Tsubasa Chronicle - Kyuketsu Hen von kentasaiba ================================================================================ Kapitel 4: Der mir wichtigste Gegenstand ---------------------------------------- Sie konnte sich nicht erklären, von wo ihre Unsicherheit herrührte. Hokuto war sich vollends sicher, dass jener Seishirou keine schlechte Person war. Trotzdem zögerte sie, ihm direkt gegenüberzutreten. Am liebsten hätte sie auf ihren Bruder gewartet, doch dieser hatte noch etwas mit ihrem Onkel zu besprechen. Im Nachhinein war sie froh darüber, dass Subaru die Verantwortung übernommen hatte. Onkel Kazuto war alles andere als erfreut darüber gewesen, einen Menschen bei sich aufzunehmen, und war es nur vorübergehend. Doch er hatte ihren Alpha überzeugt, dass der Fremde kein Vampir-Jäger war, sondern eine verletzte Person, die Hilfe brauchte. Dennoch hatte Hokuto gesehen, wie Kazuto mit ihrem Bruder Kamui geflüsterte. Es war leicht zu erahnen, dass ihn dieser bat, ein Auge auf ihren Gast zu haben. Und Hokuto wusste, wie ernst Kamui diese Aufgabe nehmen würde. Gerade deshalb wollte sie möglichst freundlich zu ihrem Gast sein, auch wenn alle anderen aus dem Clan eher abweisend waren. Nachdem sie im Schloss angekommen waren, hatten sie Seishirous Wunde versorgt und ihm zu essen gegeben. Danach hatte er einen ganzen Tag durchgeschlafen. Hokuto hatte sein Gemach mehrfach betreten um ihm Wasser und Kleidung bereitzustellen. Doch als sie diesmal eintrat war es leer. In der nahen Umgebung vernahm sie das Rauschen von Wasser, es entkam wohl dem Zimmer nebenan. Dort befand sich das Badezimmer, Seishirou schien es gerade zu benutzen. Langsam schlenderte sie zu der betreffenden Tür und wollte anklopfen. Dann stutzte sie. Ein nur allzu bekannter Geruch stieg ihr in die Nase. Ein Geruch, der sie anzog und in seinen Bann zog. Ein Geruch, des Geschmack Hokutos Zunge nur allzu gut kannte. Blut. Unsicher zog sie dir Tür auf und fand Seishirou vor. Er stand vor dem Spiegel des Badezimmers, direkt über dem Waschbecken gebeugt. Erschrocken blickte er auf und starrte Hokuto entgegen. „Es… tut mir leid. Ich habe… nur plötzlich Blut gerochen. Ich dachte… Ihre Wunde wäre inzwischen schon geheilt.“, stotterte sie. Seishirou versuchte zu Lächeln. „Ach nein, mach dir keine Sorgen. Ich war nur so unachtsam und habe mir auf die Zunge gebissen. Daher das Blut. Ich kann manchmal ein richtiger Tollpatsch sein.“, gestand er. Hokuto spürte, wie ihr ein Stein vom Herzen fiel. „Achso, da bin ich aber erleichtert. Haben Sie einen Moment Zeit? Ich… würde Ihnen gerne etwas zeigen.“, fragte sie etwas kleinlaut. Seishirou dachte kurz nach und nickte dann. „Natürlich gerne.“, sprach er und verließ das Bad. Hokuto wies ihm den Weg und ihr Gast folgte ihr ohne Widerrede. Ihr Ziel schien ein Balkon, am Ende des Ganges zu sein. „Ich… wollte Ihnen gerne unser Land zeigen. Das Land Daut.“, erklärte sie und öffnete die Glastür. Die beiden traten hinaus und Hokuto schien ihr Ziel erreicht zu haben. Seishirou wirkte durchaus beeindruckt, angesichts des großartigen Ausblickes, den man vom Schloss aus hatte. Von ihrer Position aus waren die Berge und Täler klar erkennbar. „Du solltest es vermeiden, dass unser Gast sich hier zu heimisch fühlt.“, erklang eine Stimme hinter ihrem Rücken. Hokuto und Seishirou drehten sich um und erkannten zwei Personen auf sich zukommen. Direkt vor dem Balkon kamen sie zum Stehen. „Sei nicht so unhöfflich, Kamui-niisan! Ich zeige Seishirou-san doch nur wie wir leben und du behandelst ihn wie einen Schmarotzer!“, ärgerte sich die Prinzessin. Seishirou selbst hob abwehrend die Hände. „Ich verspreche hoch und heilig, dass ich euch keinen einzigen Tropfen Blut rauben werde.