Raupe im Neonlicht von Noxxyde ================================================================================ Kapitel 25 ---------- Was zuletzt geschah: Jonas und Erik sind entschlossen, ihre gemeinsamen Stunden voll auszukosten, müssen aber noch herausfinden, wo dabei ihre jeweiligen Grenzen liegen. So sehr sich Jonas nach körperlicher Nähe sehnt, so wenig kann er sie derzeit bedingungslos genießen. Gespräche müssen geführt und Kompromisse getroffen werden. Einer davon ist das Kuscheln vor dem Fernseher, selbst, wenn Erik dafür einen Horrorfilm ertragen muss. Glücklicherweise kann er sich in Jonas‘ schützende Arme flüchten.   Kapitel 25 Ein sanftes Rütteln, leise Worte. „Jonas.“ „Wa–?“ Verschlafen rieb sich dieser über die Augen. Sein Rücken schmerzte, die Naht des Sofakissens hatte sich in seine Wange gegraben. „Bin ich eingepennt?“ „Mhm.“ „Wie spät isses?“ „Kurz nach Mitternacht.“ „Fuck.“ Jonas rollte sich auf den Rücken und strich eine widerspenstige Haarsträhne aus seinen Augen. „Dann sollte ich jetzt echt los.“ Erik reichte ihm eine Hand, an der er sich hochziehen konnte. „Bleib doch heute hier.“ „Sicher? Musst du nich‘ lernen oder so?“ „Nicht mitten in der Nacht. Und ich werde auch nicht gleich durchfallen, nur weil ich mal einen halben Tag aussetze. Jetzt komm, ab ins Bett, du siehst total erledigt aus.“ „Okay. Danke.“ Noch ein wenig wacklig auf den Beinen und überrumpelt von dem spontanen Übernachtungsangebot, tapste Jonas hinter Erik ins Schlafzimmer. Erik zog sich aus, warf seine Klamotten achtlos auf den Boden und kroch leise über die Kälte fluchend unter die Bettdecke. Nur sein blonder Haarschopf und ein Paar neugieriger Augen spitzen noch heraus. „Willst du dich nicht zu mir legen?“ Der dicke Stoff dämpfte seine Stimme. Jonas war am Bettende stehengeblieben und beobachtete das Heben und Senken der Decke, die Eriks nackten Körper verbarg. „Kein Schlafanzug?“, fragte er. „In meinem Bett wird keine Kleidung getragen“, erwiderte Erik, zeigte jedoch ein verständnisvolles Lächeln, als Jonas nach einigen Sekunden noch immer keine Anstalten machte, sich ebenfalls seiner Klamotten zu entledigen. „Ich leihe dir gerne etwas, wenn du dich unwohl fühlst.“ „Ähm, nee, passt schon.“ Ein wenig nachdrücklicher schob Jonas hinter: „Eigentlich klingt nackt schlafen sogar ziemlich gut.“ Da mochte seine Mutter noch sehr der festen Überzeugung sein, nur Punks und anderes Gesocks würden auf Hygiene und damit auch auf Schlafanzüge pfeifen – es war längst überfällig, dass er anfing, nach seinen eigenen Regeln zu leben. Bevor er sich zu viele Gedanken über seine Mutter machen konnte, schlüpfte er aus seinen Klamotten und kuschelte sich zu Erik unter die inzwischen angenehm vorgewärmte Decke. Allerdings merkte er schnell, dass sich ‚schlafen‘ ziemlich schwierig für ihn gestaltete, wenn er nackt in den Armen eines ebenso nackten Manns lag. Eines nackten, erregten Manns. Eines nackten, erregten Manns, der sich verfickt noch mal ziemlich gut anfühlte. Jonas‘ Herz pochte so laut, dass er sicher war, selbst Erik musste es hören. „Scheiße, so wird das nix.“ „Entschuldige“, murmelte Erik. „Diesen Teil meines Körpers kann ich leider nur bedingt kontrollieren. Ich, ah, kann mich wegdrehen, falls du das möchtest.“ Schnaubend rollte sich Jonas auf Erik und drückte ihn mit seinem Gewicht in die Matratze. „Ich glaub, ich hab da ‘ne Lösung, die uns beiden wesentlich besser gefällt.“ Erik hob eine Braue. „Ist das so?“ „Japp.“ Jonas reckte den Hals, knabberte an Eriks Ohrläppchen und raunte: „Wir haben da noch was nachzuholen. Und ja, ich will das. Jetzt, hier und genau so.“ Seiner großspurigen Worte zum Trotz, legte sein Herz den nächsten Gang ein und lieferte sich ein Wettrennen mit seinem Magen. Ein Zittern ging durch seinen Körper und er konnte nicht sagen, ob Nervosität oder Vorfreude der Grund war. Vermutlich beides. Glücklicherweise boten Eriks Hände, die über Jonas‘ Rücken strichen eine gute Ablenkung, kneteten erst den Stress aus seiner Schultermuskulatur und arbeiteten sich von dort tiefer, bis sie an seinem Hintern stoppten. „Ist das in Ordnung?