Nicht Zu Spät von scippu ================================================================================ Kapitel 18: Kapitel 17 ---------------------- In diesem Leben gehe ich in die Knie vor dir.   Links Worte hallten in Zeldas Kopf wider. Wiederholten und überlagerten sich, füllten die Lücken und Ecken ihres Bewusstseins und umhüllten sie wie eine warme, weiche Decke. Trugen sie empor, höher und höher, in Wirbeln und Spiralen, bis ihr ganz schwindelig wurde. Bis sie wieder sanft und langsam zurück in die Wirklichkeit fand. Zurück auf den Balkon ihres Turmgemachs, wo Zelda an die kühle Mauer gelehnt stand und träumerisch in die Ferne starrte. Sie sah weder die wandernden Kissen flauschiger Wolken, die träge über den Horizont zogen, noch die strahlende Schönheit der weiten Ebene Hyrules. Stattdessen sah Zelda Feuer- und Mondschein. Flimmernde Lichter auf rauschendem, klaren Wasser. Und Links Gesicht. So nah vor sich, dass sie selbst in Gedanken nur eine Hand ausstrecken müsste, um ihn berühren zu können. Unauslöschlich eingeprägt in ihre Erinnerungen. Ebenso wie seine Worte. Wieder hatte Link es geschafft, Zeldas Universum mit wenigen Sätzen ins Wanken zu bringen. Ihre Denkweise zu verändern und von neuem Hoffnung schöpfen zu lassen. Wenngleich sie sich davor fürchtete, die Realität aus den Augen und sich in Wunschträumen verlieren, so tat es dennoch gut. Zelda seufzte und löste sich von dem steinernen Halt, den das Gemäuer des Turms ihr bisher geboten hatte und wandte der Natur den Rücken zu. Sie sah ohnehin nichts von der Aussicht. Heute, zwei Tage nach ihrer Rückkehr von der Quelle, grenzte es für Zelda an ein kleines Wunder, dass sie im Schloss angekommen war. Sie konnte sich kaum an den Weg erinnern, den sie genommen hatten. Nicht daran, wie sie gelaufen war und schon gar nicht, wie sie ihre Füße dafür benutzt hatte. Aber Zelda wusste, dass sie es geschaffte hatte, ein wenig Würde zu waren, trotz der Aufruhr in ihrem Inneren. Wenigstens hatte sie nicht die ganze Zeit über gegrinst wie ein dämlicher Idiot. In Anbetracht des immer noch drohenden Unheils, wäre das auf unwürdigste Weise unpassend gewesen. Nicht zu vergessen beschämend. Und äußerst verdächtig. Aber sie hatten geredet. Link und sie. Beinahe ohne Unterlass. Es war wundervoll gewesen. Und die Erinnerung daran, ließ Zelda dafür jetzt grinsen, wie einen dämlichen Idioten. Wie einen verliebten, dämlichen Idioten. Ein Idiot, der einfach nicht anders konnte. Für einen Moment ließ sie ihren Blick durch ihr geräumiges Turmgemach schweifen, bevor sie sich erneut in dem roten Nebel verlor, der ihren Kopf zu umhüllen schien, seit sie in Akkala aufgebrochen waren. Es hätte kein solcher Schock für sie sein sollen, aber auf dem Rückweg hatte sie so viel darüber gelernt, was Link über die vielen nützlichen Eigenschaften der Flora und Fauna Hyrules wusste. Sie hatte an seinen Lippen gehangen, während er auf ihrem Weg auf dieses und jenes Insekt deutete und die Möglichkeiten aufzählte, daraus Elixiere zu brauen. Sein Erfahrungsschatz diesbezüglich war gewaltig, etwas, das er sich auf seinen Reisen angeeignet hatte. Nie wieder würde Zelda mit dem Hilfskoch über eventuelle Nebenwirkungen oder die genaue Dosierung grübeln müssen. Link war ein wandelndes Nachschlagewerk, wenn es um widerliche Medizintränke ging. Zelda hatte sich so häufig vor Lachen und fasziniertem Ekel schütteln müssen, dass ihr manchmal schier die Luft zum Weitergehen gefehlt hatte. Im Austausch hatten Links Augen vor Interesse geglänzt, wenn sie ihm über die färbenden Substanzen in vielen von Hyrules Pflanzen und Gesteinen erzählt hatte. Anscheinend hatte er auf seinen früheren Reisen vor allem mit natürlichen Materialien und Flussschlamm experimentiert, um mit der Umgebung verschmelzen zu können. Eingefärbte Kleidung war dem gegenüber nicht nur angenehmer zu tragen, sondern einfach viel praktischer. Was zu einem überaus interessanten Vortrag über die verschiedenen Fellfarben der in Hyrule auftauchenden Monster geführt hatte und wie man daran aus der Ferne ungefähr deren Alter und vor allem auch Kraft und Stärke ablesen konnte. Es juckte Zelda selbst jetzt, das von Link gesammelte Wissen zu Papier zu bringen. Wie sehr sie sich selbst in diesen Dingen ergänzten, beflügelte sie. Und gleichzeitig schmerzte es, wie gut sie zusammen waren. So profan und banal es auch klang. Eine kleine Regenwolke schob sie vor ihre kindische Euphorie, als sich Zelda erinnerte, dass die Zeiten des Forschens für sie vorbei waren. Zumindest bis sie es geschafft hatte, die Kraft der Versieglung in sich zu erwecken. Dahin flog der Impuls Links Wissen über Elixiere in einem tatsächlichen Nachschlagewerk zu sammeln. Zelda biss sich auf die Lippe und zwang sich, ihre fliegenden Gedanken einzufangen. Zurückzukehren in ihr Gemach, auf den kalten Steinboden, auf dem sie stand. Zurück zu den drückenden Gedanken, denen sie in den letzten Tagen so gut hatte entfliehen können. Jetzt packte sie deswegen eine Woge des schlechten Gewissens. Sie stählte sich gegen die Kraft, mit der sie heranrollte. Es würde nichts bringen, sich davon unterspülen zu lassen. Zelda hatte ihren Vater seit dem Vorfall vor ihrem Labor nicht gesehen. Er hatte sie nicht zu sich beordert, nachdem Link und sie vorgestern zum Schloss zurückgekehrt waren. Er hatte ihr nicht mal Wort geschickt, ob er zum Anlass ihres siebzehnten Geburtstags, der in zwei Tagen stattfinden würde, besonderes Verhalten von ihr verlangte. Entweder er wollte die Luft zwischen ihnen abkühlen lassen oder er strafte Zelda mit Schweigen. Da ihr Vater eigentlich kein grausamer Mann war, vermutete Zelda, dass die Auseinandersetzung ihm ebenfalls nahe ging. In ihrem Herzen konnte sie dennoch keine Sanftheit für ihn finden. Noch nicht. Sie war zu verletzt und enttäuscht davon, dass ihr eigener Vater sie so wenig zu kennen schien. Und ihr Vorsatz und Nachsichtigkeit vorwarf, wo es doch gerade für ihn deutlich sein müsste, wie sehr sie sich bemühte. Link hatte Recht. Seit dem Tod ihrer Mutter, war die Erweckung die Siegelkräfte ein ständig drohendes Schwert gewesen, das über Zeldas Leben hing und der Beziehung zu ihrem Vater und ihrem Volk immer tiefere Wunden zufügte. Dabei hatte Zelda verlernt, Leichtigkeit zu empfinden. Sie hatte verlernt, zu leben. Link hatte ihr das gezeigt. Er hatte ihr das Gefühl gegeben, dass es etwas gab, das außerhalb des eng gezogenen Kreises aus Pflicht und Angst und Versagen gab. Es konnte kein Zufall sein, dass Zelda im Umgang mit den mythischen Kräften Hyrules seitdem so große Fortschritte gemacht. Wie ihr Weg wohl ausgesehen hätte, wenn Link früher in ihr Leben getreten wäre? Vielleicht wären ihre Kräfte längst erwacht. Ganz natürlich und ohne Druck. Zelda seufzte. Es hatte keinen Zweck darüber nachzudenken, was gewesen wäre, wenn die Umstände anders gewesen wären. Es zählte nur, dass sie eine Pflicht zu erfüllen hatte. Und auch wenn die Dinge nicht gut standen, so war es doch nicht hoffnungslos. In zwei Tagen wäre sie siebzehn Jahre alt. Ein Geburtstag, den sie sei Jahren gleichzeitig herbeisehnte und so gut es ging verdrängte. In zwei Tagen wäre es ihr erlaubt, die Quelle der Weisheit zu besuchen. Ein letzter Hoffnungsschimmer. Nayru war die Göttin, der die Prinzessin auf ewig am meisten verbunden sein würde. Vielleicht würde Nayrus Kraft etwas in Zelda erwecken. Sie hatte beinahe Angst, zu sehr daran zu glauben. Aber sie bildete sich ein, zu spüren, dass an der Quelle der Weisheit etwas geschehen würde. Wenngleich sie auch wusste, dass das nicht der klassische Weg war, um die Siegelkräfte zu erwecken. Ihre Mutter hatte ihr auf dem Sterbebett gesagt, dass es nicht mehr lange dauern würde. Dass Zelda Kräfte bald erwacht wären. Zehn Jahre nach diesen Worten ihrer Mutter, waren Zeldas Kräfte allerdings immer noch nicht erwacht. Zehn Jahre. Ihre Mutter hatte also viel eher damit gerechnet. Obwohl ein Kind nicht auf der Ranellspitze erlaubt war. Die Quelle der Weisheit war also nicht der Schlüssel. Nicht wirklich. Aber vielleicht … Das leise Geräusch einer Tür die geschlossen wurde, holte Zelda aus ihren Gedanken. Sie runzelte die Stirn. Das Scharren hatte so geklungen, als würde es von oben kommen. Die Tür die von der Wehrmauer in das oberster Geschoss ihrer Gemächer führte. „Prinzessin!