Monstrum von Daelis ================================================================================ Kapitel 1: The day I died ------------------------- ♫ I can't believe this now This isn't what I planned I lived and died and now I just can't understand With all the love I feel I could never leave her No matter what the cost My souls the price to see her ♫   Glühend heiß zog sich der Schmerz durch seine Venen. Die Luft brannte in seinen Lungen. Sein Sichtfeld war verschwommen, jede Faser seines Körpers schien nur aus Schmerz zu bestehen. Er wollte schreien, sich befreien von den unsichtbaren Fesseln, die ihn banden. Er lebte! Ein Teil von ihm war sich sicher, dass er tot sein müsste, doch der Schmerz verhieß ihm, dass er offenbar überlebt hatte. Mehr als vage Bilder der Explosion waren ihm nicht geblieben. Er erinnerte sich an das Geräusch von einbrechenden Wänden, von Putz, der zu Boden rieselte, nachdem sich die Stille einem Totentuch gleich über alles gelegt hatte. Aber wo war er jetzt? Sicher nicht mehr in den Trümmern. Oder doch? Sein Zeitgefühl war gänzlich zerstört. Womöglich waren nur Sekunden seit der Explosion vergangen.  Er konnte nicht sehen, nicht riechen, sondern nur hoffen, dass seine Ohren, an die jedes Geräusch wie durch ein einen Schleier drang, ihn nicht betrogen. Manchmal glaubte er, eine leise Stimme zu hören, die Worte sagte, deren Sinn er nicht erfassen konnte, doch der Klang allein war ihm ein willkommener Balsam. Gabriel konnte nicht sagen, wie lange es dauerte, bis die Pein langsam nachließ, aber er hatte das Gefühl, es musste eine Ewigkeit gewesen sein. Er nahm an, dass zumindest ein paar Tage vergingen, in denen seine Sicht sich langsam klärte und er schließlich auch die Stimme erkannte.    Angela.   Er wollte sie fragen, weshalb sie ihm half - immerhin gehörte sie ja zu Overwatch - und ob sie unverletzt geblieben war. Zwar gäbe er es natürlich nicht einfach zu, aber er hatte nicht verpasst, dafür zu sorgen, dass sie nicht rechtzeitig im Züricher Hauptquartier wäre, um in den Kampf verwickelt zu werden. Selbst als er sich entschieden hatte, Overwatch den Rücken zu kehren, hatte er ihr nicht abschwören können. Nur ein Röcheln kam aus seiner Kehle und da war Angela auch schon bei ihm, flüsterte ihm beruhigende Worte zu. Er brauche keine Angst haben, sie sei ja da und er würde wieder gesund. Süße Worte, die seine Qualen besser linderten als die Schmerzmedikation, die durch einen durchsichtigen Schlauch in seine Blutbahn tropfte. Allerdings glaubte er sie nicht. Er war kein Idiot. Angelas verheultes Gesicht, die Tatsache, dass sie nicht von seiner Seite wich und die Art, wie sie ihn ansah, verrieten ihm, dass es alles andere als rosig um ihn stand. Doch selbst wenn er hier starb, während ihre weiche Hand über seine Wange strich, wäre das in Ordnung. Er hatte seine Entscheidung getroffen und mit ihr an seiner Seite zu sterben, war allemal besser, als allein unter Schutt begraben.  Umso erstaunter musste Gabriel feststellen, dass es ihm in den folgenden Tagen tatsächlich immer besser ging. Wann immer er jedoch versuchte, ein Gespräch zu beginnen, wich ihm die Ärztin aus und verhieß ihm, still zu sein und sich auf seine Genesung zu konzentrieren. Die Schmerzen ließen nach. Er hatte überlebt - und doch erfüllte ihn der Gedanke auch mit Bitterkeit, denn jemand anderes war bei der Explosion gestorben. Der Mann, den er einst seinen besten Freund genannt und schließlich beneidet hatte. Jack Morrison. Er hatte ihn getötet. Um das zu wissen, brauchte er keine Nachrichten hören oder Zeitung lesen. In gewisser Weise war alles so gekommen, wie er es gewollt hatte - sah man davon ab, dass er dabei beinahe umgekommen wäre.   