Das sechste Jahr von CruelLamia (Wie weit würdest du gehen, um deine Liebe zu beschützen?) ================================================================================ Kapitel 44: Geschenkte Zukunft ------------------------------ Endlich war das Nachsitzen vorbei. Es waren zwei endlose Wochen gewesen. Die Situation in Harrys Haus hatte sich seitdem nicht verbessert. Die Niederlage beim letzten Quidditch-Spiel saß immer noch tief bei seinen Hauskameraden und sie ließen es ihn bei jeder sich bietenden Gelegenheit spüren.   Harry hatte es sich zur Gewohnheit gemacht allen und jeden aus dem Weg zu gehen. Die Momente, in denen er es nicht konnte – im Unterricht, beim Essen oder wenn er durch ihren Gemeinschaftsraum musste – wurde er mit bösen Blicken und spitzen Bemerkungen bedacht.   Alle bekamen es mit, aber wie schon in den Jahren zuvor, ergriff niemand für Harry Partei. Selbst die paar Schüler aus Hufflepuff und Ravenclaw, mit denen er sich noch gut Verstand, mieden ihn lieber als sich einzumischen – die spitzen Kommentare von den Slytherins wurden auch nicht weniger. Die Lehrer schauten ihn nur mitleidig an. Selbst McGonagall sagte kein weiteres Wort.   Die Situation war nur allzu vertraut. Aber im Gegensatz zu früher, störte es Harry nicht länger. Er war froh, dass er seine Ruhe hatte und machen zu konnte, was er wollte. Er musste sich vor niemanden rechtfertigen, wenn er mal wieder für ein paar Stunden verschwunden war. Niemand wollte ihm mehr Vorschriften machen. Es war wie im Paradies.   Harry wusste nur noch nicht, wie er das Dumbledore beibringen sollte, sobald er wieder da war. Aber damit würde er sich auseinandersetzen, wenn es so weit war. Momentan gab es wichtigere Dinge zu erledigen.   Zum Beispiel endlich diese Trainingsstunde mit den Babytodessern zu beenden.   Sie waren alles andere als produktiv gewesen. Alle scharwenzelten um Draco herum, überhäuften ihn mit irgendwelchen teuren Geschenken, die er weder brauchte noch wollte.   Harrys Zauberstabhand zuckte mehrfach, als er beobachten musste, wie sich Parkinson an ihn herandrückte und versuchte, ihn mit teuren Pralinen zu füttern – laut ihrer Aussage die teuersten der Welt.   „Die Schokolade ist hergestellt aus Kakaobohnen aus einer magischen Kolonie versteckt im Himalaya, versetzt mit Trüffeln, die nur speziell ausgebildete Niffler finden können, handverarbeitet von Veelas, die ihre spezielle Magie in die Bearbeitung einfließen lassen.“, trällerte sie ekelerregend süß.   Pft! Ohne Zweifel enthielten sie einen leichten Liebeszauber, gerade genug um eine leichte Wirkung zu erzielen, aber nicht genug, um wirklich jemanden liebeskrank zu machen.   Dracos Lippen waren zu einer dünnen Linie zusammengepresst. Sein Blick war so kalt, dass es ein Wunder war, dass Parkinson nicht zu Eis erstarrte. Wie konnte ein Mensch nur so blind gegenüber Ablehnung sein? Und wie verzweifelt musste man sein, um zu solchen Mitteln zu greifen?   Die anderen Slytherins waren nicht ganz so aufdringlich, aber die Geschenke nicht weniger dekadent. Auf dem Tisch, auf dem sich auch die Geschenke von Dracos Eltern stapelten, waren Handschuhe und Stiefel aus Drachenleder – genau das Richtige für diese Jahreszeit. Ähem! – ein Festumhang aus schwarzgefärbter Acromantulaseide mit einem schuppenartigen Muster aus silbernen und grünen Fäden – wahrscheinlich nicht ganz legal – verschiedene Bücher, deren Einbände schon unglaublich teuer aussahen und deren Inhalte wahrscheinlich nicht weniger illegal waren. Es waren auch ein paar Artefakte und Instrumente dabei, bei denen Harry die Funktion nicht einmal im Ansatz erahnen konnte.   