Decision von Chaosbande ================================================================================ Kapitel 2: ... of revenge, to remember and love .. -------------------------------------------------- Doch er kam nicht bis zum Quidditchfeld. Eine Gruppe Schüler, die anscheinend von eben jenem kam, zwangen ihn dazu, einen Umweg zu nehmen und so führte ihn sein Weg in die Nähe der Peitschenden Weide. Wäre er doch einfach strikt weiter gegangen, ohne dieses wilde Gewächs zu beachten, dachte er sich noch, als ihn seine Erinnerungen an Sirius abermals einholten. Hier hatten sie alle damals gestanden… damals im dritten Jahr. Harry war vollkommen fertig. Nicht nur körperlich, sondern vor allem geistig. Sirius war sein Pate und liebte ihn. Von wegen, der Black war aus Askaban entkommen, um ihn zu töten. Er hatte nur wegen ihm nicht den Verstand verloren, sich immer an den Gedanken geklammert, Harry irgendwann wieder bei sich zu haben und in die Arme nehmen zu können. Das Leben zu bieten, was er verdiente. Sein Pate war mit neuer Kraft und Wut entkommen, als er ein Bild des Mannes, der für seinen Askabanaufenthalt verantwortlich war, gesehen hatte. Und das natürlich aus Rache, aber auch, um Harrys Leben zu beschützen! Wie falsch der Potter doch das ganze Jahr über gelegen hatte. Wie viel Zeit er doch verschwendet hatte! Was war er doch für ein Idiot gewesen, an seinem Bauchgefühl zu zweifeln und stattdessen auf die Menschen in seinem Umfeld zu hören. Schnaufend stolperte er über eine Wurzel und wurde sogleich von starken Händen am Fallen gehindert. „Geht‘s?”, fragte Sirius besorgt von der Seite und musterte ihn flüchtig. Schwach nickte der Potter. „Ja, danke.” Mehr traute er sich nicht zu, so sehr, wie sein Hals kratzte. „Na dann, komm. Lass uns die Ratte an die Dementoren übergeben.” Damit zog und schob ihn der Black durch den engen Gang. Remus trieb Peter unbarmherzig voran und Harry sah schon in dem geringen Licht, dass der Lupin nicht zimperlich oder gerecht mit dem Pettigrew umging. Aber es störte ihn wenig. Schließlich war dieser Widerling dafür verantwortlich, dass seine Eltern von Voldemort umgebracht wurden. Peter war der Verräter! Harry hatte nur einfach einschreiten müssen, als die beiden Erwachsenen ihren ehemaligen Freund tatsächlich hatten töten wollen. So sehr er es auch verstehen konnte, war es doch falsch und vor allem gab es zum Beispiel die Dementoren, lebenslange Flüche oder Gifte, die dem Rattenanimagus wesentlich mehr quälten. „Au, Hermine. Pass doch auf!”, erklang es gequält hinter ihnen. Ron und Hermine waren das Schlusslicht der seltsamen Truppen, wobei der Weasley immer wieder aufschrie, jammerte und Sirius Verwünschungen an den Kopf warf. „Solltest direkt in den Krankenflügel. Hatte vorher noch Thestral und davon bestimmt was zwischen den Zähnen”, kam es trocken von kurz vorher auf den Mond gewünschten, was ein gequältes Stöhnen des Weasley und eine genervte Ermahnung sich zusammenzureißen von Hermine brachte. Im Augenwinkel sah der junge Potter das Zucken der Mundwinkel des Paten und die in den schwachen Fackeln blitzenden Augen. Vielleicht ein wenig verrückt, aber wer wäre das nach einem so langen Aufenthalt in Askaban nicht? Ein leises Kichern huschte aus seinem Mund, was ihm nun wiederum einen verwirrten Blick Seitens seines Paten einbrachte. „Ach… ich habe nur gerade an Professor Snape gedacht…” Nun schwang das Lachen in einen leicht hysterischen Ton um. “Ich meine… er rennt uns nach, meint mich - uns - vor dir beschützen zu wollen und landet letztendlich geschockt und bewegungsunfähig auf einem zusammengefallenen Bett. Oh Gott!” Bei Merlin, Morgana und allen Göttern, Snape würde ausrasten und die Schüler dafür büßen lassen! Das würde ein ‘Troll’ nach dem anderen regnen. Mindestens! „Das gibt solchen Ärger”, flüsterte er jetzt nur noch erstickt und kuschelte sich unbewusst an Sirius, der einen Arm um ihn gelegt hatte. „Ach, das mit Schniefelus wird schon. Ansonsten kriegt er Ärger mit mir. Das dürfte er ja noch kennen…” Doch ehe Harry dazu kam, den Black nach der Bedeutung der Worte zu befragen, trat die Gruppe aus dem Geheimgang unter der Peitschenden Weide hervor und der Vollmond traf auf Remus. Augenblicklich erwachte der Werwolf in diesem zum Leben und das Chaos brach aus. Ja, und dann hatte auch der wieder einsatzfähige Tränkeprofessor seinen großen Einsatz gehabt und ihnen allen den Arsch gerettet. Gut, Peter hatte das Durcheinander genutzt und sich vom Acker gemacht, aber auch dieser hatte irgendwann seine Strafe erhalten. Wie oft er nach Sirius‘ Tod und auch nach der Schlacht, hier gestanden hatte und an eben jenen Abend gedacht hatte? An diesen kurzen Moment in Sirius‘ Armen und voller kindlicher Hoffnung, dass nun alles besser wurde… er wusste es nicht. Mindestens genauso oft hatte Remus neben ihm gestanden und an seine Jugendliebe gedacht. Eine Liebe, die wohl selbst durch die Beziehung mit Tonks und das gemeinsame Kind, nicht besiegt war. Egal, wie sehr dieses Kind nun Remus‘ Leben ausfüllte, welches er als alleinerziehender Vater führte. Der Lupin hatte nämlich das unverschämte Glück gehabt, dass ein unkontrollierter Schildzauber und unbekannter Zauberer zwischen ihn und den Todesfluch geflogen waren. Wie Remus nicht müde wurde zu betonen, war die Zeit mit Tonks eine besondere und intensive gewesen, doch die Liebe zu Sirius steckte zu tief in seinem Herzen, egal, wie dumm sich der Black manchmal benommen hatte. Egal, wie lange Remus auf den Black hatte warten müssen und egal, ob Harry ab dem Moment immer an Sirius‘ erster Stelle gestanden hatte. Trotz allem