Worthless von Loomis ================================================================================ Kapitel 1: Feel me ------------------ Möge sein, dass er sich nicht für den hellsten der Welt hielt. Das er mehr Muskel- als Hirnmasse hatte, ruppig und sehr temperamentvoll war. Aber eines konnte man von ihm nicht behaupten: Das er keine Gefühle hätte. Die Pause tat gut, auch wenn die Spannung deutlich angeschlagen war. Als Gladiolus das letzte mal auf Noctis los gegangen war, hatte sich die Gruppe buchstäblich gespalten. Prompto war beim Prinzen, um ihn aufzuheitern und Gladio saß hier, im Hotelzimmer und rührte sich keinen müden Meter. „Du kannst gerne trainieren gehen...“ Gladio hob den Blick von seinem Buch und sah direkt auf Ignis, der auf dem Bett saß, mit dem Rücken zu ihm, mit dem Gesicht zum Fenster. „… oder etwas essen, wie du möchtest.“ Es sah so aus, als würde Ignis aus dem Fenster sehen und für den Bruchteil einer Sekunde hatte Gladiolus das Gefühl, es wäre alles normal. Das war es aber seit Tagen nicht mehr. „Und dich soll ich hier alleine lassen? Nein, Iggy.“ Einen Moment lang verkrampften sich die Finger am Bucheinband, sein Blick war nach wie vor auf Ignis‘ Rücken gerichtet und er sah deutlich, wie der Blonde seine Schultern hängen ließ, gefolgt von einem müden Seufzen. „Wie du meinst...“ So kühl und distanziert. Es war vollkommen normal und doch spürte er immer wieder den metaphorischen Dolch im Herzen, wenn Ignis so schweigsam oder auf Abstand getrimmt war. Es kamen keinerlei sarkastischen Sprüche mehr, kein Eigenlob und auch keine guten Ratschläge oder nette Worte. Und vor allem keine Nähe mehr. „Wie lange willst du das noch durchziehen?“, fragte Gladio und musterte Ignis währenddessen. Sein Freund hob den Blick und ließ ihn augenblicklich wieder sinken. „Ich weiß nicht, was du meinst.“ Wenige Herzschläge lang herrschte Stille im Raum, die den beiden möglicherweise mehr als nur unangenehm war. Der Schild des Königs klappte das Buch zu und legte es auf einen kleinen Tisch, der neben ihm stand. Dieses Geräusch hatte Ignis sicherlich mitbekommen. Mittlerweile dürfte sein Gehör wesentlich empfindlicher geworden sein, denn Ignis war blind. Das bereits seit mehreren Tagen. „Ignis, ich meine damit, dass...“ Ignis stand auf und allein mit dieser Geste schnitt er dem Dunkelhaarigen das Wort ab. „Ich denke, ich gehe ein wenig spazieren.“ Bitte, was? Gladiolus runzelte die Stirn, seufzte hörbar und sprang anschließend auf. Sein Freund machte ihn noch wahnsinnig! Das, genau das, meinte er damit, was seit mehreren Tagen und somit viel zu lange los war. „Ignis, wir müssen darüber reden...“ Er versuchte es nochmals mit ruhigem Tonfall und ging vorsichtig auf seinen blinden Freund zu. Nachdem er nah genug an Ignis stand, streckte er seine Hand aus, doch er hielt inne. Oft hatte er versucht, etwas aus dem Anderen heraus zu bekommen, doch immer schlugen die Versuche fehl. „Reden, über was? Mir geht es gut.“ Ungewollt, ja, wirklich ungewollt zischte Gladiolus spöttisch und biss sich schnell in die Lippe in dem Moment, in dem Ignis seine Lippen zusammen presste und seinen Kopf zur Seite bewegte. „Ignis, tut mir...“ Ignis machte einen Schritt vor und hatte dabei seine Hand gehoben, sodass er Gladiolus erfühlen konnte. „Dir muss gar nichts leid tun.“ Monoton und mit nur einem leicht angesäuertem Unterton schob sich der Blinde an seinen Freund vorbei, doch es schien in Gladio etwas durchgebrannt zu sein. Mit einem Mal von Null auf Hundert packte er Ignis am Handgelenk, zog ihn zu sich und drückte ihn nach nur einem Atemzug gegen die Wand. Das Keuchen des Anderen war ihm nicht entgangen, aber es war endlich ein Zeichen dafür, dass er lebte! „Verdammt noch mal, Ignis!