Vertane Chance von Kaiidth ================================================================================ Kapitel 1: ----------- „OhmeinGottohmeinGottohmeinGott, Ran!” Die frischgebackene Karatemeisterin hatte nur wenige Sekunden Zeit, sich für den kommenden Ansturm vorzubereiten und den Schwung ihrer besten Freundin abzufangen, bevor diese ihr lachend und jubelnd um den Hals fiel. Um zu verhindern, dass sie beide schwer zu Boden gingen, stolperte sie einige Schritte zurück, warf dann aber ebenfalls lachend ihre Arme um das andere Mädchen. „Das war einfach atemberaubend, anfangs dachte ich ernsthaft du verlierst, aber dann hast du es ihr so richtig gezeigt! Teitan for the win!“ Sonokos Stimme war schon ganz heiser vom leidenschaftlichen Anfeuern, aber daran schien sich die Suzuki-Erbin gar nicht zu stören. Stattdessen schrie sie einfach weiter ihre Freude und ihren Stolz fröhlich in die Welt hinaus und kümmerte sich nicht darum, dass die Leute schon anfingen, komisch zu ihnen hinüber zu gucken. „Vielen Dank, Sonoko“, bedankte Ran sich leise und ein schmales, aber ehrliches Lächeln zupfte an ihren Mundwinkeln. Immerhin einer ihrer Freunde war hier, um ihren Sieg mit ihr zu teilen, und über den Lärm der Wettkampfhalle konnte sie auch die Stimme ihres Vaters vernehmen, der etwas davon schluchzte, „wie stolz er doch auf sein Mausebein war“. Warum also konnte sie nicht einfach aus ganzem Herzen glücklich sein? Sie hatte doch so lange auf diesen Sieg hingearbeitet… Sonoko, die ihre seltsame Laune bemerkt hatte, packte sie mit beiden Händen an den Schultern und drückte sie ein wenig von sich weg, um sie mit zu Schlitzen verengten Augen scharf anzusehen. Ran ließ zu, dass sich ihre Freundin von ihr löste, schaffte es aber nicht, ihr direkt in die Augen zu schauen und wandte daher mit gesenktem Kopf den Blick ab. „Er ist nicht hier, oder“, sagte Sonoko und konnte nicht einmal den Anstand aufbringen, es wie eine Frage klingen zu lassen. Rans Haltung war immerhin Antwort genug. Dennoch nickte die Brünette mit zu Boden gesenktem Blick, die Arme schützend um sich selbst geschlungen, als könnte sie so verhindern, in ihre Einzelteile zu zerfallen – die Wut, die sie zuvor noch auf ihren Sandkastenfreund gehabt und die ihr ungewollt zum Sieg verholfen hatte, war mittlerweile verraucht und hatte bloß Enttäuschung und Trauer zurückgelassen. Immerhin hatte er es doch versprochen, hoch und heilig diesmal, aber schon wieder war einer seiner geliebten Kriminalfälle dazwischengekommen. Sonoko fragte sich im Stillen, was es wohl über Shinichi Kudos Psyche aussagte, dass er den Fall nicht einmal eine halbe Stunde warten lassen konnte und immer und immer wieder Leichen den Lebenden vorzog. Nichts Gutes, wenn man sie fragte. „Dieser idiotische Dilettant von einem Krimifreak!“, platzte es aus ihr heraus. „Hätte er nicht einmal die Polizei ihren Job machen lassen können? Dafür werden die doch bezahlt! Und wenn es ihm so wichtig ist, seine Nase trotzdem überall reinzustecken, hätte er auch nach dem Wettkampf noch dazu stoßen können, so ewig dauert ein Karateturnier schließlich auch nicht!“ „Lass gut sein, Sonoko“, murmelte Ran, aber ihrer Stimme fehlte es an Kraft. Sie war viel zu verletzt, um Shinichi mit derselben Leidenschaft zu verteidigen, wie sie es für gewöhnlich tat, wenn Sonoko sich wieder einmal auf die schlechten Qualitäten des Detektivs einschoss. „Seine Arbeit ist eben wichtig und ich finde es ja auch gut, dass er den Opfern Gerechtigkeit bringt…“ „Und Gerechtigkeit kann keine halbe Stunde warten?