war laut dem Lupin, ein Teil seines Herzens und seiner Seele mit durch den Schleier gegangen. Leises Schluchzen erklang und der gedankenverlorene Potter krallte sich in den Wollstoff in Höhe seines Herzens. Wie gut er doch verstand, wie der Werwolf sich fühlte. „Du solltest nicht hier stehen und schluchzen wie ein Hufflepuff, dann nützt auch der Umhang nichts”, schnarrte es plötzlich hinter ihm und verschreckt wirbelte der emotionale Potter auf der Stelle herum. Verdammt, die Zeiten des Friedens hatten ihn wirklich unaufmerksam gemacht. Schwer seufzend zog er sich den Unsichtbarkeitsumhang vom Körper und stopfte ihn in die Manteltasche zurück. „Vielleicht solltest du damit… ein wenig sorgsamer umgehen?” Doch Harry winkte nur ab und deutete in Richtung Quidditchfeld. „Wollen wir? Ich habe richtig Lust. Es brennt schon gerade zu.” Mit einem dreckigen Grinsen rannte er schnell in Richtung der Umkleidekabinen. Seine Rache sollte der Ältere anders ausleben, als ihn anzuschnauzen. Ein empörtes und resigniertes „Mr. Potter!” hallte durch die Nacht zu ihm heran. „Also wirklich, der letzte Avada hat dir eindeutig zu viele Gehirnzellen weggeschmort. Du hast doch echt einen an der Waffel, Potter! Was sollte denn bitte die Aktion in der Halle vorhin? Verdammt, ich bin ein Lehrer!” Die Strafpredigt begann schon, ehe der Andere die Tür hinter sich geschlossen hatte. Einen Moment musterte Potter seinen ‘Gast’ von einer dunklen Ecke aus, ehe er mit einem Schmunzeln hervortrat und diesem einen Arm um die Schulter schlang. „Ach, Mr. Malfoy, stellen Sie sich doch nicht so an, Sie sind schließlich Lehrer in ausbildung. Lass uns lieber fliegen. So wie in alten Zeiten.” Verheißungsvoll ließ er seine Augenbrauen wandern und als er das Aufblitzen der graublauen Augen sah, wusste er, er hatte gewonnen. Es war ein rasantes Spiel. Der Schnatz hatte sich alle Mühe gegeben, sich mit Hilfe der Dunkelheit und der aufziehenden Wolken, vor den beiden Suchern zu verstecken. Doch weder Gryffindor, noch Slytherin würden die beiden Schüler als “Star-Sucher” bezeichnen, wenn diese mit solchen Bedingungen überfordert wären. Es war kein kurzer und freundschaftlicher Flug gewesen. Nein! Die beiden hatten sich nichts geschenkt und durch den Einsatz von Zaubern, hatte das ganze eine besondere Note bekommen. Auch die nochmals verzauberten Klatscher waren ein weiterer Punkt gewesen, dass dieses Spiel eindeutig zu einem Risikospiel gemacht hatte. Riskant für Leib und Leben. „Du hast nicht übertrieben, als du sagtest, dass du Druck hast!”, kam es lachend von Draco, während die beiden total erledigt in Rückenlage mitten auf dem Quidditchfeld lagen. Ein umgewandelter Protego schützte die beiden Sucher vor der Kälte und dem einsetzenden Regen. Harry lachte nur auf die Aussage des Blonden. “Aber hey, nächstes Mal sag doch einfach was… das hat doch schon des Öfteren geklappt.” Ja, das stimmte wohl. Draco - gerade sein ehemaliger Erzrivale Draco Lucius Malfoy - war ihm in der Zeit nach der Schlacht eine unglaublich große Stütze gewesen. Er und dessen Familie. Aus einem Impuls heraus, hatte er noch zwischen den Leichen stehend um Immunität für die Familie gebeten. Lucius hätte ihm damals Dobby geschickt, um Harry zu beschützen, Draco ihn nicht an Voldemort verraten und Narzissa seinen angeblichen Tod bezeugt. Ohne eben Jenen Dobby, wäre Harry nicht nur einmal am Arsch gewesen, wie er Kingsley Shacklebolt immer und immer wieder sagte, und so waren die Malfoys letztendlich tatsächlich mit einer Bewährungsstrafe in Kombination mit zahlreichen Auflagen davon gekommen. Kurz danach hatte Harry den Kampf verloren. Den Kampf gegen seinen entkräfteten Körper durch all die Entbehrungen der Horkrux-Suche. Dann war da noch seine Psyche, die… ja, die schlicht und ergreifend gebrochen war. Weder Körper, noch Geist hatten eine Chance bekommen zu heilen, hatte der junge Potter doch alle Kraft darauf gesetzt all die Toten - egal von welcher Seite - ordentlich und anständig unter die Erde zu bringen. Selbst Voldemort und Bellatrix. Die beiden Menschen, die er über alles hasste, verabscheute… oder wenigstens, diejenigen, dessen Tod ihm definitiv am wenigsten ausmachten. Dann war da auch noch die Presse gewesen. In- und Ausland wollten alles wissen. Dinge über ihn und den dunklen Lord, Harrys Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, schmutzige Geheimnisse und, und, und… Auf einer Ministeriumsveranstaltung, bei der er dann einen Orden verliehen bekommen sollte, hatte sich sein Geist schlichtweg verabschiedet und als wieder mal die Sprache darauf gekommen war, wie es sich angefühlt hatte, als ihn alle Lügner nannten und er nun hier stand, nach dem er eben jenes ‘wiedergekehrte Hirngespenst’ endgültig unter die Erde befördert hatte, war ihm die Hutschnur gerissen. Er hatte geschrien. Er hatte den Orden nonverbal und auf Parsel mit einem Explosionszauber in hunderte Stücke gesprengt und war dann aus dem Raum geflüchtet. Doch weit war er nicht gekommen, war er doch geradewegs in Dracos Arme gerannt. Der Protest, der sich in seinem Mund sammelte, als der Blonde ihn fester in die Arme nahm und ihm so ohne große Probleme jegliche Chance auf Gegenwehr raubte, wurde einfach erstickt. Als dann auch noch Lucius aus dem Verleihungsraum geschritten kam und seinem Sohn nicht nur anerkennend zugenickt hatte, sondern auch noch meinte „Dann beenden wir dieses Trauerspiel endlich”, hatte Harry die herannahende Ohnmacht mit offenen Armen empfangen. Erst drei Tage später war er in einem weichen Bett, welches in einem abgedunkelten Raum stand, wieder wach geworden. Als die Tür