“ Offenbar wertete er Jonas‘ zufriedenes Seufzen als Zustimmung, denn sein Griff wurde fester, fast schon besitzergreifend. So sehr er sich auch bemühte, Jonas gegenüber Geduld und Verständnis zu signalisieren, in Momenten wie diesem war sein Verlangen mehr als deutlich. Seine Hüften zuckten ungeduldig, wann immer seine Erektion gegen Jonas‘ rieb und er schnappte hungrig nach Jonas‘ Lippen, küsste ihn, als fürchtete er, es könnte das letzte Mal sein. Jonas‘ Atem ging stoßweise. Er genoss das Gefühl der Finger, die sich in seinen Hintern gruben, die Reibung zwischen ihren Körpern und die Zunge, die – wann immer sie lange genug von seinem Mund abließ – die empfindliche Stelle unterhalb seines Ohrs liebkoste. Eriks Haut war warm, die Muskeln darunter sehnig und hart. Der Protestlaut, den Erik ausstieß, als sich Jonas auf die Ellenbogen stützte und ihre Oberkörper voneinander trennte, entlockte ihm ein Lächeln. „Ich will sehen, was ich da anlange.“ Eriks Brust war unbehaart, seine Brustwarzen dunkel gegen die helle Haut. Jonas strich darüber und Erik erschauerte. „Empfindliche Stelle?“ „Mhm.“ „Schräg. Bei mir überhaupt nich‘.“ „Ist mir auch schon aufgefa–ah!“ Die Hand, die Jonas zwischen sie gemogelt hatte und die jetzt quälend langsam um Eriks Penisspitze kreiste, zeigte spürbar Wirkung. Erik schlang seine Beine um Jonas‘ Hüften und presste ihre Becken aneinander, ließ nicht zu, dass sie sich erneut trennten. Eine Hand an Jonas‘ Hintern, die andere an seinem Nacken, hatte er ihn fest im Griff, machte jedoch keine Anstalten, darüber hinaus die Führung zu übernehmen. Ihre Lippen fanden zu einem Kuss, der wiederholt von Stöhnen durchbrochen wurde. Mal Eriks, wenn Jonas seine Hand schneller bewegte, mal sein eigenes, wenn seine Erektion gegen Eriks Bauch oder Penis rieb. Schweißperlen bildeten sich auf seiner Haut, rannen herab und tropften auf Erik. Er hatte das Gefühl, nicht mehr zu wissen, wo ein Körper endete und der andere begann. Ihre Bewegungen wurden ungeduldiger, Eriks Nägel kratzten über Jonas‘ Rücken und Jonas biss ihm zur Antwort in die Schulter, ein kaum unterdrücktes Keuchen auf den Lippen. Das Bett knarzte, ein letztes Aufbäumen, dann wohlige Stille. „Gleichstand“, nuschelte Jonas und Erik lachte. „Habe ich verpasst, dass du das hier zum Wettbewerb erklärt hast?“ Schwerfällig stützte sich Jonas auf seine Arme, um Erik in die Augen sehen zu können. „Das heute war bloß ‘ne Übung. Nächstes Mal stoppen wir die Zeit und messen die Reichweite.“ „Mhm. Dann freue ich mich sehr auf unser nächstes Mal.“ „Zum Glück bist du ‘n guter Verlierer.“ Jonas sank zurück auf Eriks Brust. „Igitt. Pappig.“ Aber er war zu müde, um auch nur einen einzigen Muskel zu rühren. Widerwillig ließ er sich auf den Rücken rollen und beobachtete durch einen Schleier aus Erschöpfung Erik, der ein kleines Handtuch aus seiner Nachttischschublade zog und sich zunächst um Jonas und anschießend sich selbst kümmerte. Immer wieder fielen Jonas‘ Augen zu und die Pausen, bis er die Kraft aufbrachte, sie erneut zu öffnen wurden zunehmend länger. Irgendwann blieben sie ganz geschlossen.   Ein einzelner Sonnenstrahl, der seinen Weg durch einen schmalen Spalt in den Jalousien gefunden hatte weckte Jonas. Unwillig brummend verdeckte er seine Augen und versuchte, zurück in die angenehme Leere zu sinken, aus der er so rüde gerissen worden war. Die Erkenntnis, dass er nicht in seinem eigenen Bett lag und die gleichmäßigen Atemgeräusche zu dem Mann neben ihm gehörten, zerstörte diesen Plan unwiderruflich. Das Gesicht vor der hereinscheinenden Sonne abgewandt, machte Erik keine Anstalten, demnächst aufzuwachen. Auf dem Nachtkästchen neben ihm lagen ein Buch und seine Brille und Jonas fragte sich, wie lange der Arme noch wachgelegen hatte, nachdem er selbst schon lange ins Reich der Träume gewandert war. Bei Eriks Arbeitszeiten war halb eins vermutlich nicht unbedingt die Zeit, zu der er üblicherweise ins Bett fand. Darauf bedacht, Erik nicht zu wecken, rutschte Jonas vom Bett und schlurfte zu seiner Jeans, in deren Tasche sein Handy auf den morgendlichen Check wartete. Die kleine Anzeige am oberen Rand verriet ihm, dass es kurz nach Zehn war und sein Akku ein wenig Strom vertragen konnte. „Gehst du schon?