“ Es war Sonoko egal, dass sie in diesem Moment wohl tatsächlich wie das verwöhnte Balg reicher Eltern wirkte, für das sie viele hielten, sie musste einfach die Arme verärgert vor der Brust verschränken und wütend mit dem Fuß auf den Boden stampfen, um ihren Gefühlen Luft zu machen. Die Geste entlockte Ran ein kleines Lächeln, also verbuchte Sonoko es so oder so als Sieg. „Weißt du was, es ist egal, wenn er nicht hier ist müssen wir deinen Triumph eben alleine feiern. Komm, nach dieser Anstrengung musst du sicher einen Bärenhunger haben – ich lade dich und deinen Vater zum Essen ein und du darfst dir aussuchen, wohin! Wenn deine Mutter Zeit hat, können wir sie auf dem Weg auch noch abholen.“ Rans Lächeln wurde ein wenig breiter. Eine Möglichkeit, ihre Eltern endlich wieder miteinander zu versöhnen, heiterte sie immer sofort wieder auf. „Und weil ein einfaches Essen als Geschenk für den gewonnenen Titel in der Karatemeisterschaft nicht reicht, gehen wir außerdem noch dieses Wochenende zusammen ins Tropical Land“, fügte Sonoko bestimmt hinzu. Ihre Freundin zögerte ein wenig. „Aber Shinichi hat doch schon versprochen, mit mir dort hinzugehen, wenn ich gewinne…“, erwiderte Ran mit brüchiger Stimme. „Dieser Idiot hat dich nicht verdient“, sage die Dunkelblonde mit Nachdruck. Auf den ersten Blick mochte die Antwort ein wenig zusammenhanglos daher kommen, aber im Kontext waren sie eine Reaktion auf die Worte, die schwer und ungesagt zwischen ihnen in der Luft hingen: Dass Shinichi auch versprochen hatte, jetzt hier zu sein. Sein Fehlen machte mehr als deutlich, wie viel seine Versprechen wert waren.     ~*~     Der Morgen war gerade erst kühl und feucht angebrochen, als die beiden Mädchen ihre Tickets an der Kasse bezahlt hatten und Sonoko Ran mit einem fröhlichen Lachen am Arm in den Vergnügungspark zog. Noch immer hingen vereinzelte Nebelschlieren in der Luft und es würde noch eine ganze Weile dauern, bis die Sonne hoch genug um Himmel stand, um die bibbernden Parkbesucher tatsächlich zu wärmen. Aber das war in Ordnung, das hatten sie eingeplant – sie waren schließlich nicht praktisch mitten in der Nacht aufgestanden, um sich zu sonnen, sondern um mit den Attraktionen zu fahren. Selbst die beliebtesten Fahrgeschäfte hatten zu dieser frühen Stunde fast keine Wartezeiten und das wollten sie ausnutzen.  Zuvor jedoch gab es da noch etwas, das Sonoko klarzustellen hatte. Abrupt kam sie neben einem der Wegweiser zum Stehen und drehte sich zu Ran um, ohne dabei jedoch ihren Arm loszulassen. Die andere Hand war belehrend erhoben, der Zeigefinger beinahe drohend auf Rans Gesicht gerichtet. „Bevor es losgeht, will ich aber noch zwei Sachen klar stellen. Erstens, heute geht alles auf mich. Wenn es etwas gibt, was du haben möchtest, sei es Essen von einem Stand oder irgendein Souvenir oder eines dieser Fotos aus den Fahrgeschäften, dann sagst du mir das und ich kaufe es dir. Zweitens, ich weiß, dass der Krimispinner immer noch nichts wegen seines Versprechens, mit dir hier hinzugehen, gesagt hat und dass du deshalb verdammt traurig bist, also steht der Tag heute ganz in dem Zeichen, dich aufzuheitern.