen formten Worte, die Zelda nicht hörte. Ihre Hand schoss vor und griff nach seinem Arm. Besudelte das leuchtende Reckengewand mit Schlamm. „Sie sind tot. Sie sind tot.“ Sie wusste, dass sie sprach, aber Zelda konnte ihre eigene Stimme erst langsam wieder wahrnehmen. Zu sehr dröhnte der Schrecken, die Überraschung, die furchtbare Erkenntnis des gerade Geschehenen in ihren Ohren. Rauschte durch ihren Kopf, machte sie halb blind, beinahe taub und beinahe wahnsinnig. „Wer ist tot? Was ist passiert?!“ Link war genau vor ihr. Fasst sie an den Schultern und schüttelte sie leicht. Rüttelte den Schock von ihrer Gestalt. Ein Schluchzen ließ Zelda erzittern. „Die Stimmen der Geister“, sagte sie krächzend, „ich kann sie hören.“ Zelda hob die Hand an ihren Kopf. „In meinem Kopf. Sie sind alle da. Die Toten. Sie sind tot, Link. Oh, sie sind tot. Das Schloss, die Stadt. Sie … oh nein...“ Mit der Wiederkehr ihrer normalen Sinne, kehrte auch die Fähigkeit zu fühlen zurück. Schmerz durchzuckte sie wild und rot und scharf. Zelda kippte nach vorne, alle Kraft die sie eben noch gespürt hatte, mit einem Mal verloren. Sie waren verloren. Ihr Vater, der König, war tot. „Zelda“, sagte Link und hinderte sie daran, nach vorne zu fallen. Seine Stimme war ein gespannter Bogen, hart und unnachgiebig. Wenngleich nicht ohne Verständnis. „Wenn das Schloss gefallen ist, dann ist mein Vater auch tot. Mein Vetter, meine Freunde, alle.“ Mit einem bebenden Atemzug sah Zelda auf. „Aber wir können jetzt nicht aufhören. Wir müssen weiter.“ Er drückte ihre Schultern fester, schob sie in eine aufrechte Position. „Wir können sie später betrauern.“ Nur kurz huschte so etwas wie Trauer über sein Gesicht, bevor es sich wieder in die harte, konzentrierte Mine zurückformte. „Wir dürfen sie erst später betrauern. Jetzt müssen wir weiter.“ Er hatte Recht. Natürlich hatte er Recht. Es sollte merkwürdig sein, dass genau diese Worte Zelda davon abhielten, zu einem verzweifelten, schluchzenden Ball aus Elend zusammen zu rutschen. Dass es half, den Schrecken auszusprechen. Link teilte ihren Schmerz. Auch er hatte einen Vater verloren. Und seinen Herrscher. Er fühlte dieselbe plötzliche, kalte Leere. Die taumelnde Gewissheit, mit einem Mal ohne Familie da zu stehen. Zelda fühlte sich nicken, während sie in Links Augen starrte. Das Blau darin schien zu brennen. Ein kaltes, wetzendes Feuer, das Zelda schon einmal gesehen hatte, jedoch nie so lodernd. Er nickte ebenfalls. „Ja. Gut so.“ Er stand auf und zog sie mit sich nach oben. Er wühlte in seiner Tasche und drückte ihr eine bauchige Flasche in die Hand. Ohne zu fragen, riss Zelda den Korken hinunter und trank. Feuer breitete sich in ihr aus und neue Energie durchströmte sie. Sie reichte die Flasche an Link weiter, ohne dass ihre Blicke sich verloren. Er leerte die Flasche in wenigen Zügen, dann warf er sie achtlos beiseite. Er nickte, eine wortlose Antwort auf die stumme Frage in Zeldas Blick. Sie hatten Worte hinter sich gelassen. Alle Kräfte und Gedanken auf die Aufgabe gerichtet, die vor ihnen lag. Sie rannten. Dampfend in dem schüttenden Regen. Kannten keine Kälte und kein Zögern. Zelda fiel, Link riss sie wieder in die Höhe. Sie rannten. Sie erreichten die Rebona-Brücke als Mipha fiel. „Nein! Oh nein! Prinzessin! Es ist Ganon! Er hat Ruta in seiner Gewalt. Ich habe versagt. Er ist zu mächtig, ich konnte ihn nicht aufhalten. Ich kann Ruta nicht länger kontrollieren. Verzeih mir! Achte auf Link. Mein Versprechen, es ist jetzt wertlos.“ Die Stimme verlor sich so plötzlich, wie sie gekommen war und ließ Zelda stolpern und erneut auf die Knie fallen. Stöhnend und wimmernd, hielt sie sich den Kopf. „Nein“, keuchte sie. „Nein, NEIN! Bei der Göttin, bitte. Nein! Nicht Mipha.“ Ein krächzendes, ungläubiges Schluchzen erschütterte ihren Körper. „Mipha?“, wiederholte Link, Stimme und Gesicht wie betäubt. „Aber wie … hat sie den Titanen nicht erreicht?“ „Saboteur!“, raste Urbosas wütende Stimme durch Zeldas Kopf und frischer, glühender Schmerz wühlte in Zeldas Brust, als sie verstand, was nun kommen würde. „Ganon hat einen Teil von sich in Naboris gepflanzt. Ich weiß nicht wie. Aber ich habe es zu spät bemerkt. Er hat mich überwältigt. Naboris ist verloren. Zelda, verzeih mir!“ Zelda wünschte sich, sie wäre tot. Sie wollte den Platz all derer einnehmen, die durch ihr Versagen den Tod gefunden hatten. Sie wollte sie retten. Und sie wollte nicht diesen Schmerz fühlen. Blind starrte Zelda auf das nasse Gras. Die fallenden Tropfen auf den Halmen und Blumen. Das Holz der Brücke. Links Gesicht schob sich in ihr Sichtfeld, als er vor ihr niederkniete. Zelda hob den Blick, nicht wissend, ob sie weinte oder nicht, bei dem urgewaltigen Regen, der ihr Gesicht überströmte. Es spielte keine Rolle. Ihre Trauer konnte niemanden retten. „Mipha und Urbosa“, zwang sie sich zu sagen. Niemals war es so anstrengend gewesen, Worte zu formen. „Ganon hat etwas mit den Titanen gemacht. Sie gegen uns gerichtet.“ Sie schüttelte den Kopf. „Sie sind verloren.“ Ein wortloses Zwischen entfuhr Link, der mit einem Ruck auf die Beine kam. Er streckte die Hand nach ihr aus und Zelda nahm sie widerstandslos. Ließ sich auf die Füße ziehen. „Wir müssen weiter.“ Der Schmerz und die Wut verwandelten ihn mit jedem Atemzug mehr in den Helden der Göttin, des Schwertes und der Zeit. Macht schien wie Hitze von ihm abzustrahlen und Kraft vibrierte in seiner ganzen Gestalt. „Wenn wir Urbosa und Mipha verloren haben-“, er brach ab, als Zelda von dem Schmerz den die Namen auslösten, beinahe würgen musste, „Dann haben wir zwei Titanen verloren“, schloss er und richtete seinen glühenden Blick nach Westen. In Richtung des Schlosses und der bösartigen Präsenz die dort lauerte, das Wabern und Leuchten im Dunkeln nun übermächtig. „Es wird jetzt schwerer sein, ihn zu besiegen, ohne Rutas und Naboris‘ Kraft. Wir müssen uns beeilen.“ Zelda nickte zitternd und folgte ihm. Ihre Schritten hämmerten über das Holz der Brücke. Doch sie hatten sie kaum überquert, da fiel Daruk. „Prinzessin“, dröhnte die liebenswerte Stimme des Goronen, nun felsenhart und wütend in ihrem Kopf. Zelda stolperte vorn über. „Ein Biest geht in Rudanias Hallen umher. Ich habe ihn beinahe besiegt, aber dann hat er mich doch überwältigt. Es liegt jetzt an euch. Ihr werdet es schaffen!“ Zeldas ganzer Körper hob sich, als sie den Schock und die Pein aus sich heraus und in das nasse Gras würge. Bittere Galle lief ihr in den Mund und sie spuckte und bebte, während sie sich übergab. „Daruk“, wimmerte sie, aber Link ließ ihr keine Zeit. Er zog sie auf die Beine. „Weiter. Und wir können vielleicht Revali retten.