aufging und sein Schulrivale langsam eintrat, war er im ersten Moment erstarrt. Gleichzeitig war es Verwirrung gewesen, die ihn sich in der Bettdecke festkrallen ließ und dazu … dazu der unterbewusste Wunsch, dass der Malfoy einfach zu Ende brachte, was Voldemort nicht geschafft hatte. Dass Harry endlich aus diesem Leben der Monotonie, des reinem runktionieren-müssens, dem ewigen Lächeln, damit sich niemand Sorgen um ihn machen musste, entkam. Wo doch alle anderen entweder am feiern oder trauern waren. Harry selbst… hatte sich noch nicht weiter mit den Verstorbenen auseinandergesetzt. Mit den Personen, die ihm am Herzen gelegen hatten und die bei der Schlacht gefallen waren. Er hatte es schlichtweg immer wieder von sich geschoben. Der Junge wusste irgendwo, dass dieses Verhalten falsch war, aber doch wollte er nicht noch einmal die Leichen vor seinem Auge sehen… er hatte schlichtweg Angst. So verdrängte er die Gedanken und Erinnerungen immer weiter, stumpfte ab und gab seine Seele der Agonie hin. Verwandelte sich in eine leere Hülle, die nun anscheinend unkontrolliert wie ein Bluffknaller in die Luft gegangen war. Gott, wie peinlich! „Potter? Hey… Harry, hörst du mich?” Die ungewohnte Ansprache durch den Slytherin ließ ihn langsam wieder den Blick fixieren und den Anderen beinahe bittend anstarren. „Bringst du es jetzt… endlich zu Ende?” Seine Stimme war nicht mehr als ein Krächzen. Der Malfoy zog eine Augenbraue empor und musterte ihn stumm. Eine gefühlte Ewigkeit brannte sich Dracos Blick in ihn, sodass Harry sich am liebsten unter die Decke verkrümelt hätte. Doch irgendetwas sagte ihm, dass er auch so nicht davon kam. „Was erzählst du für einen Scheiß, Potter? Bei der Schlacht auf den Kopf gefallen?” „Ne… nur mit dem Avada ins Nirgendwo befördert worden”, gab Harry trocken zurück und zuckte mit den Schultern. Wieder trat Schweigen ein. Draco murmelte irgendwas kaum verständliches, was sich für Harry wie „… dachte, es wäre nicht wahr…”, klang, ehe dieser die Stimme erhob, ans Bett trat und dem Schwarzhaarigen die Decke entriss. „So, und jetzt… gibt es keine Sonderwünsche mehr für den Helden der Zaubererwelt. Jetzt werde ich… wir… dafür sorgen, dass auch DU endlich mal wieder lebst!” Was der Malfoy-Erbe damit meinte, hatte er recht schnell bemerkt. Die Familie Malfoy war es gewesen, die ihn aus Dankbarkeit für die eigene Rettung, sowie der Befreiung der Zaubererwelt, immer heimlich im Auge behalten hatten. Die den leerer werdenden Blick bemerkt hatten, während sich der Potter weiter den ‘Arsch aufriss’. Worte, die Harry niemals von einem Malfoy erwartet hätte! Tja, und so war es dazu gekommen, dass Harry auf Malfoy Manor einzog und geschützt vor Freund, Presse und Feind, zu Kräften kommen konnte. Mit der Familie zusammen hatten sie das Manor renoviert. Sie hatten ganze Zimmer gesprengt, da sie zu sehr an den dunklen Lord erinnerten und im deutlich helleren Ton wieder neu errichtet. Doch nicht nur das Manor war befreit worden. Auf Harrys Gefühle, waren von Draco und dessen Freunde erweckt worden. Mit Vater und Sohn war Harry irgendwann so weit gewesen, in den Grimmauldplatz zu apparieren. Dort war dann der nächste Zusammenbruch erfolgt, als er sich endlich gestattete, richtig um Sirius und all die anderen gefallenen Freunde zu trauern. Er hatte geweint, geschrien, randaliert und war schließlich in den Armen des herbeigerufenen Remus als wimmerndes Bündel zusammengebrochen. Viele Gespräche waren mit allen möglichen Menschen, denen er vertraute, erfolgt. Dass es gerade die Familie Malfoy gewesen war, mit denen er die meisten Gespräche geführt hatte - die auch noch Ordnung in seine Gedanken und Gefühle gebracht hatten - wunderte ihn irgendwann nicht mehr. Zu sehr genoss er das Gefühl, wenn er mit Narzissa in der Küche stand, mit Lucius in der Bibliothek las und mit Draco zusammen unterrichtet wurde oder er einfach nur mit dem Erben durch die Gegend reiste oder ‘auf den Putz haute’. Niemals in seinem Leben hätte Harry gedacht, dass er Draco Malfoy mit dem Wort Bruder und Familie verbinden würde. Aber über zwei Jahre waren eine lange Zeit. Eine Zeit, die allen half, wieder mit sich ins Reine zu kommen und eine gewisse Art von Normalität, ohne die Bedrohung Voldemort aufzubauen. Eine Normalität, die aus Shoppen, Lesen, Lernen, Ausschlafen, Reisen, typischen Teenager-Partys mit den Slytherins und ab und an ein Abdriften in Erinnerungen bestand. Eine Normalität, die auch daraus bestand, ab und an bei Remus unterzukommen und so Zeit mit seinem Ehrenpaten und Patenkind zu verbringen. Wie heilend ein schlichtes, ehrliches Kinderlachen sein konnte, hatte Harry begriffen, als Teddy ihn angelacht hatte und auf den Arm genommen werden wollte. Ein Gefühl der Wärme und Freude war in dem Moment durch seinen Körper gerauscht und hatte alle Todeswünsche oder Gedanken verscheucht. Und dann war da ja auch noch… Severus. Ohne die ruhigen, manchmal giftigen Kommentare seines ehemaligen Zaubertranklehrers, hätte er wohl nicht so schnell in die Normalität zurückgefunden. Auch wenn es nicht oft gewesen war, wo sie miteinander sprachen. Der Schwarzhaarige hatte ihn ebenso wenig verhätschelt wie die Malfoys. Noch weniger sogar. Und doch hatten ihm die kleinen spitzen Bemerkungen, das Schnauben und eine hochgezogene Augenbraue so viel gegeben. Mochte sich die Welt auch noch so verändern. Severus Snape war wohl auf ewig die griesgrämige Kerkerfledermaus. Der unheimliche schwarze Mann, der so oft sein Leben riskiert hatte, nur, um Harry zu beschützen. Der beinahe für immer von dieser Erde verschwunden wäre, als Nagini ihn attackiert