Seelenschatten von Labrynna ================================================================================ Kapitel 1: Träume und Erinnerungen ---------------------------------- „Du musst aufstehen, meine Schöne.“ Die geflüsterten Worte drangen wie aus weiter Ferne an Aeriths traumumnebelten Geist und zauberten ihr ein seliges Lächeln auf die Lippen. Die sanfte Stimme klang trotz der gedämpften Lautstärke voll und hatte einen liebevollen Unterton, bei dem Aerith ganz warm ums Herz wurde. Wohlig knurrend schmiegte sie sich noch näher an den jungen Mann, der sie in seinen Armen hielt, und schüttelte ein wenig mit dem Kopf. Oh, wie sie den würzigen Geruch liebte, den seine straffe, über seine feindefinierten Brustmuskeln gespannte Haut verströmte! Während Aerith allmählich richtig wach wurde, ließ sie ihre Hand unter die dünne Leinendecke gleiten, wo sie ihrem Freund über seinen flachen, trainierten Bauch streichen wollte. Doch alles, was ihre Finger fanden, war das zerwühlte Laken über der etwas zu harten Matratze. Wie vom Blitz getroffen schreckte die junge Frau aus dem Schlaf hoch und sah sich mit schockgeweiteten Augen verwirrt im dunklen Raum um. Heiße Tränen stiegen ihr in die Augen und ein dicker Kloß schnürte ihr die Kehle zu, als ihr bewusst wurde, dass sie wieder einmal nur geträumt hatte. Zack war nicht hier… Aerith holte vibrierend Luft und bemühte sich verzweifelt, die aufkommende Trauer hinunterzuschlucken, bevor sie übermächtig werden konnte. Jetzt war es schon über fünf Jahre her, dass der junge Soldat von der ShinraInc auf eine Mission nach Nibelheim geschickt worden war. Seitdem hatte sie bis auf ein kurzes Telefonat, bei dem ihr Freund angespannt und ablehnend geklungen hatte, nichts mehr von Zack gehört. Obwohl sämtliche Briefe, die sie ihrem Freund hinterhergeschickt hatte, unbeantwortet geblieben waren, hatte sie sich lange Zeit stur an die Hoffnung geklammert, ihn bald wieder in die Arme schließen zu können. Doch je mehr Wochen ins Land gegangen waren, desto sicherer war sie sich geworden, dass ihre erste große Liebe sie wortlos verlassen hatte. Zack, gutaussehend und charmant, war bei den Frauen schon immer beliebt gewesen und hatte nie einen Hehl daraus gemacht, dass er dies stets sehr genossen hatte. Dennoch hatte Aerith sich nie dazu durchringen können, mit ihrem Herzen an das zu glauben, was ihr Kopf ihr sagte. Es musste eine andere Erklärung für Zacks Verschwinden geben! Und dann war dieser Tag vor einigen Monaten gekommen, der alles durcheinander gewirbelt hatte. Als Angehörige der Cetra hatte Aerith schon immer eine besondere Verbindung zum Planeten und dem alles durchdringenden Lebensstrom gehabt, die ihr besondere Gaben verlieh – so wie damals, als der Mann ihrer Adoptivmutter gestorben war. Obwohl er für sie immer ein Fremder geblieben war, hatte Aerith seinen Tod sofort gespürt. Da Aerith sich jedoch kaum etwas mehr wünschte als normal zu sein, bemühte sie sich stets ihre Cetra-Fähigkeiten zu ignorieren, was ihr auch meistens hervorragend gelang. Doch an jenem Tag, an den die junge Frau nun wieder denken musste, hatten alle Verdrängungsmethoden, die sie sich im Laufe der Jahre angeeignet hatte, kläglich versagt. Es war ein schöner Spätherbsttag in Midgar gewesen und die Sonne, die sich nach einem heftigen Regenfall wieder durch die Wolken gekämpft hatte, hatte ihre goldenen Strahlen in breiten Bahnen durch das löchrige Dach von Aeriths liebstem Rückzugsort, der baufälligen Kirche in Sektor 5 geschickt. Aerith war gerade dabei gewesen, nach ihren geliebten Blumen, die merkwürdigerweise nur dort wild zu wachsen schienen, zu sehen, als sich ihre Cetra-Sinne plötzlich mit einer bislang unbekannten Heftigkeit zu Wort gemeldet hatten. Ein unbeschreiblicher, stechender Schmerz war Aerith mitten ins Herz gefahren und sie hätte schwören können, dass sie