Seelenschatten von Labrynna ================================================================================ Kapitel 6: Ein Vampir erwacht ----------------------------- Die Shinra-Villa war ein stattliches Herrenhaus, das bereits vor Ewigkeiten errichtet worden war. Spätestens seit die Shinra-Sippe mit sämtlichen Mitgliedern nach Midgar gezogen war und ihr einstiger Sitz nun die meiste Zeit unbewohnt war, nagte der Zahn der Zeit an dem alten Gebäude. Die kunstvoll verzierten Fensterläden vermoderten allmählich und brachen schon bei der schwächsten Windböe aus ihren verrosteten Angeln. Der Marmor, der in der beeindruckenden Eingangshalle ausgelegt war, zeigte vielerorts tiefe Risse und hatte stellenweise helle Wasserflecken, da es durch das undichte Dach regnete. Auch die einstmals farbenprächtigen, weichen Teppiche waren von dem allgegenwärtigen Verfall nicht verschont worden. Genau wie die stockfleckigen Vorhänge vor dem riesigen Bleikristallfenster am Ende der Halle waren sie im Laufe der Zeit verblasst und durch eine dicke Staubschicht ergraut. Aerith betrachtete gerade eine gesprungene Porzellanfigur, welche die Göttin Minerva darstellen sollte, als sie bemerkte, dass Cloud das Gesicht verzog und sich an die Stirn fasste als würde er von stechenden Kopfschmerzen geplagt. Nur kurz darauf begann seine Aura in schon bekannter Manier zu flackern und zu zucken. Dieses Mal formten die unsteten Energieströme jedoch nicht die Silhouette eines großen, breitschultrigen Mannes, sondern zeigten deutlich das etwas deformiert wirkende Gesicht einer hämisch grinsenden Frau. Ein Schrei des Erschreckens drückte sich Aerith die Kehle hinauf und sie wich instinktiv vor der beängstigend aussehenden Erscheinung zurück. Doch noch bevor ein Laut die Lippen der Blumenfrau hatte verlassen können, löste sich das Bild auf und Cloud schien wieder topfit zu sein. Er schüttelte nur kurz den Kopf und blinzelte dann wie jemand, der aus einem tiefen Schlaf erwacht. Da in diesem Moment jedoch ein Sonnenstrahl durch das hohe Bleikristallfenster fiel und genau auf Clouds Gesicht traf, war Aerith sich nicht sicher, ob sein Blinzeln womöglich nicht nur daher rührte, dass er geblendet worden war. Vielleicht hatte sie sich auch die erschreckende Veränderung seiner Aura bloß eingebildet. Schaudernd dachte Aerith, dass es jedenfalls keine große Überraschung wäre, wenn jemandem in dieser wie ein Geisterhaus wirkenden Villa die Nerven durchgingen. „Ich glaube“, begann der gegen das Sonnenlicht blinzelnde Gruppenanführer, „angesichts der Größe des Gebäudes und der Vielzahl der Räume wäre es das Beste, wenn wir uns aufteilen würden. Am besten bilden wir zwei Zweierteams und eine Dreiergruppe.“ „Ich geh mit Cloud!“ Aerith griff mit einem strahlenden Lächeln seinen Arm und ignorierte den giftigen Blick, den Tifa ihr entgegenschleuderte. Schnell waren auch die anderen Teams gebildet und so nahmen sich Barrett und Tifa den Westflügel vor, während Red, Yuffie, sowie Cait Sith durch die rechte Tür verschwanden und Cloud zusammen mit Aerith das obere Stockwerk absuchen wollte. So lange sie die bedrohlich knarzende Holztreppe mit der sich teilenden, fein geschwungenen Stiege erklommen, starrte Aerith auf Clouds Rücken und überlegte, wie sie die Frage, die ihr unter den Nägeln brannte, am geschicktesten formulierte, ohne mit der Tür ins Haus zu fallen. Doch auf der Galerie angekommen, hielt die junge Frau es nicht mehr aus und platzte ohne Umschweife mit ihrem Anliegen heraus: „Damals bei dem großen Nibelheim-Feuer warst du beruflich hier, oder?“ Der ein wenig klein geratene Mann vor ihr warf ihr einen undefinierbaren Blick über die Schulter hinweg zu und murmelte verstimmt klingend: „Ja. Ich hab doch schon mal erzählt, dass Sephiroth und ich hier waren, um eine Fehlfunktion im Reaktor zu überprüfen.