Sünde von Labrynna ================================================================================ Kapitel 40: Gregor ------------------ „Ja, natürlich pass ich auf mich auf. Du aber auch auf dich, okay?“ „Sicher.“ „Gut. Und grüß Mel von mir. Wünsch ihr viel Spaß in England.“ „Warum machst du das nicht einfach selbst? Ruf sie doch –“ „Sorry, Paps, aber ich muss jetzt Schluss machen. Herr Friedrichs ist gerade rein gekommen. Mach’s gut.“ Mit diesen Worten beendete ich das Gespräch mit meinem Vater, bevor er auch nur den Hauch einer Chance gehabt hatte, zu antworten. Paps war das einzige Familienmitglied, mit dem ich telefonierte seit ich hier im Internat war. Mel hatte ich in dem ganzen halben Jahr kein einziges Mal mehr gesprochen. Ich hatte immer befürchtet, dass der Klang ihrer weichen Stimme meine Wunden unnötig aufreißen und den Heilungsprozess verzögern könnte – so fern man bei der Überwindung von kranken Gefühlen überhaupt vom Heilen sprechen konnte. Das einzige Medium, über das ich Kontakt zu meiner Schwester hielt, waren die guten, alten, handschriftlich verfassten Briefe. Seit wir Beide in einer Beziehung lebten, hatten diese jedoch auch langsam, aber stetig abgenommen. Anfangs hatte meine Schwester mehrfach versucht, mich anzurufen, da ich jedoch nie abgehoben hatte, hatte sie es irgendwann aufgegeben. Mit meiner Mutter hatte ich in all den Monaten auch kein einziges Mal telefoniert. Ich hatte stets Bedenken gehabt, dass sie vielleicht am liebsten gar nichts mehr von mir hören wollte, und sie hatte nicht einmal den Versuch unternommen, mich zu erreichen. Vroni sah mich überrascht an und grinste schelmisch. „Du hast gerade deinen Vater belogen.“ Herr Friedrichs lag seit ein paar Tagen mit Sommergrippe im Bett, weshalb die ersten beiden Stunden ausfielen. „Stimmt. Hast du das früher nie getan?“ Ein dunkler Schatten huschte über ihr Gesicht und ich wünschte, ich hätte diese Frage nicht gestellt. Doch als sie antwortete, klang ihre Stimme ruhig und sicher wie immer: „Zeig mir einen Teenager, der seine Eltern nicht von Zeit zu Zeit beschummelt.“ Sie reckte sich, wobei sie einen kleinen Katzenbuckel machte und das bunte Licht, das durch die farbige Fensterscheibe fiel, witzige Muster auf ihr wirres Haar warf. Liebevoll strich ich ihr mit einem Finger über das vom Schlaf leicht zerknautscht wirkende Gesicht, was ein glückliches Lächeln auf ihre Lippen zauberte. Die letzte Nacht hatte sie bei mir verbracht, auch wenn wir uns in all der Zeit bis auf ein bisschen Gefummel noch nicht wirklich näher gekommen waren. Meine grenzenlose Zurückhaltung musste langsam stark an ihrer Geduld zehren und war sicher Wasser auf den Mühlen ihres Bruders, der noch immer versuchte, Vroni davon zu überzeugen, dass ich sie nicht liebte. Obwohl ein Teil von mir fast hoffte, dass sie ihn endlich erhören würde, zog sich mir allein bei dem Gedanken daran, dass ich sie verlieren könnte, der Magen zusammen. Selbst wenn unsere Freundschaft bestehen bliebe, täte es mir ehrlich weh, auf sie als Partnerin verzichten zu müssen. Der kleine, schwache, unscheinbare Gregor in mir, der nicht vollkommen verrückt nach Mel war, war schwer verliebt in Vroni. Ohne darüber nachzudenken, was ich tat, zog ich sie in meine Arme und ließ meine Lippen an ihrem Hals entlang bis zu ihrem Ohrläppchen wandern. „Hab ich dir schon mal gesagt, dass du so verschlafen echt heiß aussiehst?“ Meine Stimme klang selbst im Flüsterton ein wenig belegt. Vroni kicherte verlegen und versuchte sich in meiner Umarmung so zu drehen, dass sie mir das Gesicht zuwandte. „Nein, hast du nicht. Aber vermutlich liegt das daran, dass du mich bisher nur geduscht und gestriegelt zu Gesicht bekommen hast.