“ Seine Worte ließen ungeahnte Kräfte in Zelda aufwallen und sie folgte ihm, wenngleich der stärkende Effekt des Elixiers nun nicht länger wirkte. Sie wandten sich nach Norden und rannten. Ihr Ziel in der Ferne vor Augen. Bösartig und lauernd, brüllend und rot und rund. Ganon! Sie erreichten die große Farm südlich des Möwendorfes, da sah Zelda sie und die Luft wurde ihr erneut aus den Eingeweiden gerissen. Die Wächter! Ihre Steuerungseinheiten glühten rot. Das Auge, ihre mächtigste Waffe, die ihnen das seltsam menschliche Aussehen verlieh, feuerte Strahlen brennender, mächtiger Energie. Verheerend und gewaltsam, Zerstörend. Dasselbe krankhaft purpurne Rot, das auch den Himmel bedeckte. Das in Wolken und Blitzen vom Schloss ausging, wo immer und immer wieder das erschütternde Gebrüll erklang. Abermals in ihrem Vorwärtskommen gestoppt, sahen sie, wie die Wächter, ihre geheime, teuer erkaufte Waffe, auf alles schossen, das sich ihnen in den Weg stellte. Alles ins Visier nahmen, das sich bewegte. Die Menschen. Hunderte, die schreiend flohen. Aus dem Dorf, aus dem Schloss, aus der Stadt. Sie wurden von derselben explosiven Energie niedergemäht, die einmal, vor so langer Zeit, beinahe auch einmal Zelda getroffen hätte. Sie fielen, als wären sie nichts weiter als Gras, die von dem roten Strahl niedergeschnitten wurden. Link zog Zelda hinter eine niedrige Mauer. Riss sie zu Boden und drückte ihren Kopf nieder, während er auf den Knien über den Rand hinausschaute. „Bleib unten“, raunte er und löste das Schild von seinem Rücken. Mit einem Schild hatte er sie schon einmal von dem Energiestrahl beschützt. Damals, als sie ihn noch verachtet hatte. Heftig atmend beobachtete Link das Grauen, das Zelda nun nicht länger sehen konnte. Es zu hören, war beinahe genauso schlimm. Die Schreie, die Angst, die Panik. Zelda wimmerte. „Still!“ Sie hatte keine Probleme dem Befehl zu folgen, denn in diesem Moment hallte Revalis Stimme in ihrem Kopf wider und zerschmetterte damit auch die letzte Hoffnung. „Vah Medoh ist kompromittiert. Ich konnte ihn nicht besiegen. Ich habe versagt.“ Der Sog, den die Zerstörung hinterließ, füllte sie mit einem leeren Dröhnen, der alles andere übertönte. „Revali“, hauchte Zelda, unfähig den Kopf zu drehen und Link anzusehen. „Er… Er …“ Sie brachte es nicht über sich, es auszusprechen. Sie brauchte es nicht. Link verstand. Er fluchte und drehte sich. Kam neben ihr zum Sitzen und starrte in das Nichts vor ihnen. Das Zeitgefühl verließ Zelda. Sie flog dahin in einem betäubenden Nebel, der keinen Grund kannte. Keinen Anfang und kein Ende. Waren es Stunden und nur ein Augenblick der verging, bis Link sie wieder auf die Füße zog… Es existierte nur Regen und Schmerz und das Keuchen von Atem. Das ferne Hallen von Stimmen. Die Erde bebte und die Welt explodierte in Feuer und Licht und Gewalt. Dann wieder rennen. Waren es wenige Schritte oder liefen sie eine Ewigkeit, bis die Wirklichkeit mit einem Gongschlag in Zeldas Körper zurückfand? Alle Kraft, die sie noch aufrecht gehalten, ihren Füßen Flügel verliehen hatte, verließ sie. Ihre Hand, glatt und glitschig von Regen und Schlamm, verlor den Griff, mit dem sie sich an Link klammerte. Und damit verlor sie auch den allerletzten Halt. Zelda kollabierte. Rutschte in sich zusammen und viel auf Hände und Füße. Links Schritte stoppten. Drehten. Kamen zurück. Sie sah nicht auf, aber sie wusste, dass er da war. Bei ihr. Selbst in dieser verlassenen Stunde. „Warum?“, hauchte sie und krallte ihre Finger in die nasse Erde. Ein entferntes Ratschen sagte ihr, dass Link das Bannschwert in die Scheide gleiten ließ. Ein Zeichen, dass er hier keine Gefahr mehr vermutete. Zelda spürte wie ihr Atem sich beruhigte. Sie hatte nicht einmal gemerkt, wie sehr sie keuchte. Wie ihr Atem sie verlassen hatte, so wie alles sie verlassen hatte. Alle. Bis auf Link. Seine Fußspitzen traten in ihre Sichtfeld. „Wie konnte das passieren?“, klagte Zelda, während Nässe und Schlamm in ihr Kleid sickerten und es noch mehr besudelten. Es noch schwerer werden ließen. Wie poetisch. Wie passend. Sie hörte wie Link sich bewegte, sich niederkniete und sie Beide auf eine Ebene brachte. Entfernt nahm Zelda wahr, dass sie sich nicht länger auf freier Fläche befanden, sondern inmitten von Holz und Grün. Bäume. „Die Titanen… die Wächter…“ Ihre Stimme war ein zittriges Wimmern. „Warum greifen sie uns an?“ Es war eine Frage, auf die ihr jetzt erst die Antwort kam. Obwohl Zelda es schon die ganze Zeit über gewusst hatte. „Oh nein...“, hauchte sie, die Hände immer noch in das matschige, körnige Erdwerk gekrallt. Es ergab auf einmal Sinn. Das rote, ekelerregende Wabern. Die Blitze. Die bösartige Präsenz, die sich Zeldas ermächtigte und immer stärker zu werden schien. „Ganon hat sie unter seine Kontrolle gebracht.“ Sie ballte ihre Hände zu Fäusten. Blinzelnd starrte sie auf die beschmutzten Schmuckstücke an ihren Handgelenken. Die königlichen Insignien. Das Triforce. Hätte Zelda noch Kraft übrig gehabt, hätte sie die Armreifen von sich geschleudert. Langsam, ganz langsam, zitternd und verzweifelt, angefüllt mit Eis und Schrecken und Elend, hob sie den Kopf. „Daruk, Revali, Mipha und Urbosa ...“ Die Namen auszusprechen schüttete frische, heiße Trauer in ihr Herz und verdrängte das Eis, das dort erblüht war. Hitze stieg in ihrem Hals auf, brannte glühende Pfade in ihre Brust und stieg ihr drückend in die Augen. Sammelte sich dort, während sie Link ansah. „Sie waren in den Titanen...“ Ihre Gedanken flogen zu den Biestern. Zu Rudania und Naboris, zu Ruta und Medoh. Sie sah sich die Steuerungseinheiten kalibrieren. Sah wie die Recken die Titanen steuerten. Stolz und Glück und Hoffnung in ihrem Herzen. Oh, Göttin. Sie waren tot. Der Schmerz überrumpelte sie wie der Ausbruch eines Vulkans. Ein Brennen, so unerträglich, um so viele Male schlimmer als alles, was sie in ihrem Leben je gespürt hatte, versengte ihr das Herz, den Hals, den Bauch. Zerstörte ihre Lunge und nahm ihr die Möglichkeit zu atmen. Zelda erstickte beinahe an der Gewalt ihres Verstehens. „Es ist alles meine Schuld“, brach es aus ihr hervor. Die Tränen flossen über und nahmen etwas von dem ärgsten Brennen mit sich. Ermöglichten es ihr, genug Luft zum Schluchzen zu finden. Sie verbarg ihr Gesicht in den Händen. „Ich konnte die Macht des Siegels nicht erwecken. Und jetzt hat Ganon uns die Relikte gestohlen, die uns vor ihm schützen sollten!“ Die Worte waren nicht für Link bestimmt, doch Zelda konnte sie nicht zurückhalten. Sie wallten aus ihr hervor wie die Tränen und die Bitterkeit und das erstickte Schluchzen, als die klebrige Schuld sich verflüssigte und die Taubheit fort schwemmte. „Ich“, schluchzte sie, „alles was ich getan habe … Es war alles vergebens!“ Sie riss die Hände von ihrem Gesicht herunter, das sich heiß und kalt zugleich anfühlte. Sie verglühte von innen, gepeinigt durch die Gewissheit ihr Land und ihr Volk, ihre Freunde, verraten zu haben. Zerstört. Alles. Ihretwegen. „Ich konnte das alles nicht verhindern!“, rief sie, Zorn und Kummer ebenso in ihrer Stimme wie Frust und Schuld. „Mein Volk, meine Freunde… und mein Vater auch.“ Oh bei der Göttin. Es würde sie zerreißen. Sie konnte diese Schuld nicht tragen. „Ich habe sie im Stich gelassen!“ Auf Links Gesicht las sie dieselbe Gram, die auch ihr das Herz zerschnitt. Dass sie dort keine Wut las, keine Zensur, machte alles noch schlimmer. Immer noch nicht. Er konnte es immer noch nicht sehen. Die Versagerin die sie war. „Und jetzt“, schloss sie, unfähig sich zu stoppen, nicht in der Lage das Grauen das sie verschuldet hatte, hinaus zu schluchzen, die Scherben ihres Plans, ihrer Welt übereinander zu häufen. „Jetzt sind alle tot.“ Ihre Stimme brach beim letzten Wort und die Welle aus Pein und Leid, aus Bedauern und Reue. Schuld überwältigte sie und spülte fort, was ihr an Kraft geblieben war. Der unsägliche Schmerz packte Zelda und zerbrach sie. Einfach so. Sie fiel nach vorne. In Links Arme, die sie fingen und hielten. Laute brachen aus ihr hervor, die Zelda noch nie von sich gehört hatte. Jammernde, erbärmliche Töne. Klagen und Wimmern. Tiefes, zitterndes, erschütterndes Weinen. Zelda bebte in Links Armen. Er presste sie an seine Schulter und umschlang sie mit der Kraft, die ihr fehlte, während sie dort all die Tränen weinte, die sie ihr gesamtes Leben zurückgehalten hatte.   