“ Aerith nickte, als ihr wieder einfiel, dass Cloud der Gruppe den Grund für seinen damaligen Nibelheim-Aufenthalt bereits früher berichtet hatte. Ein Ventil im Reaktorinneren hatte sich gelöst gehabt und das austretende Mako hatte Tiere, die immer mal wieder von außen herein gedrungen waren, zu aggressiven Monstern mutieren lassen. Also hatten die Reaktorarbeiter bei Shinra Soldaten angefordert, damit diese sich um das Problem kümmerten. „Waren damals noch andere Leute von Shinra hier?“, arbeitete Aerith ihren Fragenkatalog weiter ab, um vielleicht endlich zu erfahren, was mit Zack geschehen war. Womöglich war Cloud ihm doch begegnet und kannte nur seinen Namen nicht, weswegen er es bislang nicht erwähnt hatte. Von ihrer Frage irritiert blieb der blonde Exsoldat stehen und betrachtete seine Begleiterin verwirrt. Doch als sie ihn nur stumm aus großen, neugierigen Augen abwartend ansah, antwortete er: „Sephiroth und ich hatten noch zwei Infanteristen dabei. Außerdem waren die Reaktorarbeiter natürlich hier und zusätzlich hielten sich ein paar Wissenschaftler hier auf, die für Professor Hojo irgendwelche Versuchsreihen durchführen sollten.“ Bittere Enttäuschung machte sich bei diesen Worten in Aerith breit. Sie hatte so sehr darauf gehofft, endlich zumindest einen brauchbaren Ansatzpunkt gefunden zu haben, dass dieser erneute Fehlschlag sie noch härter traf als die vorangegangenen. Trotzdem kratzte sie ihr letztes bisschen Hoffnung zusammen und fragte: „Du bist dir sicher, dass Shinra sonst niemanden her geschickt hatte? Es war wirklich kein weiterer Soldat hier?“ Cloud schob die Augenbrauen zusammen und machte ein düsteres Gesicht so als ob es ihm sauer aufstoßen würde, dass Aerith leise Zweifel an seiner Aussage zu haben schien. Doch als er den Mund auftat, klang seine Stimme lediglich verwirrt statt ärgerlich: „Ich bin mir absolut sicher. Warum fragst du?“ Mit einem tiefen, traurig und resigniert klingenden Seufzen, über das Aerith sich sogleich ärgerte, gestand sie: „Als ich Zack damals das letzte Mal gesprochen habe, sagte er mir, er sei hier in Nibelheim auf einer Mission. Das ist inzwischen fünf Jahre her. Eigentlich hättet ihr euch über den Weg laufen müssen…“ Für einen Moment herrschte betretenes Schweigen, dann zuckte Cloud mit den Schultern und murmelte: „Klingt so als hätte er dich übel verarscht.“ „Ja…“ Aerith nickte wie benommen, bevor sie den Rücken durchdrückte und bemüht fröhlich verkündete: „Wie gut, dass das alles schon so lange her ist!“ Dann wandte sie sich ab und schlenderte mit beschwingten Schritten auf das erste Zimmer zu. Doch obwohl sie es schaffte, nach außen einen überzeugend vergnügten Eindruck zu machen, sah es in ihrem Inneren ganz anders aus. Am liebsten hätte sie sich in diesem Moment in die Arme ihrer Adoptivmutter geflüchtet und geweint, geweint, geweint – wie sie es seit Zacks Verschwinden schon oft getan hatte. Sie fühlte sich seltsam hohl und wund so als hätte jemand alles, was sie ausmachte, aus ihr heraus gepult, bis nur noch eine leere Hülle zurückgeblieben war. „Klingt so als hätte er dich übel verarscht.“ Clouds Worte setzten sich in den geschundenen Überresten von Aeriths Herz fest und pulsierten der jungen Frau mit jedem Schlag erneut durch den Kopf. Auch wenn Aerith es nicht wahrhaben wollte, konnte sie nicht abstreiten, dass es tatsächlich so aussah als hätte Zack sie belogen und hintergangen. Womöglich war er vor zwei Tagen doch in Gongaga gewesen, hatte sie erkannt und seinen Eltern aufgetragen, ihr vorzugaukeln, ebenfalls schon seit Jahren nichts mehr von ihm gehört zu haben, um zu verhindern, dass Aerith weiter in seinem Heimatdorf herumschnüffelte. Vielleicht hatten die Kuppelversuche seiner Mutter nach Jahren endlich gefruchtet und Zack hatte Midgar damals verlassen, um zu heiraten. Die Nibelheim-Mission hatte er wahrscheinlich nur erfunden, weil er zu feige gewesen war, seiner Freundin die Wahrheit zu sagen. In Aerith loderte