“ Die völlig verschlafene Stimme zauberte ein Lächeln auf Jonas‘ Gesicht. „Nee, wollt nur mal gucken, wie spät’s is‘.“ „Ach so.“ Der blonde Schopf verschwand wieder unter seiner Decke. „Kann ich fix unter deine Dusche hüpfen?“ „Mhm.“ Jonas wollte grade die Badezimmertür hinter sich zu ziehen, als ihn Eriks inzwischen minimal fittere Stimme stoppte. „Im mittleren Schrank ist eine Ersatzzahnbürste. Die kannst du dir gerne nehmen.“ „Okay. Danke!“ Das heiße Wasser, das – anders als bei seiner eigenen Dusche – sogar mit Druck aus der Brause schoss, wirkte Wunder und vertrieb den letzten Rest Müdigkeit aus Jonas‘ Knochen. Seine Hände folgten den unsichtbaren Spuren, die Eriks Finger in der Nacht zuvor auf seinem Körper hinterlassen hatten. Er glaubte, noch immer den fremden Atem auf seiner Haut und die wohlige Wärme fühlen zu können, als sie sich danach aneinander gekuschelt hatten. War das die letzte Grenze gewesen? Erst hatten sie Orgasmen geteilt, nun das Bett. Was konnte jetzt noch folgen? Offen dazu zu stehen. Vor allen einzugestehen, dass er sein Leben mit einem Mann statt einer Frau teilen wollte. Vor seinen Freunden. Vor den Nachbarn. Vor seinen Eltern. Ein diffuses Flattern breitete sich in Jonas‘ Magen aus. Das Gefühl, einen Fehler gemacht zu haben, der für alle außer ihn selbst offensichtlich war. Jonas drehte das Wasser ab und versuchte, sich abzulenken, um die negativen Gedanken gar nicht erst zuzulassen. Am Ende war es der Anblick seiner Zahnbürste neben Eriks, der diese Herausforderung bewältigte. So lächerlich diese Kleinigkeit erscheinen mochte, wärmte sie Jonas besser, als die eben genommene Dusche. Wie konnte er sich für etwas schuldig fühlen, das so richtig aussah? Als Jonas nackt und ein wenig verlegen ins Schlafzimmer zurückkehrte, fand er das Bett verlassen vor. Das entfernte Klappern aus der Küche gab jedoch einen Hinweis, wohin sein Gastgeber verschwunden sein könnte. Rasch schnappte sich Jonas seine überall über dem Boden verteilte Kleidung, schlüpfte hinein und tapste dem Geräusch hinterher. „Morgen.“ „Guten Morgen.“ Erik stand vor der Anrichte und füllte Tee in eine Thermoskanne um. Er hatte auf ein Oberteil verzichtet und seine Jogginghose saß tief genug, um den Blick auf die Grübchen über seinem Po freizugeben. Ohne nachzudenken, ging Jonas in die Knie und hauchte Küsse darauf. Gemächlich arbeitete er sich von dort über die kleinen Erhebungen der Wirbelsäule bis zu Eriks Nacken. Der charakteristische Duft nach Sonne und trockenem Holz war durch eine natürliche, herbere Note ersetzt worden, die keine Spur weniger anziehend auf ihn wirkte. „Gut geschlafen?“, fragte Jonas. „Mhm.“ Erik drehte sich zu ihm um. Es war erstaunlich, wie jugendlich er mit Brille und offenen Haaren aussah. „Was ist mit dir?“ „Wie’n Baby.“ Spielerisch fuhr Jonas über die Brillenbügel. „Steht dir.“ Erik sagte nichts dazu, aber ein Hauch von Röte stieg in sein Gesicht. Kurzerhand schob er sich an Jonas vorbei. „Ich sollte auch kurz duschen. Da sind frische Brötchen im Ofen. Kannst du sie rausnehmen, falls der Alarm klingelt, bevor ich fertig bin?“ „Klar, kein Problem.“ Neugierig warf Jonas einen Blick darauf. „Hast du die etwa selbst gemacht?“, rief er, damit Erik ihn auch noch am Ende des Gangs hören konnte. „Wenn ich Zeit habe, backe ich montags für die ganze Woche vor und friere portionsweise ein.“ Die Badezimmertür schloss sich und kurz darauf setzte Wasserrauschen ein. Unterbrochen von gelegentlichen Kontrollblicken zum Ofen, vertrieb sich Jonas die Wartezeit mit seinem Handy. Seine Freunde waren fleißig gewesen und hatten noch vor zehn Uhr eine ausführliche Diskussion geführt, in die er sich besser einlesen sollte. „Da bin ich wieder.