“ Ran zuckte zusammen – sie hatte gedacht, sie hätte ihre Traurigkeit über die Tatsache, dass Shinichi sein Versprechen tatsächlich vergessen zu haben schien, gut genug versteckt, aber Sonoko entging scheinbar wirklich gar nichts, wenn es um den Gefühlszustand ihrer besten Freundin ging. Trotzdem war ihr bei dem Gedanke an ihren Plan, sie wieder aufzuheitern, ein wenig flau im Magen, denn sie kannte Sonoko: Wenn es ihr schlecht ging, dann ging sie auf Männerfang. Und wenn es ihr wegen eines Mannes schlecht ging, dann suchte sie sich eben einen anderen. Es schien auch ihre bevorzugte Methode zu sein, andere aufzuheitern, wenn es ihnen schlecht ging. „Das ist lieb von dir, Sonoko, aber ich bin wirklich nicht auf der Suche nach meinem Traumprinzen. Ich hoffe, du verstehst das?“ Sonoko verdrehte die Augen. „Also wirklich, Ran. Es freut mich zwar zu hören, dass du endlich eingesehen hast, dass du viel zu gut für Shinichi bist und daher nach einem neuen Kandidaten für die Position an deiner Seite suchen willst, aber ich denke wir sind lange genug befreundet, dass ich mit Sicherheit sagen kann, dass mir das Flirten hilft um mich besser zu fühlen, aber dass du in diesem Punkt zu sehr dem Klischee einer treuen japanischen Hausfrau entsprichst, um daran Gefallen zu finden. Um es einmal direkt zu sagen, Regel Nummer 2 bezieht sich nicht nur auf Shinichi, sondern auf alle Männer, der heutige Tag ist nur für uns und wird deshalb zur männerfreien Zone erklärt. Kein Gerede über Shinichi, Romantik, süße Kerle denen wir eventuell über den Weg laufen werden oder sonst etwas. Und ja, dein Vater fällt auch darunter!“ „Aber…“, versuchte Ran zu einem Widerwort anzuheben, wurde jedoch sofort wieder von Sonoko unterbrochen. „Nichts da aber. Diese Regeln sind nicht verhandelbar, hast du mich gehört? Und die männerfreie Zone beginnt ab… jetzt!“ „Sonoko…“ Ran schüttelte seufzend den Kopf, lächelte aber. Ihre Freundin meinte es ja nur gut und es wäre sowieso sinnlose Zeitverschwendung zu versuchen, sie von ihrem Vorhaben abzuhalten, also würde sie einfach mitspielen. Es tat ja niemandem weh, wenn sie in diesem Fall ihren Willen bekam und vielleicht würde es Ran tatsächlich einmal ganz gut tun, weder an ihren Vater, noch an einen gewissen Krimispinner zu denken. „Okay, einverstanden.“ „Freut mich, dass das geklärt ist. Also, wo wollen wir dann als erstes hin?“ Es stellte sich heraus, dass Ran unbedingt mit dem Mystery Coaster fahren wollte und da es eine der beliebtesten Attraktionen des Vergnügungsparks war, stellten sie sich dort gleich als erstes an, um die Fahrt in Ruhe genießen zu können, bevor es später voll werden würde. Sonoko war ein wenig enttäuscht von den Spukeffekten in den Tunneln, aber die Achterbahnstrecke war amüsant genug und Ran schrie sich so oder so die Seele aus dem Leib und klammerte sich verängstigt an ihrer Freundin fest, Angsthase der sie war. Keiner von ihnen hatte das Bedürfnis, die Achterbahn ein zweites Mal zu fahren, aber sie mussten beide zugeben, dass die Souvenirfotos am Tunnelausgang wirklich gut geworden waren, weshalb sich Sonoko zwei Abzüge machen ließ und eines davon Ran in die Hand drückte. „Aber sind die nicht für ein einfaches Foto viel zu teuer?“ Ran schien nicht überzeugt. „Wir sehen darin beide unglaublich niedlich aus und es ist ein schönes Andenken an den heutigen Tag“, meinte Sonoko nur bestimmt. „Einen weiteren Grund, warum wir die Fotos kaufen sollten, brauche ich nicht.