Morgen vielleicht von Jaelaki (Seto & Joey | Puppyshipping) ================================================================================ Kapitel 9: Fühlen -----------------   Gedanken konnten ergrauen. Ideen verblassen. Die Leere rammte seinen Brustkorb und hinterließ ein klaffendes Loch. Um ihn herum verebbten Farben unter einem Schleier aus Grau. Nächte wurden zu Tagen und Tage zu Nächten. Es spielte keine Rolle mehr. Er verdurstete, während er trank. Verhungerte, während er in sich hineinfraß. Die Leere verschlang alles, was er besaß. Er war falsch abgebogen und erinnerte sich nur noch vage daran, wo. Er rannte weiter, obwohl er nicht wusste, wohin. Er wollte schreien, aber alles blieb still. Die Leere verschlang jeden Ton und jede Farbe. Jemand klopfte. Er schwieg, doch die Tür öffnete sich trotzdem. Er wandte sich nicht um, lag mit dem Rücken zum Eingang des Zimmers und starrte an die Wand. Es war dunkel hier drin, obwohl durch den Fensterspalt Licht drang. Jemand zog die Gardinen zurück und er schloss die Augen. Er hörte, wie das Fenster geöffnet wurde und er vergrub sein Gesicht im Kissen. »Du hast dich aus dem Krankenhaus entlassen. Ich habe erst eben davon erfahren.« Seit wann klang Mokuba so erwachsen? »Sie haben eine Gehirnerschütterung ausgeschlossen. Alles andere wäre nur Zeitverschwendung«, murmelte er in den Überzug. »Du warst dehydriert, bist zusammengebrochen und hattest eine Überdosis. Wie viele von diesen Kopfschmerztabletten nimmst du?« Es war nicht so, als hätte er das bereits von den Ärzten gehört. Und es war nicht so, als würde es ihn inzwischen mehr interessieren. »Nicht genug«, murmelte er. Angesichts der Schmerzen, die ihn gerade überfluteten. Es wäre angenehmer gewesen, hätte jemand seinen Schädel aufgeschnitten. »Warum hast du nicht auf meine Anrufe geantwortet?« »Ich war beschäftigt.« Er schmeckte die Lüge auf der Zunge, aber es war die Erklärung, die jeder schluckte. Er war immer beschäftigt. Jeder nahm an, er hätte wichtige Meetings und Telefonate und Verträge zu unterzeichnen. Niemand zuckte mit der Augenbraue, wenn er behauptete, er hätte Termine. »Wie lange willst du noch hier im Dunkeln liegen?« Außer Mokuba. Die Wahrheit war, er hatte Termine. Aber es interessierte ihn nicht. »Ich dachte, du würdest es gutheißen, wenn ich mich endlich einmal ausruhe. Mir Zeit für mich nehme. Vielleicht suche ich mir auch gleich ein neues Hobby. Vielleicht fange ich an zu gärtnern.« Der Sarkasmus tropfte von jeder Silbe. »Hier in deinem Schlafzimmer? Eine tolle Idee.« Er öffnete seine Augen einen Spalt weit und sah, wie Mokuba mit verschränkten Armen dastand, ihn musterte, als wüsste er Antworten, bevor er fragte. Es irritierte ihn und es erinnerte ihn an sich selbst. Vielleicht deswegen. »Wie viele Tabletten hast du noch hier herumliegen?«, fragte Mokuba leise. Er schnaubte, drehte sein Gesicht weg, starrte an die Wand, dann aus dem Fenster. »Soll ich Roland beauftragen es für dich zu protokollieren oder hast du ihm schon die Anweisung gegeben?« Mokuba seufzte, wie er selbst manchmal seufzte, wenn Wheeler sein kognitives Niveau unter dem Gefrierpunkt bewies. Aber er sagte nichts dazu. Er war müde. Er war so müde, dass er glaubte, nie wieder aus dem Bett steigen zu können. Er spürte wie sich die Matratze senkte, doch er starrte weiter aus dem Fenster, ohne etwas zu sehen. »Der Vorstand möchte dich als«, hier zögerte Mokuba, »unpässlich geltend machen. Sie haben mich gerufen, um dich eine Zeit lang zu vertreten.« Von draußen strahlte die Sonne herein. Es war so ein klarer Wintertag. Aber alles wirkte grau. Unbedeutend. Was hieß es schon, reich zu sein, wenn das Geld nicht die benötigte Zeit kaufen konnte? »Schön«, sagte er, »herzlichen Glückwunsch.« Was bedeutete es schon, einflussreich zu sein, wenn der Einfluss nicht bis an das Ziel führte? Er schloss die Augen. »Du bist ein Arsch, Kaiba.« Er atmete ein und aus und ein und ignorierte diese Stimme, die über ihn strich wie die Wärme eines Sonnenstrahls und ihn dabei erzittern ließ. »Du bist ein egozentrischer Ekelarsch.« »Seto, du weißt, dass du mit der ganzen Situation nicht alleine bist«, begann Mokuba und legte eine Hand auf seinen Rücken, den er ihm immer noch zugewandt hatte. Er kniff die Augenlider fester aufeinander, biss auf seine Unterlippe, presste die Arme um seinen Oberkörper und ignorierte sie, ignorierte sie alle beide. Es wäre gelogen, würde er Mokuba vorwerfen, es nicht nachvollziehen zu können. Sie hatten beide Erfahrung mit diesen Dingen. Dinge, die sich nicht festhalten ließen, obwohl man nicht loslassen konnte. Also schwieg er. »Ich weiß, dass du alles versucht hast, aber –« »Jetzt komm mal langsam wieder klar. Du tust so, als wär‘ das alles voll deine Schuld, Alter. Du musst endlich mal –« »Du musst endlich –« Er fuhr hoch, saß mit einem Male aufrecht im Bett und schrie, dass er gar nichts müsste. Er glaubte zu ersticken, während er heftig durch den Mund atmete. Als würde ihn jemand mit dem Kopf unter Wasser tunken. Ein Gefühl wie Panik überflutete ihn. Er brüllte, dass er dieses Gefühl hasste. Dass er seit seiner Kindheit nicht mehr versagt hatte. Dass er nur etwas mehr Zeit bräuchte. Dass er es nicht akzeptieren würde. Dass er sein Versprechen halten würde. Dass er es hasste, wenn Wheeler nicht anklopfte und so tat, als wäre es selbstverständlich. Dass er überall Chaos hinterließ und viel zu laut war. Mokuba flüsterte Worte, die er nicht hörte, spürte, wie Mokuba sich zu ihm lehnte und festhielt und irgendwann ertrank er in dem Gefühl, dass er nie wieder richtig atmen würde. Dass er versagt hatte, dass er keine Zeit mehr hatte, das Gefühl, dass er sein Versprechen nie würde halten können. Dass es zu spät war. Das Gefühl. Hosted by Animexx e.V. 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