Die Motus von Futuhiro (Magister Magicae 5) ================================================================================ Kapitel 2: Sklavenhandel ------------------------ Draußen im Flur lehnte ein hagerer Bursche mit Schlappmütze an der Wand und rauchte. Pawlow, seine Nachhut. Der Kerl hielt für ihn Augen und Ohren offen und warnte ihn rechtzeitig, falls jemand kam, der das hier nicht sehen sollte. Es war schließlich unangenehm, bei so einem Mordauftrag zufällige Zeugen im Nacken zu haben. Victor ging kommentarlos an seinem Aufpasser vorbei und verschwand im Treppenhaus. Der Kerl schaute erstaunt auf seine Kippe, die er gerade erst angezündet hatte. Dieses Ding diente ihm tatsächlich als Zeitmesser. Victor war viel zu schnell wieder da. Pawlow hechtete ihm nach. „eh, u was jest kniga?“ [Hast du das Buch?] „da.“, brummte Victor nur und marschierte ungebremst weiter. „Okay. Dann jetzt direkt zurück zum Hauptquartier, oder?“ „Ich hab noch was zu erledigen.“ „Aber du sagtest, wir wären 14 Uhr wieder in ...“ „Mein Kontaktmann bei der Polizei hat mir gerade einen Code 4–1–K gemeldet.“, schnitt Victor ihm harsch das Wort ab und zog dabei kurz vielsagend das Handy aus der Jackentasche, um ihm klar zu machen, auf welchem Weg dieser ominöse Kontaktmann ihn kontaktiert haben könnte, ohne daß er das mitbekam. „Du hast einen Kontaktmann bei der Polizei?“, machte der Bursche verdutzt. „Ich bin der verdammte Vize-Chef! Du würdest staunen, wohin ich überall dreckige Kontakte habe.“ „Und was ist ein Code 4–1–K?“ „Du stellst zuviele Fragen.“, stöhnte Victor. „Für so kleine Wichser wie dich wäre es klüger, nicht zuviel zu wissen. Wer zuviel weiß, kann schnell mal verschwinden und nie wieder gesehen werden, hast du mich verstanden?“ Pawlow wurde bleich. „J-Ja, Boss. Ich verstehe.“ Victor machte kurz eine groteske Mischung aus zufriedenem Nicken und genervtem Kopfschütteln und ging voraus. „Aber was ist denn ein Code 4–1–K?“, hakte er schüchtern nach, als er sich bemühte, hinterher zu kommen. „Ich meine, sollten wir nicht den Boss ...!? ... Okay, okay, ich bin ja schon still.“, murmelte er mit eingezogenem Kopf, als Victors böser Blick ihn beinahe pfählte. Er hatte durchaus Angst vor Victor. Der kleingeratene, zierliche Junge sah zwar süß und harmlos aus, aber er gebrauchte seine Waffe ohne Fragen zu stellen. Auch gegen die eigenen Leute, das wäre nicht das erste Mal. Und sicher hatte er es nicht grundlos innerhalb kürzester Zeit zum Vize-Boss der Motus gebracht. Victor hielt den Wagen mit einem Ruck an und musterte durch die Windschutzscheibe aufmerksam das Gebäude vor sich. Er fuhr einen unauffälligen, schwarzen Toyota ohne jeden Schnickschnack, wie ihn hier gefühlt jeder fünfte hatte. Er wollte ja nicht immer und überall sofort bemerkt werden. „Was tun wir hier?“, wollte Pawlow wissen, der auf dem Beifahrersitz hockte und sich ebenfalls interessiert das leere, abgelegene Industriegelände mit dem aufgebrochenen Absperrzaun und der baufälligen Lagerhalle dahinter ansah. „Geschäfte.“, kommentierte Victor knapp und stieg aus. Er stiefelte um den Kofferraum herum und holte eine Sporttasche heraus, in der er noch etwas zurecht fummelte, bevor Pawlow sich ebenfalls hinausbequemt hatte. Ganz automatisch folgte sein Strohmann ihm. Nicht mehr und nicht weniger als das war er nämlich. Sein Strohmann. Und nicht etwa der Rückenfreihalter auf Missionen. Dazu wäre dieser Dilletant sowieso nicht zu gebrauchen. Victor ließ das Auto offen, nur den Zündschlüssel nahm er mit. Dann schulterte er die schwere Tasche und marschierte los. Das augenscheinlich leerstehende Lagerhaus war nicht abgesperrt. Weder Schloss noch Türsteher hielten Victor auf, als er das Gebäude betrat. Er nahm es mit einem Kopfschütteln zur Kenntnis und ging weiter. Seine Männer waren leichtsinnig und sich ihrer Sache viel zu sicher. Hier konnte ja jeder fröhlich reinspazieren, ob Freund oder Feind. Selbst