in diesem Augenblick Zack schreien gehört hatte. Der Gedanke an diesen unendlich gequält klingenden Schrei ließ Aerith noch immer erschaudern, genauso wie die Erinnerung an die gespenstische Stille und das bedrückende Gefühl von Leere, die sich anschließend in ihr ausgebreitet hatten. Obwohl die Zeichen von jenem Tag um ein Vielfaches deutlicher gewesen waren als damals beim Tod ihres unbekannten Adoptivvaters, wollte Aerith einfach nicht glauben, dass Zack womöglich tot war. Das konnte nicht sein. Es durfte nicht sein! Seufzend strich Aerith sich mit der flachen Hand eine lange Strähne ihres braunen, leicht welligen Haares aus der Stirn. Allmählich verflüchtigten sich die Traumbilder und damit auch die bewusste Erinnerung an den Klang von Zacks Stimme und an seinen Geruch. Manchmal hatte Aerith Angst, auch ihr Unterbewusstsein könnte all diese kleinen Dinge vergessen, an denen ihr Herz so hing. Wie so oft, wenn sie von Zack geträumt hatte, beschlich sie eine innere Unruhe, die wie kleine Stromstöße durch ihre Adern pulsierte, bis Aerith nicht mehr stillsitzen konnte. Zunächst wippte sie nur mit dem Fuß und kaute gedankenversunken auf ihren Fingernägeln, doch schließlich sprang sie auf und schlich sich auf Zehenspitzen aus dem Zimmer. Obwohl sie sich große Mühe gab, keinerlei Geräusche zu machen, warf sich Tifa knurrend auf dem anderen Bett herum. Mit wild schlagendem Herzen lauschte Aerith in die Dunkelheit, bis sie sich sicher war, dass ihre Zimmergenossin ruhig weiterschlief. Erst dann schloss sie vorsichtig die Tür und eilte ans andere Ende des Korridors, wo sie ohne zu zögern in den am weitesten hinten gelegenen Raum schlüpfte. Leises Schnarchen ertönte aus dem einzelnen Bett und die bunten Lichter des GoldSaucers blitzten zwischen den schlampig zugezogenen Vorhängen hindurch. Beinah ehrfürchtig trat Aerith ans Fußende des Bettes heran und betrachtete nachdenklich den darin schlafenden Mann, während widersprüchliche Gefühle in ihrem Inneren miteinander stritten. Mit seinem blonden Haar, der beinah ungesund blassen Haut und seiner stets ernsten Miene sah Cloud vollkommen anders aus als der größere, immerzu gutgelaunte Zack, der sein schwarzes Haar zuletzt ein gutes Stück länger und nach hinten gekämmt getragen hatte, und dennoch hatte er Aerith sofort an ihren verschollenen Freund erinnert. Es lag daran wie er den Kopf hocherhoben trug, wie er kämpfte, wie er aufrecht stand, wie er sich artikulierte, an seinem Tonfall – kurz: Es war seine ganze Art sich zu bewegen und zu sprechen, mit der Cloud Zack so sehr ähnelte, dass es Aerith fast das Herz zerriss. Doch als wäre das nicht schon genug, waren da auch noch diese anderen Gemeinsamkeiten, die Aerith verwirrten und alte Wunden wiederaufbrachen. Mit einem wehmütigen Lächeln dachte die junge Frau an ihre erste Begegnung mit Zack. Damals war sie gerade einmal fünfzehn Jahre alt gewesen und hatte sich wie so oft in der alten Slum-Kirche aufgehalten, als es plötzlich ohrenbetäubend laut gekracht hatte und ein etwa gleichaltriger Junge durchs Dach gebrochen war. Mit einem dumpfen Aufprall war sein Körper auf den wilden Blumen gelandet und Aerith hatte zitternd die Hände, die sie sich reflexartig schützend vors Gesicht geschlagen hatte, wieder heruntergenommen. Auf weichen, wackeligen Beinen war sie zu dem Jungen herüber geeilt und hatte erleichtert aufgeatmet, als sie gesehen hatte, dass ihn sein Sturz nicht umgebracht hatte. Zwar hatte er bei jeder Bewegung leise gestöhnt und gewimmert, doch er hatte schon bald das Bewusstsein wiedererlangt. Aerith hatte sich leicht über ihn gebeugt und immer wieder „Hallo?“ gerufen, bis der Junge allmählich zu sich gekommen war. Seine Augenlider hatten geflattert und er hatte in einem schmerzverzerrten Ton nach seiner Mutter gefragt, bevor er die Augen aufgeschlagen hatte. Zunächst war Zacks verwirrter Blick ein wenig umher geirrt, nur um dann an Aeriths Gesicht hängen zu bleiben. „Bin ich im Himmel?