Piepsend erwachte neben ihm ein Gerät zum Leben. Schrill und durchdringend vertrieb es jeden Gedanken an Schlaf und Ruhe. Madre mia! Wenn das kein Beweis dafür war, dass er lebte. Wie gerne hätte Gabriel einfach gelacht. Zu dem nervtötenden Piepsen gesellte sich das Klappern von Absätzen. "Gabriel", erklang es sanft neben ihm. Offenbar hatte das Piepsen die blonde Ärztin auf den Plan gerufen. Das Licht der Neonröhren in ihrem Rücken ließ es aussehen, als leuchte sie selbst. Er versuchte zu grinsen und so wie Angela schmunzelte, war es ihm gelungen. "Bleib ganz ruhig." Schnell war ihr Lächeln wieder einem ernsten Ausdruck gewichen, den er zu gut kannte. Das war das Gesicht, das sie zog, wenn sie einem Patienten richtig miese Nachrichten brachte. Mierde... vielleicht hatte er sich zu früh gefreut. Musste sie etwa irgendetwas amputieren? Oder würde er doch noch verrecken? Er wartete, doch sie sagte nichts, sondern überflog nur die Anzeigen der Maschinen, an denen er hing. Gabriel begann, die Tage zu zählen. Es waren nicht viele. Zumindest nicht, wenn er bedachte, wie schnell er sich besser fühlte. Nur neun Tage später wäre er am liebsten aufgestanden und hätte die Verbände von seinen Armen und Beinen gewickelt. Er fühlte sich wie eine Mumie, so sehr war er eingewickelt. Zwar fühlte er sich alles andere als gut, aber doch nicht so schlecht, als dass er freiwillig länger als unbedingt nötig auf diesem Krankenbett liegen würde. Er hatte Krankenhäuser immer gehasst und alles, was dazu gehörte nicht weniger. Der scharfe Geruch von Desinfektionsmitteln, der auch hier in der Luft hing, das Piepsen der Geräte, die trostlosen weißen Wände und diese Stille.   "Angelita, wie lange soll ich noch so herumliegen? Ich krieg' hier noch dieses Blutstaudings." Das lange Schweigen hatte Spuren hinterlassen. So rau hatte seine Stimme doch vorher nicht geklungen, oder? Instinktiv räusperte sich Gabriel. "Thrombose, Gabriel. Es heißt Thrombose und du erhälst dagegen eine Medikation", belehrte ihn die Schweizerin mit erhobenem Zeigefinger, schmunzelte jedoch unter ihrer strengen Fassade merklich.  Einen Moment lang hing Stille zwischen ihnen, dann seufzte Dr. Ziegler. "Hör zu, Gabriel... Es war nicht leicht, dich zu retten und die Folgen...", begann sie zögerlich. Ihr Patient unterbrach sie. "Mierde! Ein paar Narben mehr oder weniger. Ich habe im Krieg Schlimmes gesehen. Glaube nicht, dass mich so etwas erschrecken könnte. Also bringen wir es hinter uns, Angela." Die Art wie sie ihre Augenbrauen zusammenzog, gab offen preis, dass sie da anderer Meinung war. Ehe die Ärztin jedoch offen protestieren konnte, hatte Gabriel schon die ersten Bandagen an den Fingern gelöst, um sich davon zu befreien.    "Angela..." Seine Stimme klang erstickt. Sein Blick haftete an seiner Haut, von der er rasch mehr und mehr freilegte. Keine Narbe war hinzugekommen, keine offene Wunde zu sehen und doch wusste er einfach, dass irgendetwas nicht stimmte. Er hatte doch Schmerzen gefühlt. Doch die waren zu rasch vergangen. Er war in eine Explosion geraten, unter den Trümmern eines eingestürzten Gebäudes gefangen gewesen. Er hätte tot sein müssen, doch er schien ja nicht einmal mehr verletzt. Wie war das möglich? Er wusste, die blonde Ärztin hatte außerordentliche Fähigkeiten, aber das hier dürfte sogar ihr Können übersteigen. "Gabriel..." Ihn überkam Schwindel. Jetzt, wo er es - sich - sah, spürte er es überdeutlich. Angelas Stimme klang dumpf, wie hinter einer geschlossenen Tür. Sie versuchte ihm zu erklären, dass eine Mutation eingetreten war. Unvorhergesehen, ungewollt. Als Folge ihrer experimentellen Nano-Bots, mit denen sie ihn hatte retten wollen. "Dein Herz hatte aufgehört zu schlagen", drang ihr Schluchzen leise an sein Ohr. Sie sprach und sprach, erklärte und entschuldigte sich immer und immer wieder. Langsam sickerte die Erkenntnis tiefer. Er starb im gleichen Moment, in dem er heilte. Er war eine Monstrosität. Sie hatte ein Monster aus ihm gemacht. Sie hatte ihm das angetan. Es fühle sich so surreal an, wie ein Alptraum, aus dem er nicht erwachen konnte. Gabriel zerrte an seinen Bandagen, schob die Schweizerin grob von sich, als sie versuchte ihn davon abzubringen und konnte erst wieder frei atmen, als er jeden Verband gelöst hatte. Sein Atem ging schwer und die Worte der Ärztin neben sich hörte er längst nicht mehr. Wie hatte sie ihm das antun können? Gabriel erschauderte. Ein Teil seines Armes schien sich buchstäblich in schwarzem Rauch aufzulösen. Der Anblick allein genügte, dass ihm übel wurde.    Monstruo.   "Angela, was hast du aus mir gemacht?" Seine Stimme war kaum mehr als ein heiseres Flüstern, doch jede Silbe jagte einen eisigen Schauer über den Rücken der Ärztin. Sie öffnete den Mund, als wolle sie antworten, doch Gabriel hörte kein einziges ihrer Worte. Weder ihre Versuche, die Ruhe zu bewahren noch die Tränen, die über ihre geröteten Wangen rannen, änderten irgendetwas daran, dass sie ein Monster aus ihm gemacht hatte. Sie hatte ihn verdammt. Er war gestorben und sie hatte ihn zurück in diese Abscheulichkeit von Körper geholt. Wie hoch war der Preis, den er für dieses Leben zahlen würde müssen? Oder hatte er ihn längst bezahlt und wusste es nur noch nicht? "Was hast du getan?!" Dieses Mal schrie er ihr die Worte hasserfüllt entgegen. Angela wich zurück, nur zwei Schritte, dann stieß sie gegen den Stuhl, der neben dem Bett stand. Zu langsam. Gabriel hatte den schattenhaft vernebelnden Arm nach ihr ausgestreckt, hatte die Schweizerin mit einem schnellen Schritt erreicht und an der Schulter gegriffen. Sie zuckte unter dem festen Griff zusammen. "Das hättest du nicht tun dürfen..." Im gleichen Moment, in dem er es sagte, verstand er selbst erst, dass er ihr drohte. Ihr, von allen Menschen. Ihr, der Frau, die er liebte - Selbst jetzt noch, wo sie das aus ihm gemacht hatte. Sie war kreidebleich und die Panik stand ihr ins Gesicht geschrieben. Seine Muskeln verkrampften sich, doch wie sehr sich seine Finger in die Schlter der Ärztin bohrten, beachtete Gabriel nicht. Jeden anderen Menschen an ihrer Stelle hätte er jetzt vermutlich mit bloßen Händen getötet. Nein. Er musste hier weg. "Gab-", begann Angela leise, doch er unterbrach sie, indem er sie grob gegen die Wand stieß. Weg hier. Nur weg. Sein Körper agierte wie von selbst, wie in einer Trance. Als er schließlich vor dem Gebäude stand und zusah, wie sein Arm sich aus dem dunklen Rauch materialisierte, konnte Gabriel selbst nicht sagen, was genau geschehen war. Er kannte das Gebäude nicht. Die Umgebung auch nicht. Egal. Einfach nur weg. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)