Das sechste Jahr von CruelLamia (Wie weit würdest du gehen, um deine Liebe zu beschützen?) ================================================================================ Kapitel 28: Rache ist eklig --------------------------- Harry hatte es geschafft und war vor McGonagall im Gryffindor-Turm angekommen. Granger hatte ihn sofort mit Fragen bombardiert und es dauerte nicht lange, bis er die komplette Aufmerksamkeit seines Hauses hatte. Es war gerade genug Zeit, um die wichtigsten Details zu erzählen, bis McGonagall durch das Portraitloch geklettert kam.   Hocherhobenen Hauptes stand die Hexe vor ihren Schülern und versuchte, Autorität und Glaubwürdigkeit auszustrahlen. Sie vermittelte überzeugt die Lüge, die Dumbledore ihr zu erzählen beauftragt hatte, versicherte immer wieder, dass es keinen Grund zur Beunruhigung gab und nährte dadurch unwissentlich das Misstrauen, welches Harry eben gesät hatte.   Harry beobachtete mit einem gewissen Grad an Genugtuung, wie sich seine Mitschüler gegenseitig skeptisch anschauten. Sie glaubten ihm, darin bestand keinerlei Zweifel, aber nun mussten sie entscheiden, wie sie mit den Fehlinformationen von Dumbledore und McGonagall umgehen sollten.   „Sie hat nicht gelogen.“, rief Granger laut durch die hitzig diskutierende Menge, kurz nachdem McGonagall den Gemeinschaftsraum wieder verlassen hatte.   „Natürlich hat sie das!“, entgegnete ein Junge aus dem vierten Jahrgang, dessen Namen Harry nicht kannte. „Ein Unfall? Man benutzt die Dunklen Künste nicht ausversehen. Und das ist auch nicht das, was McGonagall glaubt. Du hast doch Harry gehört.“   „Und ich glaube auch nicht, dass es kein Slytherin gewesen ist. Wer soll sonst sowas tun?“, fragte Colin Creevey.   „Ich wette, es ist Malfoy gewesen. McDougal stand doch direkt vor ihm.“ Harry wunderte sich nicht, dass diese Aussage von Weasley kam.   „Ron!“ Granger drehte sie zu ihrem Freund um und funkelte ihn mit wildem Blick an. „Erstens hat Professor McGonagall gesagt, dass es kein gewesen Slytherin ist – und das hat uns Harry auch so erzählt“, sie wurde etwas lauter, damit auch wirklich alle im Raum sie verstanden, „und zweitens hatte Malfoy keinen Zauberstab in der Hand. Er sah genauso erschrocken aus wie alle anderen.“   McLaggen lachte abfällig. „Du bist so naiv. Glaubst du wirklich, dass der sich nicht verstellen kann? Malfoy stolziert den ganzen Tag durch das Schloss als würde ihn dieser verfluchte Ort gehören. Er hält sich für was Besseres, obwohl sein Vater als Todesser enttarnt worden ist und nach Askaban gebracht wurde. Es ist ein Wunder, dass Malfoy sich überhaupt noch hierher traut. Er denkt, dass er mit allem durchkommt. Wenn er’s nicht gewesen ist, dann war es einer seiner kleinen Speichellecker.“   Granger sah McLaggen wütend an. „Aber dann hätten die Lehrer beim Kontrollieren der Zauberstäbe etwas finden müssen.“   „Tsk! Als ob die Schlangen nicht wüssten, wie sie ihre Taten verschleiern können. Wahrscheinlich haben sie irgendeinen anderen Zauberstab benutzt und ihn schnell verschwinden lassen. Das ist genau das, was Malfoy tun würde.“ Weasley sah seine Freundin herausfordernd an.   „Was ist dein Problem?“, fragte Granger mit einer Mischung aus Verwirrung und Ärger in ihrer Stimme. „Warum denkst du bei allem, was passiert immer sofort an Malfoy, selbst wenn eindeutig bewiesen ist, dass er es nicht war? Er hatte keinen Zauberstab in der Hand als es passiert ist, weder seinen noch einen anderen.“   „Und woher willst du das wissen? Ich bezweifle doch, dass du als erstes auf Malfoys Hände geschaut hast. Oder hattest du ihn etwa schon die ganze Zeit beobachtet?“, mischte sich Brown mit ein. Ihre dunkelbraunen Augen blickten eiskalt zu Granger. Harry konnte die Genugtuung in ihnen sehen, als sie ihre Chance ergriff, einen Keil in Grangers und Weasleys Beziehung zu treiben.   Und Weasley sprang sofort darauf an. „Ja, wie kommt es, dass du ihn immer sofort verteidigst? Stehst du etwa auf diese widerliche Schlange?