Selbst die paar Süßigkeiten, die sich darunter verbargen, waren keine gewöhnlichen, die man im Honigtopf kaufen konnte. Es war kein Vergleich zu den Geschenken, die sie sich in Gryffindor machten. Bei ihnen gab es Schokofrösche, Bertie Botts Bohnen in jeder Geschmacksrichtung, Kesselkuchen und Besenpflege-Sets; seltener ein paar Bücher, aber selbst die waren nicht in dieser Preisklasse.   Ein Unterschied war auch, dass die Gryffindors die Geschenke für ihre Freunde selbst kauften und nicht ihre Eltern. Vielleicht war es ein interner Wettbewerb, wer dem Sohn der rechten Hand des Dunkles Lords das kostbarste Geschenk machte. Gerade jetzt, wo Draco selbst einen nicht gerade kleinen Rang innehatte und über ihren Kindern stand. Geschenke waren eine einfache Methode um sich einzuschmeicheln.   Würden sie das auch bei ihm machen, wenn Harry Geburtstag hatte? Irgendwie war es nur schwer vollstellbar, auch wenn er im Rang noch weit über Draco stand.   Machten sie Voldemort Geschenke zu seinem Geburtstag? Wussten sie überhaupt, wann ihr Anführer Geburtstag hatte? Wahrscheinlich nicht. Ein Geburtstag würde ihn viel menschlicher erscheinen lassen. Aber Voldemort war übermenschlich. Und ganz ehrlich! Was sollte man dem mächtigsten Zauberer der Welt zum Geburtstag schenken? Ein Schloss? Einen Drachen?   Harry konnte mit den überteuerten Dingen, die Draco bekam, schon nicht mithalten. Er konnte nur hoffen, dass sein verwöhnter Eisprinz mit seinem Geschenk zufrieden sein würde.   Er würde warten, bis die anderen verschwunden waren. Es war ohnehin nicht für ihre Augen… und Ohren bestimmt.   Während die anderen um Dracos Aufmerksamkeit buhlten, tat Harry so, als ob er die Karte des Rumtreibers im Auge behielt.   ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~   Stunden und eine riesige mehrstöckige Torte später – Harry hatte sie bei Dobby in Auftrag gegeben und der kleine Hauself hatte wie immer mächtig übertrieben – leerte sich langsam der Raum.   Parkinson hatte sich bei Draco eingehakt und wollte ihn zum Ausgang ziehen.   „Malfoy!“, rief Harry und überspielte dabei perfekt die Irritation in seiner Stimme. „Ich würde gern noch etwas mit dir besprechen.“   Draco wollte sich aus der Umklammerung lösen, aber Parkinson hielt ihn fest und funkelte Harry böse an. „Hat das nicht bis Montag Zeit, Potter? Draco hat heute Geburtstag. Du solltest ihm wenigstens heute einen Tag Ruhe gönnen. Immerhin musste er schon wieder deine Aufgaben die letzten Wochen übernehmen.“   Harry zog eine Augenbraue nach oben. Sollte das bedrohlich klingen? Glaubte sie ernsthaft, sie hätte irgendein Recht, ihn in Frage zu stellen?   „Ich an deiner Stelle würde vorsichtig mit solchen Aussagen sein.“ Noch bevor Harry etwas erwidern konnte, hatte Draco sich von ihr gelöst. Die dunkle Drohung in seiner Stimme hallte durch den Raum und jeder mit einem Fünkchen Selbsterhaltungstrieb hätte jetzt seinen Mund gehalten und das Weite gesucht.   Nicht so Parkinson. „Was meinst du damit?“, fragte sie verwirrt. Sie wollte nach Draco greifen und ihn festhalten, aber er war zu schnell. „Was?