“, hatte er mit leicht rauer Stimme gefragt, während er langsam wieder richtig zu sich gefunden hatte. „Nicht ganz. Du bist in einer Kirche in Sektor 5“, hatte Aerith ihm geantwortet, doch Zack hatte vage mit dem Kopf geschüttelt als wollte er ihr nicht glauben. „Aber du bist doch ein Engel!“, hatte er lächelnd insistiert und Aerith damit zum Lachen gebracht. Kurz darauf waren sie zum ersten Mal miteinander ausgegangen und von diesem Tag an hatten sie sich regelmäßig gesehen, bis Zack etwa zwei Jahre später auf seine ominöse Mission nach Nibelheim geschickt worden war. Wie selbstständig wanderten Aeriths Hände zu der rosafarbenen Schleife, die sie im Haar trug. Zack hatte bei ihrem ersten Treffen darauf bestanden, ihr dieses Band zu schenken – als Dank dafür, dass sie ihn nach seinem Sturz wieder aufgeweckt hatte. Noch immer schmerzten die Erinnerungen an ihre glückliche Zeit mit Zack sehr, doch Aerith musste sich dennoch ein wenig zwingen, ihre Gedanken auf das erste Aufeinandertreffen mit Cloud zu richten. Das erste Mal hatte sie ihn gesehen, als sich ganz Midgar in Aufruhr befunden hatte. Avalanche, eine Rebellengruppe, die sich dem Schutz des Planeten und dem Kampf gegen den allmächtigen Energiekonzern ShinraInc verschrieben hatte, hatte einen der acht Mako-Reaktoren Midgars in die Luft gesprengt, was zu einer regelrechten Massenpanik geführt hatte. Aerith hatte sich zu diesem Zeitpunkt in Sektor 8 befunden, wo sie Blumen hatte verkaufen wollen – eine Geschäftsidee, die einst Zack gehabt hatte. Dank Shinras skrupelloser, umweltverschmutzender Energiepolitik gab es kaum noch Pflanzen in Midgar, weshalb die Menschen bereit waren, einiges für einen Strauß schöner Blüten zu zahlen. Als plötzlich der gewaltige Explosionsknall die geschäftige Metropole erschüttert hatte und die Panik ausgebrochen war, hatte Aerith sich sogleich auf den Heimweg gemacht, denn die Angst, die wie eine Dunstglocke über der Stadt gehangen hatte, hatte sich auch des geschäftigen Blumenmädchens bemächtigt. Doch der Schreck war Aerith erst richtig in die Glieder gefahren, als sie plötzlich eine Gestalt entdeckt hatte, die sich langsam auf sie zu bewegt hatte. Wegen des staubigen Drecks, der von der Explosionswelle aufgewirbelt worden war und nun in der Luft gehangen hatte, war die näherkommende Person zunächst nur verschwommen zu erkennen gewesen und Aerith hatte lediglich gesehen, dass es sich um einen Mann gehandelt hatte, der die schwarze Uniform eines Soldaten ersten Ranges getragen und ein gewaltiges Breitschwert geschultert hatte. Die Art wie die Schattengestalt sich bewegt hatte, hatte Aerith so sehr an ihren verschollenen Freund erinnert, dass ihr Herz wie wild zu schlagen begonnen hatte. Doch als sich allmählich immer mehr Details aus dem Schmutzschleier herausgeschält hatten, hatte Aerith erkennen müssen, dass es sich bei dem Fremden nicht um Zack gehandelt hatte. Dennoch hatte so etwas wie Erkennen in den Augen des blonden Soldaten aufgeblitzt, als Aerith ihn angesprochen hatte, um zu erfahren, was vorgefallen war. Anstatt ihr eine Erklärung zu geben, hatte er ihr jedoch lediglich geraten, möglichst schnell nach Hause zu gehen. Dass der Fremde zu der für das Chaos verantwortlichen Rebellengruppe gehörte, hatte Aerith erst viel später erfahren. Sie hatte sich damals auch nicht darüber gewundert, dass Cloud anscheinend genau gewusst hatte, was passiert gewesen war und dass Shinras Kampftruppen bereits auf dem Weg nach Sektor 8 gewesen waren. An diesem Abend hatte Aerith an nichts anderes denken können als an Zack und die bohrende Angst, die ihre Vision von seinem Tod bei ihr hinterlassen hatte. Normalerweise schaffte sie es erstaunlich gut, jeden Gedanken an ihren ersten Freund zu