“ Sein Gesicht lief puterrot an.   „Wie kommst du denn nur auf sowas?“ Granger starrte ihn mit offenem Mund und weit aufgerissenen Augen an.   So sehr Harry es auch genoss, seine ehemaligen besten Freunde streiten zu sehen mit diesem Ausdruck völligen Unglaubens und leichter Verzweiflung in Grangers Blick, ging dieses Gespräch doch langsam in eine Richtung, mit der nicht zufrieden war. Nicht nur weil zu viel Aufmerksamkeit auf Draco lag, er konnte es jetzt nicht gebrauchen, wenn die beiden sich darüber trennen würden. Wenn sie nicht mehr miteinander so viel beschäftigt wären, würde ihnen einfallen, dass es ihn auch noch gab und seine ganze Zeit in Anspruch nehmen.   „Das reicht jetzt.“ Leise aber bestimmt kam Harrys Stimme von der Treppe, die zu den Schlafräumen führte, wo er sich eben zurückgezogen hatte. Alle drehten sich zu ihm um, außer Granger und Weasley, die sich weiterhin wütend anstarrten. Harry seufzte. „Es kann kein Slytherin gewesen sein. Wir alle – die ganze Schule, inklusive der Lehrer – haben zu ihrem Tisch gesehen. Irgendjemandem wäre es aufgefallen, wenn der Zauber von dort gekommen wäre. Der Grund, warum der wahre Schuldige nicht ermittelt werden kann, ist genau dieses Vorurteilsdenken, das ihr gerade an den Tag legt. Snape und Dumbledore sind ebenfalls automatisch davon ausgegangen, dass es ein Slytherin gewesen ist. Deswegen ist es nun unmöglich herauszufinden, wer es wirklich getan hat. Wollen wir wirklich diesem schlechten Vorbild folgen?“ Er schaute jetzt direkt zu Granger und Weasley, die sich nun auch endlich zu ihm umgedreht hatten. „Und uns deswegen streiten?“   Schuldbewusst schaute ihm die Menge entgegen. Harry war fasziniert, wie leicht sie ihm glaubten und ihm folgten. In der Vergangenheit hatte er immer Probleme gehabt, sich Gehör zu verschaffen. Er hatte immer die Hilfe von Granger gebraucht. Und jetzt, da er gegen sie arbeitete, sie belog und hinterging, hingen sie an seinen Lippen und sahen zu ihm auf, wie der Anführer, der er hätte sein sollen.   Selbst Granger. Sie blickte zu ihm hinauf, ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen und sie schien beinahe ein bisschen stolz auf ihn zu sein. Harry nickte ihr kurz zu und bemühte sich, ihr Lächeln zu erwidern. War sie ihm jetzt nicht mehr böse? Von ihren Stimmungsschwankungen konnte man seekrank werden.   Die Zeit bis zum Abendessen verging schnell. Die Gryffindors nutzten den freien Nachmittag, um zu faulenzen und Zauberschnippschnapp zu spielen. Nur wenige nutzten die zusätzliche Zeit zum Lernen. Es waren klägliche Versuche, sich abzulenken. Die Diskussionen waren nach Harrys kurzer Ansprache verstummt, aber der Gedanke, dass, wenn es kein Slytherin gewesen war, der Schuldige einer aus den anderen Häusern gewesen sein musste, hing über ihnen wie ein dunkler Schatten. Kleiner glaubte, dass die Anwendung des schwarzmagischen Fluchs ein Versehen gewesen war.   Die Stimmung beim Abendessen war angespannt. Kaum jemand schien sich unterhalten zu wollen und die Schüler beäugten sich misstrauisch. Es war nicht das erste Mal, das dunkle Künste das Schloss in Schrecken versetzt hatte und seine Schüler unruhig und übervorsichtig werden ließ. Der Erbe Slytherins hatte in Harrys zweitem Schuljahr fast genau die gleiche Stimmung hervorgerufen. Aber damals waren die möglichen Schuldigen leichter einzugrenzen. Entweder war es einer der Slytherins gewesen oder er – Harry – der alle mit Hilfe eines Monsters, das im Inneren des Schlosses durch Salazar Slytherin höchstpersönlich versteckt worden war, Schlammblüter in Stein verwandelte. Dieses Mal konnte es jeder sein – mit Ausnahme der Slytherins natürlich.   Die Schlangen schienen die einzigen zu sein, die das nicht interessierte. Ihre Unschuld in diesem Fall war eindeutig bewiesen und sie genossen die Spannung zwischen den anderen Häusern und nutzten jede Gelegenheit, um sie weiter anzustacheln.   