hatte. Beinahe ... Apropos Snape. „Draco?” Durch das harte Spiel deutlich ruhiger, drehte er seinen Kopf in Richtung des Angesprochenen. Ein Brummen kam als Antwort, dass Malfoy ihm zuhörte. „Weißt du dass… dass ich dir und deiner Familie echt dankbar bin? Ohne euch… keine Ahnung, was dann wäre, aber ich glaube, ich… ach keine Ahnung. Auf jeden Fall werde ich dir - euch - das niemals vergessen. Auch wenn ich es immer noch merkwürdig finde.” Schweigen trat ein, ehe sich der Lehrer in Ausbildung auf die Seite rollte. „So sind wir Slytherins eben. Und Malfoys erst Recht! Wir zahlen nicht nur Schulden zurück - was in unserem Fall wohl das Leben ist - sondern kümmern uns auch um Freunde.” Erneutes Schweigen, in denen keiner so wirklich wusste, was er sagen sollte. „Weißt du, Harry…”, begann Draco zögerlich, „Als ihr damals auf dieser Horkrux-Suche wart, hab ich mir fürchterliche Sorgen gemacht. Im Manor war dauernd der Lord, sodass ich nicht mal da die Ruhe hatte und so bin ich meinem Onkel auf die Nerven gegangen. Wie oft ich mit ihm zusammen saß und wir über dich sprachen… ich weiß es nicht. Während Severus alles getan hat, um die Schüler zu schützen, hat er noch zusammen mit mir überlegt, wo du bist, was du tust und wie wir helfen können. Als dann der Moment kam, wo er den Patronus schickte, weil er gefühlt hat, dass du wirklich Hilfe brauchst, da ist mir irgendwie ein Stein vom Herzen gefallen. Und Severus erst, auch wenn er geflucht hat wie ein Bowtruckel.” Mit einem kleinen Grinsen drehte sich der Malfoy wieder auf den Rücken und verschränkte die Hände unter dem Kopf. Harry konnte nicht mehr tun, als den Blonden mit großen Augen anzustarren. Niemals vorher hatte ihm jemand davon erzählt! Es… es kam plötzlich. Und es gab Harry ein unglaublich warmes Gefühl. Zuneigung, Dankbarkeit, Freundschaft. „Ihr Slytherins seid immer für eine Überraschung gut, nichts wahr?” „Klar”, kam es selbstgefällig grinsend zurück. Wieder trat einvernehmliches Schweigen zwischen den beiden ein. Eine Art des Schweigens, die Harry sehr genoss. Er konnte in Ruhe seinen Gedanken nachhängen und es störte Draco nicht. Genauso wenig, wie unausgesprochene Dinge, schien es doch so, als wenn trotzdem alles gesagt worden war. Ein Schweigen, das dem Potter eine gewisse Art der Ruhe gab. „Wir sollten vielleicht mal zurück”, murmelte der Blonde schließlich schläfrig, nach dem er einen Tempuszauber angewandt hatte. Es war bereits nach der Sperrstunde und auch wenn man den “Heldenstatus” und das siebzehnte Lebensjahr überschritten hatte, rettete einen das nicht vor einer ordentlichen Strafpredigt seitens der Lehrer. Genau so wenig Draco. Angenehm normal. „Hast recht, auch wenn ich nicht weiß, wie ich den Weg bis ins Schloss schaffen soll”, meinte der Schwarzhaarige und richtete sich mühsam auf. Es war dabei nur ein geringer Trost, dass Draco ebenso von Schmerzen geplagt war. Der Slytherin hatte einen deutlich kürzeren Heimweg und zudem deutlich weniger Treppen! ~~~ Langsam schleppte sich Harry die Stufen empor. So gut er auch optisch durch den Unsichtbarkeitsumhang verborgen war, so wenig wurden dadurch die Geräusche seiner Schritte verdeckt. Heute waren Lehrer und Geister aber auch umtriebig! Dabei war es inzwischen schon nach Mitternacht, konnten die nicht einfach alle ins Bett oder so verschwinden? Wo er da gerade so drüber nachdachte, schliefen Geister und wenn ja, wo? Er war einmal bei Sir Nicholas‘ Party gewesen, aber wo hatte der Gryffindor-Hausgeist sein ‘Zimmer’? Hatten die Hausgeister einen speziellen Raum in ihren Häusern und wo hielten sich die anderen Geister auf, wenn man sie nicht sah? Stöhnend zog sich der müde Potter die letzte schmale Treppe empor. Jetzt musste er wenigstens gerade mal nicht auf andere Menschen und Geister achten. Die Karte zeigte ihm freien Weg bis zu seinem Zielort an und zudem wurde dieser Weg außerhalb des Unterrichts nur sehr selten benutzt. Warum dachte er eigentlich über Geister und deren Unterkünfte nach? Schulterzuckend schob er es schließlich auf eine Mischung aus Müdigkeit und den Folgen des Spiels gegen Draco. Kalter scharfer Wind traf ihn, als er eine schwere Tür aufschob und die letzte Treppe betrat. Gleich war er endlich da, da sein Ziel doch der Astronomieturm war. Den Unsichtbarkeitsumhang in der Manteltasche verstauend und den Wollmantel enger ziehend, blickte er am Geländer stehend auf die Dunkelheit vor und unter ihm. Wie schwarz doch der Verbotene Wald wirkte. Schwarz, aber von hier oben trotzdem gar nicht so gefährlich. Genauso wenig wie der Schwarze See in der Nähe des Waldes. Doch beide beherbergten unter ihrer Oberfläche Schrecken und Grauen in Wesen- und Pflanzenform. Von kleinen harmlosen Pilzköpfen und Bowtruckle, über faselnden Zentauren, zu gefräßigen Acromantula im Wald. Von Seeschnecken, hin zu flinken Grindelohs, gewieften Meermenschen und dem Kraken im Schwarzen See. All das sah man nicht auf den ersten Blick. Und wenn man es dann sah, konnte es das Letzte auf Gottes schöner Erde sein. Außer, man hieß Harry James Potter und schaffte es immer wieder unbeabsichtigt in Schwierigkeiten und mit neuen Bekanntschaften herauszukommen. Lächelnd erinnerte er sich an seine erste Begegnung mit Arachno, dem erstgeborenen Sohn Aragogs. Es war ein seltsames Gefühl, wieder in Hogwarts zu sein. Hier an dem Ort, an dem so viel Blut in den Boden versickert war. Dieses Mal als Schüler und nicht als… nicht als Mörder. Der einzige Kampf, den er zu führen hatte, war, nicht mit den Hausaufgaben hinterherzuhinken. Tja… das allerdings auch nur theoretisch, denn praktisch nervten ihn Lehrer