höllische Wut auf, bis sie wieder an die Verzweiflung und die nur halbherzig verborgenen Tränen in den Augen von Zacks Eltern denken musste. Konnte man so etwas überhaupt dermaßen überzeugend spielen, wenn man den Sohn wohlauf wusste? Aerith hatte bei dem Treffen das Gefühl gehabt, die trostlose Hoffnungslosigkeit der Beiden beinahe greifen zu können, und hätte ihr Leben darauf verwettet, dass die schier bodenlose Trauer echt gewesen war. Außerdem war Zack immer ein aufrechter und mutiger Mann mit ausgeprägtem Ehrgefühl und Idealen gewesen. So wie Aerith ihn kannte, hätte eine solche skrupellose und von langer Hand geplante Lüge gegen sämtliche seiner Prinzipien verstoßen. Aerith konnte und wollte sich nicht vorstellen, dass sie sich womöglich dermaßen in ihm getäuscht haben sollte. Mit einem genervten Zähneknirschen gestand sich die inzwischen ziemlich frustrierte, junge Frau ein, dass sie noch immer am Anfang stand. Sämtliche Informationen, die sie bisher gesammelt hatte, hatten ihr nur wehgetan, sie aber kein Stück vorangebracht. Trotz ihrer Bemühungen hatte sie nur ein paar löchrige Theorien, die jedoch alle nicht überzeugend waren, wenn man sie genauer betrachtete. Wenn Aerith wissen wollte, was mit Zack passiert war, musste sie weiterforschen. Doch wo sollte sie ansetzen, wenn er offenbar nie in Nibelheim angekommen war? Und warum bloß hatte er sie diesbezüglich belogen?! Während sie sich, um sich von diesen quälenden Fragen abzulenken, in die gemeinsame Suche mit Cloud nach Hinweisen auf die Überlebenden der Nibelheim-Katastrophe stürzte, fiel Aerith auf, dass die meisten Räume des Obergeschosses offenbar Schlafzimmer waren. Sie hatte bereits sieben Betten gezählt, als sie Überraschung darüber kundtat. Cloud zuckte jedoch nur mit den Schultern und erklärte, während er ein paar lose Zettel sichtete, die er auf dem neben ihm stehenden Schreibtisch gefunden hatte: „Irgendwo müssen die Wissenschaftler, die Shinra immer mal wieder herschickt, ja schlafen. Da das Labor im Keller dieser Villa ist und viele Experimente rund um die Uhr überwacht werden müssen, ist es nur sinnvoll, wenn die Forscher ihr Quartier hier beziehen können.“ Verblüfft aufschauend schob Aerith einen dicken Folianten, den sie aus dem vollgestopften, verstaubten Bücherregal gezogen hatte, wieder an seinen Platz. „Es gibt hier ein Labor der ShinraInc? Ich dachte immer, deren Forschungsabteilung sei in Midgar stationiert.“ Ein trauriges Lächeln huschte über Clouds Gesicht, als er mit bissiger Stimme entgegnete: „Manche Versuche führt man besser weit entfernt von neugierigen Reporteraugen und -ohren durch…“ Noch bevor Aerith nachfragen konnte, was genau ihr Gegenüber damit meinte, betrat der Rest der Gruppe den Raum. Tifa blickte zunächst argwöhnisch, schien dann aber aufzuatmen, als sie sah, dass Aerith und Cloud einige Meter entfernt voneinander standen, anstatt ihre traute Zweisamkeit zu genießen. Barrett lehnte sich lässig gegen den Türrahmen und verkündete: „Unten war nichts Spannendes zu finden. Wie sieht’s hier aus?“ Aerith wollte gerade zu einem resignierten „Fehlanzeige“ ansetzen, als Yuffie sich empörte: „So stimmt das ja mal nicht! Ich habe schließlich das hier gefunden!“ Triumphierend hielt sie einen kleinen, etwas klobig aussehenden Gegenstand aus verrostetem Metall in die Höhe. Clouds Augen leuchteten auf und seine Lippen verzogen sich zu einem breiten Grinsen, als sein Blick auf den stolz präsentierten Fund fiel und er feststellte: „Du hast den Kellerschlüssel gefunden. Gut gemacht, Yuffie.