“ Gladio zischte und hielt Ignis‘ Handgelenk dicht neben sein Körper an die Wand gepresst. „Ich habe schon so oft versucht, mit dir zu reden. Ich will einfach nur wissen, wie es dir geht. Ich will…“ Gladio suchte nach Worten. „… ich will für dich da sein.“ Der Koch schürzte die Lippen, presste sich anschließend wieder zusammen und hielt den Blick starr gerade aus, als würde er durch Gladio durch sehen können. Der Dunkelhaarige bemerkte sofort, wie er zitterte und er wusste nicht genau wieso er das tat, während Ignis ruhig wie eh und je zu sein schien. Es fühlte sich an, als würde er das Leid von Ignis in sich tragen. „Ignis...“, hauchte Gladio nun und wusste nicht, ob er seinen Anfall bereuen sollte. „Ich weiß… aber mir geht es gut...“ Vielleicht bildete es sich Gladiolus auch nur ein, aber er vermutete, Zweifel in der Stimme des Anderes herausgehört zu haben. Möglicherweise wollte er das aber auch nur hören. Trotzdem wurde sein Griff stärker um das Handgelenk des Blonden. „Ein Scheiß geht es dir gut, ich seh‘ es dir doch an! Du redest nicht mit uns, bist nur noch am Schweigen! Es ist, als würden wir eine Puppe mit uns herum schleppen, aber ich will Ignis wieder haben. Meinen Ignis, der mit mir spricht, mich anlächelt, mich berührst… küsst...“ Es war nicht beabsichtigt, dass er lauter geworden war, doch gegen Ende sprach er leiser, hauchte fast nur noch und nun knirschte er mit den Zähnen. Er war einfach nur noch verzweifelt und wusste nicht, was er tun konnte, um zu helfen. Ignis hingegen senkte den Blick, wusste genau, dass er sich so schnell nicht aus Gladiolus‘ Griff lösen konnte. „Du musst für Noctis da sein, nicht für mich. Du bist sein Schild… Du hast es geschworen“ Langsam hatte Gladiolus das Gefühl, dass der Koch ihn verarschen wollte. „Du musst mir meine Bürden und meine Versprechen nicht aufzählen. Ich weiß, was ich gesagt habe und was ich tun muss. Nur weil ich meinen Schutz Noctis versprochen habe, heißt es noch lange nicht, dass ich dich im Stich lassen will und dich nicht genauso beschützen will.“ Der Körper von Ignis spannte sich an. „Dann tu, was du versprochen hast! Beschütze Noctis und wirf all den Ballast ab, das dich davon abhalten kann.“ Plötzlich war es geschehen. Etwas, das Gladio bitterlich bereute, noch im selben Moment, als der Schlag durch das Hotelzimmer hallte. Seine Hand zitterte und das Brennen erzeugte die Gewissheit, dass er das wirklich getan hatte. „Oh Gott… Ignis… ich...“ Abschätzend musterte er das Gesicht des Anderen, dessen Blick gesenkt war und die Lippen offen standen. „Es tut mir so unendlich leid… Wirklich… Ich...“ Gladiolus konnte nicht in Worte packen, was er gerade fühlte. Wie zügellos und ungehalten er sich doch verhalten konnte, erschrak nun selbst ihn. Er wollte sich tausend Mal entschuldigen, es ungeschehen machen. Erst Recht, als er die fahle Träne auf der Wange des Kochs erblickte. „Sag was, Ignis, bitte...“ Die Hand, die eben erst tätlich geworden war, strich mit den Fingerspitzen über die zarte leicht gerötete Wange von Ignis. Doch jener biss sich auf die Unterlippe und schluckte hart. Das war nun wirklich nicht die Reaktion auf seine Aktion, mit der Gladio gerechnet hatte, doch es kam noch ganz anders. „Ich fühle mich… nutzlos. Ich habe… versagt.“ Schlimmer als der Schlag Ignis, verletzten wohl die Worte Gladio. „Ich kann nicht mehr mit euch reisen. Ich bringe rein gar nichts mehr zustande. Ich kann weder kämpfen, noch kochen.“ Obwohl Gladiolus genug Verstand besaß, um all das bereits abgewägt zu haben, so waren die Worte der Beweis dafür, dass es stimmte. Sie machten es tatsächlich existent und unleugbar. „Gladio, ich sehe nichts mehr. Obwohl ich damals alles gesehen habe. Ich kann nicht einmal mehr dich sehen...