Sie wusste nicht, wie lange sie dort saßen. Zelda ein kleiner, wimmernder Ball aus Trauer und Link die ewig schützende Präsenz, sein eigener Kummer verwehrt, während er über ihren wachte. Irgendwann spürte Zelda, wie er sich rührte. Das entfernte mechanische Summen und Klacken von nahenden Wächtern drang an ihr Ohr. Sie spürte, wie Link sie hochhob, an seine Brust presste und wie er vorwärts preschte. Woher nahm er die Kraft? Zu fliehen, obwohl ihn dieselbe übermächtige Trauer niederringen musste und dabei noch Zeldas Gewicht zu schultern. Sie wusste, sie sollte ihn aufhalten. Sie sollte ihm befehlen zu stoppen und umzukehren. Auch wenn es keine Hoffnung gab. Auch wenn sie seinen Glauben in sie enttäuscht hatte, so wie es immer ihre größte Furcht gewesen war, so durfte sie dem Opfer das Hyrule gebracht hatte, nicht den Rücken kehren. Aber Zelda tat es nicht. Sie blieb still und unbeweglich. Gefangen von ihren inneren Dämonen. Zerbrochen. Link folgte dem Flussbett Richtung Süden. Die Geräusche des schnellen Wassers, so unberührt von der Verheerung die über das Land gekommen war, verbarg ihre Flucht vor den ausschwärmenden Wächtern. Der dämpfende Regen ließ nur vereinzelnd ferne Geräusche zu ihnen vor dringen. Hier und da leuchtete in der Dunkelheit Feuer und Explosion auf. Sie überquerten den Hylia Fluss an der Tytor-Brücke und nutzten die dichten Bäume um den Morgo-See, um sich vor einer Horde aus Wächtern zu verstecken, die mit surrenden, suchenden Köpfen an ihnen vorbei schwärmten, um sich irgendwo weiter südlich zu sammeln. Ganon musste ihnen entweder einen Sinn für Strategie übertragen haben, als er sie verhexte oder er deligierte sie von seinem Hauptsitz im Schloss aus. Irgendwo in dieser Gegend kam Zelda wieder auf die Füße. Fand irgendwie die Kraft auf eigenen Beinen zu stehen und Link zu folgen, während sie liefen. Südlich, zu dem Pfad zwischen den Zwillingsbergen, nun da der Weg den Hügel hinauf nach Kakariko versperrt war. Kakariko. Impah. Die Shiekah. Ein Krachen ertönte irgendwo hinter ihnen. Schreie, so weit entfernt, dass Zelda nicht wusste, ob die albtraumhafte Erinnerung ihr einen Streich spielte. Aber sie wusste, dass die militärischen Stützpunkte angegriffen wurden. Sie spürte es in irgendeinem Teil von sich. Und es war logisch. Die Wächter schlugen jegliche Möglichkeit auf einen Widerstand nieder. „Die Shiekah“, murmelte Zelda, nicht mehr dazu fähig starke Emotionen zu zeigen. „Als nächstes werden sie die Shiekah angreifen.“ Link nickte, als er sie weiter zog. „Und Hateno.“ Er warf einen grimmigen Blick über die Schulter zurück, wo hinter ihnen am Horizont mit fernen Blitzen die Dunkelheit in Flammen aufging. „Dort ist Purahs Labor. Impah sagte, Robelo ist dort. Wenn wir das Fort halten, können wir ihnen Zeit verschaffen.“ Er warf Zelda einen harten Blick zu. „Dir Zeit verschaffen.“ Es wäre ihr nicht möglich erschienen, dass ihr Bedauern noch tiefer werden könnte. Sie schüttelte leicht den Kopf. Nasse Haarsträhnen klebten ihr im Gesicht. In einem anderen Leben wäre ihr schmutziger Zustand ein Unding gewesen. Jetzt konnte Zelda keinen Fünkchen in sich finden, der sich darum scherte. „Zeit wird mir nicht helfen, Link. Ich mag die Stimmen der Geister hören können, aber-“, frischer, schneidender Schmerz zerwühlte ihre Brust und ließ ihr Herz rot und feucht bluten. Wie lange? Wie lange noch, bis die Pein sie umbringen würde? „Aber ich spüre nichts. Ich weiß nicht, wie ich die Siegelkräfte einsetzen kann, ich-“ „In Ordnung“, unterbrach Link sie, sensibler dafür, dass sie dabei war, sich in einen Wahn zu reden, als sie selbst. „Aber ich brauche Zeit“, sagte er und warf ihre einen Blick zu, der zu gleichen Teilen ungeduldig und entschuldigend war. Es schien so lange her, dass er vor Vorfreude auf den lange ersehnten Kampf beinahe gebebt hatte. Aber Zeldas Herz war bereits gebrochen. Sie konnte nicht noch mehr bluten. „Ich brauche Zeit, um gute Männer zu sammeln und einen Plan zu entwickeln.“ Sie hatten ihr Tempo ein wenig gedrosselt, damit Link ihnen einen geschützten Weg durch die Schlucht zwischen den Bergen suchen konnte. Zelda spürte seine Anspannung. Es gab wenig Schutz hier, aber schnellere Schritte würden ein Echo erzeugen, das Aufmerksamkeit auf sie lenken würde. „Purah kann einen Weg finden sie zu zerstören oder Robelo weiß, wie wir die Wächter wieder zurück holen können. Wie auch immer ...“ Er wedelte den unfertigen Plan beiseite, nur ein kleiner Einblick in Links schnell arbeitenden Verstand. „Wir müssen uns zurück ziehen. Es steht jetzt eine ganze Armee von Wächtern zwischen uns und dem Schloss. Wir würden Ganon nie erreichen.“ Er hatte Recht. Natürlich hatte er Recht. „Wenn wir das hier überleben-“, begann Zelda zögerlich, wurde aber von dem blauen Blitzen seines Blickes unterbrochen. Seine Nasenflügel bebten. „Wag es ja nicht, diesen Satz zu beenden“, sagte er grollend, allerdings mit einem seichten Aufflackern von Humor in seinen Augen, das Zelda ein wenig Leben einhauchte. Link hatte nicht aufgegeben. Er glaubte immer noch daran, dass es einen Weg gab. Und so lange Link kämpfte, würde Zelda auch kämpfen. Sie drückten sich in den Schutz des hohen Felsens, als sie die Schlucht überwunden hatten. Einige Wächter strömten über die Großer Bruder-Brücke hinaus auf die Ebene und mehr würden ihnen folgen. „Wo ist dein Schild?“, fragte Zelda, als Link sie weiter zog, immer in der Nähe von im Boden vergrabenen Felsbrocken, abgesplittert von dem hoch über ihnen aufragenden Berg. Er warf ihr einen unlesbaren Blick zu, bevor er über den verregneten Sumpf starrte. Abwartend. Suchend. „Was?“, fragte sie, als er nicht antwortete. „Es ist zerbrochen.“ Mit diesen rätselhaften Worten schnellte er nach vorne, wies sie an ihm zu folgen. Der Regen schützte ihr Fortkommen immer noch vor den mitleidlosen, rot glühenden Augen der Wächter, deren feine Sensoren mechanisch summend die Umgebung nach feindlichen Zielen absuchten. Der nasse Boden dämpfte ihre Schritte und die der anderen Flüchtenden, die der Ebene nach, Richtung der Hateno-Festung strömten. Manche zu Fuß, manche zu Pferde. „Zerbrochen?“ Link hatte sie so eben zu Boden gedrückt, um einem Schwarm Wächter zu entgehen, die die Spur zum Fort aufgenommen hatten und mit klickenden Spinnenbeinen Geschwindigkeit aufnahmen. „Einer hatte uns im Visier, bei der Möwendorf-Farm. Das Schild hat den Energiestrahl abgelenkt.“ Zelda sah ihn geschockt an. Was? Daran konnte sie sich nicht erinnern. War sie wirklich so weit weg gewesen? Links Blick streifte sie. Nahm mit einem Mal all die wortlosen Fragen und ihre Fassungslosigkeit wahr. „Du warst … abgelenkt.“ Das war ein so dermaßen untertriebener, verharmlosender Ausdruck dafür, dass Zelda kurz davor gewesen war, durchzudrehen, dass sie das erstickte Ächzen nicht zurückhalten konnte. „Die Festung“, unterbrach Link alles, was ihr in diesem Moment in den Kopf kam. „Wir müssen weiter.