Sünde von Labrynna ================================================================================ Kapitel 25: Johannes -------------------- Die zu grell eingestellten Scheinwerfer stachen mir in den Augen, mir war zu warm und mein schweißgetränktes T-Shirt scheuerte unangenehm über meinen Rücken, doch trotzdem hätte ich mich nicht besser fühlen können. Das Adrenalin rauschte wie flüssiges Glück durch meine Adern und ließ die kleine Schulaula wie ein riesiges Stadion wirken. Ich liebte die Auftritte mit meiner Band und mir war nichts bekannt, das ähnlich toll gewesen wäre. Musik war trotz anfänglichen Missfallens auf Seiten meiner Eltern seit Jahren mein Leben. Die alte, abgegriffene E-Gitarre, die ich von meinem Onkel zu meinem zehnten Geburtstag bekommen hatte, war für mich beinah so etwas wie eine Lebensgefährtin und jedes Mal, wenn ich auf einer Bühne stand, wusste ich: Hier gehörte ich hin. Egal, wohin mein Leben mich noch führen würde, ich wusste, ich würde immer in irgendeiner Art und Weise mit Musik zu tun haben. Ich kniete auf den dreckigen, mit festgetretenen Kaugummis übersäten Brettern der improvisierten Bühne und baute gemeinsam mit meinen Bandkollegen unser Equipment ab, als mich plötzlich Matthias von hinten antippte. Matthias und ich kannten uns bereits seit der Grundschule und hatten gemeinsam vor zwei Jahren „Deep Green“ gegründet. Seitdem war er nicht nur einer meiner besten Freunde, sondern auch der Bassist an meiner Seite. „Wow, hast du das Sahneschnittchen da hinten gesehen?“ Matthias deutete ins mittlere Drittel der Aula und grinste anzüglich. Ich hob meinen Blick und schaute in Richtung des kleinen Getränkestandes, an dem neben Bier, Alcopops und Softdrinks auch ein paar unkomplizierte Cocktails verkauft wurden. Ein Stück neben der drängelnden und schubsenden Warteschlange standen zwei junge Mädchen, von dem eines aus großen, tiefblauen Augen in Richtung Bühne blickte. Anscheinend hatte es unseren rechtsseitigen Gitarristen Adam ins Visier genommen. Das Mädchen war eine langbeinige Schönheit mit strahlenden Augen, schlankem Körperbau und langen, rotblonden Haaren. Sicherlich hatte es schon einigen der anwesenden Jungs den Kopf verdreht, doch meine Aufmerksamkeit galt ausschließlich seiner Freundin. Sie war wenige Zentimeter kleiner als die hübsche Blondine und einfach wunderschön. Ihr schokoladenbraunes Haar hatte sie kunstvoll hochgesteckt, sodass nur ein paar vereinzelte Strähnen in fein geschwungenen Locken neben ihrem Gesicht hingen und es wie ein teures Gemälde einrahmten. Ihre Augen funkelten wie moosgrüne Sterne und ihr Mund hatte so perfekte Lippen, das mir alleine von ihrem Anblick schwindelig wurde. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, wie es sich anfühlen musste, sie zu küssen. Plötzlich wandte das Mädchen den Kopf und blickte direkt zu mir herauf. Schnell schaute ich wieder auf die Kabel zu meinen Füßen und tat als wäre ich schrecklich beschäftigt. Irgendetwas an diesem Mädchen kam mir seltsam vertraut vor, so als hätte ich es bereits einmal gesehen, doch ich kam einfach nicht drauf, wo das gewesen sein könnte. Vielleicht war es mir irgendwann mal im Schulflur über den Weg gelaufen? Nein, daran hätte ich mich bestimmt erinnert. „Welches von den beiden Mädchen meinst du denn?“, fragte ich Matthias, obwohl ich es mir schon denken konnte. Ich kannte seinen Geschmack schließlich schon seit Jahren. „Die Blondine.“ Er grinste wieder so breit, dass man fast seine Backenzähne sehen konnte. „Die Brünette ist zwar auch echt hübsch, aber irgendwie hat sie etwas fades, langweiliges an sich.