“   Ein Hauch Panik schlich sich in ihre Augen, als sie bemerkte, dass sie sich nicht mehr bewegen konnte. Wütend funkelte sie Harry an, aber er hatte keinen Zauberstab in der Hand.   Draco ging auf Harry zu, seine Augen funkelten wie schwarze Diamanten. Bildete Harry sich das nur ein oder wurde es in dem Raum dunkler mit jedem Schritt, den Draco näher auf ihn zu kam?   „Oder kannst du dich nicht mehr daran erinnern, was mit Bletchley passiert ist? Erinnerst du dich nicht mehr, wie er unten an der Wand hing? Panisch und völlig verzweifelt. Und das nur, wegen einer Illusion. Oder an seine Schreie als der Dunkle Lord ihn zur Strafe noch mit dem Cruciatus-Fluch belegt hatte? Wegen seines Leichtsinns, wegen seiner Respektlosigkeit gegenüber Potter? Fragst du dich manchmal, was mit ihm passiert ist? Wo er jetzt ist? Und warum?“   Sie waren jetzt die einzigen im Raum. Die übrigen Slytherin, die getrödelt hatten, um die beginnende Auseinandersetzung mitzuerleben, hatte sich bei der Erwähnung ihres Herrn schleunigst aus dem Staub gemacht. Parkinson versuchte, sich von ihren unsichtbaren Fesseln zu lösen, aber ohne Erfolg.   Dass Bletchley verschwunden war, hatten die Slytherins mit einer erstaunlichen Gleichgültigkeit aufgenommen. Vielleicht passierte das, wenn man für einen mordlüsternen Tyrannen arbeitete. Das Risiko für das eigene Leben und das der anderen war hoch. Vielleicht war es für niemanden wirklich überraschend gekommen, nachdem er einmal Voldemorts Missfallen erregt hatte. Aber außer Draco und er kannte niemand die genauen Gründe. Waren sie trotz ihres jungen Alters schon so abgestumpft, dass es sie nicht interessierte? Waren nicht einige der Siebtklässler sogar mit Bletchley befreundet gewesen?   Harry spürte wie schwarze Magie über sie hinwegflog. Parkinson versuchte, etwas zu sagen, aber kein Ton drang über ihren Mund, der sich immer weiter zu einem Aufschrei des Entsetzens verzog.   Arme wickelten sich um Harrys Taille und zogen ihn an eine feste Brust. Erschrocken drehte er sich um und wollte Draco von sich schieben, aber Draco hielt ihn sanft fest.   „Keine Sorge.“, sagte Draco leise. Seine Lippen berührten kaum Harrys Ohr, aber der warme Atem reichte aus, um einen wohligen Schauer durch seinen Körper zu jagen. „Sie kann uns weder sehen noch hören.“   Harry stöhnte leise auf, als sich Draco langsam seinem Hals hinabarbeitete. Sein Blick löste sich dabei keinen Moment von Parkinson. „Was sieht sie?“   „Den Dunklen Lord. Mit erhobenem Zauberstab. Den Folterfluch auf seinem lippenlosen Mund. Immer und immer wieder.“   Harry konnte Draco nur schwer verstehen. Zu leise drangen die Worte über die an seinen Hals gepressten Lippen, zu vernebelt war sein Verstand durch die wohligen Schauer, die es durch seinen Körper jagte. Er wollte nichts mehr als sich dem hingeben, aber sie konnten Parkinson nicht ewig so lassen, sonst würde sie verrückt werden.   „Draco! Stopp.“ Er war sich nicht sicher, ab Draco ihn gehört hatte. Harry selbst hatte kaum seine eigenen Worte verstanden als er sie zwischen Stöhnen und Seufzen hervorgepresst hatte.   Dennoch löste sich Draco von ihm. Widerwille lag in seinen Augen, versteckte ihn aber schnell hinter einer Maske aus purem Eis.   