“ Und das taten sie. Duckend und rennend. Bis Link es irgendwie schaffte, ein panisches Pferd einzufangen, das ihren Weg kreuzte. Er lenkte es ohne Zügel, nur mit seinen Schenkeln und Zelda hätte es bemerkenswert gefunden, hätte die plötzliche Panik die in ihr aufkam, als sie ihn davon reiten sah, sie nicht völlig kopflos gemacht. Aber er ritt nicht davon. Er ließ sie nicht im Stich. Er lenkte das Tier in Kreisen um sie herum, bis es sich so weit beruhigt hatte, dass er es kontrollieren konnte. Dann, völlig unerwartet, in all dem reizüberflutenden Chaos, ließ Link das Pferd nach vorne preschen. Ein Quieken entfloh Zelda, als sie durch die Luft flog. Regen und Farben und Tierhaare ein einziger verschwommener Wirbel. Bis sie sich auf dem schnell wiegenden Pferderücken wieder fand. Ihr Körper an Link gepresst, seine Lippen an ihrem Ohr. „Schhh“, machte er und sein heißer Atem traf auf ihre nasse Haut. Wärmte sie. Doch das Zittern und die Kälte waren nicht aufzuhalten. Das Pferd trug sie in Rekordgeschwindigkeit über die Ebene. Der Angriff auf die Hateno-Festung hatte bereits begonnen. Link ritt direkt darauf zu. Zelda hatte keine Zeit Angst zu empfinden, als sie sich an ihn klammerte. Alles was sie bekam, war ein „Mach keine Dummheiten!“, dann schwang Link sich im vollen Galopp von dem Pferd. Mitten hinein in den surrenden, explodierenden Kampf auf übermächtigen Wächtern. Ohne Schild. Link war fort. Und das Pferd lief weiter Oh, mitleidige Göttin. Was soll ich tun?!. Es war Wahnsinn, der Zelda dazu brachte, sich fallen zu lassen. Hart schlug sie auf dem Boden auf. Sie überschlug sich mehrmals, schlug sich erst ihren Arm, dann den Kopf an Steinen auf. Laute des Schmerzes entfuhren ihr, Fluchworte, von denen sie nicht wusste, dass sie sie überhaupt kannte, sprudelten aus ihr hervor. Als sie aufstehen konnte, zitterte sie am ganzen Körper. Ihr Kleid war zerrissen und so schmutzig, dass es nicht mehr länger weiß war. Ihr Blick flog herum, orientierte sich. Das Fort lag zu ihrer Rechten. Die Wächter waren dort bereits angekommen. Es war deutlich zu sehen, dass es nicht zu halten war. Sie drehte den Kopf. Suchte Link in dem Gewirr aus Kriegern und Wächtern. Die Shiekah und Hylianer kämpften Seite an Seite. Schlugen sich tapfer und fielen einer nach dem anderen. Keine Schlachtordnung war zu sehen. Oder sie war längst zerschlagen worden. Sie hatten keine Ahnung, wie man die Wächter bekämpfen konnte. Schwerter zerbrachen. Schilder explodieren. Erde flog durch die Luft. Schreie. Feuer. Explosion. Zelda hielt inne. War da gerade etwas Blaues gewesen? Ohne nachzudenken schnellte sie nach vorne. Es gab keinen Raum für Angst mehr. Auch nicht für Schmerz oder Schuld. Wo war Link? Sie stürzte sich hinein in das Chaos aus zerstörten Wächtern und Sterbenden. Wankte und stolperte durch das Minenfeld aus immer noch funktionstüchtigen Kampfmaschinen, denen einfach nur die Beine abgeschlagen worden waren, deren Köpfe aber immer noch ziellos in alle Richtungen rollten. Link. Das war sein Machwerk. Die Effizienz dieses Vorgehens schrie nach ihrem Helden. Keuchend unterdrückte sie den übermächtigen Drang seinen Namen zu rufen. Mach keine Dummheiten! Sie fragte sich, ob er damit gemeint hatte, sie solle ihm nicht folgen? Nun, dann hätte er sich genauer ausdrücken müssen. Dafür war es jetzt zu spät. Außerdem waren es seine eigenen Worte gewesen. Sie geht dahin wo ich hingehe. Ihr Platz war an seiner Seite. Und umgekehrt. Sie fand Link wenig später. Das fürchterliche, metallische Knirschen und das schreckliche aufeinanderprallende Geräusch, dem eine ohrenbetäubende Explosion folgte, wies sie in die richtige Richtung. Funken flogen. Von Flammen und der bösartigen Präsenz die die Luft erfüllte. Stärker jetzt, wo Wächter fielen und Link in der Nähe zu sein schien. Zelda stürzte in die Richtung des Geräusches. Folgte einem fallenden Wächter und da war er. Auf sein Schwert gestützt. Heftig atmend, verdreckt und aus so vielen Wunden blutend, dass Zelda spürte, wie sie erbleichte. Sein Blick flackerte kurz als er sie bemerkte. Der Schatten von etwas wie Abwehr huschte über sein Gesicht, doch als er versuchte aufzustehen, durchzuckte wilder Schmerz seine Augen und ließ ihn wieder in sich zusammenfallen. Als er den Kopf hob, sah sie das erste Mal echte Furcht auf seinem Gesicht. „Nein“, sagte er und schüttelte den Kopf, die Lippen so fest aufeinander gepresst, dass alles Blut aus ihnen entwich. Er keuchte. „Du darfst nicht hier sein.“ Ein fürchterliches Husten schüttelte ihn und er spuckte Blut. Regen strömte über sein Gesicht und entblößte die tiefen Schnitte auf seiner Haut. „Ich muss wissen, dass du in Sicherheit bist. Bitte...“ Er brach ab, als eine neue Welle aus Schmerz ihn erbeben ließ. Zelda war in wenigen Schritten bei ihm. Sie umfasste seine Schultern, flatternd wie die Flügel eines kleinen Vogels, nicht gewillt, ihm durch ihren Griff noch mehr Schmerzen zu zu fügen. Sein Worte schockierten sie bis unter ihre Seele. Sie wusste, was er meinte. Link wollte sie in Sicherheit wissen, wenn er starb. Nicht falls er starb, sondern wenn er starb. Zelda wurde für einen kurzen Moment schwarz vor Augen. Sie musste ihn fortbringen. Trotz der verheerenden Schneise, die er in die Bresche der Wächter geschlagen hatte, tauchten immer mehr von ihnen auf. Oh, es waren so viele. „Genug...“, sagte sie und hielt Links Schulter, als dieser nach vorne fiel und keuchend atmete. „Es ist sinnlos.“ Sie mussten hier weg. Fliehen. Eine Höhle. Ein entfernter Flecken Hyrules. Link musste heilen und vielleicht, vielleicht würde die Kraft des Siegels doch noch erwachen, wenn … wenn… Ihr Kopf kam nach oben, als Zelda das schreckliche Geräusch immer näher kommender Wächter hörte. Das schnelle, klackende Huschen. So schnell. So übermächtig. „Ich bitte dich“, flehte sie, da sie wusste, dass sie ihn ohne seine Kooperation nicht hier weg bekommen würde. „Du darfst nicht auch noch sterben!“ Der Gedanke allein riss ein noch tieferes Loch in ihre Seele. Etwas, das Zelda bis gerade eben für unmöglich gehalten hatte. Doch hier inmitten von dämonischer Hexerei, roten, bösartigen Augen erfüllt von der Magie ihres ärgsten Feindes, mit einem blutenden, kraftlosen Link, schien es das erste Mal ganz so, als würde es genau damit enden. Mit ihrer beider Tod. Nein. Nein! Nicht Link! „Lauf weg!“, rief sie. Bettelte. Flehte. Befahl! Doch Link kam wankend auf die Beine. Taumelte, als er das Schwert aus dem Boden zog und Zeldas Hand fiel hilflos nach unten, als er sie abschüttelte. Sie beide keuchten, als inmitten des Rauchs und der Flammen, zwischen den leblosen Hüllen zweier von Link besiegter Maschinen der rot leuchtende Kopf eines lebendigen Wächters auftauchte. Das heilige Bannschwert flammte hell und weiß auf, eine silbrige Fackel inmitten der uralten Energie des angreifenden Feindes. Bitte, bitte. Lass ihn uns nicht bemerken. Wie um ihr Gebet zu strafen, drehte der Wächter seinen Kopf. Seine Sensoren entdeckten sie beinahe sofort. Er war schneller bei ihnen, über ihnen, als Zeldas Atem versagen konnte. Das Auge des Wächters begann zu wirbeln. Link schwankte, während er das Bannschwert fester griff, ein Ausdruck auf seinem Gesicht, der beinahe ruhig wirkte. Er wusste, dass er diesen Wächter nicht besiegen würde. Aber er stand vor Zelda. Der Strahl würde ihn treffen. Link wusste, dass er sterben würde. Er akzeptierte es beinahe friedvoll. Die nächste Stimme in ihrem Kopf würde seine sein. Zeldas Herz tat einen heftigen Schlag. Dann schien es still zu stehen. Nein. Nein! NEIN! DU WIRST IHN MIR NICHT NEHMEN! „NEIN!