“ Ihr Herz machte einen Sprung und begann dann nervös in ihrer Brust zu flattern. Natürlich. Link. Sonst gab es niemanden, der auf der Mauer zu ihrem Labor herumspazierte. Oder auf den Dächern der beiden Türme. Zelda lächelte. Sie winkelte ihren Blick in Richtung der Treppe. Link kam selten in diesen Raum. Meist hielt er sich außen auf, auf der Mauer, auf den Dächern, in diversen Orten dazwischen. Manchmal auf dem Boden um ihre Türme herum. Aber erst wenige Male hier. Wo ihr Bett stand. Zelda konnte den schnellen Seitenblick zu dem großen Himmelbett nicht verhindern. Ebenso wenig die Gedanken, die ihr in den Kopf schossen. Oder die verfluchte Röte, die ihren Hals hinauf kroch und die sie wirklich nicht gebrauchen konnte. Link hatte sie einmal überrascht, als sie auf genau diesem Bett gelegen hatte und darüber las, was genau man auf einem Bett alles tun konnte. Noch mehr Hitze stieg Zelda ins Gesicht und etwas, das sich wie Panik anfühlte, kletterte ihr in die Brust. Dieses verfluchte Buch würde noch einmal ihr Ende sein. Dann war Link da. Kam langsam die Treppe hinunter. Etwas, das sie ihn noch nie hatte tun sehen. Für gewöhnlich kletterte er. Und Zelda war sich ziemlich sicher, dass er das letzte Mal, als er hier gewesen war, durch das Fenster herein gekommen war. Für einen Moment hörte Zelda einfach auf zu atmen. Auf halbem Weg fror ihre Brust einfach ein. Im Augenblick des Luftholens schien sich der Raum über ihrem Herzen einfach zu weiten. Wuchs an zu einer Größe, mit der ihr Körper einfach nicht mithalten konnte und gezwungen war, einfach zu stoppen und zu zu sehen. Wie gleichzeitig alles heller und dunkler wurde. Zeldas Welt erstrahlte und gleichzeitig schrumpfte sie. Wurde kleiner und kleiner, bis ihre gesamte Aufmerksamkeit auf diese eine Gestalt konzentriert war, die soeben die letzten Treppenstufen hinabstieg. Er. Link. „Prinzessin“, grüßte er erneut. Dieses Mal keine Ankündigung, sondern eine Begrüßung. Er neigte den Kopf ein klein wenig zur Seite, ernst und ruhig, so wie Zelda ihn kannte. Doch nun kannte sie ihn zu gut, um das kleine Funkeln in seinen Augen nicht zu bemerken. Die Gelöstheit in seiner Haltung. Die fehlende Anspannung in seinem Kiefer. Mit einem Zittern von dem Zelda hoffte, das sie es gut genug unterdrücken konnte, atmete sie die aufgestaute Luft aus, die ihr auf die Brust drückte. Und danach so schnell wieder ein, dass ihr kurz schwindlig wurde. „Link.“ Mit einem schnellen Lächeln versuchte sie ihre Unsicherheit zu überspielen. Hoffentlich fasste er es als Begrüßung auf. Und Freude an seinem Besuch. Was sie dazu brachte: „Was-“ Sie hatte fragen wollen, was er hier tat. Mitten am Tag, in ihren Gemächern. Wo es doch sonst eine unausgesprochene Regel war, dass er nicht hier her kam. In Gedanken korrigierte sie sich. Dass er kaum hier her kam. Im selben Moment jedoch begann Link zu sprechen und prompt stoppte Zelda. Ihre Blicke trafen sich für einen kurzen Moment, dann zuckten Links Lippen und er sah zu Boden. Zelda schluckte und unterdrückte den Impuls, sich nervös über ihr Haar zu streichen. War aus ihr wirklich eines dieser närrischen jungen Dinger geworden, dass in Anwesenheit eines jungen Mannes zu nichts weiter zu gebrauchen waren, als dämlich zu kichern und rot anzulaufen? Wieder musste sie sich korrigieren: Link. Nicht irgendein junger Mann. Sondern Link. Nun, es sollte keinen Unterschied machen. Sie war nicht nur eine Prinzessin. Sie war Zelda. Die Prinzessin Hyrules. Und Link hatte Besseres verdient. Link, der diesen Moment wählte, um wieder aufzublicken. Mit sanfter Belustigung im Gesicht, die ihm etwas Schelmisches verliehen und Zeldas Herz erneut zum Flattern brachten. Sie unterdrückte den Impuls sich Luft zu zu fächeln. Er bedeutete ihr mit einem minimalen, aber äußerst verständlichem Zusammenspiel von Hand und Augenbraue, zu sprechen. Zelda antwortete mit einem Lächeln. „Bitte, sprich. Ich hatte wirklich nichts Wichtiges zu sagen.“ Link betrachtete sie einen Moment schweigend. Abwartend. Als schien er zu scharf nachzudenken. Oder etwas aus ihr herauslesen wollen. Dann zuckten Links Mundwinkel und die seltsame Spannung, die sich unbemerkt aufgebaut hatte, brach in sich zusammen wie ein Spielkartenhaus. „Was haltet Ihr von einem Ausritt?“ Zelda blinzelte. Nicht zuletzt, weil er zu der höflicheren, distanzierten Anrede gewechselt war. Aber auch, weil sie das äußerst starke Gefühle hatte, dass er eigentlich etwas anderes hatte sagen wollen. Ihr Brauen zogen sich zusammen und sie setzte zu sprechen an. Aber im letzten Moment hielt etwas in ihr sie zurück. Sie schüttelte kaum merklich den Kopf und ließ seine Frage zu ihr durch dringen. Zelda seufzte und wandte sich ein wenig von ihm ab. Sah an ihm vorbei, aus der Öffnung zu ihrem Balkon hinaus auf den freien Himmel. Die ziehenden Wolken. „Ich wünschte, ich könnte, Link. Wirklich.“ Zelda hob leicht die Schultern. „Aber so kurz vor meinem Geburtstag.“ Sie lächelte ein entschuldigendes Lächeln, von dem sie hoffte, dass es verdeutlichte, wie gern sie in der Natur wäre. Mit ihm zusammen. Wieder schüttelte sie den Kopf. „Ich muss mich auf meine Pflichten konzentrieren. Die Anweisungen meines Vaters waren sehr deutlich und wenn ich dem Volk nicht das Gefühl gebe, mich zumindest zu bemühen ...“ Sie ließ den Satz unvollendet. Es war auch nicht nötig ihn zu beenden. Link wusste genauso gut wie sie, was das Problem war. Das Volk verlor den Glauben in sie. Und Zelda wollte nicht, dass es sie sorglos herumspazieren oder herumreiten sah. Link begegnete ihrem erneuten Versuch an einem Lächeln mit einem berechnenden Blick. Was sie noch vor einem Jahr für absolute Starre gehalten hatte, erkannte Zelda jetzt als scharfes Nachdenken, blitzschnelles Umschalten. Zärtlichkeit umfloss ihr Herz. Und wurde zu Neugierde, als Link eine Entscheidung zu treffen schien und hinter sich, an seine Gürteltasche griff. Sie trat einen Schritt auf ihn zu, als sie sah, dass er ihr etwas hin hielt. Der Inhalt seiner Handfläche war so klein, dass sie erst erkannte, was es war, als sie beinahe direkt vor ihm stand. Zelda streckte die Finger aus, stockte aber im letzten Moment. Zog sie ein kleines Stück zurück und sah auf. Link war ihr so nah, dass sie die hellen Spitzen seiner dunklen Wimpern sehen konnte. „Was ist das?“, fragte sie leise, beinahe flüsternd. Erfürchtig. So etwas wie ein selbstzufriedener Ausdruck huschte über Links Gesicht. Genaueres Hinsehen ließ Zeldas Atem stocken. Es sah aus wie … „Sind das etwa-“. Sie brach ab und starrte Link an. Der nur mit einem Lächeln antwortete. Und einem auffordernden Nicken. „Oh, Link...“, hauchte Zelda. Auf seiner ausgestreckten Handfläche lagen unzählige, winzige Körnchen. So klein, dass Zelda Schwierigkeiten hatte, sie mit den Augen zu fokussieren. Aber die spezielle Form, die grünlich-graue Färbung und die gekräuselte Oberfläche, ließen kaum Zweifel zu. Ein kleines zittriges Geräusch entfloh Zeldas Kehle. Kein richtiges Keuchen, eher ein ersticktes Schluchzen, für das sie sich geschämt hätte, wäre sie nicht zum Bersten voll mit anderen Gefühlen gewesen. Aufregung. Rührung. Dankbarkeit. „Man hat versucht sie in Gewächshäusern zu züchten, aber sie gedeihen nur im Freien“, sagte Link und Zelda war sich sicher, dass er absolut genau die Worte wiedergab, die sie vor nicht all zu langer Zeit auf der Wiese in der Nähe des königlichen Institus gesprochen hatte. Seine sanft gesprochenen Worte streichelten über sie hinweg, wie ein warmer Wind. Ihre Augenlider flatterten, als sie sich zwang seinem Blick standzuhalten, ohne die Tränen zu zulassen, die in ihr aufstiegen. „Also versuchen wir es auf diese Weise. In der Natur. Wo sie frei wachsen können.“ Pflanzensamen. Prinzessinnen Enzian Samen. „Aber“, hauchte Zelda so ungläubig, wie sie ihn immer noch anstarrte. „Woher? Wie? Wann...“ Prinzessinnen Enzian Samen. Und so viele davon. Link beantwortete ihr Gestammel mit der für ihn so typischen Geste eines Schulterzuckens. Keine große Sache. Zelda wusste nicht, ob sie ihn schütteln oder ihm um den Hals fallen sollte. „Link?!“ Fassungslos hob sie eine Hand an ihre Stirn. „Wo hast du die nur her? Wie...“, wieder brach sie ab. Von der Tiefe und Bedeutung dieser Geste überwältigt. Es bezeugte so viel. Dass Link sie verstand und kannte wie kein anderer. Dass er wusste, wie sehr Zelda an dieser kleinen Blumer hing, was sie für sie und ihr Leben bedeutete. Und er hatte es irgendwie geschafft, Samen zu beschaffen. Um… um sie in der Natur auszusähen. Um ihr beim Gedeihen zu verhelfen, sie vor dem Aussterben zu bewahren. Erneut atmete Zelda zittrig ein und aus. „Aber … wie?“ Wieder ging ein Zucken durch Links Körper, als er die Schultern hob. Zelda konnte es nur aus dem Augenwinkel sehen, da sie immer noch wie hypnotisiert die winzigen matt grünlichen Samen in seiner Hand anstarrte. „Sie wachsen an den Feenquellen.“ „Feenquellen?“ Sie musste aussehen wie ein Fisch, mit riesigen Augen und vor Verwunderung offen stehendem Mund. Zelda wusste von den Feenquellen. Aber die nächste war einen halben Tagesritt vom Schloss entfernt. Und unabhängig davon, dass sie sich nicht erklären konnte, wann er dort gewesen war, wo er doch die ganze Zeit über an ihrer Seite weilte. Woher wusste er vom Fruchtzyklus und Reifezeitpunkt des Prinzessinnen Enzians? Er schien ihre unausgesprochene Frage hören zu können. „Deine Bücher“, sagte er und klang dabei ein klein wenig befangen. Ob es an der Erklärung lag, oder daran, dass Zelda ihn immer noch fassungslos anstarrte, wusste sie nicht. „Bücher“, wiederholte sie, als wüsste sie nicht, wovon er sprach. Dabei wusste sie, was er meinen musste. War nur wegen der Implikation nicht zu mehr fähig, als sein jeweils letztes Wort zu wiederholen, wie ein Dummkopf. Link hatte herausgefunden, wann die Samen des Prinzessinnen Enzians reif waren. Und zwar aus Zeldas eigenen Büchern. Dann hatte er die Samen gesammelt und musste dabei geritten sein wie ein Sturm. Denn sie hatte nie mitbekommen, dass er nicht hier gewesen wäre. „Aber, wann?