Mit einem ungesagtem Finite Incantatem nahm Draco den Fluch von Parkinson. Sie sackte zusammen. Der Aufprall hallte durch den weiten Raum, zusammen mit ihren schweren Atemstößen. Sie zitterte am ganzen Leib. Man konnte sehen, wie sie versuchte, ihre Arme um sich zu schlingen, hatte aber dazu keine Kraft. Ihre Augen huschten von Harry, der noch immer nicht seinen Zauberstab gezogen hatte, zu Draco.   Sein Weißdornstab hing locker zwischen seinen Fingern. Es sah so lässig aus, als wären sie alle in einem zwanglosen Gespräch über die nächste Quidditch-Weltmeisterschaft.   Aber in seinem Blick lag pure Verachtung für die Hexe, die sich vor ihm auf dem Boden wand, in ihrem lag Angst und Entsetzen. Vielleicht hatte sie jetzt endlich begriffen, dass Draco niemals zu ihr zurückkehren würde.   Harry beobachtete still die Szene. Er sah zu, wie Draco auf Parkinson zuging und sich vor ihr hinkniete. Sie versuchte, sich wegzuschieben, aber noch immer war ihre Kraft nicht zu ihr zurückgekehrt. Das sprach nicht für sie. Der Fluch sollte nicht so stark nachwirken. Er war lediglich eine Warnung. Wenn sie nicht einmal das aushielt, hatte sie in Voldemorts Reihen nichts zu suchen. Bletchley hatte viel länger unter dem Einfluss gestanden und hatte wesentlich weniger Probleme hinterher gehabt.   Parkinson dagegen sah aus, als hätte sie wirklich den Cruciatus-Fluch abbekommen.   Beinahe zärtlich strich Draco ihr die Haare aus der Stirn. Ihr Gesichtsausdruck wurde so panisch, als würde allein die Berührung bei ihr Schmerzen auslösen.   „Du solltest dir eines gut merken.“ Seine Stimme war so sanft. „Ungehorsam gegenüber Potter ist wie Ungehorsam gegenüber dem Dunklen Lord. Und das werde ich ganz sicher nicht dulden.“ Er streichelte ihr liebevoll über die Wange. „Du kannst froh sein, wenn Er von weiteren Bestrafungen absieht. Denn das von eben wäre dagegen noch harmlos.“   Seine Stimme, seine Handlung standen in so krassen Gegensatz zu seinen Worten, dass sie noch um ein Vielfaches bedrohlicher wirkten.   Nicht zum ersten Mal musste Harry sich fragen, ob mit ihm was nicht stimmte, weil ihn diese Situation so sehr erregte, dass sein Glied in seiner Hose zuckte.   Ein erstickter Aufschrei riss Harry aus seinen Überlegungen. Die Hand, die Parkinson eben noch gestreichelt hatte, hatte sich in ihre Harre verkeilt und den Kopf nach hinten gerissen. Ihr unansehnliches Gesicht war schmerzverzehrt.   Draco starte ihr solange in die tränenverschwommenen Augen, dass Harry sich fragte, ob sein Slytherin heimlich Legilimentik gelernt hatte.   Plötzlich ließ er sie los und stand auf. Parkinsons Kopf knallte auf den Steinboden.   Fasziniert beobachtete Harry sie. Ihr ganzer Körper zitterte, Tränen flossen aus aufgequollenen Augen. Ihre schwarzen Haare waren zerzaust. Sie war so schwach. Sie versuchte nicht einmal mehr aufzustehen. Ein erbärmliches Bild, für das Harry kein Mitleid aufbringen konnte, nur Abscheu und Verachtung.   „Accio Pralinen!“ Die Schokolade, die Parkinson Draco geschickt hatte, flog in seine Hand. Er öffnete die Schachtel und nahm eine heraus. Ein gleichmäßiger, tiefbrauner Glanz verreit ihre hochwertige Verarbeitung, der rosa Nebel drumherum, den magischen Einfluss. Das verlockende Aroma reichte bis zu Harry. Für einen kurzen Moment fühlte er sich wieder wie vierzehn, zurückversetzt in das überfüllte Stadion zur Quidditch-Weltmeisterschaft, als die Veelas ihren Auftritt hatten und alles und jeden um sich herum verzauberten. Es erschien ihm wie ein anderes Leben.   