Seelenschatten von Labrynna ================================================================================ Kapitel 2: Reise nach Gongaga ----------------------------- Obwohl Aerith nach ihrem Besuch an Clouds Bett sofort wieder ins Bett gegangen war, hatte sie keinen Schlaf mehr gefunden. Zu viele Gedanken und Erinnerungen waren unablässig durch ihren Geist gewandert, bis die aufgehende Morgensonne schließlich das erste Tageslicht durch die Ritzen zwischen den Vorhängen hindurchgeschickt hatte. Dennoch verspürte Aerith keinerlei Müdigkeit, als sie nun mit ihren Reisebegleitern den knallroten Buggy bestieg. Das Gefährt war eine Leihgabe des GoldSaucer-Betreibers, der so versuchte, den ungerechtfertigten Gefängnisaufenthalt der Gruppe wieder gutzumachen. Tatsächlich hatte die Aussicht darauf, lange Fußmärsche zukünftig vermeiden zu können, laute Jubelstürme bei Cloud und seinen Gefährten ausgelöst. Erfreulich war zudem, dass die Reise im Buggy nicht nur ungleich bequemer war, sondern sich zusätzlich auch noch mehr Weg in kürzerer Zeit zurücklegen ließ. Schon bald hatte die Gruppe die heiße Wüste, in deren Mitte der riesige, wie ein Lichterbaum gestaltete Vergnügungspark „GoldSaucer“ errichtet worden war, hinter sich gelassen. Zunächst durchquerten die bunt zusammengewürfelten Abenteurer weite Ebenen voller saftig aussehendem, dunkelgrünem Gras, klaren Bachläufen und kleineren Baumgruppen, doch je näher sie ihrem Reiseziel Gongaga kamen, desto karger wurde die Landschaft. Der riesige Mako-Reaktor, der hier bis vor ein paar Jahren gestanden hatte, hatte der Natur den Großteil ihrer Energie entzogen und die Pflanzen reihenweise sterben lassen. Aerith, die eingekeilt zwischen Tifa und Yuffie auf der Rückbank des Buggys saß, wrang nervös die Hände und versuchte, sich von der immer stärker werdenden Unruhe in ihrem Inneren abzulenken, indem sie die mit ihr reisenden Personen genauer unter die Lupe nahm. Cloud saß am Steuer und trug eine verschlossene Miene zur Schau. Nichts deutete darauf hin, dass er womöglich irgendetwas mit Gongaga verband, doch Aerith hätte dennoch einiges dafür gegeben, einen Blick hinter seine hohe Stirn werfen zu können. Warum hatte er sich überhaupt zu dieser Reise entschlossen? Während Tifa und Barrett, Anführer der Rebellengruppe Avalanche, den Planeten retten und die Mako-Ausbeutung durch Shinra stoppen wollten, beteuerte Cloud, dass ihm dies völlig egal war. Er begründete seine Motivation mit einer persönlichen Rechnung, die er mit dem plötzlich wieder aufgetauchten, für tot gehaltenen Sephiroth noch offen hatte. Doch Aerith hatte manchmal das Gefühl, dass Cloud die Gruppe nur deswegen begleitete, weil Tifa ihn darum gebeten hatte und er sie beschützen wollte. Neben Cloud saß Barrett und starrte missmutig auf die vorbeiziehende Landschaft. Über ihn musste Aerith jedes Mal wieder grinsen. Obwohl er nachaußenhin stets nur seine raue, kämpferische Seite zeigte, konnte er dennoch nicht verbergen, dass er in Wirklichkeit ein lieber Kerl war, der sich um seine Freunde sorgte. Hinter ihm hockte Red XIII auf der gepolsterten Sitzbank und leckte sich genüsslich über die linke Vorderpfote. Aerith hatte den überraschend intelligenten und sprechenden, roten Tiger in Hojos Labor kennen gelernt, als der Chefwissenschaftler der ShinraInc seine wahnsinnigen Experimente an ihnen Beiden hatte durchführen wollen. Warum Red, der ebenso wie Aerith der vermutlich letzte Überlebende seiner Art war, sich nach ihrer Rettung durch Cloud, Barrett und Tifa der Gruppe angeschlossen hatte, war Aerith nicht ganz klar, doch sie freute sich über diese Entscheidung. Sie schätzte den scharfen Verstand des Tigers und liebte es, über sein plüschiges Fell zu streicheln. Direkt neben Red stand eine mit weißem Pelz bezogene Maschine, die aussah wie eine merkwürdige Mischung aus Kaninchen, Ball und Marshmallow. Sie gehörte zu Cait Sith, einer ferngesteuerten Katzenpuppe, die sich im GoldSaucer Clouds Truppe angeschlossen hatte und ihre sonderbare Maschine nicht nur als Reittier sondern auch für allerhand Schabernack benutzte. Da Aerith bisher nur wenig Kontakt zu Cait Sith, der mit dem Rücken gegen seine Maschine gelehnt auf dem Sitz lümmelte, gehabt hatte, fiel es ihr noch schwer ihn