“ Bevor ich protestieren und anmerken konnte, dass Matthias nur so dachte, weil er keinen Blick für subtilen Sexappeal hatte, gesellte sich unser Schlagzeuger Sam zu uns und brummte: „Von der Brünetten würde ich sowieso die Finger lassen.“ Irritiert zog ich die Augenbraunen hoch und fragte in möglichst beiläufigen Ton: „Wieso das?“ „Das ist die Schwester von Gregor Klare. Widerlicher Typ. Kennt ihr den? Der hat letztes Jahr für unsere Schule an der Naturwissenschaftsparade teilgenommen. Das ist so ein richtiger Wichtigtuer, der sich unglaublich viel auf seine guten Noten und sein hübsches Gesicht einbildet. So schön kann gar kein Mädchen sein, dass ich den dafür ertragen würde...“ Gregor? Gregor Klare? Irgendwo tief in mir klopfte eine dunkle, halb verschüttete Erinnerung an meinen Geist und plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen. „Melanie!“ Während ich mir mit der flachen Hand gegen die Stirn schlug und mich darüber wunderte, warum es mir nicht vorher eingefallen war, wurde ich von zwei irritierten Augenpaaren gemustert. Ich wandte mich mit einem belustigten Grinsen an Sam: „Ich war früher mal mit Gregor befreundet.“ Schlagartig wurde der ansonsten so toughe Drummer ein wenig blass und sah mich zerknirscht an. Bevor er sich dafür rechtfertigen konnte, schlecht über einen meiner ehemaligen Freunde geredet zu haben, fuhr ich jedoch bereits weiter fort: „Er ist überhaupt nicht so eingebildet und arrogant wie er von Weitem wirkt. Eigentlich ist er sogar richtig nett, aber das tut jetzt ja auch gar nichts zur Sache. Mir ist nur gerade wieder eingefallen, dass seine Schwester Melanie heißt. Er hat immer viel von ihr erzählt.“ Ich wandte meine Aufmerksamkeit wieder dem brünetten Mädchen zu. Jetzt war mir auch klar, warum es mir so bekannt vorgekommen war. Melanie hatte ab und zu einen ihrer Elternteile begleitet, wenn dieses Greg von Chris abgeholt hatte. Chris war damals mein Nachbar gewesen und obwohl uns zwei Jahre Altersunterschied trennten, hatte uns die gemeinsame Liebe zum Basketball zu Freunden werden lassen. Vor etwa vier Jahren war meine Familie jedoch umgezogen und ich hatte sowohl Chris als auch Greg aus den Augen verloren. „Sie sieht ihrem Bruder kein Stück ähnlich.“, überlegte ich laut, was Sam ein belustigtes Schnauben entlockte. „Niemand sieht aus wie Gregor.“ Matthias grinste schief, was seine Zähne in dem grellen Scheinwerferlicht aufblitzen ließ. „Wo hast du den klugen Spruch denn her?“ Sam zog ein unglückliches Gesicht und knuffte Adam, der sich zu uns setzte, zur Begrüßung gegen die Schulter. „Von meiner Schwester.“ Ein unterdrücktes Lachen ging durch die Reihen, was sogar Peter, unseren zweiten Gitarristen, anlockte. Er setzte sich auf eine noch nicht weg geräumte Box und versuchte, herauszufinden, über was wir uns so amüsiert hatten. Sam blickte missmutig, fuhr aber fort: „Sie war letztes Jahr mal total in ihn verschossen und kreuzunglücklich, weil er sich einfach nicht für sie interessierte.“ Unwillkürlich fragte ich mich, ob Sam deswegen so schlecht auf Greg zu sprechen war. „Als ich ihr gesagt habe, sie solle sich den Typen doch einfach aus dem Kopf schlagen und sich nach einem anderen Jungen umsehen – andere Mütter haben schließlich auch schöne Söhne – hat sie mich angekeift, dass es vielleicht noch andere heiße Jungs gäbe, aber keiner aussähe wie Gregor.“ Trotz seiner tiefen Stimme konnte er die Tonlage seiner jüngeren Schwester überraschend gut imitieren. Peter grinste breit und nickte. „So ähnlich kenn’ ich das auch.“ Matthias riss ein Stück Tape von den Holzdielen der Bühne und rollte ein wenig genervt mit den Augen. „Ich frage mich, ob es an dieser Schule einen Jungen gibt, dessen Schwester nicht irgendwann mal in Gregor Klare verliebt war.“ Ich schubste Matthias leicht zur Seite. „Natürlich. Du kennst sogar einen: Mich!