“, stammelte sie, immer noch genauso fassungslos wie am Anfang, als er ihr die Samen präsentiert hatte. Zelda konnte nicht erkennen, ob ihre Reaktion im unangenehm war, oder Freude bereitete. Er musste wissen, wie viel es ihr bedeutete. Deswegen hatte er es doch getan, oder? Er konnte es nicht einfach des Erhalts der vollständigen Flora Hyrules getan haben… „Auch ich habe Pausen“, war seine einzige Antwort. Und sie bedeutete, dass er es in der Nacht getan haben musste. In irgendeiner Nacht, die nicht lange zurückliegen konnte. „Link“, begann Zelda in einem Versuch ihre Empfindungen über dieses Geschenk auszudrücken, „ich … das ist-“ Sie brach ab, ohne irgendetwas ausgedrückt zu haben. Dennoch schien Link zu verstehen. Etwas in seiner Miene wurde weich und in Antwort darauf verflüssigte sich Zeldas Innerstes, bis ihr kaum noch Kraft blieb, sich auf den Beinen zu halten. Was konnte sie tun, um diesen Mann in ihrem Leben zu verdienen? „Also“, unterbrach er ihre innere, geheime Liebeserklärung an ihn, bevor Zelda damit hätte richtig beginnen können, „zählt das als eine wichtige Hyrulemission? Bedeutsam genug, dass sich die Prinzessin ihrer annehmen kann?“ Wenn er so lächelte, ein klein wenig schelmisch, ehrlich erfreut und offen, dann musste er der schönste Mann auf der ganzen Welt sein. Es war ein Klischee, Zelda wusste das nur zu gut, aber dennoch schien ihr die Luft zum Atmen zu fehlen, wenn er so befreit und unbeschwert aussah. Jungenhaft und gut und stark und klug. Es war verheerend. Er war verheerend. Und Zeldas Herz für immer verloren. Deswegen brachte sie nicht mehr zu Stande als ein Nicken. Dann, irgendwoher, kam die Kraft, seinen Zauber abzuschütteln. Wenn auch nur für einen Moment. Genug für ein paar Worte. „Wann gehen wir?“ Als Antwort verstaute Link die Samen wieder in seiner Gürteltasche. Zelda entging dabei nicht, wie vorsichtig er darauf achtete, keinen einzigen der winzigen Kostbarkeiten zu verlieren. „Die Pferde stehen bereits hinter der westlichen Stadtmauer.“ Das weckte Zeldas Neugierde. „Hinter der Mauer?“ „Wir werden ein bisschen wie Shiekah sein müssen.“ Zelda hob eine Augenbraue. Ihr Leibwächter klang, als hätte er ziemlich viel Spaß an der Tatsache, dass er für sie einen heimlichen Ausflug geplant hatte. In ihrer Vorstellung sah sie sich an einem Seil aus Bettlaken, die Stadtmauer hinabklettern. Ein kleiner waghalsiger Zug in ihr erwachte bei dem inneren Bild zu Leben. Aufregung kochte in ihr empor. Zelda raffte ihren Rock und grinste. „Dann ziehe ich mich schnell um.“   Ob es das Schicksal war, das gnädig auf sie herab sah und ihnen freies Geleit verschaffte, einfach nur unverschämtes Glück, das dafür sorgte, dass ihnen kaum eine Seele begegnete, als sie sich über das Schlossgelände und durch die Stadt zum Tor schlichen. Oder ob es letztendlich Links Fähigkeiten im Schleichen und Auskundschaften waren, hätte Zelda beim besten Willen nicht sagen können. Aber sie gelangten zum westlichen Teil Hyrule Stadts, ohne dass irgendjemand von ihnen Notiz nahm. Was ein kleines Wunder sein musste. Nicht nur wegen Zeldas Titel und Links Mythos. Auch wegen ihrer Erscheinung. Blond wie sie beide waren, in den leuchtend blauend Reckengewändern und mit dem legendären Schwert auf Links Rücken, das in seiner blitzenden Scheide allein schon genug Aufmerksamkeit auf sich zog. Für gewöhnlich. Nicht so heute. Heute schien jeder Bürger der Stadt und jede Wache auf dem Schlossgrund, ihnen genau im richtigen Moment den Rücken zu kehren. Mehrere Male schüttelte Zelda milde belustigt den Kopf. Link schien einfach so viel Spaß an der Sache zu haben. Hierfür war er ausgebildet, nein, geboren worden. Und es zeugte nur davon, dass ihr Leibwächter mit den langgezogenen Aufenthalten im gut bewachten Schloss ungeheuerlich unterfordert war. Also gönnte Zelda ihm diese Aufregung und leistete seinen leise gemurmelten Anweisungen Folge. Senkte den Kopf, sah in die eine oder andere Richtung, blieb stehen und drehte sich so schnell sie konnte dorthin, wo er sie hinwies. Sie ließ sich in beschatte Ecken leiten und in dunkle, schmale Gassen ziehen. Dagegen hätte sie sich nicht wehren können, selbst wenn sie gewollt hätte. Ihre Reflexe waren denen Links haushoch unterlegen. Und am wichtigsten war: dass sie sich nicht wehren wollte. Gegen Berührungen war Zelda hilflos. Kaum jemand berührte sie je. Und wenn es dann auch noch Link tat, so fliehend es aus sein mochte, dann konnte sie einfach nicht anders, als alles dafür zu tun, dass sie so lange wie möglich anhielten. Sie schämte sich kaum noch deswegen, da sie überzeugt davon war, es gut verbergen zu können, wie sehr sie diese kleinen Momente genoss. Der Weg zur Mauer war also leichter zu bewältigen, als Zeldas Vorstellung ihr prophezeit hatte. Die Mauer selbst aber stellte ein Problem dar. Zumindest dachte sie das, als sie im Schatten eines Hauses zu ihr hinüber starrte. Warum war es noch mal wichtig, dass sie keiner zu Gesicht bekam? War der Aufwand das wirklich wert? „Warte einen Augenblick“, murmelte Link und zupfte noch einmal an Zeldas Ärmel. Sie folgte der sanften Weisung und zog sich tiefer in den Schatten zurück. „Wohin gehst du?“ Er bedeutete ihr mit der ausgestreckten Hand stehen zu bleiben. Dann, mit einem letzten Grinsen, verschwand er zwischen ein paar gezogenen Karren, die wenige Schritte entfernt über das Pflaster rollten. Zelda stürzte die Lippen und seufzte unwirsch. Sie vertraute ihm ja. Aber sie hier so einfach alleine stehen zu lassen? Gerade war sie dabei, sich eine glaubwürdige Ausrede für ihr Erscheinen hier auszudenken, die sie hervorbringen könnte, sollte jemand sie erkennen und ansprechen, da schreckte ein furchtbar lautes Geräusch sie aus ihren Gedanken heraus. Was bei Hylia… Ein Krachen. Ein schreckliches Rummsen, als würde etwas riesig Großes auf etwas noch Größeres und vor allem Härteres treffen. Es war so laut, dass ihre Vorstellungskraft überfordert war. Es schepperte. Tiere kreischten, wieherten und bellten. Babies schrien und Anwohner liefen aufgeregt durcheinander. Im heillosen Durcheinander das entstand, drückte Zelda sich näher an das Gemäuer des Hauses, in dessen Sichtschutz sie stand, während sie gleichzeitig versuchte den Hals zu recken, um irgendetwas zu erkennen. Sie war gerade dabei sich ernsthaft Sorgen zu machen, als eine Hand sie am Arm fasste. „Ich bin es.“ Erschrocken atmete Zelda aus. Link. Der aus dem Nirgendwo plötzlich aufgetaucht war. „Himmel.“ Sie bedachte ihn mit einem, wie sie hoffte, flammenden Blick. „Was sollte das? Wo warst du“, fauchte sie. „Du kannst mich doch hier nicht allein lassen.“ Sie gestikulierte in Richtung des Aufruhrs. „Sieh nur, was hier lost ist. Was wenn-“ Sie war gezwungen ihre gezischte Tirade aufzugeben, als Link ihr einen Finger an die Lippen legte. „Sch-“, machte er und Zelda verstummte augenblicklich. Doch nicht wegen des lächerlichen Lautes, das er gemacht hatte. Sondern wegen der Berührung. Er berührte ihre Lippen. Zelda hielt die Luft an. In diesem Moment schien Link zu bemerken, war er tat, denn seine Hand fiel nach unten und er senkte den Blick. Als er ihn wieder hob, ließ er Zelda keine Zeit darüber nachzudenken, was soeben geschehen war. Darüber, dass ihre Lippen brannten und ihr Herz klopfte, als wolle es innerlich den Brustkorb prellen. Er packte sie stattdessen am Handgelenk und zog sie aus dem schützenden Schatten des Hauses hervor. Unzeremoniell und präzise steuerte er auf das westliche Torhaus zu. In einem solchen Tempo, dass Zelda nicht anders konnte, als sich auf ihre Füße zu konzentrieren und an nichts anderes zu denken, wenn sie nicht stolpern wollte. Noch während sie in der Kühle des Torhauses verschwanden, bemerkte Zelda, dass der Aufruhr, ausgelöst durch das ominöse Geräusch von dem sie immer noch nicht wusste, was es verursacht hatte, ihnen ein vollkommen unbemerktes Verlassen des Stadt ermöglichte. Als Link dem einzigen verbleibenden Wächter am Tor mit einem Nicken einige Worte zuraunte, worauf dieser vor ihm salutierte, erhärtete sich in ihr der Verdacht, dass ihr Leibwächter etwas mit dem Vorfall zu tun haben könnte. Storm und Links kräftiger Hengst warteten friedlich grasend an einem der hinteren Wachtürme. Ein Zelda völlig unbekannter Junge in roten Hosen und passender Mütze hielt die Pferde am langen Zügel und starrte Link voller Ehrfurcht an, während er Zelda vollkommen ignorierte. Lächelnd begrüßte sie Storm, bei dessen sanftem Schnauben ihr genauso das Herz anschwoll, wie beim stolzen Anblick, der er mit seinem weißen Fell und dem edlen Geschirr abgab, mit dem er gesattelt worden war. „Du hast niemanden gesehen!