einzuschätzen – zumal unbekannt war, wer die Puppe eigentlich lenkte. Bislang wusste Aerith nur, dass es sie amüsierte, wenn Cait Sith versuchte, die Zukunft vorauszusagen und dass es sie irritierte, dass er die Gruppe angeblich nur deswegen begleitete, um mit eigenen Augen zu sehen, ob seine Weissagungen zutreffen würden. Hinter der Katzenpuppe saß Yuffie, eine junge Ninja aus Wutai, und polierte ihren ohnehin schon glänzenden, übergroßen Shuriken. Obwohl Aerith artig zurücklächelte, als Yuffie aufsah und sie angrinste, konnte sie nicht behaupten, dass sie das Mädchen sehr mochte. Es war ihr eine Spur zu keck und aufgedreht und außerdem misstraute Aerith Yuffie schon von Beginn an. Als Tochter Wutais verabscheute Yuffie die ShinraInc, da diese vor Jahren mit Hilfe brutaler Waffengewalt den Bau eines Mako-Reaktors durchgesetzt hatte. Durch den plötzlichen Überschuss an Mako-Energie war das einst unbeugsame Kriegervolk faul geworden und Wutai selbst zu einem beliebten Kur- und Urlaubsort avanciert. Yuffie, die sich als stolze Kämpferin sah, stieß dies ziemlich sauer auf. Dennoch wurde Aerith das Gefühl nicht los, dass das clevere, bisweilen listige Mädchen viel mehr an den Wertgegenständen und der mächtigen Materia der Gruppe interessiert war als an der Zerschlagung Shinras. Zu Aeriths Rechten saß Tifa und betrachtete neugierig die sich verändernde Vegetation. Die junge Frau war das vermutlich sensibelste Mitglied der Truppe und stets um Harmonie bemüht. Um den Frieden in der Gruppe zu wahren, schluckte Tifa sogar ihren Unmut hinunter, wenn Aerith mal wieder spielerisch mit Cloud flirtete. Dabei war Tifas brennende Eifersucht kaum zu übersehen… Stumm in sich herein lachend dachte Aerith daran, wie komisch Cloud und Tifa sich unfreiwillig benahmen. Es war offensichtlich, dass sie etwas für einander empfanden, doch keiner von Beiden brachte es zustande, über den eigenen Schatten zu springen und den ersten Schritt zu wagen. Vielleicht, so sagte sich Aerith, konnte sie den beiden Turteltäubchen einen Schubs in die richtige Richtung geben, wenn sie weiterhin Tifas Eifersucht schürte. Auch wenn sie selbst durchaus etwas für Cloud übrig hatte, hätte es Aerith gefreut, wenn er und Tifa zueinander gefunden hätten. Denn ihr war schmerzlich bewusst, dass ihr Interesse an dem wortkargen, eher gefühlskalt erscheinenden Blonden allein in seiner irritierenden Ähnlichkeit zu Zack begründet war und sie nichts anderes wollte als diesen zurückzuhaben. Zack… Gerade als Aerith bei dem Gedanken an ihren verschollenen Freund aufseufzte, nahm Cloud plötzlich eine Hand vom Steuer und deutete auf den Horizont. „Das dort hinten müsste Gongaga sein. Wir sind fast da.“ Augenblicklich rutschte Aerith ihr Herz in die Hose und ihre Hände wurden schlagartig eiskalt. Würde sie in Zacks Heimatdorf endlich all jene Antworten finden, nach denen sie sich so sehr sehnte? Und wenn ja: Wie würde sie damit umgehen? Wäre sie wirklich stark genug es zu ertragen, wenn sie erfahren sollte, dass Zack nichts mehr von ihr wissen wollte? Oder wenn er tot war? Als Cloud den Buggy auf den sandigen, unbefestigten Weg lenkte, der ins Dorf führte, gestand Aerith sich endlich ein, dass sie auch nach all den Jahren noch immer darauf hoffte, dass Zack irgendwann doch noch zu ihr zurückfand – so albern sie sich selbst dabei auch vorkam. Mit einem energischen Kopfschütteln, das Tifa irritiert die Augenbrauen zusammenziehen ließ, schob Aerith diesen Gedanken jedoch bestimmt von sich. Wenn sie tatsächlich Zacks Eltern gegenübertreten wollte, war es besser, ihre Gefühle zu verdrängen. Niemand sollte wissen, dass sie hinter ihrer fröhlichen Fassade ein gebrochenes Herz verbarg. Also setzte sie ein strahlendes Lächeln auf, als Cloud den Wagen stoppte, kletterte schnell aus dem Buggy und stolzierte zielstrebig und scheinbar unternehmungslustig auf die ersten Häuser zu. Was den Anderen wie Feuereifer erschien, war in Wirklichkeit jedoch nur der Wunsch den Aufenthalt in Gongaga so schnell wie möglich über die Bühne zu bringen. Am liebsten wäre Aerith davongelaufen oder hätte im Wagen auf die Anderen gewartet, doch ihr war klar: Wenn sie je mit Zack abschließen wollte, brauchte sie Antworten! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)