“ Etwas Helles und Wildes und Instinktives loderte durch ihre Brust. Ihr Herz. Ihren Solarplexus. Kraft durchströmte sie. Licht und Liebe und Macht. Zelda stieß Link zur Seite und in einer alten, vertrauten, so sehr vermissten Bewegung hob sie die Hand. Die Zeit blieb stehen. Floss ineinander. Vergangenheit wurde Zukunft und das Hier und Jetzt bog sich in einem Kreis, um genau im selben Moment wieder Wirklichkeit zu werden. Goldenes Licht brach aus Zeldas Hand hervor, überzog ihre Gestalt und füllte sie mit Wärme und Zuversicht. Die Umrisse des Triforce leuchteten auf ihrem Handrücken auf und brachte mit sich die Stimmen all ihrer Vorgängerinnen, die geballte unirdische Kraft der Göttin. Eine Sphäre aus strahlend goldenem Licht breitete sich aus. Umhüllte Zelda und Link und den Wächter der sich nicht länger bewegte und vertrieb die bösartige Energie Ganons aus dem Umkreis und jeder unter seinem Bann stehenden Maschine. Eine nach dem anderen stoppte und starb, die roten Lichter in ihren Augen erloschen und sie fielen zu Boden. Die Erde bebte unter der gewaltigen Erschütterung. Doch es war nichts gegen die, die Zelda verspürte. Das Licht war verschwunden. Die unsägliche Kraft die sie durchzogen hatte, hatte sich zurückgezogen. Aber sie war nicht fort. Zelda konnte sie immer noch spüren. Blinzelnd und zitternd starrte sie ihre Hand an. Senkte langsam den Arm. „War … war ich das?“ Das Symbol war nicht länger auf ihrer Hand zu sehen. „Was …?!“ Aber Zelda wusste … sie wusste… Ein Ächzen und der dumpfe Aufprall eines Körpers hinter ihr, ließ sie herum fahren. Ein Keuchen entfuhr ihr, als sie Link sah. Zur Seite gekippt, auf dem Boden liegend. Das Bannschwert unter sich begraben. Schrecken und Unglaube ließ sie einen Moment verharren, dann stürzte sie zu ihm. „Oh nein … oh nein, oh nein!“ Sie fasste ihn am Arm, zu panisch um an seinen Zustand zu denken, und schüttelte ihn. Auf den Knien flehte sie zu der Göttin, während Link unter Zeldas unsanfter Behandlung aufstöhnte. „Du darfst nicht sterben!“, schrie Zelda und drehte ihn. Half Link in eine halbaufrechte Position, die ihn husten ließ, während sie seinen Oberkörper in ihren Schoß zog. „Bitte … du darfst nicht sterben“, flehte sie erneut, mit aller Inbrunst zu der sie fähig war. Erneut brach die kaum geschlossene Wunde in ihrem Inneren auf. Zeigte ihr ihren Verlust und zeigte ihr erneut, dass dieser Verlust, ihr Ende sein würde. Sie brauchte Link. Brauchte ihn mehr als jeden anderen. Er drehte den Kopf, wandte ihr seinen Blick zu. Schien etwas sagen zu wollen, doch sein Atem schien die Worte nicht tragen zu können. Etwas flammte in seinen Augen auf. Dann kippte sein Kopf zur Seite weg und sein Körper wurde schlaff. Keuchend vor Entsetzen hielt Zelda ihn, während er das Bewusstsein verlor. Riss die Augen auf, während ihr Innerstes sich zusammen zog. Die perfide Ironie durchzuckte sie mit Wut und Pein. Ihre Kräfte waren letztendlich doch erwacht. Aber zu spät. Sie hatte Link nicht retten können. Oh bei der Göttin … das konnte nicht wahr sein. Das war nicht möglich. Zeldas Kopf fiel nach vorn an seine Brust, während sie schluchzte. Die Grausamkeit war mehr als sie ertrage konnte. Sie hatte versagt. Link würde sterben. Und mit ihm würde Hyrule endgültig untergehen. Du hast nicht versagt. Die Stimme in ihrem Kopf ließ sie vor Panik keuchen. Link. Du hast nicht versagt. Doch es war nicht Links Stimme. Der schleppende Galopp ihres verblutenden Herzens verlangsamte sich genug, damit sie der Stimme lauschen konnte. Du hast alles getan, was von dir verlangt wurde, Prinzessin. Mehr als das, wenn man die Schwierigkeiten deines Lebens bedenkt. Zelda hob den Kopf und sah das Bannschwert, nun nicht länger unter Links zur Seite gerolltem Körper begraben, mit jedem Wort aufleuchten, das in Zeldas Kopf auftauchte. „Es … gibt noch Hoffnung?!“ Ja, antwortete die Stimme in ihrem Kopf und das Schwert leuchtete. Rette meinen Meister. Und Erfülle dein Schicksal. Es ist noch nicht vorbei. Zelda blinzelte gegen ihre geschwollenen Lider, während sie das schartige Schwert anstarrte. Erst jetzt spürte sie das schwache, aber stetige Flattern von Links Herzschlag unter ihren Fingern. Er war am Leben. Noch. „Link kann … gerettet werden?“ Der Schrein des Lebens wurde dafür erbaut. Für den Fall dass der Held im Kampf gegen das Böse verletzt wird. Und ich keinen weiteren Zyklus auf einen neuen Meister warten muss. Zelda wagte kaum zu atmen, als sie den Worten lauschte. Der Schrein des Lebens, Prinzessin. Die Shiekah kennen den Weg. Er muss dorthin gebracht werden. „Prinzessin“, ertönte ein Rufen und unterbrach Zeldas geisterhafte Kommunikation mit dem heiligen Schwert. Sie sah auf. Zwei Shiekah huschten über das Feld auf sie zu. Flink und agil in ihren ninja-artigen Bewegungen waren sie so schnell heran, dass es Zelda beinahe wie Zauberei schien. „Prinzessin, seid ihr wohlauf?“ Die zwei Shiekah stockten in respektvollem Knien vor ihr. Sie wirkten vom Kampf beinahe unberührt, ihre Gewänder sauber und unversehrt. Es war wie ein Wunder. Zelda scherte sich nicht darum. „Ich habe einen wichtigen Auftrag für euch“, sagte sie, während sie die beiden Krieger so befehlend wie möglich ansah. „Bringt diesen Mann so schnell wie möglich zum Schrein des Lebens.“ Auf den beiden Gesichtern standen unzählige Fragen geschrieben, für die Zelda keine Zeit hatte. „Beeilt euch“, rief sie und die Verwandlung der Krieger war augenblicklich. Entschlossenheit zeigte sich auf ihren Zügen und ihre Haltung spannte sich. „Bevor sein Lebenslicht für alle Zeiten erlischt!“ „Wo ist dieser Schrein?“, fragte einer der Beiden, als er sich erhob und auf Links bewegungslosen Körper zu trat. „Auf dem Plateau“, antwortete Zelda. „Oberhalb der Zitadelle der Zeit. Schickt einen Boten zu Purah. Sie hat den Schrein zuerst entdeckt und erforscht.“ Die beiden Schiekah wechselten einen Blick. „Purah ist in Kakariko“, antwortete der andere. „Ich hole sie und bringe sie so schnell wie möglich zum Plateau.“ Der Shiekah der zuerst gesprochen hatte, um nach dem Schrein des Lebens zu fragen, nickte. „Wir haben einen Wagen am Fort, um Kinder und Frauen fortzubringen.“ Zeldas Finger krallten sich fester in Links feuchtes Haar. Erst jetzt bemerkte sie, dass der Regen aufgehört hatte. „Sie brauchen ihn jetzt nicht mehr. Die Gefahr ist von hier verschwunden und wird vorerst nicht wieder kehren.“ Woher sie diese Gewissheit hatte, konnte sie nicht sagen. Aber die Shiekah akzeptierten ihre Worte ohne auch nur einen zweifelnden Blick zu tauschen. „Bis später, Bruder. Prinzessin“ Mit diesen Worten war einer der Beiden verschwunden. Die kosende Bezeichnung weckte eine schmerzhafte Erinnerung an Lachen und Scherzen und Zelda schloss sie in ihrem Herzen fort. Sie senkte den Kopf als auch der andere Krieger sich abwandte, um den Wagen zu holen, der Link fortbringen sollte. „Du hast gesagt, dein Leben gehört mir“, flüsterte Zelda und streichelte sanft über seinen Hinterkopf. „Ich erinnere dich hiermit an diesen Schwur, Sir Link.“ Ihre Stimme war frei von Tränen, gekettet an die winzige Hoffnung, die mit der Botschaft des Schwertes in ihr aufgestiegen war. Zelda hatte einen Plan. Die Kraft der Göttin loderte erneut in ihr auf. Nicht so heftig und explosiv wie gerade eben, aber Zelda spürte sie unter der Oberfläche knistern. Sie konzentrierte sich darauf, alles davon in Link hineinfließen zu lassen. Sie hatte nie davon gehört, dass die Kraft des Siegels heilen konnte. Aber sie tat es dennoch. Übertrug einen Teil von sich auf ihn. Verband seine Seele mit ihrer, seinen Körper mit ihrer Kraft. „Ich befehle dir, lange genug am Leben zu bleiben, dass Purah dich in den Schrein des Lebens bringen kann. Das Schwert hat gesagt, dass es Hoffnung gibt.“ Zelda biss sich auf die Lippe, als eine schmerzhaft-süße Spannung ihre Brust zusammenzog. „Ich befehle es, hörst du?“ „Ja, Prinzessin.“ Die Worte waren so leise, dass Zelda erst dachte, sie hätte sie sich eingebildet. „Link, mein Held, kannst du mich hören?