wie Mitschüler. Gerade, weil er sich in der Zeit, bis Hogwarts renoviert war, untergetaucht war so gut es ging, war die Neugierde der magischen Bevölkerung nicht befriedigt. Die einzigen Informationen über ihren Helden hatten sie kurz nach dem Kampf bekommen und die letzte ‘aufregende’, war wohl sein peinlicher Ausraster im Ministerium gewesen. Danach war er durch so viele Slytherins und ehemaligen Todessern von der Außenwelt abgeschirmt worden, dass sich alle nur auf die Gerüchteküche und wilde Spekulationen stürzen konnten. Dabei fiel ihm jetzt erst so richtig auf, dass seine Freunde sich ebenfalls darauf gestürzt hatten. Und das es nicht die ach so tolle ‘weiße Seite’ gewesen war, die am meisten für ihn da gewesen war. In den Briefen von Ron und Hermine waren immer wieder Sätze gefallen à la „Stimmt es, dass du da und dort warst?”, „Stimmt es, dass…” Toll, wie sehr sie ihn zu kennen schienen, dass sie dem Tagespropheten glaubten, der einen angeblichen Augenzeugenbericht gedruckt hatte, demzufolge Harry nun in der Muggelwelt lebte und im Drogenmilieu gesichtet worden war. Für wie schwach hielten die ihn eigentlich? Wütend trat er einen Stein beiseite, während er voller finsterer Gedanken quer durch den ebenso düsteren Verbotenen Wald ging. Es war wirklich kein großer Trost gewesen, dass unter Hermines Brief noch „Harry, ich vermisse dich und hoffe, dir geht es gut” gestanden hatte. Viel zu sehr hatte ihn all das, was zwischen den Zeilen stand, betrübt. „Ganz tolle, beste Freunde”, schnaubte er und trat einen erneuten Stein aus seinem Weg. Fester als beabsichtigt, denn dieser kullerte nicht zur Seite, sondern verschwand rauschend in die Dunkelheit. Von irgendetwas gestoppt, was ein “Klonk” erzeugte. Kurz war der trübsinnige Held irritiert und versuchte sich zu orientieren, WO im Wald er eigentlich genau war, doch schließlich sah er ein, dass ihm selbst ein Lumos Maxima nicht weiter brachte. So dimmte er den Zauber schulterzuckend und schritt weiter. Tiefer in die Dunkelheit. Im Ernstfall konnte er immer noch apparieren und verteidigen konnte er sich erst recht. Ein dunkles Klackern ließ Adrenalin durch seinen Körper rauschen und mit einem Mal war der junge Potter hellwach und aufmerksam. Der Krieg hinterließ halt nicht nur körperliche Folgen… „Dumm… oder lebensmüde. Das ist hier die Frage”, erklang es rau und untermalt von leisem Klackern aus der Dunkelheit vor ihm. „Ein Mensch… so jung… so zart…” Immer näher schien die Stimme zu kommen und so blieb der schwarzhaarige junge Erwachsene schließlich stehen. „Wer ist da?”, verlangte er mit fester Stimme zu erfahren und hob seinen Zauberstab empor. „So klein… und doch so mutig. So töricht… in der Nacht alleine und dann haben dich deine kleinen Beine hierher gebracht.” Immer mehr Klackern ertönte um ihn herum. Irgendwie klang es nicht nur immer aufgeregter, sondern rührte auch unangenehm an seinen Erinnerungen. „Wer ist da?” So sehr es ihn auch wurmte, aber man hörte die Verunsicherung aus seiner Stimme heraus. Dass er einen Schritt von der Stimme zurück wich, war wohl ebenfalls genug Beweis für sein gegenüber. Aber um einfach stehenzubleiben, waren die Bilder aus dem zweiten Schuljahr, sowie Szenen der Finalschlacht, einfach zu aktiv in seinen Gedanken. Wie zur Bestätigung seiner Erinnerungen, trat - oder nannte man es schritt? Trippelte? Stampfte? - eine große Acromantula aus der Dunkelheit vor ihm. Kein Wunder, dass er nichts als Dunkelheit gesehen hatte, denn er hatte einfach nicht HOCH genug geguckt! Denn dann hätte er mehr gesehen, als den sich der Nacht anpassenden dunkelbraunen riesigen Körper mit den acht Beinen. Dann hätte er die acht milchig schimmernden Augen bemerkt. Das Glitzern in diesen, welches nicht nur der Mond, sondern die Aufregung aufgrund frischer Beute mit sich brachte. Die Greifer, von denen das Gift der Spinne nur so tropfte. Jeder andere Mensch hätte spätestens jetzt mit Zaubern um sich geschossen oder wenigstens schreiend die Beine in die Hand genommen! Doch nicht so der junge Held. Mit zusammengezogenen Augenbrauen ließ er den Zauberstab sinken. „Aragog? Ich dachte, du wärst…” Sein Verstand schrie ihn an, nicht Smalltalk mit einer hochgefährlichen Acromantula zu beginnen, doch wann hatte er schon mal darauf gehört, was ihm sein Verstand riet? „Nein… du bist nicht Aragog. Der war irgendwie dunkler und die Beine heller…” Den Kopf schief gelegt, betrachtete er das mehrere Meter hohe Spinnentier erneut. „Ach, und kleiner war er glaube ich auch…” Grübelnd griff er sich ans Kinn. Wenn er hier den mutigen bzw. respektvollen markierte, vielleicht würde der fremde Acromantula ihn dann ja in Ruhe lassen? Mühsam richtete er sich auf und schluckte trocken. Er wusste, dass es nicht nur dieses riesige Männchen vor ihm war. Harry spürte die Blicke in seinem Rücken, hörte das leise Klackern und Rascheln. Ach verdammt, er war direkt in das Gebiet der Spinnen gelaufen und das nur, weil er sich wieder einmal seinen niedrigsten, dunkelsten Gedanken hingegeben hatte. Er hatte genau das getan, wovor ihn Draco und Co. bewahren wollten, weil es ihn in Gefahr bringen konnte - und TADA, die Anderen hatten recht! Ihre These war somit bewiesen. Er konnte das empörte „Potter, du Idiot!” des Blondhaarigen beinahe hören. Wider der Situation, schlich sich ein Lächeln auf seine Lippen. „Ich bin Arachno. Der Erstgeborene und Erbe Aragogs”, holte ihn das Spinnenmännchen aus den Gedanken. „Du kanntest meinen Vater, Mensch?” Nochmals trat das gewaltige Tier hervor und war somit vielleicht nur noch drei Armlängen von dem Potter entfernt. Trocken lachte Harry auf