verdrängen, doch die Begegnung mit Cloud, der Zack so unerträglich ähnlich war, obwohl sie so unterschiedlich aussahen wie nur irgend möglich, hatte die sorgsam verschlossenen Wunden wiederaufgerissen. Nur einen Tag später waren Aerith und Cloud erneut aufeinander getroffen, was die Verwirrung der jungen Blumenfrau perfekt gemacht hatte. Es war weniger die Tatsache, dass sie Cloud zweimal in so wenig Zeit begegnet war, als vielmehr die Art und Weise gewesen, die Aerith so irritiert hatte. Sie hatte gerade Blumen für ihre nächste Verkaufstour gesammelt, als der blonde Soldat vom vorangegangenen Abend durchs Dach der Kirche gestürzt und im Beet gelandet war. Für einen Moment war Aerith so erschreckt gewesen, dass ihr die frappierende Ähnlichkeit zu ihrer ersten Begegnung mit Zack gar nicht aufgefallen war, doch dann hatte die Erinnerung umso brutaler zugeschlagen. Um sich selbst von den schmerzhaften Bildern in ihrem Kopf abzulenken, war Aerith zu Cloud herüber geeilt und hatte sich über ihn gebeugt, um ihn notfalls mit ein paar Ohrfeigen aus seiner Ohnmacht aufzuwecken. Doch ihr Schatten war kaum auf sein Gesicht gefallen, da hatten auch schon Clouds Lider gezuckt. Blinzelnd hatte der junge Mann zu der über ihm Knieenden aufgeblickt und geflüstert: „Mutter?“ Seit jenem Nachmittag war so viel passiert, dass Aerith kaum Zeit geblieben war, darüber nachzudenken, dass die beiden Begegnungen mit Zack und Cloud in der Slum-Kirche nicht nur ähnlich, sondern nahezu identisch gewesen waren. Doch sie hatte gleich gespürt, dass es nicht bloß Zufall gewesen war, dass Cloud auf beinah dieselbe Art in ihrer Kirche gelandet war. Sie konnte nur noch nicht einschätzen, was ihr Schicksal ihr mit dieser Fügung sagen wollte. Sollte sie mit Cloud die Chance bekommen, die sie mit Zack nie gehabt hatte? Oder würde er ihr lediglich dabei behilflich sein, endlich Gewissheit über den Verbleib ihres Freundes zu bekommen? Gedankenversunken ging Aerith um das Bett herum und strich sachte über das Heft von Clouds Schwert, das er achtlos gegen die Wand gelehnt hatte. Wie sehr sie sich doch wünschte, das mächtige Breitschwert könnte reden! Als sie nach seinem Sturz in die Kirche Clouds gewaltige Waffe erkannt hatte, hatte sie der Schlag getroffen. Denn es bestand keinerlei Zweifel daran, dass Zack früher dieses Schwert geführt hatte. Aerith konnte sich noch gut an die Situation erinnern, in der sie es das erste Mal in seinen Händen gesehen hatte: An jenem Tag war Zack entgegen seines ansonsten so sonnigen Gemüts mit niedergeschlagener Miene und hängenden Schultern in der Slum-Kirche aufgetaucht. Obwohl er ein überaus kräftiger Mann gewesen war und das gewaltige Panzerschwert mit einer Hand hatte führen können, hatte es den Anschein gehabt, dass das Gewicht seiner neuen Waffe ihn fast erdrückt hatte. Als Aerith eine Bemerkung dazu gemacht hatte, hatte sich der traurige Ausdruck in Zacks blauen Augen noch verstärkt und seine Freundin hatte lieber schnell das Thema gewechselt. Während sie über ihre Pläne für einen Blumenwagen, den Zack für sie hatte bauen wollen, geplaudert hatte, hatte er sich mit dem Rücken zu ihr auf den Boden gesetzt und ins Leere gestarrt. Zunächst hatte Aerith das sonderbare Verhalten ihres Freundes ignorieren wollen, um ihm die Möglichkeit zu geben, von selbst zu ihr zu kommen und mit ihr über seine Sorgen zu sprechen, doch als sein herzzerreißendes Schluchzen an ihre Ohren gedrungen war, hatte sie sich ohne darüber nachzudenken an seinen breiten Rücken geschmiegt und ihn tröstend in die Arme genommen. Nachdem er sich ein wenig beruhigt hatte, hatte Zack ihr erzählt, dass sein Mentor Angeal, Produkt und Opfer von Shinras skrupellosen Menschenversuchen, an jenem Tag ums Leben gekommen war und sein Panzerschwert als Zeichen seiner fortlebenden Träume und Ehre an Zack vererbt hatte. Wie nur war