Mit einem genüsslichen seufzen, führte Draco die Praline zu seinem Mund, seine Lippen öffneten sich leicht. Es sah so aus, als wolle er reinbeißen. Harry und Parkinson beobachteten beide gleichermaßen gebannt die Szenerie. Aber bevor Draco in die Praline biss, verzog sich sein Mund zu einem spöttischen Grinsen. Er drehte die Schachtel und die Süßigkeiten prasselten auf Parkinson hinab. Das letzte Stück warf er achtlos hinterher.   „Und verschon mich in Zukunft mit deinen billigen Verführungsversuchen. Wenn du nicht so aufdringlich wärst, würde ich dich keines Blickes würdigen.“, sagte er abfällig.   Parkinson versuchte, sich wegzudrehen, aber Draco griff sie wieder am Schopf und zwang sie, ihn anzusehen. „Hast du mich verstanden?“   Mehr als ein Wimmern brachte sie nicht hervor. So zerbrechlich.   „Sehr gut.“, antwortete Draco zufrieden. „Wenn du uns jetzt entschuldigen würdest, Potter und ich haben noch was zu besprechen.“   Parkinson versuchte aufzustehen, aber ihre Arme knickten immer wieder weg. So schwach. Viel zu schwach. Sie sah aus, als hätten sie sie stundenlang gefoltert.   Harry schüttelte den Kopf. Dieses Schauspiel wollte er nicht länger ansehen. „Dobby!“, rief er nach dem kleinen Hauself.   Nur weniger Sekunden später stand er vor ihnen. Die Augen leuchteten aufgeregt, die Ohren zappelten freudig um seinen Kopf. „Harry Potter hat gerufen und Dobby ist sofort gekommen. Was kann Dobby für Mr. Potter tun?“   „Ms. Parkinson braucht Hilfe, um zurück in ihren Schlafsaal zu kommen. Könntest du ihr bitte behilflich sein?“, fragte Harry freundlich.   Der kleine Hauself schaute auf das Häufchen Elend, seine Augen wurden noch größer, verrieten sonst aber keine Regungen. „Natürlich, Mr. Potter, Sir. Dobby wird das sofort erledigen.“, sagte er vergnügt.   „Danke, Dobby.“ Einmal mehr war Harry dankbar, dass der Hauself ihm so ergeben war. „Und kannst du bitte Kreacher sagen, dass er sich um sie kümmern soll? Er wird sich freuen, wenn er sich um ein Reinblut kümmern darf.“   „Dobby wird es Kreacher sagen. Kann Dobby sonst noch etwas für Harry Potter tun?“ Er hatte in der Zwischenzeit Parkinson unter den Armen gepackt und versuchte, sie wegzuzerren.   „Für mich könntest du noch etwas tun, wenn das in Ordnung ist.“, mischte Draco sich ein. Überrascht sah Dobby auf. Parkinson rutschte ihm dabei aus den Fingern und krachte erneut auf den Boden.   Dobbys Augen huschten kurz zu Harry, bevor er sich wieder etwas zögerlich an Draco wandte. „Was kann Dobby für Sie tun, Sir?“   „Wenn du mit Pansy fertig bist und… Kreacher, richtig?“ – Harry nickte. – „… Bescheid gegeben hast, könntest du dann bitte meine Geschenke zu meinem Bett bringen?“   Harry glaubte, dass seine Augen gerade genauso groß waren wie Dobbys. Beide starrten Draco verblüfft an. Nicht nur, dass er Dobby – einen Hauselfen – gefragt hat, ob er eine Aufgabe übernehmen kann, er hat sogar bitte gesagt; eine Höflichkeit, die er nicht einmal der Hauselfe entgegenbrachte, die aktuell für die Malfoys arbeitete.   Während Harry sich noch fangen musste, fing Dobby an über das ganze Gesicht zu strahlen. „Sehr gern, Mr. Malfoy, Sir. Sobald Dobby fertig ist, wird Dobby sich um die Sachen von ihm kümmern.“   „Danke schön.