Harry hätte sich gewünscht, dass er sich dem ganzen Theater hätte entziehen können, aber er hatte keine Chance. Seitdem er den Fluch ausgesprochen hatte, wurde er beäugt wie ein rohes Stück Fleisch umgeben von verhungernden Thestralen. Sogar während ihres Quidditch-Training saß Madam Hooch auf einem der Ränke und gab vor, ihre Fortschritte beobachten zu wollen und gegebenenfalls ein paar Tipps zu geben. Nachdem Harry und sein Team sie ganze fünf Minuten mit ausdruckslosen Gesicherten angestarrt hatten, gab sie zu, sie zu ihrem Schutz zu überwachen. Aber Harry konnte ihre Augen häufiger auf sich spüren als auf allen anderen… zusammen.   Aber nicht nur beim Training wurde Harry so genau beobachtet, sondern auch im Unterricht und beim Essen. Die einzige Ausnahme war Verteidigung gegen die Dunklen Künste. Severus schien etwas Mitleid mit ihm zu haben und ließ ihn weitestgehend in Ruhe. Natürlich nur so viel, dass es nicht auffällig wurde. Und das eine Nachsitzen, weil er angeblich einen Stück Pergament verhext hatte, um heimlich Nachrichten auszutauschen. Wenigstens hatte er keine Punkte abgezogen bekommen.   Harry war nicht sonderlich überrascht gewesen, als eine halbe Stunde nachdem er sein Nachsitzen bei Severus angetreten hatte, Filch mit einem halb genervt, halb belustigt aussehenden Slytherin am Kragen gepackt in das Büro des Hauslehrers gestürmt kam. Draco hatte versucht, Mrs. Norris zu verhexen, wurde aber noch rechtzeitig vom Hausmeister daran gehindert und in dem guten Glauben, dass dieser furchtbare Junge bestraft würde, zu Severus gebracht.   Severus allerdings rief Dobby – der kleine Hauself war völlig begeistert, einem Freund von Harry Potter dienlich zu sein – und bestellte drei Gläser Kürbissaft. Sie bekamen zwei Krüge und einen Teller mit Mini-Kürbispasteten. Sie machten es sich vor dem Kamin gemütlich und diskutierten, wie es weitergehen würde.   Draco würde für die nächsten Male die Leitung der Trainingsstunden mit den Babytodessern übernehmen, da Harry sich bedeckt halten musste. Der Slytherin war sehr unzufrieden mit der Lösung, sah aber ein, dass es notwendig war.   Es ließ sich nicht vermeiden, dass sie auf den Fluch und McDougal zu sprechen kamen. Draco glaubte, dass es eine Ravenclaw gewesen war, die sich in ihrem Streben nach Wissen nicht von irgendwelchen dummen Regel einschränken lassen wollte.   „Und sie ist offensichtlich unsterblich in mich verliebt.“, sagte er mit einem süffisanten Grinsen.   Harry blieb bei diesen Worten beinahe ein Stück Kürbispastete im Hals stecken und bewunderte sich selbst, dass er es schaffte, nicht eine Miene zu verziehen. Aus den Augenwinkeln beobachtete er Severus, der lediglich mit einem ungläubigen Blick Draco anschaute.   Draco ließ sich mit einer Mischung aus Unzufriedenheit und Resignation in seinen Sessel zurückfallen. Bevor Harry fragen konnte, was los sei, hatte er wieder seine kalte Maske aufgesetzt und meinte, dass sie die Augen offenhalten sollten. Wenn sich wirklich jemand aus den anderen Häusern für die Dunklen Künste interessierte und sich möglicherweise auch noch ihrer Sache anschließen, könnte das von Vorteil sein.   Die nächsten Tage verliefen ruhig. Zumindest für Harry. Um sicher zu gehen, dass man ihm nicht doch auf die Schliche kam, verzichtete er auf seine nächtlichen Ausflüge in die Verbotene Abteilung der Bibliothek. Die Trainingsstunden hatte er abgegeben und so verbrachte er seine Tage mit den anderen Gryffindors, lernen für den Unterricht und gelegentlich Quidditch-Training. Er ging abends zeitig ins Bett und bekam seit langem mal wieder genügend Schlaf. Es war sterbenslangweilig.   Harry musste mit Erschrecken feststellen, wie sehr er sich an sein neues Leben gewöhnt hatte. Er mochte es. Er mochte es sehr. Er hatte sich nie wohler und nie zugehöriger gefühlt. Bis vor kurzem hatte er angenommen, dass die Weasleys eine Art Ersatzfamilie für ihn wären, aber wenn er sich jetzt überlegte, wo er lieber seine Zeit verbringen wollte, dann kam ihm automatisch Draco, Severus und sogar Malfoy und Voldemort in den Sinn.   