“, hauchte sie und beugte sich näher über ihn. Sein Herzschlag unter ihren Fingern das Süßeste, was sie je gespürt hatte. Ein Summen ließ seine blauen Lippen vibrieren. Zärtlichkeit überspülte Zeldas geschundenes Herz. Sie wollte ihn wärmen. Ihr schützen. „Halte durch, Link. Die Shiekah bringen dich zum Schrein des Lebens. Ich nehme das Schwert, ich-“ „Deku...deku...“, krächzte Link und griff nach ihrer Hand, die auf seiner Brust lag. Sein Atem ging jetzt schneller und sein Herz verfehlte seinen Rhythmus. „Sch-sch. Ist ja gut.“ Sie strich ihm über die Brust. Willte sein Herz sich zu beruhigen. „Ich bringe das Schwert zum Deku-Baum. Es wird dort auf dich warten, bis du kommst, um es abzuholen. Du wirst wieder gesund. Ich befehle, dass du wieder gesund wirst. Ich-“, sie brach ab, als sie wieder zu schluchzen begann. „Ich brauche dich, Link. Du weißt, dass ich dich brauche. Werde gesund und komm zurück zu mir.“ Sie zwang sich, still zu sein und fuhr fort, ihn zu streicheln. Seinen Hinterkopf und die seidigen Strähnen seines Haares, dunkel vom Regen. Seine Brust und das gute, starke Herz darunter. Willte es, weiter zu schlagen. Hielt ihn und sah, wie er sein kostbares Blut aus unzähligen Wunden in die nasse Erde floss und seine Haut immer blasser wurde. „Zelda“, sagte er mit einem Mal, im gleichen Moment als sie in der Ferne das näher kommende Rumpeln des Wagens hörte. Ihr Blick flackerte zu seinem Gesicht. Sie erschrak, als sie sah, dass er die Augen geöffnet hatte. Seine Wimpern waren hauchzarte Flügel die an seinen bleichen Wangen flatterten. Das Weiß in seinen Augen war getrübt und von Rot durchzogen. Aber das Blau war vertraut und so sehr Link, dass das Bewusstsein sie jäh durchzuckte. „Ruh dich aus, mein Held“, hauchte Zelda und strich ihm über die Wange. Die Haut fühlte sich wächsern und matt an, aber die feine Wärme beruhigte Zelda genug, um ein Lächeln zustande zu bringen. „Alles wird gut. Mir geht es gut. Du hast es geschafft.“ Link ließ ein wenig zittrige Luft zwischen seinen Lippen hindurch, während er wieder und wieder versuchte zum Sprechen anzusetzen. Zelda legte ihm ihre Finger an den Mund. „Nein.“ Sie schüttelte den Kopf. „Nicht sprechen. Du kannst es mir später sagen.“ „Ich kenne ... dich“, brachte er trotz ihres Verbotes hervor. Seine Stimme klang heiser und so rau, dass es Zelda beim Zuhören weh tat. „Ja.“ Sie nickte. „Du kennst mich. Du kennst mich so gut wie kein anderer. Und jetzt-“ „Ich habe dich … immer … gekannt.“ Sie konnte die Worte über das näher kommende Rumpeln fast nicht ausmachen. „Sch“, versuchte sie es erneut, doch er sprach einfach weiter. Gegen den sanften Druck ihrer Finger an seinen Lippen. Es schien eine ganze Lebenszeit her zu sein, dass diese Berührung ihr ein verliebtes Flattern in die Brust gezaubert hätte. Jetzt war es ihr, als müsste sie zerbersten vor Schmerz. „Und … ich … habe …“, seine Worte wurden zu einem Würgen, als er versuchte sie hervorzupressen, obwohl seine Stimme versagte, „ich.. dich immer…“ Neue Tränen wallten in ihren Augen auf. „Link, hör auf!“ „Immer ...“ „Prinzessin!“ Hin und her gerissen zwischen dem Bedürfnis Link zu beruhigen, ihm das Gefühl zu geben gehört zu sein und der Dringlichkeit, in so schnell wie möglich von hier fort zu bringen, sah sie auf. Der Shiekah Krieger war da, mit einem Wagenlenker und zwei vor einen Planwagen bespannten, kräftigen Pferden. Zelda hoffte, dass sie auch schnell sein würden. „Link, sieh nur, der Wa-“ Doch als sie den Blick senkte, sah sie, dass Link erneut das Bewusstsein verloren hatte.     Mit Hilfe des Wagenlenkers hob der Shiekah Link in den Wagen. Zelda war froh über die provisorische Polsterung, die dort ausgelegt worden war. Sie warf dem Shiekah einen dankbaren Blick zu. Sie blieb an Links Seite, als der Wagen sich mit einem Schub in Bewegung setzte. Nicht so schnell, wie ein Pferd es gewesen wäre. Aber das hätte Link nicht überlebt. Sie rumpelten vorwärts, schneller dann, als sie den Weg erreichten. Und die ganze Zeit über legte Zelda ihre Hand über den wunderschönen Herzschlag des leichenblassen Ritters neben ihr. Die Sonne begann aufzugehen, als der Wagen die Schlucht zwischen den Zwillingsbergen verließ. Der Weg kam Zelda so lang vor. Hatte sie ihn nicht erst vor wenigen Stunden zu Fuß zurück gelegt? Bei der Göttin. War das wirklich erst in dieser Nacht gewesen? Erst da wurde ihr bewusst, dass sie die ganze Nacht über auf gewesen war. Zelda verspürte keine Müdigkeit. Sie konnte sich nicht vorstellen, jemals wieder schlafen zu können. Sie zwang den Gedanken zur Seite, weil er sie dazu brachte, an den schwebenden Zustand desjenigen zu denken, dessen Weigerung zu schlafen, zu einem lebendigen Scherz zwischen ihnen geworden war. Zelda war beinahe überrascht, als Purah sie einholte. Natürlich war Purah zu Pferd schneller als der Wagen, selbst wenn dieser von Zweien gezogen wurde. Sie kletterte zu Zelda in den Wagen und begann mit sicheren Griffen Link zu stabilisieren. Purah war schneller damit fertig, als es Zelda lieb war. Es zeigte so deutlich, dass Medizin allein ihm nicht helfen konnte. „Der Schrein wird ihn heilen?“, fragte sie schließlich, als Purah sich in ihrer knienden Position zurücklehnte und Zelda mit einem ernsten Blick betrachtete. „Ja. Das wird er.“ Die Worte waren beruhigend, aber der Ausdruck auf dem sonst so schelmischem Gesicht immer noch ungewohnt ernst, das Funkeln hinter den frechen Brillengläsern verschwunden. „Ich sehe es gibt ein aber, auch wenn du es nicht aussprichst, Purah.“ Purah seufzte und strich sich mit dem Handrücken über die Stirn. „Ich habe nicht die Möglichkeit den Schrein mit adäquater Energie zu versorgen, Zelda. Ich habe nie herausgefunden wie.“ Zelda starrte sie an, Panik von Neuem ein wilder Strudel in ihrem Bauch. „Aber, du sagtest doch...“ Purah hob dich Hand, um sie zu unterbrechen. „Er funktioniert. Aber so viel langsamer, als er ursprünglich gearbeitet haben muss. Für Verletzungen wie diese ...“ Ihr Blick glitt an Links bewegungsloser Gestalt hinab, nun in unzählige Verbände gewickelt, auf denen rasch neue, rote Blumen aus Blut entstanden. „Ich weiß es nicht.“ Sie hob hilflos die Schultern. „Also“, versuchte Zelda das eben Gesagte zusammenzufassen. „Der Schrein wird ihn heilen. Aber es wird lange dauern.“ Purah nickte, ein tragischer Ausdruck auf dem runden Gesicht. „Wie lange?“ Wieder hob Purah die Schultern. „Um den Faktor zehn vielleicht? Oder mehr?“ Ungeduldig schüttelte Zelda den Kopf, nicht in der Lage, die Rechnung selbst auszuführen. „Wie lange?“, wiederholte sie, nun merklich schriller. „Im besten Fall fünfzig, im schlimmsten Fall zweihundert Jahre. Aber das Schlimmste ist, dass ich nicht weiß, was es mit seinem Kopf anstellt.“ „Seinem Kopf?“, krächzte Zelda. „Er wird leben. Er wird gesund werden. Er wird ganz normal sein. Aber so eine lange Stasis … seine Erinnerungen werden vielleicht …“ Stille trat ein, während Zelda diese Information verarbeitete. Er würde leben. Der Schrein würde Links Leben retten. Aber es würde ihn vielleicht seine Erinnerungen kosten. Wenn es nur um sie ginge, wären diese Aussichten für Zelda nicht mal eine zweite Überlegung wert. Link sollte leben. Alles andere zählte nicht. Aber was würde er wollen? Würde er seine Erinnerungen als einen gerechten Preis betrachten? In welcher Welt würde Link erwachen, geheilt und der Erinnerung daran beraubt, wer er war und wieso er sich in dieser Lage befand? Was würde er tun? Zeldas Vertrauen in ihn war ungebrochen. Und das Vertrauen in ihre Fähigkeiten, nun das sie wusste, dass sie ihn retten könnte, war eben erst erwacht. Sie würde Ganon aufhalten. So lange es nötig wäre. Und sie musste darauf vertrauen, dass Link immer noch Link wäre, selbst wenn er sich nicht mehr an Zelda oder die Recken erinnern konnte. Sie wusste, dass sie ihn damit zu Leid und Erschwernis verdammte. Sie wünschte, es gäbe einen anderen Weg. Aber sie war zu egoistisch. Sie wollte zu sehr, dass er am Leben blieb. Auch wenn sie ihn vielleicht nie wieder sehen würde. In diesem Moment leuchtete das Schwert erneut auf und schickte die Antwort auf ihren Konflikt in Zeldas Kopf. Rette ihn. „Tu es!