und steckte seinen Zauberstab zurück. „Kennen würde ich es jetzt nicht nennen… aber wir sind uns das ein oder andere Mal begegnet.” „Kleiner Mensch, erkläre mir dies!”, forderte das Oberhaupt der Acromantula ihn auf und klackerte wild mit seinen Greifern. Der Fluss des Giftes wurde weniger und vier Augenpaare blitzten aufgeregt. Mit hochgezogener Augenbraue registrierte der junge Zauberer all dies. Anscheinend war der Sohn deutlich gewillter auf ein Gespräch als das ehemalige Clan-Oberhaupt. Harry war sich sicher, wäre es Aragog gewesen, der hier vor ihm stand, dann wäre er schon längst ausgesaugt. Zynisch zog es ihm durch den Kopf, dass diese Situation hier wieder eine gegen Snapes Überzeugung „Wie der Vater - so der Sohn!” war. Oh, was würde dieser ihm das Fell über die Ohren ziehen, wenn er wüsste, was er hier tat! Das gäbe Nachsitzen, Strafarbeiten und den Entzug sämtlicher liebgewonnener Privilegien! Seufzend strich sich Harry durch die Haare und verdrängte alle Gedanken an den geliebten Tränkemeister. Arachno wartete auf eine Antwort. „Tja, begonnen hat alles in meinem zweiten Jahr und mit Hagrids Aussage, dass wir auf der Suche nach Antworten den Spinnen folgen sollten…” Und so setzte sich der Grünäugige auf den Boden und erzählte Arachno und dessen Gefolge, wer er war und warum er Aragog kannte. Ein kleines, zynisches Lachen entschlüpfte dem Mund des Potters. Das schaffte man auch nur, wenn man Hagrid - der das ehemalige Spinnenoberhaupt aufgezogen hatte - oder Harry Potter ‘Held der Welt’ hieß, die Freundschaft oder wenigstens Akzeptanz einer Acromantula zu erhalten. Denn so war es gekommen, nachdem Arachno alles erfahren hatte. Es reichte ja nicht, dass schon der menschliche Anteil der Zaubererwelt ihn in den Himmel lobte, nein. Damals hatte er auch herausgefunden, dass er auch bei den Spinnen eine Art ‘Heldenstatus’ inne hatte. War er es doch gewesen, der den Basilisken - und damit den einzigen Feind der Achtbeiner - getötet hatte. Dazu kam die Freundschaft mit Hagrid und die Tatsache, dass der Spinnenclan durch den Endkampf reichlich Nahrung gehabt hatte. Ein Fakt, dessen Erzählung Harry schnell unterbrochen hatte, wollte er sich doch nicht vorstellen, dass auch ihm bekannte Personen zu Nahrung geworden waren. Ja, so friedlich der Wald auch schien, im Inneren hausten Monster, kam der junge Zauberer schließlich wieder zum Ausgangspunkt seiner Gedanken. Es war wie bei ihm selbst. Er lächelte, er nahm am Leben aktiv teil und kümmerte sich um all die Freundschaften. Doch letztendlich war er nur noch eine funktionierende Hülle. In seinem Inneren wüteten Monster, die ihn immer mehr auffraßen. Immer weiter aushöhlten. Erinnerungen, Gedanken, Ängste, Zweifel, Sehnsüchte… Sollte das alles nicht vorbei sein, wenn der Krieg gewonnen war? Sollte sein Leben nicht jetzt erst los gehen? Jetzt konnte er frei und unbeschwert - ohne den Riddle im Nacken - leben. Alles tun, was er vorher nicht konnte oder sich versagt hatte. Eigentlich ja, doch er wollte und irgendwie konnte er es nicht. Ihm fehlte die Kraft. Ihm fehlte der Sinn daran. Der Sinn war in diesem Krieg gestorben. Egal, wie oft ihm all die Anderen sagten, dass die Verstorbenen Harry so nicht sehen wollen würden. Das sie es nicht gut fanden… es drang nicht bis zu ihm durch. Es durchstieß nicht die große schwarze Substanz, die er in sich fühlte und erst recht nicht die feste Schale, die sein Herz umgab. Tief seufzend legte er zauberstablos und nonverbal einen Wärmezauber um sich, ehe er sich auf den Rücken legte und den klaren Sternenhimmel begutachtete. Gedankenverloren steckte er die Hände in die Manteltaschen und ließ all den Krimskrams, den er darin aufbewahrte, durch diese gleiten. „Bis dahin schafft es nur einer…”, murmelte er leise und spürte, wie sich ein Kloß in seinem Hals bildete, während das Gefühl der Verzweiflung und Resignation in ihm emporstieg. Die Augen geschlossen, versuchte er die aufsteigenden Tränen zu verhindern. Es hatte doch eh alles kein Sinn! ~~~ „Und schon wieder treffe ich Sie hier, Mr. Potter”, schnarrte es plötzlich aus Richtung der Treppe. Ohne es zu wollen, schlich sich ein Lächeln auf das Gesicht des Angesprochenen. Langsam überstreckte er seinen Kopf nach hinten und öffnete die Augen. Schon geradezu gierig sog er den Anblick seines Lieblingsmenschen in sich auf. Die schwarze Kleidung, die ebenso langen schwarzen Haare, die heute zu einem leichten Zopf zusammengebunden waren. Diese betörend dunklen, tiefgründigen Augen. So dunkel und doch so warm. Dazu die blasse Haut, die im Mondlicht beinahe zart und fein wie Marmor wirkte. Glucksend richtete der Potter sich in eine sitzende Position auf und drehte sich auf der Stelle herum. Bei Merlin, wenn der Professor diese Gedanken hörte… gut, dass er während der Horkrux-Suche die Okklumentik zu beherrschen gelernt hatte! „Wollen Sie nicht lieber zu mir kommen, Sir? Ich hab es hier muckelig warm.” Zur Verdeutlichung legte er seinen Mantel ab. Einen Moment schien der Lehrer zu zögern, doch dann löste er sich schließlich seufzend vom Türrahmen und schritt zu Harry herüber. Langsam ließ der Lehrer sich neben dem Schüler nieder. „Du solltest nicht hier sein… WIR sollten nicht hier sein”, unterbrach der Ältere nach einiger Zeit die Stille und fixierte Harry mit ernstem Blick. „Du bist viel zu oft hier. Viel zu oft sind deine Gedanken nichts als Grau-Schwarz oder mal dunkelblau.” Das sagte der Professor jedes Mal. Immer auf eine andere Art und Weise. Doch es kam aufs Selbe hinaus. Sein Grund der schlaflosen Nächte wollte, dass er das Leben genoss. Dass er wirklich