Nicht, dass er sie wirklich als Familie sehen würde, aber er fühlte sich mehr akzeptiert und erstgenommen, als es bei den Weasleys und den anderen Mitgliedern des Ordens des Phönix‘ der Fall gewesen war. Man fragte ihn nach seiner Meinung, gab ihm Verantwortung und schloss ihn nicht aus. Ironischer Weise war Harry sich sicher, dass er Voldemort mehr vertrauen konnte als Dumbledore.   „Was glaubst du eigentlich, wer du bist?“   Aus seinen Gedanken gerissen, schaute Harry zum Ravenclaw-Tisch, von dem aus der Ausruf gekommen war. Es war Freitagabend, zwei Wochen waren seit Harrys und Dracos Kuss vergangen, anderthalb Wochen seit dem schwarzen Fluch, den Harry in einem Moment der Schwäche gegen McDougal eingesetzt hatte. Das ganze Schloss war zum Abendessen in der Großen Halle versammelt, mit Ausnahme von ihrem Schulleiter, der zum wiederholten Male in diesem Schuljahr fehlte.   Es war also kein seltener Anblick, den leeren Stuhl in der Mitte des Lehrertischs zu sehen. Viel seltener und deswegen viel spannender waren zwei Ravenclaw-Mädchen, die sich vor allen anderen Schülern lauthals zankten. Was es für Harry allerdings richtig interessant machte, war, welche Mädchen die Aufmerksamkeit auf sich zogen. Chang und Turpin.   Seit dem kleinen Streit, den Harry zwischen den beiden provoziert hatte, als er Turpin um ein Date gebeten hatte, hatte ihre Freundschaft sich nicht wieder erholt. Sie waren sich aus dem Weg gegangen und wenn das nicht möglich war, hatten sie sich ignoriert. Harry wusste nicht, was diesen plötzlichen Streit verursacht hatte und konnte auch nicht herausbekommen, worum es ging. Sie beleidigten sich gegenseitig – den eigentlichen Grund bestimmt schon selbst vergessen – und man musste es wohl als Wunder bezeichnen, dass noch kein Zauberstab gezogen wurde.   In der Zwischenzeit hatten sie die komplette Aufmerksamkeit der gesamten Halle. Der Moment war perfekt. Harry hatte es schon fast vergessen, so viel war in den letzten Wochen passiert und es hatte auch nie eine passende Gelegenheit gegeben, um den kleinen Plan, den Draco und er ausgetüftelt hatten, umzusetzen.   Nun stand Chang da, stritt mit ihrer ehemaligen Freundin und Harry konnte nichts tun, weil er von den Professoren genauso beäugt wurde wie die beiden Mädchen. Er biss die Zähne zusammen und seine rechte Hand zuckte. Es war zu verführerisch. Wie leicht wäre es, jetzt seinen Zauberstab zu ziehen und den unsichtbaren Zauber benutzen, der Changs Leben für immer verändern würde.   „Du kleines Miststück.“   Wieder war es Changs Stimme, die Harry aus seiner Trance riss. Er verdrängte seine Rachegelüste und konzentrierte sich wieder auf die Szene vor ihm. Wenn er sie schon nicht verfluchen konnte, konnte er zumindest die Show genießen.   Chang war gerade dabei ihren Zauberstab zu ziehen. Marcus Belby, ein sonst eher zurückhaltender und leicht einzuschüchternder Junge aus dem gleichen Jahrgang, griff nach ihrem Handgelenk. Die Reaktion kam sofort. Fasziniert beobachtete Harry wie Belby fast sofort, nachdem er Chang berührt hatte, sie wieder losließ. Sein zunächst verwirrter Gesichtsausdruck verwandelte sich langsam in pure Abscheu.   Harry war total aufgeregt. Das konnte doch nicht sein. Das war bestimmt nur Zufall. Aber schon kurz danach wurde seine Vermutung zur Gewissheit. Belby ging ein paar Schritte zurück und wäre fast über eine Zweitklässlerin gestolpert, die sich neugierig näher zu den beiden streitenden Mädchen herangeschlichen hatte.   Chang, verwirrt von dem merkwürdigen verhalten ihres Klassenkameraden, drehte sich zu ihm um.   