“, sagte Zelda an Purah gewandt. „Rette ihn!“ Purah nickte. Entschlossen jetzt, da Zelda es ebenfalls schien. „Natürlich, Prinzessin. Ich brauche den Shiekah Stein.“ Schnell reichte Zelda Stein an Purah weiter. „Vielleicht werden die Bilder darauf ihm dabei helfen, sich zu erinnern.“ Das Licht der höher aufsteigenden Sonne spiegelte sich in Purahs Brillengläsern, als sie den Shiekahstein an ihrem Gürtel befestigte. „Falls das nötig sein wird. Es ist nicht klar, was mit seinen Erinnerungen geschehen wird. Ob alles davon verschwindet. Nur ein Teil oder überhaupt etwas.“ Zelda nickte nicht einmal. Wann hatte das Glück je auf ihrer Seite gestanden? Seit Purah den Erinnerungsverlust erwähnt hatte, wusste Zelda, dass es geschehen würde. Das Schwert wusste es ebenfalls. Und der Geist der darin wohnte, hielt es für den richtigen Weg. Es würde kein Zurück geben. Link musste leben. Er musste einfach. Zelda spürte in ihren Knochen, dass es bald Zeit für sie war, aufzubrechen. Sie würde nicht mit zum Schrein des Lebens kommen. Sie hatte Link und dem Bannschwert versprochen, zum Deku-Baum zu gehen. Und dann musste sie Ganon aufhalten. So gut wie konnte. So lange sie konnte. Es würde vielleicht mehrere Jahrhunderte brauchen, bis Link geheilt wäre. Wenn sie irgendwann versagte – und sie würde irgendwann versagen, menschlich und sterblich wie sie war – gäbe es denn dann noch überhaupt etwas, das gerettet werden konnte? „Bewahrt sein Reckengewand für ihn auf. Gebt es den Shiekah in Verwahrung. Ich bin sicher, sein Weg wird ihn nach Kakariko tragen, wenn er den Schrein des Lebens verlassen kann. Sein Unterbewusstsein wird ihn dorthin leiten. Und nach Hateno.“ Sie sah Purah an. „Hilf ihm, wenn er kommt. So gut du kannst. Und Robelo auch. Sagt ihm, dass er die Titanen befreien muss. Hinterlasst Botschaften, wenn das Alter euch daran hindert, es ihm direkt zu sagen.“ Purah nickte. „Natürlich, Prinzessin.“ Ihre Stimme war flach, ihr Blick hart. „Sorgt Euch nicht. Zeit ist nicht die fest gemeißelte Formel, für die wir sie halten.“ Zelda ignorierte diese rätselhaften Worte. Sie waren beinahe am Hylia-Fluss angekommen. Von hier aus musste sie zu den verlorenen Wäldern aufbrechen. Sie beugte sich über Link. Strich ihm zart über die Stirn und die Wange. Das geliebte, wunderschöne Gesicht. „Mein Geist wird bei dir sein, wenn du erwachst, mein Held“, flüsterte sie, auch wenn ihr bewusst war, dass Purah ihre Worte hören konnte. Es war ihr egal. Zärtlich lächelte sie auf ihn hinab, während frische Tränen in ihre Augen liefen. Zelda streichelte ihm über die goldenen Augenbrauen, in der völligen Erschöpfung nun sanft und gelöst wie die eines Kindes. Sein Gesicht wirkte jünger, trotz der deutlichen Spuren von Schmerz und Gewalt auf seiner blassen Haut. „Und mein Herz wird immer bei dir sein“, hauchte sie, als ihre Stimme versagte. „Auch im Tod und darüber hinaus. Link, mein Herz, Licht meines Lebens,“ Ihre Finger strichen über die hauchzarten Stoppeln seines kaum erkennbaren, lichtblonden Bartes, „mein Ein und Alles. Ich liebe dich so sehr.“ Sie lächelte zittrig, als das Geständnis über ihre Lippen kam. Die freiwerdende Energie ihres Herzens vermischte sich mit süß stechender Trauer und Zelda wischte eine ihrer Träne mit dem Daumen fort, die auf Links Mund getropft war. Ihre Finger verharrten dort. Auf der trockenen, blassen Haut seiner Lippen. Strichen über den perfekten Bogen seiner Unterlippe. Liebkosten und brandmarkten sie. Es war nicht rechtens, dass sie sich weiter herab beugte. Zelda wusste es, als sie nur einen Fingerbreit über ihm schwebte. Er war nicht bei Bewusstsein. Hatte kein Einverständnis zu vergeben. Und sie nahm sich, was ihr nicht gehörte. Ihre Lippen berührten die seinen. Federleicht. Kaum zu spüren. So fein und zart, dass es nicht geschehen sein konnte. Aber das war es. Und Zelda nahm die kleine, unschuldige, unendlich kostbare Erinnerung und schloss sie in ihr Herz ein. Heilte damit die schweren Wunden und fügte es zu einem funktionierenden Organ zusammen. „Leb wohl, mein Held.“ Sie nahm das schartige, schmutzige Schwert aus Links laschen Griff, beruhigt durch das erneute Aufleuchten, mit dem es Zelda die Richtigkeit ihres Tuns bezeugte. Purah sah sie nicht an, als Zelda schließlich den Kopf hob. Fast könnte man meinen, dass die Forscherin nicht mitbekommen hatte, was Zelda getan hatte. Doch sie hatte es. „Dieses Geheimnis liegt nicht an dir, preiszugeben“, sagte Zelda leise und würdevoll, als sie an das offene Ende des Wagen kroch. Für einen Moment sah Purah beleidigt aus. Dann schüttelte sie den Kopf. „Sei vorsichtig, Zelda“, sagte sie und nahm Zelda in die Arme. „Du ebenso. Und, ich danke dir! Du rettest ihm das Leben. Das werde ich dir nie vergessen.“ Sie tauschten einen Blick grimmiger Entschlossenheit, dann wandte sich Zelda in Richtung des Wagenlenkers, neben dem der Shiekah Krieger hin und her schaukelte. „Anhalten!“, rief sie und sprang aus dem Wagen, sobald ihrem Befehl Folge geleistet worden war. Sie wandte sich nicht um, als der Wagen wieder anfuhr. Sie hatte einen Auftrag zu erfüllen.   *     Sie kam langsam voran. Aber ungestört. Wann immer ein Wächter sich ihr näherte, durchfuhr dieselbe, goldene Kraft ihren Körper und das rote, dämonische Leuchten im Auge der Maschine erlosch und wurde leblos. Ganon hatte sich, nach dem Fiasko bei der Hateno-Festung zurückgezogen. Verwirrt und unschlüssig. Zelda konnte es spüren. Aber sie hatte nicht sehr viel Zeit. Die Moor-Garnison lag in Ruinen, als sie dort ankam. Die Bäume zu Stummeln niedergebrannt und überall in der Luft klebten Hinterlassenschaften der bösartigen Energie Ganons. Unbeirrt setzte Zelda ihren Weg fort. Jetzt war sie einmal mehr froh, dass Link ihr den Weg durch die verlorenen Wälder gezeigt hatte. Obwohl das Schwert ihr wohl sonst geholfen hätte. Rette ihn, sagte es ihr immer und immer wieder und ließ sich nicht beruhigen. Irgendwann verstand Zelda. „Ich werde Ganon aufhalten. So lange es nötig ist, um Link Heilung zu ermöglichen.“ Dann endlich schwieg das Schwert, beruhigt durch den Schwur, den sie geleistet hatte. Und Zelda wusste nicht, wie sie es tun würde, aber sie wusste, es würde gelingen. Ihre jahrelangen Übungen und Gebete hatten sie eines gelehrt: Beharrlichkeit. Es war unwichtig, wie sie die Zeit überdauern sollte, die Links Heilung benötigen würde. Das Schwert hatte sie schwören lassen. Und Zelda würde ihr Wort halten.   Der Wald der Krogs war von der bösartigen Kraft Ganons vollkommen unberührt, als Zelda mit dem Schwert in der Hand an den Podest heran trat, aus dem Link es herausgezogen hatte. Instinktiv legte sie es darauf nieder und faltete die Hände zum Gebet und ließ sich auf die Knie nieder. „An diesem Ort sollst du ruhen und den Tag erwarten, an dem dein Gebieter zurückkehren wird“, begann sie mit ruhiger Stimme, „selbst wenn der Schlaf ihn seiner Erinnerung beraubt, wie du befürchtest. Ich bin mir ganz sicher, er wird seinen Weg zu dir finden.