“ Ein trockenes, unamüsiertes Lachen machte die Runde. „Das könnte daran liegen, dass du ein Einzelkind bist, Blödmann.“ Grinsend schwang ich mich auf die Füße und strebte auf die Jungentoilette in der Nähe zu, um mir zumindest grob den inzwischen ekelig klebenden Schweiß abzuwaschen und mein sicherlich stinkendes T-Shirt gegen einen frischen Pullover auszuwechseln. Als ich wieder in die Aula kam, stand Melanie noch immer in der Nähe der Theke und schien sich mit ihrer Freundin zu unterhalten. Mein Herz schlug und wummerte in meiner Brust, so als hätte ich gerade eine Sportstunde bei Herrn Westphal, dem schuleigenen Sklaventreiber, hinter mir. Durch tiefe, gleichmäßige Atemzüge versuchte ich, es wieder zu beruhigen, doch die Nervosität war zu groß. Zum wiederholten Mal wischte ich meine schwitzigen Hände an meiner Jeans ab und trat dann neben Melanie, die mich aus neugierigen Augen ansah. Um meine Verlegenheit zu überspielen, grinste ich sie breit an. Erstaunt stellte ich fest, dass sie aus der Nähe sogar noch umwerfender aussah als ich gedacht hatte. Eine ganze Palette platter Anmachsprüche schoss mir durch den Kopf, doch ich verwarf sie alle. Stattdessen fragte ich: „Du bist die kleine Schwester von Greg, oder? Melanie?“ Während die Angesprochene mich irritiert ansah und überrascht blinzelte, bemerkte ich, dass ihre Freundin mich beinah feindselig musterte. Ich fragte mich, was sie wohl gegen mich hatte. Hatte ich womöglich Mundgeruch? Mit Erleichterung fiel mir wieder ein, dass ich mittags doch auf den Döner mit extra Zwiebeln verzichtet hatte. Melanie legte den Kopf ein wenig schief und zartes Misstrauen schlich sich in ihre Züge. Sofort schlug mein Herz noch heftiger. Hätte ich vielleicht doch nicht so mit der Tür ins Haus fallen sollen? Doch als sie sprach, war ihre Stimme weich und trotz der Worte frei von Argwohn: „Möglich. Wie kommst du drauf?“ Schnell erklärte ich ihr, dass ich früher mal mit ihrem Bruder befreundet gewesen war. Während ich sprach, wiegte sie scheinbar unbewusst den Kopf hin und her und grübelte. Ich stellte mich vor und reichte ihr die Hand. Als sie mich berührte, pulsierten heftige elektrische Stöße durch meinen Körper und ich konnte an einem kurzen Flackern in Melanies Augen ablesen, dass ihr genau in diesem Moment einfiel, dass Greg mich mal erwähnt hatte. Wir lächelten uns gegenseitig an und mir ging das Herz auf. Doch bevor ich das Gespräch weiter vertiefen konnte, bohrte sich der eisige Blick von Melanies Freundin in mich, was mich ein wenig zusammenzucken ließ. Schließlich keifte die Blondine: „Ich komm gleich wieder.“ und verschwand, ohne Melanie die Möglichkeit zu einer Antwort zu geben. Nur schwer konnte ich den Reflex unterdrücken, die Nase zu rümpfen. Ich hasste zickige Mädchen. Auch wenn ich froh war, mit Melanie allein zu sein, wollte ich nicht, dass sie mich für kalt oder gefühllos hielt. Deswegen sagte ich: „Hab ich sie jetzt vertrieben? Das tut mir leid.“ Zu meiner Überraschung winkte Melanie einfach ab und erklärte, dass dieses Verhalten normal für das andere Mädchen war. Irgendwie gefiel mir ihre entspannte Art noch besser als ihr hübsches Aussehen. Ohne weiter darüber nachzudenken, verfiel ich in ein lockeres Flirten: „Vielleicht denkt sie ja auch, ich wolle dich anmachen, und glaubt, ich traue mich nicht, so lange sie dabei ist.“ Ein hintergründiges Lächeln breitete sich auf Melanies Gesicht aus. „Nein, glaub mir: Wenn sie denken würde, du wollest mich anmachen, wäre sie geblieben.