wenn es nur ein paar Kinder waren, die hier draußen einen ungestörten Abenteuerspielplatz suchten, hätte das reichlich blöd ausgesehen. Victor war auf den Anblick gefasst gewesen, aber trotzdem hielt er in der Tür kurz inne. Hier standen zahllose Käfige herum, in denen alle möglichen Kreaturen eingesperrt waren. Genii. Die wenigsten davon machten sich noch die Mühe, ein menschliches Aussehen aufrecht zu erhalten. Sie konnten das auch gar nicht mehr. Sie trugen alle ein Bannsiegel, das ihnen eine unerlaubte Verwandlung unmöglich machte. Die Motus hatte eine schwarze Liste, auf denen Wesen standen, die getötet wurden, weil sie zu gefährlich für Menschen und unkontrollierbar waren. Und es gab eine blaue Liste, mit Genii, die zwar auch nichts Gutes mit den Menschen im Sinn hatten, aber so schwach waren, daß man sie noch mittels Bannzaubern unterdrücken und zur Arbeit zwingen konnte. So wie diese hier. Es mussten dutzende sein. Alle hatten diesen leeren, gebrochenen Blick, mit dem sie teilnahmslos vor sich hinstarrten. Kaum einer hatte aufgesehen, als Victor die Tür aufgezogen hatte und eingetreten war. „Ist das ein Sklavenmarkt?“, wollte Pawlow wissen, der ihm auf dem Fuß folgte. „Ja. Da hinten ist das Büro. Der stellvertretende Kluster-Chef aus Polen ist da und nimmt die Sklaven in Empfang. Ich bin sicher, die sitzen gerade über den Papieren. Hier, nimm die Tasche und geh schonmal voraus. Ich komm gleich nach.“, trug Victor ihm auf und ließ das schwere Gepäckstück von seiner Schulter rutschen, um es ihm hinzuhalten. „Und gib mir dein Handy. Ich muss telefonieren. Mein Akku ist alle.“ „Wegen dem Code 4–1–K?“ „Genau.“ Bereitwillig tauschte Pawlow sein Handy gegen die Tasche ein und schleppte diese von dannen. Keine weiteren Fragen. Er war viel zu nervös, einem so hohen Tier wie dem stellvertretenden Kluster-Chef aus Polen zu begegnen. Er wusste, daß das Verbrecher-Kartell Motus Außenstellen in anderen Ländern betrieb. Aber er wusste nicht, in wie vielen Ländern, oder wo genau, geschweige denn, daß er Namen oder Gesichter von dort gekannt hätte. Dafür war er selber ein viel zu kleines Licht. Er durfte sich nichtmal an den Jagden beteiligen, wenn sie einen Genius aufspürten, der auf der schwarzen oder blauen Liste stand. Er hatte nur Kurierfahrten zu machen und abgesehen davon die Klappe zu halten. Sowas wie heute, wo er den Vize-Boss auf eine Mission in eine Nachtmahr-Höhle begleiten und ihn absichern durfte, war schon eine regelrechte Ehre. Victor schaute dem Kerl mit dem Schlapphut noch eine Weile nach und trat dann wieder hinaus ins Freie. Er sah auf die Uhr und zählte die Sekunden. Wie lange konnte es wohl noch dauern? Sein Zeitgefühl sagte ihm, daß er Pawlow viel zu viel Vorsprung gelassen hatte. Nun ja, wohl besser als zu wenig. Ein mörderischer Rumms ließ ihn den Kopf einziehen. Das Gebäude ächzte in allen Fugen. Er drehte sich um und sah aus dem Wellblechdach eine Feuersäule gen Himmel steigen. Dort, wo das Büro gewesen war. Ein leichtes Schmunzeln. Wouw, das Ding hatte ja ordentlich gekracht. Zufrieden wählte er mit Pawlows Handy die Nummer der Feuerwehr und meldete ein in Brand stehendes Lagerhaus, während er sich auf den Rückweg zu seinem Auto machte. Er überließ es den Staatlichen, die gefangenen Genii zu befreien. Seine Arbeit hier war getan. Er verzichtete darauf, zu überprüfen, ob der Vize aus Polen überhaupt da gewesen war. Seine Quellen waren zuverlässig. Wenn die sagten, der sei da, dann war der auch da. Victor verzichtete auch darauf, sicher zu gehen, daß er den Vize wirklich erwischt hatte. Diesen Rumms hatte definitiv niemand im direkten Umkreis überlebt. Und selbst wenn doch, dieser Sklaventransport hier war so oder so geplatzt. Pawlows Telefon ließ er achtlos zu Boden fallen, nachdem er fertig telefoniert hatte, stieg in seinen Wagen und verschwand von der Bildfläche. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)