“ Erik hatte seine Jogginghose gegen einen Bademantel getauscht und rubbelte mit einem Handtuch über sein nasses Haar. Der Alarm seines Handys schrillte. „Ah, wenn das mal kein Timing ist.“ Er beugte sich über den Ofen, befreite die goldgebräunten und verführerisch duftenden Brötchen und trug sie zusammen mit zwei Tellern zum Küchentisch. „Hm. Daran hätte ich wohl früher denken sollen, aber magst du ein Frühstücksei dazu? Die Brötchen sollten eh noch ein paar Minuten auskühlen.“ Jonas schüttelte den Kopf. „Gut, dann schau ich mal, was der Vorratsschrank sonst so hergibt. Ich fürchte, ich gehöre zu diesen Leuten, die ganz grauenhaft ausführlich frühstücken. Wobei es in meinem Fall ja meistens eigentlich auch schon das Mittagessen ist. Was mich wohl zu einem Brunch-Fan macht. Deine Entscheidung, ob das nun besser oder noch schlimmer ist.“ Erik stellte Butter, Marmelade, Nutella und Käse auf den Tisch. „Irgendetwas, das du besonders magst? Vielleicht habe ich es da.“ Erneut schüttelte Jonas den Kopf. „Ah, willst du was zu trinken?“ „Passt schon …“ Stirnrunzelnd musterte Erik Jonas. „Ist alles in Ordnung? Du bist auf einmal so still.“ „Nee, ich … Fuck!“ Frustriert seufzte Jonas. „Meine Freunde wollen heute ins Kino und ich weiß nich‘, ob ich mitsoll.“ „Was spricht dagegen?“ Jonas verzog das Gesicht. „Zwei von ihnen waren dabei als ich … mit dem Typen im Tix … Das heißt, eigentlich weiß ich gar nich‘ so genau, ob sie noch da waren. Oder gesehen haben, dass ich … Jedenfalls wussten sie davor nich‘, dass ich … schwul … bin und wir haben uns seither auch nur kurz mal in der Uni gesehen. Bin ihnen aus dem Weg gegangen. Oder sie mir. Und ich weiß nich‘, wie sie reagieren. Und … ich hab Angst, es rauszufinden.“ Erik setzte sich neben Jonas und trank einen Schluck Tee. „Was ist denn das Schlimmste, das passieren könnte?“ „Dass sie mich scheiße finden?“, schlug Jonas vor. „Nichts mehr mit mir zu tun haben wollen?“ „In Ordnung, nehmen wir mal an, das passiert. Dann hast du zwei Freunde weniger. Aber kannst du Menschen, die dich aufgrund deiner Sexualität fallen lassen, also wegen etwas, auf das du keinen Einfluss hast und das niemandem schadet, wirklich als Freunde bezeichnen?“ „Vermutlich nich‘“, räumte Jonas ein. „Aber es fühlt sich trotzdem beschissen an.“ „Natürlich tut es das. Das Leben wäre deutlich einfacher, wenn wir uns einfach so von der Meinung anderer lösen könnten.“ „Du sagst also, dass ich hingehen sollte.“ Langsam schüttelte Erik den Kopf. „Ich sage nur, dass du dir überlegen solltest, wie sehr du dich von deinen Ängsten leiten lassen willst. Manchmal sind sie ein guter Ratgeber, oft genug nicht.“ Er verzog das Gesicht. „Übrigens ist mir klar, dass das ein Ratschlag ist, den man leichter erteilt als befolgt.“ Jonas überflog noch einmal den Nachrichtenaustausch seiner Freunde. Wenn sie gewollt hätten, hätten sie ihn auch einfach ausschließen können. Also mussten sie ihn dabeihaben wollen, oder nicht? „Ach, scheiß drauf, ich sag jetzt zu!“ Eilig tippte er seine Antwort und verschickte sie, bevor er es sich anders überlegen konnte. Allerdings schwirrte ihm jetzt etwas anderes im Kopf herum. „Ähm …“ „Ja?“, fragte Erik geduldig. „Wir … Wir haben nie wieder über diesen Abend gesprochen an dem ich … Also …“ Erik hob die Hand und Jonas verstummte. „Von meiner Seite aus, müssen wir das auch nicht mehr besprechen“, erklärte er. „Bist du sicher?“ Zweifelnd musterte Jonas Erik. Seiner Meinung nach klang dieser bei weitem nicht so entspannt, wie er vorzugeben versuchte. „Wie gesagt, wir hatten nie über Exklusivität gesprochen, also wäre es unsinnig von mir, dir daraus einen Vorwurf zu machen. Oder aus deinem Date mit dem … anderen.“ „Oh. Ja. Den gab’s auch noch.“ Immerhin war jetzt mehr als deutlich, dass Erik sich sehr wohl daran störte. „Lässt du mich trotzdem noch ein paar Dinge dazu sagen?“ „Wenn du unbedingt möchtest.