“, raunte Link dem Jungen zu, als er ihm die Zügel aus der Hand nahm. Stumm schüttelte er den Kopf und die Ehrfurcht auf seinem Gesicht wandelte sich zu tiefer Vergötterung. Zelda musste sich räuspern, um das Lachen zu unterdrücken, dass aus ihr hervor prusten wollte. Mit einem Klaps auf die Schulter des Jungen bedankte sich Link und schickte ihn wieder auf den Weg in die Stadt zurück. „Link“, begann Zelda süßlich, nachdem das Kind außer Hörweite war. Ihr Leibwächter sandte ihr einen kurzen Blick zu, während er ihr den Steigbügel zurecht hielt, damit sie aufsitzen konnte. Sie folgte der stillen Aufforderung und griff nach dem Sattelknauf. „Kannst du mir sagen, was du mit meiner Stadt gemacht hast?“, fragte sie unschuldig, nachdem sie aufgesessen und die Zügel angezogen hatte. Storms starker Körper strahlte Ruhe und Wärme aus, als sie ihn neben Links Hengst lenkte und beinahe konnte sie die Befriedigung darüber, wie leicht ihr Pferd ihren Befehlen folgte, in ihren Knochen spüren. Wie anders das noch vor so wenigen Monaten gewesen war. Link sah über seine Schulter hinweg zur Stadt zurück. Als müsste er sich davon überzeugen, welche Stadt sie meinte. „Ablenkung“, meinte er kurz angebunden und schnalzte mit der Zunge, um das Tempo vorzugeben. Das Geräusch resonierte in Zeldas Adern wie ein warmer Strom und stellte komische Sache mit ihren Knöcheln an, die sich in den Steigbügeln auf einmal ganz schwach wurden. Wie immer, wenn er auf diese sanfte Art mit Tieren kommunizierte oder so ruhig und entschieden Anweisungen gab. Nach einem kurzen mentalen Schüttler hatte sie sich allerdings glücklicherweise genug gefangen, um Storm erst in einen schnellen Schritt und dann in einen flotten Trab fallen zu lassen, um Link folgen zu können, der die westliche Ebene ansteuerte. Sie ritten schnell und ohne viel zu reden. Nicht durch die Todbringerschlucht, wie Zelda erst gedacht hatte, sondern sie überquerten den Regenziafluss südwestlich der Schlucht auf einer natürlichen Steinbrücke, die aus den Felsen dort herausgewaschen oder -gehauen worden sein musste. Zelda sah sie zum ersten Mal und wusste es nicht genau. Auf der anderen Seite angekommen, wandte Link sich nach Süden. Und da erst kam es Zelda in den Sinn zu fragen, wo eigentlich ihr Ziel lag. Es war bezeichnend dafür, dass sie nicht eher nachgefragt hatte. Dafür, wie sehr sie das Schloss verlassen wollte. Und dafür, wie sehr sie Link vertraute. Aber hier ging es nicht nur um ein wenig frische Luft und einen Ausritt im Grünen. Es ging um Hyrule. Um eine wichtige Pflanze mit bedeutender spiritueller Kraft und Wichtigkeit. Sonst hätte Zelda sich dieses Intermezzo nie gestattet und wenn sie es sich noch so sehr herbei gewünscht hatte. Sie zügelte Storm und griff nach einer Wasserflasche, für deren Existenz Link gesorgt haben musste, als er die Pferde hatte satteln lassen. Nach ein paar gierigen Schlücken, sah sie zu ihrem Leibwächter hinüber, der ebenfalls das Tempo gedrosselt hatte, als Zelda langsamer geworden war. Wie immer behielt er die Umgebung mit der ihm so unvergleichlichen Aufmerksamkeit im Blick. Als würde er tausend Dinge gleichzeitig wahrnehmen, was wahrscheinlich nicht mal übertrieben war. Was hatte er einmal gesagt? Wenn er sich stark konzentrierte, dann schien es ihm, als würde die Zeit langsamer werden? Zelda seufzte. Sie wünschte, sie hätte ebenfalls ein wenig Kontrolle über ihr Zeitempfinden. Oder über ihr generelles Empfinden. Oder über irgendetwas. „Ich nehme an, du hast einen bestimmten Ort im Kopf“, begann sie und verstaute die Flasche wieder in der Satteltasche. „Verzeih, dass ich nicht eher danach gefragt habe.“ Link wandte ihr den Blick zu. Wie immer, wenn sie ihn plötzlich ansprach, war es, als müsste er erst einmal das richtige Maß an Energie abstecken, die er für ein Gespräch mit ihr von seiner Konzentration abzweigen konnte. Als würde er die Aufmerksamkeit neu verteilen und für einen kleinen Moment, war sie beinahe ausschließlich nur auf sie gerichtet. Sie hätte sich wohl daran gewöhnen sollen. Schließlich bedeutete es nichts. Aber Zelda konnte nicht anders, als ein wenig kurzatmig zu werden, wenn er sie auf diese Weise ansah. Törichtes Mädchen. „Also? Wo geht es hin?“ Es vergingen einige Atemzüge, bevor er antwortete. „An Orten mit besonders starker spiritueller Energie scheinen sie einfacher wachsen zu können“, sagte er und sah wieder nach vorne. „Die Quellen der großen Feen. In der Nähe der Zitadelle der Zeit.“ Er stockte kurz. „Die Quelle der Weisheit.“ Zelda runzelte die Stirn. An der Quelle der Weisheit wuchs Prinzesinnen Enzian? Auf einer verschneiten Bergspitze? Als Link allerdings nicht weitersprach, tat sie dieses Rätsel als bald lösbar zur Seite. Sie würde mal auf die Ranelle Spitze steigen, nicht wahr? Da würde sie es selbst sehen. „Und wo meinst du-“, begann Zelda, als Link nach einigem stillen Momenten immer noch nicht weiter ausgeführt hatte, an welchen Ort er für diesen Aussaatversuch gedacht hatte. Die Antwort flog ihr jedoch beinahe im selben Augenblick zu, als ihr Blick über die Landschaft schweifte. Rechts von ihnen erhoben sich die fernen Hebraberge und weiter vorne warfen andere Erhebungen ihre Silhouette. „Satori Berg“, raunte Zelda. Es war so einfach, so logisch, dass ein kleiner Teil in ihr über sich selbst den Kopf schüttelte. Darüber, dass es ihr nicht selbst eingefallen war. Ein kleines Lachen entfuhr ihr. Ein Geräusch, das mehr Schnaufen als Kichern war. Ein winziges Prusten mit ungläubiger Färbung. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Link ihr einen schnelle Blick zu warf. „Du warst schon einmal dort oben?“, fragte Zelda wenig später, wobei sie die Antwort darauf bereits kannte. War er nicht überall gewesen? „Nicht häufig“, sagte er ein wenig zögerlich,, was ihre Aufmerksamkeit weckte. Natürlich ging er nicht näher auf auf seine Gründe dafür ein. Zelda lächelte. „Ist dir der Aufstieg zu anstrengend?“ Link warf ihr einen sardonischen Blick zu und ihr Lächeln wurde noch breiter. „Die Aura dort hat mir immer das Gefühl gegeben, dass sie lieber ungestört bleiben will“, sagte er und stimmte Zelda damit nachdenklich. Doch Link schien ihre Gedanken zu lesen, bevor sie sich ganz in ihr ausgebreitete hatten. „Er wird eine Ausnahme für die Prinzessin machen. Und ihren Enzian.“ Zelda sah ihn von der Seite an. Die Stirn fragend gerunzelt. „Er?“ Für einen kurzen Moment neigte Link ebenfalls den Kopf und erwiderte ihren Blick. „Der Herr der Wildnis.“ Zelda sah wieder nach vorne. Natürlich hatte sie von ihm gehört. Dem Herren der Wildnis. Eine sanfte, starke spirituelle Entität die in Hyrule auftauchte und Geister um sich scharrte. Eine Schutzgottheit der Wildnis und der Natur. Dass diese Energie den Prinzessinnen Enzian beschützen und zum Wachsen bringen konnte, hatte Zelda verstanden, als Link ihr offenbart hatte, dass sie zum Satori Berg unterwegs waren. Aber Link Worte bedeuteten, dass die Legenden der Wahrheit entsprachen. Und der Herr der Wildnis mehr war als eine Aura, eine Energie. „Er ist … korporal?“, deduzierte Zelda unsicher und suchte erneut Links Blick. Er nickte und schickte ihr eines seiner kurzen Lächeln. „Sehr.“ Plötzliche Aufregung durchzuckte Zelda. Oh, das versprach wundervoll zu werden. Nicht nur, dass sie reife und keimfähige Samen des Prinzessinnen Enzians in ihrer Reichweite hatte und einen sicheren, vielversprechenden Ort für deren Aussaat. Sie würde die geheimnisvolle Energie des Satori Berges spüren und – Zelda traute sich kaum dem Gedanken Raum zu geben, so neu war er – den Herren der Wildnis sehen. Zumindest war das wahrscheinlich. Oder? „Werde ich ihn sehen?“, fragte sie einige Zeit später, nachdem sie einen nahen Stützpunkt des Militärs passiert hatten und der Weg begann sich abwärts zu schlängeln. Bald würden sie an den sonderbaren Felsformationen vorbeireiten, die aussahen wie kleine Pranger. Ein grusliger Anblick, weswegen Zelda den sonderbaren Ort auch nicht mochte. Doch von dort aus würden sie über die Jaad Brücke den Tamiond Fluss überqueren und damit beinahe am Fuße des Satori Berges angelangen. „Wenn du möchtest“, antwortete Link, dieses Mal deutlich amüsiert. Natürlich wusste er, dass der Gedanke dieses weitere Mysterium Hyrules zu durchdringen, sie unendlich begeisterte. Zelda seufzte, als das bekannte, süße Gefühl ihre Brust durchzog. „Dann werden wir die Nacht dort verbringen müssen“, unterbrach Link ihre Gedanken. „Er zeigte sich nur in der Dunkelheit.“ „Oh. In Ordnung.