“, scherzte er. Kamui schien er damit allerdings nur zu verärgern, denn er zog seiner Wege. Subaru blieb an Ort und Stelle. Als sich sein und Seishirous Blick trafen, wich er diesem aus. „Ähm… Hokuto, hast du ihm bereits die Ruinen von Lascar gezeigt? Er ist immerhin Schatzjäger, also dürfte er sich dafür interessieren.“, schlug er vor. Seishirou spitzte die Ohren und wartete, bis Subaru neben ihn getreten war. Dieser streckte die Hand aus und verwies auf eine Stelle, tief zwischen den Bergen. „Eine Ruine, sagst du?“, hakte er nach. Hokuto bestätigte es. „Ja, jene Ruinen sind ein Überbleibsel vom Clan der Lascar, doch sie sind bereits seit Jahrhunderten verfallen. Ihr Oberhaupt soll sogar im Stande gewesen sein, in andere Welten zu reisen, so wie Sie, Seishirou-san.“, erzählte sie. Dadurch erweckte sie erst recht die Aufmerksamkeit des Reisenden. Dieser versuchte einen Blick auf die Ruinen zu erhaschen, doch es misslang. Sein fehlendes Augenlicht auf der rechten Seite begünstigte dies nicht gerade. „Das klingt wirklich interessant. Es kann tatsächlich sein, dass sich dort jener Schatz befindet, nach dem ich suche. Bestünde die Möglichkeit, dass wir diese Ruinen besuchen?“, forderte Seishirou sein Glück heraus. Hokuto wollte antworten, doch Subaru war schneller. „Nein, auf keinen Fall. Das ist viel zu gefährlich. In diesem Gebiet treiben sich eine große Anzahl an Unvollkommenen herum, sie würden uns sofort angreifen.“, wies er diese Idee von sich. Seishirou verengte die Augen. Diesen Begriff hatte er bereits mehrfach gehört, seit er im Schloss war. „Verzeihung, aber was genau sind diese Unvollkommenen?“, hakte er nach. Diesmal war Hokuto schneller. „Es sind Vampire. Auch… wenn ich sie nicht so nennen möchte. Es sind Wesen, die sich von ihrem Herr abgewandt haben und durch falsches Blut korrumpiert wurden.“ Seishirou war jedoch anzusehen, dass er nicht recht verstand. „Hokuto, hast du bereits vergessen, dass unser Gast keinerlei Erfahrungen mit Vampiren hat? Ich erkläre es. Wenn ein reinblütiger Vampir das Blut eines Menschen trinkt und diesen verwandelt, dann wird er zu dessen Herrn. Der gewandelte Vampir wird praktisch süchtig nach dem Blut seines Herrn, er giert danach. Wenn jene Gewandelten ihren Herr jedoch verlieren oder verstoßen werden, dann halten sie den Druck kaum noch aus. Sie tun alles, um ihrem Herrn nahe zu sein und dessen Blut zu trinken. Doch Unvollkommene stillen ihre Gier, indem sie das Blut von Menschen, manchmal sogar von Tieren trinken. Dieses Blut ist jedoch Gift für sie und verändert sie vollkommen.“ Hokuto stimmte ihm bei. „Sie beginnen damit, allmählich ihren Willen zu verlieren und schließlich ihre Seele. Alles was bleibt ist ein wandelndes Ungeheuer. Würden wir uns in diese Zone begeben, würden sie uns sofort angreifen und uns nach unserem Blut trachten.“ Subaru nickte. „Korrekt. Anders wäre es, wenn wir die Rote Bestie auf unserer Seite hätten, doch wie Onkel Kazuto mir berichtete, befindet sie sich derzeit auf einer Reise.“ Seishirou wollte wissen, von was für einer Bestie er sprach, doch Subaru schüttelte nur den Kopf. Scheinbar war es nicht weiter wichtig. „Das ist zu schade. Diese Ruinen hätten mich wirklich interessiert.“, meinte er unzufrieden. „Also… es gibt Aufzeichnungen darüber in unserer Bibliothek. Ich kann sie Ihnen zeigen!“, sagte Hokuto nun enthusiastisch. Subaru legte jedoch seine Hand auf die Schulter seiner Schwester. „Nein, lass gut sein, du hast heute noch Pflichten. Ich führe Seishirou-san in die Bibliothek.“, sagte er bestimmt. Hokuto wollte Einspruch erheben, doch ihr Bruder kannte keine Widerrede. Seishirou bedankte sich bei der Prinzessin und folgte dann ihrem älteren Bruder. Dieser führte ihn einen Gang entlang und dann eine Treppe hinauf. „Ich weiß nicht viel von deiner Welt, aber ich hoffe, unser Schloss sagt dir einigermaßen zu.