“ Jetzt, da Erik auf Jonas‘ Erklärung wartete, hatte dieser spontan seine eigene Muttersprache verlernt. „Wir ähm … Wir haben nie … Ich mein, ja, okay, ich hab ihn mit nach Hause genommen, aber bevor irgendwas passieren konnt, is‘ mir … Sagen wir, mir wurd sehr deutlich, dass ich das nich‘ will. Und … und zwar nich‘, weil ich mich irgendwie geschämt hab … Also schon, aber erst, nachdem ich wieder halbwegs nüchtern war. Ich hab abgebrochen, weil … Weil ich dich wollt. Nich‘ ihn! Ich mein, scheiße, ich hab die ganze Nacht drauf gewartet, dass du dich blicken lässt und als du nich‘ gekommen bist … Ich hatte eh schon so Angst, dass ich dir egal bin und dann hast du mich einfach ignoriert und …“ Jonas schüttelte den Kopf. „Nee, das klingt jetzt, als wär’s deine Schuld gewesen. War’s nich‘. Du sollst bloß wissen, dass an dem Abend nich‘ mehr zwischen mir und dem Typen gelaufen is‘, als das, was du vermutlich live im Club beobachten konntest.“ Scheu blickte er zu Erik, der die Arme vor der Brust verschränkt hatte und aus dem Fenster starrte. Vielleicht war es doch keine gute Idee gewesen, das Thema wieder aufzuwärmen. Aber Jonas hatte das Gefühl, die Sache aus der Welt schaffen zu müssen. „Und … und was den anderen angeht. Also … Ja, wir hatten ein paar Dates. Noch vor Weihnachten! Noch … Noch bevor mir wirklich bewusst war, dass ich … dass ich mehr für dich fühle. Ich glaub, dadurch isses mir sogar erst wirklich klargeworden. Davor dacht ich, dass … Naja, du warst der erste Kerl, der mir Aufmerksamkeit geschenkt hat. Der erste, der … der mich geküsst hat. Und … und ich war mir einfach nich‘ sicher, ob ich nur deshalb auf dich angesprungen bin oder … Ich mein, nich‘, dass mir das damals so bewusst gewesen wäre, aber im Nachhinein isses offensichtlich. Und als ich dann den anderen kennengelernt hab, da … Da war ich erst froh, weil ich mir dann keine Gedanken mehr drum machen musst, ob du mich auch magst, aber zwischen Dominik und mir war einfach nie dieses Knistern, das du und ich hatten. Ab da wusst ich’s dann wirklich. Aber wahrscheinlich hätte ich nich‘–“ „Jonas“, unterbrach Erik. Endlich sah er ihn an, ein angespanntes Lächeln auf den Lippen. „Es ist in Ordnung. Du musst dich nicht vor mir rechtfertigen. Du hast nichts Falsches getan.“ „Bist du sicher? Weil … du klingst schon ziemlich angefressen.“ Erik seufzte. „Nicht angefressen“, erklärte er. „Verletzt.“ Eilig fügte er an: „Aber das ist nicht deine Schuld! Ich meine das völlig ernst, wenn ich sage, dass ich dir keinen Vorwurf daraus mache, dass du dich mit anderen getroffen hast. Hätten wir es geschafft, schon früher über unsere Gefühle zu sprechen, wäre vielleicht alles ein bisschen anders gelaufen, aber das war mindestens so sehr mein Versäumnis wie deines. Also nein, ich bin nicht wütend oder angefressen oder misstraue dir jetzt auf ewig.“ Er lächelte schief. „Ich will dich schlicht für mich allein. Und der Gedanke, dass ich dich eine Weile teilen musste, ist … unangenehm.“ „Sorry.“ „Schon gut, ich bin froh, dass du so offen warst. Alles in allem, kann ich doch besser damit umgehen, wenn ich weiß, was überhaupt passiert ist. Und dir kann ich noch einmal sagen, dass ich dir keine Vorwürfe mache.“ „Okay …“, murmelte Jonas wenig überzeugt. „Das will ich noch einmal nachdrücklicher hören!“ „Okay!“, wiederholte Jonas, nachdem er bemerkt hatte, dass die kleine Stressfalte zwischen Eriks Brauen endlich verschwunden war. „Und, ähm, so ‘n Frühstücksei klingt schon ziemlich gut … Oh, und hast du O-Saft da?“ Erik schmunzelte. „Mhm, habe ich. Weißt du schon, wann du dich mit deinen Freunden triffst?“ „Gegen fünf, wie’s bis jetzt aussieht. Esther will vorm Kino noch so ‘ne komische Saftbar ausprobieren. Also können wir in Ruhe frühstücken und danach fahr ich heim. Dann hast du wenigstens ‘nen halben Tag zum Lernen.“ Erik, der gerade ein paar Eier in einen Topf verfrachtet hatte, drehte sich zu Jonas und hauchte einen Kuss auf dessen Lippen. „Klingt nach einem Plan.“   „Oh, Scheiße, Scheiße, Scheiße!