“ Ihr Grinsen verriet, dass sie sich über irgendeinen geheimen Gedanken amüsierte, den sie mir auch trotz Nachfrage nicht verraten wollte. Plötzlich setzte eine ohrenbetäubend laute Musik ein, die hämmernd aus mehreren dunklen Boxen in den Ecken der Aula drang. Offenbar hatte endlich jemand das gemietete Soundsystem in den Griff bekommen. Leider machte die Lautstärke jedes Gespräch unmöglich. So sehr ich Musik normalerweise liebte, so sehr ging sie mir in diesem Moment auf die Nerven. Ein wenig zaghaft beugte ich mich zu Melanie vor, damit sie mich auch über den Krach hinweg verstand. „Wollen wir vielleicht trotzdem ein wenig in die Chill-Out-Area? Da kann man sich besser unterhalten.“ Stumm verfluchte ich denjenigen, der die Musikanlage angeschmissen und mich so zu diesem etwas gewagten Schritt gezwungen hatte. Doch bereits ein paar Sekunden später hätte ich denjenigen am liebsten geküsst. Melanie lächelte mich warm an und nickte: „Gerne.“ Nur mit Mühe schaffte ich es, ein lautes Jubeln zu unterdrücken. Als wir den umfunktionierten Kunstraum betraten, fragte ich mich, wer sich hier entspannen können sollte. Das Licht war eher schummerig als gedämpft und der Großteil der Möbel sah aus als ob man jeden Moment damit rechnen musste, dass sich eine scharfkantige Sprungfeder in den Hintern des darauf Sitzenden bohren würde. Alles in allem wirkte der Raum eher wie eine Müllhalde mit Puffbeleuchtung als wie ein kuscheliger Rückzugsort. Als ich mich neben Melanie auf eines der besser aussehenden Sofas setzte, entdeckte ich in der hintersten Ecke ein Pärchen, das den Begriff Puffbeleuchtung offensichtlich ein wenig zu wörtlich nahm. Mit leisem Entsetzen stellte ich fest, dass es sich bei dem Mädchen um meine Ex-Freundin handelte. Was hatte ich mir damals nur dabei gedacht, mit ihr auszugehen? Damit Melanie nicht glaubte, ich hätte sie hierher gelockt, um über sie herzufallen, brummte ich ein missbilligendes „Haben die Beiden kein Zuhause?“ Melanie warf einen schnellen Blick in die Ecke und lief augenblicklich rot an. Für einen kurzen Moment fragte ich mich, ob wir wieder gehen sollten, entschied mich dann aber doch dagegen. Hier war leider der einzige Ort, an dem man sich einigermaßen ungestört unterhalten konnte. Ich wandte mich ein wenig um, damit ich so saß, dass Melanie sich so drehen musste, dass das Pärchen aus ihrem Blickfeld verschwand, wenn sie mich ansehen wollte. Um es mir ein wenig bequemer zu machen, legte ich meinen Arm auf die Sofalehne. Ein wenig unsicher schob ich ihn über den ramponierten Bezugsstoff und hoffte, dass ich Melanie dadurch nicht zu nah kam. Zu meiner Überraschung lehnte sie sich jedoch sogar noch zurück, so dass ich ohne Probleme über ihre Schulter hätte streichen können. Um mich von derartigen Gedanken abzulenken, sprach ich sie schnell an. Leider fehlte mir dadurch die Zeit, mir etwas sinnvolles oder witziges einfallen zu lassen. Stattdessen fragte ich nach ihrem Bruder, was einen Schatten über ihr Gesicht huschen ließ. Offenbar wollte sie nicht über Greg sprechen. „Er hat die Schule gewechselt und geht jetzt auf ein Internat.“ In ihrer Stimme klang so viel Schmerz und Trauer mit, dass ich mich am liebsten geohrfeigt hätte. Schnell versuchte ich, die Kurve zu kriegen und möglichst elegant das Thema zu wechseln. „Das ist schade. Er war immer ein guter Basketballspieler. Ich hatte gehofft, ihn für unsere Schulmannschaft gewinnen zu können. Mein Onkel trainiert sie, weißt du?“ Erwartungsvoll schaute ich ihr ins Gesicht, doch sie sah an mir vorbei auf den Boden. Scheinbar wollte sie auch nicht über meine Familie reden. Ich fragte mich, ob ich sie schon verloren hatte, bevor ich die Gelegenheit gehabt hatte, sie richtig kennen zu lernen. Allein bei dem Gedanken daran breitete sich ein bitterer Geschmack in meinem Mund aus und ich spürte ein fieses Grummeln in meinem Magen – viel heftiger als bei den anderen Mädchen, die mir in meinem bisherigen Leben mal einen Korb gegeben hatten. Verzweifelt nahm ich meinen letzten Rest Mut zusammen. „Wenn du so schweigsam bist, machst du’s einem Jungen wirklich nicht leicht.