“   Es fehlte nicht mehr viel und die Augen des kleinen Wesens wären komplett aus seinen Augenhöhlen geploppt. Harry fing laut an, zu lachen. Dobby schüttelte sich kurz und machte sich wieder an seine Aufgabe, die immer noch viel zu erschöpfte Hexe aus dem Raum zu ziehen. Harry glaubte, dabei die Worte zu hören. ‚Mr. Draco Malfoy, Sir, ist ein guter Zauberer. Harry Potter ist guter Einfluss. Ja, ja.‘   ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~   Überrascht sah Draco dem kleinen Hauselfen hinterher, wie er seine viele zu schwere Last aus dem Raum zog. Der Elf sah anscheinend keine Notwendigkeit, es sich ihr oder ihm selbst mit Magie einfacher zu machen. Draco konnte es egal sein, aber die Reaktion auf seine Frage hatte ihn überrascht.   „Ich glaube, er mag dich.“, hörte er Harry hinter sich lachen.   „Ach ja? Ich glaube, er mag dich und würde alles tun, um dich glücklich zu machen. Ich bin beinahe ein bisschen eifersüchtig.“ Draco versuchte, Harry an sich zu ziehen, aber der entzog sich einfach und lachte Draco weiter an.   „Was? Willst du mich glücklich machen? Ich glaube, es ist heute meine Aufgabe, dich glücklich zu machen.“, entgegnete Harry.   Wieder versuchte Draco, nach ihm zu greifen, aber wieder bekam der den Gryffindor nicht zu fassen. Frustriert schaute Draco ihn an. „So funktioniert das aber nicht.“   „Erst dein Geschenk.“ Oh! Harry hatte auch ein Geschenk für ihn?   Draco hatte damit nicht gerechnet. In seiner Vorstellung hätten sie jetzt einfach stundenlang miteinander rumgemacht und den Rest der Nacht mit heißem, hemmungslosem Sex verbracht. ‚Aber das eine schließt das andere ja nicht aus.‘, grinste er in sich hinein.   Harry wirkte nervös, als er zu seiner Schultasche ging. Das machte Draco nun wirklich neugierig. Was hatte Harry für ihn?   „Weißt du, wann du mir das erste Mal richtig aufgefallen bist? Also nicht als der nervige kleine Slytherin, der sich für was Besseres hält, …“   „Vorsicht, Potter!“, entgegnete Draco mit spielerischem Unterton.   „…, sondern der umwerfend gutaussehende Zauberer, der sich dahinter versteckt?“ Harry grinste ihn schief an.   Er hatte etwas Kleines aus seiner Tasche genommen und brachte es zu dem Tisch, von dem in der Zwischenzeit alle Geschenke verschwunden waren. Was Harry darauf abstellte, kam Draco wage bekannt vor. Es sah aus wie eine Miniatur des Goldenen Eis, dass die Champions des Trimagischen Turniers bei ihrer ersten Aufgabe holen mussten.   Draco hatte Krum damals heimlich beobachtet, wie er seines geöffnet hatte. Er konnte sich noch gut an das ohrenbetäubende kreischende Geräusch erinnern. Darauf könnte er ein zweites Mal gern verzichten. „Harry, was …“   Lächelnd öffnete Harry das kleine Ei und Draco zuckte unwillkürlich zusammen. Aber anstatt der unmenschlichen Geräusche erklang eine sanfte Melodie. Er war sich sicher, sie schon einmal gehört zu haben, konnte sich aber beim besten Willen nicht erinnern wo oder wann. Klavier, Violine, Harfe und Feenglöckchen. Ein Ball?   Seine Aufmerksamkeit wurde wieder auf Harry gelenkt, als er plötzlich vor ihm stand, die Hand ausgestreckt, als wolle er ihn zum Tanzen auffordern. Er wurde nicht enttäuscht. Harry zog ihn in die Mitte des Raumes, die als Tanzfläche dienen sollte. Ganz automatisch übernahm Draco die Führung.   „Es war auf dem Weihnachtsball beim Trimagischen Turnier...“   Stimmt! Daher kannte er die Melodie. Wie hatte Draco das vergessen können?   