“, sagte Subaru im Gehen. Seishirou hob die Augenbrauen. „Aber natürlich, ich finde es hier sehr aufregend. Und ich möchte mich auch bedanken, dass ihr mir solches Vertrauen entgegenbringt. Ihr kennt mich nicht einmal und dennoch nehmt ihr mich so einfach bei euch auf.“, entgegnete er freundlich. Subaru wich seinem Blick aus. „Ich… bin mir nicht sicher. Ich habe das Gefühl, dass wir einander schon einmal begegnet wären.“, sagte er leise. Seishirou wusste nicht, wie er diese Bemerkung deuten sollte. „Ich fürchte, da irrst du dich. Weder war zuvor schon in dieser Welt, noch habe Erfahrung mit Vampiren.“ Subaru bat seinen Gast, das Gesagte einfach zu vergessen und führte ihn zu einer hohen Tür. Er öffnete sie und ließ Seishirou hinein. Hohe Regale voller Bücher ragten empor, es schien genau das zu sein, was Seishirou sich erhofft hatte. Subaru führte ihn ganz zum Ende der Bibliothek und nahm ein Buch heraus. „Das hier sind alle Aufzeichnungen über die Lascar und ihr Oberhaupt. Man sieht es hier als nicht so wertvoll an, Onkel Kazuto wird also bestimmt keine Einwände haben, wenn du es dir ausborgst.“, stand für ihn fest, als er seinem Gast das Buch reichte. Dieser nahm es dankend entgegen und betrachtete es eingehend. „Du darfst dich auch frei in der Bibliothek aufhalten. Wenn du eine Frage hast, kannst du jederzeit zu mir kommen.“, bot er an. Seishirou bedankte sich und als Subaru im Begriff war zu Gehen, rief er ihn noch mal zurück. „Verzeihung, eine Frage hätte ich tatsächlich.“, gestand er. Subaru nickte und wartete sie ab. „Also… Wie genau liest man eure Schrift?“ Damit hatte der Vampir nicht gerechnet. „Du… kannst nicht lesen?“, fragte er perplex, doch Seishirou wehrte ab. „Naja, lesen kann ich natürlich, doch ich fürchte, ich kann eure Schriftzeichen nicht lesen.“, wurde er konkret. Subaru stand mit offenem Mund vor ihm und ärgerte sich scheinbar, dass er diese Möglichkeit nicht bedacht hatte. Er senkte seinen Kopf und brachte eine aufrichtige Entschuldigung hervor. Seishirou wehrte jedoch ab, immerhin konnte sein Gastgeber dies nicht wissen. „Gibt es hier vielleicht eine Art Alphabet? Dann könnte ich die Zeichen selbst entschlüsseln.“, kam er auf die Idee. Subaru zögerte aber mit der Antwort. „Nein, für jemanden der keinerlei Kenntnis von unserer Schrift hat, wäre es praktisch unmöglich. Dafür ist sie viel zu komplex. Aber… naja.“, stammelte er zuletzt etwas. Seishirou musterte ihn eingehend, doch Subaru wich seinem Blick erneut aus. „Naja, also… ich könnte dir ja daraus vorlesen.“, schlug er vor. Seishirou zeigte sich überrascht und lächelte verlegen. „Ein… ganzes Buch? Danke, aber das kann ich nicht annehmen. Das würde doch zu viel deiner Zeit und Mühe erfordern.“, schien er das Angebot für übertrieben zu erachten. Subaru ließ sich jedoch nicht mehr von dieser Idee abbringen. „Nein, diese Aufzeichnungen scheinen dir wichtig zu sein. Und wenn sie dich deinem Schatz, nachdem du bereits so lange suchst näher bringen, dann wäre es mir eine Freude dir dabei zu helfen. Du kannst auf mich zählen, wirklich.“ Seishirou starrte ihn lange an, dann nickte er. „Also gut, einverstanden. Auch… wenn ich keine Ahnung habe, wie ich das je wieder gut machen kann.“ Subaru schüttelte den Kopf. „Nein, das musst du auch gar nicht. Ich bin froh, dir helfen zu können.“, versicherte er. Dann setzten sich er und der Besucher aus einer anderen Welt an einen Tisch und begannen damit, die erste Seite des alten Buches aufzuschlagen. Während Subaru den ersten Satz las, wurde die Tür zur Bibliothek einen Spalt breit geöffnet. Hokuto hatte es nicht unterlassen können, den beiden nachzuspionieren. Doch was war dieses Gefühl, das sie beschlich, als sie ihren Bruder und Seishirou zusammen sah? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)