“ Die Parkangestellte, die ihnen die Bilder eintütete und über den Tresen reichte, kicherte verhalten hinter der vorgehaltenen Hand. Sonoko verbuchte es als Zustimmung für ihre Argumentation, aber Ran vermutete eher, dass sich die Frau eher über ihre Exzentrik belustigte. Im Endeffekt würden sie die Wahrheit wohl nie erfahren, also ließen sie die Sache auf sich beruhen und machten sich stattdessen auf zum nächsten Fahrgeschäft. Gegen Mittag begann der Park sich zu füllen und die Freundinnen beschlossen, eine Pause einzulegen. Keine von ihnen hatte seit den frühen Morgenstunden etwas gegessen und langsam begann sich der Hunger zu melden, also ließen sie sich an einem kleinen Zweiertisch vor einem der Restaurants im Themenbereich Traum- und Märchenland nieder. Schnell hatten sie bei einer Kellnerin bestellt und während sie auf das Essen warteten, besah Ran sich den kleinen Anhänger etwas genauer, den Sonoko ihr zuvor bei einem der vielen Stände gekauft hatte. An dem Anhänger hing die Figur des Maskottchens des Freizeitparks und Sonoko hatte darauf bestanden, es zu kaufen, nachdem Ran sie zu einem Foto mit einem der Parkmitarbeiter überredet hatte, die als das Maskottchen verkleidet herumliefen und sich von den Kindern umarmen ließen. Das erste war ein Schnappschuss gewesen, als Ran das Maskottchen umarmt hatte, um einem Kind zu beweisen, dass es überhaupt keine Angst vor dem überdimensionalen Eichhörnchen in Latzhose haben musste, aber beim zweiten hatte Ran ihre Freundin praktisch dazu genötigt, mit aufs Foto zu kommen. Mit einem lauten Schnappen klappte Sonoko ihr Handy zu und legte es auf dem Tisch ab. „So, ich hab dir die Fotos geschickt. Sind gar nicht mal so schlecht geworden, aber mir gefällt das erste immer noch besser.“ Sie kicherte. „Ich hätte zu gerne gewusst, was derjenige unter dem Anzug für ein Gesicht gemacht hat, als du ihn plötzlich wie aus dem Nichts einfach umarmt hast.“ Mit einem Seufzen lehnte sie sich in ihrem Stuhl zurück, hakte die Arme über die Rückenlehne und streckte die Beine unter dem Tisch aus. „Gott bin ich froh, dass das mit heute geklappt hat. Meine Mutter hat sich tierisch über meine letzte Englischnote aufgeregt und hätte es mir beinahe verboten. Suzuki-Frauen sind nicht nur Trophäen, sie sind eigenständige Individuen mit Wert und unterstützen die Familie mit allem, was sie haben, um dem Namen alle Ehre zu machen bla bla bla, als ob das etwas mit meinen Englischnoten zu tun hätte.“ Ran sah sie mit großen, dunklen Augen bestürzt an. „Sonoko! Warum hast du mir das nicht schon früher gesagt? Wir hätten das heute auch verschieben können, ich wollte dir keinen Ärger mit deiner Mutter bereiten.“ Die andere winkte jedoch nur mit einem Grinsen ab. „Ach was, sie hat es schnell eingesehen. Suzuki-Frauen brechen keine Versprechen und so. Ich musste bloß versprechen, vor dem nächsten Test mit einem Tutor zu lernen, damit er besser ausfällt.“ Sie verdrehte die Augen. „Apropos Noten und Mütter – dein Englischtest ist ja mal wieder wunderbar ausgefallen und generell sind deine Noten echt gut. Hast du immer noch vor, in die Fußstapfen deiner Mutter zu treten und an der Uni Jura zu studieren, um Anwältin zu werden?