Turpin nutzte den Moment und wollte ihr ihren Zauberstab aus der Hand nehmen. Sie langte nach vorn und streifte dabei Changs Finger. Ihr Gesicht verzog sich angewidert – ein Anblick, den Harry nur zu gut kannte – und sie ließ den fremden Zauberstab aus ihren Fingern gleiten. Für einen Moment konnte man Panik in ihren Augen sehen und sie strauchelte zurück. Zwei ihrer Mitschüler hielten sie fest, damit sie nicht hinfiel. Ängstlich drehte sie sich zu den beiden um. Nach ein paar Sekunden atmete sich erleichtert auf und bedankte sich leise.   Währenddessen stand Chang da, schaute wütend zu Turpin, bevor sie ihren Zauberstab aufhob und mit hocherhobenen Haupt die Halle verließ. Es dauerte nicht lange und schon war wieder alles beim alten. Turpin zitterte leicht, aber die beruhigende Hand und ein aufmunterndes Lächeln einer Freundin, ließ sich bald wieder beruhigen.   Alle widmeten sich wieder ihrem Essen zu, maßen dem kleinen Streit keine allzu große Bedeutung bei.   Harry schaute über all die Tische hinweg und schaute direkt in Dracos Augen, der mit einem zufriedenen Grinsen zurückschaute. Ein wohliger Schauer kroch Harrys Rücken hinauf. Chang hatte noch keine Ahnung, was gerade passiert war. Sicher hatte sich nicht mal bemerkt, dass sie eben verflucht worden war. Aber es würde nicht lange dauern, bis sie begriff, dass sie niemals wieder von irgendjemanden angefasst werden konnte, ohne dass der sich augenblicklich vor ihr ekelte. Und das Beste war, es gab keinen Gegenfluch.   ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~   Harry war ein nervliches Wrack.   Es war Samstag und Draco wurde am Morgen von seinem Vater zu seinem vierwöchentlichen Treffen mit Voldemort abgeholt. Harry wusste nicht, was er erwarten sollte. Sie hatten nie darüber gesprochen, was Draco von den Ereignissen der letzten Wochen erzählen würde und was nicht. Und es hätte auch gar keinen Sinn gemacht. Voldemort würde ohnehin in seinen Geist eindringen und jede noch so winzige Information aus seinem Bewusstsein abzapfen. Der Kuss, der Fluch. Würde Voldemort die richtigen Schlüsse ziehen? Oder war Harrys kleiner Okklumentiktrick ausreichend gewesen, dass Voldemort niemals auf die Idee kommen würde, dass es eine andere Wahrheit gab?   Zu Harrys Glück und dem Unglück seiner Mitschüler kam ihnen Severus entgegen als sie gerade nach dem Mittagessen aus der Großen Halle kamen und zurück in ihrem Turm wollten. Er hatte ihnen vorgeworfen, dass sie in den Fluren rennen würden und ihnen jeden 5 Punkte abgezogen. Harry hatte sie verteidigen wollen und wurde prompt zu Strafarbeiten verdonnert, beginnend sofort.   Mit wutverzerrtem Gesicht war Harry Severus in dessen Büro gefolgt. Nachdem die Tür hinter ihnen ins Schloss gefallen war, ließ Harry sich auf dem Boden gleiten. Den Kopf in den Nacken an das alte Holz gelehnt, starrte er an die Decke. Seine Schultern sackten nach unten und die Anspannung verließ langsam seinen Körper.   Severus starrte einen Moment nachdenklich auf ihn herab, bevor er sich kurzentschlossen umdrehte und in eine Kammer verschwand. Etwas klirrte und schepperte und ein genervtes Grollen war aus dem Raum zu hören. Ein leises Summen verriet, dass das, was auch immer kaputt gegangen war, wieder repariert und an Ort und Stelle gebracht wurde.   Die Geräusche erregten Harrys Aufmerksamkeit. Neugierig schaute er nach vorn und versuchte, etwas in der Dunkelheit des angrenzenden Raumes auszumachen. Mehr als Severus‘ Schatten konnte er aber nicht erkennen.   Kurze Zeit später kam Severus wieder heraus, eine Flasche Feuerwhisky und zwei kunstvoll geschliffene Gläser mit jeweils zwei Eiswürfel in der Hand. Harry zog seine Augenbrauen nach oben und sah ihn fragend an.   Severus stand unschlüssig vor ihm. Sein Blick huschte zwischen dem auf dem harten Steinboden sitzenden Harry und seinen bequemen Sesseln hin und her. Nach kurzer Überlegung zuckte er mit den Schultern und ließ sich neben Harry auf den Boden gleiten. Er zischte kurz wegen der Kälte seiner neuen Sitzgelegenheit. Schnell sprach er einen Polsterungs- und einen Wärmezauber für sich und Harry, bevor er Harry einen kleinen und sich einen großzügigen Schluck Feuerwhisky einschenkte.   „Ich hatte nicht erwartet, dass du mich zum Trinken einlädst.“ Harry nahm das Glas und bewunderte wie sich das Kerzenlicht durch die dunkle klare Flüssigkeit und dem einzigartigen Schliff brach. ‚Wie geschmolzener Bernstein.‘ Kleine Dampfwolken stiegen auf wie der Rauch, den Drachen aus ihren Nüstern stießen, spielten dem Gehirn einen Streich, dass man sich die Finger verbrennen würde, sobald man das Glas berührte, obwohl die Flüssigkeit selbst eisgekühlt war.   „Extreme Situationen erfordern extreme Maßnahmen.“, erwiderte Severus trocken.   Harry lächelte stumm vor sich hin und nahm einen Schluck. Die Eiswürfel klirrten und Harry konnte ihren kühlen Hauch an seinen Lippen fühlen, während der Feuerwhisky brennend seine Kehle hinabglitt. Er versuchte nicht zu husten, versagte aber kläglich. Severus nahm ihm schnell das Glas ab und beobachtete belustigt, wie Harry kleine Rauchschwaden abhustete.   Nachdem er sich wieder beruhigt hatte, sah Harry grinsend zu Severus. Der Feuerwhisky hatte ihn eindeutig wieder belebt und er fühlte sich… mutiger…, aber sein Lieblingsgetränk würde es ganz sicher nicht werden. „Ich glaube nicht, dass meine Mutter erfreut darüber sein würde, dass du ihrem minderjährigen Sohn Feuerwhisky zu trinken gibst.“   Severus stellte sich vor, wie Lily vor ihm stand und ihn eine Standpauke hielt, weil er Harry zum Trinken verleitet hatte. „Nein, das würde sie ganz sicher nicht.“ Er sah mit einem ernsthaften Gesichtsausdruck zu Harry, bis beide sich nicht mehr zurückhalten konnten und laut lachten.   Harry nahm sein Glas wieder zurück. Er war festentschlossen, es vollständig zu leeren.   ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~   Ein Nachteil, wenn man schon mittags mit dem Trinken begann? Man hatte viel länger dieses Brennen im Hals und den ekligen Geschmack im Mund. Harry konnte nicht verstehen, wie jemand gerne Feuerwhisky trank. Für ihn schmeckte er einfach nur bitter. Er hatte eine Stunde gebraucht, um sein Glas zu leeren. Aber er musste zugeben, dass es seine Vorteile hatte. Er konzentrierte sich mehr auf das Brennen in seinem Hals und den leichten Dusel in seinem Kopf als seine Sorgen. Severus im Gegenzug schien ihn zu genießen und hatte sich schnell ein zweites Glas eingegossen.   Es war bereits später Nachmittag. Die noch fast volle Flasche Feuerwhisky stand vergessen auf den Boden, genauso wie die beiden Gläser. Eine leicht getrübte Pfütze war in beiden zu sehen, die Reste der Eiswürfel, geschmolzen, nachdem der Gefrierzauber seine Wirkung verloren hatte.   Harry und Severus saßen immer noch auf dem Boden. Die Wärme- und Polsterungszauber waren mehrfach erneuert worden. Sie hatten sich erst über Harrys Mutter unterhalten. Aber Harry hatte schnell das Thema gewechselt, nachdem er bemerkt hatte, dass Alkohol und traurige Erinnerungen keine gute Mischung waren. Zaubertrankbrauerei und Verteidigung gegen die Dunklen Künste bzw. Dunkle Künste selbst waren viel passendere Themen. Aber auch diese Unterhaltung ging immer schleppender voran. Der Alkohol machte ihre Zungen träge und die Lider schwer.   Gerade als Harry einzunicken drohte, erwachte der Kamin zum Leben. Grüne Flammen züngelten wild durcheinander und eine Gestalt trat durch sie hindurch in den Raum. Harry war sofort wieder wach und nahm Draco in Augenschein, suchte nach Anzeichen, dass ihm etwas Schlimmes widerfahren sei.   Aber Draco stand einfach nur da und schaute amüsiert auf die beiden Zauberer, sein Blick huschte zwischen dem schläfrigen Severus und der angebrochenen Flasche Feuerwhisky hin und her.   „Störe ich gerade eine kleine Privatparty?“ Harry musste nicht hinsehen, um das breite Grinsen in Dracos Gesicht zu sehen, man konnte es deutlich in seiner Stimme hören.   