“ Es war bereits Nachmittag. Wirklich weit hätten sie es auch nicht geschafft, wenn sie den Berg erst erreichen, dann hinauf steigen und dann auch noch sichere Plätze für die Aussaat der Samen suchen mussten. Es war auch ohne den Herrn der Wildnis und dessen anscheinende Vorliebe für die Nacht die praktikabelste Lösung, ihr Nachtlager auf dem Berg aufzuschlagen. Zeldas Puls beschleunigte sich dennoch. Ein dumpfes Klopfen in den Gliedmaßen und an ihrem Hals, das mit jedem Schritt, den Storm unter ihr tat, stärker pochte. Es war nicht die erste Nacht, die sie außerhalb des Schlosses in Links Nähe verbrachte. An den Quellen war es schließlich auch nicht anders gewesen. Ohne Türen und Wände zwischen ihnen. Wieso fühlte es sich also dieses Mal so anders an? Kribblig. Aufregend. Unsicher. Sie versuchte sich innerlich zur Ordnung zu rufen. Das hier war kein romantisches Picknick. Das hier war wichtig! Der Prinzessinnen Enzian musste überleben. Ganz tief in ihrem Inneren wusste sie einfach, dass diese Blume wichtig für Hyrule war. Für die unsichtbaren Bande, die das Land mit der Göttin verknüpften, mit der Prinzessin als Mittelskraft. Wenn die Blume auf Zeldas Wacht ausstarb, was wäre das für ein Zeichen? Sie schüttelte sich. Sie wagte nicht mal daran zu denken.   Sie erreichten den Fuße des Berges gegen frühen Abend. Die Sonne hatte bereits ihren Weg des Untergangs zur Hälfte bestritten und das Licht war nicht mehr von goldener Wärme durchtränkt, sondern begann sich gräulich zu färben. Link schien es trotzdem nicht eilig zu haben. Zielgerichtet und gemächlich lenkte er seinen Hengst einen mit Gras überwachsenen Weg hinauf, der gerade so anstieg, dass sie nicht von den Pferden steigen würden müssten. Zumindest vorerst nicht. „Ab wann müssen wir selber gehen?“, fragte Zelda, als sie die leichte Steigung durch Storms kräftigen Körper spüren konnte und sich instinktiv nach vorn lehnte. Sie und ihre eigenen Beine würden um Mitternacht noch nicht am Gipfel angekommen sein. Link warf ihr einen kurzen Blick zu, bevor er antwortete. „Bis zu unserem Lagerplatz. Danach gehen wir zu Fuß weiter.“ Zelda nickte, obwohl er sie bereits nicht mehr ansah. Also würden sie nicht auf dem Gipfel ihr Lager aufschlagen. Link plante aber dennoch weiter hinauf zu gehen. Das war gut. Etwas zog Zelda den Berg hinauf. Eine Kraft oder Energie, irgendetwas, das sie in ihren Fingern und Zehen spüren konnte, wie ein unterschwelliges Summen. Etwas, das stärker wurde, je höher die Pferde sie die Steigung hinauf trugen. Ein Geräusch, das Zelda bereits aus der Ferne gehört hatte, lenkte ihren Blick zum Himmel. Krächzende Vogelstimmen, sich überlagernd und lauter werdend, je näher sie zum Berg gekommen waren. „Krähen“, murmelte Zelda, als sie verstand. Ganze Schwärme davon umkreisten die Spitze des Berges und wirbelten mit ihren Flügeln die Luft in der Nähe auf. „An diesem Ort gibt es vieles, das es hier eigentlich nicht geben dürfte“, sagte Link. Erstaunt, dass er sie überhaupt gehört hatte, wandte Zelda ihm den Kopf zu. Allerdings sah er weiterhin gerade aus. „Oder was überall sonst nur selten wächst.“ Zelda erhaschte einen kurzen Blick auf sein Gesicht, als der Weg ihre Pferde näher zusammen zwang. Der offensichtlich entspannte Ausdruck darauf, brachte sie zum Lächeln. Er klang äußerst zufrieden mit sich selbst. „Nun, das klingt vielversprechend“, antwortete sie und warf ihm einen amüsierten Blick zu. Allerdings war ihr Leibwächter zu sehr in seinem Element, um darauf zu reagieren.   Es war kein richtig angelegter Weg, auf dem sie ritten. Eher eine Art natürlich entstandener Hohlweg. Eine Senke zwischen den Steinen, die mit Gras überwachsen war und von der zu beiden Seiten Abzweigungen abgingen, die zu Flecken von Vegetation führten. Zelda sah Nadel- und Laubbäume. Roch den süßlich-säuerlichen Geruch von Äpfeln. Storm unter ihr begann mit jedem Schritt stärker zu schnaufen und mittlerweile musste sie sich beinahe über seinen Hals beugen, um nicht nach hinten geschaukelt zu werden. Ermutigend kraulte Zelda ihm die Mähne. „Wie weit ist es noch?“, fragte sie in einem Anflug aus Mitgefühl und strich Storm erneut über den Hals. Inzwischen waren sie so weit oben, dass Zelda den nicht weit entfernt gelegenen Park mit seinem hübschen Springbrunnnen sehen konnte. „Nicht weit“, war die hilfreiche Antwort ihres Leibwächters. „Weiter oben gibt es eine kleine Lichtung an einer kleinen Quelle.“ Zelda sah wie Link die Richtung mit einem Nicken anzeigte. „Klingt schön.“ „Ist es auch“, bestätigte er und warf ihr einen seiner kurzen Kontrollblicke zu. Die schnellen Bestandsaufnahmen, der er sie schon unterzogen hatte, als sie ihn zum Kuckuck gewünscht hatte. Und Zelda wusste, dass es nur seine Aufgabe war. Er war ihr Leibwächter. Der ihr zugewiesene Ritter. Aber sie konnte nicht anders, als sich unter diesen Blicken sicher zu fühlen. Warm und geborgen.   Link behielt Recht. Es war tatsächlich nicht mehr weit. Nicht, dass Zelda an ihm gezweifelt hätte. Allerdings war es keine Quelle, die sich vor ihren Augen auftat, als er seinen Hengst wenig später zügelte und ihr bedeutete abzusteigen. Zelda folgte seinen Anweisungen, allerdings sehr viel langsamer als Link. Sobald dessen Füße den Boden berührten, offenbarte er das so bekannte Bild geschäftiger Effizienz. Er schnallte das Gepäck von ihren Pferden und hob die Sättel von ihren Rücken, bevor Zelda es ganz geschafft hatte, das königliche Geschirr von Storm zu lösen. Zelda folgte ihm, als er einen gezielten Haken nach Rechts schlug und an Büschen und Steinen vorbei zwischen zwei Felsen verschwand. Mit gerunzelter Stirn trat sie in die schattige Halbhöhle, die die natürlichen Steinmauern bildeten, die hoch neben ihr aufragten. Ein Blick nach oben sagte ihr, dass die Felsen sich nicht trafen, sondern einen kleinen Spalt zwischen ihnen frei ließ. Der Anblick erinnerte sie an die Zwillingsberge, nur in viel kleinerem Maßstab. „Ich denke nicht, dass es heute regnen wird“, meinte Link, der die Sättel bereits mit den Knäufen nach unten auf den Boden gestellt hatte. Er hatte ihren Blick missgedeutet. „Nein, ich-“, begann Zelda, unterbrach sich aber, als ihr die Feuerstelle auffiel, die sich genau in der Mitte der kleinen Felsschlucht befand. Vorbei war der Drang Link zu erklären, dass sie nicht daran gedacht hatte, nass zu werden, sondern nur dieses natürlich schützende Fleckchen Erde bewundert hatte. Jetzt war sie nicht länger verwundert, sondern neugierig. „Ist das dein Kochtopf?“, fragte sie mit schräg gelegtem Kopf, während sie näher an besagten gusseisernen Vierbeiner herantrat, unter dessen Vertiefung alte Asche von nicht allzu lang vergangener Benutzung zeugte. Es würde zu ihm passen, an mehreren geeigneten Plätzen in ganz Hyrule geheime, kleine Lagerplätze errichtet zu haben. Aber Link schüttelte den Kopf und bückte sich, um in den Tiefen seines Gepäcks herum zu wühlen. Zelda hatte kaum mehr Zeit, als vage zu erkennen, dass er etwas Helles aus Stoff daraus hervorzog, bevor er es ihr auch schon in die Hand drückte. „Hier.“ Reflexartig griff Zelda danach. Vergessen die Frage, wer für die Installation eines Kochtopfes an diesem Ort verantwortlich war. „Oben auf dem Gipfel ist es kalt.“ „Was ist das?“, fragte sie beinahe gleichzeitig, ohne tatsächliche Absicht die Antwort abzuwarten. Keinen Augenblick später hob sie das Kleidungsstück hoch und erkannte, was ihre Finger beinahe sofort begriffen hatten. Warm und flauschig und leicht, eine Jacke gefüllt mit warmen Daunenfedern. Nicht irgendeine Daunen gefüllte Jacke. Es war Links Jacke. So viel versicherte ihr der köstliche Geruch der dem Kleidungsstück anhaftete. Sie warf Link einen überraschten Blick zu. „Alternativ kann ich dir auch einen Trank anbieten.“ Er ruckte mit den Schultern und ein kleines Lächeln bewegte seine Lippen. „Aber ich weiß ja, wie du die magst.“ Zelda antwortete nicht. Sie war zu sehr damit zu beschäftigt, ihr wild pochendes Herz niederzuringen. Einen Kampf, den sie natürlich verlor, aber dennoch nicht scheuen durfte. Mit welcher Selbstverständlichkeit er sie in seine Kleidung hüllte. In etwas, das er am Leib getragen hatte. Das nach ihm duftete. Tief und heimatlich und würzig. Männlich. Link. Zelda schluckte und drehte sich um. Willte die gewaltige Röte hinab, die ihr kochend heiß in die Wangen stieg und ihren ganzen Oberkörper in Flammen zu stecken schien. Ein kleines hysterischen Lachen blubberte in ihr auf, doch es gelang ihr, es zu unterdrücken. Wer hätte gedacht, dass Links Versuch sie zu wärmen, so effektiv sein würde. Sie konnte spüren, wie kleine Schweißperlen unter der schweren Masse ihres Haares auf ihrem Nacken erblühten. Hitze durchlief in heißen Wellen ihren Körper. Zelda war so weit davon zu frieren, wie man nur sein konnte. Eher war sie kurz davor, sich mit der Hand Luft zu zu fächeln. „Danke“, quetschte sie stattdessen aus ihrer eng gewordenen Kehle hervor, beruhigt, dass ihre Stimme nur halb so zittrig klang, wie sie sich fühlte. Sie ging einige Schritte zurück zu der Stelle, an der sie Pferde zurückgelassen hatten. Sie waren nicht weit gelaufen und grasten friedlich. Sie vermutete, dass von den Pferden keine Flucht zu befürchten war. Link hätte