dieses Schwert in Clouds Besitz gelangt?! Aerith erinnerte sich daran, dass Zack ihr früher des Öfteren von einem etwa gleichaltrigen Infanteristen namens Cloud erzählt hatte. Zacks Berichten zufolge hatten die beiden jungen Männer einige Missionen gemeinsam durchgestanden und waren schon seit ihrer ersten Begegnung durch eine innige Freundschaft miteinander verbunden gewesen. Doch konnte es sich bei dem schlafenden Mann vor ihr tatsächlich um diesen Freund handeln? Der Cloud, mit dem sie sich nun auf Reisen befand, schwor Stein und Bein darauf, vor seinem Söldnerdasein Mitglied von Shinras Elitesoldatentruppe gewesen zu sein und sogar den äußerst seltenen ersten Rang bekleidet zu haben – genau wie Zack vor seinem Verschwinden. Außerdem schien Cloud Zack überhaupt nicht zu kennen, was Aerith angesichts der geringen Anzahl an Soldaten ersten Ranges ziemlich merkwürdig fand. Bislang hatte sie immer geglaubt, diese kleine elitäre Gruppe würde sich untereinander besser kennen als so manche Familie. Doch als sie Cloud von Zack erzählt hatte, hatte er keinerlei Reaktion gezeigt und kopfschüttelnd erklärt, er hätte noch nie von einem Soldaten mit diesem Namen gehört. Hätte Cloud nicht das Erkennungszeichen der mit einer besonderen Prozedur behandelten Soldaten Shinras gehabt – hellblau funkelnde, Mako durchtränkte Augen – hätte Aerith ihm kein einziges Wort geglaubt. Es fiel ihr so schon sehr schwer, ihre Zweifel an Clouds Geschichte zu verdrängen. Irgendetwas an diesem Mann war merkwürdig. Er war von einer sonderbaren Aura umgeben, hinter die sein eigentliches Selbst wie ein Schatten zurückzutreten schien. Wenn Aerith die Augen zusammenkniff, konnte sie das Cloud umgebende Kraftfeld beinah sehen und manchmal hatte sie das Gefühl, es nähme Zacks Statur und Züge an. Doch sobald sie genauer hinsah, löste sich der Schemen augenblicklich auf und Aerith war sich sicher, sich alles nur eingebildet zu haben. Mit einem leisen Seufzen holte die junge Frau Luft und warf einen letzten Blick auf den schlafenden Blonden. Eines Tages würde sie sein Geheimnis schon noch enträtseln und herausfinden, in welcher Beziehung er zu ihrem schmerzlich vermissten Zack stand. Doch nun war es allerhöchste Zeit, wieder ins Bett zu gehen. Bei Sonnenaufgang wollte die siebenköpfige Gruppe endlich nach Gongaga aufbrechen, nachdem sie fast einen Tag verloren hatte, da alle Mitglieder nach einem Missverständnis mit der Leitung des GoldSaucers in Corels Wüstengefängnis inhaftiert worden waren. Erst Clouds beherzter Einsatz und sein Sieg beim heutigen Chocobo-Rennen hatten die Truppe aus ihrer Misere retten können. Aerith fröstelte bei dem Gedanken an ihr nächstes Reiseziel. Zack war in Gongaga geboren worden und soweit Aerith wusste, lebte seine Familie noch immer dort. Vielleicht würde sie schon am nächsten Tag endlich erfahren, was aus ihrer großen Liebe geworden war. Möglicherweise war Zack ja nach seiner Nibelheim-Mission nach Hause zurückgekehrt und sie würde sogar die Möglichkeit haben, ihn zu sehen… Während sie auf leisen Sohlen zurück zu ihrem eigenen Bett schlich, musste sie sich jedoch eingestehen, dass ihr diese Möglichkeit fast genauso große Angst machte wie der Gedanke daran, womöglich aus sicherer Quelle von seinem Tod berichtet zu bekommen. So sehr sie sich auch bemühte, sie vermochte nicht zu sagen, was ihr mehr wehtun würde: Gewissheit zu haben, dass ihre Liebe tot war oder zu erfahren, dass er irgendwo glücklich vor sich hin lebte und sie längst vergessen hatte. Mit brennenden Augen presste Aerith die Kiefer aufeinander und starrte auf dem Rücken liegend an die dunkel gestrichene Decke. Morgen, das wusste sie genau, würde einer der wohl schwersten Tage in ihrem Leben werden. Doch vielleicht würde sie es endlich schaffen, einen Abschluss zu finden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)