“ Ran nickte mit einem schüchternen Lächeln und senkte den Blick auf ihre Hände, die sie auf dem Tisch gefaltet hatte. „Ja, das ist der Plan. Es wäre sicher auch schön, professionell Karate zu machen und vielleicht ein eigenes Dojo zu gründen, aber das ist eher Plan B, auch wenn ich nicht sicher bin, ob ich dafür überhaupt gut genug bin…“ Blitzartig richtete Sonoko sich auf und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. Ran zuckte zusammen. „Natürlich bist du gut genug! Du hast gerade die Tokioter Oberstufenmeisterschaften gewonnen und du bist Kapitän unserer äußerst erfolgreichen Mädchen-Karatemannschaft! Außerdem bist verdammt fleißig und ganz sicher nicht dumm, egal was du dir vornimmst, wenn du dich dahinterklemmst, schaffst du alles.“ Sie lächelte ihre Freundin an. „Noch hast du ja noch Zeit zu entscheiden, was du machen willst. Ich wünschte manchmal echt, mir wäre dieselbe Wahl gegeben.“ „Sonoko…“ Ran sah die Dunkelblonde an, die für einen Moment so unglaublich traurig wirkte. Ihre Freundin zeigte es nicht oft, aber der Suzuki-Name lastete häufig schwer auf ihren Schultern. Immerhin hatte Sonoko keinen Bruder, der einmal den Familienkonzern übernehmen konnte, und da ihre ältere Schwester mit einem Mann verlobt war, der selbst der Erbe einer großen Firma war, blieb das Familien-Erbe an ihr hängen. Oder vielmehr an dem Mann, den sie einmal heiraten würde, denn als Frau konnte sie selbst den Familienvorstand nicht übernehmen. Man sah ihr an, dass sie über das Thema nicht weiter reden wollte und es bereute, es auch nur im Entferntesten angeschnitten zu haben, aber Ran konnte genauso stur sein, wenn es um das Wohlbefinden ihrer Freunde ging und es würde Sonoko sicherlich einmal gut tun, mit jemandem darüber zu reden. Sonoko hatte jedoch Glück, denn gerade als Ran zum Sprechen ansetzte, kam die Kellnerin mit ihrem Essen an den Tisch getreten. Die beiden bedankten sich höflich und als sie zu essen anfingen, schüttelte Sonoko erfolgreich die trüben Gedanken ab. „Egal, es hat auch sein Gutes, die Suzuki-Erbin zu sein. Zum Beispiel, weil ich dadurch meine beste Freundin für ihren Turniersieg ins Tropical Land einladen kann. Also, wo wollen wir nach dem Essen als nächstes hin? Man muss ja zumindest einmal mit dem Riesenrad gefahren sein, von dort hat man vor allem den besten Ausblick auf das Feuerwerk heute Abend, weshalb ich uns schon einmal eine Gondel dafür reserviert habe. Bei dem momentanen Wetter wäre eine der Wasserbahnen sicher eine gute Anlaufstelle, die ja fast alle im Wild and Ancient Land sind und – “ Mit einem leisen Seufzen schüttelte Ran den Kopf, ließ die Stimme ihrer Freundin jedoch mit einem leichten Lächeln über sich schwemmen und sich von ihrem Redestrom mitziehen. Für heute würde sie das Thema ruhen lassen, aber sie würde es nicht vergessen. Für immer konnte Sonoko ihr schließlich nicht ausweichen.     ~*~     „Was da unten wohl los ist…“ „Huh?“ Überrascht hob Sonoko den Blick von dem Fernglas, durch das sie die elektronischen Dinosaurier-Figuren beobachtet hatte, und drehte sich zu Ran um, die besorgt in Richtung des Horror- und Fantasylands schaute. In der Ferne konnte sie das wechselnde rot-blau-Licht einer Polizeisirene erkennen, weshalb sie sich neugierig neben ihrer Freundin an die Balustrade des Aussichtsturms lehnte, um einen besseren Blick auf das Geschehen zu erhaschen. „Hey, ist das nicht der Einstieg des Mystery Coasters?“, erkannte sie und zeigte mit dem Finger nach unten. „Du hast recht… da muss etwas Schlimmes passiert sein. Komm, lass uns nachsehen!“ „Auf keinen Fall!“ Sonoko schnappte Ran am Handgelenk und stemmte die Fersen in den Boden, um die Braunhaarige daran zu hindern, hinunter zu stürmen. „Die Polizei ist bereits vor Ort, also können wir sowieso nichts tun und sicherlich ist sowieso alles unter Kontrolle. Lass die ihre Arbeit machen, als Gaffer stören wir da doch sowieso nur.