“ Fluchend stolperte Jonas auf einem Bein und versuchte, seinen widerspenstigen Stiefel über den Fuß zu ziehen. „Ich hab überhaupt nich‘ mehr auf die Zeit geachtet!“ Noch immer auf einem Bein, schlüpfte er in seine Jacke. „Hast du alles?“, fragte Erik. Jonas tastete seine Taschen ab. „Handy, Schlüssel, Geldbeutel, japp, alles da!“ An der Tür drehte er sich noch einmal um, krallte die Finger in Eriks Pullover und zog ihn zu sich. „So viel zu ‚wir frühstücken nur noch kurz zusammen‘. Kann aber nich‘ behaupten, den Tag nich‘ genossen zu haben.“ „Mhm, geht mir genauso.“ „Immerhin haben wir deinen Brötchenvorrat für die Woche aufgestockt!“ Jonas rieb über die Überreste eines Mehlflecks auf seiner Jeans. „Und der blöde Boss ging auch noch down. Jetzt muss ich bloß noch meinen Freunden verklickern, dass ich ‘nen echt guten Grund hatte, zu spät zu kommen.“ Eriks lange Haare kitzelten seine Wangen als er sich ihm für einen Kuss entgegenlehnte. „Okay, jetzt sollt ich aber echt–“ „Ah, warte noch kurz.“ Erik legte seine Hand auf die Türklinke und stoppte Jonas. Da war ein kleines Lächeln auf seinen Lippen, aber auch die schmale Falte zwischen seinen Brauen zeigte sich. „Ich weiß, wir hatten vereinbart uns zunächst zwanglos zu daten und mal zu sehen, wohin das führt, aber …“ Er biss sich auf die Lippe. „Ich habe die letzten Tage wahnsinnig genossen und, ah, habe mich gefragt, ob wir es nicht offiziell machen wollen. Also nicht offiziell offiziell“, fügte er rasch an. „Ich erwarte nicht, dass du es irgendwem erzählst, ab–“ Jonas‘ stürmischer Kuss schnitt Erik das Wort ab. „Dann kann ich den Andren also sagen, dass mein Freund mich so lang aufgehalten hat?“, hauchte er atemlos gegen dessen Lippen. „In diesem speziellen Fall, spiele ich tatsächlich gerne den Buhmann.“ Jonas grinste bis über beide Ohren. Dann wurde ihm bewusst, dass es keine Kleinigkeit war, wenn Erik die Entscheidung, wer von ihrer Beziehung erfahren würde vollständig ihm überließ und er beschloss, ihm wenigstens ein Schrittchen entgegenzukommen. „Du, ähm … du kannst es gern Marco und Drago erzählen, wenn du magst. Ich mein … die beiden wissen eh schon, dass ich schwul bin und unsere Beziehung nich‘ grad, äh, plantonisch is‘, oder?“ „Ah, naja …“ Verlegen rieb Erik über seinen Nacken. „Ich denke, das ist ihnen tatsächlich schnell klargeworden.“ Mehr an sich selbst als an Jonas gewandt fügte er hinzu: „Aber ich wäre schon froh, wenn die ganze Fragerei, was jetzt mit uns beiden ist, mal aufhören würde.“ Noch einmal beugte sich Jonas vor und küsste Erik. „Dann erzähl’s ihnen doch endlich.“ Bevor Erik etwas erwidern konnte, war er mit einem letzten Winken aus der Tür geschlüpft und obwohl sein Herz bei dem Gedanken, gleich mit Esther und Kemal konfrontiert zu werden raste, blieb das dümmliche Grinsen die komplette Bahnfahrt auf seinem Gesicht haften.   „Hi, ihr zwei“, begrüßte Jonas das glückliche Pärchen, darum bemüht, weniger nervös auszusehen als er sich fühlte. „Sorry für die Verspätung, ich war noch, ähm …“, bei meinem Freund, „unterwegs.“ So viel zu der beiläufigen Offenheit, mit der er es hatte versuchen wollen. „Kein Problem.“ Kemal winkte ab. „Larissa ist auch noch nicht da.“ „Gibt uns mehr Zeit herauszufinden, wie zum Teufel man bequem auf diesen Hockern sitzen soll.“ Missbilligend wackelte Esther auf ihrem grob zersägten Baumstumpf. „Ich sage ja nicht, dass das nicht gut aussieht, aber die hätten wenigstens ein Kissen drauflegen können. Wegen mir auch aus handgeklöppelter Hanffaser oder so.“ Jonas‘ Finger folgten der rauen Struktur eines Astlochs im Holztisch vor ihm, seine Augen huschten durch den winzigen Raum. Man hatte mehr Platz für Pflanzen als für Gäste einkalkuliert und er fragte sich, was der Sommer bringen würde, wenn er sich schon jetzt wie im tropischen Regenwald fühlte. „Erde an Jonas!“ Esther wedelte mit der Hand vor seinem Gesicht. „Alles gut bei dir? Bist so still.“ „Jaah, ja. Alles bestens.“ „Wie war dein Wochenende?“ „Ähm, gut. Wirklich schön. Eures?“ Der kurze Blick, den Esther mit Kemal wechselte, entging Jonas nicht. „Auch.