In seiner Erinnerung war es einer der schönsten Abende gewesen, die er bis dahin Hogwarts verbracht hatte. Die Lichter, die Musik, das Essen. Er hatte sich überlegen gefühlt mit seiner Freundin am Arm, mit seinem Namen und der Angst, die er auslöste, wenn er seinen einflussreichen Vater erwähnte und… sein Blut.   Aber seitdem hatte sich viel geändert. Er hatte gelernt, dass der Wert seines Namens mit einem Stabschlenker nichtig werden konnte. Er hatte begriffen, dass eine Freundin, die nur eine mittelmäßige Dekoration war, nicht das war, was er wollte. Er hatte eingesehen, dass reinblütig nicht bedeutete, dass man automatisch besser war.   Kein Wunder, dass er die Erinnerungen an diesen Abend verdrängt hatte. Er hatte kaum noch etwas mit dem Jungen gemeinsam, der er damals gewesen war. Der vierzehnjährige, arrogante Draco Malfoy hätte sich niemals vorstellen können, jemals mit Harry Potter, Gryffindors Goldenem Jungen, befreundet zu sein, geschweige denn zusammen zu sein.   Er war herablassend und grausam gewesen, hatte jede Gelegenheit genutzt, um Harry zu demütigen und zu sabotieren. Genauso im Trimagischen Turnier, an dem der junge Gryffindor nicht mal hatte teilnehmen wollen und aus dem er nicht hatte lebend herauskommen sollen.   Draco konnte immer noch nicht glauben, dass Harry ihm all seine Gemeinheiten hatte verzeihen können, sich sogar in ihn hatte verlieben können. Unwillkürlich zog er Harry näher zu sich heran.   „Du warst mit Parkinson da.“, fuhr Harry fort, als hätte er von Dracos inneren Aufruhr nichts mitbekommen. Wahrscheinlich hatte er das auch nicht.   Draco richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf seinen etwas unbeholfenem Tanzpartner. Die Tanzschritte hatte ihm seine Mutter schon in jungen Jahren eingebläut und sein Vater hatte ihm gelehrt, auf seinen Partner zu achten. Für ihn war es so natürlich wie laufen. Harry dagegen war kein geübter Tänzer. Er strauchelte mit den Schritten und wollte immer wieder auf seine Füße schauen. Es störte seinen Redefluss.   „Ich habe euch gesehen und dachte einfach nur, …“ Harry lachte. „Ich weiß nicht, was ich gedacht habe. Ich war einfach nur irritiert, euch beide zusammen zu sehen. Irgendwie konnte, wollte mein Gehirn das nicht begreifen.“   Wie Recht Harry doch hatte. Damals hatte Draco nicht darüber nachgedacht. Er hatte geglaubt, dass eine Freundin, die zu allem ja sagte, perfekt wäre, aber in Wahrheit war es ermüdend und langweilig gewesen.   „Es hätte mir egal sein sollen, aber ich konnte nicht anders als immer wieder zu euch schauen.“   Draco blinkte irritiert. Das war ihm nicht aufgefallen. Harry hatte ihn an diesen Abend nicht interessiert. Er erinnerte sich, dass sein Blick immer wieder zu Delacour gewandert war.   „Ich habe den ganzen Abend gebraucht, bis ich herausgefunden hatte, was mich so gestört hat.“ Harrys schaute wieder auf seine Füße und seine Bewegungen stockten, genauso wie seine Worte.   Die Unterbrechungen waren etwas nervig. Außerdem wollte Draco Harrys Augen sehen. Er verstärkte leicht seinen Griff und beschleunigte ihre nächsten Drehungen. Es hatte den gewünschten Effekt. Harry hob seinen Kopf und sah ihn entschuldigend an.   „Du sahst viel zu gut aus für sie. Du standest da in deinen mit Sicherheit furchtbar teuren Festumhang und ich – auch wenn ich das damals niemals zugegeben hätte – ich hätte sehr gern mit dir getanzt. Du hättest nur die ganze Zeit über den Mund halten müssen.