“ Nur Augenblicke später fand die Gruppe sich in dem gewölbeartig wirkenden Untergeschoss der Villa wieder. Aerith folgte den Anderen mit geringem Abstand und fragte sich ein wenig irritiert, ob sie die Einzige war, die sich darüber wunderte, dass Cloud den Schlüssel auf Anhieb erkannt hatte. Alle anderen schienen sein überraschendes Wissen ohne Vorbehalte akzeptiert zu haben und machten einen unbekümmerten Eindruck. Warum sie Anstoß an Clouds Kenntnis bezüglich des Aussehens des Kellerschlüssels nahm, wusste Aerith jedoch selbst nicht. Er hatte zu Shinras Soldatenkorps gehört und war mindestens einmal auf einer offiziellen Mission in seiner Heimatstadt gewesen. Es war also nicht unwahrscheinlich, dass er den Schlüssel im Zuge seiner Pflichterfüllung mal gesehen oder sogar ausgehändigt bekommen hatte. Dennoch hatte sich dieses hartnäckige Gefühl in Aeriths Magengrube eingenistet, das ihr unablässig einflüsterte, dass hier etwas nicht stimmte. Als die Gruppe schließlich das Ende des langen Gangs erreichte, standen zwei nahezu identisch aussehende Türen zur Auswahl. Also hielten die sieben Abenteurer für einen Moment inne, um sich zu entscheiden, welches Zimmer sie zuerst erkunden wollten. Nachdem während des Marsches hierher jeder Schritt von den hohen Wänden mit den großen, etwas feucht aussehenden Steinen widergehallt war, empfand Aerith die sie nun umgebende Stille als beklemmend. Gerade als Cloud die Hand auf die Klinke der hinteren Tür gelegt hatte, ertönten aus dem anderen Raum schauriges Stöhnen. Einen Herzschlag lang sahen sich die einzelnen Gruppenmitglieder aus schockgeweiteten Augen entsetzt an, doch dann strafften sie alle wie auf ein geheimes Signal hin die Schultern und machten sich bereit, dem Ursprung der Geräusche entschlossen auf den Grund zu gehen. Was sie in dem Zimmer zu ihrer Linken zu sehen bekamen, ließ ihnen jedoch das Blut in den Adern gefrieren. Auf dem Boden standen drei einfache, absolut parallel zueinander aufgebaute Särge, deren poliertes Holz im Schein der schwachen Beleuchtung matt schimmerte. Red, der von allen das beste Gehör hatte, bedeutete den Anderen mit einer Kopfbewegung, dass die herzzerreißenden, gespenstischen Klagelaute, die den ganzen Raum erfüllten, aus der mittleren Kiste kamen. Cloud schluckte hart, dann nickte er Barrett zu, um den großen, dunkelhäutigen Mann stumm um Hilfe beim Öffnen des Sargdeckels zu bitten. „Seid vorsichtig!“ Tifa, die von allen Anwesenden wohl am zartesten besaitet war, legte Cloud eine Hand auf die Schulter und sah ihn mit blassem Gesicht eindringlich an. Die Freude über ihre offensichtliche Sorge erhellte kurz das Gesicht des Blonden, bevor er sich wieder dem Sarg zuwandte. Dank Baretts Hilfe war der Deckel schnell beiseite geschafft, doch was darunter zum Vorschein kam, war eine echte Überraschung. Anders als erwartet befand sich im Inneren des Sargs kein gequälter, lebendig Begrabener. Stattdessen lag dort ein junger Mann, dessen lange, schwarze Haare ihm wirr in die Stirn fielen, auf ein dickes Kopfkissen gebettet und schien von Albträumen geplagt zu sein. Sämtliche Gruppenmitglieder hielten gespannt den Atem an, als die Lider des Mannes zu flattern begannen. Nur Sekunden später schlug er seine Augen auf und Aerith konnte nur mit Mühe einen erstickten Aufschrei verhindern, als sie das glühende Rot ihrer Retina erblickte. „Wer wagt es, mich zu wecken?!“ Die Stimme des Sargschläfers war tief und hatte einen bedrohlich wirkenden, knurrenden Beiklang. „Mein Name ist Cloud Strife“, setzte der Gruppenführer an, doch er kam nicht dazu, seinen Satz zu beenden. „Du gehörst zu Shinra!“, fiel der Schläfer ihm ins Wort, wobei er es schaffte, so viel Abscheu und Kälte in den Firmennamen zu legen, dass es Aerith fröstelte. „Einem Schoßhund Shinras habe ich nichts zu sagen.“, fügte der erschreckend bleiche Mann an und blickte sich suchend nach dem Sargdeckel um, was Aerith verwirrte. Fühlte er sich in seinem Sarg womöglich wohl?! „Du siehst das ganz falsch“, mischte sich Yuffie ein, wofür sie einen vernichtenden Blick des Fremden erntete. „Unser Cloud hier gehört nicht mehr zu Shinra. Er hat das Korps schon vor einiger Zeit verlassen.