“ Ran schien noch immer nicht ganz überzeugt und kämpfte sichtlich mit sich, ob sie ihre Freundin nicht doch abschütteln und nachsehen gehen sollte. Sonoko seufzte. „Hör zu, Ran, es ist vielleicht absolut selbstsüchtig, aber wenn da etwas Schreckliches passiert ist, will ich es gar nicht wissen. Wir können sowieso nicht helfen und es würde uns bloß den Tag versauen. Bleib hier, Ran, bitte. Für mich.“ Die Brünette nickte zögerlich, was Sonoko ein schwaches Lächeln entlockte. Dann fiel ihr Blick auf ihre Armbanduhr und ihr Gesicht hellte sich schlagartig auf. „Oh, es ist fast soweit! Komm, da gibt es etwas, das ich dir zeigen möchte!“ Mit der Hand, mit der sie noch immer Rans Handgelenk umklammert hielt, zog sie die andere hinter sich her die Treppe des Aussichtsturms hinab und praktisch einmal quer durch den Wild and Ancient-Themenbereich ins Science und Space Land hinüber, bis sie schließlich schnaufend an einem großen, runden Plaza zum Stehen kamen. Ran bewunderte ein wenig abwesend die geometrischen Muster, die mosaikartig den Boden zierten, während Sonoko sie genau in der Mitte des Platzes platzierte. Abwartend sah sie die Dunkelblonde an. „Und? Was wird das jetzt?“ „Gedulde dich noch kurz, dann wirst du es sehen.“ Und als das Wasser aus unzähligen, in den Boden eingelassenen Fontänen in den Himmel schoss, sah Ran tatsächlich. Abgetrennt von der restlichen Welt durch einen Vorhang aus Wasser und umgeben vom Zauber der in der Luft schimmernden Regenbögen vergaß sie sogar ihre Sorgen über das Polizeiaufgebot beim Mystery Coaster.     ~*~     „Und? Nun gib schon zu, dass du deinen Spaß mit mir hattest, auch wenn ich nicht dein Ehegatte in spe bin. Wärst du mit ihm hier, wärt ihr sicher schon längst über eine kopflose Leiche oder so etwas gestolpert.“ Mit den Armen lang über den Kopf ausgestreckt, reckte Sonoko das Kinn in die Höhe. Mit dem glühenden Orange der Sonne im Rücken hob sich ihre Gestalt wie ein dunkler Schatten vom Himmel ab und doch konnte ihre Freundin nicht anders, als eine reine Lichtgestalt in ihr zu sehen. Der Tag neigte sich langsam dem Ende zu, weshalb sich die beiden Mädchen langsam und gemütlich auf den Weg in Richtung Riesenrad machten, um die Reservierung ihrer Gondel nicht zu verpassen und von dort aus das Feuerwerk genießen zu können. „Mou, Sonoko, hör doch auf!“ Ran lachte jedoch und ließ zu, dass Sonoko ihr einen Arm um den Hals legte, um sie näher an sich heranzuziehen. Mit einem zufriedenen Seufzen lehnte sie sich gegen ihre Freundin und sog die Wärme der Sonne und die Anwesenheit eines geliebten Menschen in sich auf. Ja, die andere hatte Recht – der Tag war unglaublich schön gewesen und sie konnte sich niemanden vorstellen, mit dem sie ihn lieber verbracht hätte. Nicht einmal mit Shinichi. „Aber ich gebe mich geschlagen – du bist die Beste. Vielen Dank für diesen wunderbaren Tag, Sonoko.“ Sonoko grinste breit und wuschelte Ran durch die langen braunen Haare, bevor sie lachend ihre Stirn an die ihrer Freundin lehnte. „Natürlich bin ich die Beste, das muss ich schließlich sein, wenn ich es verdient haben will, deine Freundin zu sein!“, meinte sie vergnügt. „Meine beste Freundin, Sonoko. Du bist meine beste Freundin“, verbesserte Ran sie sanft. Und damit war dann wohl auch wirklich alles gesagt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)