“ Seine Handfläche schmiegte sich nun gänzlich an Ignis‘ Wange und seine Stirn lehnte sich gegen die des Anderen. Ihm war nach weinen zumute und doch musste er stark bleiben. Er hatte gewusst, wie fertig es Ignis machte, dass er seine Sehfähigkeit verloren hatte, aber er hatte noch nicht gesehen, in welchen Ausmaße. Und er hatte Ignis das noch nicht sagen hören, was es noch schmerzlicher machte „Ignis...“, hauchte er und nun war er es, der seine Lippen zusammenpresste. „Es wäre besser, wenn ihr mich zurück lässt. Wenn… du mich zurücklässt.“ Gladiolus schüttelte seinen Kopf. „Nein...“ Es war selbstverständlich, ein Reflex und er sprach es aus, ohne auch nur eine Sekunde darüber nachzudenken, weil es in seinen Augen nichts darüber nachzudenken gab. Ignis gehörte zu ihnen, er gehörte zu ihm! „Gladio… bitte...“ Egal wie flehend der Blonde klang, der Schild schüttelte seinen Kopf: „Nein.“ Langsam öffnete er die Augen und leckte sich über seine Lippen. „Außerdem… du kannst sehen.“ Ignis verzog das Gesicht und anscheinend hatte er das Gefühl, dass Gladio ihn aufs Kreuz nehmen wollte. „Wovon sprichst du?“ Die Frage war berechtigt und brachte Gladiolus genau deshalb zum Lächeln. „Pass auf...“ Vorsichtig löste er seine Stirn von Ignis‘ und lehnte sich etwas zurück, während die Hand, die das Handgelenk des Anderen noch immer fest im Griff hatte, sich bewegte. Sanft legte er die Hand des Anderen auf seine eigene Wange, ließ sie zart drüber streichen. Ignis‘ Fingerkuppen strichen über den gestutzten Bart des Kriegers, über den Wangenknochen, während Gladio Ignis gespannt beobachtete. Langsam ließ er das Handgelenk los und ließ den Anderen selbst tasten. Erst die Narbe an seinem Auge, bis hin zur Narbe an seiner Stirn. Es war ein Hauch einer Berührung, der in Gladiolus trotzdem ein ungemein heftiges Kribbeln auslöste. „Du siehst nun anders, als alle andere. Deshalb bist du noch lange nicht schlechter als sie.“ Ignis schwieg, doch ihm war im Gesicht geschrieben, wie fasziniert und gerührt er davon war. Seine Finger strichen weiter, über die Nase des Größeren, über die Lippen, wo er inne hielt. Es war ein Moment von tiefster Bedeutung für sie beide. Gladio war so ungemein gerührt, dass er nichts mehr sagen konnte und Ignis schien von vorn hinein sprachlos zu sein. Nun wesentlich deutlicher strich er über die Wange des Größeren, deutete ihm sachte an, näher zu kommen. Gladiolus beugte sich dem Wunsch des Anderen und lehnte sich langsam vor. Doch der Blonde kam nur kurz entgegen und hielt auf einmal inne, als wüsste er nicht weiter. Deshalb legte Gladio behutsam seine Finger auf das Kinn seines Freundes und zog ihn bestimmend näher zu sich heran, sodass Ignis nur noch entgegen kommen brauchte. Und endlich passierte das, was sich Gladio ersehnt hatte. Endlich berührten sich die Lippen der beiden Männer und verschmolzen zu einem liebevollen Kuss. Von Sehnsucht und Trauer getrieben, wurde der Kuss intensiver, verlangender. Gladio schob seine beiden Hände an die Hüften seines Partners, hob sie hoch, sodass Ignis seine Beine um Gladiolus schlingen konnte. Dabei presste er den Anderen fester an die Wand, damit nicht einmal ein Blatt Papier zwischen den beiden Platzt hatte, weil sie wie zwei Magnete waren, die sich anzogen und nicht mehr los ließen. Während sich eine Hand von Ignis in Gladios Haare krallte, stieß sich der Krieger von der Wand ab und trug den Koch zum Bett, wo er Ignis, ohne den Kuss zu lösen, unter sich ablegte. Sein Gemüt erhitzte sich, dieses Mal jedoch nicht aufgrund seines Zorns. Dennoch löste er den Kuss und holte tief Luft, um Ignis direkt ansehen zu können. Er war so wunderschön und gleichzeitig so gebrochen. Gladio wusste, dass Ignis ihn brauchte. So sehr, wie Gladio Ignis brauchte, um all das durch zu stehen, denn er liebte diesen Mann. „Du brauchst deine Sehfähigkeit nicht, um zu spüren, was ich für dich empfinde, Iggy...“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)