sie sonst niemals so selbstverständlich frei gelassen. Vermutlich würde sich jedes Pferd auch eher selbst verletzten, als von Links Seite zu weichen. Zelda tat ein paar tiefe, unbedingt notwendige Atemzüge. Es half ein wenig gegen die unverhältnismäßig törichte Reaktion ihres Körpers. Ein wenig versunken in dem Versuch andere, weniger närrische Gedanken in sich aufkommen zu lassen, stierte sie auf die Schönheit dieses Ortes. Nicht allein die Geographie des Berges, sondern vor allem die unterschwellige Energie hier war es, die das Gefühl von etwas Besonderem, etwas Heiligem heraufbeschworen. Die wechselnde Vegetation war dabei wohl eher Konsequenz als Ursache. Und die Geräusche der Tiere umschwirrten den Berg in einer einmaligen Kulisse. Es war schön hier. Und Zelda war froh, dass sie die Möglichkeit hatten, diese Ecke Hyrules so lebendig und nah zu erleben. Nicht nur aus der Ferne betrachten zu können, wie es bisher bei ihren flüchtigen Stopps im Sanidin Park möglich gewesen war. Hinter sich hörte sie Link die vertrauten Geräusche machen, die davon kündeten, dass er ihr Lager aufschlug. Holz, das zu einem Feuer aufgeschichtet wurde. Steine, die aneinander schlugen, als er das Feuer mit ihnen umrandete. Das Flattern von Decken, als er die Matten und Decken auf dem Boden zurecht legte, die Zeldas Bettstatt für die Nacht sein sollten, sowie eine wärmende Unterlage für seine eigene Wache. Kochgeschirr, das leise klapperte, als er es aus den Weiten seiner Tasche hervorzog. Wie Link sich in der magisch vergrößerten Untiefe seines Gepäcks zurecht fand, war Zelda ein Rätsel. Jedoch war der Gedanke ablenkend genug, sodass sie sich ein klein wenig normaler fühlte, als sie sich darauf konzentrierte. Auf der Unterlippe kauend, drehte sie sich wieder herum und betrat erneut das natürliche entstandene Felsenzelt. Wie erwartet war der steinige Untergrund auf dem Link ihr Lager errichtet hatte wie verändert. Gemütlich wirkte das ebenerdige Bett aus Decken und Fellen und beinahe freute sich Zelda bei diesem Anblick auf die Nacht. Kalt würde sie zumindest nicht werden. Schon allein, weil sie nicht vor dem Schlafen in einer kalten Quelle stehen würde. Allerdings, wo waren die Felle hergekommen? An ihrem Sattel waren diese ganz bestimmt nicht festgeschnallt gewesen. Mit einer fragend hochgezogenen Augenbraue trat Zelda näher an das noch unentzündete Feuer heran. Schluckte um den immer noch heftig pochenden Puls herum, der bis in die Kehle hinauf zu schlagen schien und räusperte sich. Link sah bei dem Geräusch von seiner knienden Position zu ihr auf. Für einen Moment trafen sich ihre Blicke. Im schwindenden Tageslicht und beschattet von dem hohen Felsen wirkten seine Augen dunkel wie graue Regenwolken. Mysteriös inmitten der golden schimmernden Seide seiner Haut. Rauchig unter den licht geschwungenen Brauen. „Du rechnest also mit einem nächtlichen Blizzard?“, fragte sie und neigte den Kopf in Richtung des heimeligen Bettes, das er ihr bereitet hatte. Link folgte ihrem Blick. Dann schickte er ihr ein kurzes Lächeln hinauf. Ein kleines Zucken seiner Mundwinkel. „Es wird kalt hier“, antwortete er und fuhr fort, Zutaten für das Abendessen aus seiner Tasche zu ziehen. Zelda sah allerlei Pilze und Gewürze und ein in Ölpapier gewickeltes Stück Fleisch. „Außerdem sorgt das Wasser für eine höhere Luftfeuchtigkeit.“ Er begann den Kessel mit alter Asche und einigen effizienten Bewegungen zu säubern. „Noch mehr Kälte. Deswegen die Felle.“ „Hm“, machte Zelda, ein undefinierbares Geräusch, das nicht wirkliche eine Antwort war, sondern eher amüsierte Verwirrung ausdrückte. „Schon wieder sprichst du von Wasser“, sagte sie und sah sich gespielt aufmerksam um. „Ich sehe nur keins.“ Zelda meinte ein belustigtes Geräusch zu hören, ein kleines Lachen vielleicht. Ein dunkles Glucksen. Link deutete ohne sich umzusehen mit dem Kopf hinter sich, in Richtung des Berges. „Ich meine auf dem Gipfel. Die Quelle an der sein Geist sich meistens aufhält.“ Kurz sah er zu ihr auf, bevor er begann, mit einem Messer Gemüse in den Topf zu schneiden. „Wenn wir dort hingehen, wird es dort kalt sein. Und hier auch.“ „Wundervoll“, murmelte Zelda und presste das Gewand an ihre Brust. Ihr Blick war wieder an der Bettstand hängen geblieben. Dort zu schlafen machte sie nervöser, als es in allen Nächten zuvor der Fall gewesen war. Die hatte Zelda nämlich nur halb bei Bewusstsein miterlebt. Und die achtsamen, galanten Vorbereitungen die Link unterlief, um für ihre nächtliche Bequemlichkeit zu sorgen, hatte sie auch nie wirklich beobachtet. Für gewöhnlich stand sie zu diesem Zeitpunkt bereits hüfttief im Wasser und rang mit der Göttin und dem Schicksal. Diese offensichtliche Fürsorglichkeit, die Wertschätzung und Voraussicht, stellte ganz neue kribbelige, warme Dinge mit Zeldas Gefühlen an. Sie fühlte sich sicher und geschätzt. Über alle Maßen geborgen. Geliebt. Dieses ungewollte Flüstern einer unbewussten Stimme in ihrem Kopf, ließ Zelda erschrocken zusammenzucken. Ihr ganzer Körper spannte sich an, geistig wie physisch. Komm nicht auf dumme Gedanken. Fang bloß nicht damit an, dir etwas einzubilden. Hör auf, sein Pflichtbewusstsein fehlzuinterpretieren. Es war mehr als gefährlich. Sie zwang sich, ihre Hände aus den Fäusten zu lösen, zu denen sie sich unbewusst geballt hatten. Streckte ihre Finger durch pure Willenskraft. Zelda fühlte es als ein Zug an ihren Organen. Stark und beinahe schmerzhaft. So langsam müsste sie sich daran gewöhnen. Daran, dass dieses Namenlose in ihrem Inneren sich bewegte, sich streckte und hüpfte, wenn Link etwas tat, das sie aufwühlte. Für den Moment schien es Zelda, als wären sie nicht nur die einzigen zwei Seelen auf diesem Berg, sondern im ganzen Land. Auf der ganzen Welt. Sie unterdrückte den Impuls, die Augen über sich selbst zu rollen. Seufzend faltete Zelda schließlich den Wams auseinander, den sie die ganze Zeit über mit ihren Armen an die Brust geklammert hatte. Der tröstlich maskuline Duft der davon ausging, umhüllte sie noch stärker, als sie das Kleidungsstück ausschüttelte und hineinschlüpfte. Weich und unglaublich warm schmiegte sich der mit Orni Daunen gefütterte Stoff an ihr eigenes Gewand. Kurz war ihr, als würde der Geruch sie benebeln, sie ein wenig auf den Füßen wanken lassen und ihr Sichtfeld einschränken. Dann beruhigte sich ihr wild schlagendes Herz mit dumpfem Pochen, lullte sie in einen tieferen, weniger hektischen, aber dafür stärkeren Rhythmus, der ihren ganzen Körper mit jedem Schlag ins Schaukeln zu bringen schien. Die Aromen der Mahlzeit die Link zu kochen begonnen hatte, stiegen Zelda in die Nase und vertieften das außerzeitliche, heimelige Gefühl und für einen Moment fühlte sie sich einfach nur warm. Als würden innerhalb dieses steinigen Zufluchtsortes keine Probleme existieren. Langsam tat Zelda ein paar Schritte auf die temporäre Bettstatt zu, die Link ihr am Boden, wenig entfernt vom Feuer errichtet hatte und ließ sich darauf nieder. Sie sprachen kaum, während sie Link dabei zu sah, wie er im Kessel rührte und sporadisch Gewürze oder Zutaten hinzugab. Zelda fühlte sich ein wenig benommen, beinahe so, als hätte sie zu viel von dem schweren Rotwein getrunken, der bei Festessen im Schloss gereicht wurde und den man für sie immer mit Wasser abmilderte. Es fühlte sich an, als sei kaum Zeit vergangen, als Link nach den irdenen Schüsseln griff und dampfenden Eintopf hinein schöpfte. Allerdings musste Zeldas Zeitgefühl mal wieder verrückt spielen, denn mittlerweile war die Nacht vollkommen über sie hereingebrochen. Sie hörte es an den Geräuschen um sie herum. Dem stärker gewordenen Wind und den fehlenden Krächzen der Krähen. Grillen zirpten irgendwo in der Nähe, aber auch die würden bald ihre Aktivität einstellen. Link reichte ihr eine Schüssel. Schon allein der Duft wärmte sie von innen und kitzelte prickelnd auf ihrer Zunge. Sie hatte schon vor einer Weile aufgehört, wegen Links aufopferungsvoller Tätigkeit als ihr Feldkoch ein schlechtes Gewissen zu empfinden. Mittlerweile wusste sie, dass er es vor allem für sich selbst tat. Er brauchte herzhafte, energiereiche Mahlzeiten. Sonst würde er den Tribut, der seinem Körper abgefordert wurde, nicht aufbringen können. Die langen Nächte ohne Schlaf. Die ständige geistige und körperliche Wachsamkeit. Nahrung war der Brennstoff für seine hervorragenden Fähigkeiten. Und aus seinen Erzählungen wusste Zelda, dass er es nicht anders tat, wenn er allein reiste. „Danke“, sagte sie und nahm die Schüssel entgegen. Dabei berührten sich kurz ihre Fingerspitzen. Ein Kontakt, der hundert Mal mehr für die Hitze verantwortlich war, die ihre Arme hinauf raste, als die heiße Tonschüssel selbst. „Das riecht wunderbar“, beeilte sich Zelda zu komplementieren, um den aufgeladenen Moment zu überbrücken. Link antwortete mit einem unverbindlichen Geräusch, bereits vollkommen darin vertieft, in Rekordgeschwindigkeit Eintopf aus der Schüssel zu löffeln. Mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen begann Zelda zu essen. Sie hatte Recht. Natürlich schmeckte es eben so wunderbar wie es roch. Herzhaft und nährend und nicht nur wegen der Zutaten allein. Als ihr Bauch angenehm gefüllt und ihr Körper sich warm und schwer anfühlte, hatte Link bereits drei Schüsseln geleert und war dabei den Inhalt der vierten zu verschlingen. Zeldas amüsiertes Kopfschütteln quittierte er nur mit einem Schulterzucken. „Wird es denn auch reichen?