“ Er entschied, nicht länger um den heißen Brei zu reden. Was hatte Erik gesagt? Was ist das Schlimmste, das passieren kann? Es war an der Zeit, genau das herauszufinden. „Ähm, wie lange wart ihr vorletzten Samstag eigentlich noch im Tix?“ „Bis zum Schluss.“ Esther grinste verlegen. „Eigentlich wollten wir gar nicht erst mit und dachten, wir bleiben bloß eine Alibistunde oder so, aber dann war’s doch so lustig. Eigentlich schade, dass die schon so früh dichtmachen.“ „Oh. Ähm. Dann …“ Stumm fluchte Jonas über sich selbst. Warum hatte er sich nicht erst ein paar Worte zurechtlegen können? „Dann habt ihr wohl mitbekommen, dass ich mit … mit jemandem weg bin?“ „Jaah“, sagte Esther gedehnt. Misstrauisch musterte sie Jonas. „Warum fragst du? Ist irgendwas passiert? Brauchst du Zeugen?“ „Was? Nein!“ Jonas schüttelte den Kopf. „Ich bin nur … Ach scheiße.“ Nervös rieb er über seine glühenden Wangen. „Es is‘ nur … Bis zu meinem Umzug hierher, hab ich strikt geheim gehalten, dass ich … schw–, dass ich Männer bevorzuge.“ Er nahm sich einen Moment, um Atem zu holen und die Reaktion der beiden abzuschätzen, schaffte es aber nicht, ihnen dafür ins Gesicht zu sehen. „Is‘ einfach noch sehr ungewohnt, offen dazu zu stehen“, fügte er hinzu. „Und, äh, die Nacht am Samstag war auch aus diversen anderen Gründen nich‘ grad ‘ne Glanzstunde für mich. Ich … Ich hab einfach Angst, dass ihr das vielleicht in den falschen Hals bekommen habt.“ Wieder wechselten Esther und Kemal einen Blick. Bevor sich das Schweigen ziehen konnte, legte Esther ihre Hand auf Jonas‘ und drückte sie kurz. „Bei uns sind deine Sorgen da echt unbegründet. Mir war ehrlich gesagt gar nicht klar, dass das so ein Geheimnis ist. Larissa hat uns schon vor Wochen erzählt, dass sie versucht, dich mit einem Freund zu verkuppeln.“ Jonas war so erleichtert, dass der zweite Teil von Esthers Worten einige Sekunden brauchte, um in sein Bewusstsein vorzudringen. Ganz langsam verblasste sein Lächeln. „Das hat sie euch erzählt?“ „Irgendwann vor Weihnachten“, bestätigte Esther. „Ist das ein Problem?“ „Nich‘ für euch.“ „Hey, Leute!“, schallte es durch die Saftbar. „Sorry für die Verspätung!“ „Wenn man von Teufel spricht“, knurrte Jonas. Ahnungslos über seinen Ärger, ließ sich Larissa auf den Hocker neben ihm fallen. „Was habe ich verpasst?“ Jonas biss sich auf die Zunge und überlegte, ob es die Sache wirklich wert war, deshalb eine Szene zu machen. Was war schon dabei, dass Larissa mit den anderen über sein Comingout ihr gegenüber gesprochen hatte, trotz seiner Bitte, genau das nicht zu tun? Sie hatte es sicher nicht böse gemeint und ein Schaden war dabei auch nicht entstanden. Er zuckte zusammen, als Larissa gegen seine Schulter stupste. „Du siehst ja immer noch so unzufrieden aus! Und da dachte ich, der vorletzte Samstag hätte dir ganz gutgetan!“ „Er hat zumindest ein paar Dinge in Gang gebracht“, erwiderte Jonas vage. Er versuchte sich an einem Lächeln, schaffte aber nur ein humorloses Schnauben und sah ein, dass er nicht einfach über diese Sache hinwegsehen konnte. Esther und Kemal schienen sich in ihrer Haut ebenfalls nicht besonders wohl zu fühlen und nur darauf zu warten, dass er seinem Ärger Luft machte. „Ähm, Larissa?“ „Das ist mein Name“, flötete sie gut gelaunt wie immer. „Hast du Esther und Kemal erzählt, dass du mich mit Dominik verkuppeln wolltest?“ „Öhm, kann schon sein. Warum fragst du?“ Jonas war erstaunt über den Mangel an Unrechtbewusstsein, den sie zur Schau stellte. „Weil ich dich damals extra gebeten hatte, es niemandem zu erzählen?“ „Ach so. Ja, okay. Das hatte ich vergessen. Sorry.“ „Vergessen …“, wiederholte Jonas leise. „Oder nicht daran gedacht. Kann doch mal vorkommen“, verteidigte sich Larissa. „Ich weiß echt nicht, was du da jetzt so ein Drama draus machst. Die beiden stört es doch auch gar nicht, oder?“ Auffordernd sah sie zu Esther und Kemal. „Natürlich nicht“, versicherte Esther. „Ich finde aber schon, dass das Jonas‘ Entscheidung gewesen wäre.