Severus brummte irgendetwas vor sich hin, bevor er stöhnend aufstand und an Draco vorbei zum Kamin ging, um die Reste des Flohpulverfeuers zu entfernen und ein richtiges Feuer zu entzünden. ‚Perfekter Zeitpunkt.‘, dachte Harry, da der Wärmezauber bereits wieder an Kraft verlor.   Draco ging zu der verwaisten Flasche und wollte sie gerade aufheben, als ein Accio sie aus seiner Reichweite zog. „Nichts da.“, meinte Severus. „Es ist bald Zeit zum Abendessen und ich glaube nicht, dass du erklären willst, warum du nach Alkohol riechst.“   „Wenn ihr mir erzählt hättet, dass ihr eine kleine Party geplant habt, wäre ich früher zurückgekommen.“ Draco ließ sich neben Harry auf Severus‘ Platz fallen und seufzte zufrieden, als er den Polsterungszauber bemerkte.   „War nicht geplant.“, gab Harry trocken zurück. Dracos gute Laune hatte eine beruhigende Wirkung auf ihn.   „Und eine Ausnahme. Von mir gibt es keinen Alkohol mehr, bis ihr volljährig seid.“, rief Severus, während er die Flasche zurück in die kleine Kammer brachte.   Draco grinste. „Na da muss ich ja nicht mehr solange warten.“   Harry konnte noch sehen, wie Severus seinen Kopf schüttelte. „Das Zeug könnt ihr ruhig alleine trinken. Ich halte mich dann doch lieber an Butterbier.“   „Mein Vater hat ein paar ausgezeichnete Elfenweine. Ich könnte mir vorstellen, dass die eher nach deinem Geschmack sind.“, entgegnete Draco.   „Soll das eine Einladung sein?“ Sobald die Worte Harrys Lippen in einem spielerischen Ton verlassen hatten, bereute er es schon wieder. Warum konnte er sich nicht zusammenreißen? Er durfte nicht mit Draco flirten. Was dachte er sich nur nach allem, was passiert war.   „Wenn du dich traust, Potter.“, erwiderte Draco in der gleichen spielerischen Tonlage.   Harrys Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Er musste das sofort unterbinden.   Severus war in der Zwischenzeit wieder zu ihnen gestoßen, aber er gesellte sich nicht zu ihnen, wie Harry gehofft hatte. Stattdessen hielt er auf eine weitere Tür zu. „Ich glaube, ich lege mich noch kurz hin, bevor das Abendessen anfängt. Macht keinen Unsinn.“ Mit diesen Worten war er durch die Tür und ließ einen verzweifelten Harry zurück.   Draco schnappte sich eines der Gläser. „Deins?“   Harry schaute zu ihm und nickte kurz. Draco setzte das Glas an seine Lippen und ließ die Reste des Feuerwhiskys gemischt mit dem geschmolzenen Eis in seine Kehle rinnen. Unzufrieden verzog Draco sein Gesicht. „Zu dünn, zu warm.“   „Selbst schuld. Keiner hat gesagt, dass du das trinken sollst.“ Leicht belustig schaute Harry ihn an. Er war sich leider Dracos Nähe viel zu bewusst.   „Manchmal kann man aber sowas gebrauchen.“ Nachdenklich schaute Draco in das leere Glas. Die fröhliche Stimmung war mit einem Mal verschwunden.   „Was war gewesen? Du bist sehr zeitig wieder da.“, fragte Harry. Er konnte die Sorge in seiner Stimme nicht verbergen.   „Ja, es ging schnell. Ich konnte sogar mit meinem Vater in Ruhe zu Mittag essen.“ Draco starrte weiterhin gedankenverloren in das Glas.   „Das ist… schön.“ Harry wusste nicht, ob er weiter nachhaken sollte. Auf der einen Seite machte ihn diese Ungewissheit wahnsinnig, auf der anderen Seite sah Draco nicht so aus, als ob er darüber sprechen wollte.   Nach ein paar Minuten brach Draco die Stille. „Er meinte, ich bräuchte dich nicht länger beobachten.“   „Was?“, fragte Harry. Er brauchte einen Moment, um den Sinn der Worte zu erfassen.   „Na, um herauszufinden, wer dein Mädchen ist.“ Draco Stimme klang ausdruckslos, seine Kiefer presste er hart aufeinander.   „Das ist gut, schätze ich.“ Harry war sich nicht ganz sicher, was er davon halten sollte. „Hat er gesagt, warum?“   „Tsk! Als ob er seine Befehle begründen würde. Nein! Ich habe meinen Bericht abgegeben, danach hat er kurz in meinem Kopf rumgewühlt und gesagt, dass ich damit aufhören kann und mich lieber auf meine anderen Aufgaben konzentrieren soll. Ich habe ihn gefragt, ob ich versuchen soll, herauszufinden, wer den schwarzmagischen Fluch gesprochen hat. Daraufhin hat er gelacht und meinte, dass er schon eine Vorstellung hätte, wer es gewesen ist.