“ Harry zwinkerte ihm zu.   Draco konnte nicht anders und lächelte. Gern hätte er gesagt, dass er mit Harry getanzt hätte, wenn er nur gefragt hätte, aber sie wüssten beide, dass das eine Lüge wäre.   „Da hast du dich also in mich verliebt?“ Draco grinste Harry lasziv an und versuchte somit, die Anspannung zu überspielen, die sich in ihm aufgebaut hatte.   „Pft! Sei nicht so eingebildet.“, erwiderte Harry. „Es braucht mehr als ein hübsches Gesicht, damit ich mich verliebe.“   Die Musik veränderte sich, wurde schneller. Draco beschleunigte ihre Schritte und wirbelte sie herum. Er zog Harry noch näher zu sich, bis ihre Körper sich berührten. „Einen heißen, unwiderstehlichen Körper?“   Zwei Arme schlangen sich um Dracos Hals. „Das hat auf jeden Fall nicht geschadet.“   Draco versank in den leuchtend grünen Augen. Sie waren nun völlig aus dem Takt, schunkelten mehr als dass sie tanzten. Auch die Musik konnte er kaum noch wahrnehmen. „Sag es mir, Harry. Sag mir, wann du dich in mich verliebt hast.“   Harry lächelte, was seine Augen nur noch mehr zum Strahlen brachte. „Letztes Schuljahr habe ich dich kaum aus den Augen gelassen. Ich habe mir immer wieder eingeredet, dass es nur deswegen war, weil du uns hinterherspioniert hast. Es hat eine Weile gedauert, bis ich begriffen hatte, dass die Aufregung, die ich jedes Mal verspürt hatte, eine ganz andere Ursache hatte.“   War es die gleiche Aufregung, die Draco verspürt hatte, als er Harry dieses Jahr hinterherspioniert hatte? Nach diesem Duschvorfall? Vielleicht. Nur dass Draco ganz genau gewusst hatte, was mit ihm los war.   „Chang und ich haben uns geküsst.“   Draco schnaubte. Das hatte er ganz sicher nicht hören wollen.   „Es hat sich auf so vielen Ebenen falsch angefühlt, aber ich hatte mir bis dahin immer noch eingeredet, dass ich auf sie stehe. In dieser Nacht habe ich das erste Mal richtig realisiert, dass ich mich zu dir hingezogen fühle. Ich wollte unbedingt wissen, wie sich deine Lippen anfühlen.“   Draco verfolgte, wie Harrys Blick zu seinem Mund hinabglitt und leckte sich unwillkürlich über seine Lippen.   „Und wie fühlen sie sich an?“, frage er heißer.   „Einfach magisch.“   Draco lächelte, bevor die wenigen Zentimeter überwand und ihre Lippen miteinander verschloss. Ja, es war magisch. Perfekt! Genauso wie sein Geschenk. Das kleine goldene Ei, dass immer noch im Hintergrund leise Musik spielte. Es war zu leicht, sich sie beide mit vierzehn vorzustellen.   Zusammen auf dem Ball. Die teils neidischen, teils ungläubigen Blicke der anderen Schüler. Die Musik fängt an zu spielen, sie beginnen zu tanzen. Harry, wie er ihn ansieht. Überrascht mit einem Hauch von Sehnsucht.   Eine Erinnerung flammt vor seinem inneren Auge auf. Harry hatte ihn so angesehen. Auf dem Ball. Aber Draco hatte es nicht weiter beachtet und der Moment war in den vielen anderen Eindrücken des Abends untergegangen. Und doch war er da gewesen.   Harry wollte es sich vielleicht nicht eingestehen, aber Draco war sich sicher, dass das der Moment war, an dem sich Harrys Gefühle für ihn gewandelt und letztendlich ihrer beider Zukunft verändert hatte. Das goldene Ei würde sie auf Ewig an diesen Moment erinnern.   „Danke.“, flüsterte er gegen Harrys Lippen, unwillig, sich auch nur für eine Sekunde von ihm zu lösen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)