“ Überrascht sah Melanie zu mir auf. In ihren Augen schimmerte eine seltsame Verletzlichkeit, die in mir den Wunsch weckte, sie in die Arme zu nehmen und vor der Welt zu beschützen. „Wie bitte?“ Sie blinzelte irritiert, so als könnte sie sich nicht denken, dass ich vermutlich so ziemlich alles dafür getan hätte, um mit ihr zu reden. „Eigentlich war die Frage nach deinem Bruder nur ein willkommener Vorwand, um dich anzusprechen. Ich hatte gehofft, dass wir vielleicht ein wenig ins Gespräch kommen.“, gestand ich mit zitternder Stimme. Während ich sprach, konnte ich Melanie nicht ins Gesicht sehen, weshalb ich keine Ahnung hatte, wie sie auf diese Offenbarung reagierte. Ängstlich angespannt wartete ich darauf, dass sie mich auslachen würde oder schlimmeres. Doch sie brachte nur ein leises „Oh.“ heraus. Mit neuer Hoffnung sah ich wieder auf und bemerkte, dass sich ihre Wangen gerötet hatten und nun in einem zarten Rosa leuchteten. Damit sah sie gleich noch um ein Vielfaches schöner aus. Am liebsten hätte ich versucht, sie zu küssen, hielt mich aber zurück. „Gut Ding will Weile haben.“, erinnerte ich mich. Nach schier endlosen Augenblicken fand Melanie endlich ihre Stimme wieder: „Das hatte ich auch gehofft. Ich war schon ein wenig enttäuscht, als du nach Greg gefragt hast.“ Wie während eines Auftritts strömte mir plötzlich pures Adrenalin durch die Adern und ich stieß einen erleichterten Seufzer aus. Die folgenden Minuten sprachen wir über Musik, Lieblingsfilme, Hobbys und dergleichen – lauter mehr oder weniger belangloser Kram und trotzdem kam es mir genauso spannend vor, als hätte Melanie mir den Sinn des Lebens erklärt. Doch plötzlich straffte sie mit einem erschrockenen Gesichtsausdruck den Rücken und schickte sich an, aufzustehen. Ich hatte keine Ahnung, was ihr plötzlich eingefallen war – Hatte sie womöglich einen Freund? – aber ich wusste, dass ich nicht wollte, dass sie ging, ohne zu wissen, dass ich sie wirklich bezaubernd fand und ich sie gerne noch näher kennen gelernt hätte. Mit all dem Mut, den ich zusammen kratzen konnte, nahm ich ihre Hand, die sich warm und samtweich in meiner anfühlte. Melanie sah mich überrascht an, machte aber keine Anstalten, mir ihre Hand zu entziehen, was mir ein wenig Hoffnung machte. „Darf ich dir etwas sagen?“ Ich hörte selbst, wie unsicher ich klang und verfluchte mich stumm dafür. Ich war doch kein kleiner Junge mehr! „Klar.“ Sie lächelte mich auffordernd an und mein Herz begann wieder zu hämmern und zu rasen, während ich mir die Worte zurechtlegte. Da mir jedoch keine der Formulierungen wirklich gefiel, platzte ich einfach damit heraus wie ich es empfand: „Du bist echt hübsch.“ Ein ungläubiger Ausdruck huschte über ihr Gesicht und Melanie sah mich an, als hätte ich ihr so eben erklärt, die Welt sei eine Pizza und sie die Peperonisalami. Doch dann lehnte sie sich mit einem entrückten Lächeln wieder zurück und verschränkte ihre Finger mit meinen, während sie mir so tief in die Augen sah, dass es mir heiß und kalt den Rücken herunter lief. Ich nahm mir vor, Matthias überschwänglich dafür zu danken, dass er mich auf Melanie aufmerksam gemacht hatte. Bei diesem Mädchen hatte ich einfach ein unbeschreiblich gutes Gefühl. Zwar glaubte ich nicht an die eine große Liebe, doch ich spürte, dass das hier etwas Besonderes werden könnte, wenn ich mich nicht zu blöd anstellte. Glücklich lächelnd strich ich Melanie mit dem Daumen über den Handrücken und freute mich auf den Weg, der vor uns lag. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)