LEBTE! Doch… wie? „Und doch bist du hier… wie immer bist du gekommen, wenn ich dich brauche”, meinte Harry monoton und legte ganz dreist seinen Kopf auf den Oberschenkel des Erwachsenen. Zufrieden bemerkte er, wie dieser anfing, ihm durch die Haare zu streichen. Was er mit zarten Berührungen auf dem Bein seines menschlichen Kopfkissen spiegelte. „Weißt du, Severus, du warst es, auf den ich mich immer verlassen konnte. Ich konnte mich darauf verlassen, dass du mich nicht wie alle anderen auf ein Podest gehoben hättest. Ich konnte darauf vertrauen, dass du parteiisch für deine Slytherin warst und ich somit meinen Arsch bewegen musste, um deine Anerkennung zu bekommen. Ich konnte immer darauf vertrauen, dass du auf mich aufpasst und eben jenen Arsch rettest. Du warst es, der immer für mich da war, wenn auch gut versteckt im Hintergrund, sodass ich es erst spät gemerkt habe…” Ehrliches Bedauern schwang am Ende in seiner Stimme mit. „Du warst und bist meine Konstante. Weißt du noch was, Severus? Ich liebe dich seit dem Okklumentikunterricht. Seit dem ich gesehen habe, wie die Rumtreiber mit dir umgegangen sind und welch starker Mensch du trotz allem geworden bist. Erst war es Bewunderung und ich habe DICH auf ein Heldenpodest gestellt.” Keck zwinkerte er dem auffällig stillen Erwachsenen zu und drückte seinen Kopf gegen die zur Ruhe gekommene Hand. Zögerlich fuhr diese daraufhin wieder durch seine Haare und Harry redete weiter. „Du warst für mich der lebende Beweis, dass man trotz eines grausigen Elternhauses, einer nicht so prallen Schulzeit und dem Treffen manch ‘falscher’ Entscheidungen, trotz allem zu einem ehrbaren, stolzen und starken Mann heranwachsen kann. Dass man manchmal einfach die Zähne zusammen beißen und Situationen aushalten muss. Dass man immer sein Bestes geben und dabei sich selbst treu bleiben sollte.” Schnauben ertönte und der Griff in den Haaren verstärkte sich, als Snape seinen Kopf zurückzog. „Du hast wirklich einen an der Waffel!” Mehr sagte der Erwachsene nicht, ehe sich der Griff löste. „Ich habe so viele falsche Entscheidungen getroffen… wie kannst du von Liebe reden, wo du ohne mich…” Abrupt richtete sich der Potter auf und drückte dem Erwachsenen eine Hand auf den Mund. „Nein! Lass es! Fang nicht schon wieder damit an! Das Thema hatten wir schon so oft. Auch ohne dass du Voldy die Prophezeihungsfetzen weiter getratscht hättest, hätte er es irgendwann herausgefunden. Wir reden hier immerhin vom dunklen Lord! Es wäre alles genau so gekommen, nur später und du hättest noch viel entschlossener auf dessen Seite gestanden bis dahin. Ohne den Verrat durch Voldy und Dumbledore ihres Versprechen meine Ma zu beschützen, wäre alles nicht so gekommen, wie es gekommen ist.” Fest blickte er dem Anderen in die dunklen Augen. Er war felsenfest von seiner Meinung überzeugt und Severus musste es endlich begreifen. Endlich akzeptieren und sich selbst verzeihen. Endlich seiner Seele die Chance auf Heilung geben. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit schluckte der Ältere schwer und nickte leicht. Seufzend löste Harry die Hand. Er wusste, das Thema und vor allem Severus‘ Zweifel waren damit nicht vom Tisch. Zu oft hatten sie dies alles schon besprochen. Zu oft hatte Harry schon auf den Mann eingeredet und versucht, die Schuldgefühle zu beseitigen. Sein Unterbewusstsein, welches ihm sagte, dass er es mit jedem Treffen nicht besser machte, verdrängte er einfach. Vorsichtig lehnte er sich an den Professor, der ebenso zaghaft seinen Arm um Harry legte und die Wange auf dessen Schopf ablegte. Dieser Duft, nach Kräutern, Ölen und die schwache Note Kesselpolitur, lullte ihn ein und ließ ein Gefühl von Ruhe in ihm entstehen. Ein Frösteln überfuhr den Potter. Der Snape war so… kalt. Instinktiv kuschelte er sich enger an den Anderen, um seine Körperwärme mit diesem zu teilen. Verträumt malte er mit seinen Fingern Muster auf Snapes Brust. „Harry…”, setzte der Ältere zum Sprechen an, doch Harry unterbrach ihn. „Weißt du, dass Draco mir erzählt hat, dass er dich dauernd genervt hat, während Hermine, Ron und ich auf der Horkrux-Jagd waren?” Schnaubend nuschelte Gefragter etwas, was in Harrys Ohren wie „Verflixte Tratschtante” klang, doch er ließ es unkommentiert. „Dass ihr euch beide gefragt habt, wo wir stecken und du erst ein wenig ruhiger wurdest, nachdem du mir deinen Patronus geschickt hast.” „Ich habe dich verflucht”, meinte der Andere trocken, was Harry wiederum zum Lachen brachte. „Weil du dir Sorgen gemacht hast. Weil du es ebenso spürst wie ich… diese Verbundenheit. Und weil ich nicht mehr die Kopie von James Potters oder Lilys Sohn bin. Nicht nur… denn du hast angefangen mich als den zu sehen, der ich bin und schon immer sein wollte. Einfach nur Harry.” Die unverhohlene Hoffnung in diesen Worten schwang still und schwer in der Luft mit. „Ach, Kleiner…” Der Druck um ihn wurde stärker und er spürte, wie ein Kuss auf seine Haare gedrückt wurde. Oder bildete er sich das nur ein? „Du hast mir schon immer mehr bedeutet, als für uns beide gut war und ist. Allein, dass ich jetzt hier bin. Hier bin und dich in meinem Arm halte. Deine Wärme spüre. Genau so wie…” „Wie meine Liebe?” Der Junge traute sich nicht den Blick zu heben und verkrallte eine Hand in der Robe des Mannes. „Ja…”, gab Snape nur zurück. Schweigen senkte sich über dieses so ungleiche Paar, während beide ihren Gedanken nachhingen. Doch bekanntlich endete alles, wenn es am schönsten war und so löste sich der Professor von Harry und blickte ihm fest in die Augen. „Harry, ich… ach verdammt ich liebe dich. Und darum… muss ich gehen. Es ist