“, fragte sie mit offensichtlicher Ironie in der Stimme, begleitete den belustigten Kommentar allerdings mit einem Lächeln. Link antwortete mit einem sardonischen Blick, was Zeldas Lächeln nur verstärkte. Sie fühlte sich zu träge, um auch nur zu versuchen ihm dabei zu helfen, wie er ihre Schüsseln und den Kessel mit Wasser und frischer Asche reinigte. Ihre aufgestellten Knie mit beiden Armen umschlungen, beobachtete sie seine effizienten, automatisierten Bewegungen, die von jahrelanger Wiederholung sprachen. Wie immer hätte sie Stunden damit verbringen können, ihn einfach nur anzusehen. Schon immer hatte sie seine Art sich zu bewegen fasziniert. Es als elegant zu beschreiben, hätte nicht funktioniert. Es war mehr als das. Ökonomisch traf es auch nicht, obwohl es genau das war. So wenig Bewegung wie möglich und die waren präzise und die Kraft dahinter, umschimmerte ihn dabei wie ein beinahe sichtbares Luftflimmern. Fluide, aber nicht fließend wie ein Tanz. Entschlossen, zielstrebig, unbeirrt. Beständig und sicher. Gelassen und ungezwungen. Von einer inneren Leichtigkeit bestimmt die deutlich machte, dass er ganz genau wusste, wo sein Platz im Leben war. Kein Wunder, dass es Zelda so unendlich faszinierte. Aber Link hatte diesen Effekt auf viele. Unabhängig von Alter und Geschlecht. Selbst der König war von Anfang an von ihm angetan gewesen. Und doch war es all das, was darunter existierte, das Zelda nachhaltig und absolut ohne Hoffnung auf Befreiung gebannt hatte. Die flüchtigen Blicke auf das urinnere Wesen das dahinter schlummerte. So selten und kurz sie auch waren. Das warme, gute Herz. Der schelmische Humor. Die Unerschütterlichkeit. All die kleinen Besonderheiten die ihn ausmachten und die er so selten zeigte. Und selbst, wenn Zelda all das sortieren und aufzählen konnte, hätte sie nur an der Oberfläche dessen gekratzt, was ihre Gefühle für ihn ausmachten. Sie hätte ihn ohne all das geliebt und liebte ihn gerade deswegen. Es war so viel mehr als das Greifbare. Selbst nach so viel Denken und so vielen Versuchen es sich zu erklären, war Zelda nicht mal ansatzweise dazu in der Lage, es zu beschreiben. „Bist du bereit?“, durchbrach Link ihr Sinnieren. Überrascht blinzelte sie und sah auf. Er hatte sich bereits erhoben und hielt einen armlangen Stock in der Hand, um den an der Spitze ein Stück Tuch geschlungen war. Eine Fackel, wie Zelda vermutete. So tief aus ihren Gedanken geholt, brauchte sie einen Moment, um zu antworten. Sie nickte erst stumm und strich sich dann mit den Händen über Augen und Haar. „Ja“, sagte sie schließlich und stand auf. Sie klopfte sich ein wenig Asche und Staub von Oberschenkeln und Ärmeln und räusperte sich leise. Aufregung züngelte sanft in ihr empor, als ihr der Grund für ihr Hiersein wieder bewusst wurde. Der Herr der Wildnis. Die Samen des Prinzessinnenenzians. „Bereit.“ Link schob einige dicke Holzscheite in das Feuer und entzündete die Fackel. „Dann los“, sagte er und wandte sich in Richtung Bergspitze.   Die Pferde begrüßten sie mit einem sanften Schnauben, als sie an ihnen vorbei gingen. Link griff mit der Rechten in seine Tasche und beförderte einen Apfel für je Storm und seinen Hengst daraus hervor. Er kraulte dem Braunen die Ohren und murmelte einige Worte, die Zelda nicht verstehen konnte, die ihr aber dennoch heiße Röte in die Wangen schickte. Die Szene wirkte so intim und vertraut, dass sie einfach nicht anders konnte, als sich abzuwenden. Unerwünschte und beschämende Eifersucht vermischten sich mit einem so akuten Sehnen, dass ihre Kehle ganz trocken wurde. Nicht zum ersten Mal an diesem Abend, war Zelda von sich selbst genervt. Wer war schon eifersüchtig auf ein Pferd? Anscheinend sie selbst. Sie wünschte sich diese Art von Aufmerksamkeit. Von Nähe. Zärtliche Worte und Berührungen. Und es war ärgerlich. Ihr Gefahr und Ungewissheit. Es war so viel anderes so viel wichtiger. Dennoch gelang es ihr einfach nicht, all die albernen Reaktionen, die Wünsche und Gefühle zu unterdrücken. Die jahrelang angeeignete Disziplin erlaubte es ihr nur, all das ein wenig in Schach zu halten. Zelda atmete tief aus, um die innerliche Gereiztheit und Ungeduld mit sich selbst wieder loszuwerden. Gerade rechtzeitig, denn Links leise Schritte scharrten hinter ihr über den felsigen Untergrund und zeugten davon, dass er begann den Weg zum Gipfel wieder voran zuführen. Zelda machte einen Schritt nach vorne, allerdings waren ihre Augen an das warme Licht von Feuer und Fackeln gewöhnt und sie konnte in der Dunkelheit kaum etwas ausmachen. Unsicher blieb sie stehen. „Siehst du das?“, fragte Link keine drei Atemzüge später, als der Lichtkegel der Fackel den Pfad vor Zeldas Füßen wieder erhellte. Aus dem Augenwinkel sah sie, dass er den Blick geradeaus gerichtet hatte, nach oben, zur Bergspitze hinauf. Zeldas Augen folgten ihm. Und wirklich. Wie hätte sie das nicht sehen können? Blaues Licht strahlte in wabernden Schwaden in den Nachthimmel hinauf. Beinahe grünlich, mit Effekten von Weiß und Silber war es seltsam und mysteriös, geheimnisvoll und anziehend zugleich. Zelda musste nicht fragen, was es war. Oder was es auslöste. Es war seltsam, doch der Anblick überraschte sie nicht. Es war die Ruhe, die sie irritierte. Außer dem Wind war es so still, dass es beinahe unheimlich war. Ein so helles Licht, das so tief in ihrem Inneren etwas anrührte, das ihr fremd und vertraut zu gleich war, sollte mit einem unterschwelligen Dröhnen einher gehen. Mit einem Vibrieren oder Schwingen in der Luft. Doch nichts dergleichen. Es blieb stumm. Mit einem Zittern atmete Zelda aus. „Es ist-“, begann sie, brach dann aber ab, weil sie nicht wusste, was sie sagten wollte. War es schön? War es unheimlich? „Ich weiß“, antwortete Link und setzte sich in Bewegung. Zelda folgte ihm, den Blick immer noch auf den Strahl seltsamen Lichts gerichtet. Und es fühlte sich tatsächlich so an, als wüsste Link, was sie meinte, auch wenn sie es selbst nicht so ganz wusste. Nicht das erste Mal teilten sie diese Art unausgesprochenes Verständnis. Sanfte Zufriedenheit erfüllte Zelda und ein kleines Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht, während sie weiter schweigend Schritt für Schritt Links Fackel folgte. Der Weg war nicht besonders weit. Dennoch war es ungewohnt im Dunkeln einen Weg zu laufen, den sie nicht kannte. Der Pfad war wie weiter unten von Gras überwachsen und relativ eben, trotzdem stolperte Zelda mehr als einmal, da sie den Blick einfach nicht von der Bergspitze abwenden konnte. Der Weg führte sie kurz um eine abschüssige Kurve, sonst die meiste Zeit über direkt nach oben. Kalte Luft ließ Zeldas Lungen nach kurzer Zeit brennen und Link brachte sie mehrere Male dazu stehen zu bleiben, damit sich ihr Atem beruhigen konnte. Es war vorausschauend. Denn so würde sie, was auch immer da oben auf sie warten würde, nicht mit dem lauten Schnaufen ihres Atems verjagen. Link gab ihr nur eine kleine Vorwarnung. Bevor sie über einen besonders steilen Abschnitt hinüber waren, hob er kurz die Hand und deutete nach vorne. Absolut stumm. Zelda wagte kaum zu atmen. Und dann, als sie die Steigung noch nicht einmal ganz überwunden hatte, sah sie es. Glitzerndes Wasser. Zarte Farben. Schimmernde Lichter. Dutzende kleine Wesen. Zauberhaft in ihrer Andersartigkeit. Und unter dem riesigen, uralten Kirschbaum, inmitten malerisch fallender Blätter, das majestätischste Wesen das sie je gesehen hatte. Ein Hirsch und doch wieder nicht. Menschlich und intelligent. Weise. Friedlich. Mächtig. Ehrfurcht ergriff Zelda. Sie hätte sich nicht rühren können, selbst wenn sie es gewagt hätte. Und wagen wollte sie es nicht. Ein unwirkliche Ruhe herrschte hier. Ein Ort der nicht von dieser Welt, nicht von dieser Zeit war und dennoch beides mit ihnen teilte. Zeldas Atem kräuselte sich weiß vor ihren Lippen. Kaum zu sehen inmitten des plötzlich aufgekommenen Nebels. Kein richtiger Nebel. Eher das plötzlich nun mehr matt wirkende Licht, das von diesem Ort ausging. Das von den silbrig schimmernden Wesen ausging, die die spiegelglatte Oberfläche der Quelle umringten. Ergriffen starrte sie. Erstarrt in jeglichem Denken und Fühlen. Ergriff und tief bewegt.   Der Herr der Wildnis.   Umringt von gekrönten Wesen, die Zelda vorher nur aus Geschichten und Büchern kannte.   Rumis. Geschöpfe die Glück und Reichtum brachten.   