“ Zelda schickte all ihre Hoffnung für Links Zukunft in dieses kleine Gebet. Ein wenig von der Kraft des Siegel floss durch sie hindurch und sie war sich sicher, dass erneut ein sanftes Leuchten von ihr ausging. Bis eine raue, uralte Stimme sie unterbrach und aufblicken ließ. „Hohepriesterin von Hyrule, was hast du nun vor?“ Zelda löste ihre gefalteten Hände und erhob sich. Den Blick zu dem sprechenden Deku-Baum erhoben, der aus seinem Schlaf erwacht war. Sie sah hinab auf das Bannschwert, das immer noch zu ihren Füßen ruhte. „Dieses Schwert … das Master-Schwert hat zu mir gesprochen. Es sagt, ich hätte eine Aufgabe. Es gibt etwas, das ich tun muss.“ Erneut faltete sie die Hände vor der Brust und nickte zur Bestätigung. Denn nicht nur das Schwert hatte sie mit dieser Aufgabe bedacht. Aus Zelda selbst war die Erkenntnis gekommen, was sie nun zu tun hatte. „Du bist sehr stark geworden, Hohepriesterin ...“ Er sagte nicht, was Zelda dachte, und sie ergänzte seine Worte in ihrem Geiste: … seit du das letzte Mal hier warst. Ja. So vieles war geschehen. „Großer Deku-Baum“, begann Zelda, von einem fixen Gedanken gepackt, „Wenn er irgendwann kommt, könnt Ihr ihm eine Botschaft übermitteln? Ich-“ „Mein liebes Kind“, unterbrach der Deku-Baum sie, als Zelda hastig einen Schritt nach vorn trat, um ihr Geheimnis auszusprechen, bevor Scham sie zurückhielt. „Deine Worte gehören dir allein“, sagte der Deku-Baum langsam. „Er sollte sie aus deinem Mund hören, denkst du nicht auch?“ Die tiefere Bedeutung seiner Worte wärmten Zelda bis in die Spitzen ihrer Zehen. Der Deku-Baum glaubte, dass sie Link wieder sehen würde. Das Schwert schien ebenfalls daran zu glauben. Also, vielleicht … Ein Lächeln breitete sich auf Zeldas Gesicht aus. Das erste, ruhige, vertrauensvolle Lächeln, das seit Langem ihre Lippen bewegte und sie von Innen heraus erhellte. „Ja“, bestätigte sie voller Gewissheit und Hoffnung. Ein Moment verging, in dem Zelda beinahe so etwas wie Glück verspürte. Dann mahnte das Bannschwert sie zur Eile. Zelda bückte sich und ließ das Schwert in die Vertiefung im Stein gleiten. Es rastete mit einem satten Geräusch ein und dann konnte sie es nicht mehr bewegen. Ein Bannkreis entstand um das Schwert, während es sich selbst in silbriges Licht hüllte. Danke, sagte es und es klang wie ein Lebwohl. Zelda lächelte und nickte. Dann ging sie, nun Zuversicht in ihrem Herzen, die ihr neuen Mut schenkte.   Auch der desolate Zustand der Stadt und des Schlosses konnte daran nicht rütteln. Als Zelda durch das Tor trat, dieses Mal völlig ungestört von den vielen aktiven Wächtern, pochte nichts anderes in ihrer Brust als die alte, weise Macht, die die Göttin ihr schenkte. Ohne ihr aktives Zutun zerfielen einige der Wächter einfach zu leblosen Hüllen, während andere hastig aus ihrem Weg stoben. Zelda durchschritt die geöffnete Tür zum Thronsaal mit ausgestreckten Händen. „Ich bin hier, Ganon. Komm und zeig dich!“ Sie griff mit vollem Bewusstsein nach der funkelnden Flamme purer, heller, goldener Energie, die in ihrem Bauch flackerte. Immer dort geflackert hatte, ohne das Zelda sie erkannt hatte. Sie leitete die Energie nach oben, durch ihr Herz, wo sie anschwoll und immer und immer größer wurde. Bis das Symbol auf Zeldas Handrücken erneut zu leuchten begann und goldenes Licht sich kugelförmig um sie herum ausbreitete. Dieses Mal konnte sie es besser kontrollieren und als Zelda Luft holte, da spürte sie Sie. Eine Präsenz in ihrem Herzen. Das Abbild ihrer Seele. Ihre Mutter. Ihre Großmutter. Deren Mutter und deren Mutter. Die Göttin. Zelda. Hylia. Der Funken Göttlichkeit der in Hyrule lebte, der immer in Zelda gelebt hatte. Er erwachte zu einer ausgewachsenen, ungebändigten Macht. Hüllte die sterbliche Form der Prinzessin in diesem Leben ein, in goldenes, unzerstörbares Licht. Zelda fühlte einen Teil von sich vergehen. Nicht verschwinden, sondern in einem anderen Teil von sich zur Aufbewahrung eingeschlossen. Sie spürte die Verbindung zu Hyrule. Zum Land und Boden selbst. Zu den Wesen die darauf wandelten und den Pflanzen die darin wurzelten. Sie spürte Links feine Präsenz, lebendig und stabil und es war der letzte Funken, der die Macht in ihr zu voller Größe eruptieren ließ. In diesem Moment regte sich das Ungeheuer. Rauch und Feuer und Funken wirbelten, formten sich zu einem Gesicht. Einem schleimigen, fürchterlichen Gesicht. Ein Körper entstand, ein entstellter, deformierter Körper, in seiner rohen, zerstörerischen Kraft unfähig wahres Leben zu erschaffen. Er brüllte wütend, bäumte sich auf und verschluckte Zelda mit einem mächtigen Schnappen seiner schrecklichen Kiefer. Ein mädchenhaftes Kichern resonierte durch sie hindurch, denn sie war mitnichten geschlagen. Dein Problem ist, schalt Zelda ihn von dem Teil seines Bewusstseins aus, das sie nun vereinnahmte, ist dein impulsives, törichtes Verhalten. Du bist ein Narr. Und du hast verdient, was mit dir geschehen wird. Sie spürte, wie das böse, machthungrige Bewusstsein, das nun an das ihre stieß, so etwas wie Überraschung fühlte, bevor die Erkenntnis über ihm hereinbrach. Wut quoll überall aus ihm empor und prallte gegen den goldenen Käfig ihres Bewusstseins. Was hast du getan? Die Stimme die sie hörte war ebenso bösartig und hässlich wie das Gesicht das sie gesehen hatte. Ich habe nichts getan. Es sind deine Taten, für die du dich verantworten werden musst. Dein Ende steht bevor, Ganon. Ich werde dich vernichten. In Stücke reißen. Du wirst dir wünschen, dass du nie geboren worden wärst. Ich- Das habe ich alles schon durch, Ganon, unterbrach sie sein wildes Toben. Du kannst mir keine Dämonen schicken, die schlimmer sind als die, die ich selbst gegen mich in den Kampf geschickte habe. Ich habe keine Angst vor dir. Du wirst Hyrule nicht heimsuchen. Du wirst hier bleiben. An mich gebunden. Bis dein Vernichter auftauchen wird. Schwarze, tiefdunkle, schmierige Energie klatschte an die Mauern ihres Bewusstseins und brachten sie zum Wanken. Aber er konnte ihr nichts anhaben. Das Beben endete sofort, als das bösartige Bohren sich zurückzog. Siehst du?, sagte sie so herablassend wie sie konnte, während die heilige Kraft der Göttin sie einhüllte. Du kannst es natürlich weiter versuchen. Ich hoffe sogar darauf. Ansonsten werden die vielen Jahrzehnte sicherlich ziemlich langweilig werden. Erneut erscholl ein Brüllen so laut und lange, dass es Zelda bestimmt ein Klingeln in den Ohren verschafft hätte, wäre das immer noch der Weg, auf dem sie hören würde. Ganon wütete für Tage. Wochen. Monate. Zelda wusste es nicht. Zeit hatte für sie nicht mehr dieselbe Bedeutung. Selbst in ihren Gebeten hatte sie Stunden verstreichen lassen können und gedacht, es wäre nur ein Augenblick. Jetzt, gehalten von der stabilisierenden, zeitlosen Energie der Göttin, verschmolzen mit ihrer Macht, war Zelda selbst nicht mehr den Gesetzen des Landes unterworfen. Die ersten Jahrzehnte verbrachte sie nur damit, Link beim Schlafen zu zusehen. Sie sah ihn nicht wirklich. Sie spürte ihn nur. Auch nicht die ganze Zeit. Aber wenn sie es tat und ihre Fühler in die Richtung seiner Präsenz ausschickte, verspürte sie nichts als Frieden. Endlich fand er den Schlaf, der ihm verwehrt gewesen war. Endlich konnte er ruhen. Und für Zelda war das alles was sie brauchte, um Ganons ungehaltenen Angriffen stand zu halten. Sie wartete. Darauf dass Link irgendwann erwachen würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)