“   Harry wurde blass. Das konnte nicht sein. Oder? Das durfte nicht sein. Hatte Voldemort irgendetwas in Dracos Erinnerungen gesehen, was ihm entgangen war? Oder hatte er einfach die richtigen Schlüsse gezogen? Aber das war nicht möglich. Wenn es so wäre, dann würde Draco jetzt nicht mehr hier sitzen. Da war er sich sicher. Nein, Voldemort würde nicht ruhig bleiben, wenn er glauben würde, dass Harry ihn belogen hatte.   ‚Beruhige dich. Dein Geheimnis ist sicher.‘, sagte Harry sich immer wieder.   „Er wollte mir aber nicht sagen, wer es gewesen ist. Er meinte, ich solle mir keine Gedanken darüber machen.“ Draco zuckte mit seinen Schultern.   „Hat er dir gesagt, warum du mich nicht mehr beobachten sollst?“ Harry hoffte, dass Draco nicht bemerkte, wie schnell sein Herz pochte.   „Nein. Ich schätze, er hat gesehen, dass mir die Ideen ausgegangen sind. Ihm wird mein letzter verzweifelter Versuch nicht entgangen sein, als er in meinen Kopf eingedrungen ist.“ Draco schaute mit starrem Blick in Harrys Augen.   „Ich verstehe.“ Der Kuss. Also war es wirklich nur darum gegangen. Ein letzter Versuch, Harry aus der Reserve zu locken. Harry wusste nicht, wie er sich fühlen sollte. Natürlich war er erleichtert, aber er konnte nicht verhindern, dass eine Spur von Enttäuschung an ihm nagte. Er sorgte dafür, dass beides nicht in seinem Gesicht zu sehen war. Stattdessen setzte er ein zufriedenes Lächeln auf und hoffte, dass es überzeugend war. „Ich schätze, damit habe ich gewonnen.“   Was auch immer Draco gehofft hatte, in Harrys Augen zu finden, er wurde enttäuscht. „Was meinst du?“   „Dass du es nicht geschafft hast, mein kleines Geheimnis zu lüften. Eigentlich hätte ich ja dafür einen kleinen Preis verdient, aber weil du mir mit Chang geholfen hast, würde ich sagen, sind wir quitt.“   Draco grinste ihn an. „Kein Problem. Der Moment war so perfekt. Im Gegensatz zu Turpin ist Chang immer von so vielen ihrer kleinen dummen Freundinnen umgeben, dass man keine Chance hat, sie irgendwo allein anzutreffen.“   „Ja. Ich hätte es gerne selbst gemacht. Aber ich werde leider im Moment zu genau beobachtet. Ich bin froh, dass du es übernommen hast. Wer weiß, wann sich die nächste Gelegenheit ergeben hätte. Danke dafür.“ Harry lächelte ihn an.   „Wie gesagt, kein Problem. Ehrlich, es war mir ein riesiges Vergnügen.“ Dracos Grinsen wurde noch eine Spur hinterhältiger. „Hat sie schon irgendetwas bemerkt?“   „Bisher sah es nicht danach aus. Aber soweit ich gehört habe, hat sie nächstes Wochenende ein Date. Spätestens dann, sollte sie bemerkt haben, dass sie keiner mehr berühren kann, ohne dass der sich vor ihr ekelt. Wie sie wohl erst reagiert, wenn sie bemerkt, dass es keinen Gegenfluch gibt?“ Einer der kleine Kniffe, die Draco mit in den Fluch eingebaut hatte. Er war permanent, so wie es Grangers Fluch gewesen ist. Sie war nicht die einzige, die solche Glanzleistungen vollbringen konnte.   Draco antwortete nicht. Er schaute Harry einfach nur mit einem unheimlichen Glitzern in den Augen an.   Plötzlich öffnete sich die Tür und ein verschlafen aussehender Severus kam in das Büro geschlichen. „Ihr seid ja immer noch da. Das Abendessen hat schon angefangen.“   Seufzend stand Draco auf. „Ich werde mich schnell umziehen gehen.“   Harry erhob sich ebenfalls. Trotz des Polsterungszauber taten seine Glieder weh und protestierten als er sich nach mehreren Stunden wieder bewegte. Er streckte sich und bemerkte dabei, wie ihn Draco mit einem merkwürdigen Gesichtsausdruck anstarrte.   „Was ist?“, fragte Harry verwirrt.   „Du stehst vor der Tür.“ Dracos Stimme klang leicht belegt.   Harry beeilte sich und ging zur Seite. Draco stürmte aus der Tür, ohne ein weiteres Wort zu sagen. Verdutzt über den plötzlichen Stimmungswechsel sah Harry ihm hinterher. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)