nicht der richtige Zeitpunkt. Nicht die richtigen Umstände. Bitte… baue dir ein Leben ohne mich auf. Das ist besser…” Mit großen Augen starrte Harry sein Gegenüber an. Severus hatte es gesagt. ENDLICH! Endlich stand sich dieser Sturkopf die eigenen Gefühle ein. Tränen der Erleichterung, Freude und des Glücks traten in seine Augen. Das Lächeln, welches er seinem Lieblingsmenschen schenkte, erreichte seit langem erstmalig die Augen. Sein Herz raste und er fühlte die warmen Schmetterlinge - oder waren es Feuergeister? - in seinem Magen rebellieren. Ja, er hatte für sich die richtige Entscheidung getroffen, dass spürte er bis in die Tiefen seiner totgeglaubten Seele. „Ich… ich sollte gehen.” Entschlossen stand der Ältere auf und blickte auf den immer noch selig lächelnden Harry hinab. „Also dann… wir sehen uns irgendwann, Mr. Potter.” So sehr der Professor auch versuchte, diesen Satz eiskalt klingen zu lassen, Harry sah den Widerspruch in den Augen des Anderen. Schweigend beobachtete er, wie der Tränkeprofessor geradezu in Richtung Treppe zu schweben schien. Als er den Treppenvorsprung erreicht hatte, sprang der Jüngere auf. Jetzt oder nie! „Severus, warte, bitte!” „Mach es uns beiden doch nicht noch schwerer.” Seine Stimme klang belegt. „Mache ich nicht, versprochen. Hör mir bitte noch einen Moment zu und… bitte sieh mich an.” Nur zögerlich folgte sein Schwarm dieser Bitte. „Severus… du weißt, ich liebe dich. Diese Liebe ist es, die mich ewig am Leben hindern wird. Diese Liebe ist es, die mich verzweifeln lässt.” Snape wollte dazwischen fahren, doch Harry bat mit einer strengen Handbewegung um Ruhe. „Du bist der einzige Mensch, der es schafft, mich fühlen zu lassen. Wärme, Liebe, Geborgenheit, Vertrauen und vieles mehr. Mehr als all die negativen Sachen. Mit dir bin ich frei, Severus Snape. Du weißt, ich habe allen immer gesagt, meine Launen hängen vor allem mit Sirius‘ Tod zusammen, doch das ist nur ein Quäntchen der Wahrheit. Es war so leicht, alle diese Version glaubhaft zu machen. Ja, ich habe ihn als meinen Paten und Ersatzvater geliebt. Er gab mir ein Gefühl von ‘Familie’. Allerdings ist es sein Tod, sowie der all meiner anderen Freunde und Bekannte, der mich ermüdet und ein schlechtes Gewissen macht. Sie fehlen mir alle. Fred, George, Mrs. Weasley, Neville, Cho, Cedric, Tonks, Hedwig… nur um ein paar Namen zu nennen. Aber ich schweife ab.” Die Augen geschlossen, atmete er tief ein, während er sich die nächsten Worte direkt aus seinem Herzen holte. „Doch der Tod, der mir all die Energie raubt und jeden Tag monoton erscheinen lässt, ist DEINER! Dir gehört mein Leben!” Entschlossen trat er auf den stocksteifen Erwachsenen heran. „Mein Leben und meine Liebe, über den Tod hinaus. Immer warst es nur du.” Sanft hauchte er einen Kuss auf die kühlen Lippen seiner großen Liebe und fuhr mit dem Zeigefinger über dessen Gesichtskontur. „Und darum… schenke ich es dir, ob du es willst oder nicht.” Mit diesen Worten trat er zurück. Der kalte Januarwind riss an der dünnen Kleidung und drang bis in seine Knochen, doch dies war ihm egal. “Potter… ich bin tot. Versteh es doch endlich!”, keifte der wieder ‘zum Leben erwachte’ Professor scharf. Ein leises, hartes Kichern entfleuchte Harry, während er die bisher zur Faust geschlossene Hand hob. „Glaub mir, dass weiß ich sehr genau. Schließlich lasse ich dich nicht ruhen. Schließlich bin ich einfach nur ein egoistisches Kind.” Damit öffnete er die Faust und ein sanft leuchtender Stein erschien. Geschickt zog er seinen Zauberstab aus dem Holster und rief den Tarnumhang zu sich. Kaum dass alle drei Teile zusammen waren, wurde Harry von einem hellen Licht umhüllt, welches ebenso schnell wieder verschwand. „Es ist eines meiner Geheimnisse vor euch allen. Ich bin ein solcher Egoist, dass ich die Heiligtümer des Todes wieder zusammengesucht habe und weiterhin ihr Meister bin. Derjenige bin, der den Stein dazu bringt menschen nur kurz zu einem zu bringen und nicht ewig festzuhalten. Darum kann ich dich jederzeit herbeirufen. Dich, die Person, die es schafft, die Kälte und Schwärze in mir zu vertreiben. Die mein Herz erreicht, nein. Mein Herz ist. Die mir einen Sinn gegeben hat.” „Du wirst dich noch selber avadan, wenn du weiter so mit dem Stab rumfuchtelst”, kam es bissig von Severus, doch Harry hörte die Verunsicherung. Der ehemalige Spion schien überfordert mit dem für ihn unberechenbaren Potter. Schulterzuckend drehte er sich um und trat weiter vor. „Funktioniert nicht, hab ich ausprobiert”, meinte er nur. „WAS?”, erklang es laut hinter ihm, doch der Schüler lächelte nur über die Schulter zurück. „Severus… alles Gute zum Geburtstag!”, schrie er schon gerade zu gegen den Wind an, der ihn anscheinend vertreiben wollte. Ehe der Professor dazu kam noch etwas zu sagen, zerstörte der Meister der Heiligtümer den Tarnumhang. Mehrere schwarzmagische Schneide- und Explosionsflüche ließen das Heiligtum in Flammen aufgehen, ehe die Asche vom Wind davon getragen wurde. Ebenso schnell zerbrach er den Elderstab in kleine Stücke, ehe er das Dämonenfeuer stablos auf die Überreste hetze. „Wir sehen uns, gleich!” Dies waren die letzten Worte, die Harry Potter als Mensch zu dem Geist sprach, ehe er die Augen schloss und sich vorwärts vom höchsten Turm Hogwarts‘ warf. Der Turm, der nach Dumbledores Tod auch ‘Todesturm’ genannt wurde. In dem Moment, in dem der schmale Körper auf dem gefrorenen Boden aufschlug, zerschellten nicht nur Knochen und Organe, sondern auch der Stein der Auferstehung. Die Heiligtümer wie ihr Meister waren Geschichte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)