“ „Genau das is‘ der Punkt“, sagte Jonas. „Du hast meine Bitte ignoriert. Schon wieder. Bei Dominik war es genau dasselbe. Und deine Gründe dafür sin‘ mir ehrlich gesagt scheißegal, das war echt ‘ne Scheißaktion von dir!“ „Oh, jetzt krieg dich aber mal wieder ein!“, schnauzte Larissa. „Das ist ja wohl wirklich keine große Sache. Ist ja nicht so, als hättest du im Tix nicht für alle deutlich gemacht, worauf du stehst!“ Jonas wollte protestieren, aber Larissa war schneller. „Und überhaupt! Hast du mal dran gedacht, wie das rüberkommt, wenn du so ein Geheimnis aus deiner Homosexualität machst? Als wäre das was, wofür man sich schämen muss! Damit trägst du doch aktiv zur Diskriminierung bei!“ „Einen Scheiß tu ich!“, fauchte Jonas verletzt. „Und wär’s möglich, nich‘ durch den ganzen verfickten Laden zu brüllen?“ „Da!“, rief Larissa triumphierend. „Genau das meine ich! Diese feige Art, dich zu verstecken. Du verrätst deine eigene Sache!“ Fassungslos starrte Jonas Larissa an, ohne sie wirklich zu sehen. Sein Mund war zu einer Erwiderung geöffnet, aber weder brachte er ein Wort hervor, noch konnte er ihn schließen. „Und dass du jetzt so reagierst, zeigt doch nur, dass ich recht habe!“ „Das hat nich‘ … Ich … Ich …“ Jonas senkte den Blick, war viel zu überfahren, um sich klar ausdrücken zu können. Hatte sie recht? War es seine Pflicht, offen zu seiner Sexualität zu stehen? „Und wenn wir gerade schon dabei sind, dann–“ „Halt doch endlich die Schnauze, Larissa.“ Völlig verblüfft wandte sich Jonas zu Kemal, der bis zu diesem Zeitpunkt die Unterhaltung schweigend verfolgt hatte, jetzt jedoch mit finsterer Miene in die Runde blickte. „Ich finde, du hast für heute wirklich genug gesagt.“ „Nein, habe ich nicht!“, schoss Larissa lautstark zurück. Spätestens jetzt war ihnen die Aufmerksamkeit des kompletten Ladens sicher. „Und von dir lasse ich mir ganz sicher nicht den Mund verbieten.“ „Boah, muss das jetzt sein?“, fragte Esther. „Können wir ni– Jonas?“ Aber Jonas hörte sie nicht, zu sehr war er damit beschäftigt, sich an Larissa vorbei und aus dem Lokal zu drängen. Seine Brust war zu eng, seine Hände wollten nicht aufhören zu zittern. Unwirsch schüttelte er eine Hand auf seiner Schulter ab, die versuchte, ihn zurückzuhalten. Er musste raus, musste atmen. Da war die Tür, die Straße, die Treppen in den Untergrund. Erst, als sich die Bahntüren hinter ihm geschlossen hatten, lichtete sich der rote Schleier vor seinen Augen allmählich. Jonas bewältigte seinen Heimweg wie in Trance. Frage um Frage schoss ihm durch den Kopf. Hatte Larissa recht? War er feige? Schadete er anderen damit, dass er sich selbst nicht vollständig akzeptieren konnte? Er stolperte die Treppenstufen hoch, sehnte sich nach der Ruhe und Einsamkeit seiner Wohnung. Schwuchtel Die fetten, roten Lettern lachten Jonas entgegen. Quer über seine gesamte Wohnungstür. Unübersehbar. Unentrinnbar. Jonas‘ Schlüssel kratzte über das Schloss, wieder und wieder, bis er endlich hineinglitt und die Tür entriegelte. Der Knall, als Jonas sie hinter sich zustieß, hallte durch das Treppenhaus. Fahrig tastete er nach seinem Handy, tippte blind die Nummer, die ihm als Kind eingetrichtert worden war. „Bei Staginsky. Grüß Gott.“ „Hallo, Papa“, flüsterte er. „Jonas! Das ist ja nett, dass du anrufst!“ „Ja, ich, ähm …“ „Oh, geht’s dir nicht gut? Du klingst, als wärst du erkältet.“ „Doch, alles super!“, versicherte Jonas rasch, kämpfte gegen das in seinem Hals steckende Schluchzen. „Papa … Is‘ es … Is‘ es okay, wenn ich ein bisschen früher zu euch komme? Diese Woche noch? Ich weiß, wir hatten das anders ausgemacht, aber … Keine Ahnung, vielleicht geht’s ja auch so.“ Einen Augenblick herrschte Schweigen am anderen Ende der Leitung. Dann: „Selbstverständlich kannst du schon früher zu uns kommen. Mach dir da mal keine Gedanken. Wir freuen uns doch auf dich!“ „Das … Okay. Danke, Papa. Wir sehen uns bald.“ Jonas legte auf, verkroch sich in sein Bett und schloss die Augen.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)