“ „Interessiert mich nicht“, brummte der Schläfer und schloss wieder die Augen. Dann bat er mit ironisch klingender Stimme: „Wenn ihr dann die Güte hättet, mich wieder allein zu lassen…“ Von plötzlicher Neugierde getrieben ging Aerith langsam auf den Sarg zu und kniete sich an dessen Kopfende nieder, was Tifa besorgt die Luft anhalten ließ. „Wenn du willst, bist du frei“, verkündete Aerith, wobei sie darauf achtete, ihre Stimme sanft und eben zu halten. Der Fremde blinzelte sie unter halbgeöffneten Lidern hinweg an und entgegnete wehmütig: „Ich wünschte, du hättest Recht, aber meine Freiheit kann mir niemand zurückgeben.“ „Was hält dich hier fest?“ Die tiefe Traurigkeit, die sich in die Züge des Schläfers gemeißelt zu haben schien, rührte Aeriths Herz und sie hätte ihm am liebsten tröstend über den Kopf gestrichen. Anstatt zu antworten, seufzte der Fremde auf und schien dann wieder einschlafen zu wollen. Ein wenig beleidigt und latent frustriert warf Aerith die Stirn in Falten, als Cloud ihr zurief: „Lass ihn! Wenn er hier bleiben will, bitteschön. Wir haben keine Zeit, uns mit ihm aufzuhalten. Wir müssen so schnell wie möglich Sephiroth hinterher.“ Als hätte Cloud eine Zauberformel gesprochen, riss der Sargschläfer die Augen wieder auf und kam wie an Marionettenfäden in die Höhe gezogen auf die Füße. „Sagtest du Sephiroth?!“ Vor Anspannung sprang die bisher ruhige Bassstimme des Fremden eine Oktave höher und wurde ein wenig schrill. Von der unerwarteten Reaktion überrascht, wandten sämtliche Gruppenmitglieder ihm wieder zu, während Cloud bedächtig nickte und erklärte: „Ja. Ich habe noch eine Rechnung mit Sephiroth offen, deshalb reisen wir ihm hinterher. Wir hoffen, dass wir herausfinden, was er vorhat, und ihn aufhalten können, bevor er allzu großes Unheil anrichtet.“ Für einen Moment schien der Fremde in weite Ferne zu starren und seine Lippen bewegten sich stumm. Aerith war nie besonders gut im Lippenlesen gewesen, doch sie war sich fast sicher, dass er sich die Frage gestellt hatte: „Oh, Lucretia, warum nur habe ich es zugelassen?“ Dann richtete der sonderbare Mann seine gespenstischen Augen wieder auf Cloud und verkündete: „Verzeiht, dass ich mich bislang nicht vorgestellt habe. Mein Name lautet Vincent Valentine. Wenn niemand Einwände dagegen erhebt, würde ich euch gerne begleiten. Es gibt da etwas, das ich bereinigen muss…“ Barrett betrachtete geringschätzig die eher schmale Statur Vincents, was diesen dazu veranlasste die Lippen zu einem ironischen Lächeln zu verziehen. „Ich müsst keine Angst haben, dass ich euch zur Last fallen werde“, erklärte er mit einem Anflug von Amüsement. „Als ehemaliges Mitglied der Turks weiß ich mich zu verteidigen.“ Cloud zog überrascht die Augenbrauen in die Höhe und neigte dann abschätzend den Kopf. Einen Turk im Team zu haben, konnte nur von Vorteil sein. Doch war ihm zu trauen? „Warum hast du die Turks verlassen?“, fragte Cloud, wobei er das Gesicht seines Gegenübers genau musterte und auf verräterische Anzeichen einer Lüge achtete. Vincent überraschte jedoch mit einem Geständnis: „Das habe ich nie. Es kam zu Diskrepanzen zwischen Professor Hojo und mir, deswegen wurde ich… vom Dienst suspendiert.“ Die Art, wie er kurz zögerte und die letzten Worte betonte, legte nahe, dass mehr hinter dieser Geschichte steckte, doch niemand traute sich, genauer nachzufragen. Also fuhr Vincent fort: „Aber ich habe genug Gründe, um die ShinraInc und all ihre Auswüchse abgrundtief zu hassen, wenn es das ist, was du wissen willst.“ Ein wenig verlegen darüber, durchschaut worden zu sein, zuckte Cloud mit den Schultern und murmelte: „Also mir soll’s recht sein. Meinetwegen kannst du uns begleiten.“ Als auch kein anderes Mitglied Einwände bekundete, nickte Vincent selbstzufrieden und warf sich ein langes, blutrotes Cape um, das bislang noch im Sarg gelegen hatte. Dann folgte er seinen neuen Begleitern aus dem Raum. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)