Link hatte sich ebenfalls nicht bewegt. Sie spürte seine Präsenz neben sich, ebenso die absolute Reglosigkeit, die es ihr leichter machte, ebenfalls Ruhe zu bewahren. Nicht die Augen weit aufzureißen und schneller zu atmen. Auf und ab zu springen wie ein junger Hirsch. Einziges Zugeständnis an ihre eigene Lebendigkeit, waren das unterdrückte Heben und Senken ihrer Brust und das Zwinkern ihrer Lider, das sie leider nicht unterbinden konnte. Zelda wusste nicht, wie lange sie so da standen. Irgendwie wusste sie, dass der Herr der Wildnis ihre Anwesenheit bemerkt hatte. Sie duldete, so lange keine Gefahr von ihnen ausging oder sie die Ruhe dieses Ortes störten. Zelda würde sich eher die eigene Zunge abbeißen, als das zu tun. Irgendwann jedoch spürte sie Kälte in ihre Glieder kriechen, nachdem die erste Aufregung und die Unwirklichkeit dieser besonderen Begegnung abgeklungen waren. Plötzlich spürte sie jähe Dankbarkeit für Links Vorbereitung in sich aufwallen. Das Feuer, die Mahlzeit, der wärmende Wams. Ohne all das hätte sie nun wahrscheinlich erbärmlich gefroren. Langsam wandte sie den Kopf in seine Richtung, um zumindest seinen Blick zu suchen, doch im selben Moment fühlte sie, wie er ihre Hand nahm. Zum zweiten Mal froren all ihre Bewegungen vollkommen ein. Dieses Mal wagte sie es tatsächlich nicht einmal zu atmen. Ihre Augen begannen zu tränen, als kalter Wind über ihr Gesicht wehte, aber der instinktive Impuls die Lider zu schließen, ausblieb. Sie spürte wie seine Finger an ihrem Unterarm entlang fuhren. Ihr Handgelenk streiften und schließlich ihre Hand so drehte, dass die Fläche nach oben zeigte. War ihr gerade noch kalt gewesen? Es schien so abwegig, so weit weg, dass ihr Körper jemals wieder nichts anderes als brennende Hitze fühlen konnte. Flammen züngelten ihren Arm empor, sammelten sich in ihrer Brust zu einem lodernden Inferno und entzündeten alle nur erdenklichen Arten von Emotionen. Reaktionen. Schweiß perlte in ihren Nacken. Ein dumpf schlagender Puls begann in ihren Kniekehlen zu pochen. In ihrem Bauch. Ihrem Hals. Dann strich Link mit seiner Hand ihre Finger auseinander. Sanft und behutsam, kaum zu spüren, wären Zeldas Sinne nicht mit jedem bebenden Atemzug mehr an genau diesen Ort in ihrem Körper geflossen. Geruch, Geschmack, Tastsinn. Beinahe war es, als würden ihre Finger sehen können. Erst als er seine andere Hand hob und daraus mehrere kleine, beinahe nicht erkennbare Samenkörner in ihre nun geöffnete Handfläche fallen ließ, wurde Zelda klar, dass ihr Denken für einen Moment vollkommen ausgesetzt hatte. Sie hatte sich nicht gefragt, wieso er ihre Hand genommen hatte. Gezählt hatte nur, dass er es tat. Und wie es sich anfühlte. Und das laute Ja, das sie mit jeder stummen Faser ihres Körpers geschrien hatte. Ja. Ja. Ja! Und, mehr davon!   Und jetzt verstand sie. Sie erinnerte sich. Sie waren hier, um die Samen des Prinzesinnen Enzians zu verteilen. In der Hoffnung, dass sie an diesem besonderen, diesem behüteten Ort aufgehen und erblühen würden. Und Link hatte ihr die Samen geben wollen, ohne dass sie ein Wort sprechen mussten. Zelda schluckte. Versuchte das plötzlich aufgekommene Zittern ihrer Hand zu unterdrücken. Mit wenig Erfolg. Es setzte sich ihren Arm hinauf fort, bis ihr ganzer Körper bebte. Link bedachte sie mit einem fragenden Blick, dem Zelda gern ausgewichen wäre. Stattdessen sah sie ihm fest in die Augen und schloss mit einem schnellen, geräuschlosen Schnappen ihre Hand über dem kleinen, kostbaren Schatz. Dann rieb sie sich in übertriebener Pantomime über die Arme. Gab ihm stumm eine logische und dennoch absolut unwahre Erklärung. „Kalt“, formte sie stumm das Wort mit ihren Lippen. Bevor Link ihr ritterlich eine Lösung für das nicht vorhandene Problem suchen konnte, deutete sie mit dem Kopf an, dass sie sich vorwärts zu bewegen gedacht. Link nickte und deutete mit zwei Fingern nach oben. In Richtung der Spitze des Berges, die über die groß über ihnen aufragende Felsen nur kletternd zu erreichen wäre. Kurz runzelte Zelda die Stirn, während der Nachhall ihrer übermäßig starken Reaktion auf seine Berührung immer noch durch ihr Blut zirkulierte und ihr das Denken erschwerte. Trotzdem nickte sie. Sofort wandte er sich ab. Blitzschnell und dennoch absolut still in seinen Bewegungen. Link hatte den Felsen bereits einige Meter in die Höhe erklommen, da ging Zelda ein Licht auf. Er wollte die Samen von der Spitze des Berges in den Wind streuen. Auf diese Art müssten sie keinen Ort für die Aussaat suchen, sondern der Magie dieses Ortes die Wahl überlassen. Nun, es war eine gute Idee. Es dauerte einen Moment seiner Abwesenheit, bis sich Zelda genügend gefangen hatte, um ernsthaft den Plan zu verfolgen. Wirklich, das wurde immer lächerlicher. Sie wurde immer lächerlicher. Und dabei hatte sie doch gerade noch innerlich dafür beglückwünscht, dass sie sich in seiner Nähe mittlerweile ein wenig besser unter Kontrolle hatte. Vielleicht war es die Plötzlichkeit gewesen. Außerdem war sie vom Anblick des Herrn der Wildnis vollkommen abgelenkt gewesen. Mit einem mentalen Ruck zog Zelda ihren Geist aus dieser Sackgasse heraus. Sie musste sich auf den Moment konzentrieren. Nicht auf die deplatzierte Reaktionen des liebeshungrigen kleinen Mädchens in ihrem Inneren. Dafür wäre später Zeit. Wenn es das überhaupt Wert war. Entschloss setzte sich Zelda in Bewegung. Langsam. Beinahe in Zeitlupe begann sie seitwärts zu laufen. Steuerte die Mitte des Plateaus an, von dem aus die Felsen in den Himmel ragten. Von dieser leicht erhöhten Position erhoffte sich Zelda einen Überblick. Vielleicht würde ihr der ein oder andere Fleck besonders ins Auge fallen. Sie anziehen und zu ihr sprechen. Denn sie wusste, hier, genau hier, in der Nähe der Quelle und des uralten, wunderschönen Baumes, würde sie einen Samen in die Erde setzen. Ihr war nur noch nicht klar wo. Sie konnte Link nicht mehr sehen, als sie schließlich an ihrem Ziel ankam. Er war bereits zu hoch nach oben geklettert. Stattdessen entdeckte sie, dass auch hier wieder nicht ein einzelner Felsen die Spitze bildete, sondern sich dazwischen ein Spalt auftat, ähnlich dem, den sie weiter unten gerade als Lagerplatz nutzten. Ein Weg tat sich weit nach hinten gähnend auf, durch den der Nachtwind hindurch pfiff und die losen Strähnen ihres Haars aufwirbelte. Erneut ließ sich Zelda von der majestätisch silbrigen Schönheit ergreifen. Langsam saugte sie die Details des Ortes in sich auf. Atmete die Kälte und die Anmut ein, ließ die Schauer zu, die sich ihr über Nacken und Rücken ergossen. Sie spürte die tiefen Wurzeln, die von hier aus in das ganze Land zogen. Fühlte die Kraft, die von hier aus ging. Heiliger Boden. Und doch so anders, als es sich in der Zitadelle der Zeit oder an den Quellen der Kraft und des Mutes anfühlte. Hier herrschte eine andere Macht. Eine wildere Macht, die einzig und allein dem Land und dem Leben diente. Die keine Gebete brauchte und keine Statuen. Keine Völker und Könige. Keine Prinzessinnen. Aber die Göttin durchflocht auch diesen Ort. Zelda konnte es spüren. Und sie konnte spüren, dass sie willkommen war. Freude und Demut schossen ihr ins Herz und ließen erstmalig an diesem Tag wirkliche, wahrhaftige Ruhe zu. Langsam machte Zelda einen Schritt nach vorne. Dann noch einen. Das große, mächtige Geschöpf wandte ihr seinen majestätischen Kopf zu. Musterte sie aus seinen vielen Augen.   Ich bin nicht hier, um für mich zu bitten. Ich bitte dich um Zuflucht. Um deinen Segen. Für das Land und seine vielen zarten Bewohner. Für eines deiner Kinder. Das deinen Schutz braucht. Da ich nicht weiß, wie ich ihn geben kann.   Nie hatte sie ein solches Gebet geführt. Ein Gebet, bei dem sie wusste, wen sie ansprach. Bei dem sie spürte, dass es wirklich gehört würde. Bei dem sie wusste, dass es nicht nötig gewesen wäre. Zart stellten sich die feinen Härchen auf ihren Armen auf. Ein Schauer kroch über ihren Rücken, aber Zelda zwang sich, das Schütteln ihres Körpers zu unterdrücken. Sie machte noch einen Schritt. Und noch einen. Dann wandte der Herr der Wildnis seinen Blick ab. Zelda entwich Luft, von der sie nicht gewusst hatte, dass sie sie zurück hielt. Wenn sie vorher geduldet worden war, so war sie jetzt willkommen. Sie spürte es in jeder Faser ihres Seins. Vorher hatten die kleinen, silbrigen Geschöpfe hektisch aufgesehen, wenn sie sich bewegt hatte. Hatten bei ihrem Herren um Antwort ersucht oder waren im Nichts verschwunden. Jetzt duckten sie ihre Köpfe und schienen sie kaum noch wahrzunehmen. Tiefer Frieden erfüllte Zelda.   Danke.   Wie von selbst hoben sich ihre Hände. Bot die kostbaren Samen in der Schale die ihre Handflächen bildeten, dem Schicksal dar. Dann erhob sich der Wind. Eine plötzlich aufkommende, starke Brise, die sich pfeifend durch die Gesteinsverengung hinter Zelda hindurchpresste und ihr das Haar nach vorn über ihre Schultern wirbelte. Der Atem der Wildnis, der die Samen empor hob und sausend hinfort trug. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)