“ Mit einer liebevollen Geste strich sie mir ein paar Ponyfransen aus der Stirn und küsste mich sanft auf die Nase. „Und damit du dich nicht zu sehr an mein zerknautschtes Aufstehgesicht gewöhnst, spring ich jetzt direkt unter die Dusche. Also: Lass mich aufstehen.“ Schelmisch grinsend schüttelte ich den Kopf und blickte ihr tief in die Augen. Während ich mit Genugtuung registrierte, dass sie dies rot werden ließ, stellte ich fest, dass ich mich an diesem Morgen gar nicht so sehr anstrengen musste wie sonst, um mich auf den „Vroni-Teil“ meines Herzens zu konzentrieren. „Nein?“, fragte sie mit zitternder Stimme. „Nein.“ Mein Puls raste als wäre ich Hunderte Treppen hinauf gehastet und ich spürte, dass meine Augen vor Aufregung übermäßig leuchteten. Nervös befeuchtete Vroni ihre Lippen, was mir einen warmen Schauer durch den Körper rieseln ließ. „Was hast du vor?“ Ein heißes Ziehen hatte sich in meinen Lenden zusammen geballt und ich war allein von dem Gedanken, was alles geschehen konnte, so erregt, dass meine Hände heftig zitterten, als ich Vronis Gesicht zärtlich umfasste. „Komm her, dann zeig ich’s dir.“ Und dann passierte es einfach.... All die Zeit hatte ich befürchtet, Mel vor meinen Augen zu haben, wenn ich Vronis Drängen nachgeben und mit ihr schlafen würde, doch als ich diesen Schritt endlich wagte, war es ganz anders als erwartet. Mein Kopf war vollkommen leer und leicht. Ich wusste überhaupt nicht, an was beziehungsweise ob ich überhaupt an irgendetwas dachte, während ich Vronis seidenweiche Haut über meine strich und ich ihre Hitze überall um mich herum fühlte. Ich schien meinen Geist irgendwo auf dem Weg von den ersten drängenden Küssen bis hin zum hastigen Abstreifen der Kleidung verloren zu haben. Vielleicht beanspruchte aber auch die Verarbeitung der immer intimer werdenden Berührungen einfach so viel Platz in meinem Hirn, dass einfach kein Raum mehr für etwas anderes geblieben war. Jedenfalls hatte ich das Gefühl, nur noch aus meinem Körper zu bestehen, der jedes sanfte Streicheln mit gesteigerter Intensität wahrnahm. Als es vorbei war, rollte ich mich laut keuchend von Vroni herunter, die sich sofort mit einem wohligen Schnurren an meine Seite kuschelte. Das Gefühl ihrer vollen, nackten Brüste auf meiner Haut ließ meinen Körper bereits jetzt schon wieder erbeben. „Na? War das jetzt so schlimm?“, neckte sie mich mit liebevoller, aber leicht atemloser Stimme, während sie mir mit der Hand über meinen flachen Bauch strich. „Nicht wirklich.“ Angesichts dieser Untertreibung konnte ich mir ein Grinsen nicht verkneifen. Es war wunderbar gewesen – anders als ich es mir immer vorgestellt hatte, aber schön. In meiner Phantasie hatte beim Sex immer eine erfüllende Einheit aus Körper und Geist bestanden und nicht die despotische Herrschaft des einen Teils. Doch ich konnte nicht leugnen, dass sich die Realität einfach umwerfend angefühlt hatte. Dicke Schweißtropfen rollten von meiner Stirn und brannten mir in den Augen, aber ich war trotzdem zufrieden und fühlte mich grandios. In diesem Augenblick hätte ich sicherlich ganze Bäume ausreißen können. Denn zusätzlich zu den körpereigenen Glückshormonen, die durch meine Adern rauschten, war ich unglaublich stolz auf mich, dass ich diesen Schritt hatte gehen können, ohne von Mel verfolgt zu werden. Wenn ich jetzt schon in der Lage dazu war, mit Vroni zu schlafen, ohne an meine Schwester denken zu müssen, dann würden die Beiden sicherlich eines Tages ihre Plätze in meinem Herzen tauschen. In diesem Moment war ich mir sicher, dass dieser Tag gar nicht mehr so weit entfernt war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)